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AUTOMOTIVE Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie Mögliche Szenarien im Jahr 2025

Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen ... · KPMG und das KPMG-Logo sind eingetragene Markenzeichen von KPMG International. Wertschöpfungskette verdrängt. Wertschöpfungskette

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Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen AutomobilindustrieMögliche Szenarien im Jahr 2025

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Executive Summary 3

1 Einleitung: Branchenkonsolidierung – Schicksal oder strategische Chance ? 5

2 Die Konsolidierung der europäischen Automobilindustrie – Triebkräfte und Einflussfaktoren 6

2.1 Begriffliche Grundlagen 6

2.2 Konsolidierung und Dekonsolidierung – ein Branchenmodell 6 2.2.1 Das Modell im Überblick 6 2.2.2 Elemente des Modells 8

2.3 Phasen des Konsolidierungsprozesses 9 2.3.1 Überblick 9 2.3.2 Der Big Shakeout der 20er- und 30er-Jahre 10 2.3.3 Die Nachkriegskonsolidierung in den 50er-Jahren 11 2.3.4 Marktsättigung und Konsolidierung in den 60er- und 70er-Jahren 11 2.3.5 Globalisierung und Konsolidierung in den 90er-Jahren 12

2.4 Länderspezifische Entwicklungen 16 2.4.1 Die Konsolidierung der deutschen Automobilindustrie 17 2.4.2 Die Konsolidierung der französischen Automobilindustrie 20 2.4.3 Die Konsolidierung der britischen Automobilindustrie 21 2.4.4 Die Konsolidierung der italienischen Automobilindustrie 23

2.5 Der Zusammenhang zwischen Hersteller- und Markenkonzentration 25

3 Perspektiven des Konzentrationsprozesses in der Automobilindustrie 26

3.1 Szenario I: „Green Revolution“ 26

3.2 Szenario II: „Mobility Revolution“ 29

4 Fazit: Zeitenwende in der Automobilindustrie – wer wird überleben ? 33

Inhalt

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Die Studie „Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäi-schen Automobilindustrie“ analysiert die Dynamik der Konsolidierungs- und Dekonsolidierungsprozesse der europäischen Automobilindustrie in den letzten 90 Jahren und identifi-ziert bestimmende Faktoren. Dazu wird ein Branchenmodell entwickelt, auf dessen Basis eine Prognose des künftigen Konsolidierungsprozesses bis 2025 abgeleitet wird.

Ergänzend zu den Prognosen zeich-net die Studie länderspezifische Entwicklungen nach und illustriert diese anhand von Beispielen aus der Praxis.

In Deutschland fand die Konsolidie-rungswelle nach dem Zweiten Welt-krieg ihren Höhepunkt. Viele Anbieter stiegen mit Kleinst- und Kleinwagen in den Markt ein. Die deutsche Wirt-schaft erfuhr jedoch einen unvor-hergesehenen Aufschwung und die Nachfrage nach Kleinwagen war ver-gleichsweise gering. Viele Anbieter verabschiedeten sich in der Folge wieder aus dem Markt.

Die Zahl der unabhängigen Hersteller reduzierte sich von elf in den 50er-Jahren auf gegenwärtig drei. Diese Entwicklung ist zum einen der star-ken Ausrichtung auf Premiumseg-mente geschuldet, zum anderen der liberalen Wirtschaftspolitik. Von der Globalisierung waren deutsche Her-steller nicht negativ betroffen, son-dern verfolgten vielmehr eine aktive Konsolidierungsstrategie wie zum Beispiel Volkswagen.

Mit der Übernahme von Seat und Škoda reagierte Volkswagen auf die geopolitischen Veränderungen zu Beginn der 90er-Jahre. In beiden Fällen war die Konsolidierung für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation: Seat konnte seine Präsenz auf den Märkten außerhalb Spaniens erhö-hen, Škoda wurde international wett-bewerbsfähig. Volkswagen hingegen konnte mit Seat schnell in den spa-nischen und mit Škoda in den ost-europäischen Markt einsteigen und erweiterte zudem sein Markenport-folio.

Spannend zu beobachten ist der Kon-solidierungsprozess darüber hinaus in China: Der eigenständige national-privatwirtschaftliche Sektor gleicht der europäischen Automobilindustrie der 50er-Jahre. Steigende Kunden-anforderungen und die Orientierung an westlichen Qualitäts- und Tech-nologiestandards deuten auf eine Realisierung von Skaleneffekten hin. Da die chinesische Regierung ange-sichts der Vielzahl von Joint Ven-tures jedoch keine Anstrengungen unternehmen wird, Kleinhersteller zu retten, darf mit einer nachhaltigen Bereinigung gerechnet werden.

Basierend auf der Analyse der Ent-wicklungen in den hier betrachteten Ländern wurde im Rahmen dieser Studie ein Branchenmodell erstellt, das den Markt in den Fokus rückt. Vor dem Hintergrund bisher durch-laufener Phasen der Konsolidierung sowie der länderspezifischen Ent-wicklungen sind bis 2025 deshalb die beiden folgenden Entwicklungssze-narien wahrscheinlich: „Green Revo-lution“ und „Mobility Revolution“.

Executive Summary

Exkurs Neue Geschäftsmodelle durch elektromobilität

Automobilhersteller könnten in einem weiteren Szenario ihre Sys-temführerschaft an Energieversor- ger verlieren. Mit der voranschrei-tenden Entwicklung von Elektro-automobilen wird es erforderlich, die Infrastruktur auszubauen und Elektrotankstellen zu errichten. Energieversorger könnten dabei den Markt dominieren und eine Gate Keeper-Funktion übernehmen, wodurch sie neue Wertschöpfungs- und Ergebnispotenziale generie-ren könnten. Damit wäre der Auto-mobilhandel vollständig aus der Wertschöpfungskette verdrängt.

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4 Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie

„Green Revolution“

Der steigende politische Druck so-wie der Wertewandel innerhalb der Gesellschaft zwingen die Hersteller im Szenario „Green Revolution“, die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien zu beschleunigen. Fahrzeuge mit alternativen Antriebs-technologien werden den Markt dominieren. Kritische Faktoren sind in diesem Zusammenhang:

• Technische Ausreifezeit von 10 bis 15 Jahren, dadurch erheb-liche finanzielle Vorleistungen in Forschung und Entwicklung

• Anpassung der Produktions- konzepte

• Reorganisation der Wert- schöpfungsketten

Daraus ergibt sich ein erheblicher Bedarf an finanziellen Mitteln, der an den Kapitalmärkten gedeckt wer-den muss. Dies ist wiederum eine kritische Schwelle, da die Zeithori-zonte von Ausreifung und Amortisa-tion nicht kongruent sind. Gefährdet sind daher alle Hersteller mit schwa-cher Eigenkapitalbasis und geringer Ertragskraft. Andererseits sind die Markteintrittsbarrieren hoch, nur chi-nesischen Herstellern mit staatlicher Unterstützung oder Energieversor-gungsunternehmen wird zugetraut, in den Markt einzusteigen.

Die tatsächliche Konsolidierung in diesem Szenario könnte insgesamt gering ausfallen. Sollte es eintreten, ist mit einer Restrukturierung der gesamten europäischen Automobil-industrie zu rechnen.

„Mobility Revolution“

Treiber dieses Szenarios sind die Kunden. Sie wollen in Zukunft kein Fahrzeug mehr besitzen, sondern nur temporär und situativ nutzen. Kriti-sche Entwicklungsschwellen in die-sem Zusammenhang sind:

• Komplette Restrukturierung der Branche

• Mobilitätsanbieter lösen Auto-mobilhersteller als Systemführer in der Wertschöpfungskette ab und bieten verkehrsträgerüber-greifende Mobilitätsangebote

• Kunden nutzen Fahrzeugpools und sind vertraglich an die Mobilitätsanbieter gebunden

Um die Systemführerschaft aufrecht zu erhalten, müssten Automobilher-steller nach diesem Modell selbst zu Mobilitätsanbietern werden. Herstel-ler, die dies nicht schaffen, könnten dennoch im Markt bleiben. Der Kreis von Unternehmen, die neu in den Markt einsteigen, ist in diesem Sze-nario hoch.

Fazit Aufgrund der sehr heterogenen Struk-tur der europäischen Automobilin-dustrie ist eine generalisierende Pro-gnose schwer. Das Szenario „Green Revolution“ geht mit einer evolutio-nären Weiterentwicklung des heu-tigen Geschäftsmodells einher, bei dem das Produkt Auto in einer modi-fizierten Wertschöpfungsstruktur mit neuen Lieferanten hergestellt wird.

Das Szenario „Mobility Revolution“ birgt eine umfassende Veränderung des Geschäftsmodells für Automobil-hersteller. Hier stellt sich die Frage, wie sich bislang durch Entwicklung und Produktion geprägte Hersteller zu Dienstleistungsunternehmen ent-wickeln können. Die Potenziale für einen entsprechenden Transforma-tionsprozess oder andernfalls die Herausforderungen, mit branchen-fremden Dienstleistern zusammen-zugehen, sind vielfältig. Denkbar wäre auch eine evolutionäre Entwick-lung, welche über Teile einer „Green Revolution“ zu einer nachhaltigen „Mobility Revolution“ führt.

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Ist die fortschreitende Konsolidie-rung von reifen Branchen ein nicht umkehrbarer, gewissermaßen gesetz-mäßig ablaufender Prozess ? Auf den ersten Blick scheint es so zu sein. Die Automobilbranche gilt vielfach als typisches Beispiel einer Industrie, in der die Zahl der Hersteller konti-nuierlich zurückgeht. Die Verbindung aus Skaleneffekten und hohen Markt-eintrittsbarrieren bildet dabei zumeist das theoretische Erklärungsmuster für diesen Prozess.

Betrachtet man die Entwicklung der Automobilindustrie etwas genauer, zeigt sich freilich, dass es so einfach nicht ist. Zweifellos lassen sich bei einer lediglich nationalen Betrach-tungsweise Konsolidierungsprozesse der geschilderten Art erkennen. Im Rahmen einer globalen Betrachtungs-weise stellt sich die Entwicklung indessen differenzierter dar. Die Vor-stellung, dass es zu einem Zeitpunkt Null eine bestimmte Anzahl von Her-stellern gäbe, deren Zahl dann nach und nach zurückginge, ist falsch. Tat-sächlich gab und gibt es ein Reser-voir nationaler Hersteller, die im Zuge ihrer Globalisierungsstrategie auf den Weltmärkten erscheinen und damit die Zahl der Global Player erhöhen.

In den 60er- und 70er-Jahren waren dies die japanischen Automobilher-steller, die zuerst den nordamerikani-schen, dann auch den europäischen Automobilmarkt erobert haben. In den 80er- und 90er-Jahren folgten die koreanischen Hersteller, und in den nächsten Jahren dürften chine-sische und indische Hersteller den Sprung in den Weltautomobilmarkt schaffen. Etablierte Hersteller gera-ten durch diesen Prozess der Globa-lisierung unter Druck, verschwinden aber zumeist nicht sofort vom Markt. So erhöht sich zumindest temporär die Zahl der weltweit tätigen Auto-mobilhersteller: Phasen der Konsoli-dierung werden abgelöst durch Pha-sen der Dekonsolidierung.

In der vorliegenden Studie, die in Zusammenarbeit von Prof. Dr. Willi Diez, Institut für Automobilwirtschaft (IfA), und Dieter Becker, Head of Automotive, KPMG AG Wirtschafts-prüfungsgesellschaft, entstanden ist, soll die Dynamik dieses Prozes-ses auf der Ebene der europäischen Automobilindustrie analysiert und dabei die den Konsolidierungspro-zess bestimmenden Faktoren identi-fiziert werden. Dazu wird ein Bran-chenmodell entwickelt, auf dessen Basis dann eine empirisch und theo-retisch fundierte Prognose des Kon-solidierungsprozesses abgeleitet werden kann. Dabei gilt es die künf-tigen Rahmenbedingungen und Ent-wicklungstendenzen im Automobil-markt zu berücksichtigen, da diese das Konsolidierungspotenzial wesent-lich mitbestimmen.

Die Analyse des branchenbezogenen Konsolidierungsprozesses hat auch wichtige unternehmenspolitische Implikationen. Wer zu den Konsoli-dierungsgewinnern gehören möchte, muss die den Konsolidierungspro-zess beeinflussenden Faktoren ken-nen. Die Phase eines tief greifenden wirtschaftlichen und technologischen Wandels, der sich in der Automobil-industrie abzeichnet, bietet die große Chance, neue und zukunftsorientierte Geschäftsmodelle zu entwickeln.

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Abbildung 1 Hersteller- und MarkenkonzentrationDefinitionenQuelle: IfA / KPMG

Rückgang der Zahl der nationalen Hersteller in einem bestimmten Land

Hersteller-Konzentration Marken-Konzentration

Rückgang der Zahl der Marken von nationalen Herstellern in einem bestimmten Land

Branchen-Konsolidierung

Rückgang der Zahl aller Anbieter in einem bestimmten nationalen Markt

Markt-Konsolidierung

Rückgang der Zahl der Marken, die in einem bestimmten nationalen Markt angeboten werden

Markt-Konsolidierung

Branchen-Konsolidierung

2.2 Konsolidierung und Dekonsolidierung – ein Branchenmodell

2.2.1 Das Modell im Überblick

Folgt man den historischen Fakten, so zeigt sich, dass der Konsolidie-rungsprozess in der europäischen Automobilindustrie nicht einfach als ein linearer, zeitabhängiger Vorgang beschrieben werden kann. Zwar ist die Zahl der wirtschaftlich und recht-lich selbstständigen europäischen

Automobilhersteller in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zurück-gegangen, analog dazu hat die Zahl der Anbieter aber nicht in gleichem Maße abgenommen, da es immer wieder zu Markteintritten gekommen ist. Neben den nachkriegsbedingten Markteintritten neuer, originär euro-

2.1 Begriffliche Grundlagen

Einen Überblick über die begriff-lichen Grundlagen dieser Studie gibt die Abbildung 1. Demnach ist zunächst zwischen Hersteller- und Markenkonzentration zu unterschei-den. Von einer Herstellerkonsolidie-rung ist dann die Rede, wenn die Zahl der wirtschaftlich und rechtlich selbstständigen Automobilhersteller sinkt, während sich der Prozess der Markenkonzentration auf die Zahl der Automobilmarken bezieht.

In beiden Fällen kann zwischen einer branchenbezogenen und einer markt-bezogenen Konsolidierung unter-schieden werden. Im Falle der Her-stellerkonsolidierung bedeutet dies: Sinkt die Zahl der Hersteller in einem Land, liegt eine branchenbezogene Konsolidierung vor. Demgegenüber

kann von einer marktbezogenen Konsolidierung nur dann gesprochen werden, wenn die Zahl der Anbie-ter in einem bestimmten Markt zurückgeht. Beide Prozesse müssen nicht gleichzeitig verlaufen. So ist es durchaus möglich, dass in einem Land zwar die Zahl der wirtschaft-lich und rechtlich selbstständigen Hersteller zurückgeht, die Zahl der Anbieter aber dadurch steigt, dass bislang nicht in diesem Markt tätige Unternehmen neu in den Markt ein-treten.

Dies ist beispielsweise in erheblichem Umfang in den 60er- und frühen 70er-Jahren auf vielen europäischen Märkten durch den Markteintritt der japanischen Hersteller geschehen.

2 Die Konsolidierung der europäischen Automobilindustrie – Triebkräfte und Einflussfaktoren

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päischer Hersteller hat insbesondere der Markteintritt der japanischen Hersteller in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren sowie der Markt-eintritt der koreanischen Anbieter zu Beginn der 90er-Jahre auf der Ebene der Weltautomobilindustrie zu einer Dekonsolidierung geführt. Definiert man den Konsolidierungsprozess nicht nach nationalen Gesichtspunk-ten, sondern aus einer marktbezo-genen Perspektive, so kann man feststellen, dass die Konsolidierung auf der Ebene der einzelnen Märkte durch Markteintritte neuer Anbieter abgeschwächt wurde. Vereinfacht ausgedrückt: Die nationale Branchen-

konzentration hat stärker und kon-tinuierlicher zugenommen als die jeweilige Marktkonzentration. Beide Prozesse sind nicht unabhängig von-einander, denn wie gerade die Ent-wicklung in den 60er- und 90er-Jah-ren gezeigt hat, wurde die nationale Branchenkonzentration durch eine wachsende Importkonkurrenz ver-stärkt.

Das folgende marktbezogene Bran-chenmodell versucht, die Komplexi-tät des Konsolidierungsprozesses abzubilden, indem es idealtypisch die einzelnen Stufen dieses Prozes-ses systematisiert und die dafür rele-

vanten Treiber, Verstärker und Ein-flussfaktoren identifiziert. Da sich die strukturellen Merkmale in allen vier genannten Phasen des Konso-lidierungsprozesses ähneln, kann von deren relativer Konstanz im Zeit-ablauf ausgegangen werden. Das Modell ist damit auch für eine Prog-nose des künftigen Konsolidierungs-prozesses in der Branche geeignet. Abbildung 2 zeigt die Struktur des Modells im Überblick.

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Abbildung 2 Branchenmodell des KonsolidierungsprozessesQuelle: IfA / KPMG

Endogene Faktoren(Treiber)

Exogene Faktoren(Verstärker)

RessourcenbezogeneWettbewerbsfähigkeit

MarktbezogeneWettbewerbsfähigkeit

Markteintrittsbarrieren

Marktaustrittsbarrieren

Branchenspezifischekritische

Entwicklungsschwellen

Überlebensfähigkeitder Hersteller

Konsolidierungspotenzial

TatsächlicheKonsolidierung

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8 Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie

2.2.2 Elemente des Modells

Nachfolgend sind die einzelnen Elemente des Modells aufgeführt.

Endogene FaktorenDie endogenen Faktoren ergeben sich aus der Logik des industriellen Entwicklungsprozesses in einer Bran-che. Beispiele dafür sind das Auftre-ten von Skaleneffekten oder die Not-wendigkeit der Ausdifferenzierung der Modellpaletten aufgrund eines veränderten Käuferverhaltens.

Exogene FaktorenBei den exogenen Faktoren handelt es sich in der Regel um gesamtwirt-schaftliche oder politische Entwick-lungen, die Einfluss auf die Branche nehmen. Beispiele sind Wirtschafts- und Finanzkrisen ebenso wie Ölpreis-krisen, die Verschärfung von Grenz-werten für Schadstoff- und andere Emissionen oder Änderungen bei der steuerlichen Belastung von Auto-mobilen.

Branchenspezifische kritische EntwicklungsschwellenDie endogenen Faktoren bauen einen Druck auf die Unternehmen einer Branche auf. Dieser „Druckaufbau“ erfolgt in der Regel nicht kurzfristig, sondern über einen mehr oder weni-ger langen Zeitraum. Häufig sind es dann exogene Faktoren, die zu einer kritischen Entwicklungsschwelle füh-ren. In der Regel kündigt sich eine solche Schwelle in wichtigen Bran-chen- und Unternehmenskennzah-len an (beispielsweise Neu- und Gebrauchtwagenverkäufe, Verschie-bungen in den Marktsegmenten, Restwertentwicklung, Ertragskenn-zahlen der Unternehmen).

Marktbezogene WettbewerbsfähigkeitFaktoren der marktbezogenen Wett-bewerbsfähigkeit sind: • Produktqualität, • Attraktivität des Modellprogramms, • Preisstellung im Markt, • Imagepositionierung.

Ressourcenbezogene WettbewerbsfähigkeitFaktoren der ressourcenbezogenen Wettbewerbsfähigkeit sind • der Zugang zum Kapitalmarkt (Eigen- und Fremdkapital), • der Zugang zu Technologien (eigene F & E-Aktivitäten, Leistungsfähigkeit der Lieferantenstruktur), • der Zugang zu personellen Ressour- cen (Attraktivität als Arbeitgeber), • Prozess- und IT-Kompetenz, Qualität des Managements (Strategie-, Führungs- und Umsetzungskompetenz).

MarktaustrittsbarrierenRelevante Marktaustrittsbarrieren in der Automobilbranche sind • „Sunk Costs“, • politischer Druck und staatliche Subventionen, • Commitment und die Abhängig- keit des Managements vom Unternehmen.

MarkteintrittsbarrierenDie wichtigsten Markteintrittsbarrie-ren in der Automobilbranche sind • das Vorhandensein von Skalen- effekten, • die Notwendigkeit des Aufbaus eines flächendeckenden Vertriebs- und Servicenetzes, • vorhandene Markenpräferenzen der Kunden. ©

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2.3 Phasen des Konsolidierungsprozesses

2.3.1 Überblick

Der Konsolidierungsprozess der euro-päischen Automobilindustrie hat vier Phasen durchlaufen (Abbildung 3):

• Die erste Konsolidierungswelle erfolgte in den 20er- und 30er-Jahren und führte zu einer star-ken und nachhaltigen Bereinigung des Marktes von zahlreichen, überwiegend kleinen und hand-werklich-technisch geführten „Erfinder“-Unternehmen. Dieser Big Shakeout beendete die Pio-nierphase der Branche.

• Mitte der 50er-Jahre erfolgte eine zweite Konsolidierungswelle, in der zahlreiche, nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in den Markt eingetretene, Unternehmen ver-schwanden. In gewisser Weise stellt diese Phase eine Fortset-zung der durch den Krieg unter-brochenen Konsolidierungswelle dar. Allerdings verschwanden auch zahlreiche Unternehmen, die erst nach dem Krieg in den Markt ein-getreten waren.

• Die dritte Konzentrationswelle setzte Mitte der 60er-Jahre ein. Sie begann in einer Zeit, als sich die hohen Wachstumsraten der Branche allmählich abschwäch-ten und sich der Markt von einem Verkäufer- zu einem Käufer-Markt wandelte.

• Die vierte Konsolidierungswelle wurde in den 90er-Jahren durch-laufen und steht im Zusammen-hang mit der zunehmenden Glo-balisierung der Automobilmärkte. Insbesondere die Schaffung des europäischen Binnenmarktes und die Öffnung der osteuropäischen Märkte nach dem Fall des Eiser-nen Vorhangs hat zu neuen Markt- und Wettbewerbsstrukturen geführt.

Die zunehmende Konzentration der europäischen Automobilindustrie war also kein kontinuierlicher Prozess. Es lassen sich vielmehr Phasen mit nur schwachen Konzentrationsbewegun-gen von Phasen mit einer beschleu-nigten Konsolidierung unterscheiden.

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Abbildung 3 Phasen der Konsolidierung der europäischen AutomobilindustrieQuelle: IfA / KPMG

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Fallbeispiel Kleinschnittger und Fahrzeug- und maschinenbau Regensburg (FmR)

10 Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie

2.3.2 Der Big Shakeout der 20er- und 30er-Jahre

Die Erfindung des Automobils durch Carl Benz und Gottlieb Daimler im Jahr 1886 hat in der Folge eine Viel-zahl von Pionieren angezogen, die das neue Transportmittel weiterent-wickelt haben, indem sie seine Leis-tungsfähigkeit und Alltagstauglich-keit steigerten. Die vorherrschende Produktionsweise war geprägt durch handwerklich ausgerichtete Manu-fakturen, in denen Automobile für eine wohlhabende Elite hergestellt wurden. Die Markteintrittsbarrieren waren in dieser Phase niedrig, so-dass die Zahl der Automobilunter-nehmen dramatisch anstieg. In den 30er-Jahren gab es in Deutschland

mehr als 100 Automobilhersteller, die jedoch zumeist nur geringe Stückzahlen produzierten.

Henry Ford hat diese Experimentier- und Gründungsphase mit der Ein-führung der Fließbandfertigung im Jahr 1910 und der damit verbunde-nen Verbilligung des Automobils beendet. In der Folge wurde die Realisierung von Skaleneffekten zu einem entscheidenden Erfolgsfak-tor in der Branche und damit zum wichtigsten Treiber des Konsolidie-rungsprozesses, dem die meisten „Erfinder“-Unternehmen zum Opfer fielen. Marktaustrittsbarrieren für die zumeist kleinen und damit nicht „systemrelevanten“ Unternehmen waren praktisch nicht vorhanden.

In Europa war es vor allem André Citroën, der die amerikanischen Pro-duktionsmethoden studierte, sie nach und nach in seinen Automobil-werken einsetzte und somit einer der wesentlichen Impulsgeber für eine Umstellung der Produktionsmetho-den in Europa wurde. Hinzu kamen in den 30er-Jahren die Transplants von Ford und General Motors in Europa.

Verstärkt wurde der Konsolidierungs-prozess durch die Ende der 20er-Jahre einsetzende Weltwirtschafts-krise. Sie hatte zur Folge, dass die aufkeimende Nachfrage nach Auto-mobilen in den Reihen des bürger-lichen Mittelstands zusammenbrach und die zumeist unterkapitalisierten Kleinunternehmen in existenzvernich-tende Schwierigkeiten kamen.

Zwei typische Konsolidierungsopfer der 50er-Jahre in Deutschland waren die Automobilhersteller Kleinschnitt- ger und FMR. Das Unternehmen Kleinschnittger war eine Gründung des Konstrukteurs Paul Kleinschnitt-ger, der 1950 einen Kleinstwagen mit einer Aluminiumkarosserie (F 125) entwickelte, der trotz bescheidener sechs PS Motorleistung aufgrund sei-nes geringen Gewichts eine Höchst-geschwindigkeit von 70 Kilometer je Stunde erreichte. Das Fahrzeug kos-tete knapp 2.000 DM und wurde bis 1957 hergestellt (Gesamtproduktion: circa 3.000 Einheiten). Bei dem Ver-such, ein höherwertigeres Modell zu entwickeln (F 250), übernahm sich das knapp finanzierte Unternehmen und geriet 1957 in die Insolvenz. Der Automobilhersteller FMR war ein Gemeinschaftsunternehmen des Konstrukteurs Fritz M. Fend und des

ehemaligen Flugzeugbauers Willy Messerschmitt. Fend entwickelte Anfang der 50er-Jahre ein dreirädri-ges Fahrzeug mit zwei hintereinan-der angeordneten Sitzplätzen, den Messerschmitt Kabinenroller. Das Fahrzeug kostete 2.100 DM. Im Jahr 1955 wurden 12.000 Einheiten die-ses Typs verkauft, davon 30 Pro-zent in den Export. 1957 trennte sich Messerschmitt von der zwischen-zeitlich verlustreichen Kabinenroller-produktion. Die Automobilaktivitäten wurden von Fritz Fend und seinem neuen Partner, Valentin Knott, fort-geführt. Im Herbst 1957 wurde eine vierrädrige Variante des Kabinen-rollers, der FMR Tg 500 vorgestellt. Dennoch ging die Nachfrage ständig zurück. Die Produktion wurde 1964 schließlich eingestellt; Fend gründete ein Konstruktionsbüro, sein Partner Knott verlagerte seine Geschäftsakti-vitäten auf andere Bereiche.

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2.3.3 Die Nachkriegs- konsolidierung in den 50er-Jahren

Der nach dem Zweiten Weltkrieg rasch einsetzende Wiederaufbau der europäischen Volkswirtschaften und der damit verbundene Anstieg der Nachfrage nach Automobilen führte zu einer großen Zahl von Marktein-tritten. Dabei handelte es sich zum einen um Automobilhersteller, deren Produktion von Personenkraftwagen in den Kriegsjahren praktisch zum Stillstand gekommen war, zum ande-ren aber auch um Unternehmen, die eine Chance sahen, am Wachstum dieses Marktes vor allem durch das Angebot von kleinen und preiswer-ten Fahrzeugen zu partizipieren. Die Markteintrittsbarrieren waren in die-ser Phase aufgrund des geringen Anspruchsniveaus der potenziellen Kunden niedrig.

Viele der neu in den Markt einge-tretenen Unternehmen erreichten jedoch nicht das für eine wirtschaft-lich erfolgreiche Tätigkeit notwen-dige Produktionsvolumen. Dabei spielte auch eine Rolle, dass die Kun-denanforderungen mit den steigen-den Einkommen schnell zunahmen und sich mehr und mehr Kunden von den für die Erstmotorisierung gedach-ten „Billigautos“ abwandten. Auch in dieser Phase gab es praktisch keine Marktaustrittsbarrieren, sodass die Fluktuation im Markt hoch war.

2.3.4 Marktsättigung und Konsolidierung in den 60er- und 70er-Jahren

Ab Mitte der 60er-Jahre begannen sich auf den meisten europäischen Automobilmärkten die extrem hohen Zuwachsraten der unmittelbaren Nach- kriegsjahre allmählich abzuschwä-chen. Gleichzeitig kam es zu einer immer stärkeren Ausdifferenzierung des Marktes, die zum einen auf die wachsende Individualisierung der Kundenanforderungen, zum anderen auf den zunehmenden Zweitwagen-besitz zurückzuführen war. Letzteres hatte zur Folge, dass sich neben dem stark wachsenden Segment der Mit-tel- und Oberklassefahrzeuge auch ein immer größerer Markt für preis-werte, alltagstaugliche Kleinwagen entwickelte. Schließlich führte die Ölpreiskrise 1973 / 74 erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg zu teilweise dramatischen Markteinbrüchen.

Der Konsolidierungsprozess wurde in dieser Phase vor allem durch den Zwang getrieben, die Modellpaletten auszubauen und an die veränderten Kundenwünsche anzupassen. Viele Automobilhersteller waren dazu nicht mehr in der Lage.

Verstärkt wurde der Konsolidierungs-prozess dabei nicht nur durch die zunehmende Marktsättigung, son-dern auch durch eine wachsende Importkonkurrenz. Anfang der 70er-Jahre brach das Währungssystem von Bretton Woods, das zuletzt zu einer chronischen Überbewertung des US-Dollars geführt hatte, zusam-men, was Importe aus dem Dollar- Währungsraum deutlich verbilligte. Von dieser Entwicklung profitier-ten weniger die nordamerikanischen Automobilhersteller, deren Modell-angebot schon damals nicht für den europäischen Markt geeignet war,

sondern vor allem die japanischen Unternehmen. So fällt in diese Phase der Markteintritt nahezu aller auch heute noch auf dem Weltmarkt ver-tretenen japanischen Hersteller in die europäischen Automobilmärkte. Sie besetzten mit ihren preiswerten und zuverlässigen Kleinwagen zuneh-mend das sogenannte Entry Level-Segment, das von einigen europä-ischen Automobilherstellern nicht mehr kompetent abgedeckt wurde.

Erst in dieser Phase begannen in der europäischen Automobilindustrie Marktaustrittsschranken wirksam zu werden. Angesichts der volks-wirtschaftlichen Bedeutung, die der Automobilsektor in einer Reihe von europäischen Ländern bekommen hatte, kam es zu partiellen Marktab-schottungen durch Einfuhrbeschrän-kungen für japanische Fahrzeuge (zum Beispiel in Italien und Frank-reich) und zu staatlichen Stützungs-maßnahmen bis hin zur Verstaatli-chung von Automobilherstellern (zum Beispiel 1974 British Leyland in Groß-britannien). Die Marktbereinigung erfolgte daher nicht nur langsamer, sondern auch weniger vollständig, als dies von wirtschaftlichen Funda-mentalfaktoren her angezeigt gewe-sen wäre. Dadurch traten einige, schon in dieser Phase schwer ange-schlagene Unternehmen teilweise erst im Laufe der 80er-Jahre aus dem Markt aus.

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12 Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie

Fallbeispiel Konsolidierung durch Globalisierung: volkswagen

Durch die geopolitischen Verände-rungen zu Beginn der 90er-Jahre änderten sich auch die Wettbewerbs- strukturen auf dem europäischen Automobilmarkt. Unter Druck gerie-ten die letzten nationalen Bastionen von Automobilherstellern.

Seat wurde 1950 als Staatsunter-nehmen gegründet und produzierte bis in die 80er-Jahre in Lizenz Fiat-Fahrzeuge. Geschützt durch hohe Importbarrieren dominierte Seat den spanischen Automobilmarkt. Mit der Errichtung des europäi-schen Binnenmarktes war klar, dass Seat unter den Druck einer mas-siv ansteigenden Importkonkurrenz kommen würde. Vor diesem Hinter-grund setzte eine strategische Neu-orientierung ein: Seat musste seine internationale Wettbewerbsfähig-keit und seine Präsenz auf Märkten außerhalb Spaniens erhöhen. Mit der

Übernahme von Seat durch VW soll-ten diese strategischen Ziele erreicht werden. Für Volkswagen bedeutete die Übernahme einen schnellen Ein-stieg in den spanischen Markt und eine Erweiterung des Markenportfo-lios um eine preislich unterhalb von VW positionierte Marke.

Auch Škoda hatte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs keine Überlebens- chance. Obwohl eine in Osteuropa hoch geschätzte Marke, waren die Fahrzeuge von Škoda international nicht wettbewerbsfähig. Mit der Übernahme durch VW im Jahr 1991 wurde das Überleben der Marke gesichert. Umgekehrt verschaffte sich VW damit einen Zugang zu vielen osteuropäischen Märkten und konnte mit Škoda preiswerte Fahr-zeuge auf den westeuropäischen Märkten anbieten.

2.3.5 Globalisierung und Konsolidierung in den 90er-Jahren

Der wichtigste Treiber des Konsoli-dierungsprozesses in den 90er-Jah-ren war die zunehmende Globali-sierung des Weltautomobilmarktes. Dabei spielten zwei politische Ent-wicklungen eine entscheidende Rolle: zum einen die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes zum 1. Januar 1993, durch den die noch bestehenden Handelsbeschränkun-gen in der Europäischen Union weit-gehend beseitigt wurden, zum ande-ren der Fall des Eisernen Vorhangs, wodurch zahlreiche neue Staaten Mittel- und Osteuropas in die Welt-wirtschaft einbezogen wurden.

Der Prozess der Globalisierung hatte eine nochmalige Verschärfung der Wettbewerbssituation auf dem euro-päischen Automobilmarkt zur Folge. Insbesondere durch die Öffnung Ost-europas und den Aufbau von Pro-duktionsstätten an den dortigen Low Cost-Standorten nahm der Kosten- und Preiswettbewerb weiter zu. Par-allel dazu führte der Markteintritt koreanischer Fabrikate zu einer noch-mals wachsenden Importkonkurrenz.

Zu echten Marktaustritten kam es in dieser Phase kaum. Eines der Globa-lisierungsopfer, Rover, verschwand nach der Übernahme und nachfol-genden Trennung von BMW sowie einer Phase der wirtschaftlichen Selbstständigkeit erst im Jahr 2005

aus dem Markt. Auch eine Reihe von nicht wettbewerbsfähigen, auf den osteuropäischen Markt konzen-trierten Herstellern wie Trabant und Wartburg wurde zum Marktaustritt gezwungen. Zahlreiche Automobil-hersteller verloren zwar ihre Unab-hängigkeit, wurden aber von größe-ren Herstellern übernommen und als Marken weitergeführt (zum Beispiel Seat, Škoda).

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13

„Langfristig werden nur sechs Auto-mobilhersteller weltweit überleben“, orakelte schon in den 90er-Jahren der damalige Vorstandsvorsitzende von VW, Ferdinand Piëch – eine Prognose, die unlängst von Fiat-Chef Sergio Marchionne wiederholt wurde. Doch wie viele Automobilher-steller gibt es eigentlich heute ?

Die Frage scheint banal: Der Kreis der Automobilhersteller ist übersicht-lich und schnell quantifizierbar. Tat-sächlich ist die Frage aber kompli-zierter, denn neben den großen und global tätigen Herstellern gibt es eine kaum noch überschaubare Zahl kleiner und lediglich national tätiger Unternehmen. Allein in China gibt es Schätzungen zufolge noch immer mehr als 100 rechtlich und wirt-schaftlich selbstständige Automobil-hersteller.

Die Frage nach der tatsächlichen Zahl der Automobilhersteller hat nur scheinbar akademischen Charakter. Für viele Zulieferer ist sie von gro-ßer Bedeutung, denn letztlich geht es hier um die Zahl ihrer Kunden und damit auch um die Größe des relevanten Marktes für bestimmte Aggregate und Komponenten sowie für Anlagen und Werkzeuge.

Zunächst hängt die Antwort auf die Frage, wie viele Automobilherstel-ler es tatsächlich gibt, von definitori-schen Eingrenzungen ab: Kann man Kleinsthersteller wie Pagani und Don-kervoort oder auch Unternehmen wie Caterham und Morgan zum Kreis der Automobilhersteller zählen ? Nimmt man in den Kreis der Automobilher-steller nur global tätige Hersteller auf, wie grenzt man dann einen glo-bal von einem lediglich national täti-gen Hersteller sinvoll ab ? Ist Tata beispielsweise schon ein globaler oder noch ein nationaler Hersteller ?

Letztlich lassen sich diese Fragen nicht wissenschaftlich exakt beant-worten, da jedes gewählte Krite-rium zur Abgrenzung des Kreises der Automobilindustrie angreifbar ist. Was bleibt, ist die faktische Plausibi-lität, die aber immer nur zu Größen-ordnungen und nicht zu statistisch exakten Zahlen führt.

Nimmt man auf Größe und globale Absatzstreuung keine Rücksicht, so dürfte es weltweit mehr als 100 rechtlich und wirtschaftlich selbst-ständige Unternehmen geben, die Automobile herstellen. Lässt man die erfassbaren Kleinsthersteller mit einem Produktionsvolumen von weniger als 1.000 Einheiten unbe-rücksichtigt, verbleiben gleichwohl noch 60 bis 70 Unternehmen. Wie viele davon können zu den wirklich global tätigen Herstellern gezählt werden ?

Exkurs Wie viele Automobilhersteller gibt es weltweit ?

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14 Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie

Abbildung 4 Ranking der Automobilhersteller in 2008Quelle: OICA, 2009

Rank 1 2 3 4 5 6 7 8 91011121314151617181920212223242526272829303132333435363738394041424344454647484950Total

GroupToyotaGeneral MotorsVWFordHondaNissanPSAHyundaiSuzukiFiatRenaultDaimlerChryslerBMWKiaMazdaMitsubishiAvtoVAZTataFAWFujiISUZUChana AutomobileDongfengBeijing AutomotiveCherySaicVolvoBrillianceHarbin HafeiGeelyAnhui JianghuaiBYDGAZMahindraProtonGreat WallPaccarChongqing LifanMANJiangyi ChangheChina NationalPorscheLuazNavistarScaniaShannxi AutoUAZAshok LeylandKuozui

Total 9.237.780 8.282.803 6.437.414 5.407.000 3.912.700 3.395.065 3.325.407 2.777.137 2.623.567 2.524.325 2.417.351 2.174.299 1.893.068 1.439.918 1.395.324 1.349.274 1.309.231 801.563 798.265 637.720 616.497 538.810 531.149 489.266 446.680 350.560 282.003 248.991 241.553 226.754 220.955 207.711 192.971 187.053 162.816 157.306 129.651 125.084 122.783 108.053 107.422 106.377 96.721 90.548 90.264 79.874 75.220 72.181 71.485 67.891 69.561.356

Cars 7.768.633 6.015.257 6.110.115 3.346.561 3.878.940 2.788.632 2.840.884 2.435.471 2.306.435 1.849.200 2.048.422 1.380.091 529.458 1.439.918 1.310.821 1.241.218 1.175.431 801.563 489.742 637.720 552.096 531.149 489.266 446.680 350.560 282.003 241.553 226.754 220.955 207.711 192.971 22.043 100.615 156.813 129.651 122.783 107.422 96.721 88.316 75.220 30.953 63.827 55.846.163

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Die Statistik des Weltautomobil-verbands OICA für das Jahr 2008 umfasst 50 Automobilhersteller, wobei es sich bei 42 dieser Unter-nehmen um Pkw-Hersteller handelt (Abbildung 4).

Berücksichtigt man die Kapitalver-flechtungen zwischen diesen Auto-mobilherstellern, reduziert sich de-ren Zahl auf 32. Bildet man daraus ein Ranking, können die 13 größ-ten Hersteller zweifellos als global bezeichnet werden, da sie in der Tat eine breite internationale Streu-ung der Produktion und vor allem des Absatzes aufweisen. Als teil-weise globalisierte Hersteller kön-

nen acht Unternehmen bezeichnet werden, da sie nicht unbedeutende internationale Aktivitäten aufwei-sen, grundsätzlich aber nach wie vor einer starken Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Heimatmarkt unterliegen. Als lediglich national tätige Herstel-ler verbleiben dann noch neun Unter-nehmen. Tatsächlich ist deren Zahl – wie oben bereits erwähnt – natürlich höher, da in der OICA-Statistik nicht alle Hersteller, sondern lediglich die 50 größten erfasst werden, gemes-sen an der Produktionsmenge.

Für die vorliegende Studie ist diese Klassifizierung durchaus bedeutsam. Wie bereits gezeigt wurde, ist die

marktbezogene Konsolidierung der Automobilbranche kein kontinuier-licher Prozess, sondern wird immer wieder durch Phasen der Dekon- solidierung unterbrochen. Diese Perioden entstehen dadurch, dass sich bislang lediglich national tätige Hersteller in den Kreis der internationalen Automobilhersteller hinein entwickeln und sich die Zahl der Wettbewerber auf den einzelnen Märkten damit vorüber-gehend deutlich erhöht.

Abbildung 5 Automobilhersteller im ÜberblickQuelle: IfA / KPMG

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Grad der Globalisierung

hochniedrig

BMWDaimlerFiat-ChryslerFordFuji (Subaru)General MotorsHondaHyundaiMitsubishiPSARenault-NissanToyotaVW

nie

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gh

och

DongfengFAWGeelyGreat WallHarbin HafeiJiangxi ChangheSAIC

RusslandAutoVAZGAZ

MalaysiaProon

IndienMahindraTata

ChinaAnhui JianghuaiBAWBrilliance BYD Changan („Chana“)CheryChongqing Lifan

19 13

Klein- und Kleinstserienhersteller mit geringer Fertigungstiefe und unterschiedlicher globaler Verbreitung (z.B. Aston Martin, Morgan, Wiesmann)

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Die empirische Evidenz des entwi-ckelten Modells (Abbildung 2) ist hoch. Es ist geeignet, den tatsäch-lichen Konsolidierungsprozess in der europäischen Automobilindustrie, bezogen auf die vier genannten Pha-sen, anschaulich darzustellen.

Auch länderbezogen ist das Erklä-rungspotenzial des Modells hoch. Gleichwohl gibt es einige Faktoren der nationalen Branchenkonsolidie-rung, die in dem allgemeinen Modell nicht berücksichtigt werden können, da sie auf nationale Besonderheiten zurückzuführen sind. Darauf wird in den folgenden länderspezifischen Darstellungen eingegangen.

Nationale Sonderentwicklungen be-einträchtigen die Struktur und Aus-sagekraft des dargestellten Modells nicht. Vielmehr können Sonderfakto-ren als zusätzliche Verstärker in das Modell integriert werden und damit seine Erklärungskraft auf nationaler Ebene erhöhen. In Kapitel 3 soll daher auf Basis dieses Modells an zwei ausgewählten Szenarien der weitere Konsolidierungsverlauf in der Automobilbranche prospektiv darge-stellt werden.

Die nachfolgende Darstellung länder-spezifischer Konsolidierungsprozesse erhebt keinen Anspruch auf chrono-logische Vollständigkeit im Sinne eines historischen Überblicks. Viel-mehr soll gezeigt werden, dass die Triebkräfte und Einflussfaktoren des hier entwickelten Branchenmodells in allen Industriezweigen wirksam waren. Die folgenden Ausführungen beschränken sich im Wesentlichen auf die Darstellung von Besonder-heiten und konzentrieren sich auf die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg.

16 Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie

2.4 Länderspezifische entwicklungen

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2.4.1 Die Konsolidierung der deutschen Automobilindustrie

Der Konsolidierungsprozess in der deutschen Automobilindustrie weist folgende drei Besonderheiten auf:

• Die Zahl der nach dem Zweiten Weltkrieg neu in den Markt ein-tretenden Automobilhersteller war in Deutschland besonders hoch. Dabei handelte es sich in der Mehrzahl um Hersteller von Klein- und Kleinstwagen. Diese Entwick-lung muss im Zusammenhang mit der fast vollständigen Zerstörung der deutschen Wirtschaft und der verkehrlichen Infrastruktur gese-hen werden. Vielfach wurde damit gerechnet, dass Deutschland viele Jahrzehnte brauchen werde, um die Kriegsfolgen zu beseitigen. Auch gab es politische Überle-gungen, eine Reindustrialisierung der deutschen Wirtschaft zu ver-hindern („Morgenthau-Plan“). Vor

diesem Hintergrund schien es wahrscheinlich, dass die Kaufkraft in Deutschland nur langsam stei-gen würde und somit Klein- und Kleinstwagen die einzige Chance für eine Erstmotorisierung wären. Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt, weshalb die Nachkriegs-konsolidierung in Deutschland deutlich stärker ausfiel als in an-deren europäischen Ländern.

• Durch die starke Ausrichtung der deutschen Automobilindustrie auf das Premiumsegment hatten Skaleneffekte für den Konsolidie-rungsprozess in Deutschland kei-nen so hohen Stellenwert wie in anderen Ländern. So konnten in Deutschland Automobilhersteller auch mit relativ kleinen Stückzah-len überleben, wobei im Fall von Daimler allerdings auch das Nutz-fahrzeuggeschäft als wesentliche Stütze des Gesamtgeschäfts be-rücksichtigt werden muss.

• Durch eine relativ liberale, stark an marktwirtschaftlichen Grund-sätzen ausgerichtete Wirtschafts-politik kam es in Deutschland bis in die jüngere Vergangenheit kaum zu staatlichen Stützungsaktionen für angeschlagene Automobilher-steller. Trotz spektakulärer Insol-venzen beziehungsweise drohen-der Firmenzusammenbrüche in den 60er-Jahren – wie etwa im Fall des Herstellers Borgward mit 20.000 Beschäftigten in Deutsch-land – griff der Staat nicht in den Marktbereinigungsprozess ein.

Die Konsolidierung der deutschen Automobilindustrie war daher Anfang der 70er-Jahre praktisch abgeschlos-sen, wie Abbildung 6 zeigt.

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Auto Union / DKWBMWBorgwardMesserschmitt, FMRGoggomobilGoliath, Hansa, LloydMercedes-BenzNSUNSU-FiatPorscheVW

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AudiAuto Union / DKW **BMWBorgward, Lloyd, HansaGlas *GoggomobilMercedes-BenzNSUPorscheVW

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Transplants der amerikanischen Hersteller bleiben unberücksichtigt.* Die Marke Glas produzierte nur in den 60er-Jahren; 1966 erfolgte die Übernahme durch BMW.** Auto Union / DKW, NSU sowie Audi sind / werden Marken der Volkswagen-Gruppe.

Abbildung 6 Die Konsolidierung der deutschen AutomobilindustrieQuelle: IfA / KPMG

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18 Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie

Aufgrund ihrer stark internationalen Ausrichtung und einer schon seit Jahrzehnten intensiven Importkon-kurrenz – auch dies eine Folge der liberalen Wirtschaftspolitik – waren die deutschen Automobilhersteller von der Phase der Globalisierung nicht negativ betroffen. Im Gegenteil: Sie haben in dieser Phase eine aktive Konsolidierungsstrategie verfolgt, die jedoch nur teilweise erfolgreich war. So konnte Volkswagen mit Seat und Škoda zwei andere europäische Automobilhersteller übernehmen, BMW übernahm Rover und Daim-ler vollzog einen „Merger of Equals“ mit Chrysler. Beide Merger erwie-sen sich als nicht erfolgreich und haben zu entsprechenden Demer-gers geführt.

Porsche hat den Übernahmekampf mit Volkswagen im Jahr 2009 ver-loren. Der Übernahmeversuch von Porsche begann als genialer Coup, wurde jedoch durch die Wirtschafts-krise sowie die strategische Stärke der Volkswagen AG verhindert. Im Ergebnis wird Porsche künftig als Marke von Volkswagen geführt.

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Die deutsche Automobilindustrie durchlief in den 60er-Jahren nach dem Ende des Wirtschaftswunders eine tief greifende Konsolidierungs-welle, die im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten nicht durch staatliche Rettungspläne aufgehalten oder verzögert wurde.

• Anfang der 60er-Jahre ging der Automobilhersteller Borgward mit seinen Marken in Konkurs. Die Ursachen für diesen Konkurs waren eine verfehlte Marken- und Modellpolitik, insbesondere die zu schnellen Modellwechsel und technischen Modifikationen an den Fahrzeugen. Sie hatten zur Folge, dass Borgward trotz innova-tiver Technik und vergleichsweise hohen Stückzahlen nicht dauerhaft in die Gewinnzone kam.

• Die Auto Union war in den 50er-Jahren mit ihrer Marke DKW auf dem deutschen Markt sehr erfolg-reich. Mit ihren Dreizylindermoto-ren waren die Fahrzeuge kosten-günstig und relativ verbrauchsarm. In der Erwartung, der europäische Automobilmarkt werde sich in Zukunft immer stärker in Richtung Kleinfahrzeuge entwickeln, wurde die Auto Union 1958 von Daimler- Benz aufgekauft. Als deutlich wur-de, dass es nicht zu der befürch- teten Verschiebung der Marktseg-mente kommen würde, verkaufte Daimler-Benz seine Gesellschafter- anteile an VW. 1965 brachte VW, nun unter dem Markennamen Audi, den ersten Viertakter aus dieser Allianz auf den Markt (Audi F103).

• Mit NSU verschwand Ende der 60er-Jahre ein weiterer Automo-bilhersteller vom Markt. Nach-dem das Unternehmen zunächst mit Kleinwagen sehr erfolgreich war (NSU Prinz), entwickelte man 1967 den revolutionären und stil-bildenden NSU Ro 80, der aber wirtschaftlich kein Erfolg war. 1969 wurde NSU von der Auto Union übernommen, die ab 1985 als Audi AG im VW-Konzernver-bund firmierte.

• Auch die Geschichte des Unter-nehmens Hans Glas begann mit der Produktion eines Kleinwagens, des Goggomobils. Als deutlich wurde, dass sich der Markt in Richtung höherwertiger Fahr-zeuge entwickelte, versuchte der Ingenieur Hans Glas mit Sport-wagen dieser Entwicklung zu folgen. 1968 wurde das Unter-nehmen von BMW übernommen und 1969 die Produktion des letzten Glas-Fahrzeugs, des Goggomobils, eingestellt.

Mit der Konsolidierungswelle in den 60er-Jahren war der Konzentrations-prozess in der deutschen Automobil- industrie faktisch abgeschlossen – früher als in den meisten anderen europäischen Automobilländern.

Fallbeispiel Die Konsolidierung der 60er-Jahre: Borgward, auto union, NSu und Hans Glas GmbH

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20 Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie

Fallbeispiel von Peugeot zur PSa

Peugeot wurde in den 70er- und frühen 80er-Jahren zum wichtigsten Treiber des Konsolidierungsprozesses in der französischen Automobilindus-trie. Zunächst übernahm Peugeot 1975 Citroën und anschließend, im Jahr 1978, die europäischen Aktivi-täten von Chrysler mit den Marken Simca und Matra. Aus Gründen des Marketings wurde Simca im Jahr

1979 in Talbot umbenannt – ein Hersteller, den wiederum Simca im Jahr 1959 gekauft hatte. Allerdings erwies sich diese Marke langfris-tig als nicht wettbewerbsfähig und wurde daher im Jahr 1986 einge-stellt. Wie bereits erwähnt, versucht PSA seine relativ kleine Größe durch eine aktive Kooperationspolitik zu kompensieren.

2.4.2 Die Konsolidierung der französischen Automobilindustrie

Der Konsolidierungsprozess in Frank-reich war durch die beiden folgenden Besonderheiten geprägt:• Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg

hatten sich in Frankreich zwei wich- tige Konzerne mit einer hohen Marktdominanz herausgebildet: Citroën und Renault. Dies erschwer- te anderen Unternehmen nach Kriegsende den Markteintritt, so- dass der Konsolidierungsprozess in den 50er- und 60er-Jahren kaum Hersteller von Klein- und

Kleinstwagen, sondern im Wesentlichen die Hersteller von Luxusautomobilen erfasste.

• Die traditionell interventionistische Wirtschaftspolitik in Frankreich hat zu massiven Eingriffen in den Konsolidierungsprozess der Auto-mobilindustrie geführt. Die Bran-chenkonsolidierung in Frankreich wurde dadurch verzögert und in ihren Folgen abgemildert.

Auch die französischen Hersteller haben versucht, die Phase der Glo-balisierung zu nutzen, um ihre Posi-tion im Markt zu stärken:

• PSA verfolgt eine sehr aktive Ko-operationsstrategie auf der Basis von Komplettfahrzeugen (Toyota) beziehungsweise von Motoren (BMW).

• Renault betrieb in den letzten Jah- ren eine aktive Konsolidierungs-strategie, die zu einer Überkreuz-beteiligung mit Nissan, zur Über-nahme von Dacia und SsangYong sowie zu einer Minderheitsbeteili-gung bei AvtoVAZ geführt hat.

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CitroënPanhardPeugeotRenaultSimca

5

CitroënPeugeotRenault

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Abbildung 7 Die Konsolidierung der französischen AutomobilindustrieQuelle: IfA / KPMG

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2.4.3 Die Konsolidierung der britischen Automobilindustrie

Der Konsolidierungsprozess in der britischen Automobilindustrie muss im Gesamtzusammenhang mit der allgemeinen wirtschaftlichen Ent-wicklung Großbritanniens gesehen und verstanden werden. Generell war diese Entwicklung durch eine fortschreitende Deindustrialisierung gekennzeichnet, die ihre Ursachen in einem hohen gewerkschaftlichen Einfluss auf einzelne Unternehmen und die Privatwirtschaft hatte. So kann der Niedergang der britischen Automobilindustrie in den 60er- und 70er-Jahren nicht ohne die domi- nierende Rolle der Gewerkschaften erklärt werden – wobei damit nicht

behauptet werden soll, dass nicht auch andere Faktoren zu diesem Nie-dergang beigetragen haben. Insbe-sondere das System der sogenann-ten Shop Stewards hat dazu geführt, dass zwar schmerzliche, aber not-wendige Strukturanpassungen in den Unternehmen immer wieder hinaus-geschoben wurden – mit der Folge eines raschen Verfalls der internatio- nalen Wettbewerbsfähigkeit. Erst Mitte der 80er-Jahre konnte die Deindustrialisierung Großbritanniens durch einen Wechsel in der Wirt-schaftspolitik und weitreichende Strukturreformen gestoppt und teil-weise umgekehrt werden. Das war aber zu spät, um die verbliebenen automobilwirtschaftlichen Aktivitäten dauerhaft zu retten.

Mit der Übernahme von Jaguar durch Ford und der Insolvenz von Rover im Jahr 2005 endet die Geschichte der britischen Automobilindustrie (Abbil-dung 8). Verblieben sind lediglich einige renommierte Kleinserienher-steller, allen voran Aston Martin und Morgan. Jaguar wurde im Jahr 2009 von der indischen Tata-Gruppe über-nommen.

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Aston MartinBMCBritish LeylandRootesRolls-RoyceLotus

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Aston MartinBLMCRolls-RoyceLotus

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Austin Rover *

1Rover ** 0 Rover ** 0

* Austin Rover Group, vormals BLMC** 1994 Übernahme durch BMW, ab 2000 bis 2005 wieder selbstständig

Abbildung 8 Die Konsolidierung der britischen AutomobilindustrieQuelle: IfA / KPMG

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Der Konsolidierungsprozess der britischen Automobilindustrie vollzog sich in zwei Wellen:

• Die erste Welle erfolgte Anfang der 50er-Jahre mit der Gründung der British Motor Corporation (BMC), einem Zusammenschluss der Unternehmen Austin und Nuffield. Der Konzern vereinigte Marken wie Austin, Mini, Morris, MG, Vanden Plas, Riley, Wolse-ley und Austin-Healey. Im Laufe der Jahre kam es zu einer allmäh-lichen Bereinigung des Marken- und Produktportfolios, die jedoch nicht ausreichte, BMC nachhaltig profitabel werden zu lassen.

• Die zweite Konsolidierungswelle setzte Mitte der 60er-Jahre ein. Zunächst schlossen sich im Jahr 1966 BMC und Jaguar zur British Motor Holding (BMH) zusammen und bereits 1968 folgte die Fusion der BMH mit der Leyland Motor Corporation zur British Leyland Motor Corporation (BLMC).

British Leyland wurde zum Symbol des Niedergangs nicht nur der Auto-mobilindustrie, sondern der Industrie in Großbritannien insgesamt. Zwar verfügte das Unternehmen über ein breites Marken- und Produktport-folio, sodass es den Anforderungen eines zunehmend ausdifferenzier-ten Automobilmarktes hätte gerecht werden können. Faktisch gelang es aber nicht, den Mehrmarken-Kon-zern strategisch auszurichten, was unter anderem bedeutet hätte, ein-zelne Marken aus dem Portfolio zu eliminieren. Hinzu kamen erhebliche Qualitätsprobleme und eine geringe Produktivität in den mehr als 40 Pro-duktionsstätten. Das System der sogenannten Shop Stewards ver-hinderte eine Neustrukturierung der Produktionsaktivitäten.

Als British Leyland 1975 zahlungsun-fähig war, wurde das Unternehmen verstaatlicht, was aber den weiteren Rückgang von Absatz und Produktion nicht verhindern konnte. Im Zuge des politischen Wandels unter Margaret Thatcher in den 80er-Jahren wurde British Leyland unter dem neuen Namen Austin Rover Group repriva-tisiert und Jaguar 1984 verkauft. Ab 1988 firmierte das Unternehmen unter dem Namen Rover, nachdem Honda eine 20-Prozent-Beteiligung erworben hatte. Das Ende von Rover kam, nachdem zunächst BMW 1994 das Unternehmen übernommen, es dann aber aufgrund steigender Ver-luste im Jahr 2000 an die Phoenix Venture Group verkauft hatte. Auf-grund der zu geringen Stückzahlen war die Weiterführung von Rover von vorneherein ein aussichtsloses Unterfangen. Im Jahr 2005 musste Rover Insolvenz anmelden.

22 Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie

Fallbeispiel British Leyland und der Niedergang der britischen automobilindustrie

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2.4.4 Die Konsolidierung der italienischen Automobilindustrie

Die Struktur der italienischen Auto-mobilindustrie war unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg durch die starke Dominanz des Fiat-Konzerns geprägt, der den italienischen Markt in den 50er-Jahren beherrschte, sodass Markteintritte wenig aus-sichtsreich waren. Andere Herstel-ler hatten eher den Charakter von Nischenanbietern, zumeist im sport-lich-hochpreisigen Bereich.

Sie alle kamen im Laufe der Jahre zumeist aufgrund interner Probleme unter einen wachsenden Konsolidie-rungsdruck. So wurde Lancia bereits 1969 von Fiat übernommen, Alfa Romeo im Jahr 1986. Außerdem beteiligte sich Fiat seit 1969 an Fer-rari, wozu später – nach einer sehr wechselvollen Geschichte – auch noch Maserati kam.

Der Fiat-Konzern war daher ein akti-ver Treiber der Branchenkonsolidie-rung, indem nach und nach die ande-ren italienischen Automobilhersteller übernommen wurden. Dabei wurde Fiat direkt und indirekt durch die itali-enische Regierung unterstützt: direkt durch staatliche Subventionen in zum Teil beträchtlicher Höhe, zum Bei-spiel für die Ansiedlung von neuen Automobilfabriken in strukturschwa-chen Regionen, indirekt durch staat-liche Einfuhrbeschränkungen, die bis Anfang der 90er-Jahre Bestand hat-ten und vor allem der Abwehr gegen die japanischen Hersteller dienten.

Gestärkt wurde Fiat außerdem durch den Verkauf einer Put-Option im Jahr 2005, die General Motors verpflich-tet hätte, Fiat vollständig zu überneh-men. General Motors war seit dem Jahr 2000 mit zehn Prozent an Fiat beteiligt.

In den 90er-Jahren drohte Fiat lange Zeit zu einem Globalisierungsopfer zu werden. Vor allem aufgrund der stei-genden Importkonkurrenz erodierte die traditionell starke Marktposition von Fiat in seinem Heimatmarkt. Mit dem Einstieg bei Chrysler versucht Fiat seine internationale Marktpo-sition zu stärken und zum globalen Konsolidierungsgewinner zu werden (Abbildung 9).

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AbarthAlfa RomeoAtomo *CisitaliaFerrariFiatFimer **Isetta *LanciaMaseratiMicrobo *MorettiNardiOpesOscaSiataStanguelliniVolpe **Volugrafo **

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Alfa RomeoDe TomasoFiatIso RivoltaLanciaMaserati

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Alfa RomeoFiatInnocenti

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FiatLamborghini

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* Dreiradwagen ** Kleinstwagen

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Abbildung 9 Die Konsolidierung der italienischen AutomobilindustrieQuelle: IfA / KPMG

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Wird sich der Konsolidierungsprozess in der chinesischen Automobilindus-trie nach europäischem Muster voll-ziehen oder einen anderen Weg als den im entwickelten Branchenmodell vorgezeichneten Verlauf nehmen ?

Zunächst einmal gilt es festzustel-len, dass die heutige Überbesetzung des chinesischen Automobilmark-tes andere Ursachen als die der europäischen Märkte in den 20er- oder 50er-Jahren hat. Während es in Europa erfindungsreiche Ingeni-eure und mutige Unternehmensgrün-der waren, die an dem absehbaren Marktwachstum partizipieren woll-ten, entstand die Vielzahl der chine-sischen Automobilhersteller noch unter dem kommunistischen Regime unter Mao Tse Tung. Anders als die Zentralverwaltungswirtschaft in der Sowjetunion, die geprägt durch Stalin auf eine starke Schwer- und verarbeitende Industrie mit großen Kombinaten setzte, verfolgte die Kommunistische Partei Chinas eine eher dezentral angelegte Wirtschafts- politik, die einzelnen Provinzen eine relativ große Freiheit gewährte.

Die Folge war das Entstehen einer Vielzahl von Klein- und Kleinstunter- nehmen, deren Ursprünge nicht in der Erfindung neuer technischer Lösungen lagen, sondern in einer handwerklichen Tradition: Die meis-ten der chinesischen Automobilher-steller aus der kommunistischen Periode des Landes waren und sind Manufakturen, die auf Basis zumeist veralteter Technik Automobile mit einem geringen Automatisierungs-grad herstellen und – gemessen an internationalen Maßstäben – kaum als wettbewerbsfähig bezeichnet werden können.

Diese Periode ist bestimmt von der Gründung der Volksrepublik China 1949 bis zur wirtschaftlichen Öff-nung des Landes um 1978. Hier-bei entstand durch die Zusammen-arbeit mit der Sowjetunion als auch durch Einwirken der chinesischen Regierung eine sich dezentral ent-wickelnde industrielle Struktur im Automobilsektor, der bis heute der Charakter der Manufaktur zugeord-net werden kann.

Überblickt man heute die Branchen-struktur in China, so lassen sich im Wesentlichen vier Typen von Auto-mobilunternehmen unterscheiden:

• eigenständige national-privat- wirtschaftlich organisierte Unter- nehmen (zum Beispiel Brilliance),

• eigenständige staatliche Unter-nehmen (zum Beispiel Chery),

• Joint Ventures mit westlichen Herstellern, die aber selbst eigene Modelle entwickeln (zum Beispiel SAIC) und

• Joint Ventures als reine Produk-tionsunternehmen (zum Beispiel Changan).

Das entwickelte Branchenmodell soll- te sinnvollerweise nur auf die erste Gruppe von Automobilherstellern an-gewandt werden, da bei den anderen Unternehmenstypen staatliche oder internationale Einflüsse den Konsoli-dierungsprozess steuern werden.

Was den rein national-privatwirt-schaftlichen Sektor der chinesischen Automobilindustrie anbelangt, kann man feststellen, dass dieser etwa der europäischen Automobilindustrie der 50er-Jahre entspricht. Wesentli-cher Treiber der künftigen Branchen-konsolidierung ist daher die Notwen-digkeit, Skaleneffekte zu realisieren. Verstärkt wird dieser Treiber durch die steigenden Kundenanforderun-gen, die sich immer stärker an west-lichen Qualitäts- und Technologie-niveaus ausrichten.

Die Marktaustrittsbarrieren sind als gering anzusehen, da die chinesische Zentralregierung angesichts der Viel-zahl von Joint Venture-Unternehmen keine Notwendigkeit zur Rettung ein-zelner Kleinhersteller sehen dürfte. Vor diesem Hintergrund ist in den nächsten Jahren mit einer deutlichen und nachhaltigen Bereinigung des national-privatwirtschaftlichen Sek-tors der chinesischen Automobilin-dustrie zu rechnen.

24 Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie

Exkurs Branchenkonsolidierung in China – Sonderweg oder europäisches Vorbild ?

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25

2.5 Der Zusammenhang zwischen Hersteller- und markenkonzentration

Hersteller- und Markenkonzentration sind nicht zwangsläufig miteinander verbunden. Zwar führt der Marktaus-tritt eines Herstellers auch zum Ver-schwinden einer oder mehrerer Mar-ken, sofern diese nicht von anderen Herstellern übernommen werden. Gerade dieser Fall – die Übernahme von Marken in das Markenportfolio eines anderen Herstellers – ist, wie zahlreiche Beispiele zeigen, ausge-sprochen häufig. Sie kann dabei so erfolgen, dass ein Hersteller einen anderen zusammen mit seinen Mar-ken übernimmt oder dass ein Her-steller eine oder mehrere Marken an andere Hersteller verkauft.

Umgekehrt können aber auch Mar-ken sterben, ohne dass deshalb der Hersteller verschwindet. Gerade die jüngere Vergangenheit zeigt in der Automobilbranche eine Häufung von

Fällen, in denen Markenportfolios durch eine vollständige Markeneli-mination bereinigt wurden (zum Bei-spiel General Motors, Ford).

Der Grund für das mögliche Ausein-anderfallen von Hersteller- und Mar-kenkonzentration besteht darin, dass die Überlebensfähigkeit von Unterneh- men anderen ökonomischen Faktoren unterliegt als die Überlebensfähigkeit von Marken. Ob eine Marke überlebt, hängt letztlich davon ab, ob die mar-kenspezifischen Erlöse höher sind als die markenspezifischen Kosten, wobei in der Erlösbetrachtung selbst-verständlich auch Kannibalisierungs-effekte in Rechnung zu stellen sind.

Tendenziell ist der Prozess der Her-stellerkonzentration in der Automobil-branche stärker ausgeprägt als der Prozess der Markenkonzentration,

was in der Vergrößerung der Marken- portfolios zum Ausdruck kommt. Er-klärt werden kann diese Entwicklung durch die Ausdifferenzierung des Marktes auf der einen, die beschränk- te Dehnbarkeit von Marken auf der anderen Seite. Oder anders ausge-drückt: Der sich immer stärker in eine wachsende Zahl von Segmenten ausdifferenzierende Automobilmarkt kann nur mit mehreren Marken voll-ständig abgedeckt werden.

Allerdings zeigt sich auch, dass mit der wachsenden Zahl von Marken und der Ausdehnung der Modell-paletten innerhalb dieser Marken die Kannibalisierungsrisiken steigen und damit die markenspezifischen (Mehr-)Erlöse sinken. Insofern steigt der Druck auf eine Bereinigung der Markenportfolios in der Automobil-branche.

1950 – 55

Hersteller Marken

1980

Hersteller Marken

ACAllardAlvisArmstrong-SiddeleyArnolt-BristolAston MartinBMCConnaught DaimlerElvaHealeyJaguarLagondaNuffield-Konzern MarcosMorganRootesRolls-RoyceLand-RoverStandard/Triumph

ACAllardAlvisArmstrong-SiddeleyArnolt-BristolAston MartinAustinBentleyConnaught DaimlerElvaHealeyHillmannJaguarLagondaLand-RoverMarcosMGMorganMorrisRileyRolls-RoyceSingerStandard/TriumphSunbeamWolseley

Aston MartinAustinBentley JaguarLand-RoverLotusMGMorrisRolls-RoyceRoverTriumphAustin Rover

Abbildung 10 Entwicklung der Hersteller- und Markenkonzentration in GroßbritannienQuelle: IfA / KPMG

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Abbildung 11 Überblick Szenario „Green Revolution“Quelle: IfA / KPMG

Endogene Faktoren(Treiber)

Steigender umweltpolitischer Druck auf Automobilhersteller

MarktbezogeneWettbewerbsfähigkeit

Relevanter Faktor: Umwelt-Attraktivität des Modellprogramms Ressourcenbezogene

Wettbewerbsfähigkeit

Relevante Faktoren:Zugang zum Kapitalmarkt,Zugang zu Technologien

Exogene Faktoren(Verstärker)

Gesellschaftlicher Wertewandel „Lifestyle of Health and Sustainability“

Aufgrund hoher Vorleistungen hoch, mögliche Markteintritte durch chinesische Hersteller / Energieversorger

Markteintrittsbarrieren

Keine spezifischenMarktaustrittsbarrieren

Marktaustrittsbarrieren

Ausreifezeit neue Technologie vs. Erwartungshorizont KapitalmarktBranchenspezifische kritische

EntwicklungsschwellenGefährdung von Automobilherstellern mit niedriger Profitabilität und schlechtem Zugang zum Kapitalmarkt (Rating) Überlebensfähigkeit

der Hersteller

Zahlreiche Hersteller mit hohen CO²-Emissionen

Konsolidierungspotenzial

TatsächlicheKonsolidierung

3.1 Szenario i: „Green Revolution“

Im Hinblick auf den künftigen Kon-

solidierungsprozess in der europäi-

schen Automobilindustrie sollen im

Folgenden auf der Basis des entwi-

ckelten Branchenmodells zwei Sze-

narien dargestellt werden. Die zeitli-

che Reichweite der beiden Szenarien

ist das Jahr 2025.

Dominierender Treiber in diesem Sze-nario ist der wachsende politische Druck im Hinblick auf die Umwelt- verträglichkeit von Automobilen (Ab-bildung 11). Es wird davon ausge-gangen, dass die politischen Ent-scheidungsträger sowohl durch die Vorgabe anspruchsvoller Grenzwerte als auch durch Sanktionen gegen Hersteller, die diese Vorgaben nicht erfüllen, die Entwicklung „grüner“

3 Perspektiven des Konzentrationsprozesses in der Automobilindustrie

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Abbildung 12 Ausreifezeit und Erwartungshorizont des KapitalmarktesQuelle: IfA / KPMG

Zeithorizont Kapitalmarkt ≤ 5 Jahre

Einnahmen

Mengenabhängige Ausgaben

F & E-Ausgaben

Einzahlungsüberschuss / -defizit

Zeit

Positiver Kapitalwert

Zeithorizont bis zur Erreichung der Zielmarge > 10 Jahre

Einnahmen, Ausgaben

SOP Einnahmen-überschuss

SOE

Technologien forcieren werden. Dabei wird der elektrische Antrieb – sei es auf Basis einer Brennstoff-zelle oder eines batteriebetriebenen Elektroautos – die dominierende An-triebstechnologie werden. Verstärkt wird der politische Druck durch den gesellschaftlichen Wertewandel, der zu einer wachsenden Akzeptanz und Nachfrage nach innovativen und alternativen Antriebskonzepten führt.

Die europäische Automobilindustrie steuert in diesem Szenario auf die folgende kritische Entwicklungs-schwelle zu: Die technische Ausrei-fezeit der politisch geforderten „grü-nen“ Technologien liegt bei zehn bis fünfzehn Jahren. Dies bedeutet, dass in den nächsten Jahren von den Automobilherstellern erhebli-che finanzielle Vorleistungen in For-schung und Entwicklung, aber auch

bei der Anpassung der Produktions-konzepte sowie der Reorganisation ihrer Wertschöpfungsketten erbracht werden müssen. Diese hohen Vor-leistungen werden erst nach und nach zu entsprechenden Mittelzu-flüssen bei den Automobilherstellern führen. In der Konsequenz ergibt sich also für die Automobilhersteller in diesem Szenario in den nächsten Jahren ein hoher Kapitalbedarf, der bei anhaltend angespannter Ergeb-nissituation an den Kapitalmärkten gedeckt werden muss. Da der Ent-scheidungshorizont der Kapitalan-leger aber deutlich kürzer ist als die wirtschaftliche Ausreifezeit der neuen Technologien, kommt es in der Branche zu wachsenden Finan-zierungsproblemen (Abbildung 12).

Die kritische Entwicklungsschwelle besteht in diesem Szenario in der Inkongruenz der Zeithorizonte hin-sichtlich der Ausreifung und Amor-tisation der neuen Technologien einerseits und der Erwartungen der Anleger auf den Kapitalmärkten andererseits, sodass die Finanzierung dieser neuen Technologien zu einem echten Engpassfaktor für die Unter-nehmen wird. Der Zugang zum Kapi-talmarkt wird damit in diesem Szena-rio zum wichtigsten Überlebensfaktor für die Automobilhersteller. Gefähr-det sind daher alle Automobilherstel-ler mit einer schwachen Eigenkapital-basis und geringer Ertragskraft.

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28 Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie

Spezifische Marktaustrittsbarrieren gibt es in diesem Szenario nicht. Ausscheiden würden die Unterneh-men, die nicht in der Lage sind, sich die für die Umstellung der Modell-programme notwendigen Mittel am Kapitalmarkt zu beschaffen. Umge-kehrt sind die Markteintrittsbarrieren aufgrund der zu erbringenden Vorleis-tungen hoch. Potenzielle Einsteiger müssen über erhebliche finanzielle Mittel verfügen, um einen Marktein-tritt erfolgreich realisieren zu können. Aus heutiger Sicht kommen dazu am ehesten chinesische Automobil-hersteller infrage, die mit staatlicher Förderung in der Lage sein könnten, wettbewerbsfähige Elektroautomo-bile auf den Markt zu bringen.

Denkbar wäre aber auch der Markt-eintritt von Energieversorgungsun-ternehmen, die dadurch ihre Wert-schöpfungskette verlängern könnten. Allerdings erfordert der Bau von Komplettfahrzeugen eine fahrzeug-technische Kompetenz, über die Energieversorger nicht verfügen. Möglich wäre daher ein Einstieg über die Akquisition eines etablierten Automobilherstellers.

Die tatsächliche Konsolidierung könnte in diesem Szenario gering ausfallen, da dem Rückgang etablier-ter Hersteller der Eintritt neuer Wett-bewerber gegenübersteht. Der Grad der Betroffenheit der europäischen Automobilindustrie wäre allerdings hoch, da nahezu alle Hersteller – teils aufgrund der Struktur ihrer Sharehol-der, teils aufgrund ihrer geringen Pro-fitabilität – mit erheblichen Finanzie-rungsproblemen zu kämpfen hätten.

Sollte das Szenario „Green Revolu-tion“ eintreten, wäre in den nächsten Jahren mit einer Restrukturierung der gesamten europäischen Automo-bilindustrie zu rechnen.

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Abbildung 13 Überblick Szenario „Mobility Revolution“Quelle: IfA / KPMG

Endogene Faktoren(Treiber)

MarktbezogeneWettbewerbsfähigkeit

Relevanter Faktor: Markenimage Ressourcenbezogene

Wettbewerbsfähigkeit

Exogene Faktoren(Verstärker)

Neudefinition von Markt und Branche führt zu großem Kreis potenzieller Markteintritte

Markteintrittsbarrieren

Marktaustrittsbarrieren

Änderung des Kundenverhaltens: „Nutzen statt besitzen“ (ökologische und ökonomische Motive)

Relevante Faktoren: Personelle Ressourcen, Prozess- und IT-Kompetenz, Qualität des Managements

Wachsende Urbanisierung

Keine spezifischenMarktaustrittsbarrieren

Komplette Restrukturierung der WertschöpfungsketteBranchenspezifische kritische

EntwicklungsschwellenÜberlebenschance der Hersteller durch Wandel zum Mobilitätsanbieter oder Modulhersteller

Überlebensfähigkeitder Hersteller

Gefährdung etablierter Hersteller mit starker Ausrichtung auf reines Fahrzeuggeschäft (ohne Dienstleistungskompetenz)

Konsolidierungspotenzial

TatsächlicheKonsolidierung

3.2 Szenario ii: „mobility Revolution“

Treiber im Szenario „Mobility Revo-lution“ sind die Kunden. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine wachsende Zahl von Autofahrern in Zukunft kein Fahrzeug mehr besit-zen, sondern nur temporär und situa-tiv nutzen will (Abbildung 13). Dabei spielen neben ökologischen Motiven auch finanzielle Gründe eine Rolle:

Aufgrund steigender Cost of Owner-ship wird es für eine wachsende Zahl von Menschen immer schwieriger, ein eigenes Fahrzeug anzuschaffen und zu unterhalten. Verstärkt wird dieser Trend durch die fortschrei-tende Urbanisierung, die den Nutzen eines eigenen Fahrzeugs immer mehr reduziert. In Ballungszentren

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30 Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie

kann mit gut ausgebauten öffentli-chen Verkehrsmitteln oder auch mit alternativen Fahrzeugen wie zum Bei-spiel Elektrovelos ein hohes Maß an Mobilität sichergestellt werden. Die verbleibenden Mobilitätsbedürfnisse werden dann durch temporäre Nut-zung eines Automobils oder durch andere Verkehrsträger (zum Beispiel Bahn oder Flugzeug) abgedeckt.

Die kritische Entwicklungsschwelle für die Automobilhersteller liegt in diesem Szenario darin, dass sich die Branche komplett neu strukturieren müsste. Sind bislang die Automobil- hersteller die Systemführer in der automobilwirtschaftlichen Wert-schöpfungskette, so würde diese Rolle in Zukunft Mobilitätsanbietern zufallen, weil diese den direkten End-kundenkontakt hätten. Das akquisito-rische Potenzial im Markt läge nicht mehr bei den Automobilmarken, son-dern bei den Mobilitätsmarken.

Abbildung 14 Branchenstruktur im Szenario „Mobility Revolution“Quelle: KPMG

Module Manufacturer 2

Module Manufacturer 1

Module Manufacturer 3

Assembler 1 Assembler 2 Assembler 3

Mobility Provider C

Mobility Provider B

Mobility Provider A

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Eine mögliche Branchenstruktur in diesem Szenario zeigt Abbildung 14: Mobilitätsanbieter würden Kunden verkehrsträgerübergreifende Mobi-litätsangebote machen, die von die-sen situativ genutzt werden könnten. Basis der Geschäftsbeziehung zwi-schen Mobilitätsanbieter und Kunde wäre eine Mobility Card, über die der Kunde Zugang zu den verschiedenen Verkehrsträgern erhält. Die Mobili-tätsanbieter würden Fahrzeugpools einrichten und betreiben, auf die der Kunde mit einer entsprechenden Zugangstechnologie zugreifen könn-ten. Die Fahrzeuge würden von Auto-mobilherstellern bezogen werden.

Eine noch weiter gehende Variante dieses Grundmodells ergäbe sich, wenn die Mobilitätsanbieter selbst Fahrzeuge aus vorproduzierten Modulen zusammenbauen würden. In diesem Fall würde die traditio-nelle Rolle der Automobilhersteller, nämlich die Herstellung von Kom-plettfahrzeugen, auf die Mobilitäts-anbieter übergehen, während sich gleichzeitig auf der Zuliefererebene eine gewisse Zahl von Modulherstel-lern herausbilden würde.

Es liegt auf der Hand, dass die Auto-mobilhersteller in diesem Szenario versuchen müssten, zum Mobilitäts-anbieter zu werden, um die System-führerschaft zu behalten. Andern-falls würden sie zu Modulherstellern reduziert werden. Die Automobilher-steller müssten also ihr bisheriges Geschäftsmodell komplett neu orga-nisieren.

Wesentliche, für das Überleben entscheidende Faktoren wären das Markenimage sowie der Zugang zu personellen Ressourcen aus dem Dienstleistungsbereich, eine hohe Prozess- und IT-Kompetenz sowie die Qualität des Managements, das einen solchen Transformationspro-zess steuern und umsetzen muss.

Mit einem vollständigen Marktaus-tritt von Automobilherstellern wäre in diesem Szenario nicht zwangs- läufig zu rechnen, da diejenigen Her-steller, die nicht den Sprung zum Mobilitätsanbieter schaffen, als Modulhersteller (zum Beispiel für den Antriebsstrang) weiter im Markt verbleiben könnten.

Die wichtigste Markteintrittsbarriere wäre in diesem Szenario nicht der Kapitalbedarf. Mobilitätsanbieter müssten vielmehr in der Lage sein, ein Netzwerk verkehrsträgerüber-greifender Mobilitätsangebote aufzu-bauen und zu führen. Weiterhin wäre der Markenaufbau zwingend not-wendig. Der Vertrieb der Mobilitäts-dienstleistungen sowie das Kunden- management könnten in diesem Szenario über das Internet erfolgen.

Der Kreis potenziell neu in den Markt eintretender Unternehmen ist in die-sem Szenario groß. Infrage kämen die Betreiber öffentlicher Verkehrs-unternehmen (zum Beispiel Deutsche Bahn), Automobilvermieter, IT-Unter-nehmen mit hoher CRM-Kompetenz oder auch Banken und andere Finanz-dienstleister.

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32 Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie

Exkurs Neue Geschäftsmodelle durch Elektromobilität – Die künftige Rolle der Energieversorger in der automobilwirtschaftlichen Wertschöpfungskette

Neben den Batterieherstellern wer-den künftig auch die Energiever-sorger eine Schlüsselrolle in der automobilwirtschaftlichen Wert-schöpfungskette spielen. Sie sind nicht nur Stromerzeuger, sondern beeinflussen auch ganz wesentlich den Aufbau der notwendigen Infra-struktur zur Betankung der Elektro-automobile. Könnte dies dazu füh-ren, dass sie die Automobilhersteller aus ihrer Rolle als Systemführer in der automobilwirtschaftlichen Wert-schöpfungskette verdrängen ?

Der Energieversorger RWE bietet seit Herbst 2009 für Fuhrparkbetrei-ber ein Paket an, das aus einem Elek-trofahrzeug (Mikro-Vett 500 E bezie-hungsweise Micro-Vett Fiorino E), einer Ladestation sowie einem RWE-Autostrom-Vertrag besteht. Faktisch bedeutet dies, dass sich der Ener-gieversorger in der Wertschöpfungs-kette zwischen den Hersteller und seine Kunden schiebt; der Automo-bilhersteller wird in die Rolle eines Lieferanten für den Energieversorger abgedrängt.

Selbstverständlich hat das aktuelle Beispiel nur Pilotcharakter. Die Logik der RWE-Strategie ist jedoch klar: Durch eine Vorwärtsintegration und die Übernahme einer Gate Keeper-Funktion sollen zusätzliche Wert-schöpfungs- und Ergebnispotenziale generiert werden. Gelingt den Ener-gieversorgern dieser Schritt, kön-nen sie gegenüber den Automobil-herstellern Einkaufsmacht zu Lasten von deren Margen im Verkaufsge-schäft aufbauen. Der Automobil-handel würde vollständig aus der Wertschöpfungskette gedrängt und könnte allenfalls noch eine Service-Funktion übernehmen.

Der Konsolidierungspfad ist in die-sem Szenario komplexer als im Sze-nario „Green Revolution“. Letzteres basiert noch auf der traditionellen Struktur der automobilwirtschaftli-chen Wertschöpfungskette. Das Sze-nario „Mobility Revolution“ impli-ziert demgegenüber, dass Markt und Branche neu definiert werden. Nicht alle europäischen Automobilherstel-ler würden sich darin als Mobilitäts-anbieter positionieren können.

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Page 33: Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen ... · KPMG und das KPMG-Logo sind eingetragene Markenzeichen von KPMG International. Wertschöpfungskette verdrängt. Wertschöpfungskette

Die Automobilindustrie befindet sich an einer kritischen Entwicklungs-schwelle. Wie in der Vergangenheit wird die Bewältigung dieser Schwelle von einem Konsolidierungsprozess begleitet sein. Welche Hersteller werden die nächste Stufe der Evolu-tion in dieser Branche erreichen ?

Die europäische Automobilindustrie weist eine außerordentlich hetero-gene Struktur hinsichtlich der Unter-nehmensgrößen, der Produkt- und Markenportfolios, aber auch der Eigentümerstrukturen auf. Diese Viel-falt macht es schwer, wenn nicht unmöglich, eine generalisierende Antwort auf die Frage zu finden, wie die europäischen Automobilherstel-ler langfristig ihr Überleben im Markt sicherstellen können.

Im Grunde geht es heute für jeden Hersteller darum, auf alte Fragen neue Antworten zu finden: Mit wel-chen Produkten und Dienstleistun-gen wollen wir uns künftig im Markt positionieren ? Aus welchen Quellen generieren wir künftig unsere Einnah-men ? Und wie müssen wir unsere Wertschöpfungskette organisieren, um erfolgreich zu sein ?

Dies sind offenkundig Fragen nach einem künftigen und langfristig trag-fähigen Geschäftsmodell für Auto-mobilhersteller. Dazu gehört natür-lich auch die Frage, wie das heutige Geschäftsmodell in ein künftiges transformiert werden kann.

Die Antworten scheinen einfach für ein Geschäftsmodell im Szenario „Green Revolution“: Im Wesent-lichen geht es um eine evolutionäre Weiterentwicklung des heutigen Modells. Im Vordergrund steht das Produkt Auto, das über die bekann-ten Vertriebskanäle vermarktet und in einer modifizierten Wertschöp-fungsstruktur mit neuen Lieferanten hergestellt wird.

Tatsächlich ist die Welt auch in die-sem Szenario nicht so einfach wie es scheint: Wird sich beim Elektro-auto die Wertschöpfungsstruktur nicht vollkommen verschieben ? Wird es – um nur ein Beispiel zu nennen – künftig nicht profitabler sein, Batterien selbst herzustellen und den Motor outzusourcen ? Oder wird das Betreiben von Stromtank-stellen auf der Basis regenerativer Energien künftig nicht wettbewerbs-differenzierender sein als die Prä-sentation von Automobilen in exklu-siven Showrooms ?

Noch mehr und noch grundlegende-re Fragen wirft aber das künftige Geschäftsmodell für Automobilher-steller im Szenario „Mobility Revolu-tion“ auf: Sind die traditionell durch Entwicklung und Produktion gepräg-ten Automobilhersteller kulturell und strukturell überhaupt in der Lage, sich zu Dienstleistungsunterneh-men zu entwickeln ? Welches sind die internen Potenziale für einen sol-chen Transformationsprozess ? Oder stellt sich in diesem Szenario nicht die Herausforderung, mit branchen-fremden Dienstleistern zusammen-zugehen ?

Die aktuelle Lage vieler Automobil-hersteller ist dadurch geprägt, mög-lichst schnell wieder in die Profitabi-litätszone zurückzukehren, und damit – so paradox das klingt – wenig ge-eignet, den Blick auf die langfristigen Herausforderungen zu richten. Wer nicht weiß, wie er das nächste Jahr überstehen kann, wird sich mögli-cherweise nicht mit der ferneren Zukunft beschäftigen. Vielleicht wer-den deshalb gerade jene Unterneh-men überleben, die dies dennoch tun !

4 Fazit: Zeitenwende in der Automobil- industrie – wer wird überleben ?

Unser Kooperationspartner

Prof. Dr. Willi DiezDirektor des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA)Parkstraße 473312 GeislingenT +49 7331 [email protected]©

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34 Unternehmens- und Markenkonzentration in der europäischen Automobilindustrie

Kontakt

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Dieter BeckerManaging Partner, Head of AutomotiveT +49 711 9060 [email protected]

Stephanie GöringManager, AutomotiveT +49 711 9060 [email protected]

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