96
UNI Hildesheim Das MAGAZIN No. 11 Dezember 2006

UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UNI HildesheimDas MAGAZIN

No. 11Dezember

2 0 0 6

Page 2: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

Schneller ans Ziel mit demSparkassen-Finanzkonzept.Sicherheit, Altersvorsorge, Vermögen.

Sie wollen Richtung Zukunft starten? Gemeinsam bestimmen wir zuerst mit dem Finanz-Check Ihre Position und legen dann mit demSparkassen-Finanzkonzept Ihren individuellen Kurs fest. So bringen wir Sie auf dem schnellsten Weg an Ihr Ziel. Mehr dazu in IhrerGeschäftsstelle und unter www.sparkasse-hildesheim.de. Wenn’s um Geld geht – Sparkasse.

Sparkassen-Finanzgruppe

Jetzt bei uns einchecken!

Vereinbaren Sie noch heute Ihren Termin.

Page 3: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

3

UniMagazin

Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften, Kulturwissenschaften und Kommunikationswissenschaften mit dem Thema „Interkulturalität“ auseinanderset-zen, wird in diesem Heft anhand zahlrei-cher Berichte über Forschungsaktivitäten, Kooperationen und auch studentischer Initiativen abgebildet.

Das Institut für Angewandte Sprachwis-senschaft stellt sich Ihnen beginnend ab Seite 10 mit seiner herausragenden Kom-petenz im Bereich Interkulturalität vor. Sein Hildesheimer Modell wird beispielsweise von Partnern aus der Wirtschaft wie Daim-lerChrysler und auch Bosch Blaupunkt seit nunmehr 25 Jahren geschätzt und aktuell gefördert. Modellhaftigkeit zeichnet auch die Forschungsarbeit des Instituts für Erzie-hungswissenschaften aus. Die Hildesheimer Expertise führte zur Einwerbung des bisher größten Drittmittelpojekts unserer Universi-tät. Lesen Sie ab Seite 68, warum es gerade die Hildesheimer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind, die die Ausbildung im Bereich Bildungsmanagement in Russland aufbauen und begleiten sollen.

Ein Profil interkultureller Kompetenz findet sich gleichermaßen in den Kulturwissen-schaften. 2006 wurde in dem Bereich ein anspruchsvolles Projektsemester abge-schlossen, ein erfolgreicher Messeauftritt auf der Photokina in Köln gestaltet und nicht zuletzt gelungene Kooperationsprojekte mit Hildesheimer Partnern wie dem Roe-mer- und Pelizaeus-Museum (Ausstellung zur Fußballweltmeisterschaft) und dem Stadttheater (Guests of the City) durchge-führt. Ich möchte besonders betonen, dass diese Form der guten Zusammenarbeit die Wissenschaft in die Hildesheimer Bürgerge-sellschaft hineinträgt. Gerade als Stiftungs-universität werben wir in besonderem Maße um die Unterstützung aus der Gesellschaft. In dem Teil des Hefts, der sich von Seite 33 bis Seite 44 den Stiftungsaktivitäten widmet,

werden Sie gleich zu Beginn über das Center for world music informiert, das zurzeit das ambitionierteste Projekt im Bereich der Stiftungsaktivitäten ist.

„Interkulturalität“ gehört zu unserem wis-senschaftlichen Profil. Hierüber berichten wir. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lek-türe und lade Sie ein, mit uns ins Gespräch zu kommen und uns zu unterstützen. Nicht zuletzt auch deshalb nehmen sich die bei-tragenden Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler Zeit, für Sie zu schreiben und Ihnen ihre Aktivitäten in diesem Magazin zu präsentieren.

Page 4: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

4

No. 11Dezember

2 0 0 6

Impressum

Herausgeber:Der Präsident der Stiftung Universität Hildesheim

Redaktion:Dr. Iris Klaßen

Gestaltung:Jan Schönfelder

Auflage:3000 Exemplare

Anschrift:Stiftung Universität HildesheimMarienburger Platz 2231141 Hildesheim

E-Mail: [email protected]

Titel:Studierende der Universität

Inhalt7Europa als AuftragForschung und Lehre am Institut für Geschichte. Ein Überblick von Prof. Dr. Michael Gehler

Ästhetik und SäkularisierungVilla Vigoni 16. bis 20. Oktober 2006. Ein Tagungsbericht von Silvio Vietta

31

Forschungskonferenz

50

Profil

Bild

„Pädagogische Psychologie“ stärkt Stiftungsuniversität im HochschulwettbewerbNeuer Studiengang vermittelt lebenslanges Lernen durch Vernetzung bestehender For-schungsbereiche

Forschung

Page 5: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

5

Center for world music ent-steht in HildesheimAls Standort ist ein Neubau auf der Domäne Marienbrg vorge-sehen.

Stiftung aktuell

3

4

7

10

14

18

19

21

22

24

27

29

31

33

34

37

38

40

43

45

47

49

50

Vorwort

Impressum

Europa als Auftrag

Ist „Interkulturelle Kommunikation“ Mode?

Erforschung von „Interkultureller Kommunikation“

Alt-Hildesheim: A Cultural History of Normalcy in Modern Germany

Der Interkulturelle Film – eine neue Da-tenbank an der Universität Hildesheim

Go Intercultural!

Internetorientierte Medienkompetenz

When in Rome

MEUM-WB

Informationssysteme im interkulturellen Gebrauch

Ästhetik und Säkularisierung

Center for world music entsteht in Hildesheim

Meilensteine auf dem Weg zur Förderung: Sorgfalt, Präzision und das persönliche Gespräch

Für Transparenz und Qualität in der Stif-tungsarbeit

Kinder erarbeiten „ihren“ Jazzuerliche Vorteile des StiftensLernen für Natur und Technik LeNaTec!

Musik „am Markt“ positionieren

„Musikwissenschaftliche Berufsbilder – Archiv, Edition, Grundlagenforschung“

Von transeuropa bis ins World Wide Web

Liebe Carima ... Zehn Briefe einer Ein-führung in die pädagogische Methoden-lehre

„Pädagogische Psychologie“ stärkt Stiftungsuniversität im Hochschulwett-bewerb

33

Erforschung „Interkultureller Kommunikation“Prof. Dr. Stephan Schlickau be-schreibt Hildesheimer Perspek-tiven

14

Interkulturalität

Fördern

Lernen für Natur und Technik LeNaTecKinder- und Jugendliche finden über Experimente zur Naturwis-senschaft

40

Nachwuchs

Page 6: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

6

53

54

56

61

62

64

66

68

70

71

72

74

78

84

87

88

91

93

Entwicklungstendenzen von Kindertages-betreuung und Vorschulen

Soziale Sicherungsmodelle revisited

Kontrastive Kulturkomparatistik in Hil-desheim und Tokio

„Objekt – Film – Musik“

„Guests of the City“

Musik und Theater

Einladung zur Familienuniversität kommt auch als Postkarte

EU fördert konsekutive Ausbildung inBildungsmanagement in Russland

ERASMUS

GO EAST-Stipendium

Interkultur und Kulturpolitik

Academy meets Photokina

„Es ist uns ein Anliegen, am Ball der Forschung zu bleiben“

LandArbeit

Kulturvermittlung ins Krankenhaus

Focus Gender

TRANSFER – Brücke zum Berufsein-stieg

Kriegstotengedenken in Hildesheim

56

Kontrastive Kulturkompara-tistik in Hildesheim und TokioNeuer Forschungsschwerpunkt in der Philosophie

Fernost

72

Interkultur und KulturpolitikHeike Denscheilmann greift aktuel-le Diskussionen auf und gibt einen Rückblick auf Veranstaltungen des Hildesheimer Instituts für Kultur-politik

Dialog

78

„Es ist uns ein Anliegen, am Ball der Forschung zu bleiben“Ein Rückblick auf ein gelungenes Kooperationsprojekt mit dem Hil-desheimer Roemer- und Pelizae-us-Museum / Dr. Katja Lembke und Prof. Christine Biehler im Interview

Zuspiel

Page 7: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

7

Europa als AuftragForschung und Lehre am Institut für Geschichte. Ein Überblick von Prof. Dr. Michael Gehler

I. Zeithistorische Europaforschungen – Verglei-chende europäische Zeitgeschichte„Europa“ und „Integration“ sind in aller Munde. „Europa“ ist nicht mehr nur Vision und Utopie wie in der Vergangenheit, sondern Realität und Praxis in der Gegenwart. Für die Forschung ergibt sich nach der Vereinigung des Kontinents am 1. Mai 2004 mit der größten Erweiterung in der Geschichte der Gemeinschaften die nahezu zwingende Herausforderung, sich mit der immer komplexer werdenden Thematik zu befassen. Einen Forschungsschwerpunkt (FSP) „Verglei-chende europäische Zeitgeschichte (VGEZ)“ an der Universität Hildesheim zu schaffen, wird das Ziel am dortigen Institut für Geschichte sein. Damit soll der wachsenden Bedeutung der Frage nach den europäischen Bürgergesellschaft(en) und Öffentlichkeiten auch Rechnung getragen werden. Ferner gilt es, ein Alleinstellungsmerk-mal für Hildesheim zu bilden und ein Zeichen in Richtung „Europa-Universität“ zu setzen.

Prof. Dr. Michael Gehler

Seit Oktober 2006 Direktor des Instituts für Geschichte und Jean Monnet Chair für Europäische Geschichte an der Stiftung Universität Hildesheim. Permanent Senior Fellow am Zentrum für Europäische Integrati-onsforschung (ZEI) der Uni-versität Bonn seit 2000. Seine Forschungsschwer-punkte behandeln die deutsche und europäische Geschichte des 20. Jahr-hunderts, v. a. Fragen der Außenpolitik und der euro-päischen Integration.

II. Aufgaben und ZielsetzungenDer FSP kann verschiedene Funktionen erfüllen: das Themenfeld „Europa“ in seiner historischen Dimension erschließen, die Erweiterungen als Herausforderung für die Historiographie begreifen, mit Gegenwartsorientierung und Zukunftsperspektive ein besseres Verständ-nis der geschichtlichen Zusammenhänge der Integration fördern und in interdisziplinärer Zusammenarbeit verschiedene sich ergänzende wissenschaftliche Zugänge erarbeiten. Unter „Zeithistorische Europaforschungen“ wird eine umfassende Beschäftigung mit der Ge-schichte Europas verstanden, die sich sowohl mit der europäischen Integration im engeren Sinne (ERP, EWG, EG, EU) als auch mit Europa und seinem größeren geschichtlichen Hintergrund im Sinne einer langen Dauer sowie mit seinen Außenbeziehungen befasst. Geographisch geht es nicht nur um Westeuropa, d.h. um Kern- bzw. Kleineuropa, sondern um die Peripherie sowie Mittel- und Osteuropa, dessen Staaten sich der-zeit im Rahmen der formell zwar durchgeführ-ten, aber noch nicht wirklich auf allen Ebenen (Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt, Eurozone etc.) vollzogenen Erweiterung anschicken, der Union als Voll-Mitglieder anzugehören. Inhaltlich geht es um die Erforschung der einzel-nen Phasen der Geschichte der europäischen In-tegration von der Initiierung des Marshall-Plans (European Recovery Program) von 1947/48 bis zur letzten Erweiterung der EU 2004. Dabei wird eine Europa-Akteur-orientierte Historiographie ein Anliegen sein.

III. Quellen, Inhalte und MethodenAktenerschließung, Oral-History und die Prü-fung von Theorien zur Geschichte Europas und seiner Integration, sowie die Rekonstruktion von Bildern, Begriffen, Ideen und Vorstellungen des historischen Europas gehören zu den Ziel-setzungen, d. h. politik- und wirtschafts- mit gesellschafts-, identitäts- und mentalitäts-geschichtlichen Ansätzen zu verknüpfen. Da „Europa“ historisch weiter zu fassen ist als

Page 8: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

8

EWG, EG und EU sind so genannte outsider- bzw. late comer-Staaten und ihre politischen Kultu-ren einzubeziehen, z. B. Finnland, Österreich, Schweden oder zuletzt Polen.

Aufgrund des zentralen Standorts der Uni-versität Hildesheim ist an eine systematische Grundlagenforschung über die Bundesrepublik Deutschland und die Kleinstaaten Mittel- und Zentraleuropas insbesondere in ihrem Verhältnis zur europäischen Integration gedacht, aber auch an die Einbeziehung der Neutralen (z.B. Irland und die Schweiz). Auch Regelungen von Minder-heitenfragen sowie grenzüberschreitende EURE-GIO-Projekte sind zu berücksichtigen. Nicht nur an EU-Europas Außengrenzen, sondern auch an seinen Binnengrenzen entscheidet sich seine Zukunft, zumal sich dort Arbeitsmigrationen, Wohlstandsgefälle und Formen der Krimina-lität auftun. Diesen Fragestellungen will sich am Institut der wissenschaftliche Mitarbeiter Andreas Pudlat M.A. widmen. Und nicht zuletzt die interregionale und grenzüberschreitende Kooperation von der Regionalisierung hin zur Europäisierung ist bedeutsam für die Integration, wie das Beispiel Südtirol zeigt.Als gleichwertig sind auch die politischen, kul-turellen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Dritten sowie Wahrnehmungen von außen (z.B.

die Türkei im Wechselspiel von Schwarzmeer-Region und der Union) zu würdigen. Hierzu sind der transatlantische Themenkomplex, aber auch Aspekte der Globalisierung (GATT, IWF, verglei-chende Verfassungsdebatten in USA und Europa) zu nennen. Methodisch kann vor allem auf einen Vorzug zeitgeschichtlicher Forschung gegen-über anderen Geschichtsdisziplinen verwiesen werden, nämlich die Oral-History mit Blick auf Integrationsforschung. Mit europäischen Inte-grationsexperten aus Deutschland (Hans von der Groeben, Karl-Heinz Narjes, Fritz Hellwig u.a.) konnten bereits systematische Interviews im Sinne einer kritischen „Elitenforschung“ geführt werden.Mit Blick auf den wachsenden Stellenwert neuer Medien für die Zeitgeschichte ist auf die Nutzung von Videos und die Verwendung des Internet zu verweisen. Hierzu besteht im Rahmen des vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Inns-bruck aufgebauten Zeitgeschichtlichen Infor-mationssystems (ZIS) ein link zum Themenfeld „Österreich und die europäische Integration“ (mit Bildern, Chronologien, Dokumenten, Graphiken und Karikaturen sowie weiterführenden Frage-stellungen mit didaktischen Behelfen) mit zusätz-lichen anderen links zu Dokumentationsstellen zur Geschichte Europas und Integration. Diese Internet-Plattform soll künftig in Kooperation mit dem Institut für Geschichte der Universität Hildesheim ausgebaut und spezifiziert werden, z. B. zu Themen wie Europarat, EFTA-EWG, die Erweiterungen, Europakonzepte nach 1945 etc. Die Erstellung einer umfassenden Bibliographie sowie die Erarbeitung einer zeitgeschichtlichen Dokumentation zur europäischen Integration via Internet soll eine Aufgabe des FSP sein.Zeithistorische Europaforschung ist automatisch Komparatistik, also nations- und Europa-über-greifend als Vergleich angelegt, der arbeitslei-tend wird. Eine Juniorprofessur, die sich der vergleichenden neueren und neuesten europäi-schen Kulturgeschichte widmet, soll spätestens zum Sommersemester 2007 besetzt werden.

IV. Inneruniversitäre Anknüpfungspunkte und internationale VerankerungEine zukunftsorientierte „Zeithistorische Euro-pa-Forschung Interdisziplinär“ (ZEFI) kann durch eine Bündelung europaspezifischer Kompeten-zen und Wissensressourcen mögliche Anknüp-fungspunkte und Kooperationen mit anderen Instituten der Universität Hildesheim (so z.B. mit

Claudio Parmiggiani „collezione dei conti-

nenti“, 1972

Page 9: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

9

den Erziehungs-, Sozial-, Politik- und Kommu-nikationswissenschaften) bilden. Ein Antrag bei der VW-Stiftung über die Umbruchjahre 1989/91 (in Mittel- und Osteuropa sowie in Russland), ihre Rezeption in den Bildungswissenschaften sowie deren Stellenwert in zukünftigen Cur-ricula ist mit den Kolleginnen Prof. Dr. Meike Sophia Baader und Prof. Dr. Olga Graumann in Vorbereitung. Über hausinterne Formen der Zusammenarbeit in Wissenschaft und Lehre hinausgehend werden vorhandene Kontakte und Kooperationen natio-naler und internationaler Art zu ausgewiesenen Forschungsinstituten in Europa fortgesetzt und ausgebaut. Es gibt zur Forschungsgruppe „Iden-titäten, Sprachen und Kulturen“ des Zentrums für Europäische Integrationsforschung (ZEI) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, zum Lehrstuhl für die Geschichte der Didaktik der Europäischen Integration an der Universität zu Köln, aber auch zum Center for European Studies an der University of Limerick, zur Université Cergy Pontoise/Paris, University of Portsmouth, zum Deutschen Historischen Insti-tut in Trient, dem Katholischen Dokumentations-zentrum der Universität Leuven und zum Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck Kontakte. Die bisherigen Partnerschafts- und Kooperationsbeziehungen zum Center Austria der University of New Orleans sollen weiter geführt werden.

V. Eingeworbene Drittmittel und wissenschaft-licher NachwuchsFür verschiedene Forschungsprojekte (Internati-onale Konferenzen, Tagungsbände, Editionspro-jekte, Monographien) sind Drittmittel beantragt und von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung und der Europäischen Union bereits eingeworben worden, u. a. für ein Buchprojekt zum Verhältnis zwischen Österreich und der Bundesrepublik

Deutschland im Jahre 1955 (Staatsvertrag und Souveränität) bzw. für die Etablierung eines Jean Monnet Chairs für Europäische Geschichte an der Universität Hildesheim. Im Rahmen dieser Aktivitäten sind zwei Tagungen zu nennen: die erste vom 26. bis 28. November 2006 zum Thema „Verschiedene europäische Wege im Vergleich: Österreich und die Bundesrepublik Deutschland 1945/49-1995“ und die zweite vom 24. bis 26. Mai 2007 zum Thema „Vom Gemeinsamen Markt zur Europäischen Union. 50 Jahre Römische Verträ-ge“, bei der der ehemalige EU-Kommissionsprä-sident Jacques Santer Ehrengast und Festredner sein wird. Aus diesen Konferenzen werden ein-schlägige Publikationen hervorgehen.Wissenschaftlichen Nachwuchs gilt es anzu-ziehen, aufzubauen und zu betreuen. Zuletzt arbeitete der Verfasser an einem von der DFG gesponserten Internationalen Graduiertenkolleg gemeinsam mit den Universitäten Frankfurt, Innsbruck und Trient zum Rahmenthema „Herr-schaftslegitimationen. Politische Kommunikati-on von der Antike bis ins 20. Jh.“ mit. Die Entwicklung von kommunikationstheoreti-schen Überlegungen zur Geschichte der euro-päischen Integration gehört zu den zukünftigen Zielsetzungen des Forschungsschwerpunkts. In diesem Rahmen sind Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten zu vergeben, die im Falle sehr guter Bewertung publiziert werden, so u. a. zu Fragen politischer Kommunikation und Verfas-sungsbildung in Europa.

VI. Stärkung des Bereichs Zeitgeschichte in der FachdidaktikDer Forschungsschwerpunkt soll auch zu einer Stärkung zeitgeschichtlicher Fachdidaktik an der Universität Hildesheim beitragen. Europa-Kom-petenz, d.h. Wissen über Entstehung, Verlauf und Perspektiven der europäischen Integration wird ein immer wichtigerer Gegenstandsbereich

v.l. Andreas Pudlat, Prof. Dr. Michael Gehler,

Eva Löw

Page 10: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

10

Ist „Interkulturelle Kommunikation“ Mode?Die Entwicklung am Institut für Angewandte Sprachwissenschaft belegt das Gegenteil und beweist Hildesheimer Tradition

„Interkulturelle Kommunikation“ ist mehr als nur ein Modephänomen, sie ist ein im internatio-nalen Wissenschaftsleben vertrauter, allgemein akzeptierter Begriff. In den Studiengängen des Instituts für Angewandte Sprachwissenschaft (IfAS) spielt die Beschäftigung mit interkulturel-len Fragestellungen seit langem eine zentrale Rolle, das Interesse der Studierenden an dieser Thematik ist groß. Vor einem Jahr feierte am Ins-titut die „Interkulturelle Kommunikation“ bereits ihren 20. Geburtstag. Dies bot eine ausgezeich-nete Gelegenheit, auf das Geleistete zurückzu-blicken und Bilanz zu ziehen, gleichzeitig aber auch den Blick in die Zukunft zu richten. Daher erschien zum Jubiläum ein Sammelband (Be-neke, J.; Jarman, F. (Hrsg.), Interkulturalität in Wissenschaft und Praxis. Hildesheim: Universi-tätsverlag, 2005) mit Beiträgen von Kolleginnen und Kollegen, von ehemaligen Doktorandinnen und Doktoranden, von Absolventinnen und Absol-venten wie auch von interkulturell interessierten Freunden des Instituts.

Die Entwicklung der Interkulturellen Kommunikation am IfAS

Es begann 1981. Jürgen Beneke wurde auf eine Professur für Anglistik an der Universität Hil-desheim berufen, wo kurz zuvor ein neuartiger interdisziplinärer Studiengang, der Diplomstudi-engang Fachübersetzen (heute: „Internationale Fachkommunikation“), seine Arbeit aufgenom-men hatte. Beneke war schon damals davon überzeugt, dass für einen praxisorientierten,

international geprägten Studiengang die Be-schäftigung mit Fragen der „Interkulturellen Kommunikation“ unverzichtbar ist. Die konkrete Umsetzung dieser Erkenntnis bedurfte jedoch nicht nur eines entsprechenden didaktischen Konzepts, sondern auch einer soliden wissen-schaftlichen Grundlage, die nur durch Forschung geschaffen werden konnte.

Ausgehend von diesen Überlegungen richtete Beneke 1985 eine Forschungsstelle für „Inter-kulturelle Kommunikation“ ein. Die Grundlage war eine Drittmittelzuweisung der Europäischen Kulturstiftung mit Sitz in Amsterdam. Es wurde ein Grundbestand an Literatur beschafft und 1986 eine Sekretariatsstelle aus Projektmitteln eingerichtet sowie wissenschaftliche Hilfskräfte ausgewählt und eingestellt. Zugleich wurden erste Recherchen zum Thema „Erfahrungen deutscher Wirtschaftsvertreter auf dem Ge-biet der internationalen Wirtschaftskontakte“ durchgeführt. Erste Konzepte zu Trainingsmaß-nahmen wurden seit 1987 entwickelt und in die Praxis umgesetzt.

Das Institut für Angewandte Sprachwissenschaft war in diesen ersten Jahren gewissermaßen eine Monokultur mit nur einem - wenngleich sehr erfolgreichen - Studiengang, dem Diplom-studiengang „Fachübersetzen“. Übersetzen ist fast unumgänglich eine interkulturelle Aktivität, und obwohl es nicht möglich war, ein größeres, den Belangen des Studiengangs angepasstes interkulturelles Angebot einzurichten, stieg

an den Schulen und in der politischen Bildung. Die Bereitstellung von Lehr-, Lern- und Unter-richtsmaterialien spielt dabei eine besondere Rolle. Die Schärfung der Kenntnisse über die Entstehung der Europäischen Gemeinschaften und das Funktionieren der heutigen Union aus der historischen Erfahrung zu erklären, wird ein immer wichtigeres Anliegen der heutigen Wis-

sensvermittlung nicht nur an den Universitäten und Gymnasien, sondern auch an den Grund-, Haupt- und Realschulen. Mit dem Institut für Weiterbildung und Fernstudien (ZFW) sind Ring-vorlesungen zum Thema „Europäische Städte im historischen Wandel“ in Aussicht genommen. Es ist längst an der Zeit, Europa als Auftrag zu verstehen.

Page 11: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

11

die Anzahl der interkulturellen Diplomarbeiten rasant.Zu einer wesentlichen Änderung kam es in den Jahren nach 1994, als am Institut der neue Magisterstudiengang „Internationales Informa-tionsmanagement“ eingeführt wurde. „Interkul-turelle Kommunikation“ ist eine bedeutende, in der Studienordnung fest verankerte Kom-ponente dieses Studiengangs und liefert (nach der Angewandten Informationswissenschaft) die größte Anzahl Themen für Magisterarbeiten. Die Auseinandersetzung im Hauptstudium mit interkulturellen Fragestellungen, z. B. in der Wirtschaftskommunikation, hat zu einer inten-siveren Beschäftigung mit kulturspezifischen Verhaltensmustern und Wertorientierungen („Kulturdimensionen“) sowie zu Definitionen der interkulturellen Kompetenz (das „Hildesheimer Modell“) geführt.

Inzwischen wurde der Ausbildungskanon am Institut für Angewandte Sprachwissenschaft um zwei neue Studiengänge erweitert, den Bache-lor-Studiengang „Internationale Kommunikation und Übersetzen“ und den Master-Studiengang „Internationale Fachkommunikation – Sprache und Technik“. In beiden Studienangeboten ist die „Interkulturelle Kommunikation“ fest verankert. Das Fach hat im Institut einen sicheren Platz im Mittelpunkt des Geschehens. Über die Jahre sind in den verschiedenen Studiengängen des IfAS etwa 250 Abschlussarbeiten zu interkulturellen Themen verfasst worden.

Das „Hildesheimer Modell“

An der Universität Hildesheim hat Jürgen Beneke ein Profil der Interkulturellen Kompetenz erarbeitet. Die Hauptelemente (in der Reihenfolge der Wichtigkeit) sind:

1. Differenzierte Wahrnehmung (ich als Produkt meiner Sozialisation und Kultur)

2. Fähigkeit zur Klärung eigener Werte und Überzeugungen

3. Realistische Selbsteinschätzung (weitgehende Übereinstimmung zwischen Selbstbild und Fremdbild)

4. Verhaltensdisponibilität (d. h. ein breites Rollenrepertoire)

5. Metakulturelle Prozesskompetenz (z. B. beim Aushandeln von Spielregeln)

6. Vermeidung von vorschnellen Attributionen

7. Empathiefähigkeit

8. Vermeidung von Ethnozentrismus

9. Ambiguitätstoleranz (d. h. die Fähigkeit, mit wenig Struktur und Sicherheit zurecht zu kommen)

10. Coping Strategies (z. B. bei Klarstellun- gen und Reparaturen)

11. Außerdem: Motivation und Wissen

Dr. Francis Jarman (r.) auf einer Konferenz in Ägypten zur Spra-che, Kultur und Globalisierung

Page 12: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

12

Kulturbedingte Probleme bei Wirtschafts-kontakten zu europäischen Ländern. (Dipl.-Fachübers., 1990)

Interkulturelle Kontakte am Arbeitsplatz: Untersucht am Beispiel deutscher und spa-nischer Ingenieure und Techniker bei SEAT. (Dipl.-Fachübers., 1992)

Zur Aktivierung latenter Nationalstereotype in der deutsch-italienischen Tagespresse. (Dipl.-Fachübers., 1994)

Kundenkontaktgespräche in englischen und französischen Autowerkstätten: Eine korpus-gestützte Untersuchung an ausgewählten Beispielen. (Dipl.-Fachübers., 1995)

Die Kulturkompetenz des Translators: Be-griffliche Grundlegung und Didaktisierung. (Dr. phil., 1998)

Umgang mit Fremdheit – dargestellt an Bei-spielen deutscher Expatriates in Bangkok. (M.A., 1999)

Interkulturelle Aspekte der Glaubwürdigkeit in Gerichtsverfahren. (M.A., 2001)

Mehrsprachigkeit und Informationssysteme bei den Vereinten Nationen. (M.A., 2001)

The Impact of Culture on Humanitarian Action: Reflections on a UNITAR Training Curriculum for Action in a Cross-Cultural Context. (M.A., 2002)

Die „Ähnlichkeitsfalle“ im Kontakt zwischen benachbarten Kulturen: Eine Untersuchung am Beispiel Deutschland – Dänemark. (M.A., 2002)

Die Service-Welten U.S.A. und Deutschland im Vergleich. (M.A., 2002)

Integration eines südafrikanischen Toch-terunternehmens in einen europäischen Konzern in Bezug auf Logistik, Reporting und Koordination unter Berücksichtigung kultureller Unterschiede. (M.A., 2003)

Lern- und Integrationsverhalten chinesi-scher Studierender an deutschen Univer-sitäten. (M.A., 2003)

Kulturelle Unterschiede in der deutsch-un-garischen Wirtschaftskommunikation. (Dr. phil., 2003)

Kulturelle Unterschiede bei der Bewertung von Internet-Angeboten. (M.A., 2004)

Fusionen im Kulturvergleich: Eine Darstel-lung von erfolgreichen sowie gescheiterten internationalen Fusionen mit Blick auf die unterschiedlichen Geschäftskulturen. (M.A., 2004)

Konzeption und Entwicklung von interkul-turellen Trainingspaketen für deutsche Berufsausbilder und Experten zur Vermitt-lung interkulturellen Basiswissens sowie länderspezifischer Kompetenz mit dem Schwerpunkt Osteuropa. (M.A., 2004).

Kultur- und Sprachvergleich in der Transla-tionsdidaktik – Schwerpunkt Spanisch. (Dr. phil., 2004)

Gestik im interkulturellen Vergleich. (B.A., 2005)

Interkulturelle Sensibilisierung im multina-tionalen Arbeitsumfeld: Eine Untersuchung am Beispiel deutsch-indischer Zusammen-arbeit. (M.A., 2005)

Rhetorik und Dialektik: Die Kunst des Überzeugens als Schlüsselkompetenz in intra- und interkultureller Kommunikation. (M.A.. 2005)

Auswirkungen einer funktionalen Matrixor-ganisation auf die Mitarbeiterzufriedenheit – Ein Beitrag zum interkulturellen Perso-nalmanagement. (M.A., 2005)

Restitutio Poloniae – Die Entwicklung der kulturellen Eigenheiten Polens nach dem Kommunismus. (M.A., 2006)

Abschlussarbeiten zu interkulturellen Themen am Institut für Angewandte Sprachwissenschaft. Eine Auswahl von 1990 bis 2006.

Page 13: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

13

Vielfältige Aktivitäten

Das IfAS Hildesheim war eine der ersten deut-schen Hochschuleinrichtungen überhaupt, die die „Interkulturelle Kommunikation“ umfang-reich zum Thema von Forschung und Lehre gemacht hat. Auch nach außen hat das IfAS auf vielfältige Weise folgende Fragestellungen vertreten:

Zu verschiedenen Themen wurden Kolloqui-en und Workshops mit renommierten Gästen aus Großbritannien, Indien und anderen Ländern veranstaltet.

Häufig fanden Trainings und Blockseminare statt, u. a. für Topmanager, Diplomaten und Bundeswehroffiziere.

Es gab zahlreiche Publikationen, besonders erwähnenswert die Bücherreihe Arbeitspa-piere zur Internationalen Unternehmens-kommunikation, mit Einzeltiteln zu Themen wie Kultur, Mentalität und Nationale Identität, Kommunikation im Flugverkehr oder Kultur-unterschiede am Arbeitsplatz.

Jürgen Beneke und Francis Jarman ha-ben mit Keynote-Reden an Tagungen und Konferenzen zu interkulturellen Themen teilgenommen, z. B. in Zusammenarbeit mit internationalen Fluggesellschaften, mit dem Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg oder mit dem Amt der Ausländerbeauftragten des Landes Brandenburg.

Seit einigen Jahren gibt es ein eigenes Online-Journal, CultureScan: Beiträge zur Interkulturellen Kommunikation, zum inter-kulturellen Management und zur Organisa-tionskommunikation (www.culturescan.de).

Vor einem Jahr begann die Einrichtung einer Online-Datenbank (The Intercultural Film Database) mit Informationen über in-terkulturell interessante Spielfilme aus ver-schiedenen Ländern und Filmanalysen aus interkultureller Perspektive (www.projekte.uni-hildesheim.de/interculturalfilm).

Eine erfolgreiche Kooperation gibt es seit 2001 mit dem Interkulturellen Kompetenz-zentrum Rheinland-Pfalz in Kusel (IKOKU).

Neue Entwicklungen

Auch am IfAS wird es im Zuge des Bologna-Pro-zesses erhebliche Änderungen geben. Zurzeit werden neue Bachelor- und Master-Studien-gänge auf dem Gebiet des „Internationalen Infor-mationsmanagements“ konzipiert. Das wird zu einer Erweiterung des Angebots an interkulturell ausgerichteten Lehrveranstaltungen führen.

Dr. Francis JarmanProf. Dr. Stephan Schlickau

Aktuelle Veröffentlichung von Francis Jarman

Buchtipp

Page 14: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

14

Erforschung „Interkultureller Kommunikation“Prof. Dr. Stephan Schlickau beschreibt Hildesheimer Perspektiven

Globalisierung und Internationalisierung kenn-zeichnen heute die Realität vieler Institutionen – von Bildungseinrichtungen bis hin zu Wirt-schaftsunternehmen. Dies wurde in Hildesheim schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt erkannt – zu einer Zeit, als sich die heutigen Verflech-tungen erst im Aufbau befanden. Besonders Jürgen Beneke, dann aber auch Francis Jarman reagierten auf die sich abzeichnenden Trends mit einer Intensivierung ihrer Forschungs- und Lehraktivitäten auf den Gebieten interkulturel-ler Kommunikation. In Auseinandersetzung mit Forschern wie Edward T. Hall und Geert Hofstede identifizierten sie so genannte „Kulturdimen-sionen“, hinsichtlich derer sich Angehörige verschiedener Kulturen unterscheiden und die somit deren Kommunikation untereinander beeinflussen und schlimmstenfalls sogar stö-ren können. Diese Überlegungen flossen in das Hildesheimer Modell zur Interkulturellen Kompetenz (vgl. Jarman/Schlickau, in dieser Ausgabe) ein.

Auf dieser langjährigen und umfangreichen Tradition kann die weitere Forschung im Bereich „Interkulturelle Kommunikation“ aufbauen. Denn mit den Kulturdimensionen liegen Katego-rien vor, die die weitere Analyse interkultureller

Kommunikation inspirieren. Spezifischer Bedarf besteht jetzt vor allem an empirischen Mikroa-nalysen, wodurch einerseits die kommunikative Relevanz der Kulturdimensionen weiter zu präzisieren ist, andererseits bislang weniger be-achtete Phänomene in den Blickpunkt geraten. Befragungen von Kommunikationsteilnehmern und eher summarische Betrachtungen kom-munikativer Ereignisse sind insbesondere durch Mikroanalysen authentischer Kommunikation zu ergänzen. Methodisch erfordert dies z.B. den Einsatz diskursanalytischer Verfahren. Hiermit wird es möglich, auf empirischer Grundlage und mit einem entwickelten Instrumentarium exemplarisch kulturspezifische sprachliche Handlungsmuster herauszuarbeiten, die von Sprechern oft unreflektiert als universal unter-stellt werden, was mit zu den oben erwähnten Problemen interkultureller Kommunikation beiträgt.

Einen hochgradig anwendungsorientierten Charakter erhält diese Forschung, wenn allge-meine und spezifisch institutionelle sprachliche Handlungsmuster (z.B. aus der Wirtschaft, den Bildungseinrichtungen, den Massenmedien etc.) zum Gegenstand gemacht werden.

Professor Dr. Stephan Schlickau

Prof. Dr. Stephan Schlickau ist Nachfolger von Prof. Dr. Jürgen Beneke, der 2005 in den Ruhestand verabschie-det wurde. Mit Schlickaus Berufung als Professor für Interkulturelle Kommunikation ist der Stellenwert dieser Wissenschaftsdisziplin im Profil der Hildesheimer Stif-tungsuniversität erneut bestätigt worden. Die bereits von Jürgen Beneke gesetzten Schwerpunkte will Prof. Dr. Ste-phan Schlickau einerseits weiter verfolgen. Hierzu gehört auch der Einsatz Neuer Medien als didaktisches Mittel. Andererseits sollen diskursanalytisch fundierte Forschun-gen die bisherigen Forschungs- und Lehrschwerpunkte ergänzen. Exemplarisch sind einige Aspekte einer solchen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit authentischer interkultureller Kommunikation im Beitrag Perspektiven der Erforschung interkultureller Kommunikation in dieser Ausgabe des Uni-Magazins illustriert. Professor Dr. Stephan Schlickau

Page 15: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

15

Dieses Verfahren wird an folgendem Beispiel deutlich: Die empirische Grundlage besteht aus dem Mitschnitt einer videokonferenzbasierten Dis-kussion zwischen deutschen und US-amerika-nischen Studierenden an der Miami University in Oxford/Ohio. Das Thema der Diskussion lautet Internationaler Terrorismus und betrifft damit einen Realitätsausschnitt, der in der jüngeren Vergangenheit auf politischer Ebene zwischen den USA und Deutschland gelegentlich kontro-vers diskutiert wurde – insbesondere hinsichtlich geeigneter Maßnahmen zu seiner Bekämpfung. Im Beispiel aus dem Jahr 2002 geht es um genau einen solchen kritischen Punkt, nämlich ob ein Krieg gegen den Irak ein geeignetes Mittel zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus darstelle.Unmittelbar auffällig ist im empirischen Fall die Involviertheit der Diskussionsteilnehmer, denen in der Tat an einer Überzeugung der jeweils an-deren Seite gelegen ist. Beide Seiten vertreten dabei ganz überwiegend die Positionen ihrer jeweiligen Regierungen. Abgesehen von diesem für die weitere Analyse nicht unwesentlichen Situationsmerkmal soll innerhalb dieses kurzen Beitrags weniger auf die inhaltlich vorgebrach-ten Argumente eingegangen werden, sondern vielmehr auf einen kleinen, aber für das soziale Klima durchaus wesentlichen kulturabhängigen Unterschied in der Strukturierung der Diskus-sion.

Ein Instrument, das eine solche Strukturbe-schreibung erlaubt, ist die funktional-pragma-tische Musteranalyse. Handlungstheoretisch fundiert, geht sie zur Beschreibung eines sprachlichen Handlungsmusters von kom-munikativ zu realisierenden Zwecken aus und untersucht die komplexen Vermittlungsverhält-nisse von mentalen Aktivitäten und sprachlichen Oberflächen. Sprachliche Handlungsmuster sind dabei gesellschaftlich entwickelte Lösungen zur Bearbeitung rekurrenter Problemkonstellatio-nen. So besteht ein entscheidender Zweck einer Diskussion im Meinungsaustausch sowie zumin-dest partieller gegenseitiger Überzeugung (sieht man hier z.B. von massenmedial überformten Diskussionen ab).Das Handlungsmuster Diskussion existiert nun zwar in vielen Kulturen der Welt. Für den deutsch-amerikanischen Vergleich lohnt es sich jedoch, einen genaueren Blick auf die Verbalisie-rung einzelner Musterpositionen zu werfen, die in der folgenden Darstellung als Analyseergeb-nis festgehalten sind.

In der transkriptbasierten Analyse der auf Deutsch geführten Diskussion fiel auf, dass die amerikanischen Studierenden weitaus häufiger Aussagen treffen wie „ich sehe diese Meinung“, womit sie ihre Reaktionen auf Äußerungen deut-scher StudentInnen einleiten. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die reiche Auswahl sprachlicher Mittel, die das Englische zur Rea-

Muster-Rekonstruktion 1

Diskussionen als kulturspe-zifische Handlungsmuster: Ein Vergleich systematischer Positionen in deutschen und US-amerikanischen Diskussi-onen. Datengrundlage: Diskussionen über Terrorismus (2002)Hintergrund: Einigkeit darüber, dass der Terrorismus be-kämpft werden muss; Kon-troverse: Krieg als Mittel der Problemlösung.(Rote gestrichelte Linien beziehen sich auf Positionen, die nur für US-amerikanische Diskussionen charakteristisch sind.)

Page 16: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

16

lisierung einer solchen Position zur Verfügung stellt (u.a. „I understand what you’re saying, and where you’re coming from“; „I see your point“; „You’ve got a point there“; „I take your point“; „I can dig that“). Die vergleichsweise frequente Benutzung solch scheinbarer Formeln ist durch die rot gestrichelten Bestandteile der graphi-schen Darstellung des Großmusters Diskussion repräsentiert.

Die als Basis für die graphische Darstellung dienende Analyse des Handlungsmusters weist nun aber nach, dass es sich bei diesen Phra-sen keineswegs um Formeln handelt, sondern um systematische Verbalisierungen mentaler Positionen, die konstitutiv für (geglückte) Dis-kussionen sind. Diesen Hinweis erhält ein dis-kursanalytisch vorgehender Forscher dadurch, dass er die Zwecke des sprachlichen Handelns stets im Auge behält und somit von der Sache her notwendige mentale Aktivitäten in seiner Analyse mitberücksichtigt. Stellt man die sich aus dieser Perspektive aufdrängende Frage, welche sprachlichen Mittel denn Angehörige der deutschen Kultur bevorzugt einsetzen, um die Bearbeitung des von der anderen Seite eingebrachten Arguments auszudrücken, bleibt hier einerseits das Gegenargument selbst, das inhaltlich den Grad der Auseinandersetzung anzeigt. Andererseits ist es aber auch unser berühmtes „ja, aber“, das die Kenntnisnahme zumindest rudimentär ausdrückt. Eine explizi-tere Führung des Gegenübers durch die eigene Rezeptionswelt bleibt jedoch meist aus. Einen Amerikaner, der reichhaltigere Rückmeldungen gewohnt ist, kann ein solches Kurzverfahren verunsichern und ihn den Eindruck gewinnen lassen, sein Argument werde nicht hinreichend aufgenommen und bearbeitet.

Für interkulturelle Kommunikation liegt im deut-schen „ja, aber“ sogar noch ein zweiter Fallstrick in der Semantik des „aber“: im Gegensatz zum „but“ negiert es weniger die vorausgegangene Äußerung insgesamt. Es ist anzunehmen, dass dieser Aspekt von der Mehrheit fremdsprachlich Handelnder weder im Deutschen noch im Eng-lischen berücksichtigt wird.

Einer Äußerung wie „ich sehe diese Meinung“ kommt in amerikanischen Diskussionen aber auch noch eine weitere Funktion zu. Sie zeigt nämlich an, dass eine Diskussion – trotz mög-licher Meinungsunterschiede im Detail – noch

immer als insgesamt erfreulich wahrgenommen wird. Auch eine Signalisierung dessen gehört nun zwar konstitutiv zu einer Diskussion, wird aber kulturkontrastiv verschieden realisiert. Diese Unterschiede können nun – wie übrigens auch im hier angeführten Beispiel – mit dazu beitragen, dass sich die allgemeine Stimmung während einer Diskussion verschlechtert. Neben dem Ausbleiben solcher scheinbarer Floskeln, die die Amerikaner vermisst haben mögen, trugen übrigens unterschiedliche Konzepte einzelner Wörter (hier: insbesondere von „Krieg“ und „war“ im amerikanischen Englisch) sowie unthematisiert bleibende amerikanische Prä-suppositionen zu dieser Tendenz bei. Als Beispiel für Letzteres ist die unhinterfragt bleibende Präsupposition zu nennen, als „Freund“ solle Deutschland (unilateral getroffene) US-amerika-nische Entscheidungen unterstützen. Im Detail sind diese interkulturell ebenfalls bedeutsamen Phänomene in Schlickau (2005) diskutiert.

Konsequenzen für die Forschungsmethoden und das Forschungsmaterial „Interkultureller Kommunikation“

Der für Missstimmungen zumindest mitur-sächliche Unterschied in der Verbalisierung einzelner Musterpositionen konnte in weniger kontroversen Diskussionen hinsichtlich seiner Auswirkungen nicht nachgewiesen werden. Dies hängt offensichtlich damit zusammen, dass weniger Involviertheit und eine geringere Notwendigkeit, eigene Positionen argumentativ

Prof. Schlickau mit Studierenden im Institut für Angewandte Sprachwissenschaft

Page 17: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

17

durchzusetzen, solche expliziten Würdigungen von Argumenten aus amerikanischer Pers-pektive weniger erforderlich machen. Hieraus leitet sich unmittelbar eine Konsequenz für das zugrunde zu legende Forschungsmaterial ab: Es muss nämlich authentisch sein. Nur die Au-thentizität und Einbettung von Kommunikation in übergeordnete Handlungszusammenhänge gewährleistet in vielen Zusammenhängen, dass die kommunikative Relevanz von Unterschieden offensichtlich wird. Man denke hier zum Beispiel an Geschäftsverhandlungen: Die mentalen Vor-aussetzungen von Interaktanten unterscheiden sich erheblich, wenn Verhandlungsgespräche unmittelbare Konsequenzen haben. Durch diese Konsequenzen und die damit einhergehende Involviertheit unterscheidet authentische Kom-munikation sich grundsätzlich z.B. von Rollen-spielen. Rollenspiele sind somit – bei all ihren Leistungen – sowohl als Forschungsobjekt als auch als didaktisches Mittel von beschränktem Nutzen.

Eine weitere Konsequenz ergibt sich aus der kurzen Diskussion des obigen Beispiels: In diesem – zugegebenermaßen entsprechend ausgewählten – Beispiel ist es schwer, für kommunikative Schwierigkeiten ursächliche Unterschiede ausschließlich auf Kulturdimensi-onen zurückzuführen. Stattdessen belegt es den Stellenwert, der diskursanalytischer Forschung im Bereich Interkulturelle Kommunikation zukommt. So ist der Bereich kulturspezifisch unterschiedlicher Verbalisierung obligatori-scher Musterpositionen bislang kaum erforscht, sodass hier ein dringender Bedarf besteht. Es zeigt sich aber auch, dass dieser Bereich der Reflexion der KommunikationsteilnehmerInnen wenig zugänglich ist. Dies belegen Befragungen im Anschluss an die Videokonferenzen, in denen weder Musterunterschiede, noch die erwähnten Präsuppositionen oder die Konzeptunterschiede als Probleme erkannt wurden. Bemerkt wurde lediglich eine allgemeine Verschlechterung des Diskussionsklimas. Insofern zeigen sich hier Grenzen der Fruchtbarkeit von Beteilig-tenbefragungen. Gefordert ist stattdessen der analytische Blick des Wissenschaftlers auf authentische Kommunikation.

Didaktischer Auftrag und studentische Initiativen

Erkenntnisse aus der Erforschung interkulturel-ler Kommunikation fließen in Hildesheim tradi-tionell in Trainingsprogramme ein, in denen das gewonnene Wissen Interessierten zugänglich gemacht wird. Hierbei erweist sich die Kombina-tion sprach- und informationswissenschaftlicher Kompetenzen, wie sie vor allem den Studiengang Internationales Informationsmanagement prägt, als besonders vorteilhaft. So gelang es auch im Sommersemester, Studierende für ein Seminar zu begeistern, in dessen Rahmen sie Module für das vor allem internetgestützte interkulturelle Lernen erstellten. Im Sommersemester fiel die Wahl der Studierenden dabei auf deutsch-pol-nische und deutsch-südkoreanische Begegnun-gen. Nach Abschluss der Arbeiten werden diese auszugsweise unter dem Link www.uni-hildes-heim.de/de/ikk.htm zugänglich gemacht.

Vorbildliche Studenten

Erfreuliches gibt es aus dem Bereich studen-tischer Eigeninitiative zu vermelden: Als ein Initialfunken erwies sich die Einladung einer Münchener Studentin, Kristin Melby-Thomp-son, im vergangenen Sommersemester. Mehr als 50 Studierende folgten der Einladung zu einem Workshop im Mai, in dessen Rahmen Melby-Thomson über ihre Erfahrungen der seit Oktober 2002 bestehenden studenti-schen Initiative SINIK-Munich berichtete. Die referierten Erfahrungen fielen bei den Hildesheimer Studierenden offensichtlich auf gut vorbereiteten Boden, denn spontan bildete sich eine Initiativgruppe, die ihr im Studium erworbenes Wissen nun ebenfalls anwen-dungsorientiert nutzen und sich zudem mit Studierenden anderer Universitäten vernetzen möchte (vgl. Heise/Leukel, in dieser Ausgabe). Dieser höchst erfreulichen Entwicklung kann von hier aus nur gutes Gelingen gewünscht werden.

Weiterführende Literatur: Schlickau, Stephan (2005) Dimensionen interkultureller Kompetenz: Praxis – Analyse - Kompetenzförderung. In: Braun, Sabine; Kohn, Kurt (Hrsg.) Sprache[n] in der Wis-sensgesellschaft (= forum Angewandte Linguistik 46). Frankfurt/Main: Lang, S. 103-113.

Page 18: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

18

Alt-Hildesheim: A Cultural History of Normalcy in Modern GermanyAndrew Stuart Bergerson widmet sich als Gastforscher der Geschichte und dem Alltag Hildesheims

Als ethnographischer Historiker des neuzeit-lichen Deutschlands hat sich Bergerson seit 1991 hauptsächlich mit Hildesheim beschäftigt. Es geht ihm in seiner wissenschaftlichen Arbeit um den Alltag im zwanzigsten Jahrhundert. Zur Beantwortung historischer Fragen, greift er u. a. auf Ethnologie, Germanistik, Philosophie, Politologie, Soziologie und Volkskunde zurück. Obwohl er lokal arbeitet, sieht er sich nicht als Regionalhistoriker. Zumal die zentralen Themen seiner interdisziplinären Arbeit die Verknüpfung des Hildesheimer Alltags mit der Weltgeschichte und das Darstellen vorhandener Beziehungen sind.

“Gewöhnliche Deutsche in außergewöhnlichen Zeiten“ liegt als erstes Buch bereits in engli-scher Sprache von ihm vor und wird demnächst auch in Deutsch erscheinen. Für sein zweites Buch, das unter dem Titel „Alt-Hildesheim: Eine Kulturgeschichte der Normalität im modernen Deutschland“ in Vorbereitung ist, hat er 2006 an der Universität Hildesheim als Gastforscher gearbeitet.

Ein vollständiger Nachweis der Vorträge und Aufsätze von Dr. Bergerson sind unter http://cas.umkc.edu/history/faculty/BergersonA/index.htm zu lesen. Kopien davon sind zudem im Hildes-heimer Stadtarchiv zugänglich.

Andrew Stuart Bergerson

Andrew Stuart Bergerson hat an der University of Chicago in Geschichte promoviert. Seit 1999 lehrt er Geschichte an der Univer-sity of Missouri-Kansas City. 2005 wurde er zum Associate Professor gerufen und mit dem UMKC Facul-ty Scholar Award gewürdigt. 2006 arbeitete er als Gastforscher an der Universität Hildesheim.

“Gewöhnliche Deutsche in außergewöhnlichen Zeiten“ ist eine vorsichtig gezeichnete Darstellung, wie Hildesheimer Bürger den Alltag zwischen den Kriegen erlebten und wie sie auf außergewöhnliche Ereignisse reagierten, sie aber auch selber im All-tag gestalteten. Seine umfangreiche Materialbasis besteht aus Zeitungen, Literatur, Bildern, persönli-chen Dokumenten und öffentlichen Akten erweitern seine Quellensammlung. Das Buch bietet einen Einblick in den Alltag vor allem deshalb, weil der Autor eine Reihe ausführlicher Interviews mit einer repräsentativen Gruppe von Alt-Hildesheimern (ge-boren zwischen 1900 und 1930) durchgeführt hat.

Page 19: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

19

Im Sommersemester 2005 hat es angefangen. Im Rahmen eines Projektseminars für den Magisterstudiengang Internationales Informa-tionsmanagement (aber auch für Interessierte aus anderen Fachbereichen und Studiengän-gen) wurden Spielfilme aus verschiedenen Ländern und Kulturen unter interkulturellen Gesichtspunkten besprochen und analysiert. Das längerfristige Ziel war, die (englischspra-chigen) Ergebnisse in eine Internet-Datenbank hoch zu laden, um sie einem internationalen Publikum zugänglich zu machen, sowohl als freie Ressourcen für interkulturelle Lehrveran-staltungen, Trainings und E-Learning als auch, um ein breiteres Interesse für diese neue, gerade heutzutage wichtige Disziplin zu wecken.

Inzwischen konnten fast 40 Filmanalysen zu-gänglich gemacht werden, wobei sich weitere Materialien bereits in der Warteschleife be-finden. Einige „Klassiker“ haben sich fast von selbst empfohlen, z. B. My Big Fat Greek Wedding – Hochzeit auf Griechisch (zwei kulturell sehr unterschiedliche Familien lernen sich kennen), Nicht ohne meine Tochter (eine Amerikanerin ‚dreht durch’ im Iran) oder Out of Rosenheim (eine Bayerin setzt sich mit Nevada auseinander). Wenn auch nicht ganz so bekannt, haben andere Filme sich als genau so ergiebig erwiesen, unter anderen die Komödie L’auberge espagnole (über eine Wohngemeinschaft von Erasmus-Aus-tauschstudenten), Spanglish (eine mexikanische Haushälterin in Los Angeles) oder die Schnulze Unter der Sonne der Toskana (eine enttäuschte Amerikanerin sucht die Liebe in Bella Italia).

Der Interkulturelle Film – eine neue Datenbank an der Universität Hildesheim

Die meisten Filme sind U.S.-amerikanische oder britische Produktionen (das ganze Projekt ist englischsprachig und die Lehrveranstaltung Teil des Englisch-Angebots des Instituts für An-gewandte Sprachwissenschaft), aber auch Filme aus der Bundesrepublik Deutschland, Australi-en, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Schweden sind bislang berücksichtigt. In vielen Filmen steht ein Frauenschicksal im Mittelpunkt, nicht nur weil Liebesgeschichten ein bewährtes Rezept für Spielfilme bieten, sondern auch aus einem ernsteren Grund: Die Erwartungen, die in vielen Kulturen an Mädchen und Frauen gestellt werden – keusches Aussehen und Verhalten, Demut und Gehorsam den Männern gegenüber, die Bereitschaft, ohne Murren einen für sie ohne ihre Mitbestimmung ausgesuchten Ehemann zu akzeptieren, können in einer multikulturellen Situation schnell Zündstoff bergen.

Es gibt natürlich einiges, was von Spielfilmen nicht erwartet werden darf. Spielfilme sind nicht mit Dokumentarfilmen zu verwechseln. Sie stellen keinen Anspruch, nur „Typisches“ und „Authentisches“ darzustellen oder ir-gendeine Lebensrealität sachlich und penibel nachzuahmen. Sie geben einen individuellen, sehr persönlichen „Take“ von Geschehnissen, die nicht beobachtet, sondern gestaltet werden. Aber gerade dieses mimetische Element, der Beitrag der Filmemacher (vom Regisseur und dem Drehbuchautor bis zum Kameramann), gibt dem Spielfilm seinen Reiz und seinen Wert für die interkulturelle Diskussion. Spielfilme sind unterhaltsam, manchmal sogar erschütternd

Page 20: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

20

und unvergesslich. Ein talentierter Filmema-cher erkennt häufig Nuancen des menschli-chen Verhaltens, die von ungeschulten Augen leicht übersehen werden, und weiß außerdem, wie man sie einprägsam in (filmische) Szenen setzen kann. Und: Sogar Wahrnehmungen, die eindeutig falsch und propagandistisch sind (wie zum Beispiel manche, die in Kriegsfilmen angeboten werden), können hinsichtlich der wahrnehmenden Kultur interessant und aus-sagekräftig sein.

Als Hilfsmittel bei der Analyse einzelner Filmszenen haben wir die so genannten Kul-turdimensionen gewählt, einen Katalog der verschiedenen Elemente des menschlichen Verhaltens und der zwischenmenschlichen Interaktion, die besondere Spielräume für interkulturelle Missverständnisse bergen. Kul-turdimensionen sind nicht unumstritten in der Interkulturellen Kommunikation, erstens, weil eine zu strenge Auslegung von ihnen leicht zu halbwissenschaftlichen Quantifizierungen und unhaltbaren Generalisierungen führen kann, und zweitens, weil es keine international akzeptierte Liste der Dimensionen gibt (einige ostasiatische Kommentatoren halten die europäischen und amerikanischen Auflistungen für ethnozentrisch und unvollständig). Andererseits gibt es zum Zweck der Systematisierung interkultureller Kommunikationsschwierigkeiten und falscher Wahrnehmungen einen Bedarf an analytischen Kategorien. Die Anzahl der Unterschiede zwi-schen Kulturen ist - bis in die trivialsten Details - fast unbegrenzt, aber nicht jeder Unterschied muss als signifikant oder potentiell gefährlich eingestuft werden.

Wir betrachten die Kulturdimensionen nicht als Zwangsjacke, sondern als ein nützliches Werkzeug und arbeiten mit einer provisorischen Liste von 20. Sie stammen z. T. aus den Pattern Variables der amerikanischen Soziologie und werden einigen Lesern auch durch die Werke von Hofstede, Trompenaars, Beneke und anderen Vertretern der internationalen Wirtschaftskom-munikation schon bekannt sein.

Unsere Kulturdimensionen beschäftigen sich mit folgenden Themen:1. Individualismus; 2. Kommunikationsstil; 3. Arbeitsstil; 4. Zeito-rientierung; 5. Kooperation/Konfrontation; 6. Macht- und Statusunterschiede; 7. Raumverhal-

ten; 8. Vertrauen; 9. Einstellung zur Umwelt; 10. Persönlichkeitsdefinition; 11. Handlungsmotiva-tion; 12. Ambiguitätstoleranz; 13. Personen- vs. Aufgabenorientierung; 14. vorgeschriebener vs. erworbener Status; 15. eine oder multiple Iden-titäten; 16. Universalismus/Partikularismus; 17. Förmlichkeit; 18. Öffentlichkeit; 19. Management der Emotionen; 20. traditionelle vs. säkulare Welteinstellung.

Unter diesen 20 gibt es selbstverständlich Korrelationen und Überschneidungen. Auf der Datenbankseite befindet sich ein englischspra-chiges Glossar mit Definitionen der Kulturdi-mensionen.

Die meisten Filmanalysen stammen von Mit-gliedern der Universität Hildesheim, obwohl es auch Beiträge von außerhalb gegeben hat, zum Beispiel aus Polen (von den Universitäten War-schau und Poznan) und Dänemark (von der Co-penhagen Business School). Das Seminar wird in diesem Wintersemester 2006/07 wiederholt. Es gibt viele interkulturell reizvolle Filme, die noch auf eine Bearbeitung für die Datenbank warten: Alexis Sorbas, Fräulein Smillas Gespür für Schnee, Lost in Translation und eine ganze Reihe Filme über die deutsche „Gastarbeiter“-Erfahrung.

Dr. Francis Jarman

The Hildesheim Intercultural Film Databasehttp://www.projekte.uni-hildesheim.de/intercul-turalfilm/index.phpRedaktion: Dr. Francis Jarman ([email protected])Technische Leitung: Björn Quast ([email protected])

Von Hildeshei-mer Studieren-den analysierter Klassiker: „Spanglish“

Page 21: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

21

Go Intercultural! Trainings von Studenten für Studenten

Längst ist es keine Ausnahme mehr, dass Hildesheimer Studenten ins Ausland gehen. Sei es Erasmus oder Auslandspraktikum, vor allem für Studenten des Fachbereichs 3 (Infor-mations- und Kommunikationswissenschaften) ist es mittlerweile selbstverständlich ein Aus-landspraktikum oder ein Auslandssemester zu absolvieren. Aber auch die zunehmende Anzahl ausländischer Vollzeitstudenten und Studenten des Erasmus/Sokratesprogramms führt an der Uni Hildesheim zu einem internationalen Klima. Es begegnen sich immer mehr Studenten aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Von diesen interkulturellen Begegnungen kann jeder Ein-zelne, aber auch die Uni Hildesheim an sich, profitieren. Sich auf andere Lernansätze, neue Sichtweisen und unterschiedliche Wertetraditi-onen einzulassen kann eine Bereicherung sein, ist jedoch nicht immer einfach.Und genau an dieser Stelle will die neue studen-tische Initiative, Go Intercultural! Trainings von Studenten für Studenten, an der Uni Hildesheim ansetzen. Durch vorbereitende oder begleitende Trainings will diese den Dialog und das Verständ-nis für die jeweils andere Kultur fördern. Go Intercultural! ist eine Initiative von Studenten aus den Bereichen Internationales Informati-onsmanagement, Internationale Fachkommu-

nikation, Internationale Kommunikation und Übersetzen und Kulturwissenschaften, die sich zum Ziel gesetzt haben, interkulturelle Trainings von Studenten für Studenten zu konzipieren und durchzuführen. Darüber hinaus will Go Inter-cultural! auch mit ähnlichen Initiativen anderer Universitäten kooperieren.

Go Intercultural! besteht nun seit einem Se-mester. Momentan befindet sich die Initiative noch in der Konzeptionsphase, wird aber im kommenden Wintersemester schon kleinere Trainings für Studierende durchführen, die kurz vor einem Erasmussemester an einer auslän-dischen Universität stehen. Dabei wird sie stark von Herrn Dr. Jarman und Herrn Prof. Schlickau unterstützt. Beide stehen der Initiative mit ihrem Fachwissen, aber auch mit ihrer Erfahrung för-dernd und beratend zur Seite.

Go Intercultural! Trainings von Studenten für Studenten ist für alle Interessenten per E-Mail ([email protected]) zu erreichen. Neue Mitglieder sind immer willkommen!

Nina HeiseSophie Leukel

Bild

Page 22: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

22

Internetorientierte MedienkompetenzProjekt für Jugendliche mit besonderem Förderungsbedarf

Die berufliche Integration von Jugendlichen ist Ziel eines gemeinsamen Projekts der Hildes-heimer Hauptschule Geschwister-Scholl und der Universität Hildesheim. Darin wird u. a. der Umgang mit neuen Medien gefördert, indem eine Internetplattform für Schülerinnen und Schüler konzipiert wird.

Der drohenden Ausdifferenzierung einer di-gitalen und gesellschaftlichen Kluft beim Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt soll entgegengewirkt werden, indem hierbei der besondere Stellenwert der Vermittlung von Medienkompetenz mit dem Thema der Berufs-orientierung verknüpft wird. Zumal vor allem die benachteiligte Zielgruppe von „Jugendlichen mit schlechten Startchancen“ bzw. „Jugendlichen mit besonderem Förderungsbedarf“ hiervon betroffen ist.

Denn neben den bislang erprobten Wegen der „klassischen Berufsberatung“ hat sich das In-ternet zu einem immer bedeutender werdenden Informations-, Interaktions- und Innovationsme-dium auch auf dem Themengebiet Berufsorien-tierung entwickelt. Es wird nun unter Mitarbeit der Schülerinnen und Schüler als praktische Lernplattform entwickelt und umgesetzt. So stärken die Hauptschülerinnen und -schüler von Anfang an ihre individuelle Medienkompe-tenz und übernehmen Verantwortung für ein eigenes Medienprojekt. Sie erhalten Einblick in das Informationsmanagement und werden zudem über Berufsvorbereitungen, Praktika und Berufsfindung informiert. Eine Übertragung dieses Ansatzes auf weitere Hauptschulen ist gewährleistet und wird angestrebt.

Prof. Dr. Ilona EbbersDipl. Päd. Gabriel Braun

����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������

��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������

������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������

�����������������������������������������������������������������������

Sie wollen optimal vorbereitet ins Berufsleben starten? Dann sind Siein unseren Seminaren richtig. Hier erfahren Sie alles, was Sie für einenerfolgreichen Berufseinstieg wissen müssen.

Auch im Wintersemester 2006/07 bieten wir wieder folgende Seminare für die Studenten der Hildesheimer Hochschulen an: • Berufsstarterseminar• Vorbereitung auf das Referendariat • Assessmentcentertraining • Rhetorik und Präsentationstechnik • Praktikum im Ausland.

Weitere Informationen erhalten Sie direkt in Ihrer MLP-Geschäftsstelle.

Page 23: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

23

Page 24: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

24

When in RomeInterkulturelle Kommunikation in gemischt-kulturellen Gruppen

An der Forschungsstelle für Interkulturelle Kom-munikation beschäftigen wir uns seit längerem intensiv mit Fragen des Interkulturellen Trai-nings, also etwa mit der Vorbereitung auf einen Auslandsaufenthalt. Neu ist nun der „gekonnte Umgang“ mit Konstellationen, in denen Vertreter unterschiedlichster Kulturen zusammenarbeiten und damit auch intensiv kommunizieren müssen. In diesen Konstellationen weiß man oft nicht, welche Regeln eigentlich gelten sollen. Was die sprachliche Ebene angeht, verwendet man meist das Englische als „language of convenience“, auch dann, wenn keine Muttersprachler beteiligt sind. Kenner der Szene berichten, dass die Be-teiligten sich dann besonders wohl fühlen, weil alle das gleiche Handicap haben und niemand den Vorteil, dass er oder sie seine eigene Spra-che sprechen kann. Um diese Konstellationen soll es im Folgenden gehen.

Kommunikation mit Menschen unterschiedli-cher kultureller Prägung scheint zunächst ganz einfach zu sein: Man halte sich an die alte eng-lische Redewendung „When in Rome, do as the Romans do“, also etwa: „Richte dich nach dem, was die anderen tun, die dort zuhause sind“. Auch der Autor der Schatzinsel, R. L. Stevenson, rät zu diesem Prinzip:

The Germans live in Germany, the Romans live in Rome,The Turkeys live in Turkey, but the English live at home.There are no foreign lands; only the traveller is foreign.

Das Territoriale ParadigmaEmpfehlungen für den Umgang mit den „Ein-geborenen“ laufen also im Wesentlichen auf ein vertrautes Muster hinaus, das wir als das Territoriale Paradigma bezeichnen: Es gelten die Regeln des Territoriums, auf dem sich die Beteiligten befinden. Es gibt zwei Rollen, die des „Besuchers“ und die des „Besuchten“, der zugleich „Inhaber des Territoriums“ ist. In der zitierten Redewendung sind dies die Römer in Rom, die Hildesheimer in Hildesheim usw. Wenn man erfolgreich kommunizieren will, soll man also den Gepflogenheiten des Gastlandes folgen. Und in der Tat entspricht dieses Modell auch der Intuition der meisten Menschen: Hier sind WIR zuhause, hier sollen sich DIE ANDEREN nach uns richten. Schaut man sich diese komple-mentär aufeinander bezogenen Rollenkonzepte einmal etwas genauer an, so erkannt man, dass sie eine Reihe von Annahmen enthalten, die als selbstverständlich gelten, dies aber nicht unbe-dingt sein müssen.

Die erste Annahme ist die, dass es derartige Rollen, „Besucher“ oder „Gast“ und „Besuchter“ oder „Gastgeber“, überhaupt gibt, und damit auch komplementäre Rollenerwartungen, die als „Skript“ unser Verhalten innerhalb gewisser Spielräume steuern und so Routine behaftete Handlungsabläufe sicherstellen. Da z.B. einem Deutschen das Skript „einen Besuch machen“ (wohlgemerkt: in seiner Kultur) bekannt ist, weiß er beispielsweise, ob er oder sie zu einer bestimmten Gelegenheit ein Geschenk mitbrin-gen muss, was sich als Geschenk eignet, wann man es und wem man es überreicht, ob man es auspackt, wann es Zeit ist zu gehen usw.

Zweitens: Diese Rollenerwartungen innerhalb des Territorialen Paradigmas (z. B. Besuchter-Besucher) gehen in unserer Kultur von einer zeitlich begrenzten Kontaktsituation aus; dies erkennt man u. a. daran, dass niemand unbe-grenzt Gast sein kann, sondern nach einiger Zeit - der Volksmund sagt, nach etwa drei Tagen - sich entweder verabschieden oder seine Rolle

Professor Dr. Jürgen Beneke, ein Pionier der

Interkulturellen Kommunikation

als wissenschaft-licher Disziplin in

Deutschland

Page 25: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

25

neu definieren muss. Ein Koreaner hingegen, besonders wenn er zur (weitläufigen) Familie gehört, kann die Länge seines Aufenthalts sel-ber bestimmen, ebenso den Zeitpunkt seines Besuchs. Ganz ähnlich treten beispielsweise immer wieder Irritationen zwischen „Westlern“ und Indern auf, weil Inder dem Gast in der Regel nicht vorgeben, wann er willkommen wäre („Wie wäre es mit nächstem Samstag?“, sagt man im Deutschen), sondern sie warten auf Terminvor-schläge des Eingeladenen, nach dem Muster: „Ich könnte (sagt der Eingeladene!) nächste Woche Donnerstag kommen“.

Drittens: Der Gastgeber ist einerseits zur zuvorkommenden Behandlung des Gastes verpflichtet, andererseits ist er jedoch auch in einer privilegierten Position. Er kann nämlich als Inhaber des Territoriums die Regeln der Kom-munikation weitgehend bestimmen und Respekt für diese seine Regeln einfordern.

Viertens: Die Rollenkonzepte „Gast“ und „Gast-geber“ sind in den meisten Fällen pragmatisch motiviert, d.h. niemand ist „einfach nur so“ zu Besuch, sondern beide Seiten verfolgen kom-munikative Ziele, also etwa die Pflege der guten Beziehungen oder einen Geschäftsabschluss. Insbesondere gilt dieses pragmatische Postulat natürlich für Geschäftsleute oder Diplomaten, aber eben nicht nur für diese - jeder kommuni-zierende Mensch verfolgt Interessen.

Ein Nebenergebnis dieser kurzen Analyse ist übrigens, dass das Territoriale Paradigma, obwohl es der Intuition vieler „alteingesesse-ner“ Bürger entspricht, nur begrenzt hilfreich für Fragen der zur Zeit so intensiv diskutierten „Integration“ von „Migranten“ ist, denn hierbei handelt es sich eben nicht um zeitlich begrenzte Kontaktsituationen, sondern um Arrangements „auf Dauer“.

Die Konsequenzen des gewissermaßen klas-sischen Territorialen Paradigmas für die Vorbereitung auf den Aufenthalt in anderen Kulturräumen sind evident - man lehrt die Re-geln der „aufnehmenden“ Kultur und bereitet die Trainees auf eine als stabil angenommene 1:1-Entsendungssituation vor, auf ihre Rolle als „Gast“ im Gastland oder als „Expatriate“, wie es im Firmenjargon oft heißt. Aber neben diese eindeutigen 1:1-Konstellationen treten immer häufiger völlig andere, nämlich gemischt-kultu-

relle, oft noch dazu in raschem Wechsel. So ist es heute nichts Ungewöhnliches, dass ein Team z. B. aus Japanern, Brasilianern, Deutschen und Niederländern besteht, die Englisch als „language of convenience“ verwenden. Dieses so zusammengesetzte Team hat einen an das jeweilige Projekt gekoppelten „Lebenszyklus“ - es existiert gerade so lange wie das Projekt, und seine Mitglieder finden sich kurze Zeit spä-ter in einer anderen Konstellation wieder oder sogar zeitgleich in einer anderen „Mischung“, z. B. Deutsche mit Franzosen und Palästinensern oder Brasilianer mit Japanern und US-Ameri-kanern.

Derartige wechselnde Konstellationen bezeich-nen wir als fluid. Sie stellen weitgehend andere und durchaus auch höhere Anforderungen an die Interkulturelle Kommunikationskompetenz als die klassische 1:1-Entsendungssituation nach dem Muster „Müller geht für vier Jahre nach Japan“. Die Erforschung der in fluiden Kon-stellationen ablaufenden Prozesse und der zur Unterstützung der in derartigen Konstellationen tätigen Menschen geeigneten Trainingskonzepte bildet einen Schwerpunkt unserer Arbeit, u.a. im laufenden Wintersemster 2006/2007.

Metakulturelle Regeln für fluide KonstellationenHier stellt sich also, um im Bild zu bleiben, die Frage nach den Römern, wo es doch gar keine Römer gibt, nach deren Regeln man sich rich-ten könnte. Es gibt keine dominant zu setzende

Page 26: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

26

Territorialkultur, sondern die offene Frage: Nach wessen Regeln spielen wir. Was ist zu tun? Auch in diesen Fällen greifen die Betroffenen gerne nach intuitiv plausiblen Lösungen. Die Verwen-dung von Englisch als lingua franca suggeriert, dass auch die kulturellen Regeln des britischen oder amerikanischen Englisch ohne weiteres Gültigkeit beanspruchen können, doch ist dies durchaus fraglich, etwa im Hinblick auf den er-laubten Grad an Direktheit oder den Gebrauch von Vornamen unter Fremden („Hi, I´m Bob“ ist eben nicht für jeden Asiaten akzeptabel), ganz zu schweigen von der Dimension des Nonver-balen.

Third Culture Building als Lösung?Wenn nicht mehr die Regeln der „Römer“, wel-che dann? Ein modelltheoretischer Ansatz ist der, dass sich die Beteiligten ihre Regeln jeweils selber geben, indem sie Vereinbarungen darüber treffen, wie sie miteinander umgehen wollen, wie sie Krisen bewältigen, wie strikt sie mit Zeitplä-nen umgehen, ob und wie sie Autoritäten, z. B. Vorgesetzte, in Frage stellen und vieles mehr. Man könnte hier von einer synthetischen Verein-barungskultur sprechen, die von genau dieser Gruppe für genau diese Laufzeit verabschiedet wird - und einzelne Mitglieder könnten durch-aus gleichzeitig in mehreren unterschiedlichen Vereinbarungskulturen tätig sein. Ein derartiger Ansatz wird unterschiedlich bezeichnet: Die „Jenaer Schule“ um Jürgen Bolten nennt ihn Interkultur, wir verwenden den Ausdruck Third Culture, um darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um die (ethnozentrische) Übernahme eines kulturellen Modells handelt - dies ist in der Praxis in der Regel die Kultur des ökono-misch oder militärisch mächtigsten Mitspielers -, sondern dass alle Beteiligten eine Kultur der Zusammenarbeit definieren, die die jeweiligen Ausgangskulturen hinter sich lässt und daher auch trans- oder metakulturell genannt wird.

Dieses Modell ist zunächst plausibel und auch attraktiv, allerdings nicht einfach umzusetzen. Zunächst müssten alle wesentlichen kulturel-len Prägungen den Beteiligten bekannt sein oder an die Oberfläche geholt werden können, einschließlich der in der Tiefe der Kulturen ver-ankerten tiefsten Werte und Überzeugungen, die sich bekanntlich dem bewussten Zugriff weitgehend entziehen. Dazu benötigt man - wie-derum modelltheoretisch gesprochen - Inventa-

risierungen, ähnlich den Persönlichkeitstests, die valide Ergebnisse liefern. Wenn man diese Inventarisierung mit vertretbarem Aufwand zu-stande gebracht hat, geht es in einem zweiten Schritt darum, die je unterschiedlich geprägten Teammitglieder zu einem optimalen kulturellen Mix zusammenzuführen, nach dem Prinzip „wer kann was am besten“, und zwar so, dass sich im Team vorhandene kulturelle Stärken (und natürlich auch individuelle) - z. B. Kreativität oder Spontaneität - verstärken und eventuelle Schwächen kompensiert werden. Die Fähigkeit, derartige Prozesse zu organisieren, bezeichnen wir als Metakulturelle Prozesskompetenz, eben weil es um eine die Einzelkultur übersteigende „künstliche Metakultur“ geht, die prozessartig zu realisieren ist.

Man erkennt sofort die Ähnlichkeit dieses Ansat-zes mit dem Konzept der Metakommunikation, und genau da liegt auch das damit verbundene ungelöste Problem des methodischen Ethno-zentrismus. Kulturbedingtheit des Third Culture-Ansatzes - eine unauflösbare Aporie?Das Wesen der Metakommunikation besteht darin, dass die Beteiligten über Kommunikation kommunizieren (können) und in offener Weise Konflikte ansprechen und Regeln aushandeln, die für alle akzeptabel sind, im berühmten „herrschaftsfreien Diskurs“. Gerade dies macht sie jedoch zu einem zutiefst kulturspezifischen, nämlich „westlichen“, wenn nicht sogar ameri-kanischen Ansatz. In genau der gleichen Weise ist auch der hier skizzierte Ansatz zur Schaffung einer Meta- oder Interkultur ein fast unentrinnbar ethnozentrischer - entstammt er doch ebenfalls der „offenen“ westlichen Kommunikationskultur, in der man Konflikte dadurch löst, dass man sie anspricht und klärt, und nicht, wie z.B. vielfach in Asien, dadurch, dass man sie verschweigt. Wie die Dinge heute stehen, verfügen wir (noch?) nicht über Werkzeuge, die in unterschiedlichen Kommunikationskulturen gleichermaßen gute Ergebnisse liefern. Hier ein wenig Besserung zu bewirken stellt eine große Herausforderung sowohl für die Interkulturelle Forschung als auch für die Entwicklung von Trainingskonzepten dar, der wir uns gerne stellen.

Prof. i. R. Dr. Jürgen Beneke

Page 27: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

27

MEUM-WB –ein neuer Baustein im Weiterbildungsangebot der Universität Hildesheim

Durch die Förderzusage des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und die großzügige Förderung durch die Daimler Chrysler AG ist jetzt die Durchführung des Pro-jekts Modulentwicklung für das Übersetzungs-management mit dem Schwerpunkt Weiterbil-dung (MEUM-WB) gesichert.Das Projekt MEUM-WB ist ein weiterer logischer Schritt auf dem Weg von dem erfolgreichen Mo-dellversuch MEUM zu einem vielversprechenden neuen Baustein des Weiterbildungsangebots der Universität Hildesheim. Der Modellversuch MEUM wurde von 2002–2004 von der Bund-Län-der-Kommission gefördert; das dort entwickelte Lernangebot zur standortübergreifenden Team-arbeit für Studierende im Übersetzungsbereich ist seit dem Wintersemester 2004/2005 fest im Lehrangebot der beteiligten Hochschulen verankert. Während der gesamten Laufzeit des Modellversuchs haben die einschlägigen Berufs-verbände und der Verein der Absolventinnen und

Absolventen der übersetzungsbezogenen Studi-engänge (IPlus-Alumni e.V.) an der Universität Hildesheim großes Interesse an dem Konzept und den Ergebnissen von MEUM gezeigt. Diese Tatsache hat uns dazu ermutigt, ein Projekt mit dem Schwerpunkt Weiterbildung für Fachüber-setzerInnen und Technische RedakteurInnen zu planen. Aufbauend auf dem didaktischen Konzept des Modellversuchs MEUM wird in MEUM–WB ein an die Zielgruppe angepasstes Fernstudienangebot bereitgestellt werden. Hierfür werden verschiedene Lernszenarien mit unterschiedlichen Kombinationen von Präsenz-phasen, individuellem Fernstudium und Phasen mit netzgestützter Teamarbeit entwickelt, die jeweils in einer Pilotphase evaluiert, optimiert und in einem weiteren Durchgang erprobt wer-den sollen.

In Kooperation mit den Berufsverbänden und dem IPlus-Alumni e.V. wurde hierfür zunächst

Page 28: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

28

eine Bedarfsanalyse durchgeführt, die Auf-schluss darüber geben sollte, welche Lernsze-narien und welche Lerninhalte für die Berufspra-xis besonders interessant sind. Nach Abschluss der Bedarfsanalyse haben wir ein differenziertes Bild über den Weiterbildungsbedarf der Adres-satengruppen gewonnen, aus dem wir konkrete Spezifikationen für ein Weiterbildungsangebot ableiten konnten. Diese Bedarfsanalyse wurde finanziert durch Zuwendungen des Bundesver-bands und des Landesverbands Bremen/Nie-dersachsen der Übersetzer und Dolmetscher (BDÜ) der Gerzymisch-Stiftung zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Übersetzungs- und Dolmetschwissenschaft, dem IPlus-Alumni e.V. und dem Verband Asso-ziierter Dolmetscher und Übersetzer in Nord-deutschland e.V. (ADÜ-Nord).Als erster Baustein wurde der Bereich „Strate-gien und Werkzeuge der computervermittelten Kommunikation und Kooperation“ entwickelt, weil dieser Inhalt in den bisherigen Weiterbil-dungsangeboten der Berufsverbände noch nicht vertreten ist, aber einem nachweisbaren Bedarf bei den potenziellen AbnehmerInnen entspricht. In Kombination mit einem Blended-Learning-Szenario wurde daraus ein didaktisches und methodisches Konzept gestaltet, dessen Ziel die Optimierung der Fähigkeit zur computergestütz-ten Kommunikation ist. Die TeilnehmerInnen sollen

• die wichtigsten computergestützten Kommu-nikationswerkzeuge kennen und anwenden können,

• eine aufgabenorientierte Medienwahl treffen können,

• eine aufgabenorientierte Kommunikations-strategie entwickeln können,

• Prozesse der computervermittelten Kommu-nikation verstehen, beurteilen und gestalten können.

Am ersten Septemberwochenende 2006 fand nun die erste Pilotveranstaltung statt. In dem Blended-Learning-Workshop konnten wir unser Weiterbildungskonzept unter realistischen Be-dingungen zunächst in einem kleinen Rahmen erproben und anschließend ausführlich evaluie-ren. Allen MEUM-WB Sponsoren wurden vorab Plätze kostenfrei zur Verfügung gestellt.In einem zweitägigen Präsenz-Workshop erwar-

ben die TeilnehmerInnen Medienkompetenzen, die sie für das Arbeiten in standortübergreifen-den Teams dringend benötigen. Die medien-technischen Kompetenzen wurden durch den Einsatz einer Lern- und Arbeitsplattform und die systematische Einarbeitung in Werkzeuge der Internetkommunikation vermittelt. Die Ent-wicklung medienkommunikativer Kompetenzen erfolgte in praktischen Übungen, in denen die TeilnehmerInnen erprobten, wie aktuelle Tech-nologien wie z.B. Audio- und Videokonferenzen sowie der Einsatz von Chat und Foren vernetzte Kommunikation und kollaboratives Arbeiten unterstützen können. Der Workshop wurde von zwei Onlinephasen flankiert, die der Vor- und Nachbereitung dienten. Hierfür standen den TeilnehmerInnen auf einer Lernplattform Kommunikations- und Kooperationswerkzeuge sowie das eigens für diesen Workshop entwi-ckelte netzgestützte Lernmodul „Strategien der Internetkommunikation“ mit zusätzlichen praxisrelevanten Hintergrundinformationen zur Verfügung.

Weitere Lernszenarien, die ebenfalls in einer Pilotphase getestet und evaluiert werden, sollen folgen. Als nächstes testen wir das Lernszenario „Selbstlernen mit netzgestützten Lernmateria-lien“. Die TeilnehmerInnen erhalten einen Zu-gang zu einer internetbasierten Lernplattform, in die Lernmaterialien eingebunden sind, und erarbeiten selbstständig die angebotenen Wei-terbildungsinhalte. Das Lernkonzept wird durch Tutoren begleitet, die die TeilnehmerInnen bei der Lösung der gestellten Aufgaben unterstüt-zen. Darüber hinaus stehen auf der Plattform Kommunikationswerkzeuge zur Verfügung, die einen sozialen und inhaltlichen Austausch zwischen den TeilnehmerInnen ermöglichen. Die netzgestützten Lernmaterialien sind mo-dularisiert. Sie bestehen aus Informationsbau-steinen und fachspezifischen Übungs- und Anwendungsbeispielen, die je nach Lernszenario und Berufsgruppe aus einem Learning-Object-Repository zu individuellen Lernangeboten zu-sammengestellt werden. Durch diesen Ansatz kann MEUM-WB in Zukunft mit vertretbarem Aufwand passgenaue Weiterbildungsangebote für andere Berufsgruppen entwickeln.

Prof. Dr. Christa HauenschildDr. Folker CaroliMargret Plank, MA. IIM

Page 29: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

29

Informationssysteme im interkulturellen GebrauchBedeutung der Globalisierung für Entwicklung und Nutzung von Netzwerken

Informationssysteme unterliegen ganz beson-ders der zunehmenden Globalisierung. Web-Seiten, Software oder auch Datenbanken lassen sich über weltweite Netzwerke leichter verteilen, als dies bei traditionellen Gütern der Fall ist. Immer häufiger stammen Entwickler, Designer und Benutzer von Informationssystemen nicht mehr aus dem gleichen Land, sondern sind auf der ganzen Welt verstreut und weisen verschie-dene kulturelle Hintergründe auf.

Diese Entwicklung wirft im Bereich der Informa-tionswissenschaft Forschungsthemen auf, die sich mit dem Spannungsfeld von Internationali-sierung und Lokalisierung der Mensch-Maschi-ne-Interaktion befassen. Diese Forschungsrich-tung setzt sich einerseits mit den technischen Anforderungen auseinander, jede Art von Soft-ware an ein anderes Zeichensystem, andere Leserichtung, andere Formate etc. anzupassen. Andererseits müssen sich Informationssysteme, die das Ziel der Ergonomie und Benutzerfreund-lichkeit verfolgen, an den Eigenschaften ihrer Nutzer und Kunden orientieren, so dass sich diese nicht mühsam an Spezifika der Systeme und Maschinen gewöhnen müssen. Der Benutzer

soll sich weitgehend auf seine eigentliche inhalt-liche Aufgabe konzentrieren können und seine Zeit und Energie nicht auf den Umgang mit dem Werkzeug Benutzungsoberfläche verwenden. So lassen sich teils erhebliche Effizienz-, Effektivi-täts- und Akzeptanzsteigerungen erreichen.

Welche Auswirkungen hat nun die kulturelle Vielfalt der Benutzer auf die Mensch-Maschi-ne-Interaktion? Was bedeutet es, wenn z.B. ein Arzt in Indien mit einem medizinischen Gerät aus Deutschland arbeiten muss und umgekehrt ein indischer Programmierer die Interaktions-möglichkeiten für ein deutsches E-Learning-System entwickelt? Was kann passieren, wenn ein amerikanischer Softwareingenieur ein Navi-gationssystem im Fahrzeug für den japanischen Markt entwirft oder seine Projektmanagement-Software in China verkaufen will?

Die Forschung zur Mensch-Maschine-Interakti-on stellt den Menschen ins Zentrum. Die techni-schen Systeme müssen an den Menschen ange-passt werden, aber die Menschen sind nicht nur was ihre Kulturen betrifft sehr unterschiedlich. Der Mensch erlernt beispielsweise die kulturelle

Prof. Dr. Christa Womser-Hacker ist seit 1998 Professorin für Angewandte Informa-tionswissenschaft an der Universität Hildesheim. Forschungsschwerpunkte sind u. a. Softwareergonomie und virtuelles Lernen, mehrsprachiges Information Re-trieval und dessen Evaluierung, Softwareergonomische Entwicklung multimodaler Benutzungsschnittstellen, Vages Retrieval in integrierten Informationssystemen und Modellierung und Implementierung von lernenden Informationssystemen.

PD Dr. habil. Thomas Mandl ist seit 1998 Mitarbeiter im Forschungsbereich von Professorin Womser-Hacker. Er fungiert aktuell als Re-view Chair der einschlägigen internationalen Fachkon-ferenz International Workshop on Internationalization of Products and Systems (IWIPS), die 2007 in Oaxaca in Mexico stattfinden wird.

Page 30: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

30

Bedeutung von Werten, Metaphern, Symbolen sowie deren Umsetzung in Farbleitlinien usw. Eventuell kann ein indischer Arzt die Warnung, die eine rote Lampe ausdrücken will, überhaupt nicht als Warnung erkennen. Die Art und Weise, wie Lern- und Lehrprozesse ablaufen und wel-che Rolle darin ein Lehrer spielt, unterscheidet sich kulturell ebenfalls sehr stark. E-Learning-Systeme müssen daher ebenfalls auf die kultu-rellen Bezüge Rücksicht nehmen. Die Informa-tionsdichte auf einem Bildschirm-Display, die Farben, Formate, die graphischen Elemente und Abbildungen sollten ebenso „übersetzt“ bzw. lo-kalisiert werden wie die Sprache. Internationale Informationsspezialisten benötigen Kenntnisse über kulturelle Eigenheiten sowie methodisches Know-How hinsichtlich deren Umsetzung an der Mensch-Maschine-Schnittstelle.

Der Einfluss der Kultur auf Informations-systeme geht weit über die Gestaltung der Benutzungsoberfläche hinaus und betrifft die Wissensorganisation, Aufgabengestaltung so-wie die Navigation und Interaktion. So erwarten manche Kulturen keine Hierarchisierung des

angebotenen Wissens. Dieses in der westlichen Welt ganz selbstverständlich und fast wie eine Universale benutzte Ordnungsprinzip wird teil-weise abgelehnt. Die Aufgabe einer Software muss auch längst nicht in jeder Kultur sinnvoll sein. So wurde die Einführung einer Projekt-management-Software auf einem asiatischen Markt zu einem Misserfolg, weil dort ein Projekt nicht - wie in westlichen Kulturen üblich - durch die Zuordnung von Arbeitspaketen zu Personen geplant wird. Solche Fehlschläge gilt es zu vermeiden. Entscheidend für den Erfolg eines Produktes in einem globalen Umfeld ist vor al-lem das Bewusstsein für die Existenz kultureller Unterschiede bei den Entwicklern. Und hier ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Das noch junge Forschungsgebiet Internationa-lisierung von Informationssystemen hat sich zu einem Schwerpunkt des informationswissen-schaftlichen Profils der Universität Hildesheim entwickelt. Kürzlich schloss Elisabeth Kamentz eine Promotion zur kulturellen Anpassung von E-Learning-Systemen ab. Studierende des Studiengangs Internationales Informations-management sind aufgrund ihres spezifischen Profils bestens auf die Herausforderungen des Internationalen Design der Mensch-Maschine-Interaktion vorbereitet. In Untersuchungen etwa zur Wahrnehmung der Qualität von Web-Seiten in Peru oder dem Umgang mit englischspra-chigen Web-Seiten in Taiwan stoßen sie immer wieder auf überraschende Ergebnisse, welche die Innovativität dieser Forschungsrichtung belegen. Mit der zunehmenden Durchdringung zahlreicher Arbeits- und Freizeitaktivitäten durch informationelle Systeme und der Allgegenwär-tigkeit von Informationstechnologie wird dieses Thema in Zukunft immer stärker an Bedeutung gewinnen.

Prof. Dr. Christa Womser-HackerPD Dr. habil. Thomas Mandl

������� ���� ������ �������� ������������������������ ���� �����

���� ������� ����� ��������� ���������������� ���� ���� �������

��������� ���� ���� ���������������� �������������

������ ���� ������ ����� ������������ ���� ���� ��������� �

���� ��������� ����������������� ����� ����� ��� ����

��������� ���������

� � ������� ������ ���� ����������������� ������ ���� ���� �����

���� �������� �������� ��������� ��������� ���� �����������

������ ������

��� ���

��������������

��������� � � �� ������������ ��� �� ������� �

����������� �� ������������ ��

���������������

Page 31: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

31

Ästhetik und SäkularisierungVilla Vigoni 16. bis 20. Oktober 2006. Eine Tagungsbericht von Silvio Vietta

Die Tagung „Ästhetik und Säkularisierung I“ wur-de eingeführt durch ein grundlegendes Referat zur Begriffsgeschichte von ’Säkularisiserung’ und ‚Säkularisation’ und zur literarischen Sä-kularisierung. Herausgearbeitet wurde dabei u. a. die Ambivalenz von Verweltlichung, Bruch und Umbesetzung, latenter Traditionskonti-nuierung in den meisten Fällen (Ruh). Gleich der nächste Beitrag ging entschieden über den Stand der Forschung hinaus durch den Nach-weis von literarischer Säkularisierung bereits im Spätmittelalter und in der Frührenaissance, flankiert von grundsätzlichen Überlegungen zur Verchristlichung der Literatur (z. B. Reimtechnik, Bildlichkeit) (Stierle). Diese Perspektive wurde ergänzt und vertieft durch die Analyse der ver-christlichenden Rezeption Vergils verbunden mit einer Assimilationsthese und dem Hinweis auf Formen des frühchristlichen Epos (Kemper).Ins Zentrum der neuzeitlichen Säkularisierung führte sodann ein Referat über die Säkularisie-rung der Religion und poetische Sakralisierung bei Herder und Hölderlin mit einem Schwerpunkt auf der Interpretation des Hölderlintextes „Über die Religion“ sowie dem Hinweis auf das Umfeld der ‚Magisierung’ der Literatur in der frühen Neuzeit (Gaier). An Dantes Matelda, Novalis’ Mathilde als Verkörperungen des irdischen Paradieses wurde die konkrete Vernetzung

der Säkularisirungstendenzen in Renaissance und Romantik nachgewiesen, die selbst an die Renaissancerezeption der Romantik anschlie-ßen konnte und selbst ein Stück innovativer Forschung auf diesem Feld darstellte (Vietta). Wie denn die ästhetische Moderne überhaupt keineswegs nur mit Säkularisierungstenden-zen einsetzt, sondern mit dem sogar massiven Programm einer neuen, durch die Künste zu vermittelnden Religiosität einsetzt, wie das Folgereferat zu F. Schlegel und Novalis aus-führte. Gerade diese Positionierung und ihre Problematik führe direkt zu einem Diskurs der Kulturen und Religionen, wie wir ihn gegenwärtig vor allem mit dem Islam erleben (Uerlings). Ein weiteres Referat legte die konkreten historischen und politischen Bedingungen frei, unter denen dieser ästhetische Säkularisationsprozess in der europäischen Kultur erfolgte und untersuchte ihn am Werke Wackenroders (Crescenzi).Zwei Beiträge zur Musikästhetik verbreiterten den Skopus der Tagung: Ein Beitrag zur Musik-ästhetik Wackenroders und Schleiermachers, legte auch die systematischen Tendenzen bei Schleiermacher frei (Buntfuß). Dagegen untersuchte ein weiterer Beitrag die aus der Autonomisierung der Musik sich entwickelnde Musikkritik einschließlich der grundsätzlich ästhetischen Fragestellung nach der Form

Page 32: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

32

UniMagazin

einer Kunst unter den geschichtsphilosophi-schen Bedingungen der Säkularisation. Der Be-griff des ‚ästhetischen Widerstandes’ wurde hier wichtig und konkret an der „Missa“ Beet-hovens solche inneren Spannungen im Werk aufgezeigt (Görner). Ein weiteres Referat unter-suchte das nihilistische Lebensgefühl einiger Romantiker und deren Herkunft aus der me-chanistisch-verdiessei-tigenden Weltanschau-ung des Spinozismus (Ponomarev). Vorgetra-gen wurden Referate von Kollegen, die nicht persönlich anwesend sein konnten (Rossi, Vercellone, Destro), letz-terer mit einem Beitrag zur Religiosität Heines, die, allen Säkularisie-rungstendenzen zum Trotz, eine starke Kom-ponente in seinem Werk darstellt.

Die Tagung hatte min-destens fünf wichtige Ergebnisse:(1) Gegenüber der älte-ren typologisierenden Forschung kehrte sie die geschichtsphiloso-phische Dimension des

Prozesses einer Säkularisierung der Religion und Sakralisierung der Ästhetik hervor

(2) verschob sie den Untersuchungshorizont in die historische Tiefe des Spätmittelalters und der Frührenaissance, die wesentliche Möglichkeiten, aber auch Probleme dieses Prozesses bereits ausgetragen hat

(3) veränderte sie das Begriffsverständnis des in Frage stehenden Geschichtsprozesses: Wäh-rend die ältere Forschung das Moment des

Glaubensverlustes, Abfallens von Gott etc. betonte, akzentuierten die Beiträge dieser Tagung die Produktivität dieses Prozesses. Dies auch in der Hinsicht, dass die säkulari-sierte Ästhetik selbst – und dies gegen eine politische Säkularisierung und Indienst-nahme des Christentums – zentrale Motive dieser Religion selbst zur Geltung bringt, so insbesondere das Motiv der Liebe und der Schönheit, auch des Weiblichen in der Darstellung der christlichen Pistis, u. a. bei Dante und in der Romantik. Von besonderer Bedeutung ist hier die Gestalt des religiösen Mittlers, die auch das Selbstverständnis des modernen Künstlers tangiert.

(4) zeigte die Analyse, dass schon bei Dante und durch die ganze ästhetische Neuzeit hindurch die Glaubensgewissheit nicht mehr sicher und fest gegeben ist. Die ästhetische Dar-stellung reflektiert diese Gebrochenheit der religiösen Botschaft ihrerseits, bzw. gehört die Darstellung des Widerstandes selbst zur gelungenen ästhetischen Darstellung des Religiösen unter den geschichtsphilosophi-schen Bedingungen einer sich säkularisie-renden Gesellschaft, wenn sie nicht in Kitsch entarten soll.

(5) zeigte gerade die mikroepochenübergrei-fende Analyse die Produktivität des Ansatzes auch in der Detailforschung. Z. T. wird hier erst in der Philologie wieder ein Horizont erarbeitet, den die Romantiker selbst in ihrer Kenntnis der Renaissance bereits hatten

(6) betonte eine Reihe von Beiträgen die kon-krete politische Aktualität des Themas, das zu zentralen Bestandteilen der europäischen Kultur führte und zu einem selbstbewussten und zugleich offenen Diskurs mit anderen Kulturen und Religionen führen könne.

Insofern plädieren die Teilnehmer für eine Fort-setzung dieser Forschungslinie auch in der Villa Vigoni und dies möglichst unter Teilnahme der Referenten dieser Tagung auch auf der Tagung II sowie auf einem round-table-Gespräch der Kulturen zum Thema im Jahre 2008. Bis Früh-jahr 2007 sollen die Referate zur Einsicht und im Herbst 2007 der Band gedruckt unter dem Titel: „ÄSTHETIK UND SÄKULARISATION: Romantik und Renaissance“ vorliegen.

Prof. i. R. Dr. Silvio Vietta war von Septem-ber 1982 bis Oktober 2006 an der Univer-sität Hildesheim Professor für Deutsche Sprache und Literatur und ihre Didaktik. Von Hildesheim aus hat er die so genannte Moderne-Forschung maßgeblich mitgestal-tet und die Internationalisierung gefördert. Fast zeitgleich mit seinem Eintritt in den Ruhestand wurde Vietta im August mit dem Friedrich-Nietzsche-Preis 2006 des Landes Sachsen-Anhalt ausgezeichnet. Seinen Platz im interkulturellen Umfeld der Stiftungsuniversität wird er weiterhin haben. Das zeigen seine aktuellen Aktivitäten in der Forschung. In diesem Wintersemester lehrt er als Gastprofessor in Moskau; 2007 folgt der zweite Teil der DFG-Tagung in Italien.

Page 33: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

33

Stiftung aktuell UniMagazin

Center for world music entsteht in Hildesheim

Die Stiftung Niedersachsen ist Eigentümerin des „Music of Man“ - Archivs, das von dem Musikethnologen Prof. Dr. Wolfgang Laade (Zü-rich) aufgebaut wurde. Die „Sammlung Laade“ umfasst rund 500 Musikinstrumente, 50.000 Tonträger und eine Fachbibliothek. Die Stiftung Niedersachsen hat die Sammlung Laade und weitere Sammlungen der Stiftung Universität Hildesheim zur gemeinsamen Nutzung mit der Hochschule für Musik und Theater Hannover übertragen. Die Universität Hildesheim und die Hochschule für Musik und Theater Hannover wollen die Sammlung der Forschung und Lehre zugänglich machen und auch der Öffentlichkeit Nutzungsmöglichkeiten schaffen. Die beiden Hochschulen planen ergänzend einen gemein-samen Studiengang „Interkulturelle Musikpä-dagogik“.

Durch den am 30. Juni 2006 von der Stiftung Niedersachsen, der Hochschule für Musik und Theater Hannover und der Stiftung Universität Hildesheim unterzeichneten Kooperationsver-trag ist die Grundlage für die Schaffung eines Center for world music der Stiftung Universität Hildesheim gelegt worden. Es soll sein Domi-zil auf dem Gelände der Domäne Marienburg (Foto) in Hildesheim finden. Damit erhält die

Musikethnologie in Deutschland einen neu-en Standort. Das Center for world music der Stiftung Universität Hildesheim vereinigt dann eine einzigartige Sammlung von über 1.000 Musikinstrumenten aus allen Erdteilen, eine wertvolle Sammlung von rund 50.000 Tonträ-gern mit ethnischer Musik sowie eine 10.000 Bände umfassende Fachbibliothek. Es dient der wissenschaftlichen Forschung und Lehre und ist zugleich eine Stätte künstlerischer Praxis. Es wurde geschaffen durch das erfolgreiche Zusammenwirken von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Es ist ein Zeugnis deutscher Stiftungskultur und ein Beitrag zum Musikland Niedersachsen.

Die Niedersächsische Landesregierung begrüßt das Projekt Center for world music der Hildes-heimer Stiftungsuniversität. Ministerpräsident Christian Wulff erklärte: „Die von Ihnen vorgeleg-te Konzeption ist in der geplanten Kooperation mehrerer Hochschulen und in der Verbindung von ethnologischer Musikwissenschaft und Mu-sikpädagogik bundesweit einmalig und kann für Hildesheim und die anderen beteiligten Standor-te ein hervorragendes Alleinstellungsmerkmal bedeuten.“

Der Hildesheimer Universitätsstandort Domäne Marienburg. Eine ehemalige Wasserburg aus dem 14. Jahrhundert.

Als Standort ist ein Neubau auf der Domäne Marienbrg vorgesehen.

Page 34: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

34

UniMagazin Stiftung aktuell

Meilensteine auf dem Weg zur Förderung: Sorgfalt, Präzision und das persönliche GesprächDr. Frank Suder von der Fritz Thyssen Stiftung sieht gute Chancen für die Geisteswissenschaften. Ein Interview

Fritz Thyssen StiftungDie Fritz Thyssen Stiftung wurde am 7. Juli 1959 von Frau Amélie Thyssen und ihrer Toch-ter Anita Gräfin Zichy-Thyssen im Gedenken an August und Fritz Thyssen errichtet. Die Stiftung hat ihren Sitz in Köln. Sie ist die erste große private wissenschaftsfördernde Einzel-stiftung, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland errichtet wurde. Ausschließlicher Zweck der Stiftung ist die unmittelbare Förderung der Wissen-schaft an Hochschulen und gemeinnützigen Forschungseinrichtungen, vornehmlich in Deutschland, unter besonderer Berücksich-tigung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Die Förderung internationaler wissenschaft-licher Zusammenarbeit gehört dabei mit zu den Zielen der Stiftung.

Dr. Frank Suder ist Vertreter des Vorstands der Fritz Thyssen Stiftung und verantwortet u. a. die Förderschwerpunkte „Geschichtswissen-schaften“ und „Medizin“. Im Wintersemester hat er durch Vermittlung von Dr. Ewald Brahms (Direktor der Hildesheimer Universitätsbiblio-thek) Hildesheimer Studierende und Lehrende beraten. Im Interview mit Uni-Sprecherin Dr. Iris Klaßen berichtet er über Strategien in der Drittmitteleinwerbung und den Stellenwert der Geisteswissenschaften.

Dr. Klaßen: Dr. Suder, Sie vertreten die Fritz Thyssen Stif-tung, die den Schwerpunkt ihres Stiftungs-zwecks in der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses hat. Welche Strategie empfehlen Sie jungen Wissenschaftlern für die Mittelein-werbung bei Stiftungen?Dr. Suder: Zuerst einmal Selbstverständliches: das Sam-meln von möglichst vielen Informationen zu aktuellen Förderprogrammen und –instrumen-ten, um die Stiftungen zu identifizieren, die für das eigene Forschungsvorhaben grundsätzlich in Frage kommen – es gibt kaum einen un-geschickteren Einstieg als eine unspezifische Anfrage an eine Vielzahl von Förderern. Vor der

Page 35: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

35

Stiftung aktuell UniMagazin

Ausformulierung eines Antrags empfiehlt sich zudem der direkte telefonische Kontakt mit den jeweils zuständigen Personen innerhalb einer Stiftung, da auf diesem Weg die allergröbsten Fehler vermieden werden können. In manchen Fällen erübrigt sich eine Antragstellung, was dann zwar nicht erfreulich ist, aber immerhin Zeit und unnötige Arbeit erspart. Von großer Hilfe bei der Antragsgestaltung ist ganz sicher aber auch der Rat erfahrener Wissenschaftler, die bereits erfolgreich Drittmittel eingeworben haben.

Dr. Klaßen: Schwerpunkt dieser Ausgabe von Uni Hildesheim. Das Magazin ist das Thema „Interkulturalität“, dem sich die Wissenschaftsdisziplinen der Uni-versität Hildesheim im Besonderen verpflichtet sehen. Sie begrüßen es, wenn die Kapazität und die Ansätze ausländischer Wissenschaftler in Förderprojekte einbezogen werden. Gibt es eine Tendenz zu stärkerer internationaler Vernetzung bei den beantragten Forschungsvorhaben?Dr. Suder: Eine solche Tendenz der Zunahme kann ich für die Fritz Thyssen Stiftung nicht beobach-ten. Erfahrungsaustausch und Kooperation zwischen Wissenschaftlern aus verschiedenen Ländern war immer schon wichtig für die Wei-terentwicklung vieler Forschungsfelder, und die Stiftung hat in der Vergangenheit eine Vielzahl von Projekten unterstützt, an welchen deutsche und ausländische Wissenschaftler gemeinsam arbeiten. Wichtig ist bei der Beantragung solcher Vorhaben, dass sich die Notwendigkeit einer solchen Kooperation aus der wissenschaftlichen Fragestellung heraus überzeugend begründet und nicht einer mehr oder weniger erkennbaren „Antragsrhetorik“ geschuldet ist.

Dr. Klaßen: Gibt es Länder, mit denen deutsche Wissen-schaftler besonders gerne zusammen for-schen? Dr. Suder: Wie bei anderen Förderern sind auch in den Projekten der Fritz Thyssen Stiftung die USA das wichtigste Zielland für Auslandsaufenthalte deutscher Wissenschaftler, gefolgt von den euro-päischen Nachbarstaaten Italien, Großbritannien und Frankreich. Allerdings gibt es hinsichtlich der regionalen Präferenzen Unterschiede zwi-schen den Fächern.

Dr. Klaßen: Haben Sie dafür eine Erklärung?Dr. Suder: Generell erhöht jede Auslandserfahrung die eigene Qualifikation für Tätigkeiten innerhalb wie außerhalb der Wissenschaft. Gerade die USA jedoch bieten nach wie vor in vielen Fachgebieten die Möglichkeit zur Teilhabe an Spitzenforschung und zum Aufbau internationaler Netzwerke durch Forschungsaufenthalte an international führenden Institutionen.

Dr. Klaßen: Heute sind Sie an der Stiftung Universität Hil-desheim. Eine Universität mit Schwerpunkt in den Geisteswissenschaften. Sie sind in Ihrer Stiftung für Teile des Förderbereichs Geistes-wissenschaften zuständig. Sehen Sie Geisteswis-senschaftler bei der Einwerbung von Drittmitteln benachteiligt - beispielsweise gegenüber natur-wissenschaftlichen Disziplinen?Dr. Suder: Für die Fritz Thyssen Stiftung kann ich das nicht bestätigen. Im Gegenteil: Wo aufgrund der steigenden Bedeutung neuester Techno-logien vorrangig die Naturwissenschaften und die ihr dienende Forschung unterstützt werden, setzt die Fritz Thyssen Stiftung bewusst auf die Geisteswissenschaften. Rund 60 Prozent der jährlichen Fördermittel der Stiftung fließen in den Förderungsbereich „Geschichte, Sprache und Kultur“, der die klassischen geisteswis-senschaftlichen Disziplinen umfasst, und nur knapp 20 Prozent in den Förderungsbereich „Medizin“. Auch liegt die Bewilligungsquote bei den Anträgen aus den geisteswissenschaftlichen Disziplinen deutlich über der Erfolgsquote der Medizin. Wobei allerdings angemerkt werden muss, dass diese Quoten seit einigen Jahren aufgrund der stark angestiegenen Antragszahlen für alle Bereiche gesunken sind.

Dr. Klaßen: Die Stiftung Universität Hildesheim muss immer wieder erklären, worin der Vorteil für die Körper-schaft Universität Hildesheim besteht, in Träger-schaft einer öffentlich-rechtlichen Stiftung zu handeln. Wie würden Sie das ausdrücken?Dr. Suder: Die Überführung der Universität in die Träger-schaft einer öffentlich-rechtlichen Stiftung be-deutet grundsätzlich eine rechtliche Verselbst-

Page 36: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

36

UniMagazin Stiftung aktuell

ständigung, d.h. Stärkung der Autonomie der Hochschule gegenüber dem Staat. Den öffent-lich-rechtlichen Stiftungen fehlt zwar die innere wie äußere Autonomie der privatrechtlichen Stiftungen, da sie ganz überwiegend von laufen-den Zuwendungen der öffentlichen Haushalte abhängig sind, dennoch gibt es Vorteile: Eine öffentlich-rechtliche Stiftung kann beispiels-weise die Vorteile des Stiftungssteuerrechts nutzen und langfristig über die Einwerbung von Spenden und Zustiftungen ein Stiftungsvermö-gen aufbauen.

Dr. Klaßen: Herr Dr. Suder, wir danken für Ihren Besuch der Stiftung Universität Hildesheim und wünschen uns als geisteswissenschaftlich orientierte Uni-versität, dass Sie uns und unseren wissenschaft-lichen Nachwuchs im Blick behalten.

Bücher für Hildesheim

Es sind oft nur die kleinenDinge ...Bücher zum Lesen, Entspannen,Lernen oder einfach zum Ver-schenken!

Gut zu wissen:Das Buch dazu hat DECIUS.

Hoher Weg 10+1531134 HildesheimRuf: 05121/29 608-0DECIUS

www.decius-hildesheim.de

Page 37: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

37

Stiftung aktuell UniMagazin Stiftung aktuell UniMagazin

Für Transparenz und Qualität in der StiftungsarbeitErstmals umfassender Orientierungsrahmen im dritten Sektor/ Bundesverband Deutscher Stiftungen zu einer nachhaltigen Stiftungskultur in Deutschland

Auf dem Deutschen Stiftungstag 2006 in Dres-den einigten sich am 11. Mai 2006 die Mitglieder des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen auf Grundsätze für Qualität in der Stiftungsarbeit. Als erste Gruppierung im gemeinnützigen Sektor geben sich die Stiftungen damit einen inhaltlich umfassenden Rahmen für die Gestaltung ihrer jeweiligen Organisation und ihrer Arbeit. „Die Grundsätze guter Stiftungspraxis sollen Stiftungsorganen, Stiftungsverwaltern, Stif-tungsmitarbeitern sowie potentiellen Stiftern als Orientierung dienen. Insbesondere sollen sie das Bewusstsein aller Beteiligten für die Vermeidung von Interessenkonflikten, für die angemessene Transparenz bei der Zweckver-wirklichung und für die Effizienz der Mittelver-wendung schärfen“, heißt es in der Präambel des Grundsatzpapiers.

„Uns geht es darum, eine nachhaltige Stiftungs-kultur zu fördern. Dazu gehört eine Verbesse-rung der rechtlichen, insbesondere auch der steuerrechtlichen Rahmenbedingungen; aber nicht nur der Staat, auch die Stiftungen selbst sind gefordert, eigene Beiträge für eine Entwick-lung der Stiftungslandschaft in Deutschland zu erbringen. Dazu gehört auch dieser Orientie-rungsrahmen. Er soll unterstützen bei der un-eigennützigen Verwirklichung des Stifterwillens.

Und er soll zur Effizienz und - insbesondere mit dem klaren Bekenntnis zu Transparenz - auch zur gesellschaftlichen Akzeptanz der Stiftungs-arbeit beitragen“, erklärte Dr. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen ver-tritt als Dachverband Stiftungen aller Rechts-formen in Deutschland. Neben den ca. 13.500 selbstständigen Stiftungen bürgerlichen Rechts sind das über 600 Stiftungen öffentlichen Rechts und zahlreiche Stiftungen anderer Rechtsformen bzw. unselbstständige Stiftungen. Dem Verband sind unmittelbar bzw. über Stiftungsverwal-tungen mehr als 6.000 deutsche Stiftungen mitgliedschaftlich verbunden.Die Grundsätze sind vergleichbar mit Codes für Stiftungen in anderen Ländern, z.B. der Schweiz. Auch auf europäischer Ebene werden entspre-chende Entwürfe diskutiert. Qualitätsstandards zumindest für Teilbereiche des Wirkens gewin-nen auch in anderen Teilen des gemeinnützigen Sektors an Bedeutung. So vergeben das Deut-sche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) und der Deutsche Spendenrat für spendensammeln-de Organisationen ein Spenden-Siegel, ferner gibt es ein Gütesiegel für Bürgerstiftungen. Die Grundsätze guter Stiftungspraxis finden Sie unter: www.stiftungen.org.Die Stiftung Universität Hildesheim ist Mitglied im Bundesverband Deutscher Stiftungen.

Bundesverband Deutscher Stiftungen e. V.Haus Deutscher StiftungenMauerstr. 93 | 10117 Berlinwww.stiftungen.org

Page 38: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

38

UniMagazin Stiftung aktuell Stiftung aktuell UniMagazin

Kinder erarbeiten „ihren“ JazzMusik-Workshop mit Jazz-Legende Gunter Hampel

Dass die Hauptschule in Deutschland Gefahr läuft, den zweifelhaften Ruf einer „Restschule“ zu erhalten, muss angesichts der öffentlichen Diskussion kaum noch erwähnt werden. Beruf-liche Perspektivlosigkeit, daraus resultierende Motivationsschwäche, familiäre Probleme, Lernstörungen, Sprachprobleme, mangelnde Integration von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund – die Liste jener Mo-mente, die zu Forderungen führen wie „Schafft die Hauptschule ab!“, ließe sich beliebig erwei-tern.

Offensichtlich ist, dass neue Lehr- und Lern-formen vonnöten sind, soll die Hauptschule langfristig eine Zukunft haben. Handlungs-, Projekt- und Schülerorientierung sind Schlag-wörter, die seit rund 100 Jahren in Deutschland regelmäßig in die pädagogische Debatte einge-bracht werden. Von großer Aktualität dürften sie gegenwärtig aber insbesondere im Hinblick auf die Hauptschule sein.

Im Juli 2006 unternahm die Hauptschule Bad-deckenstedt (Landkreis Hildesheim) mit ihrer 5. Klasse in Kooperation mit dem Institut für Musik und Musikwissenschaft der Stiftung Universität Hildesheim einen Anlauf, Musikunterricht ein-mal anders zu gestalten. Sponsoren ermöglich-ten den Schülerinnen und Schülern drei Tage Musikunterricht mit der Jazzlegende Gunter Hampel und seiner Band „GUNTER HAMPEL MUSIC + DANCE COMPANY“ in der Hildesheimer Kulturfabrik Löseke.

Der in New York und Göttingen lebende Musiker Gunter Hampel, der seit vielen Jahren die Jazz-musikszene weltweit maßgeblich und nachhaltig beeinflusst, sieht einen besonderen Schwer-punkt seines Wirkens in der Arbeit mit Kindern. Sein Ansatz besteht darin, die Schülerinnen und Schüler als Partner ernst zu nehmen, sie in ihrer Lebenswelt zu treffen, gemeinsam mit ihnen Spiele um und mit Musik zu entwickeln.

Page 39: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

39

Stiftung aktuell UniMagazin UniMagazin Stiftung aktuell

Die Verbindung von Musik und Bewegung spielt für ihn dabei eine entscheidende Rolle. So wurde im Workshop neben Elementen des Free-Jazz insbesondere der Breakdance praktiziert.

Die Kulturfabrik Löseke war für eine solche Veranstaltung die ideale Umgebung. Schülerin-nen und Schüler der Klasse 5aH der Schule im Innerstetal begaben sich gemeinsam mit einer Lehrerin und einem Lehrer mit Gunter Hampel, Prince Alegs (Tanz), Hichem (Tanz), Bernd Oezse-vim (Schlagzeug) oder Johannes Schleiermacher (Saxofon, Querflöte) auf die musikalische Reise, die täglich in Baddeckenstedt begann.

Organisiert wurde die Veranstaltung vom Institut für Musik- und Musikwissenschaft und dem Fundraising der Stiftung Universität Hildes-heim. Institutsleiter Prof. Dr. Matthias Kruse sieht in der Musikvermittlung einen Schwerpunkt seiner Forschung und Lehre. „Ein Musik-Workshop, wie er in dieser Form realisiert werden konnte, ist ein hervorragendes Praxisbeispiel für die Musikpädagogik - das vor allem auch bei den Kindern ankommt“, so Kruse.

Prof. Dr. Matthias Kruse Dr. Ulrich Steinmetz

Prof. Dr. Matthias Kruse

Studium der Schulmusik, Germanistik, Erziehungs-wissenschaften und In-strumentalpädagogik an der Folkwang-Hochschule bzw. Universität Essen. Schuldienst und Musik-schuldienst. Promotion und Habilitation an der Universität Dortmund, PD ebenda. 1995 Studienrat i.H. an der Universität zu Köln. Mehrjährige Lehr-

stuhlvertretung an der Musikhochschule Köln. Seit 2005 an der Stiftung Universi-tät Hildesheim tätig. Veröffentlichungen zu diversen Feldern der Musikpädagogik.Aktuelle Publikation mit Ute Jung-Kai-ser (Hrsg.): „Schumanns Albumblätter“, Hildesheim 2006

Gunter Hampel

Multi-Instrumentalist aus Göt-tingen. Seit seiner ersten, 1965 aufgenommenen Platte „HEART-PLANTS“, die Keimzelle des deutschen/europäischen Free-Jazz, fand Gunter Hampel seinen eigenen Stil, der ihn zu einem der ganz großen Musiker machte. 1969 siedelte er nach New York um, hat seitdem großen Einfluss auf das gesamte Jazzgeschehen. Auf Anhieb von der internationa-len Kritik akzeptiert, eroberte er

sich die Herzen der Jazzfreunde mit seiner GALAXIE DREAM BAND. Er ist ein kreativer Künstler, der allen Strömungen der Musik gegenüber aufgeschlossen ist. Seit 1995 arbeitet Gunter Hampel nun haupt-sächlich mit sehr jungen supertalentierten Musikern zusammen - Motivation auch für das Hildesheimer Projekt. E-Mail: [email protected], www.gunterhampelmusic.de

Sponsoren:

Olms-Verlag

Elternverein Baddeckenstedt

Page 40: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

40

UniMagazin Stiftung aktuell UniMagazin Stiftung aktuell

Lernen für Natur und TechnikKinder und Jugendliche finden über Experimente zur Naturwissenschaft

Eine batteriebetriebene Nachttischlampe selber zu bauen war nur eines der Ziele, auf das die Kinder und Jugendlichen in der Veranstaltungs-reihe „LeNaTec!“ hingearbeitet haben. Der Weg dahin führte über diverse Experimente. Beim Auftakt der technischen Veranstaltungsreihe für Kinder und Jugendliche ging es um das Themenfeld „Batterie und Elektrizität“. „Wodurch fließt elektrischer Strom?“ und „Was kann er?“ Fragen die scheinbar schnell zu beantworten sind. Natürlich erzeugt Strom beispielsweise Licht und Wärme, aber wie sich diese Phäno-mene zeigen, haben die Jungen und Mädchen unter wissenschaftlicher Anleitung gemeinsam mit Studierenden des Lehramtes im Fach Sach-unterricht herausgefunden.

LeNaTec! - ein AuszugIn der Lernwerkstatt der Universität Hildesheim haben sich 14 Schülerinnen und Schüler der

Klassen 5 bis 8 aus unterschiedlichen Schul-formen zusammengefunden, um miteinander zu experimentieren. Es geht um Strom und Spannung, um Batterie und Elektrizität. Be-geistert nehmen die Jugendlichen das Angebot an, sich dem Thema auf forscherische Weise zu nähern. Spielerisch und hoch motiviert fin-den sie heraus, was ein durch Reiben statisch aufgeladener Luftballon alles bewirken kann (Abb. 1). Sie lernen, Stromkreise aufzubauen, und verwirklichen eigene, kreative Ideen für Stromschalter. In Gruppen arbeiten sie intensiv an kleinen Projekten: So wird ein Fahrzeug be-leuchtet, eine Ampelschaltung hergestellt, eine Wohnung raffiniert beleuchtet. Es ist den Jugendlichen deutlich anzumerken, dass sie Feuer gefangen haben: Nach dem zweiten Treffen bringen sie selbst gebaute Alarmanlagen mit und tauschen sich über ihre Erfahrungen mit dem Bau von Radios aus.

Abb.1

Page 41: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

41

Stiftung aktuell UniMagazin Stiftung aktuell UniMagazin

LeNaTec! - die EntwicklungDas Projekt LeNaTec! – Lernen für Natur und Technik - wurde 2005/2006 von Dr. Roland Her-mann am Institut für Physik und Technik der Universität Hildesheim entwickelt. In Zusam-menarbeit mit dem Institut für Grundschuldi-daktik und Sachunterricht, Institutsleiter Prof. Dr. Roland G. Lauterbach, und in Kooperation mit Birgitta Schwenger-Hermann, Grundschul-lehrerin und Dr. Hilde Köster, Mitarbeiterin am Institut für Didaktik der Physik an der Universität Münster, wurde ein umfangreiches Programm angeboten und durchgeführt. Die Themen „Ex-perimente zur Papierherstellung“, „Stabilität und Gleichgewicht“, „Schwimmen und Sinken“, „Batterie und Elektrizität“ zeichneten einen Rah-men, in dem sich die Kinder und Jugendlichen orientieren konnten, den sie aber auch je nach Interesse und Projektverlauf verlassen konnten, um eigenen Fragen, Ideen und Interessen nach-zugehen (Abb. 2).Eingeladen waren Schülerinnen und Schüler von der 1. bis zur 10. Klasse. Geplant sind die Fort-führung sowie die Erweiterung auf Angebote für Lehrerinnen und Lehrer und für Eltern, die im-mer wieder ein starkes Interesse signalisieren. LeNaTec! im StudiumIn dem Projekt „LeNaTec!“ wird außerdem ein Weg eingeschlagen, der es Studierenden im Lehramtsstudium von Beginn an ermöglicht, praktische Erfahrungen bei der Begleitung von Kindern in adaptiver Lernumgebung zu sam-meln. Untersuchungen zeigen, dass die adaptive Grundform Möglichkeiten zur Entwicklung einer positiven Haltung bietet.

Die Studierenden erleben, in welcher Weise sich Kinder physikalischen Phänomenen nähern, wie sie beim Experimentieren vorgehen, welche Beobachtungen sie anstellen und wie sie diese verbal und nonverbal äußern. Die Studierenden sind dazu angehalten, sich gemeinsam mit den Kindern auf deren Ideen und Experimentierwün-sche einzulassen – eine Herausforderung, die Offenheit und Kreativität erfordert und durch die sie nicht selten zu ganz neuen Einsichten über

Abb.2

Dr. Hilde Köster

Institut für Didaktik der Physik, Universität Münster. E-Mail: [email protected]

Dr. Roland Hermann

Institut für Grundschul-didaktik und Sachuntericht, Stiftung Univer-sität Hildesheim E-Mail: [email protected]

Page 42: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

42

UniMagazin Stiftung aktuell UniMagazin Stiftung aktuell

das Lernen bei Kindern kommen. Die entscheidenden Impulse für die Tätigkeiten gehen dabei von den Kindern aus. So führt die Idee „Wir wollen mit Wasser Strom erzeugen!“ zum Bau einer Wasserturbine aus Blechdose, Draht, Dynamo, Gummischlauch und Glühlampe (Abb. 3).

Unsere Erfahrungen aus dem Projekt „LeNaTec!“ und dem verwandten Pro-jekt „Mit Experimenten die Welt erforschen“ zeigen sehr deutlich eine zentrale Tendenz auf: Für Projekt-, Examens- und Klausurar-beiten wählten Studierende des Lehramtes im Fach Sachunterricht in der Zeit vor der Einführung der Projekte kaum technische oder physikalische The-men. Dieses Verhalten hat sich bei Studierenden, die an dem Projekt teilnahmen, grundlegend geändert. Die beobachtete Tendenz ist Anlass, die Beziehung zwi-schen sachlicher und so-

zialer Gestaltung der Lernumgebung und der Entwicklung von Grundbefähigungen bei Studie-renden des Lehramtes im Fach Sachunterricht und Physik genauer zu untersuchen.

LeNaTec! in der Forschung Das Projekt LeNaTec! bietet eine ausgezeichnete Möglichkeit zur Untersuchung des Distanzver-haltens Studierender gegenüber naturwissen-schaftlichen und technischen Fragestellungen. Mit den geplanten Untersuchungen soll die Beziehung zwischen Öffnung beziehungsweise Strukturierung der Lernumgebung und dem Erwerb von Qualifikationen sowie der Entwick-lung von Dispositionen im Fach Sachunterricht aufgezeigt werden.Im Kerncurriculum und im Perspektivrahmen Sachunterricht sind konkrete Kenntnisse und Fertigkeiten bzw. Kompetenzen formuliert, die als Basis für die Untersuchungen dienen.

LeNaTec! mit Unterstützung Für Ausstattung, Ankündigung und Durchführung von LeNaTec! konnten neben dem Eigenanteil der Universität besonders namhafte Sponsoren gewonnen werden. Den Löwenanteil übernahm dabei die Stiftung NiedersachenMetall, vertreten durch den Geschäftsführer Herrn Olaf Brandes (Abb. 4). Weitere Mittel kamen von der Sparkasse Hildesheim und der Universitätsgesellschaft. Mit der Stiftung NiedersachsenMetall ist ein starker, überregionaler Partner gefunden, der eine Unterstützung für die Fortführung bereits zugesagt hat.

Dr. Hilde Kö[email protected] Dr. Roland [email protected]

Abb.3

Sponsoren:

Abb. 4 Olaf Brandes, Geschäftsführer der Stiftung NiedersachenMetall

Page 43: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

43

Stiftung aktuell UniMagazin Stiftung aktuell UniMagazin

Musik „am Markt“ positionierenMusikwissenschaftler gehen neue Wege in der Musikvermittlung

Musik in einem Elfenbeinturm zu studieren – diese Vorstellung mag den einen oder anderen faszinieren, sie ist indes seit geraumer Zeit über-holt. In der Gegenwart ist es für angehende Mu-siker zunehmend von Bedeutung, sich frühzeitig „am Markt“ zu positionieren und Erfahrungen im Kulturbetrieb zu sammeln. Insbesondere gilt diese Erkenntnis für Musikstudierende im Bereich der Kulturwissenschaften und ästhe-tischen Praxis, denn sie werden später in eben diesem Musik- bzw. Kulturbetrieb tätig sein. Was liegt da näher, als ihnen bereits während des Studiums ein entsprechendes Angebot zu machen?

An der Stiftung Universität Hildesheim wird seit Jahren unter dem Stichwort „Kulturtransfer“ für die Studierenden die Verzahnung von Theorie und Praxis ermöglichen. Von den Dozenten Jan Hellwig und Willfried Beck wurde ein Netzwerk

mit öffentlichen und kirchlichen Einrichtungen aufgebaut, um Studierenden sowohl im orga-nisatorischen als auch musikalisch-künstleri-schen Bereich die Erprobung ihrer Fähig- und Fertigkeiten in Form von Konzerten und an-deren Kulturveranstaltungen zu ermöglichen. Das finanzielle Engagement von Banken und Sparkassen am Ort unterstützt diese Arbeit seit nunmehr 10 Jahren.

Nun ist die „Musikvermittlung“ auch im Internet zu finden.Interessierte können hier außerge-wöhnliche Ensembles „buchen“, sich im Hinblick auf Kulturveranstaltungen „ihr“ Programm so-gar individuell zusammenstellen lassen (Bühne Frei!). Aber nicht nur aus der Sicht von Kon-zert- und Kulturveranstaltern ist dieses Angebot positiv zu bewerten. Die „Musikvermittlung“ eröffnet der Stiftung Universität Hildesheim eine (weitere) Möglichkeit, sich zu positionieren, ihre

Page 44: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

44

UniMagazin Stiftung aktuell UniMagazin Stiftung aktuell

über Jahre hin gewachsenen (musikalischen) Verbindungen zur Stadt Hildesheim zu festigen und zu intensivieren.

So schließt der Internetauftritt der „Musikver-mittlung“ eine Lücke, er eröffnet Verbindung zwischen dem „Was“, „Warum“ und „Wie“ der musikalisch-künstlerischen Ausbildung einer-seits und dem Stiftungsgedanken in der öffent-lichen Wahrnehmung andererseits.

Alle aufgeführten Ensembles aus den Bereichen Tango, Jazz, Latin, Schlager, Pop, Kammeror-chester sowie Bühne frei! unterstützen durch ihre Auftritte den neu geschaffenen „Kultur-fonds“ des Instituts für Musik und Musikwissen-schaft. Ziel des Fonds ist es, Geld u. a. für die Neuanschaffung von Instrumenten und Literatur oder zur Instrumentenpflege bereitzustellen.

Prof. Dr. Matthias Kruse, Dr. Ulrich Steinmetz

Weitere Informationen unter: www.uni-hildes-heim.de/de/Musikvermittlung.htm

Spenden für den Kulturfonds

Wer direkt für den „Kulturfonds“ des Instituts für Musik und Musikwissenschaft spenden möchte, kann dies unter folgender Bankver-bindung tun. Ein Spendenbeleg wird Ihnen un-aufgefordert zugeleitet. Bankverbindung: Nord LB Hannover, BLZ 250 500 00, Kto 10 60 31 768, Verwendungszweck: 811 202. (Bitte unbedingt obigen Verwendungszweck angeben, damit Ihre Spende richtig zugeordnet werden kann).

Kontakt: Prof. Dr. Matthias Kruse, Institut für Musik und Musikwissenschaft, Stiftung Universität Hildesheim, Marienburger Platz 22, 31141 Hildesheim, Tel.: 05121 883 705 oder an die aufgeführten Ensembles.

www.uni-hildesheim.de - Musikvermittlung!

Kammer-orchester

Tango„fauxpas“

Latin/Jazz„Los

Bandidos“

Jazz

Schlager/Pop

„Alice„

Page 45: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

45

„Musikwissenschaftliche Berufsbilder – Archiv, Edition, Grundlagenforschung“

„Du studierst Kulturwissenschaften? Was kann man denn damit machen?“ Antworten auf die-se Frage konnte man im Sommersemester im Seminar von Dr. Ulrich Bartels finden. „Musik-wissenschaftliche Berufsbilder – Archiv, Edition, Grundlagenforschung“, so hieß das Seminar, in dem sich 15 Studierende u. a. mit Geschichte, Theorie und Praxis der Notenedition auseinan-dersetzten. Im Mittelpunkt stand eine Exkursion nach Leipzig: Dort verbinden sich Theorie und Praxis auf wunderbare Weise, denn die Theorie wird hier praktisch angegangen. Schließlich bleibt alle Musik theoretisch, wenn man nur über sie spricht oder liest. Und so begaben wir uns auf die Spuren von Bach und Mendelssohn, von großen Verlagshäusern und Archiven, von Museen und Forschungsstätten.

Exkursion nach Leipzig vermittelt interessante Perspektiven

Der erste Tag war unser Mendelssohn-Tag. Bei der Besichtigung des Mendelssohn-Hauses hatten wir Glück, denn ein Pianist probte für einen Liederabend. Auf diese Weise wirkt der Geist Mendelssohns noch heute: Regelmäßig fanden und finden Kammermusiken im Salon statt. Doch nicht nur die durchs Gebäude hal-lende musikalische Untermalung, auch die vor kurzer Zeit rekonstruierten und nach Goethes Farbenlehre angestrichenen Räume vermitteln einen plastischen Eindruck vom Leben des Ge-wandhauskapellmeisters und seiner Familie. In Mendelssohns Nachlass fanden sich Zeichnun-gen der Wohnungseinrichtung; anhand dieser Dokumente war es möglich, die Räume mög-lichst originalgetreu wieder einzurichten.

Handschriften derFamilie Bach

Page 46: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

46

Hieran wird deutlich, wie wichtig die wissen-schaftliche Aufarbeitung beispielsweise des umfangreichen Briefwechsels Mendelssohns ist, denn dort finden sich viele Hinweise auf die Wohnung und das tägliche Leben des Kompo-nisten. Also lag es nahe, auch die Briefedition zu besuchen. Sie ist eine wichtige Schnittstelle der Mendelssohn-Forschung, denn in der Kor-respondenz finden sich auch Informationen über Werke und deren Entstehung. Diese Infor-mationen sind dann wiederum wichtig für die in Leipzig entstehende erste wissenschaftliche

Gesamtausgabe der Kompositionen Felix Men-delssohn Bartholdys, in deren Arbeit der Leiter vor Ort, Dr. Ralf Wehner, kenntnisreich und mit Humor einführte.

Nach Mendelssohn stand am zweiten Tag Johann Sebastian Bach im Mittelpunkt. Im Bach-Archiv bekamen wir die Gelegenheit, von einem echten Profi gezeigt zu bekommen, was auf einer Seite mit der Handschrift des alten Bach außer Noten noch zu finden ist: Dr. Peter Wollny ist eine echte Koryphäe und in der Lage, in zwei Notenzeilen verschiedene Handschriften zu erkennen, die-se Handschriften verschiedenen Mitgliedern der Familie Bach zuzuordnen und auch noch zeitlich zu bestimmen. So geben diese zwei Zeilen Auskunft über die Lehrstunde Wilhelm Friedemann Bachs beim Vater, ohne dass ein Wort dazu geschrieben steht! Dem großen Bach so nah zu sein, seinen Handschriften und seiner Wirkungsstätte, war sehr beeindruckend. Die Tatsache, dass das Protokoll dieser Lehrstunde erst vor kurzem gefunden wurde – wie auch das Auftauchen neuer Handschriften Bachs in diesem Sommer – verdeutlicht, dass auch über so alte Meister niemals ‚zu Ende’ geforscht sein wird.Musikwissenschaft ist mehr als nur das Lesen von Noten oder Büchern und das immer wieder erneute Schreiben darüber. In musikwissen-schaftlichen Berufen ist man stets bemüht, das Erbe der großen Komponisten zu bewahren, sei es als Editor, in der Verwaltung oder als Muse-umspädagoge. Die Reise zu den verschiedenen Forschungsstätten hat aber unter anderem auch gezeigt, dass auf die Einhaltung hoher wissenschaftlicher Standards in der universi-tären Ausbildung nicht verzichtet werden kann. Ein Studiengang wie „Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis“ tut deshalb gut daran, seine beiden Teile auch in Zukunft in gleicher Weise zu gewichten.

Martin Windhorst

Exkursionsteilnehmer

Page 47: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

47

Von transeuropa bis ins World Wide WebNeue Ausgabe der kultur z.b. untersucht und beschreibt Kulturräume

Wie führt man ein Interview? Was macht eine gute Reportage aus? Und was um alles in der Welt ist ein Küchenzuruf? Im Sommersemester 2006 bot das Institut für Kulturpolitik in Zu-sammenarbeit mit dem Absolventenverein der Hildesheimer Kulturwissenschaftlerinnen und Kulturwissenschaftler ab.hier.kultur erneut ein Seminar an, in dem Studierende das journalisti-sche Arbeiten am praktischen Beispiel erlernen konnten. Angestrebtes Ziel: Die Produktion ei-ner neuen Ausgabe der Absolventenzeitschrift kultur z.b.

Die Arbeitsbedingungen im Seminar sollten soweit wie möglich denen einer Redaktion entsprechen: Eigenverantwortliche Auswahl der Themen und Recherche gehörten ebenso zu den Anforderungen wie Textredaktion und die Suche nach geeignetem Bildmaterial. Zum Themenschwerpunkt „Kulturräume“ entstand ein breites Spektrum von Artikeln. Ein Muss war der Bericht von Laura Jacob zu transeuropa 2006 – die Proben zum Festival liefen parallel zum Seminar in der Domäne.

Auch ein zweites Hildesheimer Theaterthema stieß auf Interesse. Jan Fischer porträtierte den neuen Vorstand des Theaterhaus Hildesheim e.V. und die Suche des Vereins nach seinem Platz in der kommunalen Theaterlandschaft. Aber die Themenwahl erstreckte sich auch über den Hildesheimer Kulturkosmos hinaus. Christina Böhm untersuchte die vermeintliche Symbiose zwischen Kultur und Kommerz am Beispiel der Braunschweiger Schlossarkaden.

Anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft sprach Rebecca Anna Fritzsche mit der Kultur-wissenschaftlerin Ina Müller, die das Archiv des DFB in Frankfurt am Main verwaltet. Jule Körber

berichtet über die heilsame Wirkung von Musik, Literatur und Kunst und über die „Kulturkran-kenschwestern im Einsatz“. Am Beispiel des Akki e.V. in Düsseldorf klopft Frauke Henningsen im Interview mit Christoph Honig Entwicklungen der Soziokultur ab. Corina Sommer macht sich Gedanken zur Kaffeehauskultur im Zeitalter des Coffee to go. Und Carola Gruber begibt sich in die Weiten des WWW, um zu ergründen, ob Weblogs tatsächlich ein Mehr an demokratischer Kultur mit sich bringen oder doch nicht mehr Wirkung zeigen als eine „Schmiererei an der Klowand“. Die Ausgabe erscheint demnächst und ist er-hältlich in der Geschäftsstelle von ab.hier.kultur (J 302).

Christine Raudies Dipl.-Kulturwiss. Referentin für Öffentlichkeitsarbeit / PRStellvertretende Vorsitzende von ab.hier.kultur

Page 48: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,
Page 49: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

49

Liebe Carima ... Zehn Briefe einer Einführung in die pädagogische MethodenlehreEin neues Buch von Professor em. Karl Gerhard Pöppel

Zugegeben: Der Titel des neuen Buches von Karl Gerhard Pöppel, emeritierter Professor der Universität Hildes-heim mit dem Schwer-punkt Schulpädagogik, ist ungewöhnlich. „Lie-be Carima ...“ - das klingt wie eine vertrau-liche Anrede für eine gute Bekannte oder liebe Freundin, ist aber der Titel einer in Form von zehn Briefen ge-stalteten „Einführung in die pädagogische Methodenlehre“. Bei näherer Betrachtung erweist sich dieser Titel aber als durchaus sinn-voll und angemessen. Mit den Worten des Autors in einem buch-bezogenen Interview:

„Ich habe dieses Buch für alle geschrieben, die sich auf das Lehramt vorbereiten, die in der Aus-bildung für das Lehramt Verantwortung tragen und die das Lehramt ausüben und etwas wie-derholen, ihren Gedankenkreis erweitern oder sich in den Grundsätzen ihres pädagogischen Handelns bestätigt fühlen wollen. Mit ‚Carima’ wollte ich eine möglichst konkrete Figur erfin-den, die man ansprechen kann, eine Kollegin, die Erfahrung hat und der man etwas zumuten kann, die vor allem das pädagogische Fragen auch unter dem alltäglichen Handlungszwang nicht aufgegeben hat.“

Die angestrebte „Balance zwischen persönlich-vertrauter und wissenschaftlich-distanzierter Sprache“ (S. 8) ist Karl Gerhard Pöppel gelun-gen, auch wenn er sich bewusst ist, dass eine pädagogische Methodenlehre nicht einfach zu schreiben ist, weil sie „die ganze Spanne des

methodischen Lehrens und Lernens: die Tech-niken und Verfahren, die Prinzipien und Formen des Unterrichts“ (S. 9) umfasst. Durch die be-sondere Art der Darbietung der differenzierten Gedankengänge wird einerseits der Aspekt des Dialogischen als Grundkategorie des pädagogi-schen Handelns anschaulich, andererseits wird die entfaltete pädagogische Theorie zugleich praktisch. Man spürt beim Lesen, dass hier die Rekapitulation des eigenen pädagogischen Weges als Verpflichtung gesehen wird, das, was man selbst als vernünftig erkannt hat, auch an andere weiterzugeben, um an der Orientierung für pädagogisches Handeln mitzuwirken und Grundlagen für ‚guten’ Unterricht in der Schule zu schaffen.

Um seine Gedankengänge einsichtig zu machen, muss der Autor bis an die Grenzen des Denkens gehen, um im Fragen nach den grundlegenden Möglichkeitsbedingungen für ‚richtiges’ päda-gogisches Handeln zum ‚Wesen’ der konstitu-ierenden Begriffe ‚Unterricht’ und ‚Erziehung’ vorzudringen. Es lohnt sich, ihm auf diesem Weg zu folgen, denn - so widersprüchlich es auch klingen mag - gerade die strenge Art der Gedankenführung bewirkt eine Freisetzung zum eigenen Denken und kann in diesem Sinne Orientierung für pädagogisches Handeln in der Schule geben. Der Philosoph Immanuel Kant hat alle, die sich aus ihrer selbstverschuldeten Un-mündigkeit befreien wollen, aufgefordert: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedie-nen!“ Es ist zu wünschen, dass viele sich dabei von dem soeben erschienenen Buch anregen, ermutigen und fürsorglich begleiten lassen.

Dr. Dieter Hintz

Karl Gerhard Pöppel: Liebe Carima ... Zehn Briefe einer Einführung in die pädagogische Methodenlehre. Hildesheim-Zürich-New York 2006 (Olms); 136 Seiten; 24,80 Euro.

Page 50: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

50

„Pädagogische Psychologie“ stärkt Stiftungsuniversität im HochschulwettbewerbNeuer Studiengang vermittelt lebenslanges Lernen durch Vernetzung bestehender Forschungsbereiche

Lebenslanges Lernen ist, ohne Zweifel, die zentrale Erfolgsbedingung in der Informations-gesellschaft des 21. Jahrhunderts. In einem neuen Studiengang der Universität Hildesheim kann man lernen, welches die Voraussetzungen und hilfreiche Bedingungen dafür sind und wie man es Menschen ermöglichen oder erleich-tern kann. Zum Wintersemester 2006/07 ist ein neuer konsekutiver Studiengang „Pädagogische Psychologie“ gestartet; er hat die bisherige Fachrichtung „Pädagogische Psychologie“ ab-gelöst, die sich bewährt hat und daher nun als eigenständiger und konsekutiver Studiengang mit der Möglichkeit fortgeführt wird, nach dem Bachelor auch den Masterabschluss zu machen. Die Spezialisierung des Studienganges setzt die Arbeits- und Forschungsschwerpunkte des Insti-tuts für Psychologie in einen wissenschaftlichen Studiengang um. Neben mehreren für die Päda-gogische Psychologie grundlegenden Arbeitsbe-reichen (z.B. kognitive und motivationale Grund-lagen des Lernens, Problemlösungsprozesse, kulturelle Bedingungen kognitiver und sozialer Prozesse, lebenslange Entwicklung) können vor allem lehrerbildungsrelevante Forschungen des Instituts (z.B. zu Schulabsentismus, Klassenkli-ma, Hochbegabung, Bedingungen und Folgen von Schulgewalt sowie die Begleitforschung zu der vom Institut getragenen Niedersächsischen Beratungslehrerweiterbildung) unmittelbar in die Ausbildung eingebracht werden. Der be-sondere Hildesheimer Profilschwerpunkt der Bildungswissenschaften (u. a. Lehramtsausbil-dung, Erziehungswissenschaft, Sozialpädagogik) macht das Studium eines pädagogisch-psycho-logischen Ausbildungsgangs an diesem Standort zusätzlich attraktiv. Das erweiterte und verbes-serte Lehrangebot wird nicht nur den genannten und weiteren Studiengängen (Anthropologie, Kulturwissenschaften, Informationsmanage-ment usw.) zugute kommen, sondern auch durch eigene Profilierung die Stiftungsuniversität im zunehmenden Wettbewerb stärken.

Konsekutive Struktur des Studiengangs

Der konsekutive Studiengang ‚Pädagogische Psychologie’ realisiert das „6+4-Modell“ konse-kutiver Studiengänge: die Regelstudienzeit für den Bachelor of Science beträgt 6, für den Mas-ter of Science 4 Semester, jeweils einschließlich der Abschlussarbeit und -prüfung. Obwohl ein universitäres wissenschaftliches Studium nicht primär den Charakter einer praktischen Be-rufsausbildung haben soll, ist es das besondere Anliegen des Studiengangs, wissenschaftliche Kenntnisse mit praktischen Erfordernissen zu verbinden. Studierende werden alle me-thodischen, inhaltlichen und theoretischen Grundlagen der Psychologie kennen lernen, die man in pädagogischen Arbeitsfeldern braucht – durchaus nicht nur in der Schule, sondern in allen Phasen des lebenslangen Lernens. Es geht darum, wichtige Inhalte und Ergebnisse zu lernen, aber auch darum, Argumente und Studien kritisch beurteilen zu lernen, damit man auch nach dem Ende der Universitätsausbildung weiter lernen kann.

Der Aufbau des Studienganges ist an der Ziel-setzung orientiert, bereits mit dem Bachelorab-schluss einen berufsqualifizierenden Abschluss für eine psychologische Berufstätigkeit zu ermöglichen, in der pädagogische, wissen-schaftlich-methodische und psychologische Kompetenz erforderlich und wichtig ist, die aber nicht ein vollständiges wissenschaftliches Psychologiestudium erfordern. Dies können beispielsweise Tätigkeiten der pädagogisch-psychologischen Diagnostik sein, Lehrer- und Elternberatung, Mediations- und Konflikt-schlichtungsprogramme, kulturübergreifende Erziehung, pädagogische Aus-, Fort- und Weiter-bildung sowie Felder der Erwachsenenbildung. Ein wesentliches Ziel des Studienganges ist es natürlich, die Voraussetzung für unterschiedli-

Page 51: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

51

che Optionen der Weiterqualifikation, insbeson-dere auch für eine vertiefende wissenschaftliche Qualifikation in anschließenden Master- oder Promotionsstudiengängen zu schaffen.

Der Masterstudiengang soll auf berufliche Posi-tionen mit einem hohen Grad an Verantwortung vorbereiten, die ein breites psychologisches Fachwissen und eine fundierte Methodenkennt-nis erfordern. Die möglichen Einsatzfelder der Absolventen des Masterstudienganges sind außerordentlich vielfältig und von hoher sozialpolitischer Relevanz (z.B. Frühförde-rung, Schulpsychologie, Erwachsenenbildung, lebenslanges Lernen, Personalentwicklung, Migrationsberatung und -unterstützung, inter-kulturelles Lernen, aber auch Evaluation von Bildungsangeboten).

Gleichzeitig bildet das Masterstudium die Vo-raussetzung für weiterführende Ausbildungen (z.B. zur Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie bei entsprechender inhaltlicher Schwer-punktsetzung im Studium) und insbesondere für ein Promotionsstudium.

Individuelle Betreuung im Studium

Eine Besonderheit sowohl des BSc als auch des MSc ist eine Mentorenstruktur: Jeweils im ersten Studienjahr wählt jeder Studierende unter den hauptamtlich Lehrenden des Instituts einen Mentor. Mit ihm oder ihr werden studienrelevante Entscheidungen vorab besprochen (z. B. Prak-tikum, Wahl der Fächer im Studium Generale, Schwerpunktsetzung, Auslandsaufenthalte etc.), in genehmigungspflichtigen Fällen (z.B. Prakti-kum, Anrechnung externer Veranstaltungen) ist der Mentor auch formal zuständig. Dies stellt sicher, dass die individuelle Studienplanung zeitlich und inhaltlich gelingt, Probleme frühzei-tig identifiziert werden. Gleichzeitig wird damit ein individueller Kontakt zu den Lehrenden des Instituts systematisch etabliert.

Berufsaussichten für Pädagogische Psychologen

Die Berufschancen werden – neben den ange-sprochenen klassischen Feldern pädagogisch-psychologischer Arbeit – in der Informations-

Urkundenübergabe am 8. November 2006 im Auditorium maximum.

Page 52: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

52

und multikulturellen Gesellschaft erwartbar zunehmen; einige der kommenden Probleme und Arbeitsbereiche sind heute schon erkennbar. Die Menge an Informationen, die täglich auf uns einstürzt, wächst und wächst – wie soll man da-mit umgehen, was muss man wissen, was kann, was soll man ignorieren? Die Kanalisierung der Informationsfluten ist vor allem eine psycholo-gische Herausforderung. Hinzu kommt: Die Ge-sellschaft altert, gerade hierzulande. Wir dürfen dies nicht nur als Belastung, sondern müssen auch die Chancen sehen, die darin liegen. Damit es für alle eine Chance wird, müssen alle – Jün-gere wie Ältere – lernen, das ganze Leben lang weiter zu lernen, und dafür werden Pädagogi-sche und Entwicklungspsychologen besonders gebraucht. Das wird nicht ohne Reibung gehen: Konflikte nehmen zu, innerhalb der Gesellschaft, zwischen Kulturen und sozialen Bedingungen – Psychologen werden gefragt sein, wenn es da-rum geht, Lösungen zu finden und zu vermitteln, bei denen keine Seite verliert.

Prof. Dr. Werner Greve bei der

Urkunden-übergabe

Page 53: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

53

Entwicklungstendenzen von Kindertagesbetreuung und VorschulenInternationale Forschungskonferenz unternimmt einen europäischen Vergleich

Etwa 40 Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler aus elf Ländern trafen sich vom 19. bis 21. Oktober auf Einladung der Universität Hildes-heim an ihrem historischen Standort Domäne Marienburg. Sie kamen aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Österreich, der Schweiz, Spanien, Ungarn und den USA. Eingeladen hatte Dr. Kirsten Scheiwe, Professorin für Recht am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität. „Ich bin der Volkswagen-Stiftung sehr dankbar für die Finanzierung dieser internationalen Tagung mit Kolleginnen und Kollegen unterschiedlichster Disziplinen, aus den Rechts-, Sozial- und Poli-tikwissenschaften“, so Scheiwe.

„Es gibt auf dem Gebiet der frühkindlichen Erzie-hung praktisch keine vergleichende europäische Forschung, die Entwicklungstendenzen, Pfad-abhängigkeiten und Wendepunkte thematisiert und dabei auch die Bedeutung institutioneller Faktoren und rechtlicher Rahmenbedingungen einbezieht“, betonte sie.

Im Bereich der Kindertagesbetreuung und des Vorschulwesens sind die Unterschiede zwischen den europäischen Ländern sehr groß. In Bel-gien und Frankreich besuchten bereits in den 1920er Jahren mehr als 70 Prozent der Kinder die ganztägigen Vorschulen – heute sind es über 90 Prozent der über 2- oder 2 ½ -Jährigen und fast 100 Prozent der 5-Jährigen. In Deutsch-land setzte die Expansion erst nach 1991 ein, als ein Rechtsanspruch auf einen (halbtägigen) Kindergartenplatz eingeführt wurde. Für unter 3-jährige Kinder bietet Dänemark Betreuung für 68 Prozent der Kinder an (Tagesmütter und Plätze in Tageseinrichtungen). Das Angebot von Plätzen in Tageseinrichtungen reicht dagegen in den Flächenstaaten der alten Bundesländer nur für 2,4 Prozent der Kinder aus. Ganztagsplätze für Kindergartenkinder ab 3 Jahren stehen in den alten Bundesländern nur für 23,6 Prozent der Kinder zur Verfügung. Während Eltern für den Kindergartenbesuch als Teil der öffentlichen Fürsorge und Jugendhilfe Gebühren zahlen müssen, ist der Vorschulbesuch gebührenfrei

Page 54: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

54

Soziale Sicherungsmodelle revisitedEin Konferenzbericht über aktuelle Forschungsfragen der sozial- und familienrechtlichen Existenzsicherung aus Genderperspektive

52 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen aus der gesamten Bundesrepublik trafen sich zu einer Forschungs-konferenz in Hildesheim. Thema war ‚Soziale Sicherungsmodelle revisited - Geschlechter-dimensionen und Verteilungsaspekte der Exis-tenzsicherung durch Sozial- und Familienrecht’. Die von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Konferenz war ein Kooperationsprojekt der Hildesheimer Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Kirsten Scheiwe mit der Politikwissen-schaftlerin PD Dr. Sabine Berghahn, der FU

Berlin, mit organisatorischer Unterstützung des Zentrum für interdisziolinäre Frauen- und Geschlechterforschung Hildesheim. Im Mittel-punkt der Vorträge, Vortragskommentare und lebhaften Diskussionen stand die Analyse der Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme unter der Fragestellung, wie sich Strukturen und Reformen (etwa durch ‚Hartz IV’, durch das geplante Unterhaltsrechtsreformgesetz oder die Einführung eines Elterngeldes) auf Geschlech-terverhältnisse und –ungleichheiten auswirken können. Der Sozialrechtler Prof. Dr. Karl-Jürgen Bieback (HWP, Universität Hamburg) behandelte den Rechtsbegriff der mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und dessen Potential und Grenzen aus Gender-Perspektive. Eine mit-telbare Diskriminierung, wie sie im Sozialrecht etwa durch die EG-Richtlinie 79/7 und die Anti-diskriminierungsrichtlinien untersagt wird, liegt dann vor, wenn scheinbar geschlechtsneutrale Kriterien (wie etwa Teilzeitbeschäftigte, Haupt-verdiener, Haushaltsvorstand) überwiegend ein Geschlecht benachteiligen, wenn diese Kriteri-en nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Gründe gerechtfertigt sind. Während Bieback sich überwiegend skeptisch zu dem Verände-rungspotential durch das Verbot der mittelbaren Diskriminierung äußerte, bezog sich die Richterin am Landessozialgericht Berlin/Brandenburg, Dr. Christine Fuchsloch auf die Interpretation dieses Rechtsbegriffs in jüngeren Urteilen des Bundes-verfassungsgerichts und sah positivere Ansätze.

Dr. Kirsten Scheiwe

Prof. Dr. Kirsten Scheiwe ist seit 2000 Professorin für Recht im Institut für Sozial- und Organi-sationspägogik der Universität Hildesheim. In ihrer Forschung befasst sie sich u. a. mit der vergleichenden und interdiszipli-nären Untersuchung von Rechts-institutionen des Familien- und Sozialrechts, internationalem Wohlfahrtsstaatsvergleich, Recht und Geschlechterverhältnissen sowie der Rechtstatsachenfor-schung. Die Beiträge der Tagung erscheinen in Kürze im Nomos Verlag als Edition, deren Heraus-geberin sie ist.

– etwa in Spanien, Italien, Frankreich, Belgien und Luxemburg, die diese Einrichtungen in das Erziehungswesen eingegliedert haben.

„Wir erleben in Deutschland oft, wie rechtliche Argumente als Hindernis einer Ausweitung der öffentlichen frühkindlichen Erziehung wirken – Streit über Gesetzgebungsbefugnisse des Bun-des im Rahmen der Föderalismusdiskussion, über Finanzierungs- und Verwaltungszustän-

digkeiten oder über die Zuordnung zum Erzie-hungswesen oder der Jugendhilfe. Die Drohung mit dem Gang zum Bundesverfassungsgericht gehört zum Ritual der deutschen Politik“, meint Kirsten Scheiwe. Die Diskussion wird sicher weitergehen, denn die Mitgliedstaaten der Euro-päischen Union haben sich verpflichtet, bis zum Jahr 2010 für 33 Prozent der unter 3-Jährigen Plätze in Tagesbetreuung bereit zu stellen.

Page 55: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

55

Wer ist eigentlich wem verpflichtet? Dies war das Thema des Soziologen Prof. Dr. Stephan Lesse-nich (Jena), der sich mit Konzepten und Diskur-sen gegenseitiger Abhängigkeit im Sozialstaat beschäftigte. Die Ökonomin Prof. Dr. Notburga Ott (Ruhr-Universität Bochum) analysierte an-schließend die Anreiz- und Verteilungswirkungen von sozialen Sicherungsmodellen auf Familie, Generation und Geschlecht. In ihrem Vortrag über Soziale Sicherungsmodelle im internationa-len Vergleich untersuchte die Veranstalterin der Konferenz, Prof. Dr. Kirsten Scheiwe (Universität Hildesheim), wieweit ehebezogene soziale Siche-rungsmodelle (das sog. männliche „Ernährer-modell“) durch individualisierte, familialistische oder sorgearbeitsbezogene Regelungen ersetzt worden sind.

Im zweiten thematischen Block der Konferenz ging es um aktuelle arbeitsmarktpolitische Herausforderungen, um Arbeitsförderung und die Grundsicherung für Arbeitssuchende durch das SGB II. Der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Gerhard Bäcker (Universität Duisburg-Essen) dokumentierte Defizite der sozialen Sicherung, die durch den Sozialstaatsumbau und die Ar-beitsmarktreformen hervorgerufen werden, vor allem im Niedriglohnsektor und durch die Zunahme geringfügiger Beschäftigungsverhält-nisse, in denen (verheiratete) Frauen überreprä-sentiert sind.

Die Arbeits- und Sozialrechtlerin Prof. Dr. Helga Spindler (Universität Duisburg-Essen) analysierte die rechtlichen Veränderungen der Sozialleistungsansprüche unter dem Stichwort der Stärkung der ‚Eigenverantwortung’; sie kriti-sierte die Schwächung rechtlicher Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen in diesem Prozess und stellte die These auf, dass die Existenzsiche-rung von Familien sowie Familiengründungen durch das SGB II geschwächt würden, so dass in diesem Bereich von einem „Ernährermodell“ nicht mehr die Rede sein könne.

Zu den Auswirkungen von Hartz IV stellte Anne-gret Künzel anschließend empirische Ergebnisse einer Betroffenenbefragung des Forschungspro-jekts ‚Ehegattenunterhalt und sozialrechtliches Subsidiaritätsprinzip’ aus einem von der Böck-ler-Stiftung finanzierten Forschungsprojekt an der FU Berlin vor.

Soziale Sicherung aus Geschlechterperspektive muss das Familienrecht einbeziehen – ausge-hend von dieser These ging es abschließend um die Existenzsicherung zwischen Sozialrecht und Ehe- und Familienrecht, um Abhängigkeitskon-struktionen, Wechselwirkungen, Widersprüche und Reformbedarf. PD Dr. Sabine Berghahn, FU Berlin charakterisierte in ihrem Vortrag das Versprechen der Existenzsicherung durch die Ehe als ‚double bind’ – empirische Forschungen über nachehelichen Unterhalt und die wirt-schaftlichen Folgen von Trennung und Scheidung dokumentieren dies. Der Rechtshistoriker Prof. Dr. Stephan Meder von der Universität Hannover verfolgte in seinem Kommentar die historischen Spuren der Legitimation von Ehegatten- und Scheidungsunterhalt.

Der Rechtssoziologe und Familienrechtler Prof. Dr. Harry Willekens (Universität Antwerpen) unterbreitete Vorschläge zur familienrechtli-chen Deregulierung der Ehe und Reregulierung kindbezogener Pflichten, die – kommentiert von Prof. Dr. Margarete Schuler-Harms, Helmut Schmidt Universität Hamburg – zu engagierten und kontroversen Debatten führten, die sich in der Podiumsdiskussion fortsetzten. Dabei standen Zukunftsszenarien, Alternativen und feministische Konzepte der sozialen Sicherung zur Diskussion.

Sind Wahlmöglichkeiten und Gestaltungsfreiheit von bezahlter und unbezahlter Arbeit ein Ideal, eine Illusion oder konservative Ideologie? Über dieses Thema, das in den familienpolitischen Debatten über Steuerentlastungen für Familien, Elterngeld und das ‚Ehegatten-Steuersplitting’ an Aktualität gewonnen hat, diskutierten auf dem Podium PD Dr. Sabine Berghahn (FU Berlin), Prof. Dr. Sibylla Flügge (Fachhochschule Frankfurt), Dr. Christian Berringer vom Bundesministerium der Justiz, Prof. Dr. Kirsten Scheiwe, Universität Hildesheim, Eva Welskop-Deffaa, Referatsleite-rin im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (jetzt Hauptabteilungsleiterin für Gleichstel-lungsfragen im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und Dr. Konstanze Plett von der Universität Bremen.

Die Konferenzbeiträge werden in einer von Kirs-ten Scheiwe herausgegeben Edition im Nomos-Verlag erscheinen.

Page 56: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

56

Kontrastive Kulturkomparatistik in Hildesheim und TokioNeuer Forschungsschwerpunkt in der Philosophie

Wenn wir Kulturen miteinander vergleichen, dann wenden wir in der Regel eigene Maßstäbe an. Wir bestimmen dann, was sie gemeinsam haben und was sie unterscheidet – aus unserer Sicht. Wer aber könnte mit Bestimmtheit sagen, was ‚deutsch’, was ‚europäisch’, was ‚westlich’ ist? Ganz zu schweigen von ‚deutscher Kultur’ im Ganzen. Und dabei betreffen diese Fragen doch nur die eigene, scheinbar so vertraute Seite des Kulturvergleichs. Trotz dieser Definitionsproble-me vergleichen wir ständig, und das ist nur na-türlich. Wer einmal im Ausland gelebt hat, weiß, dass dort vieles anders aussieht als bei uns, dass vieles anders läuft, als er oder sie es gewohnt sein mag, dass manches einfach anders ist. Unabhängig von solchen Erfahrungen, die jeder machen kann, ist der Kulturvergleich Gegen-stand verschiedener Wissenschaftsdisziplinen.

Seit Mitte der achtziger Jahre findet zu diesem Thema ein intensiver Austausch zwischen dem Hildesheimer Philosophie-Professor Dr. Tilman Borsche und seinem Kollegen Professor Dr. Teruaki Takahashi aus Tokio statt.

Mit der Planung eines Hildesheimer Forschungs-schwerpunkts „Interkulturelle Philosophie“ soll die Zusammenarbeit weiter intensiviert werden. Die Notwendigkeit des forschungsbasierten Kulturvergleichs zwischen Japan und Deutsch-land ist unbestritten. Das bestätigt Professor Borsche nach seiner Rückkehr aus Japan, wo er an einer Tagung zu theoretischen Problemen des Vergleichens mit entsprechenden Fallstudien in den Bereichen Philosophie, Literaturwissen-schaft, Sprachwissenschaft und Germanistik teilgenommen hat. Es handelte sich um die

Felsgarten

Page 57: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

57

japanische Regionalkonferenz der Alexander von Humboldt-Stiftung, die Anfang September 2006 von Prof. Dr. Teruaki Takahashi an der Rikkyo-Universität (Tokio) organisiert wurde. Die renommierte Rikkyo-Universität ist eine angli-kanische Gründung aus den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts und damit eine der relativ alten Privatuniversitäten im relativ jungen europäisch orientierten Bildungssystem des modernen Ja-pan. Jedenfalls ist sie alt genug, um schon von den Zuwendungen dankbarer Alumni profitieren zu können. Das vor zehn Jahren erbaute, mo-dern ausgestattete Konferenzgebäude auf dem Campus der Universität wurde beispielsweise aus solchen Mitteln errichtet.

Die Tagung stand unter dem etwas umständlich formulierten, aber treffenden Titel „Vergleich un-ter inter- und multikulturellem Aspekt: Theorie und Praxis aus japanischen Perspektiven.“ Zu den Teilnehmern zählten vor allem ehemalige und potentielle künftige japanische Humboldt-Stipendiaten aus den genannten Disziplinen. Hinzu kamen weitere japanische sowie in Japan ansässige deutsche Wissenschaftler. Eigens für die Tagung eingeladene Gäste aus Deutschland waren Prof. Dr. Tilman Borsche sowie Privat-dozent Dr. Rolf Elberfeld aus Marburg, der als Philosoph und Japanologe auch ein Kenner asiatischer Philosophien ist. Mit großem Respekt berichtet Professor Borsche nach seiner Rück-

kehr, dass die gesamten Vorträge und Diskussi-onen der Tagung in deutscher Sprache gehalten wurden. Ein wenig Neid schwingt mit, wenn er feststellt, dass das Umgekehrte in Deutschland heute wohl nicht vorstellbar wäre. Grund genug also die Impulse der Tagung mit nach Deutsch-land zu nehmen. Zumal PD Dr. Elberfeld im Win-tersemester 2006/07 einen ersten Lehrauftrag zum Thema „Kultur, Kulturen, Interkulturalität“ in Hildesheim wahrnimmt.

Forschungstangente zwischen Hildesheim und Tokio

Mitte der achtziger Jahre entstand erstmals ein Kontakt zwischen Professor Teruaki Takahashi und Dr. Tilman Borsche, seinerzeit Hochschul-assistent am Philosophischen Seminar der Universität Bonn. Als Alexander von Humboldt-Stipendiat forschte Takahashi damals an der Universität Bonn über Lessing, Kant und Höl-derlin. Seit dieser Zeit besteht eine inzwischen über zwanzigjährige Zusammenarbeit zwischen Hildesheim und Tokio. Man forscht gemeinsam über deutsche und japanische Themen und tauscht sich auf den Gebieten der Philosophie, Literatur- und Sprachwissenschaft aus. Hat die gemeinsame Arbeit einst mit der konkreten Lektüre und Interpretation japanischer Haikus begonnen, ist sie heute auf der Abstraktions-ebene von Metatheorien der Kulturkomparatistik

Die Runde der Tagungsteil-nehmer. Im Zentrum der Nestor der ja-panischen Ger-manistik, Prof. Eijiro Iwasaki. Links daneben Tilman Bor-sche, Teruaki Takahashi und Rolf Elberfeld. Rechts Elmar Holenstein.

Page 58: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

58

angekommen. Die Zusammenarbeit fand ihren bisherigen Höhepunkt in dem neuesten Werk von Professor Teruaki Takahashi, das eine in-teressante akademische Vorgeschichte hat. Wie es für Gelehrte seiner Generation in Japan üblich war, hatte Teruaki Takahashi in seiner erfolgreichen akademischen Laufbahn die Stufe der Promotion übersprungen. Erst sehr viel spä-ter, insbesondere seitdem er selbst zahlreiche Promotionen betreute, tauchte die Frage auf, ob das Versäumte nicht nachgeholt werden könnte. Das in dieser Absicht von ihm verfasste Werk „Japanische Germanistik auf dem Weg zu einer kontrastiven Kulturkomparatistik“ wurde als Dissertation am Fachbereich Erziehungs- und Sozialwissenschaften der Universität Hildesheim angenommen und ist im vergangenen Sommer in einer reich bebilderten Ausgabe im Fink-Ver-lag erschienen. Das so entstandene Buch ist keine Dissertation der gewöhnlichen Art, son-dern eher die Summe eines ungewöhnlichen Ge-lehrtenlebens. Die Universität verfügt mit dieser Arbeit über eine außergewöhnliche Promotion. Der Titel benennt und der Text beschreibt auf indirekte Weise den paradigmatischen Lebens-

weg eines japanischen Germanisten nach der Öffnung des Landes durch die Meiji-Restau-ration. Der Leser erfährt diesen Weg als den windungsreichen Prozess einer Emanzipation auf der persönlichen, der nationalen und der dis-ziplinären Ebene mit all den Schwierigkeiten, die solchen Prozessen eigen sind: Sackgassen und Durchbrüche, Phasen der Selbstpreisgabe und Phasen der Selbstfindung. Nicht ohne Selbstiro-nie entstand auf diese Weise eine ungewöhnlich erfahrungsgesättigte wissenschaftshistorische Studie, die durch überraschende Wechsel von Fallstudien und kritischen Reflexionen den histo-rischen Perspektivenwandel, den sie beschreibt, zugleich praktiziert.

„Interkulturelle Philosophie“

Und die Zusammenarbeit zwischen Hildesheim und Tokio geht weiter: Takahashi, der schon im Oktober 2003 auf Einladung von Professor Borsche an einer von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten internationalen Herder-Tagung in der Villa Vigoni am Comer See teilnahm, hat weitere Kooperation zugesagt. Das könnte

Ein Moment der Stille und Entspannung in der alten Hauptstadt Kyoto. Das Teehaus, in dem ein berühmtes Sieben-Kräuter-Tofu serviert wird, liegt abseits im weitläufigen Park des Ryôan-ji, einer Tempelanlage, die für ihren Felsgarten aus dem Geist des Zen (um 1500) so berühmt ist, dass man dort oft mehr Touristen zählen kann als Felsen und weiße Kieselsteine.

Page 59: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

59

Nach dem Vor-trag. Kollegen kommentieren

und fragen. Der Referent, Prof. Dr. Borsche (li.), hört aufmerksam zu.

für die Hildesheimer Philosophie interessant und wichtig werden, wenn es darum geht, den Forschungsschwerpunkt „Interkulturelle Philo-sophie“ an der Stiftung Universität Hildesheim auszubauen und künftig regelmäßig in die Lehre einzubringen. Anfänge dazu hat es mit einer Vorlesung von Professor Borsche über interkulturelle Philosophie im Wintersemester

2003/04 gegeben. Als diese einmal wegen einer auswärtigen Vortragsverpflichtung ausfallen musste, reiste Teruaki Takahashi, der sich zu Forschungszwecken gerade in Bonn aufhielt, nach Hildesheim und übernahm die Vertre-tung. Rubrik: Gastvortrag, Thema: japanische Philosophie. Soviel Flexibilität begeisterte – vor allem auch die Hörerinnen und Hörer. Weitere Gastveranstaltungen sind geplant, sowohl in Hil-desheim als auch in Tokio, und diese dann nicht nur als Vertretung. Die Verbindung jedenfalls steht, und sie ist ausbaufähig, auch in andere Fächer hinein. Die Rikkyo-Universität empfiehlt sich zudem Studierenden aus Deutschland für ein Auslandssemester. Sie unterhält auf dieser Ebene bereits Kontakte zu anderen Universitä-ten. Ein Austauschprogramm mit der Universität Hildesheim ist also denkbar, selbst wenn ein solcher Austausch die geographischen Grenzen des Erasmus-Programms übersteigen würde. Die institutionelle Kreativität der Stiftungsuni-versität wird an Lösungen arbeiten.

Fachbuchhandlungin der UniversitätMarienburger Platz 22Tel 05121/[email protected]

Mo–Do 9.30–15.00 UhrFr 9.30–13.00 Uhr

ameis buchEckeGoschenstraße 31Tel 05121/34441Fax 05121/[email protected]

Mo–Fr 9.00–18.00 UhrSa 9.00–13.00 Uhr

Kompetenz. Service. Und richtig gute Bücher.

ameis

die buchhandlung in der uni

seit 20 jahren

Page 60: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

Wir engagieren uns für die Lehramtsausbildung, weil …

• das Handwerk qualifizierten Nachwuchs braucht.• Wirtschaft und Schule für den optimalen Übergang von Schule in die Ausbildung eng zusammen arbeiten müssen und ein praxisnahes Studium die Basis dafür ist.• die Kooperation mit der Stiftung Universität Hildesheim positive Auswirkungen auf die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der Region haben wird.

Vier gute Gründe für Themen der Betriebsführung im Lehramtsstudium:

1. Bessere Vorbereitung künftiger Lehrkräfte in Hinsicht auf die Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern2. Enge Zusammenarbeit mit der Wirtschaft: Regionale Partnerunternehmen ermöglichen Studierenden Betriebspraktika; Studierende begleiten Schulpraktika in Unternehmen3. Besseres Verständnis für die Anforderungen der Wirtschaft an Ausbildungsplatzbewerber 4. Bessere Integration der beruflichen Lebenswelt in den Unterricht

Handwerkskammer Hildesheim-SüdniedersachsenUte Ohlendorf, Braunschweiger Str. 53, 31134 HildesheimTelefon (0 51 21) 1 62- 1 28, Fax (0 51 21) 3 38 36 E-Mail: [email protected] www.hwk-hildesheim.de

Schulterschluss für die Zukunft

Page 61: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

61

„Objekt – Film – Musik“Uraufführung und DVD

Ein Besuch im Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum (RPM) wird Objekt von Film und Musik. Warum? Es ist ein Tag, an dem die Besucher der Ausstellungsräume des Roe-mer- und Pelizaeus-Museums eine Auswahl verschiedenster Objekte aus seinen umfangrei-chen Sammlungen sehen. Viele Gäste nutzen die Führungen zur intensiven Auseinandersetzung mit den Ausstellungsstücken, sie halten ihre Er-innerung in Fotos fest, kaufen im Museums-Shop Kataloge und Bilddokumentationen mit exzellen-ten Beschreibungen. Und doch prägt letztendlich das eigene Betrachten und die eigene Erfahrung die ganz persönliche Erinnerung an den Besuch. Dieser Zusammenhang hat dazu geführt, dass das Institut für Musik und Musikwissenschaft in Zusammenarbeit mit dem RPM ein Projekt durchgeführt hat, in dem altägyptische Objekte aus der Sammlung des Pelizaeus-Museums in sieben Kurzfilmen zu sehen sind.

Jan Hellwig erklärt die Motivation für das Pro-jekt: „Heute werden wir mehr und mehr durch die vielen TV-Dokumentationen, die zum Beispiel die Geschichte der altägyptischen Kultur auf-wendig präsentieren, neugierig gemacht. Und mittlerweile synchronisieren sich ganze Genera-tionen durch diese von den Medien angebotenen Wahrnehmungscodes. Wir gehen also immer mehr mit diesen, in uns vorbereiteten Bildern in die jeweiligen Ausstellungen der Museen. So treten die Erwartung des Betrachters und die Realität der Ausstellungen in Konkurrenz. Bei vielen Besuchern bleibt dennoch der Wunsch des unvoreingenommenen Seins in der näheren Auseinandersetzung mit den Objekten spürbar. Der Betrachter möchte nicht nur die von Medien „geprägte“ oder die wissenschaftliche Wahrneh-mung und Deutung erfahren, er möchte auch eine subjektive Wahrnehmung und Deutung erleben. Erst in diesem Moment beleben sich die Objekte und beginnen dem Betrachter Ge-schichten zu erzählen.“

Vor diesem Hintergrund ist der neuartige Ansatz und die Projektidee „Objekt – Film – Musik“ einzuordnen. Jan Hellwig und Willfried Beck (Universität Hildesheim, Institut für Musik und Musikwissenschaft) haben in Zusammenarbeit mit engagierten Studenten die in Hildesheim gesammelten Objekte jener Hochkultur auf besondere Art und Weise in Szene gesetzt. In Anlehnung an die Tradition der Filmpioniere, die auf den Expeditionen Objekte, Landschaften, Menschen dokumentierten, sind in dem Projekt „Objekt – Film - Musik“ sieben altägyptische Objekte aus der Sammlung des Pelizaeus-Mu-seums in sieben Kurzfilmen inszeniert worden. Sie entstanden in drei „Drehnächten“ in Zusam-menarbeit mit dem Kameramann Rudolf Dornis. Der Betrachter kann sich Details erschließen und eine neue Perspektive zum jeweiligen Ob-jekt einnehmen. So sieht er beispielsweise den

Am 18. August dieses Jahres berichtete NDR 1 Niedersachsen über die Universität Hil-desheim. Redakteur Rudolf Krieger hatte in seiner Sendung Musikland Marlene Clement, Jan Hellwig und Willfried Beck, Dozenten am Institut für Musik und Musikwissenschaft zu Gast. Neben der allgemeinen Bedeutung wech-selseitiger, kultureller Kontakte zwischen Universität und Stadt wird im Gespräch die Projektarbeit der vergangenen Jahre vorge-stellt. Musik in Konzertreihen oder in Verbindung mit Medien wie Film und Theater geben dabei einen interessanten Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten im Studiengang der Kulturwis-senschaften. Ein Mitschnitt dieser Sendung ist unter www.projekte.uni-hildesheim.de/musi-kland zu hören.

Radio-Feature über 10 Jahre Kulturtransfer

von oben nach unten:1. Scheintür, aus dem Grab der Prinzessin Wenschet in Giza; Altes Reich, 4. Dynastie, um 2460 v. Chr.2. Ba, Vogel als Seele des Toten aus Tuna el-Gebel; Spätzeit, 6.-4. Jahrhundert v. Chr.3. Chephren, Alabasterkopf des Pharaos aus Giza; Altes Reich, 4. Dynastie, um 2500 v. Chr.4. Heti, Statue des Schreibers aus Giza; Altes Reich, 5. Dynastie, um 2300 v. Chr.5. Papyrus, Totenbuch des Djed-Hor aus Achmim; Ptolemäerzeit, 3.-1. Jahrhundert v. Chr.6. Thotkapelle, Kultkapelle aus der Tiernekropole von Tuna el-Gebel; Ptolemäerzeit, Ptolemaios I., um 295 v. Chr.7. Sachmet, Sitzfigur der löwenköpfigen Göttin aus Karnak; Neues Reich, 18. Dynastie, um 1380 v. Chr.

Page 62: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

62

„Guests of the City“Ein erfolgreiches Projekt wurde fortgesetzt. Ein Bericht von Herbert Reyer.

Im letzten Jahr gelang es, in Kooperation mit dem Stadttheater Hildesheim eine beeindruckende szenisch-musikalische Dokumentation zur Le-benssituation des ehemaligen jüdischen Bürgers Hildesheims Gustav Gutmann zu verwirklichen: Unter der Leitung von Jan Hellwig und Willfried Beck, Universität Hildesheim, konnte auf der Basis der Kindheitserinnerungen Gustav Gut-manns und eines von ihm erarbeiteten Skripts ein Theaterprojekt „in Szene gesetzt“ werden, das in authentischen Bildern am Beispiel Hildes-heims die Verfolgung der Juden zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft und die sich daraus ergebenden Lebensumstände schildert. Im Mittelpunkt des Theaterstückes („Guests of the City“) stand Gustav Gutmann selbst,

1935 geboren, der 1939 gerade noch rechtzeitig mit seinen Eltern das Land ver-lassen und nach C h i c a g o / U S A ausreisen konn-te. Als Darsteller wie als Erzähler wirkten zahlrei-che Studierende der Kulturwis-senschaften mit.

Prof. Dr. Herbert Reyer ist Honorarprofessor der Stiftung Universität Hildesheim. Seit 1995 lehrt der Hildesheimer Archivdirektor an der Universi-tät. Zu seinen Schwerpunkten gehören Seminare zur Kulturgeschichte des Buches. Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Arbeit steht die Paläo-graphie, die Erforschung von Schriftgeschichte und Editionstechniken. Eine Fülle von Veröffentli-chungen befasst sich mit Themen der Stadt- und Regionalgeschichte sowie der Geschichte der Juden, vor allem in Niedersachsen.

Filmausschnitt„Guests of the

City“, Stadtarchiv Hildesheim Best.

951, Nr. 8318, 5

Körper ohne Berechnung, eher mit der Lust auf Verführung, wie sie uns durch den Anblick vieler Kunstwerke bekannt ist. Die als Stummfilme produzierten Clips wurden bei der Uraufführung wie in „alten Zeiten“ mit Musik von einem live improvisierenden Kam-merorchester unter der Anleitung von Andreas Burckhardt begleitet und eröffneten nicht nur den Instrumentalisten individuelle Freiräume. Auch die Zuhörer wurden durch die pulsierende Bewegung der Klangflächen in neue Räume der Wahrnehmung begleitet. Barbara Magen, wis-senschaftliche Mitarbeiterin des Roemer- und Pelizaeus-Museums, hat die von ihr ausgewähl-ten Textfragmente einfühlsam als Vor-Echo zu

den jeweiligen Filmclips gesprochen. Sie haben den Kosmos der Gedankenwelt jener Zeit geöff-net und gaben dem Betrachter im Nachklang Stichworte zur möglichen Interpretation der bewegten Bilder.

Die im Museumsshop zu erwerbende DVD „OFM“ dokumentiert die Uraufführung des Projektes „Objekt – Film - Musik“ am 21.06.2006 und er-innert somit auch die Aura dieses authentischen Moments.

Projektverantwortliche: Jan Hellwig, Willfried Beck, Andreas Burckhardt, Dr. Katja Lembke

Page 63: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

63

Filmausschnitt„Guests of the

City“, Stadtarchiv Hildesheim Best.

951 Nr. 8318,1

Im Juli 2005 wurde das Stück im vollbesetzten Stadttheater uraufgeführt. Allerdings gab es insgesamt nur zwei Aufführungen. Ein Mitschnitt der 50-minütigen Theateraufführung steht nun auf DVD zur Verfügung und kann von den beiden Initiatoren Beck und Hellwig bezogen werden (Kontakt: [email protected]).

Das erfolgreiche Theaterprojekt hat nunmehr eine Fortsetzung gefunden: Die Initiatoren Beck und Hellwig haben mit Hilfe des professionellen Kameramanns Rudolf Dornis eine 30-minütige filmische Dokumentation erarbeitet, in der zahlreiche Zeitzeugen zu Wort kommen, ebenso die studentischen Darsteller des Theaterstücks. Auch in dieser Dokumentation stehen Gutmann und seine Kindheitserlebnisse im Mittelpunkt, ergänzt durch Einblendungen historischer Dokumente sowie historischer Bilder und Film-sequenzen, u. a. von der Deportation der Hildes-heimer Juden Ende März 1942. Außerdem sind Fragmente der Theatervorführung eingefügt. Die äußerst lehrreiche Filmdokumentation wurde an zwei Abenden im Juni 2006 einer interessierten Öffentlichkeit im großen Sitzungssaal des Hil-

desheimer Rathauses vorgeführt, darunter auch die Studierenden meines Seminars zur Lebens-situation und zum Schicksal der Hildesheimer Juden während der NS-Zeit.

Der Aufführungsmitschnitt und der Dokumen-tarfilm sind dem Stadtarchiv Hildesheim zur dauernden Aufbewahrung übergeben worden und können hier gegebenenfalls von Interessier-ten genutzt werden.

Page 64: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

64

Musik und TheaterDeutsch-Türkische Sommerakademie 2006. Ein Bericht von Helmut Rocholl.

Die türkische Insel Bozcaada hieß in der Antike „Tenedos“. Der nordwestlichen Küste des Lan-des vorgelagert gehörte sie zum Schauplatz des Troianischen Krieges. Hinter ihr verbarg sich die griechische Flotte, bevor die Hellenen ihren entscheidenden Schlag gegen Troia führten.

Im August dieses Jahres trafen sich dort Stu-dierende der Universitäten Hildesheim, Anka-ra, Çanakkale, Eskisehir und Izmir zur ersten „Deutsch-Türkischen Sommerakademie für Musik und Theater“, bestehend aus einem Orchester- und einem Theaterworkshop. Dass es nicht nur um künstlerische Arbeit ging, liegt auf der Hand: Deutsche und türkische Teilneh-mer hatten im Rahmen ihrer gemeinsamen Aktivitäten und persönlichen Begegnungen die Chance, kulturelle Unterschiede und Gemein-

samkeiten zu entdecken, Barrieren abzubauen und Verständnis für sowie Nähe zu einander zu entwickeln. Darüber hinaus konnte das Projekt den Hildesheimer Studierenden tiefere Eindrücke in die türkische Kultur (im weitesten Sinne) vermitteln und durch berufspraktische Erfahrungen Anregungen für mögliche späte-re Berufsperspektiven geben. Die türkischen Teilnehmer wiederum erhielten im Austausch mit ihren deutschen Kollegen Gelegenheit, ihre Kontakte zu europäischer Kultur und Lebens-weise zu vertiefen.

Wesentlichen Anteil an dem Erfolg des Projek-tes hatte deshalb auch das Rahmenprogramm: Gemeinsame Besuche und Besichtigungen der antiken Stätten von Troia, Alexandria Troas und Assos hinterließen nachhaltigen Eindruck,

Page 65: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

65

Helmut Rocholl

studierte bei Friedrich- Jürgen Sellheim und Kon-rad Haesler in Hannover sowie bei Colin Carr in Boston (USA) und vervollständigte seine Ausbil-dung bei Don Jaffé in Bremen. Er absolvierte Kam-mermusik- und Meisterkurse bei André Navarra, Laszlo Mézö“, Heinrich Schiff, Ramy Shevelov und dem Bartók-Quartett. Seit 1988 ist er Dozent für Violoncello und Kammermusik an der Universität Hildesheim. 2006 übernahm er die Leitung des Universitätsorchesters. Helmut Rocholl arbeitet darüber hinaus als freischaffender Kammermusi-ker und Solist. Konzerte und Tourneen führten ihn über Deutschland hinaus in die Niederlande, die Türkei, die USA und die Schweiz sowie nach Israel, Irland, Österreich, Polen, Rumänien, Russland, Kasachstan und Kirgistan. Von 1990 - 1998 war er künstlerischer Leiter des „Interkulturellen Troia Festivals“ in der Türkei. Dort führte er auch eine Reihe von Cellokursen durch. Als Gründungs-mitglied und Vorsitzender des Vereins Musik im Kontext e.V. ist er seit 1988 verantwortlich für die Konzeption, Planung und Durchführung von Pro-jekten grenzüberschreitender Kunst.

Impressionen vom städtischen Charakter Çan-akkales (der nahe gelegenen Kreisstadt) einer-seits und das tägliche Leben auf dem Dorf der Insel Bozcaada andererseits vermittelten den deutschen Teilnehmern verschiedene Facetten türkischer Lebensart.

Kern des Projektes aber war die künstlerische Arbeit. In jeweils einem Workshop für Theater (Leitung: Sahine Hatipoglu / Uni Çanakkale) und Streichorchester (Leitung: Helmut Rocholl / Uni Hildesheim) wurden Programme erarbeitet, die am Ende der zwei Wochen auf Bozcaada und in Çanakkale zur Aufführung kamen. Mit dem Titel „Pferde vor Troia“ ging der Theaterworkshop un-ter Anwendung unterschiedlicher Spieltechniken auf das mythologische Umfeld der Veranstal-tungsorte ein, während bei der Orchesterarbeit mit Werken von Gustav Holöst, Arvo Pärt, Johann Nepomuk Hummel, Istemihan Taviloglu und Leoš Janácek ein ausgewogenes interkulturelles Programm sowie die Bildung eines homogenen Klangkörpers im Vordergrund standen.

Für die open-air Aufführungen vor faszinieren-den Kulissen uralter Burgruinen auf Bozcaada und in Çanakkale war dann besondere Nerven-stärke gefragt: Mussten sich die Musiker dem Problem vom Winde verwehter Notenblätter

stellen, so waren die Schauspieler damit kon-frontiert, dass eine streunende Katze ihnen die Requisiten stahl. Troia ist eben immer noch ein schwieriges Pflaster.

Page 66: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

66

Einladung zur Familienuniversität kommt auch als PostkarteStudierende der Kunstpädagogik erarbeiten visuelles Konzept

Studierende des Fachs Kunstpädagogik im Institut für Bildende Kunst- und Kunstwissen-schaft der Universität Hildesheim befassten sich in zwei Semestern unter der Leitung von Jan Schönfelder mit dem Thema Kinder- und Familienuniversität. Kinder, Jugendliche und Er-wachsene haben andere Interessen und wollen anders angesprochen werden. Darin war man sich schnell einig. Und Ansprache funktioniert bekanntlich nicht nur über Sprache, sondern wesentlich über Bilder.

Die Visualisierung im Rahmen eines vorab erar-beiteten Konzepts war die Herausforderung, auf deren Basis mit Print und Multimedia kreative Lösungen gefunden werden mussten.

In der ersten Veranstaltung des Moduls war neben der Analyse von Kinderuniversitäten im deutschsprachigen Raum die Entwicklung und Umsetzung von grafischen und animierten Er-scheinungsformen Aufgabe. Die Studierenden konzentrierten sich auf die Erstellung von Post-karten zu diesem Thema. Mit viel Kreativität und künstlerischer Kompetenz entwarfen sie eine bunte Palette von Entwürfen, die im Rahmen einer Ausstellung präsentiert wurden und die alle zur Hildesheimer Kinder- und Familienuni-versität einladen. Eine Auswahl der erarbeiteten und gestalteten Postkarten soll zukünftig in der Universität Hildesheim ausgelegt werden und zum kostenlosenlosen Gebrauch zur Verfügung stehen.

Page 67: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

67

Im zweiten Teil des Moduls stand die Implemen-tierung der Kinder- und Familienuniversität in das bestehende Content-Management-System der Universität im Mittelpunkt. Die so entstande-nen Internetseiten informieren Kinder, Jugend-liche und Eltern über die Kinderuniversität ins-gesamt, enthalten ein Lexikon und stellen auch eine Sammlung von Links zu Internetspielen zur Verfügung. Mit www.familienuni.de steht ab sofort auch eine eigene Domain zur Verfügung. Den Studierenden war es wichtig, jede Zielgrup-pe gesondert ansprechen zu können. So entstand die Dreiteilung der Internetseite in Bereiche für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Seit ihrem Beginn 2005 zeichnet sich die Kinder- und Familienuniversität der Universität Hildes-heim durch Veranstaltungen für unterschiedliche Altersstufen aus. Gemeinsames Lernen in der Familie soll dadurch gefördert werden.

Uni-Sprecherin Dr. Iris Klaßen begrüßt das wissenschaftliche Engagement der Kunstpäda-gogikstudierenden in diesem Bereich und hofft, dass das Projekt „Hildesheimer Kinder- und Familienuniversität“ auch zukünftig fortge-setzt wird.

In jedem Semester sollen Seminare und Workshops veranstaltet wer-den, um Kinder, Jugendliche und Erwachsene für die Universität und wissenschaftliche Themen zu begeistern, betont Dr. Klaßen und unterstreicht den Stel-lenwert für die Öffentlichkeitsarbeit der Uni.

Magdalena Loda

Kinder-UniDie Idee einer Kinderuniversität fand ihren Anfang 2002 an der Tübinger Universität, ge-nauer durch die Redakteure Ulla Steuernagel und Ulrich Janßen. Sie wollten aufgrund der erschreckenden Ergebnisse der Pisa –Studie einen neuen Weg finden Kinder für das Lernen zu begeistern. Diese Idee fand große Zustim-mung und somit folgten auch andere Univer-sitäten dem Beispiel Tübingens. Mittlerweile haben rund 70 Universitäten europaweit ein solches Konzept in ihren alltäglichen Lehr-

betrieb integriert und bieten Vorlesungen für Kinder an. „Kinder-Uni“ ist heute ein begehrtes Marketinginstrument. Die Hildesheimer Idee der Familienuniversität ist anders ausgerichtet. Sie findet weniger in Vorlesungen als vielmehr in Seminaren und Workshops statt. So ist es möglich, mit Kindern, Jugendlichen und Eltern direkt in Kontakt zu treten und Wissenschaft in gemeinsamer Arbeit, im gemeinsamen Expe-riment und im Dialog zu erklären.

Page 68: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

68

EU fördert konsekutive Ausbildung in Bildungsmanagement in RusslandHildesheimer Expertise führt zu erfolgreicher Drittmitteleinwerbung

Knapp eine halbe Million EUR Fördermittel für den Bereich Erziehungswissenschaft haben Hildesheim erreicht. Es ist ein Traum, der sich für die Professorin Dr. Dr. h.c. Olga Graumann verwirklicht hat, und gleichzeitig die bisher größte Förderzuwendung für die Universität Hil-desheim. Die Bestätigung ihres kontinuierlichen Engagements im Bereich des Bildungsmanage-ments mit dem Partnerland Russland (Univer-sität in Welikij Nowgorod) haben die Direktorin des Instituts für Erziehungswissenschaft Prof. Graumann und Dr. Anatoli Rakhkochkine zum Ende des Sommersemesters erhalten. Ihre Be-harrlichkeit bei der Beantragung von Fördermit-teln für die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit der russischen Partneruniversität hat sich in der Zuweisung und Bewilligung von Teilpro-jekten in der Vergangenheit immer mal wieder ausgezeichnet. Der Bewilligungsbescheid, der ihr jetzt von der Europäischen Kommission zugeschickt wurde, stellt jedoch alle bisherigen Zuwendungen in den Schatten. Ihr als Autorin und Antragstellerin des 82 Seiten umfassenden Förderantrags wurden für die Curriculument-wicklung für das konsekutive Studienangebot in Bildungsmanagement an der Universität Now-gorod 474 993 Euro bewilligt. Damit zählt das Projekt zu einem Kreis von 75 Vorhaben, die von insgesamt 550 eingegangenen Anträgen aus 25 europäischen Staaten ausgewählt wurden.

„Ein Jahr harte Arbeit wurde belohnt“, freut sich Graumann. Anerkennung kommt auch aus der Scientific Community, denn dort weiß man, wie schwer es derzeit geworden ist, für Projekte mit Russland Fördermittel zu akquirieren.

Als Konsortiumsmitglieder sind die Staatliche Universität in Welikij Nowgorod /Fakultät für Pädagogik und Psychologie, die Universität Dortmund /Hochschuldidaktisches Zentrum und die Donau-Universität Krems / Universität für Weiterbildung (Österreich) an dem Projekt beteiligt.

Warum aber ist Bildungsmanagement in Russ-land für die EU so förderungswürdig? „Unter den neuen ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen in Russland werden von Bildungs-managern besondere Kompetenzen in Bezug auf die Förderung und Entwicklung des Hu-mankapitals verlangt“, erklärt die Hildesheimer Erziehungswissenschaftlerin. Dazu zählt sie u.a. Kompetenzen zur strategischen Führung einer Bildungseinrichtung, Management von sozialen Partnerschaften zwischen Schulen und Betrie-ben, Profilbildung und internationale Koopera-tion im Hochschulsektor und Kompetenzen für die Entwicklung regionalpolitisch abgestimmter Bildungskonzepte inbesondere für benachteilig-te Bevölkerungsgruppen sowie für Konzeption und Organisation von Personalentwicklung in Betrieben und Institutionen, Weiterbildung und Umqualifizierung in Hochtechnologie- und Dienstleistungsunternehmen.

Die Universität Hildesheim hat in diesem Bereich ausgewiesene Expertise. Graumann kennt die russische Bildungslandschaft aus zahlreichen Forschungsvorhaben und Gastdozenturen.

Ein exzellentes Team: v. l. Prof. Dr. Michail Pewsner, Prof. Dr. Olga Graumann, Dr. Alexander Schirin und Dr. Anatoli Rakhkochkine

Page 69: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

69

EU fördert konsekutive Ausbildung in Bildungsmanagement in RusslandHildesheimer Expertise führt zu erfolgreicher Drittmitteleinwerbung

Sie und ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Erziehungswissenschaft Dr. Anatoli Rakhkochkine haben erst zum Wintersemester 2005/2006 einen an deutschen Universitäten bisher einmaligen Deutsch-Russischen Ba-chelor-Studiengang mit Doppelabschluss in Erziehungswissenschaft eingeführt, der mit 50000 Euro pro Jahr vom DAAD gefördert wird. Auf russischer Seite sind Prof. Dr. Michail Pewsner, bisher Dekan der dortigen Fakultät für Pädagogik und Psychologie und seit diesem Jahr Vizepräsident für Internationale Angele-genheiten, und Dr. Alexander Schirin, Direktor des Zentrum für Internationale Beziehungen im Bildungsbereich der Universität Nowgorod, langjährige Mitstreiter. So geht es weiter: Im Februar 2007 wird die Konstituierungssitzung der Konsortiumsmit-glieder in Welikij Nowgorod stattfinden sowie Workshops für Führungskräfte. Im März werden dann mehr als 20 Professor/innen und Dozent/innen der Staatlichen Universität Nowgorod in Hildesheim an einem Workshop zur Entwicklung international ausgerichteter Studiengänge teil-nehmen. In der Folgezeit werden sich einzelne Dozierende der Universität Nowgorod für jeweils einige Wochen an unserer Universität und an den

Universitäten Dortmund und Krems fortbilden. Neben der Ausarbeitung des Curriculums für den Master Bildungsmanagement werden ein Eignungsfeststellungsverfahren für den Master-studiengang und ein virtuelles Informations- und Kommunikationsportal neu entwickelt sowie international ausgerichtete Lehrbücher in Zu-sammenarbeit mit Vertretern der Universitäten Hildesheim, Nowgorod, Dortmund und Krems erarbeitet.

TEMPUS – ist der Name des Förderpro-gramms, das von der Europäischen Kommis-sion ausgeschrieben wird und in das sich das Vorhaben von Professorin Graumann einord-net. Ziel des Programms ist die Förderung der Entwicklung des Hochschulwesens in den Ländern Osteuropas, Zentralasiens und in den Mittelmeerpartnerländern durch die Zusammenarbeit mit den Universitäten aus den EU-Mitgliedsstaaten. Die Universitäten sollen motiviert werden, in der Entwicklung und Überarbeitung von Lehrplänen und bei der Reform der Hochschulstrukturen zu kooperieren und gemeinsam an innovativen Bildungskonzepten zu arbeiten.

Page 70: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

70

ERASMUS:Förderung der Studierendenmobilität und Inter-Kulturalität

Inter-Kulturalität lebt aus der Begegnung, über den eigenen Tellerrand hinausgucken, sich auf-machen, aus dem Lande wagen, offen sein für andere Kulturen, sich darauf ein-lassen, die Menschen, ihre Sprache, ihre Lebensweise, das Essen, die Musik, die Literatur, die Landschaft, das Klima und schätzen lernen…der anderen Kultur und der Eigenen…dann werden Brücken gebaut, wird Völkerverständigung möglich.Ein Motor im Zusammenwachsen Europas ist gewiss das ERASMUS-Bildungsprogramm, bekanntestes Förderprogramm der Europäi-schen Kommission, das 2007 sein 20-jähriges Jubiläum feiert. Herzstück des Programms ist die Förderung der Studierendenmobilität in-nerhalb Europas (ERASMUS= European Action Scheme For The Mobility of Students). Und das ist wahrlich gelungen, gerade auch an unserer Universität.Die Universität Hildesheim, deren internationaler Schwerpunkt der europäische Hochschulraum ist, war von Anfang an dabei und hat über all die Jahre in enger Kooperation von Dozenten und Akademischem Auslandsamt/Internatio-nal Office kontinuierlich die Kooperationen mit

europäischen Partneruniversitäten auf derzeit über 90 Partneruniversitäten in 24 europäische Länder ausgebaut. Die Anzahl der ERASMUS-Austauschplätze werden in Kooperationsverträgen vereinbart. Drei Bedingungen müssen erfüllt sein, um ei-nen ERASMUS-Studienaufenthalt durchführen zu können:

1. Studiengebührenbefreiung an der Gasthoch-schule

2. Studiendauer zwischen 3-10 Monaten

3. Anerkennung der im Ausland erbrachten Studienleistungen

Über 300 studiengebührenfreie Studienplätze stehen Hildesheimer Studierenden an Uni-versitäten in Helsinki, Oslo, Dublin, Lissabon, Madrid, Paris, Bologna, Athen, Sofia, Warschau, Poznan und Siauliai zu Verfügung. Damit sind nur einige Städte genannt. Die Nachfrage boomt und inzwischen wird größere Flexibilität von den Studierenden gefordert, da längst nicht alle In-teressierten nach Großbritannien oder Spanien vermittelt werden können.

Prof. Vincas Laurutis hält eine Begrüßungsrede und gratuliert dem Hildesheimer Studenten Roland Brenneke als 100. Erasmus-Studenten an der Universität Siauliai (Litauen).

Page 71: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

71

Den ersten Eindruck seines ERASMUS-Aufent-haltes in Litauen erhielt Roland Brennecke aus der Vogelperspektive. Als 100ster ERASMUS-Student wurde er an der Hildesheimer Part-neruniversität in Siauliai nicht nur besonders begrüßt, sondern zugleich zu einer Ballonfahrt eingeladen.

Roland Brennecke, Student im Studiengang Internationales Informationsmanagement, ist einer von zehn Hildesheimer Studierenden, die das Wintersemester 2006/07 an einer mittel- und osteuropäischen Partneruniversi-täten studiert. Insgesamt 2.400 Euro umfasst sein GO EAST-Stipendium des DAAD. Ziel der Förderung ist die Intensivierung des Studie-rendenaustauschs von West nach Ost, in die so genannten MOE-Länder. An der Universität Hildesheim ist das Programm gefragt. Jährlich nehmen etwa zehn Studierende teil. Für das kommende Jahr sind Bewerbungen bis zum 15. Januar 2007 im Akademischen Auslandsamt (AAA) abzugeben. Auslandsaufenthalte sind an den Partneruniversitäten in Siauliai und Vilnius (Litauen), Liepaja (Lettland), Warschau, Poznan (Polen), Ljubljana (Slowenien), Sofia (Bulgarien) und Brno (Tschechien) möglich. Das Stipendi-um umfasst Mittel für einen vierwöchigen Aus-landssprachkurs, eine Reisekostenpauschale und monatliche Stipendienpauschalen.

Bisher konnten über 2.100 Hildesheimer Stu-dierende einen ERASMUS-Studienaufenthalt unternehmen. Das Fördervolumen beträgt mehr als 1,2 Mio. Euro. Die Zahlen sprechen für sich. So ist die Universität Hildesheim seit etlichen Jahren bundesweit bei den Universitäten auf einem Spitzenplatz, was den prozentualen Anteil der ERASMUS-outgoing students betrifft (ca. 30 %). Die enge Kooperation mit vielen engagierten Fachbereichs- und Länderkoordinatoren, die für Fragen zu Studieninhalten und Anerkennung verantwortlich sind, machen diese Erfolgsstory aus.

Gerade Kooperationen mit mittel- und osteuro-päischen Ländern konnten in den letzten Jahren entsprechend des Entwicklungskonzepts zur In-ternationalisierung intensiviert werden. Erfreu-licherweise nutzen Hildesheimer Studierende zunehmend die Chance, an Partneruniversitäten in Polen, Tschechien, Lettland und Litauen zu studieren - so auch Roland Brennecke, der als 100. ERASMUS-Gaststudent in Siauliai beson-ders begrüßt wurde (siehe Kasten).

Elke Sasse-FleigeLeiterin des Akademischen Auslandsamtes/International Office

GO EAST-StipendiumHildesheimer ERASMUS-Student Roland Brennecke reist als 100ster ERASMUS-Student nach Siauliai und hebt ab

Page 72: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

72

Interkultur und KulturpolitikHeike Denscheilmann greift aktuelle Diskussionen auf und gibt einen Rückblick auf Veranstaltungen des Hildesheimer Instituts für Kulturpolitik

Wie viele Einwohner hat Deutschland? Welcher Bundeskanzler bekam den Friedensnobelpreis? Und was hat Johannes Gutenberg erfunden?Diese Fragen aus dem Entwurf des hessischen Einbürgerungstests führen mitten in die Dis-kussion um Globalisierung, Migration und In-terkulturalität.Stichworte wie der Dialog der Kulturen und interkulturelle Kompetenz gewinnen vor dem Hintergrund von Einwanderungsdebatten, dem Streit um die Mohammed-Karikaturen und dem offenen Brief der Berliner Rütli-Oberschule an die zuständige Schulaufsicht an Beachtung. Von der nötigen Sprachkompetenz über Auslandser-fahrung bis hin zur gesellschaftlichen Teilhabe der Menschen mit Migrationshintergrund und möglichen gesetzlichen Rahmenbedingungen des multikulturellen Miteinanders reicht der interkulturelle Anforderungskatalog an Politik und Gesellschaft.

Doch wo werden diese Kompetenzen erworben? Wo kann ein Forum entstehen, dass ein produk-tives Miteinander der Kulturen ermöglicht? Wie kann Integration gestaltet werden? Kulturelle Institutionen oder Projekte als Orte eines produktiven Austauschs, welche Teilhabe und Auseinandersetzung in vielfältigen For-men möglich machen, können und sollen hier Kommunikation und gegenseitiges Verständnis fördern. Der Kulturpolitik fällt dabei die Aufgabe zu, die Voraussetzungen und Rahmenbedin-gungen zu gestalten, unter denen dieser inter-kulturelle Austausch innerhalb und außerhalb Deutschlands erfolgen kann. Einrichtungen der kulturellen Bildung, soziokulturelle Zentren, deutsch-ausländische Kulturvereine, der Künst-leraustausch oder auch die Auswärtige Kultur-politik sind daher tragende Säulen in einer schon heute interkulturell geprägten Gesellschaft. Im Zuge von Globalisierung und Migration, aber auch durch Internet und weltumspannenden Tourismus werden zukünftig verstärkt inter-kulturelle Themen über Fachgrenzen hinweg diskutiert werden müssen.

Welche Formen interkultureller Kulturarbeit heute schon existieren und wie in Zukunft das kulturelle Miteinander gestaltet werden könn-te, untersuchte das Institut für Kulturpolitik im Sommersemester 2006 gleich in mehreren Veranstaltungen. Das Seminar Interkultur von Prof. Dr. Wolfgang Schneider hinterfragte ver-schiedene Theorien der Interkulturalität, wie beispielsweise die These Samuel Huntingtons vom Kampf der Kulturen, und verfolgte die in der Kulturpolitik geführten Debatten um eine Öffnung der kulturellen Institutionen wie Museen und Theater für Menschen mit Migrationshin-tergrund. Auch die Auseinandersetzungen um den oben zitierten Einbürgerungstest wurden im praktischen Selbstversuch in das Seminar-geschehen integriert. Und die Ergebnisse der Studenten lösten heftige Diskussionen über den Sinn solcher Wissenstests aus.Neben der kulturpolitischen Betrachtung fand auch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Interkultur die Beachtung des Seminars: der Film Gegen die Wand von Fatih Akin und das Theaterstück Stufe 5 des

Heike Denscheilmann ist wissenschaftliche Mitar-beiterin am Institut für Kulturpolitik und betreut als Programmbeauftragte den Deutsch-Französischen Studiengang im Bereich Kulturwissenschaften.

Page 73: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

73

türkisch-deutschen Theaters Hildesheim wur-den als Beispiele künstlerischer Annäherung untersucht. Und auch der umstrittene Film Tal der Wölfe fand Eingang in die kritischen Semi-nardiskussionen.

Interkulturelle Verständigung im binationalen Kontext wurde im Kolloquium Kulturpolitik und Kulturvermittlung in Deutschland und Frankreich thematisiert. Durch die Auseinan-dersetzung mit den sehr unterschiedlichen kulturpolitischen Systemen Deutschlands und Frankreichs sowie ihren Ansätzen der Kultur-vermittlung wurde deutlich, wie wichtig ein tief greifendes Verständnis der anderen Kultur in der gemeinsamen Diskussion über Kunst, für Projektkonzeptionen, aber auch im täglichen Miteinander ist. Dabei brachten die französi-schen und deutschen Seminarteilnehmer viel interkulturelles Wissen und den Willen zur Auseinandersetzung mit. Eigenschaften, die sie oftmals in Auslandssemestern erworben hatten oder demnächst vertiefen werden. Auf dieser Grundlage wurden dann zweisprachig die ‚ty-pisch deutsche‘ Länderhoheit, die französische „exception culturelle“ oder auch allgemeine deutsch-französische Kommunikationspro-bleme diskutiert. Alls Ergebnis nahmen alle sicherlich neue Einblicke in die Kultur des Nach-barlandes mit, vor allem jedoch die Erkenntnis, dass ein Blick hinter Klischees und sprachliche Barrieren manches Gemeinsame hervorbringt und doch auch ganz neue Perspektiven eröffnen kann.

KulturaustauschDie Studierenden im Fachbereich Kulturwis-senschaften und Ästhetische Kommunikation beschäftigen sich nicht nur theoretisch mit dem Thema Interkultur, sondern werden auch selbst im Kulturaustausch aktiv. Allein nach Südfrankreich gingen im Studienjahr 2005/06 zwölf Studierende, um dort Kulturvermittlung, Musik oder Theater zu studieren, und auch im Studienjahr 2006/07 sind die Erasmusplätze begehrt. Für das deutsch-französische Dop-peldiplom wurden bereits im Januar fünf neue Teilnehmer ausgewählt und im Juli erhielten fünf Teilnehmerinnen des integrierten Stu-diengangs die französischen Zeugnisse der Licence professionnelle „conception et mise en oeuvre de projets culturels“.

Auf diese Grundlagen griffen Hanna Hahn und Elina Dermühl zurück, die ihr Studium der Kulturvermittlung in Marseille in das Projekt Kulturvermittlung im Krankenhaus einbrachten (siehe auch Beitrag in diesem Heft). Anhand ei-ner Kunstvermittlungsaktion mit Patienten der psychiatrischen Abteilung des Landeskranken-hauses Hildesheim verbanden sie die französi-sche Kulturvermittlung Médiation Culturelle mit künstlerisch-praktischen Arbeitsansätzen aus den kulturwissenschaftlichen Studiengängen in Hildesheim.

Auf die Suche nach politischen und gesellschaftlichen Utopien begab sich das Festival „Völker hört die Signale „vom 15. bis 25. November 2006 in Jena. Das Theater ist einer der wenigen Orte, wo Visionen und Träume auspro-biert und verwirklicht werden können. Die Künstler beim Festival Völker hört die Signale wagten einen kreativen Blick in die Zukunft und formulierten ihre Visionen.

Hildesheimer Kulturwissenschafts-Studierende vom Redaktionsteam www.theaterpolitik.de begleitete diesen Weg und versuchte aufzuspüren, was sich in den Köpfen bewegt, wenn man an Utopien denkt. Dafür wurde eigens ein Blog unter www.utopien-festival.de eingerichtet. Auf ihm kann gelesen, geschrieben, geträumt und gestritten werden.

Page 74: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

74

Academy meets Photokina Fachgebiet Fotografie auf der Photokina in Köln. Ein Rückblick und Verlaufsbericht von Prof. Klaus Dierßen

Vom 26. September bis 1. Oktober 2006 fand in Köln die alle zwei Jahre veranstaltete Photokina statt, die als Weltmesse der Fotografie von 162 000 Gästen aus 153 Nationen besucht wurde. Es war die größte Photokina aller Zeiten seit der ersten Fotomesse im Jahr 1950. In diesem Jahr stand sie unter dem Motto Imaging is more. Erstmals seit Jahrzehnten wurde wieder ein besonderes Augenmerk auf die Kunst und Kultur des fotografischen Bildes gerichtet. Als herausragende Besonderheit fungierte hierbei die Visual Gallery der Halle 1 mit den Schwer-punkten Meet the Professionals und Academy meets Photokina, das Kreativzentrum von Profis für Profis als die bedeutendste internationale Kommunikationsplattform der Photokina. Zwei Tage vor Beginn der Messe wurde die Visual Gallery zusammen mit dem Bereich Academy meets Photokina feierlich in Anwesenheit von mehreren Tausend geladenen Gästen der Politik, des öffentlichen Lebens, der Fachwelt und der Presse eröffnet.

Die Themenbereiche der Halle 1 im Einzelnen:1. Die großzügig gestaltete, von Gérard Goodrow

kuratierte Visual Gallery mit ihren herausragen-den Ausstellungsschwerpunkten, wie

Die Schau Photokina 1950-56 – Die frühen Jahre. Dokumente von Charles E. Fraser und L. Fritz Gruber. Es handelte sich hierbei um eine Ausstellung mit historischen Fot-odokumenten von Fraser und Gruber über die frühen Bilderschauen der Photokina, deren Ziel es war, neben den technischen auch die kulturellen und gesellschaftlichen Leistungen des Mediums herauszustellen. Hier knüpft das Konzept der neuen Visual Gallery mit dieser Ausstellung der Deutschen Gesellschaft für Photographie, die von dem Vorstandsmitglied, dem Kunsthistoriker Dr. Christoph Schaden, kuratiert worden ist, neu an. Dr. Schaden wurde assistiert von der Praktikantin Charlotte Everding, Studentin der Kulturwissenschaften an der Universität Hildesheim. (Über den jüngst verstorbenen Gründer der Photokina-Bilderschauen und der DGPh, L. Fritz Gruber wurde im UNI-Magazin anlässlich dessen Jubiläumsaus-stellung zum 95. Geburtstag im Museum

Abb. oben:Messestand von Academy meets Photokina der Sektion Bildung und Weiterbil-dung der DGPh mit GEO.de im Bereich Meet The Professionals (Panoramafoto-grafie: M. Hötzel)

Page 75: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

75

Ludwig in Köln berichtet, die von unserem Absolventen, dem Kulturwissenschaftler Jan Ketz, kuratiert wurde, der heute als wissen-schaftlicher Mitarbeiter an der Universität Siegen tätig ist.)

Die Ausstellung Assorted Cocktail mit Arbeiten des weltberühmten Fotografen Martin Parr. Sie wurde von der bedeutenden Fotoagentur MAGNUM in Paris eingerichtet und von der Leiterin der Kulturabteilung Andrea Holzherr kuratiert. Bei Magnum waren bereits eine Reihe von Praktikantinnen des Studiengangs Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis tätig. Martin Parr erhielt auf der Photokina im Rahmen eines Festakts den Dr.-Erich-Salo-mon-Preis der DGPh verliehen. Die Laudatio hielt der Oberkurator am Haus der Kunst in München Thomas Weski.

Bryan Adams - Mickey Rourke lautete das Thema einer Ausstellung, in der Popsänger Bryan Adams als ein engagierter Fotograf mit seinen Bildern vom Hollywoodstar Mickey Rourke vorgestellt wurde.

Der Fotograf Lorenzo Castore zeigte seine Fotografien zu Paradiso, die sich mit den Me-tropolen Havanna und Mexico City fern aller Klischees befassten. 2005 erhielt Castore für diese Fotografien den Leica European Publishers Award.

Lebenhelfen – Photographien für Cap Anamur hieß eine beeindruckende Ausstellung des

Fotografen Jürgen Escher zum 20-jährigen Bestehen jener Hilfsorganisation.

Patric Fouad zeigte Frauenzimmer – Bordelle in Deutschland.

Stille Berge lautete der Titel von nächtens fotografierten Gebirgszügen des Fotografen Michael Schnabel.

Über dem zentralen Mittelgang der Halle 1 waren großformatige Banner mit historischen Bildikonen des Bundes freier Fotografen (BFF) gezeigt.

Der BFF präsentierte preisgekrönte Arbeiten seines Förderpreises zusammen mit jenen des Reinhard-Wolf-Preises 2006.

Weiterhin gab es Fotografien mehrerer Preis-träger des Fujifilm Euro Press Professional Photo Awards 2006 zu sehen.

Schließlich wurden die Arbeiten der Gewinner des Kodak Nachwuchs Förderpreises 2004-2006 ausgestellt. Der Preis wird zukünftig von Kodak nicht mehr ausgelobt.

2. Die Präsentationsplattform Meet the Profes-sionals, innerhalb derer sich Verbände, Orga-nisationen wie etwa die DGPh, der BFF oder Fachzeitschriften zum Thema Fotografie mit eigenen Ständen vorstellen konnten.

3. Als sehr umfangreich und wichtig ist Academy meets Photokina vorzustellen, das ein Forum dar-stellte, auf dem sich Hochschulen, die im Bereich

Präsentation von Diplomarbeiten aus dem Fach-gebiet Fotografie der Kulturwis-senschaften(Panoramafoto: M. Hötzel)

Page 76: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

76

Fotografie ausbilden, vorstellen können. In die-sem Jahr wurde diese Ausstellungsplattform von der Koelnmesse AG in Kooperation mit dem Vor-stand der Sektion Bildung und Weiterbildung der DGPh geplant und koordiniert. Gemeinsam mit dem Vorstandskollegen, dem Kulturpädagogen Ditmar Schädel (Universität Duisburg), betreute ich in meiner Funktion als Sektionsvorsitzender den umfangreichen Ausstellungsschwerpunkt. Von über 50 Akademien, Universitäten und Fach-hochschulen, die deutschlandweit in Fotografie ausbilden und zur Beteiligung eingeladen waren, haben 23 ausgewählte künstlerische Diplomar-beiten vorgestellt, wobei die Stiftung Universität Hildesheim erstmalig und repräsentativ mit vertreten war. Jeder Hochschule wurden etwa zwanzig Meter an Ausstellungsfläche durch die Koelnmesse kostenfrei zur Verfügung gestellt. Für die Gestaltung und Messepräsenz waren die Hochschulen verantwortlich. Gezeigt wur-den seitens der Universität Hildesheim unter dem Obertitel Imaging Cultures künstlerische Fotografien und Buchunikate folgender vier Diplomarbeiten aus dem Fachgebiet Fotografie der Kulturwissenschaften:

Viola Ebers: Der Himmel und die Brücke. Obdachlose in Neu Delhi. Konzept, Realisie-rung und Reflexion eines dokumentarischen Fotografieprojekts. (Abb. unten o. l.)

Stephan Kayser: Logbuch der Grenze zwischen

Polen und der Ukraine. Eine selbstverfasste Foto-Text-Arbeit und die Untersuchung künstlerischer Strategien bei der Repräsen-tation territorialer Grenzen aus kunst- und politikwissenschaftlicher Sicht. (Abb. unten o. r.)

Barbara Lutz: „fremd und eigen“. Fotografien vom Alltag portugiesischer Vereine in Hamburg. Ein künstlerisches Projekt und seine Refle-xion. (Abb. unten u. r.)

Julia Mayer: Deutsch-türkische Frauen der zweiten Generation in Fotografien und Selbst-aussagen. Ein Fotobuchprojekt und seine Reflexion. (Abb. unten u. l.)

Der Ausstellungsbeitrag ist seitens des Pu-blikums hervorragend besucht worden, was auch zahlreiche Nachfragen und Gespräche belegen.Die Begleitung von Academy meets Photokina er-folgte darüber hinaus im Rahmen eines großen eigenen Messestands, der durch zwei Studieren-de der Kulturwissenschaften aus Hildesheim, die ein Praktikum bei der DGPh absolvierten, sowie Ditmar Schädel und mich besetzt war.

Wir hatten die Aufgabe, über Ausbildungsmög-lichkeiten im Bereich Fotografie zu beraten. Auf einem PC-Terminal waren die Homepages der

Informations- und Werbeflyer (Aus-schnitt)

Page 77: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

77

beteiligten Hochschulen aufrufbar. Die Image-broschüre der Hildesheimer Kulturwissenschaf-ten und die Studieninformationen waren stark nachgefragt und, schnell vergriffen.

Den Messestand führte die Sektion Bildung und Weiterbildung der DGPh zusammen mit der Zeitschrift GEO.de des Verlags Gruner und Jahr Hamburg. GEO.de hat auf ihrer Homepage eine neue Rubrik Junge Fotografie eingerichtet, auf der sich Hochschulen mit Absolventen und ihren Fotografien präsentieren können. Anlässlich der Photokina sollte die Homepage freigeschaltet werden, wofür GEO.de einen Trailer produzierte, der am Stand und auf einem Bühnenpodium vorgeführt wurde.Diese Bühne stand dem Gesamtbereich Meet the Professionals zur Verfügung, wobei Academy meets Photokina und GEO.de diese für zwei Stun-den am Tag bespielen konnten. Hierfür wurde durch den Sektionsvorstand Bildung und Weiter-bildung der DGPh ein eigenes Vortragsprogramm unter Beteiligung der vertretenen Hochschulen entwickelt. Insgesamt haben elf Vorträge zu Aus-

bildungskonzepten und Studienprojekten betei-ligter Hochschulen stattgefunden, darunter auch die Vorstellung des Fachgebiets Fotografie im Studiengang Kulturwissenschaften und ästhe-tische Praxis der Universität Hildesheim durch mich. Außerdem wurde eine Podiumsdiskussion zu dem Thema Studium Fotografie mit neuen Bachelor- und Masterstrukturen - Gewinn und Verlust unter der Leitung von Frau Gripp und mir veranstaltet, an der Kollegen der Hochschulen Bielefeld, Hannover, Nürnberg sowie Ruth Eich-horn, geschäftsführende Redakteurin bei GEO im Verlagshaus Gruner und Jahr in Hamburg, und ein Student mit Diplom- und Master-Erfahrung teilnahmen. Die Diskussion fand sehr großen Zuspruch, ist sehr interessiert verfolgt und zum Anlass dafür genommen worden, das Gespräch über die Entwicklung in den Medien und weite-ren Veranstaltungen sowie Zusammenkünften fortzuführen.

Zusammenfassend lässt sich bilanzieren, dass die Präsenz der Universität Hildesheim mit dem Fotografieschwerpunkt auf der Photokina sehr gut wahrgenommen wurde und die Besonderheit des Studienangebots der Kulturwissenschaften großes Interesse fand. Dieses wurde auch da-durch verstärkt, dass die Gesamtbetreuung von Academy meets Photokina bei den Kulturvermitt-lern aus dem Studiengang Kulturwissenschaf-ten und ästhetische Praxis lag, worin sich das Studienkonzept nachvollziehbar wiederspiegelte. Selbstverständlich ergaben sich zahlreiche Kon-takte, Kooperations- und Austauschangebote. Alle beteiligten Partner waren sich zusammen mit der Koelnmesse AG darin einig, dass das neue Gesamtkonzept besonders erfolgreich war und seine intensive Fortsetzung bei der Photo-kina 2008 finden soll.

Podiumsdiskus-sion zum B.A.-M.A.-Studium Fotografie mit

(v.l.n.r.) Prof. Nobel (FH Hanno-

ver), Herrn Denz (Dipl. Designer

u. M.A.-Student), Frau Ruth

Eichhorn (Chef-redakteurin GEO.de), Prof. Dierßen (Uni Hildesheim), Frau Anna Gripp

(Redakteurin Photonews), Prof. Lindemanns (FH

Nürnberg) und Prof. Beziak (FH

Bielefeld)

Hallenplan

Page 78: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

78

„Es ist uns ein Anliegen, am Ball der Forschung zu bleiben“Ein Rückblick auf ein gelungenes Kooperationsprojekt mit dem Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum / Dr. Katja Lembke und Prof. Christine Biehler im Interview

Dr. Katja Lembke ist seit 2005 die leitende Direk-torin und Geschäftsführerin der Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim GmbH. Und sie engagiert sich als Förderin der Stifungsuniver-sität im Vorstand der Universitätsgesellschaft. Die promovierte Ägyptologin schätzt die univer-sitäre Forschung und geht gerne neue Wege. So wundert es nicht, dass sie in der Universität schnell Kontakte geknüpft hat, um interessante Projekte in den Museumsalltag zu integrieren. Gemeinsam mit Prof. Christine Biehler, Fach-gebiet Raum im Institut für Bildende Kunst und Kunstwissenschaft, wurde beispielsweise die international beachtete Ausstellung „Kult um den Ball. Auf den Spuren des Fußballs“ (13. Mai bis 15. September 2006) realisiert.

Die Ausstellung knüpft im Jahr der Fußballwelt-meisterschaft einen Faden von den Anfängen des Ballspiels und seinen verschiedenen ge-sellschaftlichen Funktionen in alten Kulturen bis in die Neuzeit. Wo und wann wurde das Ballspiel erfunden? Welche Spielformen gab es, und aus welchem Material wurden die Bälle hergestellt? Was waren die Anfänge des moder-nen Fußballs? Mit den ausgewählten Exponaten und Texten ermöglichte die Ausstellung bemer-kenswerte Ansichten und detaillierte Einblicke in das Ballspiel der verschiedenen Kulturen zu unterschiedlichsten Zeiten. Die Besucher konnten sich u. a. mit zeremoniellen Formen des Kreisfußballs in Japan, China und Indonesien oder bei den Mayas mit Spielen um Leben und

Foto: Jürgen Fritz

Page 79: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

79

Tod auseinandersetzen. Man hat aber auch das „Wunder von Bern“ und den deutschen Fußball-Pionier Konrad Koch vorgefunden. Im Gespräch mit Angelika Fuchs, Fachleiterin für Deutsch am Studienseminar für Gymnasien in Frankfurt am Main, zogen beide Frauen nochmals ihre Bilanz dieser besonderen Veranstaltung.

A. Fuchs:Fußball ist im Zusammenhang mit der Fußball-weltmeisterschaft in der Öffentlichkeit in unter-schiedlichsten Ausprägungen nahezu inflationär medial präsent. Was hat Sie gereizt, den „Kult um den Ball“ im renommierten Roemer- und Pelizae-us-Museum zum Thema einer Sonderausstellung zu machen? Dr. Lembke:Unser Haus ist ja ein Haus der vielen Kulturen. Wir haben eine große Naturkundesammlung und sind natürlich sehr bekannt durch unser Aushängeschild, die Ägyptensammlung. Daraus entwickelte sich im Laufe der Zeit ein Bild, das man so beschreiben könnte: Das Roemer- und Pelizaeus-Museum ist ein Welt-Museum hier in Hildesheim, und dieses Weltmuseum möchte ich auch in den Sonderausstellungen in gewisser Weise reflektieren. Einmal mit Ausstellungen, die unmittelbar unsere eigenen Objekte ein-beziehen, zum anderen aber auch das Thema: „Welt – Museum, Welt – Kultur“ erlebbar ma-chen. Mir ist es sehr wichtig, dass Kinder hier in dieses Haus kommen, junge Leute, die man nicht unbedingt mit einer „klassischen Ausstellung“ anspricht, sondern denen man auch neue Felder öffnen muss. Da ist das Thema Fußball eines, was durchaus interessant ist.

A. Fuchs: Wie haben Sie Konrad Koch und die Mayas mitein-ander in Beziehung gebracht? Dr. Lembke: Es ging uns nicht darum, den Fußball in seinen strengen Regeln, so wie wir ihn heute haben, mit seinen Wurzeln zu verfolgen, sondern auf die Spurensuche zu gehen: Was bedeutet das Ballspiel eigentlich? Da spielt z. B. die Frage des Gemeinschaftsgefühls immer eine ganz wichtige Rolle. Es ist ein Mannschaftsspiel, es ist kein Spiel von einer Person. Wir versuchen – auch in der Zusammenarbeit mit Professorin Biehler – aufzuzeigen, welche Bedeutung dieser Fußball in den verschiedenen Zeiten und Kulturkreisen hatte. Diese Kreise sind teilweise einzeln gesetzt,

teilweise überschneiden sie sich. Es gibt ganz unmittelbar ineinander fließende Entwicklungen, und es gibt auch Entwicklungen, die eigentlich nicht weitergehen. Der Fußball, der wohl, wie man der Legende nach sagt, in China erfunden wurde, hat wenig mit dem Fußball zu tun, den wir heute pflegen, genauso wie die Pyramiden in Mexiko nichts mit den Pyramiden in Ägypten zu tun haben. Trotzdem ist es sehr spannend, beide Modelle miteinander zu vergleichen. Es soll das Spektrum dieses Ballspiels gezeigt werden, das nicht immer streng mit dem Fuß ausgeführt, sondern auch mit der Hüfte oder mit anderen Teilen des Beines gespielt wurde. Mit dieser Vielfalt von Möglichkeiten ist auch eine Vielfalt von Anknüpfungspunkten verbunden. Wir haben eine Anknüpfung in der Religion, wir haben eine Anknüpfung in der Philosophie, wir haben eine Anknüpfung in der schöngeistigen Literatur und auch in der Musik, wenn der Erfinder der Oper, Giovanni de Bardi, die ersten Fußballregeln in Italien entwickelte.

A. Fuchs: Was war Ihre Idee, was ist der rote Faden der Ausstellung?Dr. Lembke:Wir haben die Beschriftungen in der Ausstellung absichtlich recht zurückhaltend gehandhabt. Das war auch Teil des Konzepts von Professorin Biehler. Wir haben stattdessen den Besuchern die Möglichkeit gegeben, einen Audio-Guide zu nehmen. Der Audio-Guide ist ausführlicher als die Beschriftungen in der Ausstellung, er gibt zusätzliche Informationen und soll versuchen, eine gewisse Atmosphäre zu schaffen. Wir haben

Dr. Katja Lembke und Prof. Christine Biehler beim Studium des Ausstellungsmodells.

Page 80: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

80

hier mit Radio Tonkuhle zusammen gearbeitet, die sehr schöne hörspielartige Sequenzen, Originalmusik aus den verschiedenen Kulturen jeweils als Einstimmung sowie Geräusche, die beim Fußball vorkommen, z.B. das Treten auf dem Gras, aufgenommen haben.

A. Fuchs: Sie haben schon erwähnt, dass Professorin Biehler von der Universität Hildesheim das Raumkonzept für „Kult um den Ball“ für Sie entwickelt und realisiert hat. Gab es hier Vorbilder? Haben Sie mit dieser Zusammenarbeit Neuland betreten oder war es vor allem eine Kostenfrage in Zeiten ziemlich leerer öffentlicher Kassen?Dr. Lembke: Nein, also das Letztere kann ich ganz klar ab-lehnen. Ich habe später erfahren, dass schon einmal Künstler in Museen gearbeitet haben.

In der Regel sind es aber Innenarchitekten. Das, was mich reizte, ist, dass ein Künstler ganz an-ders an eine solche Ausstellung herangeht als ein pragmatisch denkender Innenarchitekt, der in erster Linie daran denkt, wie kann ich jetzt diese Vitrine in den Raum stellen, oder gibt es da vielleicht noch einen schöneren Vitrinentypus. So etwas hat bei Professorin Biehler natürlich auch eine Rolle gespielt. Aber prinzipiell ging es um Raumerfahrung. Gerade sie als Professorin für die Gestaltung des Raumes hat dafür auch ein besonderes Gefühl entwickelt. Das ist in unseren Räumen extrem schwierig. Wir haben einfach große leere Hallen. Wir haben darüber hinaus zwei Eingänge und müssen uns also bei jeder Sonderausstellung überlegen, wie verbinden wir das? Ich fand, dass die Idee, verschiedene Kulturkreise miteinander zu verknüpfen oder auch einfach nur nebeneinander zu stellen, die

Foto: Jürgen Fritz

Page 81: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

81

von Christine Biehler eingebracht wurde, sehr viel Freiheit gibt und den Raum nicht verstellt.

A. Fuchs: Frau Biehler, auf der einen Seite sind die Expo-nate von zeitlosem Wert, die Museumsstücke, die Distanz des Betrachters, die Stille des musealen Raumes. Auf der anderen Seite „Fußballfieber“, Aktion und Bewegung? Wie geht die Ausstellung mit diesem Spannungsverhältnis um?Prof. Biehler: Es war tatsächlich eine große Herausforderung an jeden Rezipienten in der Ausstellung, denn er wurde mit Phänomenen konfrontiert, die zwar alle an den Ball gekoppelt sind, sich aber über mehrere tausend Jahre erstrecken. Dabei begegneten sich sehr viele Kulturen, sehr viel Fremdes und Disparates.Ich habe versucht den Besucher da abzuholen, wo er selber eigene Erfahrungen hat: beim Fußballspielen, in der Körpererfahrung, in den Bewegungsmustern. Heute gehen wir davon aus, dass ein Ballspiel auf einem freien Feld passiert, dass mehrere Menschen daran beteiligt sind und dass wir eine Bewegung und einen Rhythmus haben. Wie kann ich nun diese Elemente körper-lich erfahrbar machen, in einem geschlossenen Raum, der eher wie eine hohe Gruft gebaut ist? Es geht nicht nur über das Reflektieren und sich Einarbeiten in die verschiedenen Arten des Ball-spiels, sondern auch über sinnliche Angebote, anhand derer ich mich erinnere und vielleicht beim Durchwandern auf verschiedenen Ebenen ein Dialog zwischen den Exponaten und eigenen Erlebnissen in Gang gesetzt wird.

A. Fuchs: Kann ein Museum überhaupt die mit Fußball ver-bundenen Vorstellungen von Kult, Rausch, Eksta-se, Leidenschaft und Spannung transportieren?Prof. Biehler: Ich habe meine Aufgabe eher darin gesehen, die Exponate nicht zu überschreien mit der Ausstel-lungsgestaltung, sondern die Objekte sollten noch wichtig bleiben. Die Form der Gestaltung hat sich also nicht an dem Phänomen Rausch, Ekstase aufgehängt, was zum Teil ja auch gar nicht so war – denken Sie an Ägypten. Die Ob-jekte sollten gefeiert werden, die einzelnen Bälle sollten ins Licht gerückt werden im wahrsten Sinne des Wortes. Und deshalb ist eben auch Licht ein ganz wichtiges Element innerhalb der Ausstellung.

A. Fuchs: Und wie wird konkret mit dem Licht umgegan-gen?Prof. Biehler: Einmal gab es ein Schattenspiel - Schatten verweisen auf etwas, das vergangen ist. Es ging hier um Spiele, an die wir uns erinnern müssen, die wir uns nur in ‚Vorstellungen’ im doppelten Sinne verlebendigen können. Zum anderen gab es das Spiel mit dem Licht auch in der Vitrinengestaltung, wo sich durch die gläsernen Böden die Objekte noch einmal auf dem Fußboden als Schatten abbildeten.Durchgehend habe ich eine Form von Transpa-renz gesucht; die Ausstellung luftig zu halten, war von vornherein ein Ziel. Keine verstellenden Zwischenwände, freier Blick, freies Feld – wie zum Durchjoggen gemacht. Der Betrachter kann sich als „Spieler“ zwischen den Vitrinen bewegen und tänzeln. Das ist natürlich ein ganz anderer Ansatz als zu sagen, ich baue verschieden aus-gestattete Erlebnisräume wie im Ferienpark.

A. Fuchs: Setzt das nicht schon sehr sensibilisierte Besucher voraus?Prof. Biehler: Ich glaube, dass die Ausstellung auch für Be-sucher funktioniert hat, die nicht alle Elemente in der Form lesen konnten. Es gibt auf vielen Ebenen subtile Verbindungen, die man lesen konnte, aber nicht herstellen musste.Dr. Lembke: Es gibt auf der einen Seite die Plakate, die sich absolut selbst erklären, und es gibt eben andere Dinge, ob es die Installation als Ganzes ist oder ob das einzelne Objekte sind, wie etwa die Videoinstallation - da wird der Mensch her-ausgefordert, und viele wollen sich ja gar nicht herausfordern lassen. Für uns ist es selbstver-ständlich, dass wir die zeitgenössische Kunst mit einbeziehen. Ich beobachte, dass die Leute in der Regel stärker geführt werden möchten. Die Freiheit, die wir ihnen gelassen haben, irritierte die Besucher teilweise.

A. Fuchs: Frau Biehler, was hat Sie als Professorin gereizt, mit dem Roemer- und Pelizaeus-Museum zusam-menzuarbeiten?Prof. Biehler: Zweierlei hat mich an der Kooperation gereizt. Ich denke, ich bin nicht nur als Künstlerin an-

Page 82: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

82

gesprochen worden, sondern ich fühlte mich durchaus auch angesprochen als Professorin der Universität. Es gibt für mich eine Ebene, die einfach besagt: Die Kulturinstitutionen in einer Stadt von dieser Größenordnung müssen Hand in Hand arbeiten. Wir bringen alle unsere Fachkompetenzen mit, wir brauchen uns aber auch alle, und man hat gewissermaßen eine Ver-antwortung, sich zusammenzutun und einfach bausteinartig mit diesen Kompetenzen in Hildes-heim etwas zu bewirken. Auf jeden Fall habe ich in der Anfrage an mich ein ganz positives Signal gesehen, auf das ich auch positiv antworten woll-te. Es ist nun wichtig und sinnvoll, das Netzwerk der „Kulturarbeiter“ zu stabilisieren.

Das ist eine Ebene. Auf der anderen Seite waren mir die Räume bekannt, und ich ahnte, dass sie recht schwer zu bespielen sein würden. Die Gestaltungsherausforderung hat mich dann ein Stück weit als Künstlerin gereizt, und der Arbeitsbereich hat sich dann sukzessive ausge-weitet - von der Konzeptentwicklung über den Modellbau, über Materialrecherchen und Möbel-entwürfe bis hin zum Einrichten der Räume.

A. Fuchs: Dr. Lembke, Professorin Biehler, hat sich die Mühe gelohnt, sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?Dr. Lembke: Das ist eine sehr pauschale Frage. Wir haben uns mehr auf die alten Kulturen konzentriert und beschränkt, das Andere kam mehr so nach – und das merkt man auch. Ansonsten bin ich wirklich durchaus zufrieden.Prof. Biehler: Ich möchte mich Dr. Lembke anschließen, dass tatsächlich ein Bruch besteht zwischen dem populären Kult um den Fußball und dem ganz anderen Kult in den oberen Räumen. Das ist inhaltlich eine große Schere, und ich glaube, das ist das Problem. Formal etwas zusammenführen zu wollen, was inhaltlich sehr weit auseinander geht.

A. Fuchs: Prof. Biehler, sind Sie mit dem Ergebnis Ihrer Arbeit zufrieden?Prof. Biehler: Was ist eigentlich die Arbeit gewesen? Es gibt ja verschiedene Arbeitsebenen. Auf der einen Seite gibt es die fast siebenmonatige Zusam-menarbeit. Es gab Bereiche, da mussten wir erst

Sprachregelungen finden. Ich kannte z.B. die Interna des Hauses und die Aufgabenbereiche der Mitarbeiter nicht. Dieser Teil der Kooperation musste sich zuerst einmal formulieren. Nun wissen wir, wie man miteinander reden, wo man etwas klarer ausdrücken muss oder wo man einfach auf einem sehr ähnlichen Level ist. Da sind alle Fehler nur gut. Sie sind gemacht, und man wird sie nicht mehr machen, wenn ähnli-che Situationen auftauchen. Ich denke, dieses Ergebnis war positiv im Hinblick auf mögliche neue Projekte und Begegnungen.

Das zweite ist, dass eine Entscheidung für eine Ausstellungsgestaltung eine Entscheidung ge-gen tausend andere Variationen ist. Sie ist eine Setzung, ein Angebot. Es ist eine Variation gewe-sen diese Sache anzugehen in einer bestimmten Zeit unter ganz bestimmten Bedingungen. Es ist nicht so, dass mir nur das eingefallen wäre. Auch ich bin sehr selbstkritisch. Wenn man das jetzt noch einmal machen könnte, würde das ganz anders aussehen. Aber das ist bei jeder künstlerischen Arbeit so.

A. Fuchs: Welche Form von Kooperation mit privaten und/ oder öffentlichen Partnern könnten Sie sich nach diesem erfolgreichen Projekt künftig vorstellen? Gibt es auch andere vorstellbare Partner für Projekte? Prof. Biehler: Bei Projekten, die ich in den vergangenen zwei Jahren initiiert habe, haben wir stets, sei es mit dem Kunstverein, sei es mit anderen Hoch-schulen oder Künstlern zusammengearbeitet, jeweils projektbezogen unterschiedlich inhaltlich definiert. Man kann nicht alles aus den eigenen Reihen leisten, warum auch? Für das kommende Jahr ist ein Vorhaben in der Planung, das sich mit der Entwicklung der ländlichen Region beschäftigt, und da ist es nur folgerichtig, dass der Landkreis und das Netzwerk Börde unsere Partner sind.

A. Fuchs:Wie verbindet sich dieses Engagement mit den Aufgaben der Lehre und Ihrer Arbeit mit den Studierenden?Prof. Biehler: Gerade unsere Kulturwissenschaftler haben ein sehr waches Auge auf die Kulturinstitutionen hier in der Stadt. Sie bekommen mit, wer da offen

Page 83: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

83

ist, wo sie selber Möglichkeiten haben, Dinge zu realisieren, wer mit wem gut kann. Das zeigt sich auch an der sehr guten Zusammenarbeit mit dem Stadttheater. Mein Wunsch ist es, dass auch im Bereich der Bildenden Kunst mehr und mehr kooperative Strukturen aufgebaut werden. Die Studierenden sind findig genug, selber zu schauen, wie sie dann für ihre eigenen künst-lerischen und wissenschaftlichen Vorhaben möglicherweise Leute ansprechen.

Die Qualität des Studiums würde durch weitere Kooperationen noch verbessert und das ist üb-rigens ja auch im Sinne der Praxisorientierung Teil des Studiums. Für die Realisierung der An-sprüche der Studienordnung müssen angehende Kulturvermittler ja Spielfelder haben. Dr. Lembke: Wir, die wir uns jenseits der Hochschul-For-schung befinden - obwohl wir uns wohlgemerkt auch als Forschungsinstitut verstehen -, wollen

durch die Einbindung von Professoren und von Lehrenden verschiedener Fachdisziplinen eben-falls die Praxis mit der Theorie verbinden. Es ist uns ein Anliegen, am Ball der Forschung zu bleiben. Und das einerseits eben mit Hilfe der Universität Hildesheim, etwa mit den Kultur-wissenschaftlern oder den Biologen als Part-nern, aber auch über Hildesheim hinaus, wenn es um fachspezifische Fragen angeht, die hier an der Universität einfach nicht vertreten sind. Das betrifft übrigens nicht nur die Universität, sondern auch die Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK).

Mich begeistert es immer wieder, welche Ideen junge Leute einbringen. Das tolle Schattenspiel beispielsweise – solche Dinge entstehen durch die Begegnung mit kreativen Leuten. Ich denke, da werden wir auch gerne in Zukunft gerne mit der Universität zusammenarbeiten.

Page 84: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

84

LandArbeit- mapping the province – Künstlerische Forschung im ländlichen Raum

Kaum ist das Projektsemester im Fachbereich Kulturwissenschaften und Ästhetische Kommu-nikation erfolgreich zu Ende gegangen, rücken die Vorbereitungen für ein weiteres großes künstlerisch-wissenschaftliches Projekt im Sommer 2007 in den Blick. Das Fachgebiet Raum am Institut für Bildende Kunst und Kunstwissen-schaft hat in Kooperation mit dem Kulturbüro und dem Fachdienst Umwelt des Landkreises Hildesheim und dem Netzwerk Kultur & Heimat Börde das Projekt LandArbeit konzipiert.

Seit Oktober wird in verschiedenen Seminaren und Übungen die Bedeutung und Gestaltung der Landschaft zwischen Hildesheim und Derneburg untersucht. Es werden Fragen gestellt wie: Entstehen in Reaktion auf die Globalisierung neue „lokale“ Kontexte? Welche Rolle spielen heimatliche Gefühle in der Verwurzelung indivi-duellen und kollektiven Daseins? Welchen ästhe-tischen Ausdruck finden sie? Inwieweit stehen Architektur, Landschaft sowie individuelle und gesellschaftliche Identitätsfindungsprozesse in Relation zueinander? Die „räumliche Orientie-

rung“ von Kultur wird neben einer Beschäftigung mit Heimat und Territorialität, Heimat und Hei-matkult kritisch beleuchtet.

Dabei sollen sich in der Beschäftigung mit den Eigenheiten und der Identität der Region im Sü-den Hildesheims und den eigenen Sehnsüchten nach Verortung und Verwurzelung Potentiale für eigenständige künstlerische Projekte im ländli-chen Raum auftun. Kunst und ländlicher Raum – allzu schnell denkt man an umwickelte Heuballen oder Labyrinthe im Maisfeld, Gestaltungsformen, die anknüpfend an Land Art-Projekte europäischer Provenienz ihr Material meistens aus der unmittelbaren Umgebung beziehen. Die Naturmaterialien verwittern im Laufe der Vegetationsperiode und fließen wieder in den Naturkreislauf zurück. Diese und ähnliche gut gemeinte künstlerische Einlassungen auf ein ländliches Umfeld bleiben jenseits von Alltagsanforderungen und einer ver-änderter Arbeitswelt an ein Bild des Ländlichen gekettet – und befördern ein Bild –, das es nicht gibt und vielleicht auch nie gegeben hat.

Der Projektraum

Page 85: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

85

Der Ort – das Material – die Medien

Das Projekt LandArbeit distanziert sich von die-sen Formen der andienenden Freiraumgestal-tung ebenso wie von den mit regionaler Kunst ausgestatteten Land-Events, von denen sich die Tourismusbehörden Zulauf für die Region versprechen. Wie kann heute eine avancierte künstlerische Praxis aussehen, die mit ihren Mitteln Aspekte einer ländlichen Region thematisiert? In den vergangenen Jahrzehnten haben Künstlerinnen und Künstler vielfältige Strategien für Interventi-onen in bestehende öffentliche, meist städtische Kontexte entwickelt. LandArbeit geht es darum, dass diese Strategien auch in der „Peripherie“ zum Einsatz kommen. LandArbeit möchte das Verständnis dessen, was gemeinhin unter ‚Kunst im öffentlichen Raum’ verstanden wird, durch entsprechende Projekte im ländlichen Raum gezielt erweitern.Auf dem Hintergrund dieser Erkenntnisse werden Studierende der Kulturwissenschaf-ten unterstützt und begleitet von geladenen professionellen Bildenden Künstlerinnen und Künstlern aus Finnland, Schottland, Schweden und Deutschland im Sommersemester 2007 in intensiven „Felderkundungen“ den Blick, aus-gehend von der Domäne Marienburg, auf die unmittelbare Umgebung, die Dörfer, Menschen und Felder des Innerste-Tals richten und eine aktive Auseinandersetzung mit dem vorgefun-denen Raum betreiben, in dem sie in Zusam-menarbeit mit den Gemeinden spezielle Projekte und Konzepte für künstlerische Arbeiten für die Region entwickeln.

Damit verbindet sich die Hoffnung, die vorhan-dene Trennlinie zwischen den Atelier- und Studi-enräumen der Universität und dem öffentlichen Raum, im dem sie situiert ist, zu verschieben und transparenter zu machen. Aufgrund ihrer günstigen Lage im Projektgebiet soll die Planung und Koordination von LandArbeit in der Domäne Marienburg ihren Ausgangspunkt nehmen.

Der Natur-Kultur-Raum: Jenseits der Idylle

Die Felder, Parks und Gemeinden dienen nicht als Ausstellungsbühnen, sondern sind selbst Gegenstand der Betrachtung. Kunst in der Landschaft ist - wie überall - Kunst innerhalb

einer bereits manifesten Kultur. Der ländliche Raum ist als öffentlicher Raum gleichermaßen wie der urbane Raum gesellschaftlich geprägt und ästhetisch überformt.

Das Verhältnis von Natur und Kultur ist von jeher durch Formen menschlicher Inszenierung, durch cultural performance bestimmt, die sowohl die Gestaltung der natürlichen Ausstattung einer Region prägt als auch sämtliche Kulturformen herausgebildet hat, die sich in diesem Umfeld entwickeln konnten. Der Natur-Kultur-Raum ist also immer Kulturlandschaft, die durch menschliches Wirken genutzt und permanent verändert wird.

Kunst in der Kulturlandschaft

Das Verständnis des Projektraumes als gesell-schaftlicher Zusammenhang bedeutet für eine künstlerische Arbeit z.B. genau dieses soziale Gefüge auch mit zu reflektieren und in die Pla-nung mit einzubeziehen.Ebenso können der Raum der Geschichte, die Bewegungen der Menschen im Raum, die ver-schiedenen Nutzungszonen bei den Kunstpro-jekten eine Rolle spielen. An welchen Traditionen kann eine zeitgenössische künstlerische Arbeit anknüpfen? Was sind die Themen der Region und damit Ausgangspunkte künstlerischer Interven-tionen? Wie ist der mediale Raum präsent? Die Studierenden und Künstlerinnen und Künstler untersuchen Raum als ein Resonanzfeld vielfäl-tiger Bewegungen und Beziehungen, die mitein-ander in vernetzten Strukturen existieren, und entwickeln künstlerische Arbeiten, die ihren Ort ernst nehmen und den Veränderungen unserer Lebenszusammenhänge Rechnung tragen.Studierende und Künstler gehen als Partner und Akteure dementsprechend mit Unterstüt-zung von Kennern des Projektgebietes auf die Bewohner zu und machen sie in dem einen oder anderen Fall zu Mitspielern und Mitgestaltern im Werkprozess. Das Projekt ist kommunikations-fördernd und zielt indirekt auch auf die Diskus-sion und die Entwicklung regionaler Identität. Wer nach Heimat fragt, macht sich nach wie vor verdächtig, sich in der Nähe eines ideologischen Gefälles zu bewegen. In den Interpretationen, Einlassungen und Kommentaren, die Kunst zu leisten vermag, werden Potenziale auch für Natur- und Landschaftsschutz sowie die Hei-matpflege aufgedeckt und nutzbar gemacht.

Page 86: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

86

In den künstlerischen Setzungen zeigt sich Heimat als Lebenszusammenhang, als Element aktiver Auseinandersetzung, die nicht an äuße-ren Symbolen und Emblemen des Heimatlichen Halt macht. Das Projekt LandArbeit wird von der Kulturstiftung des Bundes gefördert.

Nach-Arbeit

Ein umfangreiches Angebot mit Kolloquien zu dem Projektthema begleitet kontinuierlich die Veranstaltung und soll in ein Symposion mün-den, das von Studierenden der Kulturwissen-schaften geplant und betreut wird und in dem Künstler wie Kunstwissenschaftler Ergebnisse von LandArbeit vorstellen und reflektieren.

Die Partner: Stefan Könneke, Ulrich Weber, Prof. Christine Biehler, Hans Jürgen Driemel, Jürgen Fritz, An-dreas von Hoeren (nicht auf dem Bild)

LandArbeit ist nicht nur thematisch, sondern auch personell in dem Gebiet zwischen Hildesheim und Derne-burg verankert. Die Initiatoren des Projektes decken schon von ihrer Profession her unterschiedliche Aspekte dieser Verortung ab: H.J. Driemel, Leiter des Kulturbüros des Landkreises Hildesheim, ist zuständig für die Umsetzung der Kulturentwicklung in der Region; Stefan Könneke ist Vorsitzender des Netzwerks Kultur und Heimat Börde & Leinetal e.V., eines Zusammenschlusses von zur Zeit 25 Kulturorganisationen, die sich für die Förderung der Kulturentwicklung im Landkreis Hildesheim einsetzen; Ulrich Weber, Mitarbeiter der Un-teren Naturschutzbehörde des Landkreises Hildesheim, vertritt einen avancierten Ansatz zum Naturschutz, dem zufolge Kulturarbeit und Naturschutz voneinander untrennbare Bestandteile der Entwicklung einer Kulturlandschaft sind; Andreas von Hoeren, freischaffender Landschaftsarchitekt ist gebürtig in Heinde, wo er über entsprechend gute Kontakte zu der ansässigen Bevölkerung und den Vereinen verfügt. Heinde wird daher eine erste Anlaufstelle sein, um Kooperationspartner zur Realisierung der künstlerischen Arbeiten sowie der begleitenden Events zu finden. Jürgen Fritz und Professorin Biehler werden als Initiatoren und Projektleiter zusammen mit Lehrenden und Studierenden der Kulturwissenschaft das Ereignis kuratieren und organisieren.

Page 87: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

87

Kulturvermittlung ins KrankenhausDie Merzkunst zu Gast im Maßregelvollzug und Kultur Aktiv! - zwei Experimente der Kulturwissenschaften

Das Thema Kulturvermittlung findet in Zeiten sinkender Besucherzahlen bei den Kulturein-richtungen und im kulturpolitischen Diskurs zu-nehmend Beachtung. Aber wie sieht es jenseits der eigens dafür geschaffenen Bildungseinrich-tungen aus? Wie lässt sich Kunst dort verankern, wo man sich nicht explizit mit ihr beschäftigt? Zwei studentische Projekte sind dieser Frage nachgegangen und haben sich dem Thema Kulturvermittlung im Krankenhaus gewidmet. Im Rahmen des Projektsemesters 2006 setzten sich die Studierenden mit verschiedenen Kon-zepten der Kulturvermittlung auseinander und machten sich mit ihren Projekten auf den Weg in das Landeskrankenhaus Hildesheim und das Krankenhaus Siloah in Hannover. Ihr Experiment bestand darin, Welten, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, zusammen zu bringen.Inspiriert durch die kulturwissenschaftlichen

Studiengänge in Hildesheim und den französi-schen Kunstvermittlungsansatz der Médiation Culturelle machten es sich fünf Studentinnen zur Aufgabe, die Insassen des Maßregelvoll-zugs im Landeskrankenhaus Hildesheim für einige Wochen zum Publikum moderner Kunst zu machen. Die freiwilligen Teilnehmer waren zwölf Patienten, die auf Grund einer psychischen Krankheit straffällig geworden waren und nun unter Sicherheitsvorkehrungen und mit thera-peutischer Behandlung im Landeskrankenhaus leben. Das gewählte Thema konnte dem Alltag der Patienten auf den ersten Blick kaum ferner liegen: die Merzkunst von Kurt Schwitters. In gemeinsamen Sitzungen wurden das ganze Semester lang Kunstwerke betrachtet, hin-terfragt, in ihre Bestandteile zerlegt und neu zusammengebaut. Höhepunkt des Projekts war der gemeinsame Ausflug nach Hannover ins Sprengelmuseum zu den Originalwerken von

Page 88: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

88

Focus GenderInternationale Frauen- und Genderforschung in Niedersachsen

Insgesamt 35 Aufsätze der GastprofessorInnen des Maria-Goeppert-Mayer-Programms für internationale Frauen- und Genderforschung an niedersächsischen Hochschulen aus ver-schiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und Herkunftsländern sind in den drei Bänden des Publikationsprojekts des Zentrums für interdis-ziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZIF) gebündelt. Thematisch fokussiert, aber interdisziplinär dokumentieren die Bücher ak-tuelle Forschungsergebnisse, Methoden und theoretische Perspektiven der Geschlechter-forschung. Im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur ist damit ein kreativer Schritt zur Nachhaltigkeit des Maria-Goeppert-Mayer-Programms getan.

In Teilband 1, „Naturbilder und Lebensgrund-lagen – Konstruktionen von Geschlecht“, werden in wissenschaftlichen Bildern von „Na-tur“, Theorien des „natürlichen“ Körpers und dem Management „natürlicher“ Ressourcen Konstruktionen von Geschlecht sichtbar. Die Beiträge untersuchen den Einfluss von Herr-schaftsverhältnissen auf menschliche Körper und ihre Lebensgrundlagen. „Natur“ kommt hier als Gegenstand ungleicher Verteilung zur Sprache. Die Verteilung von Ressourcen, ob nun Wasser, technisches Knowhow, medizi-nische Dienstleistungen, Verkehrsmittel oder städtischer Raum, wird jedoch als etwas grund-sätzlich Verhandelbares entlarvt - ebenso wie „Geschlechtszuschreibungen“ selbst.

Kurt Schwitters. Es handelte sich dabei um ein einmaliges Ereignis für die Patienten, die seit Jahren das Psychiatriegelände nicht verlassen durften. In einem zweiten Teil des Projekts wurde von den Studenten und den Patienten ein Hörspiel produziert. Das Material dafür lieferten Sätze, Kommentare, Geräusche und Töne rund um die Auseinandersetzung der Projektgruppe mit der Kunst von Kurt Schwitters. Dieses wurde abschließend im Landeskrankenhaus sowie im Rahmen der Projektpräsentationen Kollektiv-Körper in der Hildesheimer Ledebur-Kaserne präsentiert. Die zweite Projektgruppe, bestehend aus 16 Stu-dentinnen, verwirklichte unter dem Motto Kultur Aktiv! ihre zuvor erarbeiteten Vermittlungskon-zepte direkt am Krankenbett auf fünf Stationen im Krankenhaus Siloah in Hannover. Literatur, Bildende Kunst, Musik und Radio fanden dort ihren Einsatz, wo sonst die ‚Nebenwirkungen‘ eines Krankenhausaufenthaltes, wie Anonymi-tät, Isolation, das Gefühl der Fremdbestimmung und Passivität herrschen. Die Patienten und das Krankenhauspersonal bekamen mit dem Essen Romanauszüge serviert, musizierten mit den Studentinnen, fotografierten ihr Umfeld oder

konnten sich bei einem Beitrag auf Radio Flora, dem Hannoveraner Bürgerradio, einbringen und hören. Eigene kreativ-künstlerische Er-fahrungen standen im Vordergrund, um somit den Lebensraum Krankenhaus aus einer neuen Perspektive zu erfahren.

Mit beiden Projekten betraten die Beteiligten Neuland. Doch das Experiment ist aufgegan-gen. Die Konfrontation mit Kunst hat Energien freigesetzt, die gerade im streng geregelten Alltag der Patienten wichtig sind: „Am Anfang konnte ich mit Kunst gar nichts anfangen und war sehr skeptisch. Mittlerweile habe ich sehr viel Spaß am Projekt, da es mich auf neue Ge-danken bringt“, kommentierte ein Teilnehmer die Entwicklung. Und auch die Studierenden nehmen wertvolle praktische Erfahrungen mit zurück ins Studium. Es hat sich für alle Betei-ligten gelohnt, das Spannungsfeld zwischen medizinischen Einrichtungen und etablierten Kunstformen zu betreten. Die Türen stehen jetzt für Folgeprojekte offen.

Anna-Lisa MeckelHanna Hahn

Page 89: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

89

Dr. des. Ulrike Bohle

Seit 2004 ist Ul-rike Bohle wis-senschaftliche Mitarbei ter in und Lehrbe-auftragte für S p r a c h w i s -senschaft und Sprachdidaktik an der Universi-tät Hildesheim. Sie promovierte

2004 im Sonderforschungsbereich „Kulturen des Performativen“ an der FU Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte bilden Gesprächs-forschung, Gestikforschung, Geschlechter-forschung und Mehrsprachigkeit. Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit arbeitet sie als freie Lektorin. Von Oktober 2005 bis September 2006 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für interdiszipli-näre Frauen- und Geschlechterforschung im Publikationsprojekt „Internationale Frauen- und Genderforschung in Niedersachsen“.Ihre Dissertation:Ulrike Bohle: Das Wort ergreifen – Das Wort übergeben. Explorative Studie zur Rolle rede-begleitender Gesten in der Organisation des Sprecherwechsels. Reihe Körper • Zeichen • Kultur. Berlin: WEIDLER Buchverlag 2007.

Dr. Waltraud Ernst, M.A.

Die Autorin ist seit 2004 Ge-schäftsführerin des Zentrums für interdiszip-linäre Frauen- und Geschlech-terforschung, einer Koopera-tionseinrichtung der Universität Hildesheim mit

der HAWK FH Hildesheim/Holzminden/Göttin-gen. Sie promovierte 1996 in Philosophie an der Universität Wien. Seither nahm sie zahlreiche Lehraufträge an österreichischen und deut-schen Universitäten, auch an den Hildesheimer Hochschulen, wahr. Von 2001 – 2003 hatte sie eine Hertha-Firnberg-Forschungsstelle am Institut für Philosophie der Universität Wien. Lehr- und Forschungsschwerpunkte in feministischer Erkenntnis- und Wissen-schaftstheorie, Naturwissenschafts- und Tech-nologieforschung und Methoden der Gender Studies. Zahlreiche Publikationen in diesem Bereich, u.a.:

„Umkämpfte Räume. Die Stadt als Ort der Instanziierung und Infragestellung von Ge-schlechterordnungen“, in: Dörte Kuhlmann/ Sonja Hnilica/ Kari Jormakka (Hg.), Building Power. Architektur, Macht, Geschlecht, Wien: edition selene, 2003, 233-259.

„Zur Vielfältigkeit von Geschlecht. Überlegun-gen zum Geschlechterbegriff in der feministi-schen Medienforschung“ in: Johanna Dorer, Brigitte Geiger (Hg.): Feministische Kommuni-kations- und Medienwissenschaft, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2002, 33-52.

DISKURSPIRATINNEN. Wie feministische Er-kenntnisprozesse die Wirklichkeit verändern, Wien: Milena Verlag 1999.

Teilband 2, „Transformationen von Geschlechter-ordnungen in Wissenschaft und anderen sozialen Institutionen“, untersucht Transformationen von Geschlechterordnungen im Zusammenhang mit aktuellen Migrationsprozessen in Deutschland und den sogenannten Transformationsgesell-schaften Osteuropas. Die Verwobenheit wissen-schaftlicher Disziplinen und Institutionen mit den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen der Geschlechterverhältnisse wird nachvollziehbar. Modelle der Partizipation in Bezug auf Gender & Diversity in Lern- Lehr- und Forschungspro-zessen werden vorgestellt.

Teilband 3, „Geschlechterdiskurse zwischen Fiktion und Faktizität“, stellt ein dichtes, trans-nationales Gewebe von Kulturanalysen dar. Die

Page 90: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

90

Reihe „Focus Gender“ im LIT Verlag, Hamburgherausgegeben vom Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der HAWK FH Hildesheim/Holzminden/Göttingen und der Stiftung Universität Hildesheim

Nina Feltz, Julia Koppke (Hg.)netzwerke. formen. wissen, Vernetzungs- und Abgrenzungsdy-namiken der Frauen- und Geschlechterforschung, Bd. 1, 2005, 240 S., 19.90 EUR, br., ISBN 3-8258-8203-9

Sylke Ernst, Jasmin Warwas, Edit Kirsch-Auwärter (Hg.)wissenstransform Wissensmanagement in gleichstellungsorien-tierten Netzwerken Bd. 2, 2005, 200 S., 19.90 EUR, br., ISBN 3-8258-8553-4

Waltraud Ernst (Hg.)Leben und Wirtschaften - Geschlechterkonstruktionen durch Arbeit, Bd. 3, 2005, 280 S., 19.90 EUR, br., ISBN 3-8258-8706-5

Neu: Waltraud Ernst, Ulrike Bohle (Hg.) Naturbilder und Lebensgrundlagen - Konstruktionen von Geschlecht, Internationale Frauen- und Genderforschung in Niedersachsen, Teilband 1, Bd. 4, 2006, 240 S., 24.90 EUR, br., ISBN 3-8258-9235-2

Neu: Waltraud Ernst, Ulrike Bohle (Hg.) Transformationen von Geschlechterordnungen in Wissenschaft und anderen sozialen Institutionen, Internationale Frauen- und Genderforschung in Niedersachsen, Teilband 2, Bd. 5, 2006, 224 S., 24.90 EUR, br., ISBN 3-8258-9236-0

Neu: Waltraud Ernst, Ulrike Bohle (Hg.) Geschlechterdiskurse zwischen Fiktion und Faktizität, Inter-nationale Frauen- und Genderforschung in Niedersachsen, Teilband 3, Bd. 6, 2006, 248 S., 24.90 EUR, br., ISBN 3-8258-9237-9

Ankündigung: Astrid Franzke, Helga Gotzmann (Hg.) Mentoring als Wettbewerbsstruktur für Hochschulen - Struktu-relle Ansätze der Implementierung, Bd. 7, 184 S., 19.90 EUR, br., ISBN 3-8258-9569-6

Literatur

Verstricktheit von Geschlechterideologien mit kolonialen Denkmustern wird dabei mehrfach in den Mittelpunkt gestellt. Geschlechterbilder in religiösen Lehren, historischen Diskursen, literarischen Werken, in Kunst und aktuellen TV-Produktionen kommen zur Sprache. Die Au-torinnen zeigen, dass Geschlechterverhältnisse, gerade weil sie diskursiv abgesichert werden müssen, historisch kontingent und veränderbar sind. Seit 2004 gibt das gemeinsame Zentrum für inter-disziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZIF) von der Stiftung Universität Hildesheim und der HAWK (Hochschule für angewandte Wissen-schaft und Kunst, FH Hildesheim/Holzminden/Göttingen) die Buchreihe „Focus Gender“ beim LIT Verlag, Hamburg, heraus. Darin werden ak-tuelle Forschungsergebnisse des ZIF publiziert sowie einschlägige Arbeiten anderer Autorinnen und Autoren auf Anfrage. Gerne können auch Dissertationen an der Universität im Bereich Gender Studies dort erscheinen. Mit der Reihe soll aktuellen Fragestellungen der Frauen- und Geschlechterforschung in verschiedenen Diszi-plinen sowie transdisziplinären Projekten Raum gegeben werden.

Dr. Waltraud Ernst

Page 91: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

91

TRANSFER – Brücke zum Berufseinstieg… oder wie die Transferstelle Aufgaben eines Career Service umsetzt

„Alles hat ein Ende – nur die Wurst hat zwei“, singen die Kleinen, wenn sie die vertraute Um-gebung des Kindergartens verlassen und zur Schule gehen müssen. Ruckzuck sind Grund-schule und Gymnasium absolviert, das Abitur in der Tasche und vielleicht auch schon das Ende des Studiums in Sicht. Aber was kommt danach? Natürlich wünschen sich alle Studierenden, nahtlos in den Beruf einzusteigen. Doch so ein-fach ist das nicht mehr, denn geeignete Stellen sind rar. Wer aber schon während des Studiums die Vorbereitungen für den Übergang trifft, hat es später viel leichter! Frischgebackene Hochschulabsolventen haben bei Bewerbungen zumeist ein Problem: Außer dem Lebenslauf und dem Abschlusszeugnis können sie ihrem Anschreiben kaum relevante Dokumente beifügen. Praktikumszeugnisse gewinnen daher immer mehr an Bedeutung und sind häufig ausschlaggebend für die Stellenbe-setzung, und wenn dann noch das Praktikum im Ausland abgeleistet und durch einen renom-mierten Stipendiengeber gefördert wurde, sind die Einstellungschancen umso größer.Seit über 15 Jahren vermittelt die Transferstelle der Universität in Kooperation mit dem EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim Stipendi-en für Praktikumsaufenthalte im europäischen Ausland. Die Stipendien sind ein Teil des Leis-tungsspektrums des europäischen Bildungs-programms LEONARDO DA VINCI und stehen sowohl Studierenden als auch Absolventen zur Verfügung. Genau 45 Personen haben letztes Jahr davon profitiert, so viel wie noch nie in der

Vermittlungsgeschichte. Jeder, der einen Antrag bei der Transferstelle einreicht und die Förder-bedingungen dabei erfüllt, bekommt auch sein Geld. Bisher wurde noch niemand wegen zur Neige gehender Mittel abgewiesen. Dass das Interesse an Praktika weiterhin unge-brochen ist, zeigen auch die sehr gut besuchten Info-Veranstaltungen zu dem Thema. Im Mai des Jahres informierte Wolfgang Bauer von den Carl Duisberg Centren (CGC) aus Köln über verschiedene Fördermöglichkeiten für Prakti-kumsaufenthalte in Überseegebieten. Über 300 Studierende nahmen an dieser Veranstaltung teil, auch das EU-Hochschulbüro war mit ei-nem Beitrag an dem Programm beteiligt. Nach dessen Erfahrungen finden ca. 50 % aller durch Leonardo geförderten Absolventen unmittelbar nach Abschluss des Praktikums eine Beschäf-tigung. Stefanie Hontscha, eine ehemalige Studentin aus den Kulturwissenschaften, hat Leonardo optimal ausgenutzt und dabei noch Erfolg gehabt. Ende letzten Jahres schrieb sie an die Transferstelle: „Zum Januar 2006 werde ich die Leitung des Goethe-Zentrums in Reykjavík übernehmen. (…) Meine Praktika in Reykjavík haben sich ‚gelohnt’ und mir tatsächlich bessere Arbeitschancen verschafft - sogar in Island.“ Und ein paar Mo-nate später: „Hier in Island läuft soweit alles wunderbar - wenn es auch nicht immer leicht ist - und meine Arbeit, die mir nicht zuletzt aufgrund meiner beiden Leonardo-Stipendien und der damit verknüpften Arbeitserfahrungen in Island anvertraut wurde, ist der absolut perfekte Job

Page 92: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

92

für mich. Ich kann mir derzeit nichts Besseres vorstellen!“

Manchmal sind es nur einfa-che Tipps, relevante Kontakt-adressen oder kleine Gefällig-keiten, die den Studierenden über verschiedene Mailver-teiler zugeschickt werden und zum Berufseinstieg verhelfen. Ob es nun die Weiterleitung eingegangener Jobangebote oder die Auslosung freier Eintrittskarten für Messen ist, die Unterstützungsaktivitäten sind vielseitig und werden dankend angenommen, wie die folgende E-Mail belegt: „Ich war eine der Studentin-nen, die sich auf das Joban-

gebot gemeldet hatten. (..) Da ich zu der Zeit gerade auf Jobsuche war, weil ich mein Studium bereits beendet hatte, habe ich mich daraufhin bei der Firma auch um einen festen Job bewor-ben – und in diesem arbeite ich nun schon seit 7 Wochen. (…) Dank der Mail von Transfer hatte die monatelange Jobsuche endlich ein Ende.“ Oder Christiane Schmücker, ebenfalls Absolventin des Studiengangs Internationales Informationsma-nagement (IIM): „Durch die Kontakte von Transfer und die daraus entstehenden Möglichkeiten hat-te ich beispielsweise die Gelegenheit, die Messe Ligna in Hannover zu besuchen. Die mir von Transfer zur Verfügung gestellte Eintrittskarte war eine Eintrittskarte in eine Festanstellung nach meinem Studienabschluss.“ Schließlich noch Alexander Schneider, der ein Praktikum bei der UNO in Genf absolvierte und dort in ei-nem Folgeprojekt beschäftigt war: „Auch wenn Transfer mir keine maßgeschneiderte Lösung geben konnte, war der Tipp (bei StudEx in der Schweiz ein Praktikumsstipendium zu beantra-gen) letztlich 500 Franken im Monat Wert, welche ich wirklich während der ersten Monate meines unbezahlten Aufenthaltes mehr als gut gebrau-chen konnte.“ Nicht alle, die von dem Service der Transferstelle profitieren, geben Rückmeldun-gen. Dennoch treffen hin und wieder solche Mut machenden Mitteilungen ein: „Die Rundmails von Transfer haben mir und auch schon vielen anderen Studenten oft weitergeholfen, und viel zu selten haben wir die Transferstelle dafür mit einem positiven Feedback belohnt.“

Es gibt aber auch Studierende, die in der beruf-lichen Selbstständigkeit ihre Zukunft suchen. Für diese Klienten ist Transfer immer schon der Ansprechpartner im Hause gewesen. Seit einigen Jahren wird speziell für diese Gruppe ein Beratungstag organisiert. Unterstützung kommt dabei von der HI-REG (Wirtschaftsförderungs-gesellschaft Hildesheim Region mbH) und vom Gründer-Campus aus der Universität Hannover. Beide Kooperationspartner schicken für diesen Tag jeweils einen kompetenten Berater. Das letzte Mal kurz vor den Sommersemesterferien nahmen 14 Personen an dem Beratungstag teil. Vian Al-Salihi, eine Teilnehmerin aus früheren Veranstaltungen, drückt ihre Zufriedenheit wie folgt aus: „Transfer hat mich während meines IFK-Studiums (Intern. Fachkommunikation) an der Uni Hildesheim im Rahmen eines LEONAR-DO-Stipendiums und in Praktikums- und Job-fragen stets engagiert unterstützt. Seit nunmehr 3 Jahren bin ich erfolgreich als Dolmetscherin / Übersetzerin selbstständig …“ Der Brief von ihr traf im Frühjahr hier ein.

Die meisten Studierenden wählen den Berufs-einstieg jedoch auf die altbewährte Weise, was heißt: auf eine Stellenannonce in der Zeitung oder im Internet oder auf sonst irgendeinen Hinweis mit einer schriftlichen Bewerbung reagieren. Wenn dann zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch eingeladen wird, ist der Bewerber schon fast am Ziel. Doch wie gut sind die Studierenden auf dieses Procedere vorbe-reitet? Seit Frühjahr 2005 organisiert Transfer Seminare zum Thema Bewerbungs- und Assess-ment-Center-Training, die von dem Hochschul-team des Finanzdienstleistungsunternehmens MLP unentgeltlich durchgeführt und die bisher sehr gut angenommen werden. Die für ca. 20 Teilnehmer geplanten Seminare sind immer ausgebucht. Allen Studierenden sei von dieser Stelle aus empfohlen, sich früh genug mit den Fragen des Bewerbens auseinanderzusetzen und Transfer dabei einzubeziehen. Und um zum Schluss noch einmal auf das Ende einer Wurst einzugehen: Sie hat weder ein noch zwei, son-dern genau genommen gar kein Ende, da sie aus Endlosdarm hergestellt ist. Sie ist nur Teil von einem Ganzen.

Toemmler TechnologieTransfer (T_TT)[email protected]

Felicia Maier, KUWI-Absolventin, unmittelbar nach der Prak-tikumsstelle in Brüssel (Foto) folgte eine feste Anstellung bei einer Konzert-agentur in Zürich

Page 93: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

93

Kriegstotengedenken in HildesheimHartmut Häger untersucht Geschichte, Funktionen und Formen

In Hildesheim hat sich die Bürgerschaft bisher mit überkommenen Denkmälern des 19. und 20. Jahrhunderts kaum auseinandergesetzt. Sie sind einfach da, die Erinnerungssymbole an den Krieg. Gedenktage rücken das eine oder andere Mahnmal für einen kurzen Moment wieder in den Fokus der Gesellschaft. Die Aufmerksamkeit der Bevölkerung ist eher beiläufig. Der Hildeshei-mer Hartmut Häger hat über acht Jahre einen forscherischen Blick eingenommen und einen kritischen Diskurs gezeichnet. In seiner jetzt vorgelegten Doktorarbeit nimmt er vorhandene Denkmäler zum Anlass, dem Wandel des kollek-tiven Gedächtnisses nachzuspüren. Dabei zeigt er, dass der Betrachter mit der Formensprache und Aussageabsicht der Denkmäler in Hildes-heim bislang allein gelassen wird. Ungeachtet der Tatsache, dass das Informationsbedürfnis in gleichem Maße wächst, wie die Erinnerung ver-blasst. „Die Erläuterung des Stiftungsanlasses, die Rekonstruktion der Stiftungsabsicht und die Veranschaulichung des historischen Kontextes von Denkmälern könnten zum besseren Ver-ständnis beitragen“, meint Häger.

Die von Prof. Dr. Josef Nolte betreute Disserta-tion mit dem Titel „Kriegstotengedenken in Hil-desheim. Eine Untersuchung seiner Geschichte, Funktionen und Formen mit einem Katalog der Denkmäler für Kriegstote des 19. und 20. Jahr-hunderts“ hat mit mehr als 520 Seiten einen Umfang, der selbst interessierte Leser heraus-fordert. Sie liegt überarbeitet und ungekürzt in der vom Stadtarchiv Hildesheim herausgege-benen Schriftenreihe „Quellen und Dokumen-tationen zur Stadtgeschichte Hildesheims“ vor. 132 selbstständige Denkmalstiftungen werden in der Arbeit dokumentiert und analysiert. 71 sind heute noch sichtbar, die anderen wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört oder danach bei Renovierungsarbeiten entfernt. Hartmut Häger, der in Hildesheim auch als sozialdemokratischer Kommunalpolitiker bekannt ist, untersucht die Art und Weise, wie die Menschen in Hildesheim die Erfahrung des Kriegstodes symbolisch verar-beiteten, dem sie 1813 kaum Beachtung schenk-ten, 1866 und 1870/71 noch in relativ geringer Zahl begegneten, der aber schon 1914/1918 und erst recht 1939/1945 als Massentod in Erschei-nung trat. Er identifiziert achtzehn Motive, die Denkmalsstiftungen initiierten, und achtund-zwanzig Formen, die das Kriegstotengedenken hervorbrachte, darunter Glocken, Glasfenster, Bibliotheken und Kapellen.

Hartmut Häger promovierte im

Fachbereich „Kul-turwissenschaften

und Ästhetische Kommunikation

der Universität Hildesheim“. Die

Promotionsurkunde mit dem Gesamt-

urteil „summa cum laude“ überreichte

ihm Dekan Prof. Dr. Wolfgang Schneider.

Dr. Hartmut Hägers Promotionsschrift ist als Veröf-fentlichung erschienen.

Page 94: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

94

Stiftung Universität Hildesheim:Hauptcampus „Marienburger Höhe“ im Sommer 2006

Page 95: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

Universität und Bürgergesellschaft

Seit Bestehen der Universität Hildesheim gibt es in der Bür-gergesellschaft Freunde und Förderer, die sich finanziell für die Forschung und Lehre der Hochschule engagieren. Sie sind unter anderem Mitglied der Universitätsgesellschaft Hil-desheim e.V. und unterstützen mit ihrem Jahresbeitrag oder mit Spenden Projekte und wissenschaftliche Initiativen an der Universität. So vergibt die Universitätsgesellschaft Förder-preise für hervorragende Studien- und Forschungsleistungen und gewährt Finanzierungshilfen für wissenschaftsorientierte Veranstaltungen, Veröffentlichungen und Projekte. Ein beson-deres Anliegen der Universitätsgesellschaft ist es, den Dialog zwischen der Universität Hildesheim und der Stadt Hildesheim zu unterstützen, z.B. durch das Angebot öffentlicher Vorträge und Öffnung der universitären Lehrveranstaltungen für das Gasthörerstudium.

Kontakt:Universitätsgesellschaft Hildesheim e.V.Sabine FulgnerE-Mail: [email protected]: +49.5121.883-107Telefax: +49.5121.883-109www.uni-hildesheim.de/freunde/unigesellschaft/

Mitgliedschaft

Der Jahresbeitrag für Mitglieder beträgt 30 Euro, für Institu-tionen und Firmen 120 Euro. Es würde uns freuen, wenn wir auch Sie als neues Mitglied in der Universitätsgesellschaft Hildesheim e. V. begrüßen könnten.

Universitätsgesellschaft Hildesheim e.V.

Page 96: UNI Hildesheim · 2010-11-09 · UniMagazin 3 Uni Hildesheim. Das Magazin präsentiert sich Ihnen in diesem Wintersemester interkul-turell. Wie sich die Hildesheimer Bildungs-wissenschaften,

UniMagazin

96