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507 XII. Untersuchungen iiber die Identitiit von Lichtather wzd elektrischem Fluidurn; von H. Wild. (Aus d. Berner Mitth. von 1864 vom Hm. Verf. tibersandt.) Es haben in neuester Zeit verschiedene Physiker direct oder indirect die Hypothese gemacht, Lichtather uiid elek- trisches Fluidum iiach der unitarischen Aiisicht \om Weseo der Elektricitat seyen ein uiid dasselbe. Eine unmittelbare Folge dieser Annahme ware die, dafs die Dichtigkeit des hethers in eineni positiv elektrisclien Korper grofser oder kleiner seyn rniifste, als im negativ elektrischen; also auch das Brechungsverhaltnifs eiiies positiv elektrischen Korpers eia anderes seyn sollte, als weiin derselbe im negativ elek- trischen Zustande sich befindet. Schon iin Noveniber 1860 habe ich einige Yersuche angestellt, uin diese Consequenz aus obiger Annabme enpeiimentell zu prufeo. Da sic siimint- lich negativ ausfielen, auch zuin Theil init etwas mangel- liaften Hulfsinitteln angestellt waren, so habe icli ihre Publi- catioii unterlassen. Unterrediuigen mit befreundeten Phy- sikern liaben mir indesseii seither gezeigt, dafs auch Andere wit ebenso wenig Erfolg diese Frage experimentellen Pru- fungen unterworfen haben. Es schien lnir daher eiiiiges Interesse zu liabeii, meine in diesem Herbste etwas ver- vollstindigten Uiitersuchungen iiber dieseii Punkt, obschon sie nieine friihern negative11 Resultate nur bestatigt haben, der Oeffentlichkeit zu iibergeben. Da dic freie Elektricitat sich im Gleichgewichtszustand blofs aaf der Oberflache der Kiirper verbreitet, so kiiiineii nicht alle Erscheinungen, welche vom Brechuogsverhalliiifs abhangen , zur Entscheidung dieser Frage benutzt werden. Ich beschrankte rnich daher auf folgende Versuche: An ein Glasprisma wurde ein Tropfen Schwefel- siiure aiigehangt, sodaun das Fadenkreuz eiiies Fernrohrs, wie bei der Wollaston'schen Methode der Bestirnmung 1.

Untersuchungen über die Identität von Lichtäther und elektrischem Fluidum

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XII. Untersuchungen iiber die Identitiit von Lichtather wzd elektrischem Fluidurn;

von H. W i l d . (Aus d. Berner Mitth. von 1864 vom Hm. Verf. tibersandt.)

Es haben in neuester Zeit verschiedene Physiker direct oder indirect die Hypothese gemacht, Lichtather uiid elek- trisches Fluidum iiach der unitarischen Aiisicht \om Weseo der Elektricitat seyen ein uiid dasselbe. Eine unmittelbare Folge dieser Annahme ware die, dafs die Dichtigkeit des hethers in eineni positiv elektrisclien Korper grofser oder kleiner seyn rniifste, als im negativ elektrischen; also auch das Brechungsverhaltnifs eiiies positiv elektrischen Korpers eia anderes seyn sollte, als weiin derselbe im negativ elek- trischen Zustande sich befindet. Schon iin Noveniber 1860 habe ich einige Yersuche angestellt, uin diese Consequenz aus obiger Annabme enpeiimentell zu prufeo. Da sic siimint- lich negativ ausfielen, auch zuin Theil init etwas mangel- liaften Hulfsinitteln angestellt waren, so habe icli ihre Publi- catioii unterlassen. Unterrediuigen mit befreundeten Phy- sikern liaben mir indesseii seither gezeigt, dafs auch Andere wit ebenso wenig Erfolg diese Frage experimentellen Pru- fungen unterworfen haben. Es schien lnir daher eiiiiges Interesse zu liabeii, meine in diesem Herbste etwas ver- vollstindigten Uiitersuchungen iiber dieseii Punkt, obschon sie nieine friihern negative11 Resultate nur bestatigt haben, der Oeffentlichkeit zu iibergeben.

Da dic freie Elektricitat sich im Gleichgewichtszustand blofs aaf der Oberflache der Kiirper verbreitet, so kiiiineii nicht alle Erscheinungen, welche vom Brechuogsverhalliiifs abhangen , zur Entscheidung dieser Frage benutzt werden. Ich beschrankte rnich daher auf folgende Versuche:

An ein Glasprisma wurde ein Tropfen Schwefel- siiure aiigehangt, sodaun das Fadenkreuz eiiies Fernrohrs, wie bei der Wol las ton ' schen Methode der Bestirnmung

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des Brechtingsverhal~nisses, auf die Granze der totalen Re- flexion eingestellt und nun zugesehen, ob diese Granze sich rersrhob, als inan dem Tropfen durch einen Platin- draht positive oder negative Elektricitat zufuhrte. Es konnte iiichts Derartiges wabrgenommen werden.

In eine am Rande mit Schellackfirnifs iiberzogene Glasschale brachte inan mafsig verdunnte Schwefelsaure von etwas dunkler Farbung. Ueber derselben in ungefahr 15’””’ Abstand vom Schalenrand und 30”” Abstand von der Flussigkeitsoberflache stand auf isolirenden Glasfiifsen ein Kupferblech , das in seiner Mitte einen recliteckigen Aus- schnitt von nngefahr 10”” Breite und 60“” Lange hatte. Zwei Theodolithen wurden darauf zu beiden Seiten der Schale so aufgestellt, dafs ein parallel der optischen Axe des einen Fernrohrs sich bewegendes Lichtbiindel durch die Oeffnung irn Kupferblech unterm Polarisationswinkel auf die Flussigkeit einfiel und nach der Reflexion das Fernrohr des andern Theodolithen ebenfalls parallel der optischen Axe durchsetzte. Vor das Ocular des erstern brachte ich im verdunkelten Ziminer die Flamme einer Argand’schen Lampe, walirend vor dem Ocular des zweiten ein N i c ol’sches Prisma befestigt wurde, das bei passender Stellung das von der Flussigkeit reflectirte Licht vollstan- dig ausloschte. Wahrend nun eine Urehung dieses Fern- rohrs um 1 Minute ausreichte, das reflectirle Licht wieder bemerkbar zu machen, blieb dagegen das Gesichtsfeld ganz dunkel, nls man der Fliissigkeit in der Schale positive Elek- tricit2t zufiihrte, wahrend die Platte daruber zum Erdboden abgeleitet war. Das Brechungsverhaltnils der Schmefelsaure hat sich also in Folge der Elektrisirung der letztern nicht uin eine Einheit in der dritten Decimale geandert.

Ein aus Spiegelplatten zusammengesetzter parallel- epipedischer Trog wurde der Lange nach durcb eine mit Schellack eingekittete Glaswand in zwei Abtheilungen ge- theilt und beide Abtheilungen bis arif 30”“ am Rande mit mafsig verdiinnter Schwefelsaure gefiillt. Vor dem einen Ende des Troges war eine Argand’sche Lampe hinter

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einem Schirme init schinaler verticaler Spalte aufgestellt, und die durch die letztere dringenden Lichtstrahlen wurden dann durch eine urn ihre Brennweite davon abstehende achromatische Linse parallel gemacht uiid langs der Scheide- wand irn Troge durch diesen hirldurcbgeschickt. Die gegen- iiberliegende Trogwand war init einem dicken Staniiiolblatt iiberklebt, das nur beiderseits der Scheidewand zwei etwa 1"" breite verticale Ausschnitte hatte. Diese iin Verein mit der vordern Spalte erzeugten die bekannte Diffractions- Erscheinring, welche vermittelst cines etwa 60 Ma1 ver- gr6fsernden astronoinischen Fernrohrs, das auf die Unend- lichkeit eingesrellt war, beobachtet wurde. Die Disposition war also ganz entsprechend der schon r o n A r a g o zur Ermittelung hleiner Unterschiede in Brechungsverhaltnisse~i vorgeschlagenen. Das Fadeakreuz dea Ferorohrs wurde dann auf das erste Miniinurn zweiter Ordnong auf der einen Seite eingestellt und darauf die eine Troghalfte 110-

sitiv elektrisirt, wahrend die Flussigkeit in der andern zur Erde abgeleitet war. Obschon dabei wegeu der Bindung der entgegengesetzten Elektricitaten auf den beiden Seiten- flacheii der Srheidewand, Iangs welchen die interferirenden Lichtstrahlen hiostrichen, die Dichtigkeit der Elcktricitat ziemlich gesteigert werden konnte, war keinerlei Bewegung der erwahnten Interferenzfranse bemerkbar. Die Theorie zeigt aber, dafs eine relative Veranderuiig der Brechungs- verhaltnisse der beiden Fliissigkeits - Scliichteii urn etwa 0,000001 schon hinreichen wiirde, eine angulare Verriickung jener dunkeln Frnnse um 10" zu hemirken, was noch mit Sicherheit hatte beobachtet iverden k6nnen.

Bei einer ahnlichen Disposition wie beim vorigen Versuch liefs man statt durch Flussigkeit die interferireo- den Lichtstrahlen der beiden Oeffnuiigen einfach langs der beiden Belegungen einer F r a n k 1 i n'schen Tafel hinstreichen in der Meinung, dafs vielleicht die angranzenden Luft- schichten wenigstens von der freien Elektricitiit der einen Belegung etwas afficirt werden konnten. Auch da ergab

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sich keiiie merkliche Verriickung der erwahnten Interfe- renzfranse.

Ich gestehe, dafs sowohl gegen die erstern als nament- licli auch gegen die lelzterii Versoche sirh Mancherlei wird einwenden lasseii, das ihnen eine Entscheidung der schwebenden Frage abspricht. Gewichtiger dagegen diirften die nachfolgenden Beobachtungen seyn, bei welchen irh vermittelst ineiiies Photometers die allfillige Versnderung der Intensitat des reflectirten Lichtes dureh Elektrisirung des reflectirenden Korpers untersuchte.

Vor den beiden vordern Oeffnungen des Prismen- Apparats mines Photometers ') wurden zwei Glasschalen init verdunnter Schwefelsanre, wie sub 2, so aufgestellt, dafs ihre Mittelpunktc i n die Verllngerung der etwae iiach vorn grneigten Sehaxe des Photometers zu liegen kamen und die Flussigkeitsoberfl#chen i n bciden Schalen das Licht eines glcichiniifsig erleuchteten durchscheinendeo Papier- schirnis in das Photometer hineinreflectirten. Darauf wnrde der Fliiqsigkeit in der eineu Schale vom positiven Conductor der Elektrisirinaschine positive Elektricitat zugefuhrt, wah- rend die isolirte Kupferplatte daruber mit derjenigen uber der andern Schale in leitender Verbindung stand nnd die Flussigkeit der letztern zuin Erdboden abgeleitet war. Es war so moglich, die erstere Fliissigkeit schwach mit posi- tiver, die letztere schwach mit negativer Elektricitat zu laden. Weun man nunmehr das Verschwinden der Farb- fraiisen im Polariskop des Photometers herbeiffihrte und dann die Fliissigkeiten durch Verbindung der ersten Schale init dein negativen Conductor der Elektrisirinaschine mit entgrgengesetztrn Elehtricitaten Iud, so koiinte ein Wieder- erscheinen der Farbfransen nicht wahrgenominen werden.

6. Ein weiterer Versuch unterschied sich von dem vorigen nur dadurch, dafs man statt verdunnter Schwefel- saure Quecksilher in die beiden Glasschalen brachte. Auch da war bei entgegengesetzter Elektrisirung im Photometer

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I ) Pogg. Ann. Bd. 118, S. 211.

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keinerlei Aenderung im Verhaltnifs der reflectirten Licht- intensitaten zu beobachten.

Bei einer belegten Spiegelplatte von 270"" Lange, 165"" Breite und 4"" Dicke wurde ringsherum auf eine Breite von 5B"" das Beleg weggekratzt, der so entstandene Rand beiderseits wohl gefirnifst und darauf die Platte mit der stehengebliebenen Relegung a i d die abgerundeten Kopfe dreier in ein Rrettchen eingeschraubten Holzschrauben ge- legt. Auf die obere Flache wurde sodann eine zweite be- legte Spiegelplatte von einer Grofse, welche genau der stehengebliebenen Belegung auf der erstern entsprach, eben- falls mit der belegten Seite nach imten gelegt. Bei dieser war in der Mitte des Belegs ein Stuck von 35"" Lange und 9"" Breite wrggenommen und ein kleiner untergeleg- ter und am Rande nach oben umgebogener Stanniolstreifen vermittelte eine Leitung von dieser Belegung nach aufsen. Man erhielt namlich auf diese Weise eine Art Fr a 11 k 1 i n - scher Tafel, bei welcher die Relegung der untcren Platte die stets zuin Erdboden abgeleitete Condensatorplatte re- prasentirte und die Beleguog der obern die nach Belieben mit dem positiven und negativen Conductor zii verbindeode Collectorplatte. Zugleich bildete die obere Belegung einen Spiegel mit Ausschnitt, durch welch' letztern man auf die untere ebenfalls spiegeliide Belegring hinsehen konnte; man hatte also gewissermarsen zwei unmittclhar an einander grlnzende Metallspiegel, von denen der eine nach Belieben rnit stark condensirter positiver oder negativer und der andere je mit der entgegengesetzten Elektricitat geladen werden konnte. Auf die Trennungslinie dieser beiden Spiegelflachen wurde das Photometer ohne Prismenapparat eingestellt, indem man dahei wieder das Licht eines durch- scheinenden Papierschirms reflektiren liefs, und dann, nach Ladung der obern Belegung der Fr a n k 1 i n'schen Tafel mit positiver Elekkicitat, das Verschwinden der Farbfransen durch Drehen des Kalkspath-Polarisators herbeigefuhrt. Die Fransen blieben ausgeloscht sowohl als man hierauf die

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Tafel entiud als auch nachber der oberii Belegung negative El ektricitst zufuhrte.

Diese letzteren Versuche beweisen nun jedenfalls, dars die Intensitat des von einem Korper reflectirten Lichts nicht urn i& ilhres Betrags verandert wird , wena man denselben stark positiv oder negativ elektrisirt. Da aher die Inten- sitat des reflectirten Lichts aucli vom Brechnngsverhaltnifs abhangt, so scheint mir diese Thatsache auch gegen die Hgpothese der Identitat von Lichtlther und elektrischem Fiuiduin zu sprechen.

BIII. Ebktrisirmascliine von Schwefel.

Bekanntlich hat Hr. Ch. S a i n t e - C l a i r e D e v i l l e ge- fundeii, sagt Hr. R i c h e r in den Compt. rend. T . LX, p . 240, daCs der Schwefel, wenn inan ihn mehrmals sclimilzt und pliitzlich erkaltet, sicli i n rothen Schweft.1 verwandelt. Ich habe iiberdirfs bemerkt, da€s wenn inan Schwefel, der sol- chergestalt mehrmals linter besondereu Erkaltungs-Umstan- den krystallisirte, ausgiefst, er cine Art Hartung aiinimlnt uiid zu bewahren scheint. Ich konnte davon Platten oder Scheiben voii 2 bis 3 Centimetern Dicke und mehr als 1 Me- ter Durchinesser darstellen. Sie besitzen eine gewisse Za- higkeit uiid sind etwas zerbrechlicher als Glas. Da sie nicht vie1 hosten uiid nicht hygroskopisch siod, so koiiiien sie mit Vortheil zur Construction von Elcktrisirmaschinen angewandt werden. Mehre dieser Maschinen sind vor lan- ger als einein Jahr construirt und furictioniren sehr regel- mafsig l).

1) Schon 0 t t o v. G u e r i c k e erregte bekannllich Elektricitst mittelst einer rotirenden Schwefelkugel (Experintenta nova magdeburgica p . 147). P.

Gedruckt bei A. W. S c h s d e in Berlin, Stallschreiberstr. 47.