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Urbanisierung in Portugiesisch-Afrika Author(s): Josef Matznetter Source: Africa Spectrum, Vol. 6, No. 2, Urbanisierung in Afrika (1971), pp. 60-76 Published by: Institute of African Affairs at GIGA, Hamburg/Germany Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40173574 . Accessed: 15/06/2014 08:25 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Institute of African Affairs at GIGA, Hamburg/Germany is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Africa Spectrum. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.73.17 on Sun, 15 Jun 2014 08:25:33 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Urbanisierung in Afrika || Urbanisierung in Portugiesisch-Afrika

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Urbanisierung in Portugiesisch-AfrikaAuthor(s): Josef MatznetterSource: Africa Spectrum, Vol. 6, No. 2, Urbanisierung in Afrika (1971), pp. 60-76Published by: Institute of African Affairs at GIGA, Hamburg/GermanyStable URL: http://www.jstor.org/stable/40173574 .

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Urbanisierung in Portugiesisch-Afrika

JOSEF MATZNETTER

Der weltweite Vorgang zunehmender Verstädterung geht auch im sogenannten Schwarz- afrika - und hier in den letzten Jahrzehnten sogar stark beschleunigt - vor sich. Allerdings sind dabei die Verhältnisse von denen in Europa und auch in anderen Kontinenten sowohl bezüglich ihrer historischen Voraussetzungen wie auch in ihrem gegenwärtigen Verlauf durchaus verschieden. Die Binnenräume des tropischen Afrikas wiesen nämlich bis tief in das 20. Jahrhundert hinein überwiegend eine instabile Sied- lungsstruktur der Einheimischen auf, wobei besonders der Mangel an irgendwie ausge- prägten zentralen Orten merklich war. Einzelne Ausnahmen davon gab es nur in Äthiopien, im Südwesten von Nigeria und in Teilen von Uganda. Städtische Siedlungen im eigentlichen Sinne gab es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts einmal nur durch die Europäer an den west- und ostafrikanischen Küsten, einzelnen vorgelagerten Inseln und gelegentlich auch an großen Flüssen. Zum anderen waren auch im Sudan und den nörd- lichen Abschnitten der ostafrikanischen Küste unter arabisch-islamischem Einfluß Städte orientalischen Typs entstanden. Im Zuge der Aufteilung Afrikas unter den europäischen Mächten in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts - Konferenzen von Berlin und Brüssel 1884 und 1885 - wurde dann eine neue Siedlungsentwicklung eingeleitet. Es war dies erstens ein beschleunigtes Wachstum der schon bestehenden Hafenorte und die Gründung neuer. In den weiten Binnenländern entstand dagegen infolge der Bedürfnisse der europäischen Verwaltungen und des Handels ein regional verschieden dichtes Netz zentraler Orte meist unterer oder mittlerer Stufe. Eine gewisse Sonderentwicklung voll- zog sich in bedeutenden Bergbaurevieren, wie zum Beispiel in Katanga, wo auf verhält- nismäßig engem Raum größere Industriestädte erwuchsen. Ferner können wir auch von einer solchen in Gebieten mit intensiv agrarischer Kolonisation durch Europäer, wie etwa in den White Highlands von Kenia, sprechen. Durch die bereits vor und ganz besonders dann nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende verstärkte Industrialisierung ergab sich eine weitere Beschleunigung dieses Prozesses. In der Folge dessen kam es durch den großen Zustrom afrikanischer Bevölkerung zu einem sehr raschen Wachstum wichtiger Hafenstädte und einer Reihe von größeren Zentren des Inneren. Dabei ent- stand ein spezieller Typ von europäisch-afrikanischen Großstädten, wie es etwa bei Dakar, Lagos, Kinshasa, Luanda, Louren£o Marques, Dar Es Salaam, Nairobi und anderen der Fall ist.1) Die Urbanisierung in den unter portugiesischer Hoheit verbliebenen Gebieten Afrikas entspricht nach Verlauf und Problematik in wesentlichen Zügen jener in den ehemaligen Kolonien anderer europäischer Staaten im tropischen Afrika. Ungeachtet dessen gibt es hierbei aber doch mehrere ins Gewicht fallende Unterschiede, wie etwa:

a) Wohl die Mehrzahl der heutigen städtischen Siedlungen des Küstenbereichs - ge- legentlich aber auch weit im Landesinneren, wie zum Beispiel Tete in Mo^ambique - sind in ihrem Kern viel älter als sonstige vergleichbare, von Europäern gegründete Plätze in Afrika.

b) Die gesamte Siedlungsentwicklung verlief von Anfang an nach portugiesischem Recht, welches in mancher Hinsicht gegenüber dem englischen, französischen und anderen europäischen Rechten differenziert ist. Als wichtig ist dabei auch zu erwähnen,

*) Matznetter, J.: Gedanken zu einem Vergleidi der siedlungs- und wirtschaftsräumlichen Struk- turen der europäischen Kultur- und der tropisch-subtropischen Uberseeländer, in: Mitt. österr. Geogr. Ges., Bd. 105, H. 3 (Festschrift für Hans Bobek). Wien 1963, S. 419

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daß die Portugiesen seit dem 15. Jahrhundert jedes in Übersee neu erworbene Gebiet als integrierten Bestandteil Portugals ansehen und daher auch nur nach ihrem Recht verfahren haben.

c) Entsprechend dem seit jeher gezeigten toleranten Verhalten der Portugiesen in Rassen- fragen gab es eigentlich nie eine ausgesprochen ethnische Absonderung in ihren Sied- lungen, das heißt es vollzog sich nirgends eine Ausbildung ausschließlich europäischer, afrikanischer oder indischer Quartiere, die auch speziell und für dauernd als solche angesehen worden waren. Soweit es dennoch ähnliche Erscheinungen gab oder auch solche noch vorhanden sind, so handelt es sich ihrem Wesen nach um soziale Diffe- renzierungen.

Die fünf weit gestreuten portugiesischen Uberseeprovinzen in Afrika umfassen zusam- men eine Oberfläche von 2 070 029 qkm mit derzeit etwas über 13 Mio. Bewohnern. Nach Größe, Gestalt und geographischen Gegebenheiten sind sie außerordentlich ver- schieden. So hat Cabo Verde mit bloß 4 033 qkm etwas über 200 000 Einwohner und Sao Tome e Principe bei nur 996 qkm Oberfläche etwa 65 000 Menschen. Angola da- gegen weist mit einer Ausdehnung von 1 250 000 qkm eine Bevölkerung von über fünf Mio. und Mo9ambique mit 783 000 qkm eine solche von mehr als sieben Mio. auf. Während die beiden erstgenannten kleinen Provinzen insularer Natur sind, liegen die drei anderen am Kontinent selbst, wobei wiederum Angola und Moc^ambique der süd- lichen Hemisphäre angehören. Auch in ihrer Landschaftsstruktur weichen die drei Kon- tinentalprovinzen stark voneinander ab, indem Guinea dem Tiefland der äußersten westlichen Ausläufer des Sudan, die beiden anderen dagegen überwiegend dem Hochland des südlichen Afrikas angehören, wobei allerdings der Anteil am Küstenvorland wiede- rum sehr unterschiedlich ist. Innerhalb allen fünf gemeinsamen tropisch-afrikanischen Gegebenheiten sowie einer einheitlich aufgebauten Verwaltung sind sie in ihrer wirt- schaftlichen Struktur wie auch nach ihrer Stellung im Gesamtverband sehr voneinander differenziert.2) Schon von Beginn ihrer Entdeckungsreisen an gründeten die Portugiesen an geeigneten Küstenplätzen, vorgelagerten Inseln oder auch entlang größerer Flüsse Faktoreien und Festungen, aus denen sich dann im Laufe der Zeit städtische oder stadtähnliche Siedlun- gen entwickelten. Allerdings verwendeten sie dabei - ganz im Gegensatz zu den Spa- niern in der Neuen Welt - keine bestimmten regelmäßigen Siedlungsgrundrisse, son- dern paßten diese im wesentlichen den Geländeverhältnissen an. Mit Ausnahme von Luanda und der Ilha de Mo9ambique blieben die meisten dieser Siedlungen bis tief in das 19. Jahrhundert hinein klein und in ihrem Aussehen - bei zumeist ebenerdigen Häusern - bescheiden. Mit dem Beginn der schon genannten hochkolonialistischen Epoche um die Mitte der achtziger Jahre wurde Portugal mehr oder weniger gezwungen, von seinem bisherigen System, welches auf relativ wenige Stützpunkte an der Küste mit gegen das Innere zu nicht fest abgegrenzten Einflußzonen und vielfach nur theoretischen Hoheitsansprü- chen aufgebaut war, abzugehen. An ihre Stelle traten nun relativ weit ins Binnenland eingreifende und genau umrissene Gebiete, die dauernd zu besitzen und zu verwalten waren und in denen eine moderne Erschließung vorangetrieben werden mußte. Die damit eingeleitete neue Siedlungsentwicklung manifestierte sich - wie ebenfalls schon weiter oben angedeutet - in zweifacher Weise: einmal mit der Neuanlage oder dem Ausbau schon bestehender Hafenorte und zum anderen dem Ausbau eines auf Kauf-

2) Matznetter, J. und Th.: Portugiesisch-Afrika - Einheit und Differenzierung, in: Mitt. österr. Geogr. Ges., Bd. 112, H. 1. Wien 1970, S. 32 ff

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manns- und Verwaltungssiedlungen basierenden zentralörtlichen Ansatzes im Inneren. Als Beginn dieser Periode kann die Gründung eines Militärpostens und Hafens am Pungue an der mittleren Mo£ambique-Küste, aus der sich dann die spätere Stadt Beira entwickelte, im Jahre 1887 angesehen werden.

Bevor jedoch diese Entwicklung am Beispiel der Siedlungen selbst näher dargestellt wird, erscheint es als notwendig, die dafür maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen in Übersicht zu behandeln. Während bis dahin die Errichtung und der Ausbau ständiger Plätze nach den allgemein im europäischen Portugal geltenden Bestimmungen durch- geführt wurden, ergibt sich nun die Notwendigkeit einer speziell auf afrikanische Ver- hältnisse abgestimmten Gesetzesbasis. Zu dieser kommt es im Rahmen des Komplexes der Besitznahme und Konzessions vergäbe von Gelände („Ocupac^ao e Concessao de Terrenos") unter Bezug auf die am afrikanischen Kontinent bestehenden Verhältnisse. Der Anfang dazu findet sich schon in Gesetzen aus dem dritten Viertel des 19. Jahr- hunderts, die aber noch wenig in die Praxis umgesetzt worden waren. Im Prinzip liegen dabei Ähnlichkeiten mit den Bestimmungen anderer europäischer Staaten für ihre Überseegebiete vor. Ihre Gültigkeit erstreckte sich teilweise auf die drei Provinzen Angola, Mocambique und Guinea im einzelnen, zum Teil wurden sie aber auch für alle drei gemeinsam erlassen. Diese Gesetze und Verordnungen unterlagen im Laufe der Zeit mehrfachen Überarbeitungen, doch kam es zu grundsätzlichen Änderungen erst mit dem Gesetz aus dem Jahre 1961. Maßgeblich für die kurz vor der Jahrhundertwende ausgehende Besiedlungsperiode wurden die in den neunziger Jahren erlassenen Bestim- mungen, so zum Beispiel für Mo9ambique die Verordnung (portaria) vom 2. 5. 1891 und das Dekret vom 9. 7. 1892, denen sich dann in weiterer Folge das Gesetz vom 9. 5. 1901 und das Dekret vom 9. 7. 1909 anschlössen. Für lange Zeit und damit auch für einen großen Teil der heute bestehenden Siedlungen, wurden die Gesetze aus der Zeit des Endes des Ersten Weltkrieges ausschlaggebend. Es war dies namentlich das Dekret Nr. 3983 vom 16. 3. 1918, welches zuerst in Mo£ambique ediert und ein Jahr später schon in Angola, jedoch dann erst 1938 auch in Guinea gültig wurde. Neben diesen kam es dann noch zur Herausgabe einer ganzen Anzahl weiterer Verordnungen und Gesetze in Teilbereichen dieser Materie. Freilich entstand gerade dadurch zuneh- mende Unsicherheit und Unklarheit in der Auslegung der einzelnen Bestimmungen,3) wodurch die gesamte Siedlungsentwicklung behindert wurde. Ein im Jahre 1944 erlas- senes Gesetz - Nr. 2001 vom 16. Mai - , welches diese Unklarheiten beseitigen sollte und für alle drei Kontinentalorovinzen bestimmt war, traf jedoch auf nachhaltigen Widerstand von Angola und Mosambique her und trat darum nie in Kraft. Insbeson- dere wurde dabei bemängelt, daß die Vermessungsdienste, die weitgehend als unzu- reichend und ihren Aufgaben nicht gewachsen angesehen wurden, vorher erst einer Reform bedürften. Nach langen Überlegungen und nicht zuletzt durch den Schock des Aufstandes in Nordangola im Frühjahr 1961 beschleunigt, wurde dann mit dem Dekret Nr. 43894 vom 6. 9. 1961 die derzeit geltende Rechtsgrundlage geschaffen. Mit dem gleichen Datum kam es auch zu weiteren grundsätzlichen Veränderungen in den Rechts- verhältnissen der kontinentalen Überseeprovinzen, wie zum Beispiel der Verleihung des portugiesischen Bürgerrechtes an sämtliche Einwohner, der Gründung der später noch zubehandelnden „Juntas Provinciais de Povoamento" - diese letztgenannten nur in Angola und Mocambique - , der Errichtung der sogenannten „Regedorias" und anderen Maßnahmen mehr.

3) Legislacao de 6 de Setembro de 1961. Lourenco Marques 1961

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Für das vorliegende Thema am wesentlichsten erscheint dabei die Art und Weise zu sein, in der Siedlungsneugründungen vorgenommen wurden beziehungsweise noch wer- den. Da nicht nur alle großen, sondern auch die weit überwiegende Mehrzahl aller kleinen Siedlungen vor 1961 gegründet worden sind, so seien daher die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen zuerst genannt, wobei versucht werden soll, nur das Grundsätzliche herauszuarbeiten, ohne auf die zahlreichen Modifikationen im ein- zelnen einzugehen. Diese Bestimmungen wurden besonders in Mo9ambique mit ziem- licher Genauigkeit, weniger dagegen in Angola - wo viele schon längst bestehende Siedlungen erst nachträglich offiziell gegründet und zum Teil bis heute noch nicht end- gültig klassifiziert sind - eingehalten. Jede Siedlung bedarf zu ihrer vollen rechtlichen Gültigkeit zweier im Amtsblatt der Provinz veröffentlichten Verordnungen, von denen die erste die eigentliche Gründungsurkunde darstellt, während die zweite die Appro- bation des vorgelegten Ortsplans und die Anordnung zu dessen öffentlicher Auflage für Konzessionsbewerber beinhaltet. Die Zeit zwischen der Bekanntmachung dieser beiden Verordnungen ist in der Praxis unterschiedlich groß und reicht von einem halben Jahr im Minimum bis zu mehreren Jahrzehnten. In Ausnahmefällen und zwar meist dann, wenn schon vorher eine nicht systemisierte, das heißt ohne amtliche Approbation entstandene Siedlung bestand, können auch beide Urkunden in einer vereinigt sein. Sämtliche gegründeten Siedlungen werden in einer jährlich zu ergänzenden amtlichen Liste erfaßt. Nur diese, auch als Siedlungen europäischen Charakters (povoa9Öes de caracter europeu) geltenden Orte haben Anspruch auf offizielle Anerkennung. In der Gründungsurkunde wird zuerst die örtlichkeit und der Name der zu gründen- den Siedlung genannt. In der Regel wird dabei auch die eigentliche Aufgabe, das heißt bisher zu etwa 95 Prozent aller Fälle, die Bestimmung als sogenannte Kaufmannssied- lung (povoa^ao comercial) ausdrücklich genannt. Verschiedentlich - jedoch nicht in allen Fällen - kommt dabei auch der Grund, warum dort eine Siedlung erstehen soll, zur Sprache. Es kann dies entweder ein in der Nähe schon vorher bestehender portugiesi- scher Verwaltungssitz, früher auch ein Militärkommando, dann der nahe gelegene Sitz eines Häuptlings oder - und dies kommt am häufigsten vor - ein schon bestehendes Kaufmannsgeschäft eines Europäers, Inders oder Mulatten sein. Daneben kann es auch sein, daß schon bestehende Schulen, öffentliche Speicher oder die Nähe einer schon bestehenden oder geplanten Eisenbahn oder Straße als Gründe genannt werden. Nur ganz selten werden auch schon vorhandene Missionsstationen, öffentliche Brunnen und anderes mehr erwähnt. Hin und wieder wird auch bloß gesagt, daß für die allgemeine Entwicklung des Landes und den Fortschritt der Bevölkerung an dieser Stelle eine Siedlung anzulegen wäre. Als nächstes folgt dann in der Urkunde die Erklärung, daß ein Gelände bestimmter Größe zu reservieren sei, womit zugleich eine Klassifizierung, und zwar bis 1961 erster Klasse, verbunden war. Nach dem früheren System galt nämlich Gelände erster Klasse für derartige Ansiedlungen „europäischen Charakters", dasjenige zweiter Klasse für Landwirtschaftsbetriebe nach europäischer Art, während die dritte Klasse der Nutzung durch die im Stammesverband Lebenden vorbehalten blieb. Grundsätzlich erfolgte die Ansiedlung immer auf Gelände, das dem Staat gehörte - zu Zeiten der Monarchie sogenanntes „Kronland" - oder nunmehr als dessen Besitz deklariert wurde. Eine Anlage innerhalb eines für einen bestimmten Stamm reservierten Landes bedurfte einer zusätzlichen ausdrücklichen Verfügung. Die Gesamtausdehnung der neuen Siedlung wird normalerweise derart bestimmt, daß zwei konzentrische Kreise mit bestimmten Radien gezogen werden (Bild). Zum Mittel- punkt wird dabei ein etwa schon bestehendes Haus, ein vorhandener geodätischer Fix- punkt, eine Straßenkreuzung oder auch im Falle eines bereits vorhandenen Verwaltungs-

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sitzes (früher auch Militärpostens) der Flaggenmast dazu ausgewählt. Die Radien für den inneren und äußeren Kreis betragen entweder 250:500 m, 500:1000 m, welches der wohl häufigste Fall ist, 1000:2000 m oder auch 1500:3000 m. Gelegentlich kommen aber auch andere Halbmesser vor. Der innere Kreis bildet die sogenannte „urbana", inner- halb der dann der Ortsplan der eigentlichen Siedlung ausgewiesen wird, während der umschließende Kreisring als „suburbana", also sozusagen Vorortzone, bezeichnet wird. Für dieses „suburbana"-Gebiet wird vorerst meistens noch kein detaillierter Ortsplan erstellt. Sie soll vor allem der zusätzlich zuziehenden autochthonen Bevölkerung gewid- met sein, wobei nicht ganz die gleichen, strengen Bestimmungen wie für die urbana selbst gelten. Die die eigentliche Gründung darstellende erste Verordnung schließt üblicher- weise mit dem Auftrag an den Vermessungsdienst, die entsprechenden Arbeiten vorzu- nehmen oder den Ortsplan zu erstellen. Die Unterzeichnung dieser „portaria" erfolgte bis 1961 in der Regel durch den Generalgouverneur oder auch den Generalsekretär der Provinz, wenngleich der eigentliche Antrag zur Anlage einer solchen Neusiedlung meist von den unteren Verwaltungsbehörden im Wege über den zuständigen Distriktsgouver- neur kam. Bezüglich des Grundrisses der neuen Siedlung gibt es keine absolut bindenden Vorschriften, sondern nur gewisse im Laufe der Zeit sich ändernde Grundmuster, die in den einzelnen Provinzen übrigens recht verschieden sind. Primär richten sie sich nach der jedem einzelnen Ort zugedachten Funktion, also zum Beispiel nur Kaufmannssied- lung für sich oder Kaufmannssiedlung und ihr naheliegender Verwaltungsposten oder sonstigen speziellen Aufgaben. Dabei wiederum kommt in der vorerst vorgesehenen Größe die erwartete Entwicklung des Ortes zum Ausdruck. Dementsprechend gibt es zum Beispiel dann Ortspläne, die für eine nur ganz kleine Kaufmannssiedlung etwa vier, sechs oder acht innerhalb eines Quadrates oder Rechtecks angeordnete Parzellen ausweisen. Das Ganze wird dann der Länge nach von einer Straße durchzogen oder liegt innerhalb einer Straßenkreuzung. Diese Formen kommen speziell in Mocambique vor. Eine allfällige Verwaltungssiedlung wird dann oft mit Abstand von einigen hundert Metern oder etwas mehr bestimmt. In Angola und Guinea wird dagegen viel häufiger wie in Mocambique ein mehr oder weniger großer zentraler Platz, um den sich oft Kauf- manns- wie Verwaltungsfunktionen bilden, angelegt. Waren bis vor etwa 20 Jahren diese Ortspläne doch überwiegend recht schematisch, so haben sich in letzter Zeit etwas

\^ V / / Sdiematisdie Darstellung des Orts- ^^ \. / I planes einer Kaufmannssiedlung \ ^^^^^^^^^ I mit dem Innenkreis der Urbana \ / (Radius = 500 m) und dem Außen-

\ / ring der Suburbana (Radius = \. y/ 1000 m). Im Innenkreis sind adit

Nv ;/ im Reditedt angeordnete Parzellen \. ^^^ zu erkennen.

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aufgelockertere und auch mannigfaltigere Formen durchgesetzt. Auch wird jetzt mehr Rücksicht auf die jeweilige Geländeform genommen. Gewisse Ausnahmen ergeben sich dort, wo die Siedlung unmittelbar an der Küste oder entlang dem Ufer eines größeren Flusses wie aber auch nahe einer Eisenbahnlinie errichtet wird. Bei Küsten und Ufern muß nämlich ein 80 m breiter Streifen, der der Verfügung der Kriegsmarine untersteht, frei bleiben. Allerdings - und diese Fälle häufen sich in letzter Zeit - wird dann etwa bei zunehmender Entwicklung eines Fremdenverkehr und ähnlichem durch eine Sonder- verfügung auch die Verbauung dieses Küsten- oder Uferstreifens gestattet. Ebenso muß beiderseits einer Eisenbahnlinie ein jeweils 100 m breiter Streifen ausgespart bleiben. Andere Ausnahmen ergeben sich etwa, wo schon frühere Landkonzessionen vergeben worden sind, welche nun - soweit kein Enteignungs- oder Austauschverfahren einge- leitet wurde - auch ihrerseits ausgenommen werden.

Nach der Fertigstellung des Ortsplanes und seiner Approbation durch den General- gouverneur wird diese mittels einer neuerlichen Verordnung bekanntgegeben. In dieser wird die Anzahl der ausgewiesenen Parzellen (talhoes) - für die es keine allgemein gültige bestimmte Größe gibt - sowie auch sogenannte Blöcke, die entweder für beson- dere Vorhaben oder auch einfach für eine allfällige spätere Ortserweiterung vorgesehen sind, angegeben. Weiters findet sich dabei die Bekanntgabe der für den Staat selbst, die Kirche, öffentliche Verkehrsträger und andere reservierte Parzellen und Blöcke. Gerade daraus kann schon ersehen werden, welche Aufgaben die neue Siedlung erhalten soll. Die Verordnung schließt dann meist mit der Aufforderung, den Ortsplan beim Ver- messungsdienst und den Verwaltungsbehörden öffentlich aufzulegen, damit Interessenten ihre Bewerbung um eine Konzession einbringen können. Die Konzession erfolgt zuerst gegen Erlegen bestimmter Gebühren provisorisch, wobei die Auflage gegeben wird, inner- halb eines Jahres - in manchen Fällen auch erst innerhalb von drei Jahren - ein ge- mauertes Haus mit festem Dach zu errichten und die Parzelle zu umzäunen. Erst nach der Erfüllung dieser Bedingungen kann eine endgültige Konzession erteilt werden, andernfalls erlischt diese. Daß die Entwicklung einer Siedlung nicht immer vorausgesehen werden kann, ergibt sich daraus, daß ziemlich häufig im Laufe einer Reihe von Jahren gar keine Bewerbungen für Konzessionen eingehen oder auch umgekehrt, daß der Orts- plan schon verhältnismäßig bald wieder erweitert oder abgeändert wird. Auch dafür müssen jeweils eigene Verordnungen erlassen werden.

Einen wesentlichen Bestandteil der zweiten Verordnung mit der Approbation des Planes bildet auch die Zuweisung der Siedlung in eine bestimmte Kategorie (ordern). Bis 1961 gab es dabei drei derartiger Ordnungen und seitdem nur mehr zwei, wobei die erste Siedlungen mit approbiertem Plan und die zweite alle übrigen umfaßt.

Spezielle Verhältnisse bezüglich der Siedlungsgründungen bestanden in jenen Teilen der Provinz Mocambique, sie seit den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts Konzessions- gebiete sogenannter Hoheitsgesellschaften (Companhias Majestaticas) waren, wie zum Beispiel der Companhia do Niassa, die bis 1929 und der Companhia de Mocambique, die sogar bis 1941 bestand und die große Teile des Landes unter Kontrolle hatte. In diesen Gebieten galten jene in den neunziger Jahren erlassenen Bestimmungen ohne spätere Änderungen bis zum Zeitpunkt der Auflösung dieser Gesellschaften.

Die Siedlungen sind - wie in fast allen Ländern üblich - nach ihrem Rechtsstatut hierarchisch gegliedert. Die unterste Stufe bildet dabei in den drei kontinentalen afrikani- schen Provinzen die „Kaufmannssiedlung" (povoacao comercial). Ihr gehören auch jene Siedlungen zu, in denen sich die unterste Verwaltungsstufe, der sogenannte „Verwaltungs- posten" (posto administrativo) und zum Teil sogar noch jene der nächst höheren Verwal- tungskategorie nämlich der Sitz eines Landkreises (circunscricao) befindet. Die nächste

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Stufe stellt der Marktflecken (vila) dar. Die Erhebung zu einem solchen erfolgt, wie auch zum Beispiel in mitteleuropäischen Ländern, durch einen Rechtsakt und ist mit der Ver- leihung von Wappen und Siegel verknüpft. Zu ihr gehören vor allem die Sitze jener Land- kreise, die infolge fortgeschrittener Entwicklung bereits von circunscricoes zu conselhos mit erhöhter Selbstverwaltung aufgerückt sind. In einzelnen Fällen sind es aber auch kleinere Hafenorte, Verkehrs-, insbesondere Eisenbahnknotenpunkte und ähnliche. Die Erhebung zu einer „vila" ist in der Regel nicht so sehr an eine bestimmte Bewohnerzahl der Ort- schaft, sondern vielmehr an die Anzahl und Reichweite ihrer Funktionen geknüpft. Die höchste, ebenfalls nur durch einen eigenen rechtlichen Akt erreichbare Stufe ist die Stadt (cidade), die ihrer Stellung nach durchaus mit jener in europäischen Ländern vergleichbar ist. Städte sind in Portugiesisch-Afrika der Regel nach alle Provinz- und Distrikts- hauptorte. Unter denen, die heute eine derartige Stellung nicht inne haben, wie zum Beispiel Bolama in Guinea oder die Ilha de Mocambique handelt es sich einmal um solche, die früher einmal Hauptorte waren, ihr Stadtrecht aber behielten. Zum anderen sind es jüngere, wirtschaftlich aufstrebende Ortschaften auch ohne gehobenen Verwal- tungsrang wie etwa Vila Pery in Mocambique oder Lobito in Angola sowie einige Conselhositze in Guinea. Die meisten Orte mit Stadtrecht haben dieses erst in jüngster Zeit, namentlich in den sechziger Jahren erhalten, was insbesondere für Guinea und Mocambique gilt. Einen mit der Erhebung zur Stadt oder auch zum Marktflecken nicht unmittelbar verbundenen Rechtstitel stellt die Gewährung des sogenannten „foral" dar. Dieses schwer ins Deutsche übersetzbare Wort beinhaltet eine Eigentümlichkeit des portugiesischen Rechts, die in etwa mit Grundobrigkeit zu umschreiben wäre. Es sagt im wesentlichen aus, daß die Gemeindeselbstverwaltung (camara municipal) die Grund- konzessionen auf ihrem Gebiet vergibt und auch sämtliche Orts- und Katasterpläne bei sich archiviert. Dieser „foral" umfaßt allerdings gewöhnlich nur die sogenannte „ur- bana", wenngleich eine neuere Tendenz dahin geht, schrittweise auch entwickeltere Teile der „suburbana" mit einzubeziehen. Ebenso können auch etwas entfernter liegende Siedlungen in den „foral" eines bestimmten Ortes mit aufgenommen werden. Abgesehen von größeren Städten, wie etwa bei Luanda, Lourenco Marques, Beira, Bissau und anderen, erfolgte die Verleihung auch dieses Rechts zumeist erst in den letzten 20 Jahren. Sie ist deshalb besonders wichtig, da zumeist erst damit der Weg für eine moderne Wohnviertel- bildung, durch von den Gemeindeverwaltungen ganz oder teilweise getragenen Sied- lungsorganisationen und ähnlichen frei wird. Eine besondere Rolle kommt dabei der Errichtung sogenannter „Volks "-Wohnungen für die ärmere (economicamente debeis) schwarze und weiße Bevölkerungsschicht zu. Derartige Quartiere entstehen - wie noch weiter unten in einigen speziellen Fällen zu zeigen sein wird - derzeit bei allen größe- ren Städten, zum Teil aber auch bei mittleren und gelegentlich sogar kleineren Ort- schaften mit Industrien. Während bis gegen die Mitte des 20. Jahrhunderts fast nur sogenannte „Kaufmanns- siedlungen", die mit dem europäischen Dorf nicht vergleichbar sind, sich unter den neu gegründeten fanden, kommt es seit Anfang der fünfziger Jahre zunehmend auch zu anderen funktionalen Formen auf der untersten Stufe. Erstlinig hängt dies mit der agrarischen Kolonisation zusammen, die von einzelnen gelegentlichen Versuchen abge- sehen, wie zum Beispiel schon Ende des 19. Jahrhunderts in Südwestangola, lange Zeit hindurch von den Portugiesen ungeachtet der ausgesprochenen Eignung mancher Hoch- landsgebiete dafür kaum betrieben wurde. Die ersten derartigen Kolonate4) wurden ab

4) Vergleidie hierzu: Bordiert, G.: Cela - ein Entwiddungszentrum im Hodiland von Angola, in: Erdkunde, Bd. XV, 1961, S. 295-306; Matznetter, J.: Weiße und schwarze Neusiedlung im Cunene-Gebiet des Distriktes Huila (Angola), in: Festsdirift Scheidl II. Wien 1967, S. 266

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Anfang der fünfziger Jahre in Angola (Cela, Cunene-Kolonat) und Mocambique (Lim- popo-Kolonat) einzurichten begonnen. Dabei entstanden regelrechte Bauerndörfer (alde- amentos oder aldeias). Ursprünglich nur für Weiße gedacht gewesen, haben sie heute gemischte Besiedlung. Daneben kam es auch schon und zwar bereits 1949 mit dem Kolo- nat von Caconda im Distrikt Huila in Angola zur ersten derartigen Ansiedlung für Afrikaner. Diese Entwicklung hat sich dann nach 1961 rasch beschleunigt. Im Zusam- menhang mit diesen Kolonaten bildeten sich weitere diesen speziell zugehörige zentrale Orte heraus, wie etwa die Stadt Sta. Comba und Vila Folgares in Angola oder die Vila Trigo de Morais in Mocambique. Eine andere funktionale Sonderform findet sich im südlichen Mocambique, wo nunmehr, insbesondere an der von Südafrikanern und Rho- desiern gern besuchten Küste expressis verbis Touristensiedlungen (povoacao de caracter turistico) als eigene Orte errichtet werden. Die erste derartige Siedlung stellte übrigens - schon Ende der zwanziger Jahre gegründet - der Badeort Contracosta (heute Praia de Sepülveda) nahe von Joao Belo ebenfalls im Süden Mocambiques dar. Eine wesent- liche Maßnahme zur Förderung der gesamten Siedlungstätigkeit bildete dann im Zuge der Neuordnung der Verhältnisse in den Uberseeprovinzen im Jahre 1961 die Ein- richtung der Juntas Provinciais de Povoamento in Angola und Mocambique (Dekret Nr. 43895 vom 6. 9. 1961). Dieser neuen Behörde wurde in den beiden genannten Pro- vinzen die gesamte Neusiedlungstätigkeit, sei es die Gründung von weiteren Kaufmanns- siedlungen5) oder auch Bauerndörfern und sonstigen, im Rahmen großzügiger und koor- dinierter Besiedlungspläne unterstellt. Seit damals werden auch alle diesbezüglichen Ver- ordnungen nicht mehr vom Generalgouverneur, sondern dem zuständigen Landesminister (Secretario Provincial) unterzeichnet. Diesem obliegt darüber hinaus auch der Aufbau der sogenannten Regedorias in den beiden erwähnten Provinzen, welche ebenfalls eine neue, 1961 geschaffene Einrichtung sind. Es geht dabei darum, die überkommene Siedlungs- struktur der einheimischen afrikanischen Bevölkerung von Grund auf zu ändern und jener der Landbevölkerung in Europa anzunähern. Wesentlich ist dabei die Entstehung kleiner, ständiger Ortschaften mit festen Häusern in einem dem europäischen ange- näherten Baustil und die Zuweisung vermessener Parzellen als Individualbesitz. Es gibt hier also nicht mehr die vorübergehende Landzuteilung durch einen Häuptling. Diese selbst erhalten zum Teil nunmehr als eine Art von Bürgermeister mit einem beigegebenen Gemeinderat eine neue Rolle. Daneben versucht man auch, durch beamtete Lehrer und Afrikaner als christliche Geistliche eine Art Dorfhierarchie europäischen Musters heran- wachsen zu lassen. Derartige Regedorias, die inzwischen in verschiedenen Teilen von Angola und Mocambique in größerer Zahl entstanden sind, werden allerdings nur dort eingerichtet, wo eine akkulturationsbereite Bevölkerung lebt und auch für eine ständige Nutzung mittels moderner Methoden geeignet erscheinende Böden vorhanden sind. Nicht mit ihnen dürfen jene „Wehrsiedlungen" verglichen werden, die in den letzten Jahren als kriegsbedingte Maßnahme im Norden und Osten von Angola sowie in Mocambique eingerichtet wurden.

Eine gewisse Eigenständigkeit innerhalb des Gesamtrahmens kommt auch der agrarischen Siedlungstätigkeit einzelner staatlicher oder halbstaatlicher Institutionen, wie zum Bei- spiel des Instituto de Algodao und des Instituto de Cereais zu, welche sich um die Förde- rung des Baumwoll- und Getreidebaues und anderes mehr bemühen. Dies ist etwa in einigem Maße in Mocambique am unteren Sambesi der Fall. Auch große Plantagen richten mit sogenannten „dependencias" oder „aldeamentos" Siedlungen für ihre Arbeiter

5) In Angola wurde allerdings mit Erlaß (Diploma-Legislativo) vom 13. 3. 1965 die bisher generelle Zwangskonzentration von ländlidien Kaufläden aufgehoben, und es wurde den Distrikt- gouverneuren freigestellt, weiterhin die gesdilossene Form der Kaufmannssiedlung beizubehalten oder eine Streusiedlung von Gesdiäftshäusern zu gestatten.

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ein. Ähnliches gilt auch für Bergbaugesellschaften, wie zum Beispiel die Diamanten- gesellschaft DIAMANG im Lunda-Distrikt im Nordosten von Angola, die auf ihrem Konzessionsgebiet ein ganzes Netz von eigenen zentralen Orten und Wohnsiedlungen erstehen ließ. Etwas unterschiedlich von der in den Kontinentalprovinzen verläuft die jüngere Sied- lungsentwicklung in den beiden Inselprovinzen Cabo Verde und Sao Tome e Principe. Auf den Kapverden, wo es keine derartigen Bevölkerungsunterschiede wie in den Fest- landsterritorien gibt, kam es im 20. Jahrhundert zu keinen Siedlungen speziell europä- ischer Art, sondern vielmehr nur zu einem modernen Um- und Ausbau bestehender Ort- schaften. Die Oberfläche der Inseln Sao Tome und Principe schließlich bietet kaum Platz, noch auch Bedürfnis für das Entstehen selbständiger Siedlungen, da hier fast das gesamte Land den großen Plantagengesellschaften gehört. Die größeren Orte auf den Kapverden wie auch die Stadt Sao Tome auf der gleichnamigen Insel haben allerdings im Prinzip ähnliche Probleme, wie die etwa gleich großen Ortschaften am Festland.

Unbedingt primär war bis zum Jahre 1961, zu welchem Zeitpunkt man sich dann zu einem forcierten Ausbau weißer agrarischer Besiedlung entschloß, der Aufbau eines zen- tralörtlichen Systems als Voraussetzung für eine effektive Erschließung, Verwaltung und Entwicklung des Landes und seiner Bevölkerung. Die Vorgangsweise war dabei aus- gesprochen pragmatisch, wenngleich sich dann im Laufe der Zeit Netze mit einiger Annäherung an die Christaller'sche Theorie gebietsweise herausbildeten. Zuerst, das heißt gegen Ende des 19. Jahrhunderts ging man zumeist entlang der Flüsse und bald auch neben den entstehenden Eisenbahnen und Straßen vor. Erst danach begann man, die Zwischenräume allmählich auszufüllen. Im Grunde genommen läßt sich diese Vor- gangsweise auch noch aus dem Verteilungsmuster des heutigen Siedlungsnetzes erkennen. So gibt es noch weite Gebiete, wie zum Beispiel der östlichste Teil der Provinz Guinea, große Teile des Ostens und namentlich des Südostens von Angola sowie dem Norden von Mocambique, in denen dieser Entwicklungsprozeß eigentlich erst in seinem Anfangs- stadium steckt. Doch auch in den übrigen Landesteilen finden sich immer wieder 10 000 qkm und mehr umfassende Flächen zwischen den großen Verkehrslinien gelegen, für die das Gleiche gilt. Ja selbst in einem relativ schon so weit fortgeschrittenen Raum, wie zum Beispiel dem südlichen Mocambique liegen in der Nähe der Landeshauptstadt Lourenco Marques noch derartige Areale. Daß diese Siedlungsentwicklung - in Mocam- bique allein wurden bisher fast 1200 derartige Siedlungen (ohne Regedorias) gegründet - im Grunde genommen so ungleichmäßig voranging, hat sehr verschiedene Gründe. Zum einen kam es aus politischen Gründen oder immer wieder auftretendem Geldmangel zu Stockungen, obwohl großzügige Pläne zur Errichtung ganzer Netze in einzelnen Teilen von Angola und Mocambique etwa schon um die Jahrhundertwende aufgestellt worden waren. Zum anderen sind nicht alle Stämme der einheimischen Bevölkerung gleicher- maßen zivilisatorisch ansprechbar, so daß mancherorts die gegründeten Kaufmannssied- lungen kaum zur Entfaltung kamen. Weiters spielen auch Imponderabilien, wie etwa der sehr unterschiedliche Eifer der Verwaltungsbeamten, neue Siedlungsgründungen vorzuschlagen, mit eine Rolle. Insgesamt können auch gewisse Perioden verstärkter oder abgeschwächter Besiedlungstätigkeit festgestellt werden. Es war dies zum Beispiel in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, dann ab Ende der zwanziger bis Mitte der dreißiger Jahre sowie ohne Unterbrechung seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit merklichem Anstieg ab Anfang der sechziger Jahre der Fall. Bemerkenswert ist allerdings auch, daß ähnliche Voraussetzungen nicht immer dement- sprechende Folgewirkungen bei der Besiedlung zeigen. So hat etwa die vom Hafen Lobito ausgehende Benguela-Bahn im Bereich der Lundaschwelle beiderseits eine auffallende Besiedlungsdichte bewirkt, während etwa in Mocambique entlang der Beira-Bahn nach

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Rhodesien - abgesehen von dem Gebiet um Vila Pery - keine vergleichbare Erschei- nung zu verzeichnen ist.

Abgesehen von seiner Streuung und Dichte weist das in den drei Kontinentalprovinzen entstandene zentralörtliche System aber auch noch andere und sogar recht wesentliche Unterschiede auf, die vor allem durch das Ausmaß des erreichbaren Erschließungspro- zesses bedingt sind. So ist etwa in jenen Gebieten mit noch wenig fortgeschrittener Akkulturierung oder auch Zivilisierung der einheimischen Bevölkerung, die sich in allen drei genannten Provinzen finden, eine gewisse Statik innerhalb des Netzes zentraler Orte festzustellen. In diesen Landesteilen mit mehr oder weniger kolonialer Struktur werden außer dem Handel fast alle anderen Dienste noch durch den Staat und seine Beauftragten innerhalb der unteren Verwaltungsgrenzen besorgt. Ganz anders verhält es sich dort, wo namentlich durch den Ausbau leistungsfähiger Verkehrswege eine freiere und dynamische Entwicklung mit wechselnden Einzugsbereichen sich vollzog. Hier kommt es dann zu einem Aufsteigen - und auch gelegentlichem Absinken - mittlerer und auch kleinerer Zentren und einer raschen Verdichtung des Netzes.

Im folgenden mögen nun die einzelnen Glieder dieser im wesentlichen im Laufe der letzten 75 Jahre entstandenen zentralörtlichen Netze noch etwas näher charakterisiert werden. Wie schon weiter oben gesagt, muß als die unterste und am häufigsten ver- tretene Kategorie die bloße Kaufmannssiedlung angesehen werden. Manche von ihnen bestehen nur aus drei oder vier - in Extremfällen sogar nur aus einem einzigen - Kauf- häusern, welche gleichzeitig auch die Wohnungen des Inhabers wie etwaiger Angestellter mit einschließen. Andere solche Siedlungen können dagegen sogar aus einem Dutzend und noch mehr Geschäftshäusern bestehen. Die ständige Bewohnerzahl schwankt somit zwi- schen sechs bis acht und 100 oder mehr Personen. Etwas gehobener sind schon jene Orte, in denen sich auch noch eine Schule und/oder eine Säuglings- und Mütterstation (mater- nidade), ja auch ein richtiger Sanitätsposten befinden. Gelegentlich kommen dann schon einzelne Gewerbetreibende dazu, wobei vor allem den sich in letzter Zeit mit dem zunehmenden Brotkonsum rasch vermehrenden Bäckern eine gewisse Zentralität zuzu- schreiben ist. Die nächsthöhere Stufe stellen dann - wie ebenfalls schon gesagt - Kauf- mannsiedlungen mit Verwaltungsposten und sonstigen Diensten dar. Hier ist es schon möglich, daß sich beim Ort eine Kirche oder Kapelle, meist Filiale einer Missionsstation, befindet. Zu erwähnen wäre dabei, daß etwa in Guinea die Missionsstationen unmittel- bar bei den Ortschaften oder in diesen selbst, in Angola und noch mehr in Mocambique dagegen in ziemlich weiter Entfernung von diesen liegen. Bei neueren Ortschaften, na- mentlich in Angola, findet sich ein hallenartig, halboffener Bau, der sowohl als Schule wie auch als Kirche Verwendung findet. Zur Kategorie der kleineren Zentren sind letztlich auch die Sitze noch wenig entwickelter circunscricoes, ja selbst kleiner conselhos zu zäh- len. Obwohl schon bei der Gründung und der Erstellung des Ortsplanes eine bestimmte Funktion und Größe der Siedlung ins Auge gefaßt wurde, so läßt sich die folgende Entwicklung dann im allgemeinen doch nicht ganz abschätzen. Dementsprechend kommt es nicht selten zu einem verhältnismäßig baldigen Veröden mancher solcher Kaufmanns- siedlungen. Die Gründe dafür können sowohl in einer geringen Ansprechbarkeit der umgebenden Bevölkerung, unzureichender Wasserversorgung oder überhaupt ungesunden klimatischen Gegebenheiten, Bedrohung durch Überschwemmungen, Verlegen einer Straße oder auch infolge eines zu dichten Netzes liegen. Immer wieder werden daher Ortschaften verlegt oder auch amtlich aufgelassen und eventuell an anderer Stelle neu gegründet, wobei der Name unter Umständen der gleiche sein kann. Das äußere Aussehen der „Nur- Kaufmannssiedlungen" ist in der Regel ziemlich uniform, wobei nur das Baualter ge- wisse Unterschiede mit sich bringt. Im großen und ganzen kann dabei in allen drei Kontinentalprovinzen von einem älteren Uberseestil (von der Jahrhundertwende bis

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etwa zum Ersten Weltkrieg), von einem jüngeren Überseestil (bis in die dreißiger oder vierziger Jahre dieses Jahrhunderts) und einem ausgesprochen modernen Stil der beiden letzten Jahrzehnte gesprochen werden. Bei den beiden speziell als Uberseestil bezeichneten ist ein kolonnadenartiger Vorbau oder auch Umgang um das ganze Haus auffallend. Die modernen Häuser entsprechen dagegen im allgemeinen jenen Hausformen, wie sie in jüngster Zeit in Südeuropa oder auch Brasilien besonders typisch sind. Bei den Ort- schaften, die zugleich Verwaltungssitz sind, ist ein mehr oder weniger abgesondertes und fast immer sehr regelmäßig geplantes eigenes Verwaltungsviertel vorhanden. Die meist um eine recht hübsche Gartenanlage gruppierten Baulichkeiten sind ausdrücklich in Amts- und Wohngebäude (residencias) geschieden. Nur bei älteren Verwaltungsposten kommt es vor, daß Amts- und Wohnräume des Beamten unter einem Dach vereinigt sind. Da- neben finden sich dann noch kleine Siedlungen, zum Teil in Rundbauweise für das Hilfs- personal. Die Bevölkerung gerade der unteren Zentren besteht weit überwiegend nur aus „Zivilisierten"6), die jedoch nur bedingt als Europäer anzusprechen sind. In Mo9am- bique etwa gibt es kleinere Kaufmannssiedlungen, die etwa nur von Indern (einschließlich Goanesen) und Mulatten, vereinzelt auch Chinesen bewohnt werden. In Guinea dagegen sind es neben den Europäern, meistens Portugiesen, auch Libanesen und selbstverständlich Mulatten. Schwarzafrikanische Geschäftsleute finden sich jedoch in diesen eigentlich in allen Provinzen noch verhältnismäßig wenige. Viel eher noch sind Afrikaner unter den Lehrern, Verwaltungsbeamten und sonstigen Funktionären staatlicher Dienststellen anzu- treffen. Ein weiteres Charakteristikum besteht darin, daß sich hier fast nur „aktive" Bevölkerung und kaum Pensionäre oder Rentner befinden. Dieser Aktivitätsgrad geht so weit, daß auch die meisten Ehefrauen der Beamten und anderer Funktionäre auch ihrerseits als Lehrerinnen, Postbeamte, Sekretärinnen und ähnliche tätig sind. Der Zu- strom afrikanischer Bevölkerung aus der unmittelbaren Umgebung ist namentlich bei den Zentren unterster Stufe ohne besondere Bedeutung. Das Haus- und Hilfspersonal (Poli- zisten, Bürodiener, Chauffeure usw.) ist meist aus Schwarzafrikanern, die entfernter von hier lebenden Stämmen angehören, zusammengesetzt. Portugiesischen Verhältnissen ent- sprechend finden sich aber auch unter diesen niedrigen Beschäftigten-Kategorien immer wieder Weiße. In jüngster Zeit beginnt sich das Bild dieser kleinen Siedlungen in ent- wickelteren Gebieten auch schon durch einzelne Gewerbe- und Industriebetriebe auf- zulockern.

Gegenüber den Kaufmanns- und Verwaltungssiedlungen sind die äußere Gestalt und auch die Bewohnerschaft der jüngeren Sonderformen der aldeais und der Touristensied- lungen schon deutlich verschieden. Hier sind so gut wie immer auch Schule und Sanitäts- posten, wie aber auch Geschäfte und kleinere Gewerbeunternehmen dabei.

So wie die unteren, so bieten auch die mittleren Zentren keine ganz einheitliche Gruppe. Sie reichen von conselho-Sitzen bis zu dem, was man selbst nach europäischen Verhält- nissen schon eine Mittelstadt bezeichnen kann, wenngleich dieser Begriff im tropischen

6) Anmerkung der Redaktion: Laut Gesetz Nr. 36 vom 12. 11. 1927 sind „Zivilisierte" Personen mit weißer, brauner und gelber Hautfarbe, alle Mischlinge und diejenigen Afrikaner, die die portugiesische Spradie beherrsdien und christlidi getauft sind, Militärdienst geleistet haben, eine europäische Lebensweise führen und den Nachweis für den Unterhalt ihrer Familie erbringen können. Sie sind Vollbürger mit allen Rechten und Pflichten eines portugiesischen Staatsbürgers im Gegensatz zur „nicht-zivilisierten" Bevölkerung. Inzwischen wurde mit dem Decreto-Lei Nr. 43 893 vom 6. 9. 1961 dieser rechtliche Begriff zwar hinfällig, doch blieb die Bezeichnung in der Umgangssprache noch geläufig.

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Afrika doch recht anders zu bewerten ist. Es geht nämlich auch hier weniger um eine bestimmte Bewohnerzahl, sondern vielmehr um die bereits angebotenen Dienste. Sie können dementsprechend auch als subregional bis regional bezeichnet werden. Es kann aber, wie zum Beispiel im Falle von Bissau in Guinea, Praia auf den Kapverden oder auch Sao Tome auf der gleichnamigen Insel eine Landeshauptstadt selbst sein.

Abgesehen von den oben genannten Orten wären noch folgende mittlere Zentren oder auch Mittelstädte in den portugiesischen Provinzen in Afrika zu nennen und zwar auf den Kapverden die Hafenstadt Mindelo auf der Insel Sao Vicente, die wesentlich jünger als die Hauptstadt Praia diese bereits an Bevölkerungszahl seit langem um mehr als das Doppelte übertroffen hat. Mindelo hätte sich auch über seine gegenwärtige Einwohner- schaft von ca. 30 000 hinaus durchaus noch weiterentwickelt, wenn es nicht für eine ge- raume Zeitspanne unter Wassermangel gelitten hätte und seine Hafenanlagen rechtzeitig ausgebaut worden wären. In Angola sind an der Küste in dieser Gruppe Lobito, Ben- guela und Mo9amedes anzuführen. Lobito (1971 ca. 85 000 Einwohner), Ausgangspunkt der Benguela-Bahn, ist zugleich mit dieser erst seit dem Anfang dieses Jahrhunderts überhaupt entstanden und bildet zusammen mit dem nur 30 km entfernten und in jüngster Zeit auch beachtlich industrialisierten Benguela (1971 ca. 50000 Einwohner), welches zugleich Distriktshauptstadt ist, eine Wirtschaftszone bedeutender Intensität. Lobito selbst hat sich von einer schmalen Nehrung, auf der sein Verwaltungszentrum liegt, schon längst auf das Festland hin ausgedehnt und ist inzwischen auch seinerseits zu einem größeren Industriestandort geworden. Am Hochland von Angola wiederum ist vor allem Nova Lisboa auf der Lundaschwelle und an der eben genannten Benguela- Bahn gelegen zu erwähnen. Erst knapp vor dem Ersten Weltkrieg (1912) gegründet, hat es sich vor allem im letzten Jahrzehnt (1971 fast 120 000 Einwohner) dank der Inwertsetzung seines weiteren Umlandes sehr rasch entwickelt. Numerisch bereits Groß- stadt, kann es aber nach Physiognomie und Charakter derzeit noch als Mittelstadt klassifiziert werden. An sich ist es auch, wie ebenso an einem Fall in Moc^ambique noch zu sagen sein wird, im Sinne der Bestrebungen des Ausbaues des Binnenlandes schon seit längerem als Hauptstadt der Provinz vorgesehen, ohne sich aber vorläufig gegenüber dem noch viel schneller aufstrebenden Luanda betreffend der Abgabe dieser Funktion durchsetzen zu können. Eine weitere bedeutende Stadt, Regionalzentrum des ganzen südwestlichen Hochlandes, ist Sä da Bandeira. In seinen Ursprüngen bereits auf das 19. Jahrhundert zurückgehend, vermochte es die ihm zunächst liegende Hafenstadt Mo9amedes, deren unmittelbares Hinterland wirtschaftlich dürftig ist, in verschiedenen Belangen zu übertreffen. Weitere wichtige Distriktsorte in Angola wären dann noch Silva Porto, Malange und Carmona (ehedem Uije). In Moc,ambique steht unter den Städten dieser Gruppe Beira voran. Als zweitgrößter Hafen der Provinz und Ausgangs- punkt von Eisenbahnlinien nach Rhodesien und Malawi weist es mit über 60 000 Ein- wohnern seinem Aspekt nach fast schon Großstadtcharakter auf. Infolge des Rhodesien- konfliktes sogar einer Art Blockade unterworfen, hat sich seine Entwickung in den letzten Jahren allerdings verlangsamt. Beira ist zugleich Regionalvorort für das ganze mittlere Mogambique, welche Rolle für den Süden des Landes der Landeshauptstadt Lourenc.o Marques und für den Norden Nampula zufällt. Eine etwas unterschiedliche Entwicklung haben die übrigen küstennahen Zentren Mo9ambiques genommen. Von den alten Städten etwa hat die frühere Hauptstadt Ilha de Mo9ambique einen starken Bedeutungsschwund zu verzeichnen. Auch der alte Stützpunkt Inhambane kann sich infolge seiner Lage auf der Innenseite einer Halbinsel, die vom modernen Verkehr auf der Landseite der Bucht umfahren wird und wo in jüngster Zeit der Ort Maxixe auf- blühte, nur mehr schwer weiter entfalten. Die Stadt ist bloß als Verwaltungssitz von einiger Wichtigkeit und hat fast alle ihre wirtschaftlichen Funktionen an den genannten

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Rivalen abgegeben.7) Das ebenfalls alte Quelimane dagegen hat - wie noch weiter unten näher auszuführen sein wird - eine wesentlich günstigere Entwicklung genom- men. Das gleiche kann auch von einigen jüngeren Orten wie etwa Jao Belo und Porto Amelia im Norden gesagt werden. Wohl hat das erstgenannte seine Seehafenfunktion, die zu seiner Gründung um die Jahrhundertwende ausschlaggebend war, infolge der Versandung der Limpopo-Mündung schon längst verloren, konnte aber durch den sonstigen günstigen wirtschaftlichen Ausbau des gesamten unteren Limpopo-Gebietes doch zu einem schon relativ bedeutenden Mittelzentrum heranwachsen. Gleiches kann auch von der Hafenstadt Porto Amelia gesagt werden, welche als ziemlich einzige nennenswerte Siedlungsgründung der ehemaligen Companhia do Niassa das nördlich davon auf einer Koralleninsel inmitten einer seichten See gelegene Ibo abgelöst hat. In der nur kurzen Zeit von einem Jahrzehnt ist auch die ganz junge Hafenstadt Nacala, ebenso wie Porto Amelia an einer vorzüglichen Bucht der nördlichen Mo9ambique-Küste gelegen, beinahe schon zu einem Mittelzentrum empor gestiegen. Eine ebenfalls günstige Entwicklung nimmt auch der nur von Küstenschiffen anlaufbare Hafen Antonio Enes (ehemals Angoche), wobei die Landwirtschaft der Umgebung und eine mit dieser zu- sammenhängende Industrialisierung maßgebend sind. Von den Binnenlandorten Mo- cambiques wären - abgesehen von dem oben schon kurz genannten und nachstehend noch näher zu behandelnden Nampula - erstlinig Vila Pery, Tete und Vila Cabral anzuführen. Für das als erstes genannte sind ebenso wie bei Antonio Enes die Landwirt- schaft und Industrie, jedoch keine gehobene Verwaltungsfunktion für die Prosperität ausschlaggebend. Das alte Tete, ursprünglich auf einer Insel im Sambesi gelegen gewesen und lange Zeit über seine Aufgabe als Distriktshauptstadt kaum hinausgewachsen, dürfte im Zuge der Erbauung des nahen Cabora Bassa-Staudammes sowie der vorge- sehenen bergbaulichen Erschließung und der ebenfalls im Zuge befindlichen Meliorisation des unteren Sambesi-Tales in absehbarer Zeit einen sehr starken Bedeutungszuwachs zu verzeichnen haben. Die erst 1931 in einem damals noch praktisch unerschlossenen Gebiet gegründete heutige Distriktshauptstadt Vila Cabral endlich zeigt außer seiner Verwaltungsfunktion noch ausgesprochen koloniale Züge und muß in seine wirtschaft- liche Rolle erst hineinwachsen.

Bei aller Unterschiedlichkeit dieser mittleren Zentren weisen sie doch gewisse Gemein- samkeiten auf, die sie von denen der unteren Stufe recht deutlich abheben. Vor allem haben sie schon eine merkliche räumliche Differenzierung, so etwa ein recht ausgeprägtes Zentrum, in dem oft schon sechs- und mehrgeschossige Bürohäuser sich erheben, sowohl wie ziemlich weit ausgedehnte Wohnviertel sozial gehobener Bevölkerung. Diese setzt sich nicht nur mehr aus den staatlichen Funktionären zusammen, sondern es gibt hier schon private Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Banken und Versicherungsanstalten sowie Delegationen verschiedener staatlicher und halbstaatlicher Organisationen und anderes mehr. Fast alle diese Orte haben auch eine Oberschule und in zunehmendem Maße Gewerbe- oder andere Fachschulen, größere Krankenhäuser, meist mehrere Hotels und Pensionen und in mehreren Fällen auch ein Regionalmuseum. Bedeutend ist zumeist auch der hier ansässige Großhandel, der nicht selten auch von Plantagengesellschaften der Umgebung betrieben wird. Darüber hinaus sind die Distriktshauptstädte meistens auch Sitz eines katholischen Bischofs und in einigen von ihnen, insbesondere in den Hafenstädten, befinden sich konsularische Vertretungen. In den letzten zehn bis zwölf Jahren kam es dann in einer Reihe von Fällen auch zu planmäßiger Industrieansiedlung

7) Ccdi, D.: Inhambane und Maxixe - Bedeutungswandel im Zuge der modernen Verkehrs- erschließung in Südmocambique, in: Braunschweiger Geographische Studien, H. 3. Wiesbaden 1971, S. 198 ff.

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infolge eigens geschaffener Industriezonen am Stadtrand oder noch etwas von ihm ent- fernt. Die Industrieansiedlung in diesen ging dabei verhältnismäßig rasch vor sich, da das Gelände beinahe kostenlos abgegeben wurde. Gerade der letztere Umstand hat allerdings nicht selten auch zu Fehlanlagen geführt. Ganz im Gegensatz zu den unteren Zentren weisen die mittleren schon einen recht beachtlichen Zuzug der afrikanischen Bevölkerung aus der näheren und weiteren Umgebung auf. Dieser Zustrom ist vor allem bedeutsam, da er denjenigen zu den Provinzhaupt- wie auch den anderen großen Hafen- städten etwas abbremst. Es ist nicht zuletzt dem planmäßigen Ausbau der mittleren Zentren zu verdanken, wenn die Verhältnisse in Luanda und Lourenco Marques dies- bezüglich doch noch etwas besser zu sein scheinen, als in den meisten anderen vergleich- baren afrikanischen Gebieten, wo die gesamte Landflucht sich auf wenige große Städte konzentriert. Diese zuziehende und sehr oft auch fluktuierende afrikanische Bevölke- rung sammelt sich zum Teil in verhältnismäßig großen, zusammenhängenden und noch wenig systemisierten Quartieren im Bereich der Suburbana. Gelegentlich kommt es dabei auch zu eigenartigen Separierungen, wie etwa in Porto Amelia, wo sich etwa drei relativ kleine einheimische, aber doch nahe beieinander liegende Quartiere dieser Art entwickelt haben, von denen das eine fast nur eine Mulattenbevölkerung aufweist. Im allgemeinen sind den seit einiger Zeit unternommenen Versuchen, diese mehr oder weniger wilde Siedlungsentwicklung zu systemisieren, doch gewisse Erfolge beschieden. In dem eben genannten Porto Amelia (insgesamt etwa 5 000 Einwohner) wurden unter der Ägide der staatlichen „Junta dos Bairos Populäres" Volkswohnungen in größerem Ausmaß errichtet. Die Monatsmiete beträgt ca. 200 Escudos, welche Summe nur der Amortisation des Baues dienen soll. Im übrigen war Porto Amelia der erste Ort in Mocambique der 1937 einen Stadtregulierungsplan erhielt, der dann 1964 als „plan director da urbani- zacao" umgeändert wurde. Einen anderen Fall einer verhältnismäßig gut gelungenen Sanierung wild gewachsener Viertel bietet Antonio Enes. Dieser Ort, der ca. 1 200 „zivilisierte" Einwohner zählt, hat innerhalb seiner Suburbana die Quartiere Inguri (über 10 000 Einwohner, zu 90 Prozent Mohammedaner) und Puli (rund 5 000 Ein- wohner). In der Mitte der sechziger Jahre wurde mit der Sanierung des erstgenannten durch Anlage gerade Straßenzüge sowie Zufuhr von Licht und Wasser begonnen. Der Umbau der bis dahin meist recht dürftigen Hütten aus Stroh und Holz zu festen Häusern wurde durch kostenloses Beistellen von Baumaterial und der Herstellung luft- getrockneter Ziegel verhältnismäßig rasch in Gang gebracht. Eine spezielle Vorschrift, in welcher Art die Häuser anzulegen seien, gab es dabei allerdings nicht, so daß sich eine ganze Reihe von Zwischenformen zwischen traditionellem Gehöft und einfacherem europäischen Wohnhaus herausbildeten. In manchen Fällen entstanden allerdings schon Häuser regelrecht europäischer Manier. Ein ähnlicher Prozeß vollzieht sich übrigens in entwickelteren Gebieten von Angola - wie etwa besonders auffallend in der Enklave Cabinda - und Mocambique mehr oder weniger von selbst am flachen Land, doch erfolgt auch hier oft eine Förderung durch Beistellen von Baumaterialien seitens der Verwaltung. Die Entwicklung der mittleren Zentren soll abschließend noch an den Beispielen der Städte Quelimane und Nampula, beide in Mocambique nördlich des Sambesi, etwas näher erläutert werden. Der prinzipielle Unterschied zwischen diesen beiden Orten besteht vor allem darin, daß es sich bei dem ersten um eine der ältesten und im zweiten Falle um eine der jüngsten Siedlungsgründungen der Portugiesen in Afrika handelt. Quelimane (ca. 6 000 „zivilisierte" Einwohner), Hauptstadt des landwirtschaftlich gut entwickelten Distriktes Zambezia, liegt am linken Ufer des Rio dos Bons Sinais am Rande eines noch zum Teil amphibischen Gebietes mit ausgedehnten Mangrovensümpfen am rechten Flußufer. Die alte Siedlung, von der noch ein verhältnismäßig zahlreicher Hausbestand aus dem 19. und eine Kirche aus dem 18. Jahrhundert erhalten sind, zieht

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sich mit drei Längsstraßenzügen dem Ufer entlang. Die neuere Entwicklung setzte dann, wie ein Plan aus dem Jahre 1910 zeigt, schon zu Beginn des Jahrhunderts mit im wesentlichen senkrecht zum Fluß landeinwärts führenden Straßen ein. Der große Rat- hausplatz und dieses selbst waren damals schon vorhanden. Dann kommt es allerdings durch einige Jahrzehnte zu einem gewissen Stillstand und erst ab 1940 (Stadterhebung 1942) vollzieht sich ein neuer, in den sechziger Jahren sogar stark beschleunigter Ausbau.

Mehrere Großbauten, so ein über den augenblicklichen Bedarf hinaus dimensioniertes Hotel mit zugehörigem Bürogebäude, eine 1969 noch im Bau gewesene Kathedrale und eine schon etwas vorher fertiggestellte Gewerbeschule und anderes mehr beginnen, der Stadt eine neue Physiognomie zu geben. Diese Entwicklung setzt sich auch in die Subur- bana hinein fort, innerhalb derer auch eine kleinere Industriezone entstanden ist. Die derzeitigen Ausbaupläne sehen etwa noch für die siebziger Jahre eine Verdoppelung der Einwohnerzahl vor. Ungeachtet der wirtschaftlich nicht ungünstigen Situation der Stadt, die seit einigen Jahren jeweils im September sogar Schauplatz einer Gewerbeausstellung ist, mag dies dennoch vielleicht zu hoch gegriffen sein. Hinderlich für die weitere Ent- wicklung ist einmal der noch mangelnde Ausbau der Mündung des Rio dos Bons Sinais, so daß nur kleine Küstenschiffe den Flußhafen anlaufen können. Zum anderen ist nicht vorgesehen, dieses Gebiet mit Strom von Cabora Bassa her zu versorgen, so daß es mutmaßlich in nächster Zeit zu keiner verstärkten Industrialisierung kommen wird.

Nampula, die Hauptstadt des Distriktes Mocambique, mit derzeit etwa 10 000 „zivili- sierten" Einwohnern, liegt 168 km von der Küste bei Lumbo an der Eisenbahnlinie, die vor kurzem bis Vila Cabral und mit Anschluß nach Malawi fertiggestellt wurde. Die Stadt erstreckt sich südlich des großen Bahnhofsgeländes, an das ihr Grundriß mit recht- eckigen Rastern schräg ansetzt. Der Hauptplatz, an dessen Schmalseiten sich das Regie- rungsgebäude und die Kathedrale gegenüberstehen, liegt nicht mehr im heutigen Zen- trum, sondern in unmittelbarer Bahnnähe, was das allmähliche Anwachsen der Siedlung in Südrichtung anzeigt, wo sich heute das modernste Krankenhaus ganz Portugiesisch- Afrikas erhebt. Der erste Ansatz zur Entwicklung Nampulas geht von einer kleinen Festung aus, die um 1910 im Bereich des heutigen Kasernengeländes im Süden der Stadt angelegt wurde. Diese Gegend galt damals infolge eines Tümpels als malariaverseucht und hatte große Versorgungsschwierigkeiten. Im Jahre 1920 wurde dann nahe des Militärstützpunktes eine Kaufmannssiedlung angelegt, von der gegenwärtig noch einige wenige Häuser vorhanden sind. Der Entschluß, hier ein größeres Zentrum zu errichten, geht auf das Jahr 1929 zurück, in welchem die Rechte der Companhia do Niassa, die kaum etwas für eine Landeserschließung getan hatte und deren Konzessionsgebiet nörd- lich von Nampula sich von der Küste bis zum Niassa-See erstreckte, erloschen. Ungeach- tet verschiedener Widerstände sollte Nampula nun Ausgangspunkt zur Entwicklung eines zentralörtlichen Netzes für das ganze nördliche Mocambique werden. Nach Er- stellung des ersten Ortsplanes und dem Baubeginn der Eisenbahn von Lumbo her wird bereits 1935 die Distriktsregierung von der Ilha de Mocambique hierher verlegt. Nach einer längeren Stillstandsperiode wird Anfang der fünfziger Jahre der weitere Ausbau des Ortes, dem dann 1956 schon der sogenannte „foral" zugestanden wird und der dann endlich 1959 das Stadtrecht erhält, beschleunigt fortgesetzt. Eine wesentliche Maßnahme bildete in wenigen Kilometern Entfernung die Anlage eines Stausees zur Trinkwasser- versorgung. Die Kosten der Staumauer dafür waren allerdings derart hoch, daß die Gemeinde bis heute eine erhebliche Schuldenlast auf sich nehmen mußte. Dementspre- chend ist während der sechziger Jahre die Stadt selbst als Bauherr kaum mehr in Er- scheinung getreten, so daß hier - abgesehen von staatlichen Gebäuden - eine beson- ders intensive private Bautätigkeit ausgelöst wurde. In den sechziger Jahren entwickelt sich weiters im Osten der Stadt eine kleine Industriezone. Bemerkenswert ist und wahr-

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scheinlich durch die sehr junge Planung mitbedingt, daß das Entstehen unsystemisierter Randviertel verhindert werden konnte. Es gelang vielmehr, die aus der weiteren Um- gebung zuströmende afrikanische Bevölkerung innerhalb der planmäßig angelegten Stadt und mit „Zivilisierten" gemischt unterzubringen. Die Entwicklung Nampulas, welches entsprechend seiner Aufgabe als Regionalzentrum des Nordens mit Diensten verschiedener Art gut versehen ist, scheint einigermaßen versprechend zu sein. Dies kann sowohl dank der Fortführung der Bahn bis nach Malawi, dem guten landwirtschaft- lichen Ausbau der Umgebung sowie endlich der Errichtung des Hafens von Nacala seit 1951 erwartet werden. Unweit der Stadt liegt auch der für größere Flugzeuge benutz- bare Flughafen. Der sichtbarste städtische Ausbau vollzieht sich in den beiden Provinzhaupt- und Hafen- städten Luanda in Angola und Lourenco Marques in Mocambique. Beide gehören - wie schon weiter oben erwähnt wurde - zum Typ der europäisch-afrikanischen Großstädte, in deren erste Reihe sie heute zu stellen sind. Beiden gemeinsam ist ebenso wie auch den übrigen Großstädten dieser Art in Afrika ein rapides Bevölkerungswachstum. So wird Luanda, welches 1955 178 000 Einwohner zählte, derzeit (1971) auf 475 000 und Louren£O Marques, für welches 1960 184 000 Bewohner angegeben werden, jetzt auf über 300 000 geschätzt. Dieses rasche Anschwellen, dem die Erstellung der Infrastruktur und der Wohnungsbau nicht ganz folgen können, bringt nun zahlreiche Probleme mit sich, welche allerdings eine eigene, sehr umfangreiche Behandlung notwendig erscheinen lassen. Da dies aber den Rahmen der vorliegenden Abhandlung, die sich nur bemüht, die Gesamturbanisie- rung Portugiesisch-Afrikas zu umreißen, sprengen würde - bezüglich Luandas sei auf die aufschlußreichen Arbeiten von amaral8) verwiesen - , so sollen hier nur einige skizzenhafte, vergleichende Bemerkungen zu diesen beiden Großstädten gegeben werden. Ein wesentlicher Unterschied zwischen ihnen, die beide tief gelegene Stadtteile unmittel- bar an der Küste und höhere, auf einer Terrasse haben, besteht in ihrem Alter. Wäh- rend vor allem die Baixa von Luanda in ihrem Grundriß noch die alte Siedlung und auch noch nennenswerte Restbestände alter Häuser aufweist, so ist dies bei Lourenco Marques, in dem eine Besiedlung größeren Maßes Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts einsetzte, nur mehr eingeschränkt der Fall. In beiden geht allerdings die Umwandlung des ältesten Stadtteiles jetzt in sehr raschem Maße vor sich, was besonders für Lourenco Marques gilt, welches von See her eine fast amerikanisch anmutende Sky- line bietet. Während freilich Luanda mit einer der Bucht entlang führenden Pracht- straße sich in seinem städtischen Leben mehr gegen das Wasser zu entfaltet, ist dieses bei seiner mocambikanischen Schwester mehr auf einzelne große Parallelstraßenzüge, die weiter im Inneren verlaufen, zum Beispiel der Avenida da Republica oder der Avenida 24 de Julho, verteilt. Gemeinsam ist beiden, daß der Regierungssitz etwas abseits vom Stadtzentrum auf der Höhe oben liegt. Die Standortbildung der Industrie ist bei beiden etwas unterschiedlich. Wohl liegen die älteren Industrien in beiden Fällen nahe dem Stadtkern, doch schließen zwei der neu entwickelten Industriezonen in Luanda unmittel- bar am nördlichen Stadtrand an, während sie im Falle von Lourenco Marques einige Kilometer entfernt außerhalb der Stadt selbst bei Matola und Machava errichtet wurden. In der jüngeren Stadtentwicklung sind bei beiden auch die Flugplätze durch die zu ihnen hin geschaffenen Straßenzüge recht maßgeblich geworden. Der Gesamtcharakter beider Städte ist nicht zuletzt auch dadurch recht unterschiedlich, daß Lourenco Marques Aus-

8) Amaral, J. do: Aspectos de povoamento branco de Angola. Lissabon 1960; derselbe: Ensaio de um estudo geografico da rede urbana de Angola. Lissabon 1962; derselbe: Luanda (Estudo de geografia urbana). Lissabon 1968.

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Page 18: Urbanisierung in Afrika || Urbanisierung in Portugiesisch-Afrika

gangspunkt zweier international bedeutender Bahnlinien nach Südafrika und Rhodesien sowie einer dritten nach Swasiland ist, während Luanda nur eine reine Binnenstrecke in sein Hinterland hinein besitzt. Die besondere Bedeutung des Durchgangsverkehrs ließ den Hafenumschlag von Louren9o Marques, im Jahre 1970 über 12 Mio. t, etwa doppelt so hoch ansteigen wie den von Luanda. Wie schon oben angedeutet, liegt wohl das ent- scheidende Problem beider Städte in der Bewältigung der durch den raschen Bevölke- rungszuwachs entstehenden wilden Siedlungen. Bei Luanda ziehen sich diese - „Muce- ques" genannt - als einzelne mehr oder weniger große Flecken halbkreisförmig um die ganze Stadt und dringen an den einzelnen Stellen recht verschieden weit bis gegen den Stadtkern vor. Der forcierte Ausbau von Quartieren mit „Volks Wohnungen" zersplit- tert diese allerdings und hilft damit wohl, sie rascher zum Verschwinden zu bringen. Bei Lourenco Marques liegt das entsprechende Viertel, „Munhuana" genannt als ziemlich kompakte, ausgedehnte Masse im Nordwesten der Kernstadt. So sehr die Lösung des vorstehend genannten Problems der unsystemisierten Sied- lungen der Hauptstädte von Angola und Mocambique auch vordringlich erscheinen mag, so möge abschließend, zumindest nach Meinung des Verfassers, doch noch einmal auf die Frage der Urbanisierung im Gesamtrahmen der einzelnen Provinzen Portugiesisch- Afrikas mit Nachdruck hingewiesen werden. Es erscheint nämlich aus dieser Sicht her sogar als noch wesentlicher, die noch wenig erschlossenen Binnengebiete mit Zentren unterer Stufe zu erfüllen und gleichzeitig die mittleren Zentren zu vermehren und zu verstärken. Gerade damit aber kann durch Auffangen der Landflucht in vielen solchen, insbesondere in den mittleren Orten, auch der Zustrom zu den beiden großen Zentren, denen aber auch noch Nova Lisboa, Lobito und Beira zuzuzählen wären, erfolgver- sprechend abgedämmt werden und somit die derzeit relativ günstige wirtschaftliche Ent- wicklung der beiden großen Provinzen auch von der Seite der Urbanisierung her für ab- sehbare Zeit in geordnete Bahnen gelenkt werden.

Literatur: s. Bibliographie, Teil „Portugiesisch-Afrika".

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