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Usahma Felix Darrah Geschichte Syriens im 20. Jahrhundert und unter Bashar Al-Asad

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Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag

Reihe: PolitikwissenschaftenBand 60

Usahma Felix Darrah

Geschichte Syriens im 20. Jahrhundert und unter Bashar Al-AsadVon nationaler Selbstbehauptung bis zum gesellschaftlichen Aufbruch

Tectum Verlag

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Usahma Felix Darrah Geschichte Syriens im 20. Jahrhundert und unter Bashar Al-Asad. Von nationaler Selbstbehauptung bis zum gesellschaftlichen Aufbruch Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag Reihe: Politikwissenschaften; Band 60 Zugl. Diss. Universität Heidelberg 2013 � Tectum Verlag Marburg, 2014 ISBN 978-3-8288-6160-2 (Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Buch unter der ISBN 978-3-8288-3451-4 im Tectum Verlag erschienen.) Umschlagabbildung: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Flag_of_ Syria.svg?uselang=de|http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Flag_of_Syria_%281932-1958;_1961-1963%29.svg?uselang=de Umschlaggestaltung: Mathias Keiler | Tectum Verlag Satz und Layout: Mathias Keiler | Tectum Verlag Besuchen Sie uns im Internet www.tectum-verlag.de www.facebook.com/tectum.verlag

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

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Andrea Charlotte Mädler, ������������������ ������������ ���� ������������

gewidmet, in Dankbarkeit.

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VORWORT

Bevor der „arabische Frühling“ im März 2011 in Syrien ankam, galt das Land als Musterbeispiel für autoritäre Modernisierung. Ob-����� ���������������� ����� ��!"""�����#�� $%�����������&�'����ein schwieriges Erbe antrat, gelang ihm die Integration seines Lan-des in die Weltwirtschaft, ohne dessen geopolitische Position aufzu-����(�)�������&�'���������� ������������*%��'��� ���+/ �����'�'��bereit, externen Druck und Isolation zu riskieren, um Syriens au-ßenpolitische Unabhängigkeit zu wahren. Sowohl seine nationalis-tischen Referenzen als auch seine Wirtschaftsreformen sicherten ������� ���� 3'���'/'4��� ����� �� '� ������� ��� /���5%$����-onellen Anteils der syrischen Bevölkerung. Diese scheinbaren Er-folge führten aber auch zu einer gefährlichen Hybris, die das Re-gime von einfachen Bürgern entfremdete und ihm dem Blick für die Dringlichkeit von weiterreichenden Reformen verstellte. Ent-gegen der Erwartungen nahezu aller Beobachter begann im März !"66� *�7'4��� � ���� 89�:%��'�%� :%� �'�8(� ������� �'��� �� ;�-ner Erkenntnis gegenüber, vor der ihn viele seiner engsten Berater gewarnt hatten: Wirtschaftsliberalisierungen und außenpolitischer Populismus sind kein Allheilmittel gegen grundlegende Mängel im politischen System.

Seit nunmehr 20 Monaten demonstrieren mehrere Hundert-tausend Syrer überwiegend friedlich gegen das Asad-Regime. Die Mehrheit der syrischen Bürger – Mann, Frau und Kind – interessie-ren sich für die Innenpolitik ihres Landes und wollen sie selbst in die Hand nehmen. Auch die vom Regime abhängige Wirtschaftseli-

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Darrah: Geschichte Syriens im 20. Jahrhundert und unter Bashar Al-Asad

te begreift, dass sie ihre neu gewonnene materielle Sicherheit eher als mündige Bürger bewahren kann, denn als Klienten der Staats-macht. Um die zivile Protestbewegung zu unterdrücken und sei-��=����� �$'�4����''�>���������������������'��� ��%�����'��?�-cherheitsapparat freie Hand. Dieser verhaftete Zehntausende und schürte konfessionelle Gewalt, während die syrischen Streitkräf-te schließlich mit schweren Waffengattungen gegen aufständische Gebiete vorgingen und somit eine humanitäre Katastrophe verur-sachten. Hierdurch wurden sämtliche Errungenschaften Syriens als letzte Bastion des säkularen Panarabismus und des legitimen Wi-derstands bedeutungslos – die Asad-Dynastie hat das Land zerstört, das eigene Volk entehrt und sich selbst als nihilistischer Clan ent-larvt.

�����@���� ��&%�5�����������������������'4'����� ����� /'-teln, es werden aber noch viele Jahre ins Land ziehen, bevor es eine neue Nationalidentität sowie ein sozioökonomisches Gleich-����� '�Q�������(�T������'��%�'���'������������ ��+�/ ��������Jahre 2011/2012 gerade zwischen solchen Staaten aus, deren poli-tischer Gemeinsinn sie zu Nationen mit Volksouveränität heranrei-$��������57'�����;��>�������*%�'�5%�%��������'%��'��������und politischer Ausgrenzung verharren: Tunesien, Ägypten und Li-byen sind offenbar auf dem Weg zur kohäsiven Nationsbildung; Sy-rien degeneriert indes vor den Augen der Welt zu einen Staat, der zwischen konfessioneller Vielfalt und politischer Schreckensherr-schaft zerstört wird.

Heidelberg, im November 2012.

Alle Übersetzungen aus dem Englischen, Französischen und Ara-bischen stammen vom Verfasser. Die Umschriften aus dem Arabi-schen entsprechen den Transliterationsregeln der Deutschen Mor-genländischen Gesellschaft (DMG).

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IX

Inhalt

Kapitel 1 – Einleitung .............................................................................. 1

1.1 Einleitung ........................................................................................ 1

1.2 Taxonomie der arabisch-islamischen Welt ....................................... 2

a) Moderne Staatlichkeit und Kulturalismus ....................................... 2

�_� `��'����%���Q�� �����*%��'��� ��9� ���������� ................. 4

c) Ordnungspolitische Divergenzen .................................................... 5

d) Rentier- und Allokationsstaaten ...................................................... 7

e) Marktorientierung ohne politische Transition .................................. 8

f) Persistenz des arabischen Autoritarismus ..................................... 10

1.3 Syrien als Forschungsgegenstand .................................................. 11

a) Einordnung ..................................................................................... 11

b) Standardwerke ............................................................................... 12

�_� ~���=����� �$'���������������� ..................................................... 15

d) Kritische Würdigung ..................................................................... 17

1.4 Fragestellung und Quellenlage ....................................................... 18

a) Ziel und Umfang der vorliegenden Arbeit ..................................... 18

b) Zur Problematik der staatlichen Quellen ....................................... 19

�_� ~�����%�����'�5�����%$Q4�������%��'�5���'��'��� ......................... 21

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X

Darrah: Geschichte Syriens im 20. Jahrhundert und unter Bashar Al-Asad

d) Weitere Quellen aus Syrien ............................................................ 23

e) Interviews und Gespräche .............................................................. 24

Kapitel 2 – Die Last der Geschichte ...................................................... 27

2.1 Das osmanische Erbe ..................................................................... 28

�_� `��'����%���Q��������%���5�������� �$' ...................................... 28

b) Strukturmerkmale lokaler Staatlichkeit ......................................... 30

c) Sozioökonomische Stagnation ....................................................... 32

d) Europäische Penetration und Patronage ........................................ 33

e) Von syrischer Historiographie zur arabischen Unabhängigkeitsbewegung .................................... 35

2.2 Vorenthaltene Unabhängigkeit und territoriale Zerstückelung ........................................................ 37

�_� �����%��� �������+�@�������������$�����@� ............................ 37

b) Bestandsaufnahme des „Report upon Syria“ ................................ 39

c) Hegemonie durch Völkerbundmandate .......................................... 40

d) Nachkriegsordnung als historische Zäsur ...................................... 41

2.3 Le Mandat Français en Syrie (1920–1946) .................................... 42

a) Doppelmandat und Binnenkonstituierung ...................................... 42

b) Verwaltungsaufbau und Neugründung der Streitkräfte .................. 44

c) Scheitern des Aufstands und die städtische Nationalbewegung ........................................... 46

d) Entwicklung unter dem Mandat ..................................................... 48

e) Flüchtiger Unabhängigkeitsvertrag und erneuter Gebietsverlust ............................................................ 50

f) Zweiter Weltkrieg und gewaltsames Mandatsende ....................... 52

2.4 Resümee ......................................................................................... 55

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XI

INHALT

Kapitel 3 – Kampf um Entwicklung, Identität und Staat (1946–1970) ............................................................ 57

3.1 Der Damaszener Obrigkeitsstaat .................................................... 57

�_� ~��������+/ ���'���_�����%����%����5%��� ........................... 57

b) Zwangsintegration der kompakten Minderheiten .......................... 60

c) Die Nakba („Katastrophe“) von 1948 ............................................ 62

d) Rechte Reformputsche ................................................................... 63

3.2 Strukturwandel und Neue Eliten .................................................... 66

a) Wirtschaftsentwicklung und Klassenbildung ................................. 66

b) Radikale Parteienlandschaft .......................................................... 68

c) Prätorianismus der Streitkräfte ...................................................... 70

d) Nationalidentität und Panarabismus .............................................. 72

e) Ökonomische Stagnation und parlamentarischer Verfall ............... 75

3.3 Vereinigte Arabische Republik und Sezession ............................... 78

a) Syrien als ägyptische Provinz (1958–1961) .................................. 78

b) Sozialistische Teilreformen ........................................................... 79

�_� TQ������?�4����%�_�����5�'��T�'�����'�'��6��6�6���_ .............. 81

�_� ����'���*�%;�5'�������* ��'>�%$$������� '5��*$� in Damaskus ................................................................................... 83

3.4 Herrschaft des Neo-Baath (1963–1966) und des Links-Baath (1966–1970) ................................................. 84

a) Machtergreifung und Richtungskämpfe ........................................ 84

b) „Revolution von oben“ und Machtausweitung .............................. 86

c) Machtkonzentration im Militär, Generationswechsel in der Partei .................................................................................... 88

d) Links-Baath und Naksa (“Rückschlag“) von 1967 ........................ 89

e) Machtusurpation und Modernisierungsgrenzen ............................ 91

$_� ��� '������$���������Q��������� ............................................... 93

3.5 Resümee ........................................................................................ 94

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XII

Darrah: Geschichte Syriens im 20. Jahrhundert und unter Bashar Al-Asad

���������� ����������������������������������� ................ 97

4.1 Regimekonsolidierung und Staatsaufbau (1970–1976) ................. 97

a) „Korrektivbewegung“ und „Ständige Verfassung“ ........................ 97

b) Defensive Modernisierung und Rentierismus ............................. 100

�_� �������������5'%����`�����_�:%�6������������'�����Außenpolitik ................................................................................. 101

d) Baathistischer Entwicklungsschub .............................................. 104

e) Embourgeoisement und Neo-Patrimonialismus .......................... 106

f) Sicherheitsstaat mit dualer Militärstruktur .................................. 108

4.2 Dauerhafter Kriegszustand und Stagnation (1977–1984) ............ 109

a) Intervention im Libanon .............................................................. 109

b) Kampf um die Levante ................................................................ 112

c) Anni horribile der islamistischen Herausforderung .................... 116

d) Kriegswirtschaft und massiver Staatsaufbau ................................ 119

e) Strukturelle Militarisierung ......................................................... 121

f) Innere Stagnation und institutionelle Sklerose ............................ 123

4.3 Krise und Wiederaufstieg (1985–1990) ...................................... 126

a) Verfehlte Industrialisierung und erschöpfte Ressourcen ............. 126

b) Externer Maximaldruck und politisches Beharren ...................... 127

�_� ��:���5�����:%�6�������?'����'�% ........................................ 129

d) Rückzug des Staats ....................................................................... 130

e) Befriedung des Libanon ............................................................... 133

f) Systemerhaltung durch eigene Rohstoffrenten............................. 135

4.4 Anpassung an die neue Weltordnung (1991–1996)...................... 137

a) Koalitionspartner im Zweiten Golfkrieg, Hegemon im Libanon ................................................................... 137

b) „Ökonomischer Pluralismus“ und Renten .................................... 139

c) Institutionelle Anpassung und Elitenwandel ............................... 142

d) Entmilitarisierung und politische Dekompression ...................... 145

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XIII

INHALT

e) Wiederaufbau des Libanon als syrisches Protektorat ................... 146

f) Beginn und Abbruch des syrisch-israelischen Friedensprozesses (1992–1996) ................................................................................. 148

g) Anachronistische Propaganda und Reislamisierung .................... 152

4.5 Stasis der Spätphase (1997–2000) ................................................ 154

a) Umzingelungsgefahr und Gegenbalance ..................................... 154

b) Reformstillstand und neue Rentenquellen .................................... 157

c) Entwicklungsrückfall und verringerte Problemlösungsfähigkeit ................................... 160

d) Grenzen des wirtschaftlichen Populismus ................................... 162

�_� +�/� '����+������Q������'�T������ ........................................... 164

4.6 Resümee ....................................................................................... 166

�_� ��Q��������������������� ��+/ ����Q��� .................................. 166

b) Ordnungs- und entwicklungspolitische Sackgasse ...................... 168

c) Politisches Erbe zwischen Bonapartismus und Neo-Patrimonialismus .......................................................... 170

d) Die syrische „Gretchenfrage“ ...................................................... 172

e) Zwiespältige Legitimität des Regimes ......................................... 173

���������!�"���"������##� ������� (Juni 2000 – März 2003) ....................................................................... 175

5.1 Patrimonium eines Hoffnungsträgers .......................................... 175

a) Werdegang und Amtsvorbereitung .............................................. 175

b) Machtübernahme und 9. Regionalkongress ................................. 178

c) Rezeption des Machtwechsels ...................................................... 181

d) Kapazitätsmängel und „alte Garden“ .......................................... 183

e) Reformdiskurs zwischen Strategie und Taktik ............................ 186

f) Klassische Ehepolitik und moderner Herrschaftsstil .................. 188

5.2 Der „Damaszener Frühling“ ......................................................... 189

a) Wiederbelebungsversuche einer Zivilgesellschaft ....................... 189

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XIV

Darrah: Geschichte Syriens im 20. Jahrhundert und unter Bashar Al-Asad

b) Höhepunkt und staatliche Gegenmaßnahmen ............................. 192

c) Annäherung an islamistische und kurdische Opposition ............. 195

d) Verhaftungswellen und restriktive Mediengesetze ...................... 197

5.3 Reformpuzzle und Reformansatz ................................................. 200

a) Makroökonomisches Ungleichgewicht und neue Rentenquellen ............................................................... 200

b) Stabilitätsdilemma und Kontinuitätszwang .................................. 203

c) Engagement und Disziplinierung eines „Küchenkabinetts“ ....... 205

d) GAFTA und EUROMED als angestrebter Wirtschaftsrahmen ............................................. 207

e) Wandel des Investitionsklimas, des Außenhandels und des Bankensektors ................................................................ 208

f) Abschied von baathistischer Land- und Agrarpolitik .................. 211

g) Improvisierter Reformcharakter und erste Regierungsumbildung .................................................. 213

5.4 Zerfall des geopolitischen Umfelds ............................................. 215

a) Verlust taktischer Ansätze ............................................................ 215

b) Außenpolitische Initiativen ......................................................... 218

c) Wendepunkt am 11. September 2001 .......................................... 221

d) Unscharfer Terrorbegriff und „Identitätswandel des Westens“ ............................................ 223

e) Speerspitze gegen Bush-Doktrin und Irak-Krieg ......................... 226

5.5 Resümee ....................................................................................... 228

Kapitel 6 – Zwischen Reformsuche und Hinderungsgründen (März 2003 – Februar 2005) ................................................................ 231

6.1 Strukturbruch in der geopolitischen Ordnung ............................. 231

a) Regimesturz in Bagdad, Widerstandspläne in Damaskus ............ 231

b) Die Grenzen taktischer Abschreckung ........................................ 235

c) US-Sanktionen und israelische Eskalationspolitik ....................... 238

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XV

INHALT

d) Eine „Achse Paris-Washington“ .................................................. 240

e) UNSC-Resolution 1559 (September 2004) .................................. 242

f) Anzeichen für strategisches Scheitern der USA ........................... 244

g) Schadensbegrenzung im Irak ...................................................... 246

6.2 Folgewirkungen des Irak-Kriegs ................................................. 248

a) Vorübergehende Dialogbereitschaft des Regimes ....................... 248

b) Politischer und reformerischer Diskurswandel ............................ 251

c) Exodus aus dem Irak und islamistische Reaktion ........................ 253

d) Dammbruch der syrischen Kurdenfrage ..................................... 255

e) „Gordischer Knoten“ im Libanon ............................................... 258

f) Ressourcenrückgang und neue Nachbarschaftspolitik ................. 260

6.3 Personelle und institutionelle Erneuerung ................................... 262

a) Elitenwandel und erste Parlamentswahlen (März 2003) ............. 262

b) „Gewaltenteilung“ und erste Regierungsbildung (September 2003) ......................................................................... 264

c) Reformteam ohne Durchsetzungskraft ......................................... 267

d) Annäherung an die syrische Diaspora .......................................... 268

e) Institutionenökonomie des „Nationalen Verwaltungsplans“ ....... 270

$_� �������'�����_%$Q4�������#�������T�� ................................... 273

g) Aufwertung der „State Planning Commission“ zur Leitbehörde ........................................................................... 276

6.4 Sektoraler Reformüberblick ......................................................... 279

a) Umstrukturierung der Steuerpolitik ............................................. 279

b) Geburt eines privaten Bankensektors ........................................... 281

c) Aufbruch im Grund- und Immobiliensektor ............................... 283

d) Ausweitung des Bildungswesens ................................................ 284

e) Öffnung im Außenhandel, Stagnation auf dem Arbeitsmarkt ................................................................... 287

f) Scheitern der EUROMED-Verhandlungen (Oktober 2004) ......... 289

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XVI

Darrah: Geschichte Syriens im 20. Jahrhundert und unter Bashar Al-Asad

g) Makroökonomischer Entwicklungsverlauf und Kompromisszwänge ............................................................. 292

h) Minimalverbesserung des Staatssicherheitsgerichts .................... 294

6.5 Resümee ....................................................................................... 296

Kapitel 7 – Das Jahr der Feuerprobe (2005) ...................................... 299

7.1 Mordverdacht und externer Maximaldruck .................................. 299

a) Attentat in Beirut, Polarisierung des Zedernlands ....................... 299

b) Schockstarre und Abzug aus dem Libanon ................................. 302

c) Schutzsuche in Teheran und Moskau .......................................... 304

d) Die internationale Mordkommission des Detlev Mehlis ............. 306

e) Strategisches Scheitern im Irak, moralischer Sieg in Syrien ....................................................................................... 308

f) Machtkampf um UNSC-Resolution 1636 ................................... 310

g) „Widerstand oder Chaos“ ............................................................ 311

7.2 Zerreißprobe im Innern ................................................................ 313

�_� +%������5��������������''�'�'���������3#TTT�� ............... 313

b) Der syrische Abzug als Reformbeschleuniger ............................ 314

c) Unterdrückungwelle gegen Oppositionelle ................................. 316

�_� ?����'�%�������T�����'����`��� ........................................ 318

e) Desertierung des Vize-Präsidenten .............................................. 319

7.3 Programmatische Konkretisierung und vermeintliche Reformwende ................................................. 321

a) Wiederaufstieg der Syrischen Sozial-Nationalen Partei (SSNP) .......................................................................................... 321

b) 10. Regionalkongress der Baathpartei (Juni/Juli 2005) ............... 323

�_� ����6"(�+/$;� ���*����!""��!"6"_ ........................................... 326

�_� 9�4�*'�%�����6"(�+/$;� ���*��� ............................................... 327

e) Vermeintliche Reformwende ....................................................... 329

7.4 Sozioökonomischer Wandel ......................................................... 330

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XVII

INHALT

a) Energiepolitische Öffnung nach Osten ......................................... 330

b) Steigende Armut, sinkende Bildungsrate ..................................... 331

c) Erwerbsstruktur und Einkommensverteilung .............................. 333

d) Inkrafttreten von GAFTA ............................................................ 334

�_� &%�5����'�� �$'��� ��?'��5'����Q4�'�� .......................................... 335

Kapitel 8 – Internationale Rehabilitierung und ökonomischer Abstieg (2006–2007) .............................................. 341

8.1 Stellvertreterkriege und Ausbruch aus der Isolation .................... 341

a) Druck des Westens, Unterstützung aus der Region ...................... 341

b) Bürgerkrieg und historischer Machtwechsel im Irak ................... 344

�_� ����������4��������`�����_�����?%������!""� ........................ 346

d) Kriegsbilanz und UNSC-Resolution 1701 .................................. 348

e) Regionalpolitischer Wendepunkt ................................................. 350

f) Triumphalismus und das Stigma des „schiitischen Halbmonds“ ...................................................... 353

�_� ��*�%��'��� ��9� �����'�����������:����Q4����� ................... 355

8.2 Wirtschafts- und Administrativreformen ..................................... 358

a) Finanz- und Haushaltspolitik ....................................................... 358

b) Verzögerter Abbau der Energiesubventionen ............................... 360

c) Entstehung eines einseiten Bankensystems ................................. 362

d) Teilreform der Verwaltung .......................................................... 364

e) Teilreform der Staatsbetriebe ....................................................... 366

f) Außenhandel ................................................................................ 367

h) Vision der „fünf Meere“ ............................................................... 370

i) Immobilien und Dienstleistungssektor als Investitionsmagnet ................................................................. 370

8.3 Gesellschaftliche Polarisierung .................................................... 372

a) Flüchtlingsstrom als struktureller Schock ................................... 372

�_� ?� ���*$��������'�4������������������ ' .................... 374

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XVIII

Darrah: Geschichte Syriens im 20. Jahrhundert und unter Bashar Al-Asad

c) Schwindende Ordnungsmacht in der Peripherie ......................... 375

d) „Islamisierung des Baath“ ........................................................... 377

e) Entfesselter Konsum, erneute Klassenbildung ............................ 380

f) Stiller Generationswechsel in der Opposition .............................. 381

8.4 Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft ................................ 383

a) Herrschen ohne Gesellschaftsvertrag .......................................... 383

b) Rechtsunsicherheit und Kontrollverlust im regulativen Umfeld ................................................................. 385

c) Neusegmentierung der Bourgeoisie und Verengung des Regimekerns ................................................. 389

d) Wahlen ohne Politik, Öffentlichkeitsarbeit ohne Meinungsfreiheit ................................................................. 392

e) Machtverschiebung zwischen Militär und Sicherheitsdiensten ............................................................... 395

f) Verpasste nationalstaatliche Restauration ................................... 398

8.5 Resümee ....................................................................................... 401

Schlussbemerkung ................................................................................ 403

Glossar der arabischen Begriffe ......................................................... 407

Literatur- und Quellenverzeichnis ...................................................... 413

I. Primärquellen ....................................................................................... 413

II. Sekundärquellen ................................................................................ 424

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Kapitel 1 Einleitung

1.1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem inneren und regiona-len Wandel der Syrischen Arabischen Republik in der Zeit zwischen ������'��'��''������������������������!"""�����4�������������ersten Legislaturperiode im Mai 2007. Syriens sozioökonomische Verhältnisse, seine Innenpolitik und regionale Positionierung haben sich seit dem Militärputsch 1963 durch die Baathpartei – der maß-geblichen panarabischen Bewegung in der arabischen Welt – und ���%������� �������� '/���� ������� ���Q��������������� -re 1970 grundlegend verändert. Das Syrien der post-2000 Ära ist keineswegs mehr die ländlich geprägte Gesellschaft und agrarba-sierte Wirtschaft unter einer klassischen Bourgeoisie, das es nach seiner Unabhängigkeit infolge des Zweiten Weltkriegs war. Auch ist es nicht mehr der schwache und anfällige Akteur des regiona-len und internationalen „Kampfs um Syrien“ der 1950er Jahre; we-der ist Syrien das chronisch instabile politische System geblieben, das bis 1970 von einem der weltweit höchsten Raten an Putsch-versuchen gekennzeichnet war; noch ist es das statische und auto-��'����/�%5��'��� ��?@�'���������Q���������>������������4���������%����������!"""������(�3'��������������������$������� �?'��'�und Gesellschaft sowie die ihnen zugrunde liegenden sozioökono-mischen Strukturen vielmehr in einer Phase tiefgreifenden Wandels. Dieser Transition gilt das Hauptaugenmerk der vorliegenden Un-tersuchung.

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Darrah: Geschichte Syriens im 20. Jahrhundert und unter Bashar Al-Asad

1.2 Taxonomie der arabisch-islamischen Welt

a) Moderne Staatlichkeit und Kulturalismus

Die Frage, mit welchen analytischen Begriffen die arabischen Staa-ten zu erklären seien, ist umstritten. In der muqaddima (“Prolego-mena”) zu seiner Universalgeschichte entwarf der arabische Ge-�� �'��T���������6��!�6 "�_��������'��*�4�Q�� ������������>�dass die wiederkehrende Übertragung von traditioneller Loyali-tät auf den urbanen Staat behandelt: Ein neuer Staat entsteht durch ���� �������� („Gemeinschaftsgefühl“) marginalisierter Gruppen,1 die stets gegen städtische Machtzentren aufbegehren und schließ-lich mit radikaler Veränderungsgesinnung einnehmen. Einmal an der Macht, erodiert daraufhin ein Zivilisierungsprozess aus Lu-���� ��� `%���*'�%� ���� �������� einer neuen Dynastie und führt nach wenigen Generationen zum Verlust des Staates. Dieser zykli-schen Geschichtsauffassung liegt freilich das mittelalterliche Bild einer Gesellschaft der Individuen, nicht der Institutionen vor Augen. Ebendies kennzeichnet die sprichwörtliche Anfälligkeit der moder-nen arabischen Staaten gegenüber traditionellen Gesellschaftsbe-ziehungen.

Für die klassische Politikwissenschaft misst sich moderne Staatlichkeit am Grad ihrer Machtinstitutionalisierung.2 Jedes neue Regime muss seinen Aktionsradius ausweiten, um neue Teilnehmer zu mobilisieren, meistens in Form einer ideologischen Partei. Im Verlauf des unvermeidlichen Dahinschwindens ihrer Ideologie müs-sen neue Staaten ihre Macht strukturell konsolidieren – nach Max Weber eine „Routinisierung“ entweder in „rechtlich-rationalen“ In-stitutionen, die auf Zustimmung und der Erfüllung ökonomischer Interessen basieren oder aber in Form vererbter und „charismati-

1 Ghassan Salamé (Hrsg.), The Foundations of the Arab State. Bd. 1, New ¡%�5��6���_>�?(�!!�¢�������?�����>�������� ��������������������������

������(“Gesellschaft und Staat im Arabischen Osten”). Beirut (1987), S. 23–24.

2 Samuel P. Huntington, Political Order in Changing Societies. New Haven (1968); Barrington Moore, �������������������������������������������. Boston (1966).

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Kapitel 1 – Einleitung

scher“ Autorität, wonach die Ausübung staatlicher Machtfähigkeit ;��%� ��� ������ ��/�5���Q����'(3 Unter westlichen Fachleuten sind kulturalistische Kausalbeziehungen zwischen Entwicklungs-rückstand und „dem Islam“ aufgrund empirischer und methodischer Schwächen inzwischen ad acta gelegt.4 Tatsächlich bleibt aber die Persistenz vormoderner Gesellschaftsbeziehungen ein typisches Merkmal arabischer Staaten und Gesellschaften – es existieren we-����������/������T�'�'�'�%�>�T��:������*����� ��Q��������7-ßere Rolle als das Gesetz. In der arabischen Lebenspraxis gilt �!"#� („Vermittlung“)5����������'�� �$'>������*���7��� ���������4���Vorteil anderer geltend zu machen – ein klassisches Beispiel dessen, was die Institutionenökonomik als informelle Institution bezeich-net.6 Für Bassam Tibi liegt dies im „Traum einer halben Moderne“7 begründet – einer partiellen Modernisierung durch Übernahme westlicher Wissenschaft und Technik, bei gleichzeitiger Ablehnung der ihr zugrundeliegenden Werte und Weltsicht. Die institutionelle �%������������� ��� �'>�����5��'��������%�����;��%� ��� '(

3 Eduard Baumgarten, Max Weber. Werk und Person. Tübingen (1964), S. 363–373.

4 Maxime Rodinson, Islam and Kapitalismus. Frankfurt (1986); Simon Brom-ley, Rethinking Middle East Politics. Austin (1994); Oliver Schlumberger (Hrsg.) Debating Arab Authoritarianism. Stanford (2007).

5 Weitgefasst dient �!"#��als Mechanismus zur Verteilung von Dienstleistun-gen und Ressourcen durch informelle Beziehungen, die quer durch oder ent-gegengesetzt zu bestehenden Institutionen verlaufen. Hisham Sharabi, A The-�����������������$���������%�����������& New York (1988). Zur Evolution des Begriffs siehe Robert Cunningham und Yasin K. Sarayrah, Wasta: The hidden force in the Middle East. Westport (1993); Sa’eda Kilani und Basem ?�5�; �>�)��'�¥�� �����������?����'(�������!""!_(�

6 Douglass North, Institutions, Institutional Change and Economic Perfor-mance. Cambridge (1990).

7 Bassam Tibi, Die Krise des modernen Islam. Eine vorindustrielle Kultur im �����������������������������'��������. München (1981); Tibi, Der Islam und ����(����������)���������*��+���������/������0������& Frankfurt a. M. (1985).

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Darrah: Geschichte Syriens im 20. Jahrhundert und unter Bashar Al-Asad

$� �%��% &�'& ���*��%"��'�����*��+��/�"$���"&%"&�"

Inmitten zahlreicher See- und Überlandrouten zwischen Europa, Afrika und Asien nehmen die arabischen Staaten eine zentrale geo-strategische Lage ein. In den ariden Zonen der östlichen Hemisphä-re gelegen, weisen sie akute Wasserknappheit auf – lediglich Tei-le des Irak, Marokkos, Syriens und Ägyptens liegen in semi-ariden Zonen (entlang der östlichen Atlantik- und Mittelmeerküste, dem Nil-Becken und der Tigris-Euphrat-Zone). Da lediglich 7% der Ge-���'��� �� ������'�� �$'��� � �'4���� ��'>� 5�� ��� �'������ ��-wässerung eine größere Bevölkerungszahl versorgen und selbst in diesen Konzentrationsgebieten besteht ein ständiger Kampf gegen Versalzung und Versorgungslücken.8 Ein zweites Strukturmerkmal ����������� ��?'��'��������%���'�'�>� ;��%� ��� �������� �:��-teilte Rohstoffvorkommen: Während Saudi-Arabien, Kuwait, Irak, Libyen und Algerien etwa die Hälfte der weltweiten Erdölreserven besitzen, sind es unter den übrigen arabischen Staaten insgesamt weniger als 1%.9

Aufgrund der Konzentration von etwa zwei Dritteln der welt-weiten Erdöl- und Gasreserven stellt der Vordere Orient ein ein-zigartiges geopolitisches Umfeld dar: Sowohl als Bezugsquelle für Kohlenstoffe als auch für die strategische Wehrfähigkeit der indus-trialisierten Staaten ist die Region von existentieller Bedeutung.10 Indessen existiert keine nennenswerte innerarabische Sicherheits-architektur, sondern vielmehr militärisch penetrierte Subregionen ��'� �����&���4� �� ��'�'��� ���%$$�� �����'�������`%��5'�>� ��-gen die sich die einzelnen Staaten mit hohen Militär- und Sicher-heitsausgaben zu schützen versuchen. Im krassen Gegensatz zur panarabischen Vereinigungsideologie kennzeichnet die arabische Staatenwelt zudem ein vergleichsweise schwaches Maß an regiona-

8 Alan Richards und John Waterbury, 1��� (��������� 2������ ��� ���� 3������East. Boulder (2008).

9 British Petroleum Review of World Energy Statistics (2005). http://www.bp.com/genericsection.do? categoryId=92&contentId=7005893

(Zugriff: 13. Dezember 2008).

10 Simon Bromley, %������� 4������� ���� 0����� ���& Cambridge (1991), S. 40.

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Kapitel 1 – Einleitung

ler Integration. Dennoch stellten die arabischen Gesellschaften zu-sammen eine gelebte Kulturgemeinschaft dar, die für einzelne Na-tionalstaaten stets auch ein hohes Maß an externer Durchlässigkeit bedeutet. Aufgrund ihrer engen soziokulturellen Verknüpfung lässt sich zumindest für einige arabische Subsysteme, insbesondere der Nahostregion, eine „eurozentrische Trennung zwischen Außen- und Innenpolitik“11 nicht aufrechterhalten.

c) Ordnungspolitische Divergenzen

Bis zum Zweiten Weltkrieg galt der rechtsautoritäre Kemalismus in der Türkei unter vielen arabischen Eliten noch als vorbildlicher Entwicklungspfad. Doch die Ohnmacht angestammter Oligarchi-en gegenüber europäischen Großmächten sowie der Kolonialisie-rung Palästinas durch den Zionismus erschütterte ihre Legitimität und schürte den Ruf nach einem starken Staat. Während das kapi-talistische Modell weder soziale Gerechtigkeit noch eine unabhän-gige Außenpolitik zu versprechen schien, sollte eine Art „defensi-ve Modernisierung“12 äußere Feinde bezwingen, innere Spaltungen überwinden und zugleich sozioökonomische Entwicklungssprünge einleiten. In Ägypten (1952), Algerien (1962), im Irak und Syri-en (1963), im Jemen (1967) und schließlich Libyen (1969) begehr-ten provinziell-ländliche Aufsteiger durch die im Militär gebotenen Bildungschancen gegen eine „Politik der Notabeln“13 auf, stürzten

11 Volker Perthes, „Vom Krieg zur Konkurrenz. Regionale Politik und die Su-che nach einer neuen arabisch-nahöstlichen Ordnung“ in: Internationale Po-litik und Sicherheit, Bd. 49 (2000), S. 33.

12� ���� �����$$� ��4��� �'�� ���*�/���� � �'���5����*�%;�5'�� ���� )��'��5>�die durch hohe Staatsausgaben zugleich politische Stabilität herbeiführen und soziopolitischen Druck abbauen sollten. Robert L. Ayres, Banking on the Poor. Cambridge (1983), S. 226. Auf den Entwicklungspfad in der arabi-schen Welt bezieht ihn Raymond Hinnebusch, Revolution From Above. Lon-don (2001).

13 Diesen Ausdruck prägte Albert Hourani, ����������5������. London (1946); Philip Khoury, Urban Notables and Arab Nationalism. The Politics of Da-mascus. 1860–1920. Cambridge (1983); Khoury, ��������������=������3��-date: The Politics of Nationalism, 1920–1946. Princeton (1987); R. Bayly

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die traditionelle Gesellschaftordnung und etablierten einen „popu-listischen Autoritarismus“,14 der sich im Namen des egalitären Pan-arabismus um die Zustimmung und Einbeziehung mittlerer sowie unterer Klassen bemühte. Die arabische Staatenwelt spaltete sich folglich in Republiken mit sozialistischer Färbung (Ägypten, Irak, Syrien) und konservative Monarchien (Saudi-Arabien, Marokko, Jordanien), die ihre bestehenden Besitzverhältnisse verteidigten.

Auch unter den Spätentwicklern in der „Dritten Welt“ sowie unter europäischen Nachzüglern galten interventionistische Maß-nahmen in den post-kolonialen Jahren als erforderlich, um fehlen-des Wachstum und ungünstige Handelsbilanzen gegenüber den be-reits industrialisierten Staaten aufzuholen.15 Nach beachtlichen Wachstumsschüben in den 1960–1970er Jahren wurde die „richtige“ Ressourcenallokation derart komplex, dass Entscheidungsträger in-���� `%��5'�� ��� T'����������**�� 4�� ���� ��'� �$%����-len Maßnahmen zufrieden stellen mussten. Populistisch-autori-täre Regime litten zudem unter dem inherenten Widerspruch, die Volksmassen zugleich mobilisieren und politisch kontrollieren zu müsen. In den 1980er Jahren erlebten sie eine längere Stagnations-phase, die mit schleppendem technischen Fortschritt und institutio-neller Sklerose einherging,16 wonach sie weder populistischen Inte-ressen dienten noch weiterhin populär blieben. Interventionistische Paradigmen wurden durch den Neoliberalismus schließlich auf den `%*$����'���'����5%���*'���%������$Q4��'��?'��'�������'������'-���5���� ���������'�Q4���'(�

Winder, “Syrian Deputies and Cabinet Ministers: 1919–1959”, Middle East Journal, Nr. 16 (August 1962), S. 407.

14 Dieser Begriff stammt von Raymond Hinnebusch, %������������(���������������=�����������*�?�����������@�%��B�(���������(������& Boulder (1990).

15 Alexander Gerschenkron, 2�������*��)������������4����������(��������G�& Cambridge (1966).

16 Phyllis Deane, 1�����������������2������������@�%��H������������������4����������(���������2�����& Cambridge (1989).

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Kapitel 1 – Einleitung

d) Rentier- und Allokationsstaaten

Die Ölkrise nach dem Krieg von 1973 führte dazu, dass die Ent-wicklung von Erdölförder- und Nichtförderländern im arabischen Raum trotz hoher Ungleichheit verkettet wurde.17 Förderstaaten be-zogen hohe Erdölrenten und wurden zu Geldgebern, die weltweit strategische oder politische Renten verteilten, insbesondere an die +�%'�'��'�� ��� #� %�'5%��5'(� T� ��� +7���������� �'�'����zudem gewaltige Arbeitsmärkte, woraufhin sich private Geldrück-sendungen zu einer wichtigen Migrantenrente für Nichtförderlän-der entwickelten. Hinzu kamen auch verstärkt Transitrenten für Pipelines, Gütertransporte oder Verkehrspassagen. Entwicklungs-politisch stellten die aus Erdölerlösen resultierenden Renten zu-����� �����?�����������+��� ����>����� ��������%Q'��������������&�� ��'���4���� ������%'����#�� $����>� ;��%� �5��-ne Wertschöpfung im marktwirtschaftlichen Sinne zugrunde lag.18 Staatshaushalte waren oft kaum mehr als ein Ausgabenprogramm, das mit dem Erdölpreis schwankte, weshalb die Entwicklungsfä-higkeit von arabischen Rentierstaaten stark ambivalent blieb. Dass Renten freilich auch in Industriestaaten den Lebensstandard erhö- �>������)�''�������$� ��5��'�;��%� �4����'4�>����������� %���-dische Krankheit“ bezeichent.19

Das von Hazem Beblawi und Giacomo Luciani geprägte Para-digma des Allokationsstaats beschreibt eine Ordnungspolitik,20 bei welcher der Rohstoffreichtum des Landes selektiv von oben verteilt �����������?'��'�Q�4���'������������� �$'>��� '�����5� �'(�?��-ne externen Einkommensquellen verleihen dem Rentierstaat zudem eine hohe Handlungsautonomie gegenüber der eigenen Bevölke-rung – ein systemischer Gegenentwurf zum demokratischen Grund-

17 Saad Eddin Ibrahim, 1���L���%����������������@�%����������������H�����of Oil Wealth. London (1982).

18 Michael L. Ross, “The Political Economy of the Resource Curse” in: World Politics, Bd. 51/2 (Januar 1999), S. 297; Ross, “Does Oil Hinder Democra-cy?” in: World Politics, Bd. 53/3 (April 2001), S. 325.

19 “The Dutch Disease”, The Economist (26. November 1977), S. 82.

20 Hazem Beblawi, „The Rentier State in the Arab World“ in: Hazem Beblawi and Giacomo Luciani (Hrsg.), The Rentier State. New York (1987).

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Darrah: Geschichte Syriens im 20. Jahrhundert und unter Bashar Al-Asad

satz �����Q���������������������������. In diesem Umfeld fehlen auch Konstanten für Planungsicherheit und Verbesserungsanzreize ���� ��$Q4��4����#���:��'�'�%����9�'����'��'��������`��-��4��'����'��������5%����4����$Q4��4���4����>� ����-ten Zeiten blüht die Verschwendung. Da marktwirtschaftliches Un-ternehmertum somit dauerhaft verzerrt und erschwert werde, sei es wirtschaftlich rational, um die Erlangung von Renten zu konkurrie-ren.21 Dieses rent-seeking behaviour in arabischen Staaten verursa-che hohe Transaktionskosten und erschwere die deutliche Trennung zwischen staatlichem und privatem Eigentum.

e) Marktorientierung ohne politische Transition

Von der weltweiten „dritten Welle“ der Demokratie und ihrem Kul-minationspunkt zu Beginn der 1990er Jahre blieb die arabische Welt ���'�� ��� ����/ �'(� ������ ���� ���%5��'�������� ���'�Q4���'��Öffnungsgesten entpuppten sich zum Ende des Milleniums als An-*������*�%4���� ����/���� �5�'�� �$Q4��4�� ��� ����'���'�%�-krisen.22 In keinem populistisch-autoritären Staat in der arabischen Welt fand ein Systemwechsel statt. Es setzte vielmehr eine gradu-elle Marktorientierung ein, deren Verlaufsformen von der Moderni-sierungs- und Transitionsforschung zunehmend anhand der Indizi des good governance und des neoliberalen Washington Consensus gemessen wurden.23 Der erstmals auch auf Arabisch veröffentlichte

21 Claudia Schmid, “Rente und Rentier-Staat: Ein Beitrag zur Theoriegeschich-te” in: Andrea Boeckh und Peter Pawelka (Hrsg.), Staat, Markt und Rente in der Internationalen Politik. Opladen (1997), S. 37; Kiren Aziz Chaudhry, The Price of Wealth: Economies and Institutions in the Middle East. New York (1997).

22 Marc F. Plattner und Larry Jay Diamond, “Democratization in the Arab World?” in: V�����������������B Bd. 13/4 (Oktober 2002); Daniel Brum-berg, “The Trap of Liberalized Autocracy”, in: V�����������������, Bd. 13/4 (Oktober 2002).

23� ?�� ��������'����������$%���'�%������ � ''*¥ªª���(�'��*�%;��'(��ª�-dex/methode/), die Worldwide Governance Indicators der Weltbank (http://info.worldbank.org/governance/wgi/mc_countries.asp) oder die Berichte des International Monetary and Financial Committee des IMF (http://www.imf.org/external/country/index.htm). Raymond Hinnebusch, “Authoritarian Per-

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Kapitel 1 – Einleitung

UN-Arab Human Development Report 2002 offenbarte zudem, dass die Staaten des Middle East and North Africa (MENA) wirtschaft-lich deutlich besser abschnitten als bei der Humanentwicklung – im globalen Vergleich blieben sie menschlich weniger entwickelt als Staaten, die auf dem gleichen Einkommensniveau liegen.24

Weitere Untersuchungen verfestigten die Diagnose einer po-G����� ��� ������������� ���� ������������>� ���� �� ����� `����Q4�'��verwurzelt sei: Freiheit, Geschlechtergleichheit und Wissen. Wachs-tum alleine könne diese Lücken weder schließen noch zu nachhal-tiger Entwicklung führen. Im Spannungsfeld zwischen begrenzten Ressourcen, geringer Wertschöpfung und einer ����� ���� von zwei Drittel der Bevölkerung unter 28 Jahren,25 gab kein arabischer Staat den einmal eingeschlagenen Entwicklungspfad auf; viele büß-ten an Problemlösungsfähigkeit ein – sowohl staatliche Organisa-tionsmuster als auch die compliance ihrer Bürger gingen zurück.26 Obwohl sich insgesamt eine ordnungspolitische Konvergenz der arabischen Staaten abzeichnete, blieben Monarchien in der Regel entwicklungsfähiger als Republiken: Während fünf arabische Mo-narchien unter den Plätzen der 50 am wenigsten korrupten Staaten rangierten, zählten arabische Republiken zu den korruptesten Staa-ten überhaupt, mit absteigender Tendenz.27

sistence, Democratization Theory and the Middle East: An Overview and Critique”, in: ��������/�����, Bd. 13/3 (Juni 2006).

24 Der Bericht verglich global die langfristigen Durchschnittsraten für (reales) BIP, Kaufkraftparität, Alphabetisierung, Hochschulbildung, Geburten, For-schungs- und Entwicklungsausgaben, Informationsfreiheit, Arbeitslosigkeit und Freiheit, etc. UNDP, Arab Human Development Report 2002: Creating Opportunities for Future Generations. ����@ZZ���&���&���Z����Z����Z���-����&����['�����@�\&�V�����]^_^`j�Wolfgang Zapf, 3������/������1������w�and the Non-Western World. Berlin (2004).

25 UN-Economic and Social Commission for Western Asia, Population and De-G�������@������������0�������������������� ���%����$�������. New York (2005); Henrik Urdal, „A Clash of Generations? Youth Bulges and Po-litical Violence” in: H��������������������y�������, Bd. 50/3 (2006), S. 607–629.

26 Jason Brownlee, %��������������������%��������������/�����. New York (2007), S. 40.

27 Nach dem Transparency International, $���������(����������� H���Q�]^^\�rangierten die Monarchien Qatar, Oman und die VAE unter den ersten 32 –

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Darrah: Geschichte Syriens im 20. Jahrhundert und unter Bashar Al-Asad

f) Persistenz des arabischen Autoritarismus

Im 21. Jahrhundert entwickelten sich schließlich interdisziplinä-������'4�>����� �������*�4�Q�� ��)��5���4������ �������Transitionsfaktoren zu einer Gesamtstruktur zusammenführten.28 Der Politologe Oliver Schlumberger erklärt die Dauerhaftigkeit au-toritärer arabischer Herrschaft mittels einer wechselseitig verstärk-ten Kombination aus ökonomischen, geopolitischen, ideologischen sowie gesellschaftsstrukturellen Kernursachen: 1) Rentierstaatli-che Wirtschaftsstrukturen alimentieren die Bevölkerung und erkau-fen deren Loyalität durch materielle und immaterielle Privilegien; 2) Die geopolitischen Prioritäten der westlichen Industrienationen benötigen Stabilität in Regionen mit hoher Erdöl- und Gaskonzen-tration und wirken somit systemstabilisierend auf den autoritären status quo dort ein; 3) Das neopatrimoniale Wesen der arabischen Regime29� ���'���'� 4���� $%������� T�'�'�'�%�>� ���� 4�� '� ;��%� �das politische System mit informellen Klientelbeziehungen und Pa-tronagenetzwerken. Dieses parallele Interaktionsmuster bietet enor-me Spielräume zur selektiven Anwendung von formalem Recht und Gesetz; 4) Die im politischen System vorherrschenden Autoritäts-muster werden auf gesellschaftlicher Ebene repliziert, weshalb all-seitig neopatriarchialische Sozialstrukturen30 vorherrschen, vor al-

Jordanien und Marokko in den Rängen zwischen 40–50. http://www.trans-parency.org/cpi2010/results (Zugriff 7. Januar 2010).

28 Martin Beck und Oliver Schlumberger, “Der Vordere Orient – ein entwick-lungspolitischer Sonderfall? Rentenökonomie, Markt und wirtschaftliche Li-beralisierung“ in: Peter Pawelka und Hand-Georg Wehling (Hrsg.), Der Vor-����������������������������/�]_&�V���������. Opladen (1999), S. 57–99; Schlumberger, Autoritarismus in der arabischen Welt: Ursachen, Trends und internationale Demokratieförderung. Baden-Baden (2008); Schlumberger,

“Structural reform, economic order, and development: Patrimonial capitalism” in: {�G�������H�������������(���������2�����, Bd. 15/4 (2008), S. 622–649.

29 Dieser Terminus geht auf Max Webers Begriff des Patrimonialismus zurück. Gero Erdmann/Ulf Engel, “Neopatrimonialism Revisited: Beyond a Catch-All Concept?” in: GIGA-Working Papers, Nr. 16 (2006).

30 Im Gegensatz zu Max Weber spricht der Soziologe Hisham Sharabi wegen des Spannungsfelds zwischen formellen Institutionen und informellen Bezie-hungsmustern von „neo-patriarchalischen“ Gesellschaften. Sharabi (1988), S. 3–14.

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Kapitel 1 – Einleitung

lem unter bildungsfernen und ärmeren Bevölkerungsschichten. Daher organisiert sich die Gesellschaft weniger horizontal entlang sozialer Klassen oder Schichten, sondern eher vertikal entlang indi-vidueller Klientelstrukturen – diese informellen Organisations- und Interaktionsprinzipien erschweren die Entstehung unabhängiger so-zialer Gruppen.

1.3 Syrien als Forschungsgegenstand

a) Einordnung

Als komplexer regionaler Schlüsselstaat ist Syrien ein Gegenstand erheblicher politischer Polemik sowie einem geringerem Umfang an wissenschaftlichen Arbeiten. Dass arabische Staaten mit einer ;� �4� '����� �'���5����5%%*���'�%� ��� ���'��� �� +��4-transfers besser erforscht sind als das abgeschottete Syrien, liegt auf der Hand. Ein bedeutender Teil der US-amerikanischen Publikatio-nen zu Syrien entstand in think tanks und trug zuweilen Züge einer

„Feindforschung“ – bereits vor dem 11. September 2001 reduzier-ten nicht wenige Autoren das Land auf seine geopolitische Hal-tung sowie dessen Abweichung von US-amerikanischen Erwartun-gen.31 Dies trifft freilich nicht auf die universitäre Forschung zu, die sich analog zu den Veränderungen des syrischen Staats entwickelte. Nach vorherrschender Auffassung galt das künstliche Staatensys-tem im Vorderen Orient als Kernursache einer syrisch-arabischen T��'�'�'�5����>�����4�������'�����������T�����'�������4�����-freiung besetzer Gebiete führte.32� =������ ������ ���� �*�4�Q�� ��Wechselverhältnis zwischen sozioökonomischer und konfessionel-ler Spaltung einerseits und der sprichwörtlichen Instabilität Syriens

31 Siehe insbesondere Daniel Pipes, |������������@�1���4�������������%������& New York (1990); Pipes, �������$���������0���@��������(��������_}~}w1991. Washington (1991).

32 A.L. Tibawi, %�3������4���������������� ���������5�����������(��������. London (1969); Bassam Tibi, Nationalismus in der Dritten Welt am arabi-schen Beispiel. Frankfurt a. M. (1971).