2
© Springer-Verlag 2008 wobl 360 Rechtsprechung/MRG 2008, Heft 12 Dezember 1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind“. Abgestellt wird eindeutig auf die Neuerrichtung des Gebäudes, in dem sich der Mietgegenstand befindet, nicht jedoch auf die Neuerrichtung bloß des Mietgegen- stands selbst (5 Ob 2033/96y = wobl 1998/1, 13 [Dirn- bacher]; RIS-Justiz RS0069293). Von einer Neuerrich- tung kann nur dann gesprochen werden, wenn es sich um die Gewinnung neuen und nicht bloß bauliche Umgestal- tung schon vorhandenen Raums für Wohnzwecke und Geschäftszwecke handelt (RIS-Justiz RS0068742). Die Halle 2 sowie das Verwaltungs- und Bürogebäude wurden jeweils ohne öffentliche Förderungsmittel in den 60er- bzw 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts er- richtet und würden daher grundsätzlich der Teilanwen- dung des MRG nach § 1 Abs 4 Z 1 MRG unterliegen. Die in der Halle 1 gelegenen Bestandräumlichkeiten würden dagegen im Hinblick auf das Errichtungsdatum des Ge- bäudes in den Vollanwendungsbereich des MRG fallen. Nach dem im Akt erliegenden Plan Blg ./B hat die Halle 1 eine Fläche von ca 2500 m 2 und ist damit nicht als bloß unbedeutendes Nebengebäude anzusehen. 3.2. Wegen der grundsätzlichen Gleichsetzung von Haus und Liegenschaft im MRG (5 Ob 28/91 = wobl 1992/ 111, 154 [Call] = RIS-Justiz RS0070018; 5 Ob 13/93 = wobl 1993/123, 183; RIS-Justiz RS0069823) schadet der kl Vermieterin, die sich auf den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG beruft, bereits der Umstand, dass es sich bei der gesamten Halle 1 um Altbestand handelt; dass sich das Mietobjekt in Halle 1 in einem rechtlich eigenständigen Gebäude befand, wurde von der hiefür behauptungs- und beweispflichtigen kl P (RIS-Justiz RS0069235 [T5]) nicht geltend gemacht und ist nach den Feststellungen auch nicht anzunehmen, ist doch das Bürogebäude an die Halle 1 angebaut; die gemieteten Räumlichkeiten in Halle 1 sind in diese hineingebaut. 3.3. Auch das mit (bloß) 50 – 70 m 2 festgestellte Aus- maß der „geschützten“, in die Halle 1 eingebauten Räum- lichkeiten ist dem Ausnahmetatbestand schädlich. Auf eine mangelnde „selbständige“ Verwertbarkeit dieser Räumlichkeiten im Sinne einer eigenständigen Vermiet- barkeit kommt es nicht an. Ist die Halle 1 grundsätzlich vermietbar (was im vor- liegenden Fall nicht weiter strittig ist), liegt es an den Dispositionen des Vermieters, ob er die nun von der bekl P gemieteten Räumlichkeiten – nach gewissen baulichen Adaptierungen – bspw an einen in der Halle 1 etablierten Mieter oder an den Mieter des Bürogebäudes vermietet. In diesem Sinn kommt den an die bekl P vermieteten Ge- bäudeteilen der Halle 1 unter dem Aspekt der Vermiet- barkeit sehr wohl „selbständige“ Bedeutung zu, weil sie nicht nur an den Mieter ganz bestimmter Räumlichkeiten mitvermietet werden können (vgl 5 Ob 19/03k, wonach der Vollanwendung „umschlossene Gebäudeteile, denen unter dem Aspekt der Weitervermietbarkeit jedoch kei- nerlei selbständige Bedeutung zukommt“, unschädlich sind). Keinesfalls ist es auch so, dass der gesamte „alte“ Gebäudeteil (hier: Halle 1) für sich allein unvermietbar ist. 4. Angesichts des Mietvertragsinhalts und der festge- stellten räumlichen Verhältnisse besteht kein Zweifel an der Einheitlichkeit des Bestandobjekts. In einem solchen Fall sind – neben den Kündigungsschutzbestimmungen (8 Ob 550/91 = MietSlg 43.130; RIS-Justiz RS0020298) – auch die Mietzinsbildungsvorschriften auf das gesamte Bestandobjekt einheitlich anzuwenden oder nicht anzu- wenden (H. Böhm in Schwimann 2 IV § 1 MRG Rz 37). Im Hinblick auf den Umstand, dass der Ausnahmetat- bestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG nicht hinsichtlich des ge- samten Bestandobjekts verwirklicht ist, unterliegt dieses insgesamt dem Vollanwendungsbereich des MRG, wes- halb auch die Bestimmung des § 16 Abs 9 MRG anzuwen- den ist, die die Geltendmachung von Erhöhungsbeträgen aus einer Wertsicherungsvereinbarung nur pro futuro zu- lässt (5 Ob 531/86 = SZ 59/48; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht 21 § 16 MRG Rz 37 mwN). 5. Damit erweist sich das auf Wertsicherungsbeträge aus der Vergangenheit gerichtete Klagebegehren als un- berechtigt. (. . .) 129. Unzulässigkeit eines Individualantrages auf Auf- hebung des Mietrechtlichen InflationslinderungsG DOI 10.1007/s00719-008-1165-6 § 37 Abs 1 Z 8 MRG (§ 40 MRG); MILG; Art 140 Abs 1 B-VG: Der Individualantrag eines Hauseigentümers auf Auf- hebung des Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetzes betreffend die Änderung von Richtwerten ist infolge Zu- mutbarkeit der Beschreitung des gerichtlichen Rechts- weges in einem mietrechtlichen Außerstreitverfahren un- zulässig und daher zurückzuweisen. VfGH 29. 9. 2008, G 55/08 (Beschluss) I. Die Antragstellerin ist grundbücherliche Eigentü- merin zweier Liegenschaften, auf denen sich Gebäude befinden, die laut ihren Angaben in den Anwendungsbe- reich des Mietrechtsgesetzes, des Richtwertgesetzes und des Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetzes fallen. Mit dem vorliegenden, auf Art 140 B-VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin die Aufhebung des Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetzes wegen Ver- letzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums. . . . Zur Antragslegitimation führt die Antragstellerin aus, dass ihr durch das angefochtene Gesetz – da sie grund- bücherliche Eigentümerin von zwei Liegenschaften mit Gebäuden sei, die in den Anwendungsbereich des Miet- rechtsgesetzes, des Richtwertgesetzes und des Mietrecht- lichen Inflationslinderungsgesetzes fielen – eine Rechts- pflicht bzw Rechtseinschränkung auferlegt werde, die unmittelbar und aktuell in ihre Rechtssphäre eingreife, ohne dass es hiefür einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bedürfe. Im Falle eines Zuwiderhandelns müsse sie mit der Erlassung von Bescheiden der Schlich- tungsstellen bzw mit Erkenntnissen der Gerichte und der Rückzahlung von Beträgen rechnen, was ihr nicht zu- mutbar sei. Auch stehe ein anderer zumutbarer Weg nicht zur Verfügung. II. ... Es kann dahingestellt bleiben, ob die Antrag- stellerin durch das angef Gesetz tatsächlich aktuell und unmittelbar in ihrer Rechtssphäre beeinträchtigt wird, da ihr jedenfalls ein zumutbarer Weg zur Geltendma- chung der behaupteten Verfassungswidrigkeit offen steht (vgl zum Folgenden auch VfSlg 14.355/1995, 17.910/ 2006 = wobl 2007, 161/65 [Arnold]). Gem § 37 Abs 1 Z 8 MRG entscheidet im Außerstreitverfahren das für Zivil- rechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Spren- gel das Mietshaus gelegen ist, auf Antrag – auch des Ver- mieters (vgl MietSlg 36.495/19) – über die „Angemessen- heit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses“. In diesem Verfahren kann die Antragstellerin unter Dar- legung der nach ihrer Auffassung gegen die Verfassungs- mäßigkeit des angefochtenen Gesetzes sprechenden Ar- gumente die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages durch das Gericht zweiter Instanz beim Verfassungs- gerichtshof anregen (daran ändert auch die Vorschaltung eines Schlichtungsverfahrens nichts, da gegen die in die-

Unzulässigkeit eines Individualantrages auf Aufhebung des Mietrechtlichen InflationslinderungsG

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Page 1: Unzulässigkeit eines Individualantrages auf Aufhebung des Mietrechtlichen InflationslinderungsG

© Springer-Verlag 2008

wobl360 Rechtsprechung/MRG 2008, Heft 12

Dezember

1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet wordensind“.

Abgestellt wird eindeutig auf die Neuerrichtung desGebäudes, in dem sich der Mietgegenstand befindet,nicht jedoch auf die Neuerrichtung bloß des Mietgegen-stands selbst (5 Ob 2033/96y = wobl 1998/1, 13 [Dirn-bacher]; RIS-Justiz RS0069293). Von einer Neuerrich-tung kann nur dann gesprochen werden, wenn es sich umdie Gewinnung neuen und nicht bloß bauliche Umgestal-tung schon vorhandenen Raums für Wohnzwecke undGeschäftszwecke handelt (RIS-Justiz RS0068742).

Die Halle 2 sowie das Verwaltungs- und Bürogebäudewurden jeweils ohne öffentliche Förderungsmittel in den60er- bzw 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts er-richtet und würden daher grundsätzlich der Teilanwen-dung des MRG nach § 1 Abs 4 Z 1 MRG unterliegen. Diein der Halle 1 gelegenen Bestandräumlichkeiten würdendagegen im Hinblick auf das Errichtungsdatum des Ge-bäudes in den Vollanwendungsbereich des MRG fallen.Nach dem im Akt erliegenden Plan Blg ./B hat die Halle 1eine Fläche von ca 2500 m2 und ist damit nicht als bloßunbedeutendes Nebengebäude anzusehen.

3.2. Wegen der grundsätzlichen Gleichsetzung vonHaus und Liegenschaft im MRG (5 Ob 28/91 = wobl 1992/111, 154 [Call] = RIS-Justiz RS0070018; 5 Ob 13/93 =wobl 1993/123, 183; RIS-Justiz RS0069823) schadet derkl Vermieterin, die sich auf den Ausnahmetatbestand des§ 1 Abs 4 Z 1 MRG beruft, bereits der Umstand, dass essich bei der gesamten Halle 1 um Altbestand handelt;dass sich das Mietobjekt in Halle 1 in einem rechtlicheigenständigen Gebäude befand, wurde von der hiefürbehauptungs- und beweispflichtigen kl P (RIS-JustizRS0069235 [T5]) nicht geltend gemacht und ist nach denFeststellungen auch nicht anzunehmen, ist doch dasBürogebäude an die Halle 1 angebaut; die gemietetenRäumlichkeiten in Halle 1 sind in diese hineingebaut.

3.3. Auch das mit (bloß) 50–70 m2 festgestellte Aus-maß der „geschützten“, in die Halle 1 eingebauten Räum-lichkeiten ist dem Ausnahmetatbestand schädlich. Aufeine mangelnde „selbständige“ Verwertbarkeit dieserRäumlichkeiten im Sinne einer eigenständigen Vermiet-barkeit kommt es nicht an.

Ist die Halle 1 grundsätzlich vermietbar (was im vor-liegenden Fall nicht weiter strittig ist), liegt es an denDispositionen des Vermieters, ob er die nun von der beklP gemieteten Räumlichkeiten – nach gewissen baulichenAdaptierungen – bspw an einen in der Halle 1 etabliertenMieter oder an den Mieter des Bürogebäudes vermietet.In diesem Sinn kommt den an die bekl P vermieteten Ge-bäudeteilen der Halle 1 unter dem Aspekt der Vermiet-barkeit sehr wohl „selbständige“ Bedeutung zu, weil sienicht nur an den Mieter ganz bestimmter Räumlichkeitenmitvermietet werden können (vgl 5 Ob 19/03k, wonachder Vollanwendung „umschlossene Gebäudeteile, denenunter dem Aspekt der Weitervermietbarkeit jedoch kei-nerlei selbständige Bedeutung zukommt“, unschädlichsind). Keinesfalls ist es auch so, dass der gesamte „alte“Gebäudeteil (hier: Halle 1) für sich allein unvermietbarist.

4. Angesichts des Mietvertragsinhalts und der festge-stellten räumlichen Verhältnisse besteht kein Zweifel ander Einheitlichkeit des Bestandobjekts. In einem solchenFall sind – neben den Kündigungsschutzbestimmungen(8 Ob 550/91 = MietSlg 43.130; RIS-Justiz RS0020298) –auch die Mietzinsbildungsvorschriften auf das gesamteBestandobjekt einheitlich anzuwenden oder nicht anzu-wenden (H. Böhm in Schwimann2 IV § 1 MRG Rz 37).

Im Hinblick auf den Umstand, dass der Ausnahmetat-bestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG nicht hinsichtlich des ge-samten Bestandobjekts verwirklicht ist, unterliegt diesesinsgesamt dem Vollanwendungsbereich des MRG, wes-

halb auch die Bestimmung des § 16 Abs 9 MRG anzuwen-den ist, die die Geltendmachung von Erhöhungsbeträgenaus einer Wertsicherungsvereinbarung nur pro futuro zu-lässt (5 Ob 531/86 = SZ 59/48; Würth/Zingher/Kovanyi,Miet- und Wohnrecht21 § 16 MRG Rz 37 mwN).

5. Damit erweist sich das auf Wertsicherungsbeträgeaus der Vergangenheit gerichtete Klagebegehren als un-berechtigt.

(. . .)

129.Unzulässigkeit eines Individualantrages auf Auf-hebung des Mietrechtlichen InflationslinderungsG

DOI 10.1007/s00719-008-1165-6

§ 37 Abs 1 Z 8 MRG (§ 40 MRG); MILG; Art 140 Abs 1B-VG:

Der Individualantrag eines Hauseigentümers auf Auf-hebung des Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetzesbetreffend die Änderung von Richtwerten ist infolge Zu-mutbarkeit der Beschreitung des gerichtlichen Rechts-weges in einem mietrechtlichen Außerstreitverfahren un-zulässig und daher zurückzuweisen.VfGH 29. 9. 2008, G 55/08 (Beschluss)

I. Die Antragstellerin ist grundbücherliche Eigentü-merin zweier Liegenschaften, auf denen sich Gebäudebefinden, die laut ihren Angaben in den Anwendungsbe-reich des Mietrechtsgesetzes, des Richtwertgesetzes unddes Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetzes fallen.Mit dem vorliegenden, auf Art 140 B-VG gestütztenAntrag begehrt die Antragstellerin die Aufhebung desMietrechtlichen Inflationslinderungsgesetzes wegen Ver-letzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechteauf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und aufUnversehrtheit des Eigentums. . . .

Zur Antragslegitimation führt die Antragstellerin aus,dass ihr durch das angefochtene Gesetz – da sie grund-bücherliche Eigentümerin von zwei Liegenschaften mitGebäuden sei, die in den Anwendungsbereich des Miet-rechtsgesetzes, des Richtwertgesetzes und des Mietrecht-lichen Inflationslinderungsgesetzes fielen – eine Rechts-pflicht bzw Rechtseinschränkung auferlegt werde, dieunmittelbar und aktuell in ihre Rechtssphäre eingreife,ohne dass es hiefür einer behördlichen oder gerichtlichenEntscheidung bedürfe. Im Falle eines Zuwiderhandelnsmüsse sie mit der Erlassung von Bescheiden der Schlich-tungsstellen bzw mit Erkenntnissen der Gerichte und derRückzahlung von Beträgen rechnen, was ihr nicht zu-mutbar sei. Auch stehe ein anderer zumutbarer Wegnicht zur Verfügung.

II. . . . Es kann dahingestellt bleiben, ob die Antrag-stellerin durch das angef Gesetz tatsächlich aktuell undunmittelbar in ihrer Rechtssphäre beeinträchtigt wird,da ihr jedenfalls ein zumutbarer Weg zur Geltendma-chung der behaupteten Verfassungswidrigkeit offen steht(vgl zum Folgenden auch VfSlg 14.355/1995, 17.910/2006 = wobl 2007, 161/65 [Arnold]). Gem § 37 Abs 1 Z 8MRG entscheidet im Außerstreitverfahren das für Zivil-rechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Spren-gel das Mietshaus gelegen ist, auf Antrag – auch des Ver-mieters (vgl MietSlg 36.495/19) – über die „Angemessen-heit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses“.In diesem Verfahren kann die Antragstellerin unter Dar-legung der nach ihrer Auffassung gegen die Verfassungs-mäßigkeit des angefochtenen Gesetzes sprechenden Ar-gumente die Stellung eines Gesetzesprüfungsantragesdurch das Gericht zweiter Instanz beim Verfassungs-gerichtshof anregen (daran ändert auch die Vorschaltungeines Schlichtungsverfahrens nichts, da gegen die in die-

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woblRechtsprechung/MRG 3612008, Heft 12

Dezember

sem ergangene Entscheidung gemäß § 40 MRG das Ge-richt angerufen werden kann). Dieser Weg ist der An-tragstellerin jedenfalls zumutbar.

Der Antrag war daher bereits aus diesem Grund alsunzulässig zurückzuweisen.

130.Ersatzansprüche des Mieters als Nebenberechtig-tem bei Enteignung des Mietobjekts; Kündigungs-grund des qualifizierten öffentlichen Interesses

DOI 10.1007/s00719-008-1020-9

§ 4, § 5 EisenbahnentschädigungsG; § 30 Abs 1, § 30Abs 2 Z 11, § 32 MRG:

Ist der Vermieter selbst der Enteigner, so hat er demMieter nicht mehr an Entschädigung zu zahlen als diesbei einer rechtmäßigen Kündigung der Fall wäre. Beieinem jederzeit kündbaren Mietverhältnis verliert derMieter durch eine Enteignung höchstens einen Mietzins-vorteil für die restliche Bestanddauer und hat durch dieVorverlegung der Räumung aufgrund der Enteignungallenfalls höhere Übersiedlungskosten, die im Entschädi-gungsverfahren berücksichtigt werden könnten.

Bei der Enteignung des Vermieters hat der Mieter alsNebenberechtigter iSd § 5 EisbEG Anspruch auf Ersatzaller durch die Enteignung entstehenden Nachteile undnicht nur derjenigen Nachteile, wie sie bei einer Kündi-gung durch den Vermieter entstünden. Alle Nachteile desMieters sind zu berücksichtigen, ohne Rücksicht darauf,ob der Mieter gegen den (enteigneten) Vermieter Ansprü-che hat.

Bei der Kündigung nach der Generalklausel des § 30Abs 1 MRG aus qualifiziertem öffentlichen Interessetrifft den kündigenden Vermieter – ebenso wie bei derKündigung wegen (einfachen) öffentlichen Interessesnach § 30 Abs 2 Z 11 MRG – die Pflicht zur Ersatzbe-schaffung.OGH 27. 11. 2007, 3 Ob 185/07p (LGZ Wien 43 R 346/07m; BG Hietzing 11Nc 1/07a)

Die ASt hat auf einer Teilfläche eines Grundstücks derAG, deren alleinige Aktionärin die ÖBB-Holding AG undderen Gesellschafterin die Republik Österreich ist, eineTankstelle errichtet und betreibt diese (unstrittig einSuperädifikat) auf der Grundlage eines Bestandvertragsvom 13. August 1968. Im § 14 des Vertrags wurde einKündigungsrecht der Bestandgeberin ua für den Fall ver-einbart, dass die „überlassenen bahneigenen Grundflä-chen ganz oder teilweise für Eisenbahnbetriebszweckebenötigt werden“. Für die Beendigung des Vertragswurde Folgendes vereinbart: „Mit Beendigung des Ver-tragsverhältnisses gehen die vom Betriebsinhaber aufden Bahngrundflächen gem § 1 errichteten Baulichkeitenund sonstigen Anlagen über Verlangen der ÖBB ohneEntschädigung in deren Eigentum über“. Wenn die ÖBBdavon (vom Eigentumsübergang) nicht Gebrauch ma-chen, hat die Bestandnehmerin die Bahngrundflächen„in jenem Zustand zurückzustellen, in welchem sie demBetriebsinhaber übergeben wurden, widrigenfalls dieÖBB berechtigt sind, die Beseitigung der Anlage und dieWiederherstellung des früheren Zustands auf Kosten undGefahr des Betriebsinhabers selbst zu besorgen“.

Die in Bestand genommene Grundfläche wird für das(aus Zeitungsberichten bekannte) Bahnprojekt „LainzerTunnel“ benötigt. Am 21. Dezember 2004 brachte die AG(. . .) eine gerichtliche Aufkündigung ein und stützte sichdabei auf den vereinbarten Kündigungsgrund, dieGrundfläche für ein Eisenbahnprojekt zu benötigen (§ 30Abs 2 Z 13 MRG), das im überwiegenden Interesse derRepublik Österreich liege (Kündigungsgrund nach der

Generalklausel des § 30 Abs 1 MRG) und berief sich„vorsichtshalber“ auch auf den Kündigungsgrund desEigenbedarfs iSd § 30 Abs 2 Z 9 MRG. Am 9. März 2006trat in diesem Verfahren Ruhen des Verfahrens ein.

Mit dem Bescheid des LH von Wien vom 18. November2005 wurde gem §§ 2 und 6 Abs 1 des Hochleistungsstre-ckenG (HlG), BGBl 1989/135 idgF iVm § 2 Abs 2 Z 3 letz-ter Teilsatz des EisbEG 1954, BGBl 1954/71 idgF die Ent-eignung zugunsten der (dortigen) ASt (AG im Entschädi-gungsverfahren) dahin verfügt, dass das Bestandrechtder (nunmehrigen) ASt aufgehoben und diese verpflich-tet wurde, die enteigneten Grundstücke „samt darauf be-findlichen Superädifikaten zu räumen, die Superädifi-kate zu entfernen und der AG frei von allem Inventar,Steuern, Abgaben und Versicherungen geräumt zu über-geben“. Die AG wurde verpflichtet, der enteigneten ASteine Entschädigung von 23.000 E (Übersiedlungskosten)zu bezahlen. Die Verwaltungsbehörde ging bei der Fest-setzung der Höhe der Entschädigung nicht von dem imVerfahren eingeholten SV-GA aus, das folgende Bewer-tungen enthielt: Wert des Mietrechts 132.342 E; Kostender Übersiedlung verwendbarer Gegenstände 23.000 E;Zeitwert der Baulichkeiten 36.500 E; Anspruch des Un-terpächters 39.950 E. Sie erachtete vielmehr nur den An-spruch auf Übersiedlungskosten für berechtigt, weil inmittelbarer Anwendung des MRG von einem Ausgleichauszugehen sei, wie er einem wegen Eigenbedarfs desVermieters gekündigten Mieter zustehe. Wegen der ver-traglichen Regelung bestehe über die Übersiedlungskos-ten hinaus kein weiterer Anspruch. Mit Bescheid desBMVIT v 27. Jänner 2006 wurde die Berufung der ASt ge-gen den Enteignungsbescheid abgewiesen.

Am 28. April 2006 stellte die ASt beim LGZ Wien (dasVerfahren wurde in der Folge richtigerweise dem BGHietzing überwiesen) den Antrag, die Enteignungsent-schädigung mit 231.792 E festzusetzen. Der Bestandver-trag und das Superädifikat stünden unter dem Schutzder Bestimmungen des MRG. Dessen Kündigungsbestim-mungen seien analog anzuwenden. Gem § 32 MRG sei dieAG zur Ersatzbeschaffung verpflichtet. Der Ersatz müssegleichwertig sein. Ersatzfähig seien nicht nur die Über-siedlungskosten, sondern auch der Wert des Bestand-rechts, der Zeitwert der Baulichkeiten und der Anspruchdes Unterpächters für den Verlust seiner Erwerbsquelle.Entsprechende Werte seien dem im Verwaltungsverfah-ren eingeholten Gutachten zu entnehmen. Die AG stehtauf dem Standpunkt, dass nach den Bestimmungen desBestandvertrags die Tankstellenanlage ohne Entschädi-gung in ihr Eigentum übergehe. Es liege kein kündi-gungsgeschütztes Vertragsobjekt vor. Die Kündigung desBestandverhältnisses wäre wegen qualifizierten öffentli-chen Interesses am Eisenbahnprojekt gerechtfertigt.

Das ErstG wies den Antrag auf Festsetzung der Ent-schädigung im begehrten Ausmaß ab. (. . .)

Das RekursG gab dem Rekurs der ASt nicht Folge undsprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands20.000 E übersteige und der ordentliche Revisionsrekursnicht zulässig sei.

Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die ASt die Statt-gebung ihres Entschädigungsantrags. (. . .)

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den OGH nichtbindenden Ausspruch des RekursG zulässig. Das Rechts-mittel ist auch iS einer Aufhebung zur Verfahrensergän-zung berechtigt.

Aus den Entscheidungsgründen des OGH:I. In formeller Hinsicht ist Folgendes vorauszuschi-

cken:1. Die ASt ist nicht Nebenberechtigte (Bestandnehme-

rin) eines Enteigneten iSd § 5 EisbEG, der kein unmittel-barer Anspruch gegen den Enteigner zusteht. Die Schad-