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„UNSERE HYBRIDSTRATEGIE UNTERLIEGT EVOLUTIONäREN SCHRITTEN“ Dipl.-Ing. Peter Langen studierte von 1979 bis 1984 Maschinenbau an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen. 1984 trat er bei der BMW AG ein, zunächst in die Vorent- wicklung Motor. Von 1987 bis 1991 arbeitete er in der Serienentwick- lung Motor, von 1991 bis 1994 in der Vorentwicklung Antrieb. Von 1994 bis 1996 leitete er das Fahrzeugprojekt Erdgasfahrzeuge. Von 1997 bis 1999 war er gesamtverantwortlich für die Entwicklung Kraft- stoffanlagen, von 1999 bis 2004 leitete er die Vorentwicklung An- trieb, von 2004 bis 2006 war er Bereichsleiter Fahrdynamik, seit 2007 ist er Bereichsleiter Entwicklung Antrieb bei BMW in München. Lässt sich in einem Hybridsystem durch die Elektrifizierung des Antriebsstrangs Aufwand beim Verbrennungsmotor einsparen? Eher nicht, meint Peter Langen, Bereichsleiter Entwicklung Antrieb bei BMW in München. Die Kosten des Elektroantriebs an sich zu senken, sei die einzige Möglichkeit, um den Hybrid künftig preiswerter zu gestalten. TITELTHEMA INTERVIEW 274

„Unsere Hybridstrategie Unterliegt Evolutionären Schritten“

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„Unsere Hybridstrategie UnterliegtevolUtionären scHritten“

Dipl.-Ing. Peter Langen studierte von 1979 bis 1984 Maschinenbau an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen. 1984 trat er bei der BMW AG ein, zunächst in die Vorent-wicklung Motor. Von 1987 bis 1991 arbeitete er in der Serienentwick-lung Motor, von 1991 bis 1994 in der Vorentwicklung Antrieb. Von

1994 bis 1996 leitete er das Fahrzeugprojekt Erdgasfahrzeuge. Von 1997 bis 1999 war er gesamtverantwortlich für die Entwicklung Kraft-stoffanlagen, von 1999 bis 2004 leitete er die Vorentwicklung An-trieb, von 2004 bis 2006 war er Bereichsleiter Fahrdynamik, seit 2007 ist er Bereichsleiter Entwicklung Antrieb bei BMW in München.

Lässt sich in einem Hybridsystem durch die Elektrifizierung des Antriebsstrangs Aufwand beim Verbrennungsmotor einsparen? Eher nicht, meint Peter Langen, Bereichsleiter Entwicklung Antrieb bei BMW in München. Die Kosten des Elektroantriebs an sich zu senken, sei die einzige Möglichkeit, um den Hybrid künftig preiswerter zu gestalten.

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mTz _ Wären die entwicklungskosten für die elektrifizierung des antriebsstrangs nicht beim Verbrennungsmotor besser angelegt?Langen _ Beim Verbrennungsmotor haben wir schon ein sehr hohes Niveau erreicht, sodass wir künftig mit großem Aufwand nur noch vergleichsweise kleine Schritte machen werden. Auch das ist wichtig, aber bis zu 15 Prozent CO2-Reduzierung wie beim Hybrid werden da nicht mehr zu heben sein.

Warum bietet BmW keinen Dieselhybrid an? Beim Dieselhybrid kommen zwei sehr teure Antriebe zusammen. Ein Diesel ist per se schon sehr sparsam, sicherlich kann man mit einer Hybridisierung da noch etwas bewegen, aber man muss sich schon fragen, ob ein Kunde diesen Mehr-aufwand bezahlen wird. Wir sind derzeit mit unserem Ottomotor-Hybrid, beispiels-weise im neuen ActiveHybrid 5, gut unter-wegs, auch weil wir dieses Konzept inter-national vermarkten können, was mit einem Dieselhybrid nur eingeschränkt möglich wäre. Wir wägen immer Auf-wand und Nutzen ab. Auch vor dem Hintergrund der Schwerpunktmärkte USA und Japan mit jeweils circa 30 Prozent Volumenanteil beim ActiveHybrid 5 macht eine Fokussierung auf Benzin Sinn.

Der activehybrid 5 ermöglicht maximal vier Kilometer rein elektrisches Fahren. Für Innenstädte mit Fahrtbeschränkungen wie in London ist das Konzept nicht gedacht?Nein, das ist aufgrund der Leistungsaus-prägung der Elektromaschine derzeit noch nicht möglich, dafür startet der Verbren-nungsmotor zu oft. Das geht nur mit einer deutlich stärkeren Elektromaschine, die man mit einem größeren Speicher kombi-nieren müsste.

Sie kombinieren einen sehr starken Verbrennungsmotor mit einem vergleichsweise schwachen elektromotor. Spiegelt das die hybridstrategie von BmW wider?Unsere Hybridstrategie unterliegt natür-lich auch evolutionären Schritten. Der ActiveHybrid 5 ist das, was wir mit dem derzeitigen Entwicklungsstand in Serie realisieren können. Wir erreichen damit eindrucksvolle Verbrauchsziele. Was wir nicht erreichen, ist, dass man lange Stre-cken elektrisch fahren kann.

Wird das so bleiben?Da sehen wir Potenzial für zukünftige Fahrzeuggenerationen.

Wird dies das ergebnis der Kooperation mit PSa sein?

Die Kooperation mit PSA konzentriert sich derzeit auf rein elektrische Antriebe. Wenn wir künftig weiterreichende Hybrid-konzepte haben, werden die Kompo-nenten sicherlich auch aus der Koopera-tion kommen.

Welche elektrische Reichweite sollte ein Vollhybrid Ihrer meinung nach haben?Das kommt auf das Konzept an. Wenn es kein Plug-in-Hybrid mit Lademöglichkeit

ist, machen große Batteriekapazitäten wenig Sinn, denn der Akkumulator würde durch Rekuperation allein nie richtig voll werden, und das Aufladen durch den Ver-brennungsmotor bedeutet den Verbrauch fossiler Energieträger. Das scheint mir nicht zielführend. Wenn man allerdings elektrischen Strom aus regenerativen Quellen zum Laden nutzt, kommt man zu einer ganz anderen Bewertung der CO2-Emissionen. Für diese Konzepte halte ich 35 bis 50 Kilometer elektrische Reich-weite für angemessen.

Langen geht davon aus,

dass beim Verbren-

nungsmotor künftig

nur noch vergleichsweise

kleine Schritte zur CO2-

Reduzierung gemacht

werden

„Großes Entfeinerungs-

potenzial beim Verbrennungs-

motor sehen wir nicht.“

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Wann können wir einen Plug-in-hybrid von BmW erwarten?2011 haben wir auf der Messe in Shanghai die Studie einer BMW-5er-Limousine in Langversion als Plug-in-Hybrid gezeigt. Auf der IAA 2011 haben wir den BMW i8 Con-cept ebenso als Plug-in-Studie vorgestellt.

Ist der minderverbrauch eines hybrids für den Kunden erlebbar, oder existiert er nur auf dem Papier?Das kommt stark darauf an, wie der Kunde fährt. Die Domäne des Hybrids ist der Stadtverkehr, dort wird der Kunde den Verbrauchsvorteil am stärksten spüren. Auf langen Strecken hat er weniger Vor-teile. Durch den schon jetzt in allen neuen 1er-, 3er- und 5er-Modellen und eben auch im ActiveHybrid 5 serienmäßigen Fahrerlebnisschalter hat der Fahrer die Möglichkeit, im Modus Eco Pro besonders effizient unterwegs zu sein.

Wie kann der Verbrennungsmotor im hybrid-system von der elektromaschine profitieren?Verbrennungsmotoren sind speziell in sehr niedrigen Lastbereichen naturbedingt wirkungsgradmäßig schwer zu beherr-schen. Die Betriebsstrategie muss daher so umgesetzt werden, dass der Elektromo-tor insbesondere in diesen Lastbereichen den Verbrennungsmotor unterstützt und den Antrieb übernimmt.

Kann dadurch der Verbrennungsmotor einfacher gestaltet werden?Großes Entfeinerungspotenzial beim Ver-brennungsmotor sehen wir nicht. Einerseits muss er ja auch lange Strecken im niedri-gen Lastbereich effizient zurücklegen kön-nen, also einen guten Wirkungsgrad haben. Andererseits muss der Verbrennungsmotor exzellent transient steuerbar sein, um den Momentensprung beim Zuschalten der Elektromaschine auszugleichen. Unser Sechszylindermotor im Active Hybrid 5 mit vollvariabler Ventilsteuerung, Aufladung und Direkteinspritzung ist hochentwickelt. Das führt zu niedrigen CO

2-Emissionen in den Bereichen unmittelbar über denen der elektromotorischen Unterstützung und zu einem guten Laststeuerverhalten. Das kön-nen wir nicht durch andere Komponenten kompensieren.

auch nicht bei einer starken hybridisierung?Dann kann man überlegen, ob man einen kleineren Verbrennungsmotor einsetzt, der allerdings auch alle technischen Anforde-rungen des großen Motors erfüllen muss. Zudem muss man dann auch das Gesamt-systemgewicht in Betracht ziehen. Eine grö-ßere Elektromaschine und größere Batterien bedeuten ja auch erheblich höheres Gewicht. Bei unserer vorgestellten Studie BMW i8 Concept setzen wir einen kleinen 1,5-l-Drei-zylinder-Reihenmotor ein. Ein Antriebskon-zept für ein leichtes Sportfahrzeug.

Könnten bei einer starken hybridisierung denn Komponenten im abgasstrang entfallen oder günstiger ausgelegt werden? Ich sehe kein Einsparpotenzial bei der Abgastechnik, beispielsweise durch gerin-gere Edelmetallbeladung im Katalysator,

denn der Verbrennungsmotor muss ja auch die Emissionsgrenzen einhalten, wenn nur er Antriebsleistung erbringt, also wenn die Batterie leer ist. Auch eine Verschiebung emissionskritischer Lastbereiche des Ver-brennungsmotors hin zum Elektromotor lohnt sich unserer Erkenntnis nach nicht, dazu ist der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen zu groß.

Wie wollen Sie den hybrid künftig preislich attraktiv gestalten?Die einzige Möglichkeit ist, den Elektroan-trieb an sich kostengünstiger zu machen. Das gilt speziell für den Elektromotor und für die Batterie. Ich gehe aber davon aus, dass sich auch hier Skaleneffekte einstel-len werden.

Inwieweit hat das emissionsverhalten des motors einfluss auf die hybrid-Betriebs- strategie?Wir haben eine gesamthafte Betriebsstrate-gie, die die Felder Emissionen, Verbrauch und Leistungsanforderung berücksichtigt. Dabei achten wir sehr auf die Katalysator-temperatur, denn ein Hybridfahrzeug darf

niemals schlechtere Emissionen haben als ein konventionelles Fahrzeug, auch außer-halb des Zertifizierungsbereichs. Die Kata-lysatoren sind entsprechend isoliert, aber es kann durchaus sein, dass die System-steuerung den Verbrennungsmotor startet, um Energie in den Katalysator zu leiten.

Wie sieht die ideale Betriebsstrategie für einen hybridantriebsstrang aus?Sehr vereinfacht gesagt, muss jede Antriebs-maschine das machen, was sie am besten kann: Der Elektromotor soll den Verbren-nungsmotor bei niedrigen Geschwindigkei-ten unterstützen, der Verbrennungsmotor bei hohen Geschwindigkeiten für adäquaten Vortrieb sorgen. Dabei muss der Hybrid für den Fahrer unmerklich arbeiten, er darf also

Auch wegen der internationalen Vermarktungsmöglichkeiten

macht eine Fokussierung auf den Benzinhybrid Sinn, so Langen

„Ich gehe davon aus,

dass sich Skaleneffekte

einstellen werden.“

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InTeRVIeW: Richard Backhaus

FoToS: Matthias Haslauer

die Kraftverteilung zwischen Elektromotor und Verbrennungsmotor nicht spüren. Dahinter liegt funktional eine Hybridfahr-strategie mit Umfelderkennung und Navigationsunterstützung.

Das klingt nach einer erheblichen entwicklungsaufgabe?Ja, das in eine Betriebsstrategie umzu-setzen, bedeutet sehr viel mehr Applika-tionsaufwand als für ein konventionelles Fahrzeug. Das gilt sowohl für die Simu-lationen als auch für Prüfstands- und Fahrzeuguntersuchungen.

Welche auswirkungen haben unterschiedliche internationale emissionsgesetzgebungen auf die auslegung von hybridkonzepten?Bezogen auf die Komponenten haben wir einen Weltantrieb, allerdings nehmen wir länderspezifische Applikationen vor. Beispielsweise gehen wir bei der Applika-tion speziell auf die US-amerikanischen Emissionsregularien ein.

Wie sieht der hybrid der zukunft aus?Die sportlichste Hybridableitung, die wir uns denken können, haben wir mit dem BMW i8 Concept gezeigt. Dort vereinen wir einen leistungsstarken und effizienten Dreizylinder-Ottomotor mit einer Elektro-maschine, die den Verbrennungsmotor ins-besondere im niedrigen Drehzahlbereich unterstützt.

herr Langen, herzlichen Dank für das gespräch.

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