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Das Vermächtnis von Mary McFadyen 40 REIKI MAGAZIN 1/12 www.reiki-magazin.de Up and away Über das Verschwinden von Mary McFadyen ... einer der 22 MeisterInnen, die von Hawayo Takata eingeweiht wurden ... von Oliver Klatt. A ls ich im März 2011 erste E-Mails erhielt, in denen ich gefragt wur- de, ob ich wüsste, wo Mary McFadyen sich aufhalte, sie sei weder telefo- nisch noch per E-Mail erreichbar, dachte ich mir zunächst nichts dabei. Bald wurde jedoch klar, dass tatsäch- lich keiner, der in näherem Kontakt zu ihr stand, zu wissen schien, wo sie ist. Auch meine E-Mails an Mary und Anrufe bei ihr liefen ins Leere. Was war passiert? Wenig später fassten die Reiki-Meisterinnen Kathy Har- mony Gaston und Alanna Tarkington den Stand der Dinge in einem Pos- ting auf der Website der Reiki Alli- ance zusammen. Demnach hat Mary wohl an einem Tag Ende Februar ihr Appartment in Austin, Texas, verlas- sen – und seitdem hat keiner ihrer Freunde, Verwand- ten, Schüler oder Bekannten mehr etwas von ihr gehört. Ihren Pass und ihre Green Card ließ sie im Appartment zurück, ebenso das Flugticket für den für März geplan- ten Flug nach England, zu ihren Verwandten. Was tun? Mary hatte ein hohes Alter erreicht und litt seit einiger Zeit an Krebs. Zunächst hatte sie nur wenigen davon er- zählt. Ab Herbst 2010, wo sie auf dem Reiki-Festival in Gersfeld als Gast dabei war, begann sie jedoch, eher of- fen damit umzugehen und es dem einen oder anderen gegenüber zu erwähnen. Nach dem Festival fuhren wir gemeinsam mit dem Auto nach Berlin. Wir hatten in- tensive Gespräche darüber, was sie jetzt tun würde, wo sie ab nächstem Jahr leben wolle. Durch die Krankheit hatte sie an Vitalität verloren. Die Medikamente, die sie nahm, schwächten sie körperlich. Geistig war sie voll da, sehr präsent und klar. Nun stellte sich für sie die Frage, ob sie weiterhin allei- ne in ihrem Appartment in Austin, Texas, würde leben können. Ursprünglich stammte Mary aus Großbritanni- en, in den USA wohnte sie als Ausländerin. An ver- schiedenen Orten auf der Welt, wo sie jeweils eine Zeit lang gelebt hatte, waren Sachen von ihr eingelagert, an denen sie sehr hing. Für all diese Lagerräume war Mie- te zu zahlen, sonst würden die eingelagerten Sachen in den Besitz der jeweiligen Vermieter übergehen – eine Vorstellung, die ihr gar nicht behagte. An den meisten dieser Orte war sie seit längerer Zeit nicht mehr gewe- sen. Große Entscheidung In England hatte sie Verwandte, die ihr beiseite stehen würden. Es gab auch einen Neffen, der wohl vermö- gend war. Es gab ein Angebot, dass man ihr helfen wol- le, wenn sie nach England zurückkehre. Eine Wohnung würde einfach zu finden sein, in der Nähe der Ver- wandten. Die medizinische Versorgung würde in Eng- land deutlich besser sein als in den USA. Dennoch mochte sie die Vorstellung überhaupt nicht, nach Jahr- zehnten wieder nach England zurückzukehren, mit sei- nem feuchten, unangenehmen Wetter. Sie kam einfach zu keiner Entscheidung, mit der sie glücklich war. In einer E-Mail, die ich im Dezember 2010 von ihr er- hielt, schrieb sie: „Ich bin immer noch im Prozess der Entscheidungsfindung hinsichtlich meiner Zukunft. Es ist eine so große Entscheidung, die den Rest meines Le- bens bestimmen wird. Ich arbeite in Richtung einer Ent- scheidung für den Umzug nach England, aber das kal- te Wetter dort ist nicht gerade ermutigend! Mein Horos - kop deutet darauf hin, dass es im Januar eine Phase ge- ben wird, die eine Entscheidung erzwingen wird. Ich denke, das wird eine interessante Zeit.“

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Das Vermächtnis von Mary McFadyen

40 REIKI MAGAZIN 1/12 www.reiki-magazin.de

Up and away

Über das Verschwinden von Mary McFadyen ... einer der 22 MeisterInnen, die

von Hawayo Takata eingeweiht wurden ... von Oliver Klatt.

Als ich im März 2011 erste E-Mailserhielt, in denen ich gefragt wur-

de, ob ich wüsste, wo Mary McFadyensich aufhalte, sie sei weder telefo-nisch noch per E-Mail erreichbar,dachte ich mir zunächst nichts dabei.Bald wurde jedoch klar, dass tatsäch-lich keiner, der in näherem Kontaktzu ihr stand, zu wissen schien, wo sieist. Auch meine E-Mails an Mary undAnrufe bei ihr liefen ins Leere. Waswar passiert? Wenig später fasstendie Reiki-Meisterinnen Kathy Har-mony Gaston und Alanna Tarkingtonden Stand der Dinge in einem Pos -ting auf der Website der Reiki Alli -ance zusammen. Demnach hat Marywohl an einem Tag Ende Februar ihrAppartment in Austin, Texas, verlas-

sen – und seitdem hat keiner ihrer Freunde, Verwand-ten, Schüler oder Bekannten mehr etwas von ihr gehört.Ihren Pass und ihre Green Card ließ sie im Appartmentzurück, ebenso das Flugticket für den für März geplan-ten Flug nach England, zu ihren Verwandten.

Was tun?

Mary hatte ein hohes Alter erreicht und litt seit einigerZeit an Krebs. Zunächst hatte sie nur wenigen davon er-zählt. Ab Herbst 2010, wo sie auf dem Reiki-Festival inGersfeld als Gast dabei war, begann sie jedoch, eher of-fen damit umzugehen und es dem einen oder anderengegenüber zu erwähnen. Nach dem Festival fuhren wirgemeinsam mit dem Auto nach Berlin. Wir hatten in-tensive Gespräche darüber, was sie jetzt tun würde, wosie ab nächstem Jahr leben wolle. Durch die Krankheithatte sie an Vitalität verloren. Die Medikamente, die sienahm, schwächten sie körperlich. Geistig war sie voll da,sehr präsent und klar.

Nun stellte sich für sie die Frage, ob sie weiterhin allei-ne in ihrem Appartment in Austin, Texas, würde lebenkönnen. Ursprünglich stammte Mary aus Großbritanni-en, in den USA wohnte sie als Ausländerin. An ver-schiedenen Orten auf der Welt, wo sie jeweils eine Zeitlang gelebt hatte, waren Sachen von ihr eingelagert, andenen sie sehr hing. Für all diese Lagerräume war Mie-te zu zahlen, sonst würden die eingelagerten Sachen inden Besitz der jeweiligen Vermieter übergehen – eineVorstellung, die ihr gar nicht behagte. An den meistendieser Orte war sie seit längerer Zeit nicht mehr gewe-sen.

Große Entscheidung

In England hatte sie Verwandte, die ihr beiseite stehenwürden. Es gab auch einen Neffen, der wohl vermö-gend war. Es gab ein Angebot, dass man ihr helfen wol-le, wenn sie nach England zurückkehre. Eine Wohnungwürde einfach zu finden sein, in der Nähe der Ver-wandten. Die medizinische Versorgung würde in Eng-land deutlich besser sein als in den USA. Dennochmochte sie die Vorstellung überhaupt nicht, nach Jahr-zehnten wieder nach England zurückzukehren, mit sei-nem feuchten, unangenehmen Wetter. Sie kam einfachzu keiner Entscheidung, mit der sie glücklich war.

In einer E-Mail, die ich im Dezember 2010 von ihr er-hielt, schrieb sie: „Ich bin immer noch im Prozess derEntscheidungsfindung hinsichtlich meiner Zukunft. Esist eine so große Entscheidung, die den Rest meines Le-bens bestimmen wird. Ich arbeite in Richtung einer Ent-scheidung für den Umzug nach England, aber das kal-te Wetter dort ist nicht gerade ermutigend! Mein Horos -kop deutet darauf hin, dass es im Januar eine Phase ge-ben wird, die eine Entscheidung erzwingen wird. Ichdenke, das wird eine interessante Zeit.“

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In Austin, Texas, wurde kurze Zeit nach Marys Ver-schwinden die Polizei eingeschaltet. Die Untersuchun-gen ergaben jedoch nichts, was auf einen möglichenAufenthaltsort Marys schließen lässt. Die Verwandtenvon Mary aus England ließen, weil Handlungsbedarf be-stand, Marys Appartment räumen und kündigten denMietvertrag. Im April 2011 wurde schließlich Marys Au-to gefunden. Es war unweit ihres Appartments geparkt,in der Nähe eines Supermarktes, an einer unauffälligenStelle. Ein Angestellter des Supermarktes meinte, dasAuto hätte seit mindestens einem Monat dort gestan-den.

Dame in Weiß

Ich traf Mary das erste Mal in Berlin. Seit 1981, als mitihrem Reiki-Kurs in Hamburg die ersten Reiki-Einwei-hungen auf europäischem Boden stattfanden, kam siezwei Mal im Jahr nach Deutschland. Sie gab in mehre-ren Städten Reiki-Kurse, in Bremen, Hamburg, Mün-chen, Nürnberg, Ravensburg und Tübingen – und seit1990 zunehmend in Berlin. Es muss im Jahr 2005 ge-wesen sein, als ich sie traf. Mein Buch „Die Reiki-Syste-me der Welt“ war gerade herausgekommen. Auf einerVeranstaltung anlässlich des Erscheinens des Buchessprach mich eine Schülerin von Mary an, ob ich nichteinmal mit ihr in Kontakt treten wolle (was ohne WissenMarys geschah), und gab mir eine Telefonnummer.

Bereits einige Jahre zuvor hatte ich den Kontakt zu Marygesucht. Damals war er aber nicht zustande gekom-men, weil sie es nicht gewollt hatte. Nun, nach mehre-ren Gesprächen am Telefon, stimmte sie schließlich zu,dass ich für ein Interview vorbeikommen könne. Das In-terview fand am 31. Oktober statt – zu Halloween, amReformationstag. Ich traf sie in der Wohnung, wo sie leb-te, wenn sie in Berlin war; diese befand sich in unmit-telbarer Nähe unserer damaligen Wohnung.

Aus diesem ersten Treffen heraus ergaben sich weite-re, zunehmend regelmäßige Treffen, immer wenn Marynach Berlin kam. Die Wohnung, wo sie hier lebte, lag imvierten Stock, es gab keinen Fahrstuhl im Haus. Maryreiste immer mit viel Gepäck, darunter ein riesiger,schwerer Koffer, den sie selbst nur rollen, aber nicht tra-gen konnte. So bat sie mich stets zu ihrer An- und Ab-reise, ob ich nicht vorbeikommen könne, den Koffer dievier Stockwerke hoch- bzw. runterzutragen – was ichgerne für sie tat, denn die Treffen mit ihr waren in vie-lerlei Hinsicht inspirierend (und wenn ich mal keine Zeithatte, konnte ich jemanden anders vermitteln, der tra-gen half).

Später war Mary oft Gast in unserem Hause. Wir ver-brachten Nachmittage zusammen, besuchten die Lie-bermann-Villa am Wannsee oder das Neue Museum,wo die berühmte Büste der Nofretete steht (die Mary

sehr mochte!). Es war ein kalter Wintertag, als wir dasMuseum betraten, und Mary trug einen langen, weißenMantel, eine große, weiße Fellmütze und weiße Hand-schuhe. Damit hatte sie, zusammen mit ihrer feingeisti-gen Präsenz, an diesem Tag eine so wundersame Aus-strahlung, dass dies auch vielen Museumsbesuchernund -angestellten auffiel.

An anderen Tagen, die wir gemeinsam verbrachten, un-terhielten wir uns lange und ausgiebig über spirituelleThemen, über Reiki oder andere Dinge, die gerade an-standen. Wenn ich sie danach zurück zu ihrer Wohnungfuhr und wir uns, wenn wir dort ankamen, noch nicht zuEnde unterhalten hatten, blieben wir manchmal nochlange Zeit im Auto sitzen, um das jeweilige Thema biszu einem Punkt zu durchdringen, der uns ausreichendfür ein tieferes Verständnis davon erschien.

Verbundenheit

Mary hatte in Sachen Reiki sehr klare Vorstellungen,von denen sie oft nicht bereit war, auch nur ein Stückweit abzurücken. In einigen Punkten mag sie damit

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sicherlich recht gehabt haben, und es offenbarte sichdabei ihre besondere Qualität, unnachgiebig für dasLicht einzustehen, gegen alle widrigen Umstände. Inanderen Punkten mag ihre wenig tolerante Haltung, be-züglich einiger neuerer Entwicklungen oder auch tradi-tioneller Zusammenhänge, vielleicht etwas übertriebengewesen sein. Wie auch immer – in jedem Fall hatte siezu jedem Punkt eine dezidierte Meinung, und man konn-te sich entscheiden, ob man dieser im Einzelfall zu-stimmen mochte oder auch nicht.

In den ersten Jahren hatte ich viele Fragen an sie: zu derZeit nach Takatas Tod, in der sie Phyllis Furumoto alsNachfolgerin von Takata unterstützte – zu den späten1990er Jahren, als sie alles tat, um die Lizenzierung vonReiki zu verhindern, für die Phyllis sich damals einsetz-te (und zu der es letztlich nicht kam, auch weil die Mehr-zahl selbst der Meister/innen aus den eigenen Reihendagegen war) – und zu ihrer aktuellen Sichtweise derReiki Alliance, der Rolle des Office of the Grandmasterund des Vermächtnisses von Frau Takata. Ich fragte sie,ob sie noch alte Unterlagen habe, zu diesen Themen –und ein halbes Jahr später brachte sie mir Kopien alterBriefe und Texte mit, überreichte sie mir, zusammenge-stellt wie eine „Akte X“, jedoch in einer Weise, die zu-gleich deutlich machte: Wen kümmert‘s? Altes Zeug!Geh deinen Weg! Wie recht sie damit hatte.

Im Herbst 2009 war Mary eines Abends zu Gast in mei-nem Reiki-Zentrum. Fünfundzwanzig Schüler/innen vonmir waren zu diesem Anlass gekommen, und Mary er-zählte aus ihrem Leben mit Reiki. Ich übersetzte vomEnglischen ins Deutsche. Sie muss zu dieser Zeit wohlschon von der Schwere ihrer Krankheit gewusst haben.Jedenfalls hatten viele der Geschichten, die sie erzähl-

te, einen wenig ermutigenden Ausgang. Das spirituelleWissen aber, das sie zwischen den Zeilen übermittelteund das in ihrer Präsenz ganz natürlicherweise zumAusdruck kam, blieb davon völlig unberührt.

In all den Jahren, wo wir uns regelmäßig trafen, war siedamit beschäftigt, ihr Buch über Reiki, das 2003 aufDeutsch erschienen war, zu überarbeiten. Das Buch warlediglich in deutscher Sprache erschienen, im engli-schen Sprachraum jedoch bislang unveröffentlicht. Wieich von Verlegern aus den USA wusste, bestand Inter-esse an einer Publikation ihres Buches auch in engli-scher Sprache. Ich sagte ihr dies, sie war interessiert –und begann damit, ihr Buch umfassend für eine solche Veröffentlichung zu überarbeiten. Bis zuletzt hat sie die-se Arbeiten, nach allem was ich aus unseren Ge-sprächen dazu weiß, nicht zu Ende führen können.Höchste Priorität hatte für sie stets die direkte Arbeit mitReiki: Kurse geben, Behandlungen geben, Zeit mitSchülern und Freunden verbringen. Die Zeit, die danachnoch verblieb, reichte offenbar nicht aus, um die Über-arbeitung zu ihrer Zufriedenheit zu Ende zu bringen.Vielleicht verschwammen ihr auch von einem gewissenPunkt an die Worte – oder die Einsicht, dass es immernoch etwas zu verbessern gibt, dass dies ein endloserProzess ist, überlagerte ihren Versuch, einen klarenEndpunkt zu setzen.

Dunkler Herbsttag

Eines Tages erzählte Mary mir, sie habe jetzt eine neueE-Mail-Adresse. Von der alten habe sie sich trennen wol-len, sie sei ihr zu sperrig gewesen. Für die Eingabe ei-ner neuen Adresse hatte sie, noch unentschlossen, wiediese lauten sollte, online etwas herumgespielt – undauf einmal sei ihr eine neue Adresse zugeteilt worden:[email protected]. Sie lächelte amüsiert und mein-te, ein Stück weit schicksalsergeben: „Das bin ich wohl:die Reiki Mary ...“

Während der beiden Wochen in Berlin, direkt nach demReiki-Festival in Gersfeld, im Herbst 2010, weihte sienoch eine Meisterin ein, dies in ähnlich kurzer Zeit wieTakata sie im Sommer 1980 zur Meisterin eingeweihthatte – kurz bevor Takata im Dezember 1980 verstarb.Mary gab noch einen 2. Grad-Kurs in Berlin, jedoch kei-nen 1. Grad-Kurs mehr. Es war ein windiger Herbsttag,als ich sie zum Flughafen fuhr. Blätter wirbelten durchdie Luft, der Himmel war dunkel verhangen, und es fühl-te sich für mich so an, als würde ich Mary an diesem Tagzum letzten Mal sehen. Sie erzählte mir, wie schon man-ches Mal zuvor, von Channelings der Hathoren, veröf-fentlicht von Tom Kenyon, einem Autor, dessen eigeneTexte wie auch Channelings sie hoch schätzte. Derweilwar ich bemüht, sie in meinem Auto sicher durch denBerufsverkehr zum Flughafen zu bringen.

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Das Vermächtnis von Mary McFadyen

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Sie sprach von bewussten Übergängen in eine andereDimension, von „Transitions ...“, initialen Schwingungs-anhebungen – Themen, die mich in dieser Form nichtsonderlich interessieren, da mein Fokus vor allem auf ei-ner gut geerdeten, das Mensch-Sein betonenden Spiri-tualität liegt. Wie schon in früheren Gesprächen zu die-sen Themen brachte ich meine Zweifel ein, dass Inhal-te von Channelings eine geerdete, menschbetonte Spi-ritualität in letzter Konsequenz unterstützen ... und wirvertagten die weitere Diskussion auf einen in der Zu-kunft liegenden Zeitpunkt ... der sich dann aber nichtmehr ergab.

Am Flughafen brachte ich sie zu dem Schalter, wo sie fürden Flug nach England eincheckte. Sie wollte zwei Wo-chen bei ihren Verwandten verbringen, bevor sie zurückin die USA flog. Die Verabschiedung war liebevoll, aberknapp, wie meist bei Mary. Ganz am Anfang hatte esmal längere Umarmungen bei Abschieden gegeben.Aber einmal dann war sie sehr kurz angebunden gewe-sen (und dennoch liebevoll). Ich hatte das zunächstnicht richtig einschätzen können, aber recht schnell ge-merkt, dass sie es durchaus herzlich meinte und zwi-schen den Zeilen damit sagte: Wir sind eh nicht ge-trennt, auf irgendeiner Ebene, also warum ein Dramaaus einem Abschied machen? Abschied und Trennungsind gewissermaßen nicht real, solange man sich see-lisch nahe ist.

Transition

In Austin, Texas, liegt die durchschnittliche Tagestem-peratur im Februar bei 28 Grad Celsius, es fällt kaumRegen. Das ist warm genug, um für längere Zeit in frei-er Natur unterwegs zu sein, auch nachts, ohne gleichunter den Wetterbedingungen zu leiden. Ähnlich wie inIndien, wo viele weise Menschen lange Zeit unter freiemHimmel leben.

Im Januar 2011, einen Monat bevor Mary ihr Appart-ment in Austin, Texas, verließ, war John Harvey Gray inhohem Alter verstorben. John gehörte ebenfalls zu den22 Meistern, die von Hawayo Takata eingeweiht wur-den. Bei ihm hatte Mary ihre Einweihungen in den 1. und2. Grad erhalten, kurz bevor sie ihre Meistereinweihungdurch Takata erhielt. Im April 2011 verstarb Sai Baba,der bekannte indische Meister, dem Mary sich sehr na-he fühlte, wie sie in einem Interview erzählte. In einemanderen Interview antwortete sie auf die Frage „WelchePerson (lebendig oder verstorben) würdest du gernemal treffen?“: „Babaji, das 4.500 Jahre alte, große Er-leuchtete Wesen, der aussieht, als wäre er 25 Jahre altund im Himalaya lebt.“

Als die Ereignisse in Japan, der Tsunami und der Atom-reaktorunfall in Fukushima, im März 2011 ihren Laufnahmen, kam bald in mir die Idee auf, dass wir mit einer

großen, gemeinsamen Fernreiki-Aktion die Reiki-Kräftebündeln und für das Wohl der Menschen in Japan ein-setzen könnten. Ich bin dankbar und überwältigt, wel-che großen Ausmaße diese Aktion bis heute angenom-men hat – und dass sie weiter fortgesetzt wird. KurzeZeit später erzählte mir jemand von Reiki Outreach In-ternational, der von Mary in den 1990er Jahren ge-gründeten Organisation, die zeitweise bis zu 2.000 Mit-glieder hatte. Ziel der Vereinigung war es gewesen, dieReiki-Kräfte zu bündeln, um schwierige Weltsituationenwie Kriege und Naturkatastrophen per Fernreiki zumhöchsten Wohle aller zu verändern. Nun erinnerte ichmich daran, dass diese Organisation, die in den letztenJahren kaum aktiv gewesen war und nur noch wenigeMitglieder hatte (weil offenbar keine Internetpräsenzbestand), immer ein besonderes Anliegen von Mary ge-wesen war.

Am hellichten Tage

Am 15. Juli 2011, dem zweiten Fernreiki-für-Japan-Ter-min, befand ich mich in einer Hütte in den Bergen. Nachder Fernreiki-Gabe las ich weiter in einem Buch über dieWeltreligionen. Ich war fast am Ende angekommen, alseine kurze Passage im Kapitel über den Taoismus mei-ne uneingeschränkte Aufmerksamkeit auf sich zog:

„Eines der großen Motive daoistischer Geschichten istdas Verschwinden. Eine unsterbliche Heilige, bekanntals die Dame des Großen Mysteriums, kann durchbloßes Hinzeigen Tempel und ganze Städte zum Ver-schwinden bringen.“ Wie es heißt, sei sie „am hellen Tagin den Himmel aufgestiegen und wurde nicht mehr ge-sehen.“ �

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