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Ponomaref. Untersuchwngen dmglw. Zustandes d. Zwa~gs~~~stu2lisalion. 28 1 Un tersuchungen des glasigen tustandes durch Zwangskristallisation. l) Von J. F. PONOMAREFF. Mit 7 Figuren im Text und einer Tafel. I. Die Kristallisation des Glases. Das Verfahren, Systeme nach Abkuhlungskurven zu untersuchen, ist nur f~r diejenigen Stoffe anwendbar, welche schnell kristallisieren. Fur Stoffe aber, die nicht kristallisieren, treten Haltepunkte auf den Abkuhlungskurven nicht auf. . Beim gewahnlichen Glase ist das spontane Kristallisationsver- mogen und die Kristdlisations- geschwindigkeit so gering, daB es bei gewohnlichen Kiihlungsbediag- ungen in amorphem Zustande ver- bleibt. Allein, ein jedes Glas kann zur Kristallisation gebracht oder entglast werden. In Glasfabriken wird beim Herauslassen groI3er Mengen Glases aus den Wannen, in denen Glas geschmolzen wird, eine sehr langsame Abkuhlung des Glases erreicht, und es kri- stallisiert, indem in ihm gewahnlich Sphiirolithe entstehen. In einer Glasfabrik hier in Sibirien beobach- tete ich bei solch einer Kristalli- sationsweise des Glases die Bildung breit und 1-1,5 mm hoch waren Fig. 1. Stick Glas. - Bildung hexagonaler Prismen bei der Entglasung. hexagonaler Prismen, die 6 mm (Fig. 1). l) Nachstehende Arbeit war fiir die TA~ANN - Festechrift bestimmt, traf aber wegen der groBen Entfernung zu spat ein und konnte in deraelben nicht mebr untergebraeht werden.

Untersuchungen des glasigen Zustandes durch Zwangskristallisation

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Page 1: Untersuchungen des glasigen Zustandes durch Zwangskristallisation

Ponomaref. Untersuchwngen dmglw. Zustandes d. Zwa~gs~~~stu2lisalion. 28 1

Un tersuchungen des glasigen tustandes durch Zwangskristallisation. l)

Von J. F. PONOMAREFF. Mit 7 Figuren im Text und einer Tafel.

I. Die Kristallisation des Glases. Das Verfahren, Systeme nach Abkuhlungskurven zu untersuchen,

ist nur f ~ r diejenigen Stoffe anwendbar, welche schnell kristallisieren. Fur Stoffe aber, die nicht kristallisieren, treten Haltepunkte auf den Abkuhlungskurven nicht auf. .

Beim gewahnlichen Glase ist das spontane Kristallisationsver- mogen und die Kristdlisations- geschwindigkeit so gering, daB es bei gewohnlichen Kiihlungsbediag- ungen in amorphem Zustande ver- bleibt.

Allein, ein jedes Glas kann zur Kristallisation gebracht oder entglast werden. In Glasfabriken wird beim Herauslassen groI3er Mengen Glases aus den Wannen, in denen Glas geschmolzen wird, eine sehr langsame Abkuhlung des Glases erreicht, und es kri- stallisiert, indem in ihm gewahnlich Sphiirolithe entstehen. In einer Glasfabrik hier in Sibirien beobach- tete ich bei solch einer Kristalli- sationsweise des Glases die Bildung breit und 1-1,5 mm hoch waren

Fig. 1. Stick Glas. - Bildung hexagonaler

Prismen bei der Entglasung.

hexagonaler Prismen, die 6 mm (Fig. 1).

l) Nachstehende Arbeit war fiir die T A ~ A N N - Festechrift bestimmt, traf aber wegen der groBen Entfernung zu spat ein und konnte in deraelben nicht mebr untergebraeht werden.

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Zeitmhrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Bd. 155 Tafel 3

Fig. 8.

Fig. 9.

J. F. POIOMABEFF

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282 J. F. Ponomarefi

Ein Schliff, parallel der Prismenachse (Fig. 8, Tafel 3), zeigt eine unregelmii6ige faserige Struktur, und dieselbe Struktur erkennt man auf dem Schliff (Fig. 9, Tafel 3) parallel der Basis.

Die gewohnlichen Spharolithe haben eine strahlige Struktur, welche gut ohne VergrijBerung zu sehen ist, da der Diameter des Spharolithe gewohnlich 1-2 cm betriigt, zuweilen 6 cm und sogar 10 cm erreicht.

Um das Glas in den kristallinischen Zustand uberzufuhren, wurden verschiedene Verfahren angewandt : es wurde die Tempe- ratur, welche fur das Fasoheinen der Xristalle am giinstigsten ist, aufgesucht, oder die Kristallisation wurde durch Einimpfen von Kristallen anderer Stoffe hervorgerufen.

11. Die Zwazlgrrlrrietalliaation. Das Verfahren der Zwangskristallisation ermaglicht uns, ein jedes

Glas zu kristallisieren und die Temperatur, bei welcher Kristalle auftreten, als auch den Schmelzpunkt der sich im Glase gebildeten Kristalle zu bestimmen.

Is. dem zu uatarsuchenden Glase wird wiihrend langerer Zeit ein Temperaturgef%lb hergestellt, und dadurch erreicht man ganz bestimmt dm@igen WArmepunkt , bei welchem die Menge der sich spontan b i l d d e n Kristallisationskerne ihr Maximum erreicht.

Diese GrijBe kann sehr gering sein, wie es z. B. bei meinen Untersuchungen der sauen Natriumborate der Fall war, wo ich Midungen n h , welche dem reinen B,O, nahe standen. Die Er- hibung m&e nnmterbrorhn im Laufe von drei Wochen ausgefifhrt w d e n ; dmn esst fingen an, sich Kristalle zu bi1dm.l)

Zur Be+timmung dss Schmelzpunktes ist es ratsam, falgendes Verfahren einzuhalten. Wahrend wir fortfdmm, das Temperatur- gefde im zu untersuchenden Stoffe, welcher sich in einem Schiff- chen behdet , das im Ofen von einem Ende erhitzt wird, zu unterhdten, erm6glichen wir es den sich im Glase gebildeten Kristallen nach beiden Enden des Schiffchens hin - dem heiJ3en und dem kalten - zu wachsen. Wenn eine geniigende Menge des Stoffes kristallisiert ist (7-10 mm dem Schiffchen entlang), schieben wir das Schiffchen tiefer in den Ofen (oder nghern den Brenner dem kalten Ende), wodurch ein Teil der Kristalle im heiSen Ende schmilzt und sich eine scharfe Grenze zwischen der fliissigen Phase und den Kristallen bildet. Um zwischen der fliissigen Phase und den Kri-

2. anorg. Chem. 89 (1914), 383.

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stallen ein Gleichgewicht festzustellen, welches dem Schmelzpunkt dieser Kristalle entspricht, fahren wir fort, im Laufe yon ',$ bis 2 Stunden zu erhitzen.

Indem wir in den fliissigen Teil des Glases ein unisoliertes Thermoelement einfaren und dasselbe bis dicht an die Qrenze der Kristalle bringen, stellen wir hiermit deren Schmelzpunkt fest.

Diese Beobachtungsbefunde sind sehr iibereinstimmend ; die erhaltene Genauigkeit f 5O ist geniigend, um glasgebende Systeme zu studieren.

III. Die Untersnchung der glasbildenden Systeme. Erzeugt man in einer langgestreckten Glasmasse ein Temperatur-

gefAlle, in das die Gleichge\wichtstemperatur und die Temperatur des maximalen Eristallisationsvermogens fallen, so beginnt die Kri- stallisation an der Stelle, in der die Temperatur des maximalen Kristallisationsvermbgens herrscht und schreitet nach hiiheren Tempe- raturen bis zu der Stelle vor, in der die Temperatur des Gleich- gewichts der Schmelze und der enktmdenen Kristalle 1iegt.l) E t einem Thermoelement konnen die Temperaturen jener beiden Stellen ge- messen werden. In dieser Weise wurden frtiher die Gleichgewichtstempe- raturen saurer Borate mit ihren Schmelzen gemessen, und fiir dieZusam- mensetzungen N%O B,O,und NaaO 4B,O, ausgepriigte Maxima gefun- den. Nach demselben, fi-iiher2) genauer beschriebener Verfahren, warden im folgenden die Gleichgewichtstemperaturen einer Reihe von Schmel- Zen mit den aus ihnen spontan entstandenen Kriatallarten bestimmt.

Zur scharfen Bestimmung der Gleichgewichtstemperatnr m d e das ScMchen mit der Schmelze nach Entstehung der Grenze zwischen Kristallen und Schmelze etwas mehr in den Ofen geschoben, worauf durch Abachmelzen einer Bchicht der kristallisierten Mame die Qrenze zwischen ihr und der Schmeize sich besonders scharf auelnldete.

1. Na,O-2Ba0,-3CaO .P,O,.

Die Mischungen wurden aus Kmmmdschen Praparaten her- gestellt: Na,O - 2B20,, CaEIPO, uud CaCO,. Nachdem der Borax im Platintiegel geschmolzen war, schiittete man CaCO, hinein, und nachdem die Ausscheidung von GO,-Blaschen aufhiirte, fdgte man

*) G. TAMMANN, 2. unorg. Chemie 87 (1914), S. 248. a) J. PONOMAEEFF, ebd. 89 (1914), S. 383.

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284 J. l% Ponornarefi

CaHPO, hinzu. Die Gemische wurden 3-4 Stunden erhitzt, bis die viillige Aufliisung der wei6en CaHP0,-Kiirnchen erfolgte.

(Mol) 3Ca0 .P,O, ist ein Minimum vorhanden, welches der Zusammen- setzung 90 Ol0 Na,O 2 B,O, + 10

Auf der Kurve der Gleichgewichtstemperaturen bis 20

3 CaO - Y,O, entspricht (Fig. 2).

732

700

655

Fig. 2. Borax - 3 CaO . P,O,. Die Schmelze, welche bis 10 O/,, 3 CaO - P80, enthielt, war durch-

sichtig, diinnflussig und leicht aus dem Platintiegel auszugie6en. Bei Zunahme an 3Ca0-P20, wurde das Glas milchwei6 und um so dickfliissiger, je mehr Phosphat zugefugt war, dementsprechend wurde auch die Viscositat des Glases gr6Ber und die Zeitspanne, die zur Bildung einer Grenze zwischen der fliissigen und festen Phase niitig ist, verl’angert.

2. Na,O - 2B,O,-AI,O,.

Zuerst sinkt die Gleichgewichtstemperatur bis 400° und einem Qehdt von 5°/0 Al,O, (Fig. 3). Bei Steigerung des Gehaltes an Al,O, wird der Schmelzpunkt bis zu 640° bei loo/, A1,0, erhoht; das Maximum ist aber an der Schmelzpunktkurve nicht scharf aus- gedruckt, es sind noch Bestimmungen in diesem Temperaturintervall

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Untermchzcngen des gtnsigen Zzcstandes dzcroh Zwa7tgskristallisation. 285

erforderlich. Je niiher die Zusammensetzung dem Maximum kommt, desto schneller erscheinen die ersten Kristalle.

2 5 7

10

Zeit, welche notig ist bie Molekular-O/, Schmelz- 1 zum Erscheinen zum Erreichen

*','a I punkt 1 der ersten Rristalle I der scharfen Grenze

545 2 Stunden 6 Stunden 400 9 Y l

618 6 .)

6 40 6 7 '

15 ,?

18 1, I

300

400

3001 I 1 I

2 3 7 43 19 15 %

Fig. 3. Borax - AI,O,.

Eine Schmelze mit 50 (mol.) AI,O,, Na,O - 2B,O, . A1,0,, muBte, um homogen zu werden, 20 Stunden erhitzt werden. Nach der Abkuhlung erhielt man ein durchsichtiges glanzendes Glas mit einem geringen Ausdehnungskoeffizienten. Bei schnellem Schmelzen im Platintiegel auf dem Geblase und bei schnellem

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Kuhlen gab das Glas keine Risse. Das Glas widersteht der Ein- wirkung von Wasser und SRuren.

3. Na,O - BB,O,-MgO.

Zwischen 5 und loo/, ist ein Maximum moglich. Das Minimum dieses Systems = 595O lie& bei 20°/, (mol.) MgO

(Fig. 4).

,73 2

7%

7oc

680

GGO

G 4 0

620

GOC

58C

5GC

Die erhaltenen Schmelzen waren diinofliissig, leicht aus dem Platintiegel auszugie8en. Der Ausdehnungskoeffizient dieser GlLser ist haher als jener der mit Tonerde. Bei schnellem Abkiihlen der Schmelzen, die im Platintiegel erhalten waren, gaben die Qlilser Risse.

Der Anfang der Eristallisation dieser Gliser tritt 1-1 1/2 Stunden nach Einstellung des Temperaturgefalles ein. Eine scharfe Grenze wird nach 5-71/z Stunden erreicht.

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Untersuchungen des glasigen Zustandss durch Zwangskristallisation. 287

4. Na,O - 2 B,O,- CaO.

Ein Zusatz von Kalk zum Borax ruft eine allmiihliche und langsame Senkung des Schmelzpunktes bis 675O bei 12l/, O/,, (mol.) CaO hervor; nach diesem Minimum ist auf der Kurve eine schnelle Erhohung zu sehen (Fig. 5 ) .

Fig. 5. Borax - CaO.

Ein paralleles Studium dieses Systems mit einem reicheren an B,O, und einem, wo B,O, durch SiO, ersetzt wurde, kann die Rolle, welche SiO, in gewohnlichen Gllisern spielt, klarlegen.

5. Na,O - 2B,O,-ZnO.

Die Kurve der Gleichgewichhtemperaturen zeigt ein Minimum bei 643O und 20°/, (mol.) ZnO (Fig. 6), wonach die Kurve ein allmiihliches Steigern mit unklar ausgedriickten Knickungen zwi- schen 25 o/o und 30 O l 0 (mol.) ZnO bei einer t O von etwa 680° aufweist.

Die Zinkoxyd enthaltenden Gtlaser sind von Interesse fur die sog. kristallinischen Glasuren, welche Poraellangegenstinden ein effekt- reiches Aussehen verleihen.

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Fig. 6. Borax - ZnO.

720

700

Fig. 7. Borax - PbO.

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6. Na,O 2B,O,-PbO.

Auf der Kurve der Gleichgewichtstemperaturen sind zwei Minima

1. bei 5 O / / , PbO und 682O, 2. bei 121/20/o PbO und 679O

vorhanden (Fig. 7):

und ein Maximum bei loo/, PbO (Mol) und t o = 723*, welches einer Verbindung PbO .9Na,O - 18E,O, entspricht.

Es ist hervorzuheben, daB Boratbleiglliser einen hoheren Schmelz- punkt besitzen, als jene mit Tonerde und Magnesium; in dieser Rich- tung wird die Losung der Frage uber die bleifreien Glasuren zu suchen sein.

IV. Die Anwendung der Itesnltate. I n d e r Gilasindustr ie kann man sich des Verfahrens der

Z wangskristallisation bedienen, um die Temperatur und die Ge- schwindigkeit der Entglasung zu bestimmen.

In der Glasfabrik bei Krasnojarsk (Sibirien), in der Fensterglas produziert wird, habe ich folgenden Versuch angestellt. Vom ge- schmolzenen und zur Verarbeitung fertigen Glase brachte ich eine Probe in ejn Schiffchen, welches aus feuerfestem Ton und Schamotte hergestellt und 55 x 22 x 12 cm groS war. Das Schiffchen mit dem geschmolzenen Glrtse wurde in die Offnung des Wannenofens gestellt, und an der Mitte des Schiffchens wurde die Offnung mit einer Wand am feuerfesten Ziegeln vermauert , dank welcher ein allmiihlicher Temperaturfall im Schiffchen hergestellt wurde. Somit blieb das Glas am hei6en Ende des Schiffchens wahrend der ganzen Dauer des Experiments im flussigen Zustande, am kalten Ende aber kuhlte es sehr bald ab. 24 Stunden nachher waren schon Kristallisationazentren zu bemerken; nach 48 Stunden war der Versuch zu Ende und das Schiffchen mit dem Glase wurde im Kiihlofen abgekuhlt. I m Glase bildeten sich Kristallzentren- schichten, in der durchsichtigen Glasmasse waren abgefiachte hexa- gonale Prismen vorhanden. Die Masse fur die Glasschmelze bestand aus Sand (100 Teile), Sulfat - natives (38 T.), Marmor (28 T.) und Holzspiinen. Die Zusammensetzung des Glases war:

0,965 Na,O CaO . 6 SiO,. Indem ich aber eine gleiche Kristallisation von Glas kompli-

zierterer Zusammensetzung in einer anderen Fabrik ausfahrte, war Z. anorg. n. allg. Chem. Bd. 166. 19

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290 Ponornare f f . Untersuclmngen des glas. Zustandes d. Zwangskrislallisation.

es mir nicht gelungen, sogar nach 72 Stunden das Auftreten von Iiristallisationszentren zu bemerken. Dieses Glas war fur elektrische Lampen bestimmt.

Als bleifreie, leicht schmelzende Glasuren sollte man die Minima der Mischungen Borax + 3 CaO . P,O, und Borax + A1,05 beriick- sichtigen.

Ton%sk (Sibirim), Teclmologisches Instiiut, d. 25. April 1926.

Bei der Redaktion eingegangcn am 15. Mai 1926.