19
Archly 0hren- usw. Heilk. u. Z. Hals- usw. Heflk., Bd. 170, S. 168--186 (1956) Aus der Univ. Hals-Nasen-Ohrenklinik Marburg/Lahn (Direktor: Prof. Dr. R. MITTER['CIAIER) Untersuehungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest Von R. MITTERMAIER und D. R~)SER Mit 8 Textabbildungen (Eiugegangen am 2. August 1956) Im Jahre 1950 schlug F. KORBAK 3 eine neuartige Vestibularisprfifung vor, der er den Namen ,,Entschleunigungstest" gab. Ein leicht drehbarer Drehstuhl wird mehr oder weniger plStzlich in Drehung versetzt und dann sich selber iiberlassen. Die Drehempfindung, die durch die kurze Beschleunigung hervorgerufen wird, nimmt a]lm/~hlich ab. lqach einer kurzen Pause tritt eine neue Drehempfindung nach der entgegengesetzten Seite auf. Zu diesem Zeitpunkt ist die objektive Drehung aber noch nicht beendet. Wenige Sekunden nach dieser Umkehr der Drehempfindung ffihrte KOBRAK damals noch einen ,,artifiziellen Stop" aus. Er wollte damit einen ausgesprochen schwachen Stopreiz zur Auswirkung kommen lassen, ,,w~hrend die Cupula bereits deutlich zur Gegenseite geschwungen sei". Auf diese Weise wfirde ein Synergismus der Reizbedingungen statt- finden. Den artiflziellen Stop bezeichnete KO]~RAK als einen interferenz- freien Neubewegungsreiz. Nach dem endgfiltigen Stfllstand des Dreh- stuhles wurde der ,,postro~atorische" Iqystagmus beobaehtet. 1952 nahm KOBRAK 4 au:[ einer Tagung in Koblenz erneut Stellung zu diesem Test. Mit Hilfe eines geeigneten Modelles demonstrierte er die Methode und lieB dureh tt. O. u. J. SC~RSD~Rs fiber die klinische Anwendung berichten. Dabei wurde gesagt, dal~ die Pause zwischen der urspriingHehen Dreh- empfindung und deren Urakehr verschieden lang sein und sieh tiber 1 bis 2 Runden erstrecken kSnne. Die Umdrehungen wurden jetzt nicht mehr durch einen artifiziellen Stopreiz abgeschlossen, man lief3 sie vielmehr ,,liminat" auslaufen. Der nach der Drehung zu beobachtende Nystagmus wurde wiederum a]s ,,postrotatorisch" bezeichnet. Vor kurzem hat H. WiYsT9, Freiburg Untersuchungen mit dem Entschleunigungstest aufgenommen. Er berichtet, dab der Stuhl durch das Andrehen auf eine Drehgeschwindigkeit yon etwa 110 ~ gebracht wnrde und dab die Entschleunigung in etwa 40 see vor sich gegangen sei. Daraus ergibt sich eine negative Beschleunigung yon 2--3~ 2. Sowohl per- wie postrotatorisch wurden die Augenbewegungen nystagmogra- phiert, auch die Umdrehungen des Stuhles wurden aufgezeiehnet. WOST

Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

Archly 0hren- usw. Heilk. u. Z. Hals- usw. Heflk., Bd. 170, S. 168--186 (1956)

Aus der Univ. Hals-Nasen-Ohrenklinik Marburg/Lahn (Direktor: Prof. Dr. R. MITTER['CIAIER)

Untersuehungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

Von R. MITTERMAIER und D. R~)SER

Mit 8 Textabbildungen

(Eiugegangen am 2. August 1956)

Im Jahre 1950 schlug F. KORBAK 3 eine neuartige Vestibularisprfifung vor, der er den Namen ,,Entschleunigungstest" gab.

Ein leicht drehbarer Drehstuhl wird mehr oder weniger plStzlich in Drehung versetzt und dann sich selber iiberlassen. Die Drehempfindung, die durch die kurze Beschleunigung hervorgerufen wird, nimmt a]lm/~hlich ab. lqach einer kurzen Pause tritt eine neue Drehempfindung nach der entgegengesetzten Seite auf. Zu diesem Zeitpunkt ist die objektive Drehung aber noch nicht beendet.

Wenige Sekunden nach dieser Umkehr der Drehempfindung ffihrte KOBRAK damals noch einen ,,artifiziellen Stop" aus. Er wollte damit einen ausgesprochen schwachen Stopreiz zur Auswirkung kommen lassen, ,,w~hrend die Cupula bereits deutlich zur Gegenseite geschwungen sei". Auf diese Weise wfirde ein Synergismus der Reizbedingungen statt- finden. Den artiflziellen Stop bezeichnete KO]~RAK als einen interferenz- freien Neubewegungsreiz. Nach dem endgfiltigen Stfllstand des Dreh- stuhles wurde der ,,postro~atorische" Iqystagmus beobaehtet. 1952 nahm KOBRAK 4 au:[ einer Tagung in Koblenz erneut Stellung zu diesem Test. Mit Hilfe eines geeigneten Modelles demonstrierte er die Methode und lieB dureh tt . O. u. J. SC~RSD~R s fiber die klinische Anwendung berichten. Dabei wurde gesagt, dal~ die Pause zwischen der urspriingHehen Dreh- empfindung und deren Urakehr verschieden lang sein und sieh tiber 1 bis 2 Runden erstrecken kSnne. Die Umdrehungen wurden jetzt nicht mehr durch einen artifiziellen Stopreiz abgeschlossen, man lief3 sie vielmehr ,,liminat" auslaufen. Der nach der Drehung zu beobachtende Nystagmus wurde wiederum a]s ,,postrotatorisch" bezeichnet.

Vor kurzem hat H. WiYsT 9, Freiburg Untersuchungen mit dem Entschleunigungstest aufgenommen. Er berichtet, dab der Stuhl durch das Andrehen auf eine Drehgeschwindigkeit yon etwa 110 ~ gebracht wnrde und dab die Entschleunigung in etwa 40 see vor sich gegangen sei. Daraus ergibt sich eine negative Beschleunigung yon 2--3~ 2. Sowohl per- wie postrotatorisch wurden die Augenbewegungen nystagmogra- phiert, auch die Umdrehungen des Stuhles wurden aufgezeiehnet. WOST

Page 2: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschlemligungstest 169

sagt wSrtlich: ,,Der Reizv0rgang , der zur AuslSsung des postrotatorischen Nystagmus fiihrt, finde~ in den le~zten Umdrehungen des S~uhles wghrend etwa 10 ssc start ." An anderer Stelle weist er darauf hin, dab ,,ein stSrender Interferenzvorgang nicht m6glich" ist.

In einer unmittelbar an den Vortrag yon KOBRAK im Jahre 1950 sich anschlief~enden Unterhaltung hat te ich (M.) geglaubt, zwei Fragen stellen zu miissen. 1. Verl~uft die Entschleunigung linear ? 2. Ist der postrotato- risehe Nystagmus wirklich nut auf don sehr schwachen Stopreiz zurfick- zufiihren ? Ist in dieser Reaktion nicht in irgendeiner Form die l I . (inverse) perrotatorisehe Phase enthalten? Diese Fragen konnten damals nicht beantwortet werden. Ich sagte zu, entsprechende Untersuehungen dureh- zuffihren, sobald der Nystagmograph und der noch zu konstruierende elektrische Drehstuhl eine exakte Priifung gestatten wiirden. Auch 1952 waren die Fragen noch nicht zu beantworten. Eine nochmalige Bemer- kung meinerseits nach dem Vortrag in Koblenz war dann offensichtlieh die Veranlassung ffir KOBRAK, in seinem Schlul~wort an Stelle des Wor~es ,,postrotatoriseh" den Begriff , ,postrotatoroid" zu verwenden. Damit sollte wohl zum Ausdruck gebracht werden, dab die Entstehung dieses lqystagmns noch nicht gekl~rt war.

In der eben erwghnten Arbeit verSffen~lieht WOST das Nystagmo- gramm eines Entsehleunigungstestes, auf dem wieder die lange Dauer der l%eaktion naeh dem Stillstand des Stuhles (fiber 2 rain) auffallen muB, so dab sich erneut die Frage erhebt, ob der 1Yystagmus wirklich nur auf den doch sehr schwachen Reiz der Entschleunigung w~hrend der letzten 10 see zuriiekzuffihren ist.

Da uns nunmehr die Apparatur zur Veffiigung steht, die das genaue Einhalten der gewiinsehten physikalischen Bedingungen erlaubt, ent- schlossen wit uns, die im Jahre 1950 bereits zugesagten Untersuchungen auszuffihren.

Zun~chst galt es zu kl~iren, ob die Entschleunigung, die bei dem yon Wi~sm verwandten Drehstuhl wirksam war, als linearer Vorgang ange- seben werden dari oder nicht. Die Drehbewegungen des Stuhles waren ja Ms Sinuskurven aufgeschrieben worden. Aus der Zeit, die jeweils fiir eine Umdrehung benStigt wird, lg~t sich die dnrehschnittliche Dreh- geschwindigkeit fiir diesen Zeitraum errechnen. Auf Abb. 1 ist diese am Ende der jeweiligen Umdrehung eingezeiehnet. Es zeigt sich, dal~ die erzielte Entschleunigung in guter N~therung als linear bezeichnet werden darf. Wir haben daraufhin ani dem elektriseh angetriebenen Drehstuhl Drehprfifungen mit ruekartigem Andrehen auf eine Gesehwindigkeit

- - 9 0 ~ und mit sofort sieh ansehIiel~ender Entsehleunigung yon fl ---- - - 2 ~ 2 vorgenommem Eine solehe Drehpriifung entsprieht unter Ein- haltung genauer physikalischer Bedingungen weitgehend dem von WOST verSffentlichten Beispiel.

Page 3: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

170 R . MITTEI~MAIER u n d D . ROSER:

Das Nys tagmogramm dieses Testes ist auf Abb. 2 (Versuch 1) wieder- gegeben. Es wurde also ruekartig nach reehts auf eine Winkelgeschwindig- keit yon 90~ angedreht und Sofo~ fiir eine Zeit yon 45 sec entschleu- nigt, d. h. mit fl ~ - - 2~ 2. Unmit telbar naeh dem Andrehen erkennt

o/SSC 720

7#~-

- I

50- I ' ' - - . .

2g- " . .

' i I I I " ~ ' ~

Abb. 1, Die Drehs~uhlbeschleunigung eines :Entschleunigungs~estes nach der u yon Wt~S~. Die Werte wurden aus der angegebenen Umdrehungskurve errechnet

man einen sehr lebhaften l~echtsnystagmus, der yon der 14. Sekunde ab an Intensi t~t deutlich ~bnimmt. Die letzten ~echtssehl~ge sieh~ man bei der 18. Sekunde. Nach einer Pause setzen Linksschl~ge tin, die yon der 24. Sekunde ab sehr deutlich sind. Zwischen der 30. und 70. Sekunde

Y

3 # - /)//-t

/OgA 9 0 -

Abb- 2. Entschle~migungstes~. ~ys~agmogramm bei Versuch 1 : t tuckart iges Andrehen auf 90~ und sofor~iges Entschleunigen mit - - 2 ~ s. Darges~e11~ ist die Winkelgeschwindigkeit der

Augenablenkung sowie die Drehstuhlgeschwindigkeit in Abh~ngigkeit yon der Zeit

erreichen sie ihr ~ a x i m u m . D~nn wird die Reakt ion wieder un~egel- mi~Biger und endet in der 98. Seknnde. I m Augenblick des endgiiltigen Stillstandes des Stuhles, also bei der 45. Sekunde, ist die LinksreM~tion sehr kri~ftig entwickelt. Bis zu diesem Augenblick ha~ eine ,,deeelerato- rische" Einwirkung vorgelegen. Nach der 45. Sekunde sehen wir die ,,postdeceleratorische" Nachwirkung. Die auf Abb. 2 wiedergegebene Reakt ion entspricht durchaus der]enigen der WDscschen VerSffent- liehung.

Page 4: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

Untersuehungen und kritisehe Bemerkungen zum Entsehleunigungstest 171

KOBRAK hatte die ganze Reaktion in mehrere Phasen eingeteilt. In Anlehnung an KOBRAK bezeich- net Wrist die zuerst auftretende Reaktion, die per- rotatorische Phase, als Phase I, die Pause ~ Nullreiz- periode a]s Phase I I und die postrotatorisehe Phase als Phase I I I . Die yon Wi~sT als ,,postrotatorisch" genannte Phase beginnt allerdings noeh w~hrend der Auslaufperiode. Es bleibt also ungekl~rt, auf welche , ,Rotation" sich das ,,post" bezieht. Die Verwendung des Begriffes ,,Phase" fiir die Zeit des Durchganges der Cupula dureh die Nullreizlage ist zudem keine gliickliche. Im folgenden wird das Wort Phase yon uns in dem althergebrachten Slime verwandt werden. Als I. Phase bezeichnen wit die Anfangsreaktion und als I I . Phase die folgende mit entgegengesetzter (in- verser) Sehlagriehtung, wie sie beide bei der Lang- drehmethode u. U. in Erscheinung treten.

Zur Kl~rung des Entstehens der beiden Reaktionen mit entgegengeseSzter Schlagrich- tung beim Entsehleunigungstesi haben wir eine Reihe vonweiteren Versuchen s~ets an derselben Versuchsperson (einem 16j~hrigen Patienten, der mit deutlichem und gut registrierbarem Nystagmus reagierte), durchgefiihrt.

Abb. 3 (Versuch 2) gibt das Ergebnis einer Prfifung mit der Langdrehmethode wieder. Es wurde ruckartig angedreht auI eine Winkel- geschwindigkeit yon 90 ~ dann mit gleieh- bleibender Geschwindigkeit weitergedreht. So- fort nach dem Andrehen setzt ein sehr leb- hafter l~echtsnystagmus ein, dessen Schl~ge yon der I0. Sekunde ab etwas seltener werden. Den letzten Schlag sehen wit um die 30. Sekunde herum. Bei 37 sec finder sich ein erster kleiner Sehlag nach der entgegengesetzten Richtung, also nach links. Von der 42. Sekunde ab is~ die Linksreaktion sehr deutlieh, so besonders zwi- sehen der 60. und 90. Sekunde. Dann kommt es zu Schwankungen in der Reaktionsst~irke, aber die Linksschl~ge dieser I i . perrota~orisehen Phase sind doch bis fiber die 140. Sekunde hin- aus recht deutlich.

:Der Vergleich mi~ dem Entschleunigungstest zeigt, dal~ bei dem Weiterdrehen mit gleich- bleibender Geschwindigkeit die I. perrotatori- sche Phase um mehrere Sekunden l~nger anh~ilt

[ - 4

i

I

Ii

"8

4 y----]

j

I I q I I I

Page 5: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

172 1~. MITTERMAIER und D. RSsEa:

und daB, wie wir es bei derartigen Priifungen ja sehr h~ufig sehen, eine typische II . perrotatorische Phase mit entgegengesetzter Schlagrichtung auftritt. Die Meinungen fiber das Entstehen dieser I I . perrotatorisehen, inversen Phase sind bek~nntlich geteilt. Eine Reihe von Au~oren, so M. H. FISCHEr, VISITS, WODmK U. a., zu denen aueh ich reich ziihle, sind der ~berzeugung, dab diese II . Phase der Ausdruck einer zentralen Aus- wirkung sei, w~hrend vA~ EGI~OND, GROEN und JO~OKE]~S Vorg~nge in der Peripherie, seien sie chemischer oder elektrischer Natur, oder als elastische Naehwirkung der Cupula, dafiir verantwortlich maehen. Auf diesen Strait der Meinungen soll hier nicht eingegangen werden, zumal unsere Versuehe dazu keine neuen Gesiehtspunkte bringen. Wir wollen abet die Ansieht betonen, die alle Au~oren teilen: Nach dem Abklingen der I. perrotatorischen Phase ist die Cupula wieder in die Ausgangs- stellung zurfickgekehrt und, da ein neuer physikalischer Reiz nicht wirksam geworden is~, so hat eine erneute Endolymphversehiebung und Ablenkung der Cupul~ auch nicht sta~tgefunden. Die II . perro~atori- sche Phase trier also in Erscheinung, w~hrend die Cupula wieder auf- gerichtet ist.

Zun~chst miissen wir diskutieren, ob das Verh~ltnis der Schlagdauer der 1. Reaktionen in den beiden Versuchen eine Gesetzm~13igkeit er- kennen l ~ t . Dieser Fr~ge sind wit rechnerisch nachgegangen unter der Annahme, dal] das Vestibular-Organ nach dem Vorsehlag yon v. EGI~OND, G ~ o ~ u. JONG]~E~S ~ mit einem Torsionspendel zu vergleichen ist, und Zugrundelegung der Gleichung:

@ = Schwungm~sse der Endolymphe; Y2 = Reibungskonstante der Endolymphe; A = Federkonst~nte der Cupula;

= Auslenkung der Endolymphe aus der Nullage, gemessen in Grad [~ = Geschwindigkeit der Endolymphe in [~

(1. Ableitung von ~ nach der Zeit) = Beschleunigung der Endolymphe in [~

(2. Ableitung yon to nuch der Zei~) fi = Beschleunigung des Drehstuhles in [~

In dieser Gleichung sind die wich~igsten vier Kr~fte erfaBt, welche ~uf die Schwingung des Torsionspendels einwirken: Die durch die Masse der Endolymphe hel~orgerufene Tr~gheitskraf~ O~, die yon der Geschwindigkeit der Endolymphe abh~ngige Reibungskraft ~9~ und die Rficks~ellkr~ft der Cupul~ A ~ Ms innere Kr~fte und eine ~u~ere Kraft Off, welehe durch die Beschleunigung des Drehs~uhles bewirkt wird, die sog. StSrkr~f~. Alle vier Kr~f~e finden sich in einem st~ndigen Gleichgewicht.

Die Differential-Gleichung lau~et:

Page 6: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest 173

Zu ihrer L6sung wird die St6rkraft zun~chst gleich Null gesetzt, wir erhalten die zugehSrige homogene Differential-Gleichnng, zu deren L6sung mlt #t angesetzt wird.

~h=eAt;21.~-- 2 O • \ 0 ] 6)"

Um den Verlauf der zu erwartenden Schwingung iibersehen zu kSnnen, mul~ vorerst der zahlenm~13ige Weft des Ausdruekes Ullter der Wurzel erfaBt werden. Absolute Werte sind nicht bekalmt, es geniigen jedoch folgende zwei u angaben (s. bei Ciw~I~OR~n, DIX, HAI~LPIKn U. HOOD 1).

D @ A - - l O S ; A - = l s ~ "

Damit ergibt sich:

Die Wurzel ist reell und ungleieh Null, womit gesagt ist, dab es sich bei der Endolymph-Schwingung um einen exponentiellen Ausgleiehsvorgang handelt, d. h. die ausgelenkte Cupula schwingt, wenn sie sich selbst fiberlassen wird, ganz all- m~hlieh in ihre Nullage zuriick, ohne diese selbst aueh nur im geringsten zu iiber- schreiten.

Die L6sung der homogenen Differential-Gleichung lautet:

9)h ~ Ae& t + Be ~.~t mit

1 1 A1 = - - 0 , 1 s ; )~2 = - - 9,9 ~- .

A und B sind die Integrationskonstanten, deren Weft sieh aus den Anfangsbe- dingungen der jeweiligen Betrachtungsweise ergibt.

Wenn nun noch die StSrkraft beriicksichtigt werden sell, so muB zur homogenen eine partikul~re LSsung hinzugefiigt werden. Diese ergibt sieh aus dem Koeffi- zientenvergleich:

@ % = ~ - 3 =/~s~.

Damit folgt Ms Endl6sung (~o = ~h + ~o) :

c p = A e & . t + B e ~ t + ~ - f i ]

q: 21 Ae&t + 2.2 Be'~t ]

Die t(onstanten A und B miissen fiir jedenVersuch besonders bestimmt werden. Wird wi~hrend des Versuehs die Beschleunigung des Drehstuhles pl6tzlich zu- oder abgeschMtet (das grit auch, wenn der entsctfleunigte Stuhl zum Stillstand kommt), so miissen fiir diesen Zeitpunkt die I(onstanten noeh einmal neu ermittelt werden.

Versuch 1 (Abb. 4; Nullte bis 45. Sekunde): o o

t = 0 ; ~ 0 = 0 ; ~ s = Y 0 = 9 0 - - s ; / 3 = - - 2 ~ = c o n s t

yo+~2Ofl ,0 +~lOfi @

q~l ...as ~ 11,2 e-0. I t - - 9,2 e-9, 9t - - 2 [~

Page 7: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

174 R. MITTERMAIER und D. R6SER:

V e r s u c h I (Abb. 4; ab 46. Sekunde, gleich Null gesetzt):

t = O ; q~=~%5; ~ = 7 4 5 ; f l = O

~ ' 4 5 - - ~ q~4~ e.l~ t ~ 5 - - "~t %5 e.~ t

~a5 und Ya5 ergeben sich aus der vorhergehenden Gleichung bzw. deren 1. Ab- leitung nach der Zeit.

q~4~ -~ ~ ~ 1, 9e-~ t ~ 0,025e-9,9 t [o] .

V e r s u c h 2 (Abb. 4) :

t = 0 ; ~ = 0 ; ~ = ~ o = 9 0 ~ - ; f l = 0

~o (e.~t e "~t) = 9,2 (e-O, 1 t __ e-9,9 t) [o]. - - 21 - - 22

In der Abb. 4 ist die Auslenkung der Endolymphe s den Fall aufgezeichnet, daft der Drehstuhl ruck~rtig auf 90~ angedreht und sofort wieder entschleunigt wird. fl = - -2~ 2 stellt den Versuch 1 und fi = 0 den Versuch 2 dar.

70

81

5 1 Yo = 0 "-''qO ~/s ] B = o; -b -z~ -J~-r - 5 ~ )

o T-___ ~ - - _ - _ E - - - _ 1--_-_-~ _ "1 _, . . . .

-2 _3<,,~ _j i j i " - 4 i - - T . . . . q

_# i "F . . ! . . . . . . 4 .~ - - - 4 li !i FI . . . . . . L-_ TI ___~

-5 O I0 120 30 #0 50 60 70 80 90 700 170 7Z0 1,30 L" [s] ~,

Abb. 4. Der Drehstuhl wird ruckartig auf eine Geschwindigkeit yon 90~ angedreht Lind sofor~ wieder entschleunigt. Dargestellt ist die Anslenkung C~ der Endolymphe in Abh~ngigkei~ yon der Zei$ bei den Entschleunig~ngen fl = 0; - - 1 ; - - 2; - - 3; - - 4; - - 5~ 2; ~8 = Schwellenwinkel der

Endolymphe

Beim plStzlichen Andrehen des Stuhles bleibt die Endolymphe infolge ihrer Tr~gheit gegeniiber dem knSchernen Bogengang zariiok, das bedeutet eine verh~It- nism&Big starke und rasche Auslenkung innerhalb der ersten halben Sekunde. Das Maximum der Auslenktmg riohte~ sich n~ch der Drehstuhlgeschwindigkeit. L&uft danach der Stuhl mit konst~nter Geschwindigkeit welter (aul]ere Kraf t gleichNull), so strebt die Endolymphe allm~hlioh wieder ihrer Nullage zu (fl = 0~ Wird aber der Stuhl sofort wieder eutschleunigt (~uBere Kraf t ungleich ~ull), so erfolgt der Riiokgang der Endolymphe, je nach Gr5Be der Entschleunigung, rasoher, die Nullage wird iiberschritten und eine konstante Auslenkung angestrebt, wenn die negative Beschleunigung weiterhin in ihrer vollen GrSBe wirkt (gestriche]te Linie ).

Page 8: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest 175

Das wiirde heifien, dab sich der Drehstuhl nach seinem Stillstand nach der entgegengesetzten Seite weiterdreht, jetz~ abet mit positiver Beschleunigung. Wird jedoch der Stuhl, nachdem er infolge der Ent- schleunigung zum Stillstand gekommen ist, nicht mehr welter gedreht, so ergibt sich die ausgezogene Kurve hinter dem Knick: Die /~uBere Kraft ist g]eich Null, die Endolymphe begibt sich in ihre Nullage zm'iick.

An dem Kurvenverlauf sehen wit: Wenn man die Reak~ion ngch dem Andrehreiz nn-

gehemmt ablaufen l~gt, so dauert der Nys~ag- mus ungef~hr 30 sec. Die Kurve, die # -~ 0 ~ ~ entspricht, hat zu diesem Zeitpunkt schon beinahe die Nullinie erreieht, t t ier finder sieh offensiehtlieh der Sehwellwert der Cupula- ablenkung, der ifir das Auftreten eines Ny- stagmus iiberhaupt gegeben sein mug. Sucht man den analogen Punkt aui der Kurve fl = - -2~ ~ auf, so triff~ man ihn ungefahr bei 15 see. Dieser Zeituntersehied entsprieht m it guter Naherung den tatsgchlich ge- fundenen Werten.

Durch die Ent. sehleunigung finder in eindeutiger Weise eine Hemmung der

I. perrotatorisehen Phase start . Wir ha- ben also eine Inter- /erenz vor uns, die sich, wie wir gesehen haben, mit guter Ngherung aus der Endolymphverschie- bung errechnen l~Bt.

Die II . perrotatori- sche Phase lggt sich d~gegen nicht be- rechnen, denn eine Endolymphverschie- bung spielt hierbei keine Rolle. Diese

I

~ l i I 1

J

I I

I I

I

I I

I I

I I

I

rEI

I I I I I I

g

0)

~ a

~x~ . .

~ 2

r e )

e~

Page 9: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

176 R. MITTERMAIER und D. RSSE~:

Bemerkung mug vorausgesehiekt werden, wenn wir uns mit der P a u s e

zwisehen der I. und I I . Phase besehgftigen wollen, denn aueh die Pause lggt sieh bei dem Langdrehversueh (Abb. 3) nieht bereehnen. Anders verhgl t es sieh mit der Pause beim Entsehleunigungstest , die dem Durehgang der Cupula dutch die Nullreizlage (0-Linie) entsprieht . Anhand der Steilheit der K u r v e n (Abb. 4) ist vorauszusagen, dab die Pausen um so Meiner sind, je steiler der Kurvenver lauf ist. Die nur kurze Pause im Entsehleu- nigungsversueh bestgt igt diese Aussage.

Vergleiehen wir nun den Linksnys tagmus in beiden Versuehen. Eine Gleiehsetzung ist nieht ohne weiteres mSglieh, da bei dem Entsehleuni- gungsversueh ja ein geiz , der einen L inksnys tagmus zu erzeugen sehr wohl in der Lage ist, tatsgehlieh angewandt wurde. Wi t mfissen uns nu t ffagen, ob dieser Reiz genfigen kann, u m einen Nys tagmus in der ange- troffenen Stgrke auszul6sen. Abb. 5a und 5b geben die Antwor~. Bei dem Versueh 3 auf Abb. 5a wurde fl = - -2~ ~ fiir 10 see (gemgg der Annahme yon W~s~) und bei dem Versueh 4 auf Abb. 5b ifir 45 see an- gewandt , naehdem vorher lgngere Zeit mit gleiehbleibender Dreh- gesehwindigkeit yon 20~ bzw. 90~ gedreht worden war. Die Aus- wirkung dieser negat iven Besehleunigung iiber versehiedene Zeitabsehnit te hinweg lg13~ sieh ebenfalls bereehnen.

g e r s u c h 3 u n d 4 (Abb. 6): O

t = O ; e l=O; ~b=O; f l = - - 2 s ~

0 0

- - e,~t e 4 t + fl

q) = 0,204 (9,9e-O, 1 t __ 0,1 e-9, 9 t) __ 2 [~

I)iese GMchung hat jedoch nur Giiltigkeit bis zum Stillstand des Stuhles (t = to). Wird danach nicht welter negativ beschleunigt, so mug, genau wie im Versuch 1, wieder neu angesetzt werden (t~ = 0).

% ~ ~ = - hl - - 22 2 1 - 4= "

Das Ergebnis zeigt die Abb. 6. Wird sehr lange entsehleunigt, so stellt sieh der Endolymph-Aussehl~g auf einen festen Wer~ (~0 = - - 2 ~ ein. Wird die Entsehleu- nigung friihzeitig abgesehaltet (ira Versueh naeh 10 bzw. 45 see), so wird die Endo- lymphe infolge der gfiekstellkraft der Cupula in ihre Null~ge zurfiekgebraeht.

Der Verz5gerungsreiz, fiir 10 see angewandt , bewirkt einen deeelerato- risehen Nys tagmus ffir zungehst eben diese 10 see und ansehlieBend eine postdeeeleratorisehe Reakt ion ffir gleiehfalls annghernd 10 see. I n der erreehneten Darste l lung (Abb. 6) trifft die Kurve die Sehwellwertslinie % naeh 20 see. Naeh derselben Verz6gerung fiber 45 see angewandt , haben wir zungehst den deeeleratorischen Anteil des L inksnys tagmus ffir 45 see und einen postdeceleratorischen Anteil ffir annghernd 15 see. Auch

Page 10: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

Untersuchungen und kritisohe Bemerkungen zum Entsehleunigungstest 177

diese Reakt ion yon insgesamt 60 sec entsprieht dem Kurvenverlauf auf Abb. 6.

Die negative Besehleunigung fl ~ - - 2 ~ 2 bewh'kt demnach Ifir dig Zeit naeh dem Stillstand des Drehstuhles eine Naehwirkung yon 10 see, 15 sec oder 20 see, je nach der Dauer des vorangegangenen I~eizes, nieht aber ffir 55 see, wie es aus unserem Beispiel eines Entsehleunigungs- testes hervorgeht oder gar ffir fiber 2 rain, wie es das yon Wi3ST ver- 5ffen~liehte Nys tagmogramm zeigt.

Es muB nun der Einwand gemaeht werden, dab beim Entschleuni- gungstest die Cupula zu Beginn der negativen Beschleunigung nieht in

2

t

-Z

I

I I I

Yo = zo,. #o~'o,.9o % ,8 = - z ~ z = const ~~ = 70; zo j 30,. #s s

__~_~ ~ . . . . . . . . . . . . . .

i I

10 ZO 30 ~0 50 80 70 80 ,.o0 f00

Abb. 6. Der Drehstuhl wird aus verschiedenen Geschwindigkeiten s?~ets mi t der gleichen Entschleu- n igung abgebremst. Die Geschwindigkeit wird vorher so ]ange kons tan t gehalten, bis sich die Cupula zu Beginn der En~schleunigung in Ni t t e l s t e l lung (~ = 0) befindet. ]~ntschteunigung: fl = - - 2 ~ 2 = c o n s t . a : ~,~ = 2 0 ~ = 10sec; b : r~ = 40~ tb - - 20sec; c : r0 = 60~ = 30sec;

d : Yo = 90~ t~ ~ 45 sec

Mittelstellung steht, sondern in der dutch den Aecelerationsreiz verur- saehten Ablenkung. Mit welchen Werten wir dann zu rechnen haben, er- gibt sieh aber ebenfMls aus dem Kurvenverlauf auf der Abb. 4 (unterhMb der Nullinie). Die zuerst ampullopetal abgewichene Cupula geht etwa in der 18. Sekunde dureh die Nullinie, sie weieht dann nach der entgegen- gesetzten Seite ab und verursacht den Linksnystagmus als deeelerato- risehen Anteil bis zur 45. Sekunde. Je tz t richter sich die Cupula wieder auf, die Kurve erreicht etwa bei der 60. Sekunde wiederum den Schwell- wert. Nach der Bereehnung diirften wir also auch in diesem l~all eine nystaktische Reakt ion insgesamt nur ungefi~hr bis zur 60. Sekunde er- warren. Tats&chlich dauert der Linksnystagmus im Entschleunigungstest abet bis ann~hernd zur 100. Sekunde. Zur Kl&rung dieser Reakt ion liifit uns die Berechnung fiber die Endolymphversehiebung demnaeh im Stich!

Wir mSehten die Schluiolgerungen aus den bisherigen Versuehs- anordnungen zuni~chst zusammenfassen: Die ersten Realctionen, die dutch p15tzliches Andrehen auf best immte Drehgeschwindigkeiten ausgelSst werden, lassen sich berechnen. In dem vorliegenden Fall s t immen sie mit den experimen~e]l gefundenen Werten gut iiberein, ganz gleieh, ob man mit gleiehbleibender Drehgesehwindigkeit (Versueh 2) weiterdreht oder

Page 11: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

178 1:~. M/TTERMAIER und D. RSsER:

sofort eine bekannte negative Beschleunigung (Versuch 1) wirksam werden lgl~t. Auch die ersten l~eaktionen, die dutch eine bekannte nega- tive Besehleunigung nach vorhergegangenem gleiehmgl~igem Drehen gewonnen werden (Versuch 3 und 4), lassen sich entspreehend der Dauer des angewandten VerzSgerungsreizes bereehnen. Diese l%eaktionen setzen sich aus dem deceleratorischen und dem postdeceleratorisehen Anteil (letztere nach dem Stillstand des Stuhles) zus~mmen. Bemerkenswert ist, dab die Anwendung tines nut einmalig wirkenden Reizes, voraus- gesetzt, dab er eine gewisse St~rke erreieht hat, z.B. der Andrehreiz auf y ~-- 90~ oder der VerzSgerungsreiz yon fl ~ --2~ 2, ffir 45 see an- gewandt, die bekannte IX. (inverse) Phase hervorruYt, deren Berechnung allerdings nicht mSglich ist, denn wir mfissen annehmen, daI3 eine Cupula- ablenkung w~hrend dieser Reaktion nicht vorliegt. Diese ~berlegung grit vo11 und ganz fiir die inverses Phasen, (s. Versuch 2 nnd 4, Abb. 3 und Abb. 5b). In der enCgegengesetzten Reaktion der Versuchsanordnung mit sofortigem YerzSgerungsreiz (Versuch 1, Abb. 2, in unserem Fall Linksnystagmus) ist dagegen eine Komponente enthalten, die auf die negative Besehleunigung zuriickgeht. Die Bereehnung lehrt jedoch, dab die negative Beschleunigung aUein nich~ der wirksame Faktor sein kann, dab vielmehr ein weiteres IVfoment eine Rolle spielen mu$, dens diese Reaktion pflegt erheblich starker auszufallen, als die Bereehnung auf Grund der vorhin erw/~hnBen Gleiehungen es erwarten l~i~t.

Urn diese Verhgltnisse zu klgren, haben wit eine weitere Versuchs- anordnung angewandt, yon der wir glauben, dal~ Sie uns einen Aufsehlul~ geben kann (Abb. 7, Versuch 5). Wit haben den Vorgang der VerzSgerung, die Zeit der negatives Beschleunigung, unterbroehen. Nach ruckartigem Andrehen haben wir die Drehgesehwindigkeit nur solange abgebremst, als ein Rechtsnystagmus, d. h. also die erste loerrotatorische l~eaktion, vorhanden war. Sofort nach Abklingen dieser ]%eaktion, stellten wit den Drehstuhl auf gleichbleibende Drehgeschwindigkeit ein. In unserem Beispiel war zu diesem Zeitpunkt eine Drehgesehwindigkeit yon ? = 42~ vorhanden, In dieser Zeit des gleichmg$igen Weiterdrehens t ra t nun ebenfalls ein Linksnystagmus auf, der zwischen der 30. und 50. Se- kunde recht lebhaft war und dann allmghlich bis etwa zur 90. Sekunde abklang. Nunmehr haben wir wieder die negative Beschleunigung ein- geschalte~ bis zum Stillstand des Stuhles, d. h. also fiir weitere 21 see. Diese neuerliche VerzSgerung rief wiederum einen Linksnystagmns her- vor, der seinerseits in guter ~bereinstimmung mit der Bereehnnng stand.

Die Unterteilung des gesamten Verzdgesungsvo~'ganges in 3 Abschnitte hat demnach folgendes gezeigt: Im 1. Abschnitt wird die dureh das Andrehen verursachte Reaktion durch die einwirkende VerzSgerung verkfirzt. Im 2. Abschnitt t r i t t wghrend gleiehbleibender Drehgeschwin- digkeit eine inverse Phase auf. Allerdings ist sie yon geringerer Dauer

Page 12: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

Untersnchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest 179

ats die II . Phase des Langdrehtestes. W~hrend des 3. Abschnittes mit erneut wirks~mer Verz5gerung kommt es dann wieder zu einem far diesen Reiz typischen NysCagmus. Wit glauben uns deswegen zu der SchluSfolgerung berechtigt, dab am Zustgndekommen der 2. t~e~ktion beim Entsehleunigungstes~ 2 Komponenten eine ]~olle spielen:

1. Die inverse Phase, die noch Ms Folge des Andrehreizes anzusehen ist. Infolge des zwischengeschMteten VerzSgerungs- reizes t r i t t sie offensichtlich nur in ver- kiirzter Form in Erscheinung nnd 2. der ~qystagmus, der n~ch Abklingen der 1. t~e~ktion durch die negative Besehleuni- gung hervorgerufen wird.

Die Dauer der 1. l~e~ktion ist beim Entsehleunigungstest demnaeh das Er- gebnis einer antagonistischen, die 2. l~e~k- tion d~gegen d~s Ergebnis einer synergisti- schen Inter]esenz. Die D~uer der 1. ]~e~k- tion l ~ t sich berechnen, diejenige der 2. Re~ktion k~nn nicht berechnet werden, jedenfMls insofern nicht, Ms in ihr die in- verse Phase enth~lten ist.

Die Berechnung bezieht sieh zungchst ~uf die Dauer des Nyst~gmus. Zugrunde liegt ihr die Endolymphverschiebung und dgmit die Cupula~blenkung. Inwiewei~ die ~nderen Charakteristic~ des ~qyst~gmns, die Winkslgeschwindiglseit des einzelnen Schl~ges, die Schlagzahl, die Schlggweiten und insbesondere die Summe der Schlag- weiten = Gesamtamplitude in einer gleich- f~lls so einf~ehen Relation zur Cupul~- gblenkung stehen wie die D~uer, ist eine ~ndere Fr~ge.

D~ die Winkelgesehwindigkeit eine gute Beschreibung des einzelnen Sehlages gibt, h~ben wir sie in den oben angefiihr- ten Nys~gmogr~mmen ~ls Ma~ ange- w~ndt. Die Dauer, die Sehl~gz~hl und die

Arch. Ohrcn- nsw. l~eilk, u. Z. t t~ ls - usw. ]~eilk., B d . 170 13

~S

�9

Page 13: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

180 R. M.ITTERI~AIER und D. RSSER:

G e s a m t a m p l i t u d e h a b e n wi t in t abe l la r i scher F o r m e inander gegenfiber- gestel l t .

Tabelle I

Versuch

1. Entschleuni- gungstest

2. Langdrehtest

3. neg. Besch]eu- nigung 10 see

4. neg. BescMeu- nigung 45 see

5. Entsehleuni- gungstest un- terteilt (1) (2) (3) . . 36 Tage nach Versuch 1 nnd 2 ausgefiihrt

D a u e r

SeO

18

30

50

~e-_hTystagmus

Oesamt- Schlagzahl amplitude

40 440 ~

32 408 ~

21 132 ~ (als l I . = inverse Phase)

(1) 21 31 290 ~

Dauer SOO

Li-lYystagmus

Schlagzahl

(2) 61 '(3) 33

Gesamt- amplitude

74 95 1110 ~

110 87 810 ~

20 17 174 ~

60 51 409 ~

4O 19 59

380 ~ 226 ~ 606 ~

Vergleichen w~r die W e r t e des Entsch leun igungs tes tes mi t denjen igen des Langdreh tes t e s , so e rg ib t sich, d~8 die Daue r des N y s t a g m u s bei dem 1. Versuch, wie schon besprochen, erhebl ich verkf i rz t ist. I n der 1. Re~k t ion (Rech t s -Nys tagmus) is t bei ungefghr gleicher G e sa mta mpl i : rude die Schlagzahl erhSht . I n der 2. R e a k t i o n (L inks -Nys tagmus) h a b e n Schlagzahl und G e s a m t a m p l i t u d e zugenommen. Trotz Verk t i rzung der D a u e r h a t demnach eine In t ens iv i e rung des Reakt ionsab l~ufes s~att- gefunden. Es is t also ke in Zweifel, d~l] es durch das Aufe inander t re f fen yon aece lera tor i schem u n d dece lera tor i schem Reiz zu In te r fe renzen k o m m t , und zwar sowohl in an tagonis t i scher als auch synergis t i seher F o r m . Der A n n a h m e yon K o ] ~ K und yon WOs~, dab es sich be im En t sch leun igungs te s t u m einen in terferenzffe ien Vorgang hande l t , muB widersprochen werden.

Bei Versuch 3 und 4 ve rhMten sich Nys t ag musda ue r , Schlagzahl u n d G e s a m t a m p l i t u d e rech t genau wie 1 : 3.

Ehe wir die Ergebnisse des 1. und des 5. Versuches m i t e i n a n d e r vergIeichen, muB b e t o n t werden, dab der 5. Versuch ers t mehr als e inen Mona t spg te r ausgef i ihr t wurde. Der fffiher s te t s so l ebhaf te N y s t a g m u s is~ wesent l ich schwgcher geworden. Besonders die A m p l i t u d e n s ind kleiner ausgefal len.

W i r kennen die Grfinde einer de ra r t igen D/~mpfung der E r r e gba rke i t n ich t und vermSgen auch fiir diesen ]~all ke ine E rk lg rung daffir abzu-

Page 14: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

Untersuchungen und kritisehe Bemerkungen zum Entschleunigungstest 181

geben. Wit wissen nur, dab eine Anderung der Verh~iltnisse im Bogen- gangsapparat selber nieht eingetreten war. Unter Beriieksiehtigung dieser Tatsaehen ist der Vergleieh abet doeh reeht lehrreieh.

In der 1. geakt ion ist bei herabgesetzter Sehlagzahl und Gesamt- amplitude die Nystagmusdauer annghernd gleiehgeblieben. Die be- rechenbare GrSl3e, die Dauer, ist bei beiden Untersuehungen ziemlieh unveriindert; die offensiehtlieh nieht bereehenbaren Gr6Ben, die Sehlag- zahl und die Gesamtamplitude, sind herabgesetzt entspreehend der eben getroffenen Feststellung fiber die ,,D/impfung der Erregbarkeit". In der 2. Reaktion haben wit die Werte d e r Sehlagzahlen und der Gesamtamplituden addiert, wobei sieh ergibt, dab aueh dann die ,,Dgmpfung" sieh in einer prozentuM ~thnlichen Weise zu erkennen gibt. Damit wollen wit nun nieht behaupten, dag die naeheinander ausge- 16sten Reak~ionen in ihrer Summe der Reaktion bei nicht unterbroehenem Entschleunigungstest gleieh sein mfiBten, lPfir die Dauer der Reaktionen, die auf die Cupulaablenkung und deren allmghliehe Rfiekstellung zurfiek- zufiihren sind, kann das sieherlieh nieht zutreffen. Interessant ist in diesen Vergleiehen aberdoeh wieder, daft die Sehlagzahl und die Gesamt- amplitude aueh noch anderen Beeinflussungen unterliegen, als es bei der Dauer der l~eaktion der Fall ist.

KOBI~AK wollte seinerzeit den Entschleunigungstest als klinische Methode einffihren, well er glaubte, auf diese Weise mit der einfaehsten Konstruktion eines Drehstuhles einen brauehbaren ,,Drehsehwaehreiz" anzuwenden. Die kritisehe Analyse lehrt jedoeh, daft der Vorgang ein gufterst komlolizierter ist und dab der naeh dem Stillstand zu beobaohtende Nystagmus keineswegs nut auf die negative Besehleunigung der letzten S~kunden der Umdrehungen zurfiekzuffihren ist. Wenn die Deutung in normalen F~llen bereits auf Sehwierigkeiten st6gt, so wird das in ver- mehrtem Mafte fiir pathologische F~lle gelten. Moderne Untersuehungs- stfihle, die zungchst ffir die fach~rztliehe Untersuehung gedaeht sind, k6nnen vermittelst eines einfachen Handgriffes in einen Drehstuhl ver- wandelt werden. Die teehnisehen Voraussetzungen ffir die Anwendung eines solchen Testes auf breiter Grundlage sind demnaeh gegeben. Wir m6chten unsere ,,kritisehen Bemerkungen" deswegen nicht absehlieften, ohne wenigstens kurz auf das Problem der Untersuehung l~athologiseher Vestibularisf~lle eingegangen zu sein. Da bei dem Entsehleunigungstest sowohl ein ,,Starkreiz", das Andrehen, als aueh ein ,,Sehwaehreiz", das Verz6gern, aul don Bogengangsapparat eimvirken, mnft zun/iehst einmal naeh dem Sehwellemvei~ ffir Drehreize fiberhaupt gefragt werden.

Aus dem Sehrifttum ist bekannt - - und unsere eigenen Untersuehun- gen haben das kiirzlieh best/~tigt (MITT~R~AI~ U. ROSSBE~a 5) - - , daft der Schwellenwert unter l~ 2 liege. In normalen F~tlen ist demnaeh fl = --2~ 2 durehaus wirksam. MONmA~DO~ u. I~SSBACH 6, RVSS'BAC~

13"

Page 15: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

182 1~. MITTERMAIER und D. I~6SER:

u. TARAB 7 haben gezeigt, dab in pathologischen F~llen der Schwellen- wert z. B. bis auk 6~ 2 ansteigt, d. h. abet, dab in einem solchen Fall der Entschleunigungsreiz, wie er sich beim einfachen Drehstuhl ergibt, fiberhaupt unwirksam bleibt. Die Entschleunigung des Drehstuhles wfirde die dutch die Acceleration hervorgerufene Reakt ion gar nicht oder allenfalls nur in sehr geringem MaBe beeinflussen.

Wit haben uns die Frage vorgelegt, inwieweit es mSglich sei, auf rechnerischem Wege etwas fiber die Auswirkung einer ErhShung des Schwellenwer~es auszusagen. Dabei ergibt sich folgendes: Is~ die Er- hShung des Schwellenwertes dureh die Zunahme der Trgghei~, der Reibung usw. verursacht, also dutch eine VergrSl~erung des Wider- standes, der yon der Endolymphe oder yon der Cupula selber gegenfiber einer Endolymphverschiebung ausgeht, so wird auch die Rfickstellzeit nach erfolgter Ablenkung der Cupula vergrSBert werden. Is t jedoch die ErhShung des Schwellenwertes durch die Herabsetzung der Empfind- lichkeit des nervSsen Empfangsapparates zu erkl~ren bei unvergnderten mechaniseh-physikalischen Verh~ltnissen ira Bogengangsapparat, so wfirde das Wiederaufriehten der Cupula in der normalen Zeitspanne stattfinden. Die Nystagmusdauer wfirde dann nicht verl~ngert sein, im GegenCeil w~hrscheinlich sogar verkfirzt, d~ der Nystagmus, ebenso wie er erst bei sti~rkerer Ablenkung auftritt , auch bei demselben Ablenkungs- grad, also frfiher wieder verschwindet.

Noch ein anderer Umstand ist zu beachten. Es ]iegen Beobachtungen vor, dab bei ungleicher Erregbarkeit ein Drehreiz im Bereiehe geringer Reizstgrlcen diese Ungleichheit s tarker zum Ausdruck kommen l~Bt als grSl3ere oder gar , ,maximale" Drehreize. Solche Beobachtungen stellen keine Seltenheit dar. Auk ihnen grfindet sich ja auch der Wunsch, naeh MSgliehkeit Schwachreize zu verwenden. Wir mfissen jedenfalls damit rechnen, da~ ein acceleratorischer St~rkreiz trotz ungleicher Erregbar- keit nach ~echts- und Linksdrehung gleiehe Reaktionen auslSst, dal3 der nachfo]gende deceleratorisehe Schwachreiz sich dagegen in ungleieher Weise auswirkt.

SchlieBlich und grunds~tzlich mul~ daran gedaeht werden, dab bei den Drehprfifungen die Deutung stets erschwert ist dutch die Tatsache, dab die Bogenggnge auf beiden Seiten erregt werden. Wit wollen die Schwierigkeit der Deutung an 2 Beispielen erlgutern.

Es handelt sich um 2 Patienten, die vor nicht allzu langer Zei~ den Funktionsausfall eines Labyrinthes erlitten hatten. Bei beiden war zun~chst der fibliche Spontannystagmus zur gesunden Seite aufgetreten, der sich im Laufe weniger Wochen zurfiekbildete. Beide Patienten befanden sich nunmehr im Stadium des vestibuli~ren Ansgleiches.

Fall 1. Pat. P. A., 63 Jahre alt. Februar 1956 plStzlicher Schwindelanfall mit vblligem Funktionsausfall des re. LabyrinShes. H5reinschr~nkung re. nut ganz

Page 16: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

Unte r sue hungen u n d kri t ische Bemerkungen zum Entsch leun igungs tes t 183

ger ingen Grades. N a e h d e m clio e r s ten Vest ibu]ar ispr 'dfungen eine v6]lige Uner reg- b a r k e r re. e rgeben ha t t en , waren bei sp/~teren N a e h u n t e r s u c h u n g e n einige ganz schwache Schl/~ge nach der Kal t sp i i lung re. in Ersche inung ge t re ten , desgleichen einige wenige l~eehtsschlage in der e r s t en Phase nach der Langdrehpr i i fung .

Tabelle 2

R L Datum: 4.7. 56 I I sec Schl~ge Ges.-Aml)L sec I, Schl~ige Ges.-Ampl.

i

Langdrehprii]ung. Ruckar t iges Anda-ehen auf ~ ~ 90~

Ny. I. P h a s e . . 8 17 70 ~ 28 39 165 ~ Pause . . . . . 17 Ny. I I . Phase . 33 12 40 ~ - - - -

EntschIeunigq~ngstest Ruckar t iges A n d r e h e n a u f y = 90~ und sofort ige Verz6gerung mi t fi = - -2~ 2

1. Reak t ion . . i 8 16 105 ~ 18 37 160 ~ L

P a u s e . . . . . ! 3 18 I

2. Rea k t i on . . ] 42 48 256 ~ 15 3(?) 12 ~

])er Pa t . h a t t e eine Funk t ions s t6 rung des re. Labyr in thes . ])emgemM3 is t bei der Langdrehung der R e c h t s n y s t a g m u s in der I. Phase nach R ech t sd r ehung nu r sehr schwach, w ah rend der en t sp rechende L inksnys t agmus yon normale r mi t t l e re r S ta rke ist. I n der I I . Phase f inden wir wohl Linksschlage, abe t keine !~echtsschlage. Das is t e in Ergebnis , wie wir es bei dera r t igen S t6rungen zu sehen gewohn t sind.

I)er Entschleunigungstest ergibt als 1. Reak t ion einen R e c h t s n y s t a g m u s yon derse lben Starke u n d einen L inksnys tagmus , der zeitl ich verki i rz t ist , aber mi t derse lben SchlagzaM. Letz teres en t sp r i ch t dem Beispiel des Normalfal les ; die gleich s t a rke Rech t s r eak t ion muB jedoch he rvorgehoben werden . I n der 2. R eak t i on is t gegeniiber d e m L a n g d r e h t e s t die Vers ta rkung des L inksnys tagmus zu beach ten ; Dies war al lderdings zu erwar ten , da in der Zei t der Verz6gerung eine E n d o l y m p h - verschiebung im li. reakt ionsfahigen Bogengang s t a t t ge funden hat . Die Rech ts - sehli~ge als 2. Reak t ion nach L inksdrehung s ind sehr schwach, eigentl ich so fein- schlagig, dal~ m a n im Zweifel sein darf, ob sie f iberhaupt als solehe zu bewer ten sind. Bei e infacher B e t r a c h t u n g des N y s t a g m u s u n t e r de r Leuchtbr i l le w~xen sie n ich t gesehen worden.

Fa l l 2. Pa t . B. K. , 44 J a h r e alt . F e b r u a r 1956 Otit is med ia aku ta li. Meningit is . V611iger Funkt ionsausfa] l des li. Vest ibular- u n d Cochlearapparates .

Tabelle 3

R I Ges.-Ampl. L Datum: 4.6.56 i

sec Schl~ige sec Schl~ige Ges.-Ampl.

Ny. I. Phase . . Pause . . . . . Ny. I I . Phase

1. Reak t ion . . Pause . . . . . 2. Rea k t i on . .

13 5

29

11 4

44

Langdrehmethode

21 I JOS o

9(?) 50 ~

Entschleunigungstest

20 ! 120 ~

50 I 146 ~

10 14 20

5 2

52

14

17

14

57

70 ~

76 ~

75 ~

345 ~

Page 17: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

184 R. MITTERI~IAIER und D. R6SER:

Bei dem Pat. B. K. war es zu einem Labyrinthausfall li. gekommen. Die I. Phase nach Linksdrehung bei der Langdrehmethode ist sehr sehwaeh, der entsprechende Reehtsnystagmus ist starker. Der Rechtsnystagmus in der !I. Phase ist deutlich, der entsprechende Linksnystagmus muB wiederum als ,,iiberhaupt fraglich" bezeichnet werden. Der Befund ist typisch fiir das Stadium des vestibularen Ausgleiehes. Es bestand eine ausgesprochene Augenunruhe. Man hatte den Eindruek, als ob Reehts- und Linkssehl~ge nxiteinander abwechseln wollten.

Beim Entschleunigungstest finder diesmal eine Verkiirzung des Linksnystagmus in der 1. Reaktion statt. Der Rechtsnystagmus in der 2. Reaktion ist sehr deutlieh und kr~ftig. Das Aufierordentliche dieses Falles ist das Hervortreten eines PffA B./(. r162 ,T. deutlichen Linksnystagmus

yon auffallender Regelmal]ig, Laby -dyt~fg//l/: keit als 2. Reaktion nach der

Re-Drehung. Im iibrigen sei Ezl~chl fe$f] Re-Dreh]. ZPeahl.b-#yst(gegenEndederDrehg) noeh in aller Ktirze festge-

stellt: der zeitliehe Ablauf der Gesamtreaktion mit 59 see ist derselbe. Die Zahl der Li-

Z# 35 #0 #dsec Sohl~ge ist etwas geringer. Den Unterschied der Ampli-

[nl3cklTe3f,.ii-Orehg. s tuden l~l~t die Wiedergabe der Nystagmogramme ein- deutig erkennen (Abb. 8).

Nachdem die Funktion i I I des li. Labyrin~hes zweffelsfrei

29 35 so #Ssec gestSrt ist, kann der Linlss- Abb. 8. Entschleunigungstest nach Rechtsdrehung (a), nach nystagmus in der 2. Reaktion Linksdrehung (b); l~ystagmogramme gegen Ende der 2.Reak- seine Erkl~rung wohl nur tionem Die Liaksschl~ge nach Rechtsdrehung (a) sind mRtel- schl~gig, die l~echtsschl~ge nach Linksdrehung (b) sind dutch die ampullo/ugale Rei-

wesentlichgrobsch]~giger zung des rechten, gesunden Bogenganges finden.

W a r u m wir eine solche lgeaktion bei dem Pat . B . K . , n ieh t ~ber bei dem Pat . P. A. f inden, b le ibt ungekl~rt . Ganz zweifellos liegen t rotz ~nn~hernd gleicher, jeweils einseitiger peripherer Funk t ionss tS rungen individuel le Unterschiede vor.

Beim Ver]geich mi t dem Entseh leunigungs tes t bei der gesunden V. P. ist noch hervorzuheben: w~hrend im letzteren Fa l l die 2. l~eaktion offensichtlieh eine K o m p o n e n t e in Gestal t einer I I . (inversen) Phase ent- hielt, ist z. B. bei dem Pat . B. K. eine so]ehe Phase, wie der Langdreh- tes t zeigt, nu r sehr sehw~ch ~usgebfldet. Bedenk t m a n nun , da~ die 1. Reak t ion im Entsch leun igungs tes t bei ihm nach Li -Drehung fiber- haup t n u r 5 sec anhiel t u n d die negat ive Beschleunigung demnach wglu'end fast 40 see e inwirken konnte , so ergibt sich, dal~ in diesem Falle die 2. Reak t ion vorwiegend durch die Verz5gertmg, d. h. also dureh die negat ive Besehleunigung z u erklgren ist.

Diese Beispiele, gewonnen an k rankha f t en Fgllen, zeigen,: dal~ eine D e u t u n g der Untersuehungsergebnisse n u t durch den Vergleieh der Langdrehmethode mi t dem Entsch leunigungs tes t ge l ing t . D a m l t Soll

Page 18: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum EntscMeunigungstest 185

noch nichts Endgfiltiges fiber die klinische Anwendung des Entschleu- nigungstestes ausgesagt werden, wohl aber s011 darauf hingewiesen werden, dab man den Ablauf der Reaktion nicht verstehen kann, wenn man auf die Beachtung der II. Phase einfach ,,verzichtet".

~ber den Wert der Drehprfifungen entscheidet die Analyse des experimentell hervorgerufenen Vorganges. Diese Bemerkung sei erlaubt, weft es uns wenig zweckm~l~ig zu sein scheint, hnmer wieder ,,neue Methoden" der Drehprfifungen zu erfinden. Mit der modernen Konstruk- tion elektrisch-mechanischer Drehstfihle ist die MSglichkeit gegeben, die versehiedensten Kombinationen yon Stark- und Schwachreiz, mit oder ohne Zwischenschaltung yon reizlosen Pausen, durchzuffihren. Die Aufgabe lautet, den Vorgang und seine Auswirkung auf den Vestibular- apparat richtig und so vollst~ndig wie mSglich zu analysieren.

Die rasch aufeinanderfolgende Anwendung yon ,,Stark-" und ,,Schwachreizen" ist in theoretischer Beziehung ~ul~erst interessant. Will man beide Reize in einer Prfifung anwenden, ohne es zu Interferenzen kommen zu lassen, so mfiI3te man etwa ruckartig andrehen, die I. und II. Phase w~hrend des gleichm~igen Weiterdrehens abk]ingen lassen und dann einen VerzSgerungsreiz, m5glichst nahe dem vermuteten Schwellenwert, setzen. Dazu genfigt allerdings nicht der einfache Dreh- stuhl, sondern dazu benStigen wir neben der I~ystagmographie - - leider - - die komplizierte Apparatur eines elektrisch angetriebenen Drehstuhles, der das Einhalten genauer physikalischer Bedingungen bezfiglich Dreh- geschwindigkeit und Beschleunigung gew~hrleistet.

Wit verdanken v. EG~OND, GROEN U. JOI~GK]~ES die Gleichungen, die geeignet sind, die Verschiebungen der Endolymphe mathematisch zu beschreiben. Dadurch k5nnen die experimentellen Ergebnisse zu einem sehr wichtigen Tell klargestellt und gedeutet werden. Die Analyse deckt aber auch die Kompliziertheit der Vorg~nge auf, vor allem dann, wenn Interferenzerscheinungen eine Rolle spielen und wenn ,,noch physiolo- gische" oder ,,bereits krankhafte" Beeinflussungen der Reaktionsf~hig- keit mit im Spiele sind.

Unsere theoretischen Uberlegungen und die Erprobung in normalen und pathologischen F~llen lassen die Schwierigkeiten erkennen, die beim Entschleunigungstest einer Deutung der Ergebnisse im Wege stehen. Ein Richtungsiiberwiegen wird sich unschwer feststellen lassen. Ffir eine einfache Diagnosenste]lung, d.h. ffir die objektive Best~tigung, dal~ ein Patient an Schwindelerscheinungen, die nach einer Seite gerichtet sind, leidet, kann eine derartige Untersuchung genfigen, soweit das nicht bereits durch Beobachtung yon Spontan- und Provokationsnystagmus (F~]~NZ~L) mSglich war. Ob wir fiber den Sitz und die Ursache der StSrung eine geniigende Aufkl~rung erhalten, mu~ fraglich bleiben.

Page 19: Untersuchungen und kritische Bemerkungen zum Entschleunigungstest

186 R. MITTERMAIER und D. RSSER: Untersuchungen zum Entschleunigungstest

Zusammenfassung Der Entsch leunigungs tes t zeichnet sich durch zwei nys tak t i sche

Reak t ionen mi t entgegengesetzter Schlagrichtung aus. E ine Analyse des Erregungsvorganges u n d der Vergleich mehrerer Un te r suchungsa r t en (Entschleunigungstes t , Langdrehmethode , einfache VerzSgerungsteste, un te rbrochener Entschleunigungs tes t ) zeigt, dab sowohl antagonis t isehe wie synergistische In te r fe renzen eine Rolle spielen. Die aniagonis t i sche Interferenz ist auf Grund der Endo lymphversch iebung berechenbar , die I I . (inversen) Phasen, die be im Z u s i a n d e k o m m e n der 2. Reak t ion mi t - wirken, s ind n icht berechenbar . A n H a n d yon F~l len vestibuli~rer StSrung werden die Sehwierigkeiten der Deu tung des Entschleunigungs- testes aufgezeigt.

Literatur 1 CAWT~O~E, T~., M. R. DIx, C. S. HALLPIKE and J. D. Hoo~): British Medical

Bulletin (Neuro-Otology) 12, 2, 131 (1956) . - ~ vA~ EGMO~D, A. A. J., J. J. G~OE~ u. L. B. W. JGNGKEES :Pract. oto]. etc. (Base]) Suppl. 2 zu 14 [1] (1952). - - 3 KOB~AX, ~. : Arch. 0hren- usw. Heflk. u. Z. Hals- usw. Heilk. 158, 304 (1950). ~ KOB~AK, F. : I-1NO-Wegweiser 8, 65 (1952). - -5 MITT~RMAIER, R., U. G. Ross~E~G: Arch. Ohren- usw. Heflk. u. Z. ttals- usw. Heflk. 168, 4, 131 (1956). - - e MO~TANDO~, A., u. A. RUSSBAC~: Pract. otol. etc. (Basel) 16, 325 (1954). - - 7 RUSSBAC~, A., u. S. T A ~ A B : Ref. Z. Laryng. usw. 35, 9 (1956). - - s SCm~OEDE~, H.-O., u. J. SCm~OED~n: I-[NO-Wegweiser 8, 66 (1952). ~ 9 Wi~sT, ~7I. "- Arch. Ohrcn- usw. Heilk. u. Z. Hals- usw. Heflk. 168, 5, 414 (1956).

Prof. Dr. R. M~T~R~A~, Marburg/Lahn, Univ. Ohrenklinik Dip].-Ing. DIETRICH ROSER, Marburg/Lahn, Univ. Ohrenklinik