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UTB 2445

Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage

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Heinz Heineberg

Einführung in die Anthropogeographie/Humangeographie

3., überarbeitete und aktualisierte Auflage

Ferdinand Schöningh

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Der Autor:Prof. Dr. rer. nat. Heinz Heineberg war bis zu seiner Emeritierung 2003 Leiter des Arbeitsgebietes „Stadt- und Regionalentwicklung“ am Institut für Geographie der Westfälischen Wilhelms-Univer-sität, Münster. Seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind neben der Stadtgeographie oder Geographischen Stadtforschung und der Wirtschaftsgeographie auch die Regionale Geographie mit zahlreichen Forschungsarbeiten in Mitteleuropa, Großbritannien und Mexiko.

Umschlagabbildung:Foto: Chemiepark Marl, Ruhrgebiet, Grafik: Modell der räumlichen Mobilität nach G. Kortum (1979).

∞ Ι

© 2003 Verlag Ferdinand Schöningh, PaderbornVerlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG

Internet: www.schoeningh.de

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Vorwort 11

1 Anthropogeographie/Humangeographieim System der Geographie 13Aufgaben, Teildisziplinen, Hauptentwicklungsphasen

1.1 Aufgaben und Stellung der Anthropogeographie/Humangeographie 13

1.2 Teildisziplinen der Anthropogeographie/Humangeographie 171.2.1 Physische Anthropogeographie 171.2.2 'Klassische' und neuere Teildisziplinen der Kulturgeographie 18

1.3 Hauptentwicklungsphasen der Anthropogeographie/Humangeographie 221.3.1 Geodeterministische Phase 221.3.2 Possibilistische Phase oder Kulturökologischer Ansatz 231.3.3 Kulturlandschaftskonzeption 241.3.4 Funktionale Phase 261.3.5 Phase der Sozialgeographie: Die Münchener Schule 281.3.6 Standortbestimmung einer „Geographie des Menschen“ nach DIETRICH BARTELS 311.3.7 Neuere verhaltens- und entscheidungstheoretische Ansätze 321.3.8 Humanistische Geographie nach ANNE BUTTIMER 391.3.9 Qualitative Sozialgeographie 411.3.10 Handlungsorientierte Sozialgeographie nach BENNO WERLEN 421.3.11 Kulturalistische Humangeographie - Renaissance der Kulturgeographie? 43

1.4 Raumkonzepte in der Anthropo- bzw. Humangeographie 45

2 Einführung in die Bevölkerungsgeographie 49Verteilung, Struktur, natürliche Entwicklungund Mobilität der Bevölkerung

2.1 Hauptthemenfelder der Bevölkerungsgeographie 49

2.2 Grunddefinitionen und Einordnung der Bevölkerungsgeographie 50

2.3 Räumliche Bevölkerungsverteilung und -dichte 532.3.1 Analyse der Bevölkerungsverteilung und -dichte 532.3.2 Regelhaftigkeiten von Bevölkerungsverteilungen und -dichten 552.3.3 Bevölkerungsschwerpunkt 552.3.4 Bevölkerungspotenzial eines Ortes 582.3.5 Darstellung der Bevölkerungsverteilung mittels der sog. Lorenzkurve 582.3.6 Bevölkerungsverteilung und -entwicklung nach bestimmten Raumkategorien 58

Inhalt

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2.4 Bevölkerungsstruktur 592.4.1 Altersgliederung 592.4.2 Sexualproportion 632.4.3 Familien- und Haushaltsstruktur, neue Haushaltstypen und Sozialformen 632.4.4 Staatsangehörigkeit 652.4.5 Wirtschaftliche und soziale Merkmale der Bevölkerung 65

2.5 Natürliche Bevölkerungsentwicklung 662.5.1 Wachstum der Weltbevölkerung und Tragfähigkeit der Erde 662.5.2 Demographische Grundgleichung 692.5.3 Analyse der Natalität, Fertilität und Mortalität 702.5.4 Modelle des demographischen Übergangs 75

2.6 Räumliche Bevölkerungsmobilität 782.6.1 Differenzierung des Mobilitätsbegriffs 782.6.2 Wanderungstypen 792.6.3 Maßzahlen der Wanderungsstatistik 822.6.4 Modell der Mobilitätstransformation 832.6.5 Wanderungsgründe oder -motive 842.6.6 Ansätze der Wanderungsforschung 85

2.7 Bevölkerungsprognose und demographischer Wandel 912.7.1 Bevölkerungsprognose 912.7.2 Demographischer Wandel in Deutschland: „weniger, älter und bunter“ 91

3 Einführung in die Wirtschaftsgeographie 95Forschungsansätze und Theorien,Analysen einzelner Wirtschaftssektoren

3.1 Wirtschaftsgeographische Forschungsansätze und Grundbegriffe 95

3.2 Wirtschaftssektoren 99

3.3 Idealtypen von Wirtschaftsordnungen und deren Abwandlungenin der Marktwirtschaft 103

3.4 Raumwirtschaftstheorien 1063.4.1 Raumwirtschaftstheorien im ersten Überblick 1063.4.2 Regionale Wachstums- und Entwicklungstheorien (Auswahl) 107

• Regionale Wachstumstheorie der Neoklassik (neoklassische Theorie) 107• Postkeynesianische Wachstumstheorie 107• Exportbasis-Theorie 108• Theorien der endogenen Entwicklung 108• Polarisationstheorien 109• Wirtschaftsstufentheorien 110• Sektor-Theorien 113• Stufentheorien seitens der Wirtschafts- und Sozialgeographie 113• Zentrum-Peripherie-Modell 114

INHALT

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• Produktzyklus- oder Produktlebenszyklus-Theorie 115• Theorie der „langen Wellen“ 116• Regulationstheorie: vom Fordismus zum Postfordismus 117

3.5 Einführung in die Agrargeographie 1213.5.1 Faktoren und Strukturmerkmale des Agrarraumes 121

• Agrargeographisches Wirkungsgefüge nach W.-D. SICK 121• Strukturmerkmale des Agrarraumes 124• Landwirtschaftliche Betriebssysteme 130• Regionale Darstellungen 131

3.5.2 Das VON THÜNENsche Modell als klassischer Theorieansatz zur Erklärung deswirtschaftlichen Verhaltens von Agrarbetrieben im Marktwirtschaftssystem 133

3.5.3 Das wirtschaftliche Verhalten von Agrarbetrieben in der Marktwirtschaft 141• Einfluss der Preis-Kosten-Entwicklung 141• Auswirkungen technischer Fortschritte 141• Einfluss der veränderten Nachfrage nach Agrarerzeugnissen 142

3.5.4 Außerbetriebliche Verflechtungen von Agrarbetrieben und Entwicklung neuerOrganisationsformen 143

3.5.5 Aktuelle ökologische Probleme der Agrarwirtschaft 146• Beispiel Desertifikation 146• Beispiel ökologischer Landbau oder biologische Landwirtschaft 147

3.6 Einführung in die Industriegeographie 1513.6.1 Grundlegende Begriffe 1513.6.2 Ansätze empirischer industriegeographischer Analyse 156

• Mikroanalytischer Ansatz 156• Makroanalytischer Ansatz (Industriestatistik, Maßzahlen und Indizes) 157

3.6.3 Industriegeographische Standorterklärungen 160• Die klassische Industriestandorttheorie von ALFRED WEBER 161• Kritik an der WEBERschen Theorie und der Bedeutungswandel klassischer Standortfaktoren 162• Empirische Bestimmung industrieller Standortfaktoren 172• Bedeutung „harter“ und „weicher“ Standortfaktoren 172

3.6.4 Ausgewählte jüngere Konzepte zur Erklärung des industriestrukturellen Wandels 175• Produktzyklus-Theorie 176• Modelle der Unternehmensorganisation und -expansion 178• Industriedistrikte und innovative bzw. kreative Milieus 181

3.7 Einführung in die Geographie des tertiären (und quartären) Wirtschafts-sektors und in die Zentralitätsforschung 1853.7.1 Grundlegende Definitionen 1853.7.2 Merkmale und Typisierung der funktionalen Zentrenausstattung am Beispiel

des Einzelhandels 1883.7.3 Standortbedingungen privatwirtschaftlicher Einrichtungen des tertiären

(und quartären) Sektors 1953.7.4 Theorie der Zentralen Orte nach W. CHRISTALLER (1933) und empirische Probleme

der Zentralitätsforschung 197• Ableitung der Zentrale-Orte-Theorie 197• Vergleich der Theorie der Zentralen Orte mit der empirischen Wirklichkeit 200• Methoden und Probleme der empirischen Erfassung zentralörtlicher Systeme 203

INHALT

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4 Einführung in die Verkehrsgeographie 207Aufgabenfelder, Differenzierung von Verkehrsnachfrage,Verkehrsangebot und -erschließung

4.1 Grundlegende Begriffe und Aufgabenfelder der Verkehrsgeographie 2074.1.1 Begriffdefinitionen 2074.1.2 Einordnung und Forschungsrichtungen der Verkehrsgeographie 209

4.2 Bedeutung und Differenzierung der Verkehrsnachfrage 2114.2.1 Verkehrsspannung und Verkehrsströme am Beispiel des Personenverkehrs 2114.2.2 Analyse des Verkehrsverhaltens am Beispiel des Naherholungsverkehrs 2154.2.3 Evaluierung der Verkehrsspannung, inbes. mit Hilfe des Gravitationsgesetzes 215

• Empirische Analysen 215• Anwendung des Gravitationsmodells 215

4.2.4 Regional und lokal differenzierte Verkehrsnachfragen 2174.2.5 Ökonomisch bestimmte Nachfrage nach Güterverkehrsleistungen 220

4.3 Bedeutung und Differenzierung des Verkehrsangebotes 2224.3.1 Merkmalsdifferenzierung anhand des öffentlichen Personennahverkehrs 2224.3.2 Darstellungsformen des Verkehrsangebotes 226

4.4 Verkehrserschließung sowie räumliche Wirkungen durch Verkehrswegeund -mittel 2304.4.1 Beispiel: Binneschifffahrt 230

• Entwicklung und Bedeutung der Binnenschifffahrt 230• Bedeutung des Rheins 232• „duisport“, der größte Binnenhafen der Welt 235• Das deutsche Kanalsystem 236• Aktuelle Entwicklungstendenzen der Binnenschiffahrt 238

4.4.2 Beispiel: Eisenbahn 240• Entwicklung des Eisenbahnwesens 240• Die Eisenbahn im Rahmen der Verkehrspolitik 243• Die Eisenbahn in anderen Staaten 247

4.4.3 Beispiel: Stadtbahn-Systeme im Rahmen der innerstädtischen Verkehrs-planung 247• Beispiel Rhein-Ruhr-Gebiet 247

4.4.4 Weitere Strategien zur Lösung innerstädtischer Verkehrsprobleme 250

5 Einführung in die Geographie ländlicher Siedlungen 253Ländlicher Raum, Typen und Verbreitung ländlicher Siedlungenund Fluren, Dorferneuerung

5.1 Grundlagen 2545.1.1 Einordnung der Geographie ländlicher Siedlungen 2545.1.2 Eigenschaften ländlicher Siedlungen, jüngere Prozesse der Dorfentwicklung

und Funktionen des ländlichen Raumes 255

INHALT

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5.2 Ländliche Siedlungen in Mitteleuropa: Entwicklung und Typisierungnach der Wohnplatzgestalt sowie Systematisierung wichtiger Flurformen 2575.2.1 Merkmale ländlicher Siedlungen 2575.2.2 Typisierung nach der Siedlungsgröße 2615.2.3 Typisierung der Siedlungsformen: regellose und regelhafte Grundformen mit ihrer

Genese und Verbreitung 261• Einzel- und Streusiedlungen 261• Regelhafte Grundformen 264• Das Modell der Siedlungsformentypen nach MARTIN BORN 272

5.2.4 Systematisierung wichtiger Flurformen 275

5.3 Haus- und Gehöftformen in ländlichen Siedlungen Mitteleuropas 276

5.4 Flurbereinigung und Dorferneuerung als Ordnungsaufgaben 2815.4.1 Flurbereinigung und Dorferneuerung im fachübergreifenden Kontext 2815.4.2 Flurbereinigung: Entwicklung, Veränderungen der Leitbilder sowie gegenwärtige

Ziele und Maßnahmen 2825.4.3 Dorferneuerung: Entwicklung, Voraussetzungen und Ziele 288

6 Einführung in die Stadtgeographie 297Stadtforschung, Verstädterung und Agglomerationsräume, Städte-systeme und Städtetypen, Modelle und Theorien der Stadtentwicklung

6.1 Stadtgeographie im Rahmen interdisziplinärer Stadtforschung 2976.1.1 Stadtgeographie und Stadtforschung 2976.1.2 Forschungsrichtungen der Allgemeinen Stadtgeographie 298

• Morphogenetische Stadtgeographie 298• Funktionale Stadtgeographie 298• Zentralitätsforschung 302• Städtesystemforschung 302• Kulturgenetische Stadtgeographie 302• Sozialgeographische Stadtforschung 303• Quantitative (und theoretische) Stadtgeographie 303• Verhaltens- und handlungsorientierte Stadtgeographie 305• Angewandte Stadtgeographie 305

6.1.3 Räumliche Bezugssysteme und Raum-Zeit-Bezüge 305

6.2 Stadtbegriffe und Dimensionen der Verstädterung/Urbanisierung 3066.2.1 Der mehrdimensionale Stadtbegriff 306

• Der umgangssprachliche Stadtbegriff 306• Der statistisch-administrative Stadtbegriff 306• Der historisch-juristische Stadtbegriff 306• Der soziologische Stadtbegriff 307• Andere nicht-geographische Stadtbegriffe 307• Der geographische Stadtbegriff 307

6.2.2 Stadtgrößenklassen 3076.2.3 Verstädterung oder Urbanisierung 308

• Demographische Verstädterung 310• Verstädterung als Städteverdichtung 313• Physiognomische Verstädterung 314

INHALT

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• „Counterurbanization“ 317• Soziale Verstädterung 317• Funktionale Verstädterung 318

6.3 Analyse städtischer Agglomerations- oder Verdichtungsräume 3206.3.1 Analyse von Agglomerationsräumen 320

• (Städtische) Agglomeration 320• Phasenmodell von Agglomerationsräumen nach WOLF GAEBE 320

6.3.2 Verdichtungsraumkategorien in der Bundesrepublik Deutschland 320• Ballungsgebiete 320• Stadtregionen 322• Verdichtungsräume 323• Siedlungsstrukturelle Gebietstypen 323• Grundtypen der Raumstruktur nach Bevölkerungsdichte und Zentrenerreichbarkeit 326• Europäische Metropolregionen 327

6.4 Städtetypen und Städtesysteme 3296.4.1 Städtetypen 329

• Lagetypen von Städten 329• Regionale Stadttypen 329• Funktionale Stadttypen 329• Historische oder historisch-genetische Stadttypen (Auswahl) 330• Kulturraumspezifische Stadttypen 335

6.4.2 Städtesysteme und Städtenetze 335• Städtesysteme: Systembeziehungen und Systemelemente 335• Stadtgrößen-Rangfolgen und Polarisationsgrad von Städtesystemen 336• Städtenetze 338

6.5 Modelle und Theorien der Stadtentwicklung 3396.5.1 Klassische sozialökologische Stadtmodelle 339

• Ringmodell der Stadtentwicklung von E. W. BURGESS 339• Sektorenmodell von H. HOYT 341• Mehrkernemodell von C. D. HARRIS und E. L. ULLMAN 342• Modell der vertikalen und horizontalen Nutzungsdifferenzierung nach H. CARTER 343

6.5.2 Neue Modelle der Stadtstruktur und -entwicklung in ausgewählten Kulturerdteilen 343• Das Kulturerdteilkonzept 343• Die US-amerikanische Stadt 344• Die lateinamerikanische Stadt 350• Die Stadt des islamischen Orients 358

6.6 Stadtentwicklung zwischen Globalisierung, Fragmentierungund Postmoderne 363

Literatur 369

Sachregister 395

INHALT

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Vorwort

Vorwort zur 1. Aufl. 2003 (Auszüge)Das Ziel des vorliegenden Bandes ist die Ver-mittlung eines einführenden Grundlagenwissensin Bezug auf wichtige Aufgaben- und For-schungsbereiche der Anthropogeographie. Dabeigeht es vor allem um wesentliche Inhalte, Begrif-fe, thematische Zusammenhänge, Veranschau-lichungen und Anwendungsbeispiele, die insbe-sondere Studienanfängern den Einstieg in dasbreite Feld der Anthropogeographie erleichternsollen. Dies ist jedoch leichter gesagt als getan:Denn die Anthropogeographie - häufig auchHumangeographie oder Geographie des Men-schen genannt - als einer der beiden Hauptzwei-ge der sog. Allgemeinen oder Thematischen Geo-graphie gliedert sich heute ihrerseits in eine Viel-zahl von Teildisziplinen bzw. Forschungsteilgebie-ten; für diese existiert jeweils ein sehr umfangrei-ches Schrifttum einschließlich zahlreicher Lehr-buchdarstellungen. Der vorliegende Band (...) sollund kann derartige, meist auf einzelne Teildiszi-plinen ausgerichtete weiterführende Lehrbüchernicht ersetzen.

Aber gerade wegen der differenzierten Wissen-schaftsentfaltung innerhalb der Anthropo-/Human-geographie ist ein gewisser Gesamtüberblick inden ersten Studiensemestern an Hochschulenbzw. Universitäten vonnöten. Denn in dieser Stu-dienphase ist die Orientierung innerhalb des ge-samten Fachgebietes erfahrungsgemäß ein be-sonderes Problem.

Aber trotz des Zieles eines orientierendenGesamtüberblicks über das Gebiet der Anthro-po- bzw. Humangeographie müssen bestimmteinhaltliche Schwerpunkte gesetzt werden:

Das Kapitel 1 „Die Anthropogeographie/Humangeographie im System der Geographie“widmet sich vor allem der Entwicklung der Plurali-tät wichtiger Forschungsrichtungen und Fach-konzeptionen innerhalb der Anthropo- bzw. Hu-mangeographie; d. h., es sollen insbesondereunterschiedliche Gliederungsversuche und diewissenschaftsgeschichtliche Entwicklung sowiedie Ziele einzelner Forschungsansätze zusam-menfassend behandelt werden. Es zeigt sich,dass die wissenschaftstheoretischen Auffassun-gen und damit auch die vielfältigen Forschungs-aktivitäten bzw. -konzeptionen der heutigen An-

thropo- oder Humangeographie durch verschie-denste Phasen der Wissenschaftsentfaltung ge-prägt wurden und damit ohne die Kenntnis die-ser Epochen nicht verständlich sind. DieHerausarbeitung dieser Entwicklungsphasen derAnthropo-/Humangeographie macht den Haupt-schwerpunkt des Kapitels 1 aus.

Das Kapitel 2 zur „Einführung in die Be-völkerungsgeographie“ gibt einen knappenÜberblick über wesentliche Fragestellungen undgrundlegende Begriffe (...).

Das Kapitel 3 hat eine „Einführung in dieWirtschaftsgeographie und Zentralitätsfor-schung“ zum Inhalt. Schwerpunktmäßig werdenbehandelt: klassische und neuere Standorttheo-rien, Grundbegriffe und Entwicklungstendenzender Agrarwirtschaft, der Industrie und des tertiä-ren Wirtschaftssektors, darunter insbesondereauch eine Einführung in die Theorie der Zentra-len Orte.

Da dem Verkehr innerhalb der Geographie einimmer größerer Stellenwert zukommt, ist das fol-gende Kapitel 4 „Einführung in die Verkehrs-geographie“ ebenfalls von besonderer Bedeu-tung. Berücksichtigt werden nicht nur grundlegen-de Begriffe, sondern vor allem auch die Differen-zierung der Verkehrsnachfrage und des Ver-kehrsangebotes mit ihren jeweiligen räumlichenZusammenhängen.

Es folgt das Kapitel 5 „Einführung in dieGeographie ländlicher Siedlungen“. Darin ste-hen die Eigenschaften, Typisierung und Erneue-rungen ländlicher Siedlungen in Mitteleuropa imMittelpunkt.

Kapitel 6 beinhaltet eine inhaltlich konzen-trierte „Einführung in die Stadtgeographie“.Auch dieses Kapitel beschränkt sich auf grund-legende Forschungsansätze, Begriffe und thema-tische Zusammenhänge (...). Wegen des sehrumfangreichen Schrifttums in dieser wichtigenTeildisziplin kann ein einführender Gesamtüber-blick für Studienanfänger hilfreich sein. Ein Teil-bereich, nämlich die Zentralitätsforschung, diehäufig auch im Rahmen der Stadtgeographie be-handelt wird, ist bereits Gegenstand des drittenHauptkapitels.

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12 VORWORT

Für inhaltliche Vertiefungen und Ergänzungendes Lehrbuchs wurden am Ende eines jeden Ka-pitels zahlreiche (häufig alternative), jeweils the-matisch gruppierte bibliographische Kurzhinweisein einem „Kasten“ zusammengestellt. Die genau-en, alphabetisch angeordneten bibliographischenAngaben finden sich im Literaturverzeichnis (...).Die Literaturkästen ermöglichen es häufig auch,innerhalb der jeweiligen Kapitel auf Quellen- oderLiteraturhinweise zu verzichten: das Lesen und„Lernen“ des laufenden Textes wird daher nichtmit zahlreichen bibliographischen Hinweisen „be-lastet“; die Literaturbelege im Text beziehen sichi. Allg. lediglich auf wörtliche Zitate oder genaue-re sachliche Anlehnungen.

Das anschließende Sachregister am Ende desBandes (...) ist bewusst recht differenziert konzi-piert, um dem Leser ein genaues Auffinden vonBegriffen zu ermöglichen.

Die Erstellung dieses Lehrbuches wäre nichtmöglich gewesen ohne die langjährige eigenewissenschaftliche Beschäftigung mit einzelnenTeildisziplinen der Anthropogeographie; so basiertdieses Lehrbuch u. a. auf Ausarbeitungen einervierstündigen Vorlesung "Einführung in die An-thropogeographie", die der Verfasser insgesamtzehn Mal am Institut für Geographie der Westfä-lischen Wilhelms-Universität in Münster gehal-ten hat.

Aufgrund der vielfältigen Anregungen durch ge-meinsame Forschungsarbeiten und fachliche Dis-kussionen mit Kolleginnen und Kollegen, mit stu-dentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern so-wie nicht zuletzt auch mit Studentinnen und Stu-denten in Seminaren ist es für mich schier un-möglich, all denen persönlich zu danken, derenAnregungen und Mitarbeit sich in irgendeinerForm in diesem Lehrbuch niedergeschlagen ha-ben (...).

Ich freue mich, wenn dieses neue Lehrbuchzur Anthropo- bzw. Humangeographie in derFachwelt und insbesondere bei den Studieren-den, für die es in erster Linie geschrieben ist, einefreundliche Aufnahme findet. Für Verbesserungs-vorschläge bin ich jederzeit aufgeschlossen undbesonders dankbar (...).

Ich widme dieses Buch in großer Dankbarkeitmeiner lieben Frau Barbara, ohne deren vielfälti-ge Unterstützung und Verständnis dieses Lehr-buch nicht zustande gekommen wäre.Münster, im Juli 2003 Heinz Heineberg

Vorwort zur 2. Aufl. 2004Es freut den Autor, dass nach so kurzer Zeit seitErscheinen des Lehrbuches eine 2. Auflage er-forderlich wurde. Das Konzept des Buches bliebunverändert. Es wurden einige (vor allem neue)grundlegende Literaturquellen berücksichtigt so-wie „Druckfehlerteufelchen“ korrigiert. Für Anre-gungen bzw. Zuschriften mit (kleinen) Verbesse-rungsvorschlägen - insbesondere auch von Stu-dierenden - bin ich sehr dankbar. Ich freue michauch über neue Hinweise, denn der Autor möch-te an dem Lehrbuch weiter „feilen“.Münster, im Juli 2004 Heinz Heineberg

Vorwort zur 3. Aufl. 2006Für die 3. Aufl. wurde an dem inhaltlichen Grund-gerüst und der didaktischen Konzeption festge-halten. Der Umfang wurde zwar nur durch weni-ge Seiten erweitert, allerdings wurden in denmeisten Kapiteln zahlreiche Abschnitte aktuali-siert oder auch neue Unterkapitel eingefügt. Diesgilt z. B. für die Berücksichtigung des jüngerenfachwissenschaftlichen Diskurses zu einer neu-en Kulturgeographie in Kap. 1, zum demographi-schen Wandel als eines der wichtigen Themenin den aktuellen Bevölkerungsdebatten in Kap.2, für inhaltliche Ergänzungen zur Stadtentwick-lung in ausgewählten Kulturerdteilen oder etwadie noch stärkere Berücksichtigung von Globali-sierung und postmoderner Stadtentwicklung inKap. 6. Die Literatur wurde in allen Literaturkäs-ten sowie auch im Gesamtliteraturverzeichnis ak-tualisiert bzw. teilweise ausgetauscht. Die karto-graphische Medienausstattung wurde noch wei-ter optimiert und aktualisiert, wofür ich Frau Hei-ke Benecke, Frau Birgit Schulze Roberg und FrauMelanie Unger sehr dankbar bin. Auch sonst hatder Autor Wert darauf gelegt, das Lehrbuch nochanschaulicher zu gestalten (z. B. durch neueFotos in Kap. 6).

Mein besonderer Dank gilt wiederum dem Ver-lag Ferdinand Schöningh GmbH, Paderborn, mitseiner Redaktion Wissenschaft - vor allem HerrnDr. Diethard Sawicki - für die gewährte Freizü-gigkeit und die sehr kooperative Unterstützungbei der Vorbereitung dieses Buches.

Ich bin auch weiterhin für nützliche Anregun-gen zur Verbesserung des Lehrbuchs sehr dank-bar (unter [email protected])Münster, im Oktober 2006 Heinz Heineberg

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1 Anthropogeographie/Humangeographieim System der GeographieAufgaben, Teildisziplinen, Hauptentwicklungsphasen

1.1 Aufgaben und Stellungder Anthropogeographie/Humangeographie

Beginnen wir mit dem oft zitierten Beispiel„Strandleben“ von P. HAGGETT (19912); s.Abbn. 1.1 und 1.2 sowie Kasten 1.1. Da-nach beschäftigt sich die Geographie mit• thematischen Sachverhalten (z. B. miterholungssuchenden Menschen),• deren Verbreitung (Erholungssuchende mit

ihrer räumlichen Verteilung am Strand),• ihren Raumbeziehungen oder Verflechtun-gen (beispielsweise Menschen am Strand,die in der benachbarten Stadt wohnen undarbeiten),• ihren zeitlichen oder prozessualen Verän-derungen (u. a. räumliche Diffusion desStrandlebens im Tagesverlauf) sowie• ihren Umweltbezügen bzw. -auswirkungen(Mensch-Umwelt-Verhältnis, beispielswei-se die Bevorzugung bestimmter Strand-räume mit besonderen Umweltqualitäten).

Abb. 1.1 Belebter Strand ("Strandleben"). Schrägluftbild eines Strandes in Neuengland/USAAus: P. Haggett 19912, Abb. 1-1

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1 ANTHROPOGEOGRAPHIE/HUMANGEOGRAPHIE IM SYSTEM DER GEOGRAPHIE14

Daraus lässt sich eine (erste) Arbeitsde-finition für die geographische Betrach-tungsweise ableiten: Erkenntnisobjekteder Geographie sind thematische Sach-verhalte in ihrer räumlich-zeitlichen Dimen-sion hinsichtlich ihrer Verbreitungen, Ver-flechtungen, prozessualen Veränderungenund ihrer materiell-immateriellen Wechsel-wirkungen. Eine ähnliche, kürzere Definiti-on ist: Erkenntnisobjekte der Geographiesind die Geofaktoren (Erscheinungen/Sach-verhalte) und die Räume, in denen sie in

Wechselbeziehungen treten, und zwar inzeitlicher Dimensionierung. Daraus kanneine Arbeitsdefinition für die Anthropo-geographie/Humangeographie durch denZusatz „... anthropogen bedingte bzw. be-stimmte thematische Sachverhalte...“ (ersteDefinition) oder durch die Ergänzung „...an-thropogen bedingten bzw. bestimmtenGeofaktoren...“ (zweite Definition) abge-leitet werdeb; vgl. auch die ähnliche, aller-dings mit dem Kulturlandschaftsbegriff ver-bundene Definition der Anthropogeographie

Kasten 1.1Geographische Betrachtungsweisen - das Beispiel „Der belebte Strand“nach P. HAGGETT 19912, erläutert von W. SCHLEGEL (19932, S. 2f.) (vgl. Abbn. 1.1 und 1.2):

„Beide Strandbilder sind vom Hubschrauber aus aufgenommen, allerdings mit unterschiedlicherOptik ... (vgl. P. HAGGETT 19912, S. 31, 34). Sie zeigen viele Menschen am Strand, teils eng beisam-men, teils weiter gestreut, teils einzeln, teils in gegenseitigem Kontakt, im Gespräch, im Spiel usw.Man sieht die Brandung, Sand, im Hintergrund Steilküste, Häuser einer Stadt usw. Es ergebensich folgende Assoziationen: Urlaub bzw. Freizeit, beschränkter Erholungsraum nahe der Stadt;Menschen ordnen sich in verschiedener Weise zu Kleingruppen. Es zeigen sich zwei Grundbedürf-nisse des Menschen:1. Gruppenbildung, Versammlung bzw. Absonderung, Isolierung;2. Erholung.

Der Strand weist von Natur aus verschiedene Zonen auf, die von den Erholungssuchenden inunterschiedlicher Weise genutzt werden. Es gibt eine weitgehend gemiedene Zone nahe der Ein-mündung eines Baches (vermutlich Abwasser, Verschmutzung). Der Strand wird mit der Stadtdurch eine breite Promenadenstraße verbunden. Auf ihr ist viel Verkehr, am Rande aber auchParkplätze. Daraus lassen sich weitere Grundbedürfnisse des Menschen ableiten: 3. Wohnen und4. Arbeiten. Diese Bedürfnisse bzw. Funktionen werden mit der Funktion Erholung durch 5. Ver-kehr verbunden. Verkehr überbrückt die räumliche Distanz zwischen Orten von Funktionen. JedeFunktion hat ihren Ort. Sie ist „verortet“. Dabei wird jede Funktion eines Ortes bestimmt entwederdurch seine natürliche Eignung, die vom Menschen erkannt werden muß, vor allem aber vommenschlichen Willen, seinen Wünschen, unterschiedlicher Betrachtungsweise und Bewertung(...)“. „So läßt sich erklären, daß der Strand für verschiedene Wissenschaften ein auf verschiede-ne Art und Weise verwendetes Forschungsobjekt wird:- der Soziologe untersucht die Gruppierungen der Menschen, ihre Interaktionen und ihre Hinter-gründe,- der Geologe/Mineraloge analysiert die Sandkörner nach ihrer stofflichen Zusammensetzung,Herkunft, Korngröße und Form, Anordnung am Strand usw.,- der Physiker/Techniker interessiert sich für Strömungen des Wassers usw.,- der Geograph wird zunächst einmal kartieren, wo sich Menschen aufhalten, bewegen, was sietun, in welchem Bezug dies zu den natürlichen Raumeigenschaften steht (Standort!). Er wird diesin verschiedenen Maßstäben tun (Tele- oder Weitwinkel-Betrachtung); er wird weiter versuchen,räumliche Muster im natürlichen Bereich, ebenso aber auch bei Menschen (Aufenthalt, dessenVeränderung, Wechsel, Interdependenzen usw.), evtl. auch in Abhängigkeit von der räumlich ver-schiedenen Strandqualität zu erkennen (Verhältnis Mensch/Umwelt). Er wird schließlich auch zueiner kleinräumigen, aber inhaltlich bedingten Regionalisierung des Strandes gelangen, die Grund-lage ist für das weitere Studium von Veränderungen in der Zeit“.

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in Kasten 1.2. Zum Verständnis der Stellung der An-

thropogeographie oder Humangeographieim traditionellen System der Geographie istvon Bedeutung, dass zwei verschiedene,sich jedoch einander ergänzende Haupt-untersuchungsgegenstände oder -ansätzezu unterscheiden sind. Der erste Ansatz be-zieht sich darauf, ob stärker einzelne Geo-faktoren (oder thematische Sachverhal-te) in ihrer räumlich-zeitlichen Dimensionmit der Erkenntnis von Regelhaftigkeitenihrer Verbreitungen, Verflechtungen etc. imVordergrund der Betrachtung stehen (vgl.Abb. 1.3). In diesem Falle spricht man vonAllgemeiner Geographie oder Geofakto-renlehre. Traditionsgemäß ist die Anthro-pogeographie/Humangeographie nebender sog. Physischen Geographie eines derbeiden Hauptgebiete der sog. AllgemeinenGeographie. Bilden jedoch vor allem ein-zelne (individuelle) Räume oder Raum-einheiten - etwa Länder, Regionen, Stadt-teile etc. - mit ihren zumeist unterschiedli-

chen Geofaktoren den Hauptgegenstand derBetrachtung, so spricht man vom länder-kundlichen oder regionalgeographischenAnsatz. In Deutschland setzt sich - entspre-chend dem internationalen Sprachgebrauch- anstelle von Länderkunde mehr und mehrdie Bezeichnung Regionale Geographiedurch (vgl. z. B. Regional Geography).

Eine Unterscheidung zwischen den Ar-beitsrichtungen der Allgemeinen oder The-matischen Geographie (bzw. Anthropogeo-graphie/Humangeographie) und der Re-

Abb. 1.2 Belebter Strand. Teleaufnahme eines Strandes in Neuengland (USA).Aus: P. Haggett 19912, Abb. 1-6

1.1 AUFGABEN UND STELLUNG DER ANTHROPOGEOGRAPHIE/HUMANGEOGRAPHIE

Kasten 1.2Definition der Anthropogeographienach H. LESER

„Anthropogeographie: derjenige Teilbereich derAllgemeinen Geographie, der sich mit derRaumwirksamkeit des Menschen und mit dervon ihm gestalteten Kulturlandschaft und ih-ren Elementen in ihrer räumlichen Differenzie-rung und Entwicklung befaßt. Vielfach wird A.synonym mit Kulturgeographie oder Geogra-phie des Menschen, gelegentlich auch mit So-zialgeographie, verwendet“ (H. LESER 200112,S. 37-38).

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1 ANTHROPOGEOGRAPHIE/HUMANGEOGRAPHIE IM SYSTEM DER GEOGRAPHIE16

gionalen Geographie ergibt sich somit durchdie verschiedenen Zielsetzungen: Währenddie Allgemeine Geographie stärker nachRegelhaftigkeiten oder Gesetzmäßigkeitenstrebt, d. h. nomothetisch ausgerichtet ist(nach griech. nómos = Gesetz, Ordnung;thetikós = bestimmend), ist die RegionaleGeographie meist auf die spezifischen,inviduellen räumlichen Sachverhalte orien-tiert, d. h. idiographisch (griech. ídios = ei-genartig, spezifisch) angelegt. Allerdings be-stehen zwischen beiden Betrachtungsrich-

tungen auch Übergänge, z. B. in der sog.Thematischen regionalen Geographie.

In der traditionellen Auffassung vom Sys-tem bzw. Organisationsplan der Geographieexistiert nun die Vorstellung von einer hier-archischen Anordnung in der Form, dass All-gemeine Geographie und Länderkunde (Re-gionale Geographie) übereinander ange-ordnet sind (vgl. z. B. H. BOBEK 1957, Tab.3, H. UHLIG 1970, Fig. 4). Demgegenüberlässt sich auch die Meinung vertreten, dass- wie es in Abb. 1.3 angedeutet ist - all-

Abb. 1.3 Unterschiede und Beziehungen zwischen Allgemeiner und RegionalerGeographie

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gemein-geographisches und regional-bezo-genes Arbeiten gleichberechtigt nebenein-ander stehen; zwischen beiden Betrachtungs-weisen gibt es unterschiedlichste wechsel-seitige inhaltliche Beziehungen (Interrela-tionen), wobei meist eine größere Integra-tion der Geofaktoren in Richtung derRegionalen Geographie vorhanden ist.

E. WIRTH (1979, Fig. 2) verdeutlicht indem „Versuch einer Gliederung der Geogra-phischen Wissenschaft“ das „Nebeneinan-der“ von Länderkunde, Allgemeiner Geogra-phie und sog. Theoretischer Geographie; dieAllgemeine Geographie unterteilt der Autorin Physische Geographie und Kulturgeogra-phie (anstelle von Anthropogeographie bzw.Humangeographie).

Um es vorweg zu sagen: Ein logisch konsis-tentes Gliederungssystem der Anthropo-oder Humangeographie als eine der geogra-phischen Hauptdisziplinen, das sowohl tra-ditionelle als auch alle neueren Forschungs-richtungen miteinander verbindet, bestehtbislang noch nicht und wird auch wohl kaumzu erstellen sein. So gibt es z. B. neuereForschungsgebiete, die sich großenteilsschon zu eigenen Teildisziplinen entwickelthaben; diese durchkreuzen häufig quasi dia-gonal ältere Teildisziplinen (s. 1.2.2 undAbb. 1.4).

Traditionsgemäß wird die Anthropogeo-graphie/Humangeographie im deutschenSprachraum aufgeteilt in die sog. PhysischeAnthropogeographie (vgl. 1.2.1) und die sog.Kulturgeographie (vgl. 1.2.2).

1.2.1 Die Physische Anthropogeographiestellt ein Bindeglied zwischen den physisch-und anthropogeographischen Teilgebieten

dar (K. PAFFEN 1959); sie hat leider in derjüngeren wissenschaftlichen Entwicklung(zumindest in Deutschland) relativ wenigBeachtung gefunden. Aufgabe der Physi-schen Anthropogeographie ist die Behand-lung der physischen und biotischen Aspek-te des Menschen und seiner Beziehungen zurnatürlichen Umwelt. Dazu zählen insbeson-dere die ökologischen Verhältnisse imMensch-Umwelt-System, die von der Phy-sischen Anthropogeographie in Kooperati-on mit anderen Wissenschaftsdisziplinen,z. B. der Anthropologie, Biologie, Geoöko-logie oder der Soziologie, bearbeitet wer-den. Das betrifft beispielsweise die Proble-me des Bevölkerungswachstums im Zusam-menhang mit der Welternährung oder ein-fach: Probleme der Tragfähigkeit der Erdebzw. der „Grenzen des Wachstums“. DieProblematik der Überbevölkerung in Rela-tion zur Ernährungskapazität wurde im Lau-fe der Wissenschaftsentwicklung teilweisesehr unterschiedlich bewertet. Während frü-her beispielsweise die landwirtschaftlicheund damit auch demographische Tragfähig-keit der Tropen stark überschätzt wurde, ha-ben demgegenüber jüngere Forschungeneine ökologische Benachteiligung tropischerRäume ermittelt (vgl. W. WEISCHET 1977).

Andere Themen der Physischen Anthro-pogeographie sind u. a.: Verbrauch und Ver-knappung von Rohstoffen, Energiever-brauch, zunehmende Umweltverschmutzungund Zerstörung ökologischer Systeme, An-passung des Menschen an bzw. Bewertungvon Naturrisiken, Probleme der Akklimati-sierung oder die rassische Differenzierungauf der Erde.

Mit diesen und anderen Mensch-Umwelt-Beziehungen beschäftigt sich auch die in-terdisziplinäre Humanökologie (HumanEcology) (D. STEINER/B. WISNER 1986, P.MEUSBURGER/T. SCHWAN 2003). Diese hatstarke inhaltliche Verflechtungen mit der

1. 2 Teildisziplinen derAnthropogeographie/Humangeographie

1.2 TEILDISZIPLINEN DER ANTHROPOGEOGRAPHIE/HUMANGEOGRAPHIE

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1 ANTHROPOGEOGRAPHIE/HUMANGEOGRAPHIE IM SYSTEM DER GEOGRAPHIE18

Geographie, daher auch die BezeichnungGeographische Humanökologie.

Im Zusammenhang mit der PhysischenAnthropogeographie ist auch ein Teilgebietder Geographie zu sehen, das sich (wie dieHumökologie) ebenfalls im englischsprachi-gen Raum stärker entwickelt hat, nämlichdie „Medical Geography“, die Medizini-sche Geographie, häufig auch Geomedizingenannt (vgl. T. KISTEMANN/H. LEISCH/J.SCHWEIKART 1997). Zu deren Untersu-chungsaspekten zählen die räumlichenVerbreitungen von Krankheiten und ihre Zu-sammenhänge mit sozioökonomischenStrukturmerkmalen bzw. Umwelteinflüssen.

Die rassische Differenzierung der Völkerder Erde wird auch unter dem Etikett einersog. Geographischen Anthropologie be-handelt (vgl. H. HAMBLOCH 1983).

1.2.2 'Klassische' und neuere Teildis-ziplinen der Kulturgeographie (vgl. Abb.1.4). Das Schwergewicht der Anthropogeo-graphie macht im traditionellen System diesog. Kulturgeographie aus (vgl. auch E.WIRTH 1979, Abb. 3). Diese ließ sich in derfrüheren Wissenschaftsentwicklung - vordem Ausbau einer thematisch sehr starkübergreifenden Sozialgeographie (s. unter1.3.5) - zunächst einmal aufgliedern in dieHauptzweige Bevölkerungsgeographie,Wirtschaftsgeographie (mit verschiedenenUntergliederungen), Verkehrsgeographie,Siedlungsgeographie (Geographie ländli-cher Siedlungen und Stadtgeographie), Po-litische Geographie und Historische Geogra-phie. Davon werden die vier erstgenanntenin dieser „Einführung in die Anthro-pogeographie/Humangeographie“ in eige-nen Kapiteln ausführlicher behandelt. ImFolgenden sollen die Aufgaben bzw. The-menfelder derjenigen „klassischen“ und(ausgewählten) neueren Teildisziplinen cha-rakterisiert werden, die in diesem Einfüh-

rungsband nicht oder nur randlich berück-sichtigt werden.

Die Politische Geographie beschäftigtsich mit den vielfältigen Wechselbeziehun-gen zwischen dem politisch handelndenMenschen und seiner räumlichen Umwelt(U. ANTE 1981, S. 7). Die Themenfelder die-ser Teildisziplin, die teilweise auch in einemZusammenhang mit der wissenschaftlichverwandten Geopolitik stehen, sind sehrvielfältig. Dazu zählen die politischen Gren-zen mit ihren Funktionen und Wirkungen,die politischen Prozesse im Innern bestimm-ter Räume (z. B. Wahlen, Minderheitenpro-bleme, Regionalismus), politische Konflik-te um ökologische Ressourcen (z. B. Was-ser) oder etwa um territoriale Kontrolle,Macht und Grenzen, Globalisierung undneue internationale Beziehungen, regionaleKonflikte und neue soziale Bewegungen(z. B. in Entwicklungsländern) etc. (vgl.auch P. REUBER 2000, 2002, P. REUBER/G. WOLKERSDORFER 2001a).

Die Historische Geographie durchkreuztmit ihrer Analyse der vielfältigen histori-schen Zustände, Prozesse menschlicher Ak-tivitäten und deren Auswirkungen im Raumzu einer beliebigen Zeit in der Vergangen-heit (W. SCHENK 2005, S. 216) quasi sämtli-che Teildisziplinen der Anthropo- bzw.Humangeographie. So lassen sich auch ver-schiedene „klassische“ Teildisziplinen be-nennen, z. B. die Historische Stadtgeo-graphie oder die Historische Wirtschafts-und Sozialgeographie. Es ist leicht verständ-lich, dass die Historische Geographie in viel-fältiger Wechselwirkung mit Teildisziplinender Geschichte, z. B. der Städtegeschichte,Wirtschafts- und Sozialgeschichte oder derZeitgeschichte, steht.

In einem engen inhaltlichen Zusammen-hang mit der Historischen Geographie stehtdie Genetische Kulturlandschaftsfor-schung, die nach W. SCHENK (2005, S. 216)

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„die Erklärung gegenwärtiger räumlicherStrukturen und Prozesse aus der Vergangen-heit heraus“ zum Ziel hat. „Sie geht dabeinur so weit in die Geschichte zurück, alsnoch Bezüge zur Gegenwart bestehen“(ebd.). Ein wichtiger Zweig dieser For-schungsrichtung ist traditionsgemäß die Ge-netische Siedlungsforschung, die in den Ka-piteln 5 und 6 dieses Lehrbuchs Berücksich-tigung findet. Um die Umsetzung der Be-funde der Historischen Geographie und Ge-netischen Kulturlandschaftsforschung, ins-besondere in Planung und Umwelter-ziehung, bemüht sich die Angewandte Hi-storische Geographie. „Steht die erhaltende

Weiterentwicklung des historischen Erbes inunseren Landschaften im Mittelpunkt,spricht man von Kulturlandschaftspflege“(ebd., S. 217; vgl. dazu W. SCHENK/K. FEHN/D. DENECKE 1997).

Die folgenden ausgewählten 'neueren'Teilgebiete der Kulturgeographie haben sicherst nach dem Zweiten Weltkrieg, teilweisesogar erst in den letzten zwei bis drei Jahr-zehnten entwickelt. Sie lassen sich häufigden o. g. traditionellen Teildisziplinen nichteindeutig zuordnen; von einigen Autorenwerden sie der Sozialgeographie (s. 1.3.5)zugerechnet. Dazu zählt z. B. die Wan-derungs- oder Migrationsforschung; die-

1.2 TEILDISZIPLINEN DER ANTHROPOGEOGRAPHIE/HUMANGEOGRAPHIE

'Neuere', sich z. T. überschneidendeTeildisziplinen/Forschungsansätze (Auswahl)

'Klassische'Teildisziplinen

Physische Anthropo-geographie

Geogr. HumanökologieMedizinische GeographieGeogr. Anthropologie

BevölkerungsgeographieSozialgeographieGeogr. MobilitätsforschungReligionsgeographieBildungsgeographieGeogr. d. Freizeitverhaltens u. d. TourismusGeogr. Verhaltensforschung/Wahrnehmungsgeogr.Humanistische GeographieGeogr. Innovations- u. Diffusionsforschung

Wirtschaftsgeographiemit Agrargeographie

Industriegeographie Geogr. d. Welthandels

Geogr. GlobalisierungsforschungArbeitsmarktgeographieGeogr. d. FischereiwirtschaftGeogr. d. Wald- u. ForstwirtschaftGeogr. d. EnergiewirtschaftGeogr. d. tertiären WirtschaftssektorsZentralitätsforschung

VerkehrsgeographieSiedlungsgeographiemit Geographie ländlicher Siedlungen

Stadtgeographie/Geographische StadtforschungStädtesystemforschung

Politische GeographieHistorische Geographie/Genetische KulturraumforschungKulturgeographie/„Neue“ Kulturgeographie

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Abb. 1.4 „Klassische“ und „neuere“ Teildisziplinen/Forschungsansätze derAnthropogeographie/Humangeographie

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1 ANTHROPOGEOGRAPHIE/HUMANGEOGRAPHIE IM SYSTEM DER GEOGRAPHIE20

ser bereits interdisziplinär entwickelte For-schungsbereich, an dem sich außer Geogra-phen vor allem auch Soziologen, Bevölke-rungswissenschaftler, Historiker etc. betei-ligen, bildet insbesondere einen Schwer-punkt innerhalb der Bevölkerungsgeo-graphie (s. 2.6 in diesem Band). Eine häu-fig benutzte, jedoch übergeordnete Bezeich-nung ist Mobilitätsforschung bzw. - ausder Perspektive der Geographie - Räumli-che, Regionale oder GeographischeMobilitätsforschung (vgl. P. WEBER 1982;s. auch Kasten 1.3).

Die Religionsgeographie ist zwar bereitsvor dem Zweiten Weltkrieg von einigen Geo-graphen in Ansätzen entwickelt worden; einerster Versuch einer systematischen Grund-legung dieser Teildisziplin wurde jedoch erstvon P. FICKELER (1947) vorgelegt. Zu denUntersuchungsgegenständen zählen u. a. dieWirkungen der Religion auf die Kulturland-schaft, die räumliche Struktur religiöser Sys-teme und Zentrenbildung, religiöse Aus-breitungs-, Verlagerungs- und Interaktions-prozesse oder auch die vielfältigen Auswir-kungen religiöser Konflikte; vgl. die Lehr-buchdarstellungen von G. RINSCHEDE 1999und 20052, letztere mit Zusammenfassungder Religionsgeographie und sog. Ideologie-geographie zu einer Geographie der Gei-steshaltung (ebd. 20052, Abb. 4.2), sowiezur neueren Entwicklung der Religionsgeo-graphie R. HENKEL 2004.

Noch jünger ist die Entwicklung einerGeographie des Bildungswesens und Bil-dungsverhaltens, die von R. GEIPEL (1968)in einem wichtigen Grundsatzbeitrag Geo-graphie des Bildungswesens, in dem jün-geren, sehr umfassenden Lehrbuch von P.MEUSBURGER (1998) einfacher Bildungs-geographie oder auch Geographie desBildungs- und Qualifikationswesens ge-nannt wurde. Untersuchungsaspekte dieserTeildisziplin, die u. a. auch wichtige Verbin-

dungen zur Bildungsplanung aufweist, sindbeispielsweise die Analyse der räumlichenVerteilung (sozial-)gruppenspezifisch unter-schiedlichen Bildungsverhaltens, Grundla-genuntersuchungen zur Schul- oder Univer-sitätsstandortplanung sowie die Beziehun-gen zwischen Hochschul- und Stadtentwick-lung.

Die Geographie der Freizeit und desTourismus (auch Geographie des Freizeit-verhaltens genannt), deren Wurzeln in dertraditionellen Fremdenverkehrsgeogra-phie liegen, hat sich in den letzten beidenJahrzehnten in Deutschland bereits als ei-genständige (sozialgeographische) Teil-disziplin etabliert; sie wurde dabei beein-flusst bzw. forciert durch die sog. Münche-ner Schule der Sozialgeographie (s. unter1.3.5). An der Freizeit- und Tourismus-forschung beteiligen sich heute auch andereDisziplinen, etwa Soziologen. Für dieseTeildisziplin der Anthropogeographie liegenmehrere Lehrbuchdarstellungen und Sam-melbände vor (u. a. K. WOLF/P. JURCZEK

1986, CHR. BECKER u. a. 2003, H. JOB u. a.2005, P. REUBER/P. SCHNELL 2005).

Die Palette wirtschaftsgeographischer

Kasten 1.3Der Mobilitätsbegriff

Mobilität lässt sich definieren als Veränderungzwischen zwei Positionen in Bezug auf sozia-le, wirtschaftliche und räumliche Merkmale. Esgibt demnach also eine soziale M. (sozialer Auf-oder Abstieg), wirtschaftliche M. (z. B. berufli-che) und räumliche bzw. regionale M. Im All-gemeinen fasst man „sozial“ und „wirtschaft-lich“ zusammen und unterscheidet zwischensozialer und räumlicher (oder regionaler) Mo-bilität. Die Analyse von Wanderungen, die ei-nen vorübergehenden oder dauerhaften Woh-nungswechsel (Umzüge) beinhalten, ist somitnur ein Teil der umfassenderen RegionalenMobilitätsforschung, die über die eigentlichenUmzüge hinaus auch den Pendlerverkehr undandere Formen der Verkehrsteilnahme betrifft(s. Abb. 2.21).

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Teildisziplinen, die auch bereits Bezeich-nungen als eigene „Geographien“ gefundenhaben, beschränkte sich bis vor wenigenJahrzehnten auf die Agrargeographie und In-dustriegeographie (vgl. Kap. 3). Zu den'neueren' von Geographen - allerdings in sehrunterschiedlicher Weise - betreuten Teil-disziplinen zählen z. B. die Arbeitsmarkt-geographie (vgl. H. FASSMANN/P. MEUS-BURGER 1997), die Geographie der Fische-reiwirtschaft, die Geographie der Wald-und Forstwirtschaft (s. H.-W. WINDHORST

1978), die Geographie der Energiewirt-schaft und die Geographie des tertiärenWirtschaftssektors (vgl. 3.5).

Weniger bekannt ist ein Teilgebiet, dassich als Geographische Innovations- undDiffusionsforschung zusammenfassen lässt(vgl. H.-W. WINDHORST 1983 und Kasten1.4). Diese Teildisziplin hat sich vor allemim englischen Sprachraum breiter entfaltet.

Ein interessantes neueres Forschungs-teilgebiet ist auch die Geographie der Um-weltwahrnehmung und Raumbewertung.Dieser Forschungsrichtung, von einigen Au-

toren auch „Perzeptionsansatz“ genannt,geht davon aus, dass das raumbezogene Ver-halten des Menschen abhängig ist von wahr-genommenen und vorgestellten Abbildernder sozialräumlichen Realität (vgl. 1.3.6).

Ein großer Teil der genannten neuerenTeilgebiete der Anthropogeographie lässtsich als sog. Geographische Verhaltens-forschung zusammenfassen (vgl. E. THO-MALE 1974). Diese schließt beispielsweisedie Geographien des Freizeitverhaltens oderdes Bildungsverhaltens ein; im englischenSprachraum existiert der Sammelbegriff„Behavioral geography“. Benutzt wird auchdie Bezeichnung Verhaltenswissen-schaftlich orientierte Geographie (s. H.SCHRETTENBRUNNER 1974, vgl. 1.3.6).

In jüngerer Zeit hat sich - ausgehend vomenglischsprachigen Raum - mit einer Re-orientierung auf das Kulturelle eine „neue“Kulturgeographie (auch kulturalistischeHumangeographie genannt) entwickelt, indie der Abschnitt 1.3.11 einführt.

So interessant und fesselnd die inhaltli-che und konzeptionelle Erweiterung derAnthropo- bzw. Humangeographie auch ist,das Studium dieses wichtigen Zweiges derGeographie und seiner traditionell bestehen-den bzw. in jüngerer Zeit entstandenen Teil-disziplinen verlangt ein intensives und in-haltlich breites Literaturstudium. Gleichzei-tig hat auch die Zahl der Nachbarwis-senschaften, von denen wir wichtige Teiler-kenntnisse, Methoden, Theorien etc. über-nehmen können, zugenommen. Die Unter-schiedlichkeit des (interdisziplinären) Arbei-tens eröffnet der Anthropogeographie zu-gleich vielfältige Anwendungsmöglichkeitenund damit auch Berufschancen.

Kasten 1.4Innovation bzw. Diffusion und derengeographische Erforschung

Unter Innovation versteht man eine Neuerung,die sich ausbreitet. Mit Diffusion bezeichnetman die besondere Form der Ausbreitung ei-ner Neuerung. Erkenntnisziel geographi-scher Innovations- und Diffusionsstudienist es, allgemeine Regelhaftigkeiten des raum-zeitlichen Verlaufs von Ausbreitungsprozessenzu erfassen bzw. zu analysieren. Untersu-chungsbeispiele sind z. B. die Ausbreitung vonlandwirtschaftlichen Sonderkulturen oder vontechnischen Neuerungen, die räumliche Dif-fusion von Religionen oder etwa von Gastar-beitern oder Asylanten. Die bisherigen Arbei-ten dieser Forschungsrichtung haben bereitsgezeigt, dass - unabhängig davon, welchesAusbreitungsphänomen untersucht wird - dieräumliche Diffusion einer Innovation nach be-stimmten Prinzipien erfolgt.

1.2 TEILDISZIPLINEN DER ANTHROPOGEOGRAPHIE/HUMANGEOGRAPHIE

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1 ANTHROPOGEOGRAPHIE/HUMANGEOGRAPHIE IM SYSTEM DER GEOGRAPHIE22

Es dürfte wohl bereits deutlich gewordensein, dass die heutige Anthropogeographievon verschiedensten Forschungsansätzenbzw. wissenschaftstheoretischen Konzeptio-nen bestimmt wird, die z. T. weit in die Ge-schichte unseres Faches zurückreichen (vgl.Schema von E. THOMALE 1972, Fig. 19, al-lerdings mit dem Entwicklungsstand bis vorrd. drei Jahrzehnten). Im Folgenden soll dieälteste Entwicklungsepoche der Anthro-pogeographie - nach E. THOMALE die sog.Kosmographische Phase - unberücksichtigtbleiben. Behandelt werden in diesem Kapi-tel die Hauptentwicklungsphasen seit Endedes 19. Jh.s mit ihren Auswirkungen auf diejüngere Anthropo- bzw. Humangeographie.

1.3.1 Geodeterministische Phase oderGeographie als Beziehungswissenschaft.Diese Entwicklungsepoche der Anthropo-geographie wurde auch als Phase naturwis-senschaftlich-deterministischer Übertreibun-gen, als umweltdeterministischer Ansatz, alsbeziehungswissenschaftliche Phase oderauch als beziehungsdeterministische Kon-zeption bezeichnet (vgl. H. OVERBECK 1954,G. HARD 1973, P. SCHÖLLER 1977).

Gegen Ende des 19. Jh.s wurde die Geo-graphie als Beziehungswissenschaft kon-zipiert. Diese Entwicklung war zum einenbeeinflusst worden durch die positivistischeKulturphilosophie, den Positivismus (aus-gehend von wahrnehmbaren Sachverhalten,aber auch Feststellung der gesetzmäßigenVerknüpfungen). Hinzu kam zum anderendie naturwissenschaftlich-systematischekausale Denkweise des 19. Jh.s, insbeson-dere aufgrund der Evolutionstheorien C. R.DARWINs in Bezug auf die Selektionswirkung

der Natur („Kampf um's Dasein“); dabeistanden vor allem die Natur-Mensch-Bezie-hungen mit der Kausalitätskette: Natur-raum —> Wirtschaft —> Gesellschaft imVordergrund. Diese Beziehungen wurdendabei jedoch zu einseitig gesehen, nämlichals teleologischer Zwang der Landesnaturauf den Menschen (Teleologie, teleologisch= Lehre vom Zweck und der Zweckmäßig-keit in der Natur). D. h. die Anthropogeo-graphie wurde in dieser Phase beherrschtvon der Frage der (einseitigen) Abhängig-keit des Menschen, seiner Kultur, Wirtschaftund Geschichte von den Naturbedingungen.

Einer der Hauptvertreter dieser Richtungwar FRIEDRICH RATZEL, vor allem mit seinem1882/1891 veröffentlichten zweibändigenWerk „Anthropogeographie“, das insgesamtals wesentliche Grundlage für die weitereEntwicklung dieser geographischen Teildis-ziplin gilt. RATZEL überschätzte die Steuer-wirkung der Natur und der sog. Lagebezie-

Abb. 1.5 Friedrich Ratzel 1844-1904

1. 3 Hauptentwicklungsphasender Anthropogeographie/Humangeographie