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V- 5lrttf e3iirdirr3rituiig WIRTSCHAFT 241-023 Samstüg/Sonntag, 17./18. Oktober 1998 Nr. 241 23 Ein moderner Vertreter der Moralphilosophie Zur Verleihung des Wirtschafts- Nobelpreises an Amartya Sen Von Gebhard Kirchgässner* Am Mittwoch dieser Woche ist der diesjährige Nobelpreis ßir Wirtschaftswissenschaften dem Inder Amartya K. Sen zuerkannt worden. Imfolgenden würdigt Prof. Gebhard Kirchgässner das wissenschaftliche Werk dieses bedeutenden eigenständigen Denkers. (Red.) Der indische Nationalökonom Amartya K. Sen, der heute am Trinity College in Cambridge (Eng- land) lehrt, erhält in diesem Jahr r seine Bei- träge zur Wohlfahrtsökonomie den Preis ßir Wirt- schaftswissenschaften in Erinnerung an Alfred Nobel. Damit würdigt das Nobel-Komitee seine Beiträge zur ökonomie, die von der axiomati- schen Theorie gesellschaftlicher Entscheidungen über Definitionen der Wohlfahrt und Armutsindi- katoren bis hin zu empirischen Untersuchungen von Hungersnöten reichen. Mit ihm erhält ein Wissenschafter diesen Preis, der strenges ökono- misches Denken mit heute in der Disziplin eher ungewöhnlichen Fragestellungen verbindet, die zudem politisch und gesellschaftlich ausser- ordentlich relevant sind. Freiheit ist nicht immer effizient Das wissenschaftliche Werk von Sen ist nicht nur sehr umfangreich, es weist auch eine enorme Spannbreite auf. Zunächst wurde er vor allem durch seine formalen Analysen gesellschaftlicher Entscheidungen bekannt. Die zentrale Frage da- bei ist, welchen Bedingungen (demokratische) ge- sellschaftliche Entscheidungsverfahren genügen können. Sen brachte in diese Diskussion die Dimension individueller Rechte ein. Sein wohl bedeutendstes Resultat dazu ist das sogenannte liberale Paradox: Sen hat gezeigt, dass indivi- duelle Freiheitsrechte zu ökonomischer Ineffi- zienz führen können. Werden individuelle Rechte zugelassen, so ist mit Ineffizienzen zu rechnen. Peter Bernholz (Universität Basel) hat zwar dar- auf hingewiesen, dass dies nur gilt, wenn externe * Der Autor ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen. Anzeige Stück für Stück auf regend, victoria. Ein schönes Stück. Aufregend und anregend. Victoria macht Möbel für Menschen, die offen sind und neugierig. Wir von Victoria versuchen Tag für Tag das Unmögliche: Wir streben nach absoluter Perfektion. Unser LIBERA Tisch spricht eine klare Sprache, hier sitzt man zusammen, arbeitet isst, diskutiert, lässt sich's wohl sein. Der LIBERA Tisch steht, wie jedes Möbel- stück von Victo- ria, für einma- liges Design, Funktiona- , lität bis ins kleinste Detail, beste Materialien, höch- ste Verarbeitungsqualität und Lebensdauer. Denn zum Anschauen sind unsere Möbel viel zu schade. Wohin Sie den LIBERA Tisch auch stellen, ob ganz, einseitig oder teilweise ausgezogen, er fügt sich in jedes Interieur ein. Und immer bleibt er, was er ist: Ein schönes Stück, aufregend un d anregend. Wie alles von Victoria Design. Victoria DESIGN Senden Sie uns bitte Ihre umfassende Dokumentation. Name: _ Adresse: PLZ/Ort: Victoria-Design AG, 6340 Baar Tel. 041 -769 53 53, Fax 041 769 53 54 NZZ-l Effekte vorliegen, aber gerade dann sind indivi- duelle Freiheitsrechte zentral: Wenn jemand - vereinfacht gesagt - etwas tun darf, obwohl es sei- nem Nachbarn nicht gefällt und dieser ihn daran nicht hindern kann. Dieser mögliche Konflikt wurde von Sen etwa zur gleichen Zeit aufgezeigt, in der der amerikanische Philosoph John Rawls in seiner Theorie der Gerechtigkeit den Vorrang der Freiheit in diesem Konflikt postuliert hat. Sen da- gegen hält, auch wenn er sehr starkes Gewicht auf die liberalen Freiheitsrechte legt, dennoch daran fest, dass die Ausübung solcher Rechte immer auch am Ergebnis ßir andere gemessen werden muss. Einen absoluten Vorrang von Rechten, wie ihn z. B. Robert Nozick postuliert, lehnt er ab. Bei der Analyse gesellschaftlicher Entschei- dungsverfahren wird üblicherweise davon ausge- gangen, dass keine interpersonellen Nutzen- vergleiche möglich sind. Diese weitgehend unbe- strittene Annahme schränkt die Möglichkeit von Aussagen erheblich ein. Gleichzeitig aber, und darauf hat Sen hingewiesen, stellen wir zumindest bei ethischen Analysen häufig implizit solche Ver- gleiche an. Dabei sieht Sen als entscheidend für das Wohlergehen der einzelnen Individuen vor allem deren Möglichkeiten (capabilities) an, aus denen sie auswählen können, und weniger den aktuellen Nutzen der Individuen. Hunger, Armut und Verteilung Von der Frage nach der Vergleichbarkeit indivi- dueller Nutzen (und damit auch individueller Schicksale) zur Frage nach der Erfassung von Wohlfahrt bzw. Armut in einer Gesellschaft ist es dann nur noch ein kleiner, aber wichtiger Schritt. Sen ist ihn gegangen und hat zu beiden Bereichen Wesentliches beigetragen. Die üblichen Armuts- definitionen fragen nur nach dem Anteil derjeni- gen in einer Gesellschaft, deren Einkommen unterhalb einer definierten Armutsgrenze (z. B. 40% des Durchschnittseinkommens) liegt. Das Problem solcher Definitionen ist, dass sie Verän- derungen innerhalb der Gruppe der Armen nicht erfassen. Sen hat eine axiomatische Basis ßir einen Armutsindikator geliefert, der solche Verän- derungen berücksichtigt. Wohlfahrtsindikatoren beruhen ferner typischerweise nur auf Durch- schnittsgrössen, z. B. dem häufig verwendeten realen Bruttoinlandprodukt pro Kopf, und blen- den somit Verteilungsaspekte völlig aus. Auch hier hat Sen eine Alternative vorgeschlagen. Beide Vorschläge haben weitere Forschungen auf die- sem Gebiet ausgelöst und werden auch auf prak- tische Probleme angewendet. Sen, der bis heute indischer Staatsbürger ist, hat sich aber nicht auf formale Analysen be- schränkt, er hat auch ganz konkret die Armut in unserer Welt analysiert. So hat er in einer be- rühmten Studie Hungersnöte wie jene in Bangla- desh im Jahr 1974 untersucht. Dabei hat er ge- zeigt, dass es nicht nur Lebensmittelknappheiten sind, die zu Hungersnöten führen, sondern dass andere, politische bzw. gesellschaftliche Bedingun- gen hinzukommen müssen. So treten etwa - unter sonst gleichen Bedingungen - Hungersnöte in Diktaturen häufiger auf als in Demokratien. Zentral für das Denken von Sen ist die Ver- knüpfung der ökonomie mit der politischen bzw. der Moralphilosophie. Diese zieht sich durch sein gesamtes Schaffen. Dabei hat er sich auch mit den Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften kri- tisch auseinandergesetzt. In seinem berühmten Aufsatz über den «rationalen Clown» (rational fool) zeigt er, dass individuelle Nutzenmaximie- rung, wie sie als Annahme der traditionellen mikroökonomischen Theorie zugrunde liegt, zu geradezu bizarrem Verhalten führen würde. (Diese traditionelle Theorie findet sich heute allerdings vor allem in Lehrbüchern; auf die Ein Weltbürger G. K. Amartya K. Sen wurde am 3. November 1933 in Santiniketan im indischen Bundesstaat Bengale n geboren. Er studierte zunüchst am Presi- dency College in Kalkutta und anschliessend am Trinity College in Cambridge, wo er im Jahr 1959 seinen Ph. D. ablegte. Von 1963 bis 1971 war er Professor für Volkswirtschaftslehre an der Univer- sität Delhi, von 1971 bis 1977 an der London School of Economics und von 1977 bis 1988 lehrte er an der Universität Oxford. 1988 ging er an die Harvard Universität. Zu Beginn dieses Jahres kehrte er von Cambridge (Mass.) nach Cambridge (England) ans Trinity College zurück, wo einst seine internationale wissenschaftliche Karriere be- gonnen hatte. Von den zahlreichen Ehrungen, die ihm neben etwa 30 Ehrendoktoraten (darunter im Jahr 1994 auch von der Universität Zürich) bisher zuteil wurden, seien nur 4 erwähnt: Er war 1984 Präsident der Econometric Society, 1994 Präsident der American Economic Association, er ist seit 1988 Ehren-Vizepräsident der Royal Economic Association und seit 1989 Ehrenpräsident der International Economic Association. moderne Weiterentwicklung und besonders die darauf basierende Neue Institutionenökonomik trifft diese Kritik dagegen nur sehr bedingt zu.) Sen fragt auch nach der ethischen Qualität des Marktes sowie nach Kriterien, nach denen diese zu beurteilen sei. Dabei mündet seine Unter- suchung in ein schwaches Lob des Marktes - nichts weniger, aber auch nicht viel mehr. Mit dieser philosophisch-kritischen Haltung steht Sen in der Tradition der schottischen Moral- philosophen, aber in auffallendem Gegensatz zum «Mainstream» der Wirtschaftswissenschaften (und auch zu fast allen Nobelpreisträgem der letzten Jahre), wo solche Fragen nur wenig be- handelt werden. Der liberalen Ideologie setzt er eine kritische Analyse der Auswirkungen des Marktsystems entgegen, die auch die Schatten- seiten erkennt und nicht in «mehr Markt» das Heilmittel für (fast) alle heutigen wirtschaftlichen sowie sozialen Probleme sieht. Den linken Kriti- kern des Marktsystems hält er nicht nur dessen Leistungen entgegen, sondern er zeigt vor allem, wie eine kritische Analyse der heutigen wirtschaft- lichen Situation sich des Instrumentariums der modernen (bürgerlichen) Ökonomie bedienen kann. Er benutzt dazu genauso die formale theo- retische wie die empirische Analyse, und er bringt beides in den von ihm geführten Diskurs zwi- schen Ökonomie und Philosophie ein. Sen stand schon lange auf der Liste derjenigen, die Nobel- preis-verdächtig waren, und er hat diesen Preis ganz ohne Zweifel verdient. Klarer Budget-Sieg für Präsident Clinton Rückfall des Kongresses in die alte Ausgabenfreudigkeit? Cls. Washington, 16. Oktober Mit 16 Tagen Verspätung hat sich die republi- kanische Kongressführung mit dem Weissen Haus auf ein 1700 Mrd. $ schweres Budget für das Fiskaljahr 1999 geeinigt, das bereits am 1. Okto- ber begonnen hat. In zähen Verhandlungen galt es, alle noch offenen Ausgabenpositionen in ein sogenanntes Omnibus-Gesetz im Volumen von rund 500 Mrd. $ zu packen. Nur 5 der 13 regulä- ren Zuweisungsgesetze für die ungebundenen Staatsausgaben (etwa zwei Drittel des Haushalts sind durch Leistungsgesetze gebunden) hatten Präsident Clintons Schreibtisch rechtzeitig er- reicht. Der Grossteil der Regierungsgeschäfte musste seit Anfang Monat mit einem Notfinan- zierungsgesetz weitergeführt werden, das am Frei- tag zum viertenmal verlängert wurde, weil der Kongress erst am Dienstag über das Omnibus- Gesetz abstimmen will. Gescheiterte Steuersenkungspläne Die republikanische Führung hat unter grösster Zeitnot in einen «Budget deal» eingewilligt, der einen klaren Sieg für Clinton darstellt. Zahlreiche Lieblingsprogramme des Präsidenten und der Demokraten im Bereich Erziehung, Umwelt und Soziales wurden grosszügig mit zusätzlichen Mil- liardenbeträgen dotiert. Auf der andern Seite konnten allerdings auch die Republikaner eine kräftige Erhöhung des Militärhaushalts, die erste reale Aufstockung seit 1985, durchsetzen. Nicht erfolgreich waren die Republikaner mit ihren Steuersenkungsplänen. Statt Steuererleichterun- gen (unter anderem für Ehepaare mit zwei Ein- kommen) im Volumen von 180 Mrd. S (über zehn Jahre) sind jetzt nur marginale Steuerabzugs- möglichkeiten vorgesehen, die über zehn Jahre weniger als 10 Mrd. S kosten dürften. Das um- fangreichere Paket war im Senat auf Widerstand gestossen, und Clinton hatte ein Veto angedeutet. Sowohl Republikaner wie Demokraten bean- spruchten wichtige Punktesiege, und von beiden Seiten wurde das vereinbarte Paket als gut für Amerika dargestellt. Dies wird aber sowohl von Kritikern innerhalb des Kongresses wie auch von aussenstehenden Beobachtern füglich bezweifelt. In mancher Hinsicht sind die im historischen Budget- Kompromiss vom Sommer 1997 fest- gelegten Ausgabenrichtlinien mit dem Ausbau diverser Programme deutlich überschritten wor- den. Zwar hat die Administration gewisse Einspa- rungen an anderer Stelle vorgeschlagen, die aber kaum ausreichen. Die Ausgabendisziplin hat jedenfalls wieder nachgelassen. Mit dem Haus- haltgesetz dürften ausserdem - mit Blick auf die bevorstehenden Kongresswahlen unvermeidlich - noch zahlreiche grössere und kleinere Gefälligkei- ten - «pork-barrel spending» - in Form soge- nannter Riders durchgedrückt werden, die jetzt noch gar nicht übersehbar sind. Die Abweichung vom vereinbarten Sparkurs lässt nichts Gutes ahnen und relativiert die bisher über Erwarten grossen Konsolidierungserfolge sowie Clintons Versprechen, sämtliche anfallenden Haushalt- überschüsse r die Sanierung der Altersversiche- rung beiseite zu legen. Der letztjährige Über- schus s von schätzungsweise 70 Mrd. S dürfte im neuen Budget weitgehend verbraucht werden. Aufatmen beim Währungsfonds Aufschnaufen kann der Internationale Wäh- rungsfonds (IMF), sind doch im Rahmen der Haushaltplanung nun die vollen Finanzbeiträge der USA in Höhe von 17,9 Mrd. S bewilligt wor- den. Die Beiträge sind an eine Reihe von Bedin- gungen geknüpft: Der IMF muss seine Kredit- politik modifizieren und sein Geschäftsgebaren transparenter machen. Das Treasury musste zu- sichern, für die Durchführung der Reformen zu sorgen. Zu diesem Behuf wird im Schatzamt ein beratender Ausschuss gebildet. Der Kongress selbst will auch einen Ausschuss einrichten, der dem IMF auf die Finger schauen soll. (Weiterer Bericht im Auslandteil) Verunsicherndes Fed Der Entscheid der amerikanischen Noten- bank vom Donnerstag, die Leitzinsen bloss rund zwei Wochen nach der letzten Reduk- tion bereits wieder um einen Viertelprozent- punkt zu senken, ist nur zum Teil über- raschend gekommen. Dass das Fed früher oder später weiter lockern würde, war näm- lich sehr wohl erwartet worden, zumal der Zinsschritt vom September allgemein als zu gering taxiert worden war. Kaum jemand rechnete dagegen mit dem jetzigen Zeit- punkt. Noch letzte Woche hatte Alan Green- span in einer Rede vor der National Associa- tion of Business Economists betont, die USA seien trotz gewissen Verlangsamungstenden- zen weit weg von einer Kreditverknappung, einem sogenannten Credit crunch, und die heimische Wirtschaft sei gesund und von be- trächtlicher Dynamik geprägt. Wenn nun so kurz nach einer solchen Dia- gnose die Lockerungspolitik fortgesetzt wird, lässt dies im wesentlichen zwei Interpretatio- nen zu. Die alle s in allem wohl angenehmere wäre, dass Greenspan und sein Team haupt- sächlich auf die Entwicklung an den Finanz- märkten schielen und versuchen, die von dort ausgehenden Rezessionsängste mittels eines Zinssignals - viel mehr ist es nicht - zu brechen. Dazu passt das überraschende Timing, das fast etwas «populistisch» wirkt, weil es zwar kurzfristig den Effekt der Zins- senkung verstärken kann, längerfristig jedoch keine Nachhaltigkeit entfaltet. Besorgniserregender wäre eine zweite Deutung. Sie lautet, das Fed verbreite zwar nach aussen hin Gelassenheit, sei aber in Tat und Wahrheit über die konjunkturelle Ent- wicklung nicht nur weltweit, sondern auch in den USA, so besorgt, dass es sich zu einer solchen Feuerwehraktion veranlasst sehe. Diese Analyse findet an den Märkten, ver- stärkt durch jüngste Konjunkturdaten, eini- gen Widerhall. Damit konnte sich jedoch der Zinsschritt als Bumerang erweisen, indem er zwar Geld verbilligt, aber gleichzeitig zu einiger Verunsicherung führt, nach dem Motto: Was weiss das Fed noch alles, was es nicht sagt? Eher irritierend wirkt im übrigen auch die Salamitaktik des Fed; sie nährt die Erwartung einer nächsten Mini-Senkung viel stärker als deutlichere Anpassungen, die das Gefühl von Endgültigkeit verbreiten. Mit seinem Entscheid setzt das Fed aber auch die europäischen Notenbanken zuneh- mend unter Zugzwang, ihrerseits die Zinsen zu senken. Eine zu starke Zinsdifferenz konnte nämlich in Europa zu einem Aufwer- tungsdruck und damit zu einer Belastung für die Exportindustrie führen. Das Szenario kennt die Schweiz mittlerweile zur Genüge; auch sie könnte sich einer konzertierten europäischen Aktion sicher nicht entziehen. Da jedoch gemäss allen relevanten Indikato- ren in Europa vorerst keine konjunkturelle Notwendigkeit für Zinssenkungen besteht, droht bei einem Nachziehen etwa der Deut- schen Bundesbank der Aufbau eines mittel- fristigen Inflationspotentials. Das erinnert an die Lage nach dem Börsenkrach von 1987, als von den Notenbanken ebenfalls zuviel Liquidität bereitgestellt wurde - jedenfalls im Rückblick betrachtet. So vermag denn der Fed-Entscheid nur zu überzeugen, wenn ihm ein grosser konjunktureller Pessimismus zu- grunde gelegt wird und wenn sich dieser Pes- simismus als gerechtfertigt erweisen sollte. Und das wäre keine erfreuliche Perspektive. G.S. Anzeige Wir sind ebens o wählerisch wie Ihr Vermögen. 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V- 241-023 · 2018-12-10 · V-5lrttfe3iirdirr3rituiig WIRTSCHAFT 241-023 Samstüg/Sonntag, 17./18. Oktober 1998 Nr. 241 23 Ein moderner Vertreter der Moralphilosophie Zur Verleihung

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V-5lrttf e3iirdirr3rituiig WIRTSCHAFT

241-023Samstüg/Sonntag, 17./18. Oktober 1998 Nr. 241 23

Ein moderner Vertreter der MoralphilosophieZur Verleihung des Wirtschafts-Nobelpreises an Amartya Sen

Von Gebhard Kirchgässner*

Am Mittwoch dieser Woche ist der diesjährige Nobelpreis ßir Wirtschaftswissenschaften demInder Amartya K. Sen zuerkannt worden. Imfolgenden würdigt Prof. Gebhard Kirchgässner das

wissenschaftliche Werk dieses bedeutenden eigenständigen Denkers. (Red.)

Der indische Nationalökonom Amartya K. Sen,

der heute am Trinity College in Cambridge (Eng-land) lehrt, erhält in diesem Jahr f ür seine Bei-träge zur Wohlfahrtsökonomie den Preis ßir Wirt-schaftswissenschaften in Erinnerung an AlfredNobel. Damit würdigt das Nobel-Komitee seineBeiträge zur ökonomie, die von der axiomati-schen Theorie gesellschaftlicher Entscheidungen

über Definitionen der Wohlfahrt und Armutsindi-katoren bis hin zu empirischen Untersuchungen

von Hungersnöten reichen. Mit ihm erhält einWissenschafter diesen Preis, der strenges ökono-misches Denken mit heute in der Disziplin eherungewöhnlichen Fragestellungen verbindet, diezudem politisch und gesellschaftlich ausser-ordentlich relevant sind.

Freiheit ist nicht immer effizientDas wissenschaftliche Werk von Sen ist nicht

nur sehr umfangreich, es weist auch eine enormeSpannbreite auf. Zunächst wurde er vor allemdurch seine formalen Analysen gesellschaftlicherEntscheidungen bekannt. Die zentrale Frage da-bei ist, welchen Bedingungen (demokratische) ge-

sellschaftliche Entscheidungsverfahren genügen

können. Sen brachte in diese Diskussion dieDimension individueller Rechte ein. Sein wohlbedeutendstes Resultat dazu ist das sogenannteliberale Paradox: Sen hat gezeigt, dass indivi-duelle Freiheitsrechte zu ökonomischer Ineffi-zienz führen können. Werden individuelle Rechtezugelassen, so ist mit Ineffizienzen zu rechnen.Peter Bernholz (Universität Basel) hat zwar dar-auf hingewiesen, dass dies nur gilt, wenn externe

* Der Autor ist Professor für Volkswirtschaftslehre an derUniversität St. Gallen.

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ria, für einma-

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Senden Sie uns bitte Ihre umfassende Dokumentation.

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NZZ-l

Effekte vorliegen, aber gerade dann sind indivi-duelle Freiheitsrechte zentral: Wenn jemand -vereinfacht gesagt - etwas tun darf, obwohl es sei-nem Nachbarn nicht gefällt und dieser ihn darannicht hindern kann. Dieser mögliche Konfliktwurde von Sen etwa zur gleichen Zeit aufgezeigt,

in der der amerikanische Philosoph John Rawls inseiner Theorie der Gerechtigkeit den Vorrang derFreiheit in diesem Konflikt postuliert hat. Sen da-gegen hält, auch wenn er sehr starkes Gewicht aufdie liberalen Freiheitsrechte legt, dennoch daranfest, dass die Ausübung solcher Rechte immerauch am Ergebnis ßir andere gemessen werdenmuss. Einen absoluten Vorrang von Rechten, wieihn z. B. Robert Nozick postuliert, lehnt er ab.

Bei der Analyse gesellschaftlicher Entschei-dungsverfahren wird üblicherweise davon ausge-gangen, dass keine interpersonellen Nutzen-vergleiche möglich sind. Diese weitgehend unbe-strittene Annahme schränkt die Möglichkeit vonAussagen erheblich ein. Gleichzeitig aber, unddarauf hat Sen hingewiesen, stellen wir zumindestbei ethischen Analysen häufig implizit solche Ver-gleiche an. Dabei sieht Sen als entscheidend fürdas Wohlergehen der einzelnen Individuen vorallem deren Möglichkeiten (capabilities) an, ausdenen sie auswählen können, und weniger denaktuellen Nutzen der Individuen.

Hunger, Armut und Verteilung

Von der Frage nach der Vergleichbarkeit indivi-dueller Nutzen (und damit auch individuellerSchicksale) zur Frage nach der Erfassung vonWohlfahrt bzw. Armut in einer Gesellschaft ist esdann nur noch ein kleiner, aber wichtiger Schritt.Sen ist ihn gegangen und hat zu beiden BereichenWesentliches beigetragen. Die üblichen Armuts-definitionen fragen nur nach dem Anteil derjeni-gen in einer Gesellschaft, deren Einkommenunterhalb einer definierten Armutsgrenze (z. B.40% des Durchschnittseinkommens) liegt. DasProblem solcher Definitionen ist, dass sie Verän-derungen innerhalb der Gruppe der Armen nichterfassen. Sen hat eine axiomatische Basis ßireinen Armutsindikator geliefert, der solche Verän-derungen berücksichtigt. Wohlfahrtsindikatorenberuhen ferner typischerweise nur auf Durch-schnittsgrössen, z. B. dem häufig verwendetenrealen Bruttoinlandprodukt pro Kopf, und blen-den somit Verteilungsaspekte völlig aus. Auchhier hat Sen eine Alternative vorgeschlagen. BeideVorschläge haben weitere Forschungen auf die-sem Gebiet ausgelöst und werden auch auf prak-tische Probleme angewendet.

Sen, der bis heute indischer Staatsbürger ist,hat sich aber nicht auf formale Analysen be-schränkt, er hat auch ganz konkret die Armut inunserer Welt analysiert. So hat er in einer be-rühmten Studie Hungersnöte wie jene in Bangla-

desh im Jahr 1974 untersucht. Dabei hat er ge-zeigt, dass es nicht nur Lebensmittelknappheitensind, die zu Hungersnöten führen, sondern dassandere, politische bzw. gesellschaftliche Bedingun-gen hinzukommen müssen. So treten etwa - unter

sonst gleichen Bedingungen - Hungersnöte inDiktaturen häufiger auf als in Demokratien.

Zentral für das Denken von Sen ist die Ver-knüpfung der ökonomie mit der politischen bzw.der Moralphilosophie. Diese zieht sich durch seingesamtes Schaffen. Dabei hat er sich auch mit denGrundlagen der Wirtschaftswissenschaften kri-tisch auseinandergesetzt. In seinem berühmtenAufsatz über den «rationalen Clown» (rationalfool) zeigt er, dass individuelle Nutzenmaximie-rung, wie sie als Annahme der traditionellenmikroökonomischen Theorie zugrunde liegt, zugeradezu bizarrem Verhalten führen würde.(Diese traditionelle Theorie findet sich heuteallerdings vor allem in Lehrbüchern; auf die

Ein Weltbürger

G. K. Amartya K. Sen wurde am 3. November1933 in Santiniketan im indischen BundesstaatBengalen geboren. Er studierte zunüchst am Presi-dency College in Kalkutta und anschliessend amTrinity College in Cambridge, wo er im Jahr 1959seinen Ph. D. ablegte. Von 1963 bis 1971 war erProfessor für Volkswirtschaftslehre an der Univer-sität Delhi, von 1971 bis 1977 an der LondonSchool of Economics und von 1977 bis 1988 lehrteer an der Universität Oxford. 1988 ging er an dieHarvard Universität. Zu Beginn dieses Jahreskehrte er von Cambridge (Mass.) nach Cambridge(England) ans Trinity College zurück, wo einstseine internationale wissenschaftliche Karriere be-gonnen hatte. Von den zahlreichen Ehrungen, dieihm neben etwa 30 Ehrendoktoraten (darunter imJahr 1994 auch von der Universität Zürich) bisherzuteil wurden, seien nur 4 erwähnt: Er war 1984

Präsident der Econometric Society, 1994 Präsidentder American Economic Association, er ist seit1988 Ehren-Vizepräsident der Royal EconomicAssociation und seit 1989 Ehrenpräsident derInternational Economic Association.

moderne Weiterentwicklung und besonders diedarauf basierende Neue Institutionenökonomiktrifft diese Kritik dagegen nur sehr bedingt zu.)

Sen fragt auch nach der ethischen Qualität desMarktes sowie nach Kriterien, nach denen diesezu beurteilen sei. Dabei mündet seine Unter-suchung in ein schwaches Lob des Marktes -nichts weniger, aber auch nicht viel mehr.

Mit dieser philosophisch-kritischen Haltung

steht Sen in der Tradition der schottischen Moral-philosophen, aber in auffallendem Gegensatz zum«Mainstream» der Wirtschaftswissenschaften(und auch zu fast allen Nobelpreisträgem derletzten Jahre), wo solche Fragen nur wenig be-handelt werden. Der liberalen Ideologie setzt ereine kritische Analyse der Auswirkungen desMarktsystems entgegen, die auch die Schatten-seiten erkennt und nicht in «mehr Markt» dasHeilmittel für (fast) alle heutigen wirtschaftlichensowie sozialen Probleme sieht. Den linken Kriti-kern des Marktsystems hält er nicht nur dessenLeistungen entgegen, sondern er zeigt vor allem,wie eine kritische Analyse der heutigen wirtschaft-lichen Situation sich des Instrumentariums dermodernen (bürgerlichen) Ökonomie bedienenkann. Er benutzt dazu genauso die formale theo-retische wie die empirische Analyse, und er bringtbeides in den von ihm geführten Diskurs zwi-schen Ökonomie und Philosophie ein. Sen standschon lange auf der Liste derjenigen, die Nobel-preis-verdächtig waren, und er hat diesen Preisganz ohne Zweifel verdient.

Klarer Budget-Sieg für Präsident ClintonRückfall des Kongresses in die alte Ausgabenfreudigkeit?

Cls. Washington, 16. Oktober

Mit 16 Tagen Verspätung hat sich die republi-kanische Kongressführung mit dem Weissen Hausauf ein 1700 Mrd. $ schweres Budget für dasFiskaljahr 1999 geeinigt, das bereits am 1. Okto-ber begonnen hat. In zähen Verhandlungen galtes, alle noch offenen Ausgabenpositionen in einsogenanntes Omnibus-Gesetz im Volumen vonrund 500 Mrd. $ zu packen. Nur 5 der 13 regulä-

ren Zuweisungsgesetze für die ungebundenenStaatsausgaben (etwa zwei Drittel des Haushaltssind durch Leistungsgesetze gebunden) hattenPräsident Clintons Schreibtisch rechtzeitig er-reicht. Der Grossteil der Regierungsgeschäfte

musste seit Anfang Monat mit einem Notfinan-zierungsgesetz weitergeführt werden, das am Frei-tag zum viertenmal verlängert wurde, weil derKongress erst am Dienstag über das Omnibus-Gesetz abstimmen will.

Gescheiterte Steuersenkungspläne

Die republikanische Führung hat unter grösster

Zeitnot in einen «Budget deal» eingewilligt, dereinen klaren Sieg für Clinton darstellt. ZahlreicheLieblingsprogramme des Präsidenten und derDemokraten im Bereich Erziehung, Umwelt undSoziales wurden grosszügig mit zusätzlichen Mil-liardenbeträgen dotiert. Auf der andern Seitekonnten allerdings auch die Republikaner einekräftige Erhöhung des Militärhaushalts, die erstereale Aufstockung seit 1985, durchsetzen. Nichterfolgreich waren die Republikaner mit ihrenSteuersenkungsplänen. Statt Steuererleichterun-gen (unter anderem für Ehepaare mit zwei Ein-kommen) im Volumen von 180 Mrd. S (über zehnJahre) sind jetzt nur marginale Steuerabzugs-möglichkeiten vorgesehen, die über zehn Jahreweniger als 10 Mrd. S kosten dürften. Das um-fangreichere Paket war im Senat auf Widerstandgestossen, und Clinton hatte ein Veto angedeutet.

Sowohl Republikaner wie Demokraten bean-spruchten wichtige Punktesiege, und von beiden

Seiten wurde das vereinbarte Paket als gut fürAmerika dargestellt. Dies wird aber sowohl vonKritikern innerhalb des Kongresses wie auch vonaussenstehenden Beobachtern füglich bezweifelt.In mancher Hinsicht sind die im historischenBudget- Kompromiss vom Sommer 1997 fest-gelegten Ausgabenrichtlinien mit dem Ausbaudiverser Programme deutlich überschritten wor-den. Zwar hat die Administration gewisse Einspa-rungen an anderer Stelle vorgeschlagen, die aberkaum ausreichen. Die Ausgabendisziplin hatjedenfalls wieder nachgelassen. Mit dem Haus-haltgesetz dürften ausserdem - mit Blick auf diebevorstehenden Kongresswahlen unvermeidlich -noch zahlreiche grössere und kleinere Gefälligkei-

ten - «pork-barrel spending» - in Form soge-

nannter Riders durchgedrückt werden, die jetztnoch gar nicht übersehbar sind. Die Abweichung

vom vereinbarten Sparkurs lässt nichts Gutesahnen und relativiert die bisher über Erwartengrossen Konsolidierungserfolge sowie ClintonsVersprechen, sämtliche anfallenden Haushalt-überschüsse f ür die Sanierung der Altersversiche-rung beiseite zu legen. Der letztjährige Über-schuss von schätzungsweise 70 Mrd. S dürfte imneuen Budget weitgehend verbraucht werden.

Aufatmen beim Währungsfonds

Aufschnaufen kann der Internationale Wäh-rungsfonds (IMF), sind doch im Rahmen derHaushaltplanung nun die vollen Finanzbeiträge

der USA in Höhe von 17,9 Mrd. S bewilligt wor-den. Die Beiträge sind an eine Reihe von Bedin-gungen geknüpft: Der IMF muss seine Kredit-politik modifizieren und sein Geschäftsgebarentransparenter machen. Das Treasury musste zu-sichern, für die Durchführung der Reformen zusorgen. Zu diesem Behuf wird im Schatzamt einberatender Ausschuss gebildet. Der Kongress

selbst will auch einen Ausschuss einrichten, derdem IMF auf die Finger schauen soll.

(Weiterer Bericht im Auslandteil)

Verunsicherndes FedDer Entscheid der amerikanischen Noten-

bank vom Donnerstag, die Leitzinsen blossrund zwei Wochen nach der letzten Reduk-tion bereits wieder um einen Viertelprozent-punkt zu senken, ist nur zum Teil über-raschend gekommen. Dass das Fed früheroder später weiter lockern würde, war näm-lich sehr wohl erwartet worden, zumal derZinsschritt vom September allgemein als zugering taxiert worden war. Kaum jemandrechnete dagegen mit dem jetzigen Zeit-punkt. Noch letzte Woche hatte Alan Green-span in einer Rede vor der National Associa-tion of Business Economists betont, die USAseien trotz gewissen Verlangsamungstenden-

zen weit weg von einer Kreditverknappung,

einem sogenannten Credit crunch, und dieheimische Wirtschaft sei gesund und von be-trächtlicher Dynamik geprägt.

Wenn nun so kurz nach einer solchen Dia-gnose die Lockerungspolitik fortgesetzt wird,lässt dies im wesentlichen zwei Interpretatio-nen zu. Die a l l es in allem wohl angenehmerewäre, dass Greenspan und sein Team haupt-sächlich auf die Entwicklung an den Finanz-märkten schielen und versuchen, die vondort ausgehenden Rezessionsängste mittelseines Zinssignals - viel mehr ist es nicht - zubrechen. Dazu passt das überraschendeTiming, das fast etwas «populistisch» wirkt,weil es zwar kurzfristig den Effekt der Zins-senkung verstärken kann, längerfristig jedochkeine Nachhaltigkeit entfaltet.

Besorgniserregender wäre eine zweiteDeutung. Sie lautet, das Fed verbreite zwarnach aussen hin Gelassenheit, sei aber in Tatund Wahrheit über die konjunkturelle Ent-wicklung nicht nur weltweit, sondern auch inden USA, so besorgt, dass es sich zu einersolchen Feuerwehraktion veranlasst sehe.Diese Analyse findet an den Märkten, ver-stärkt durch jüngste Konjunkturdaten, eini-gen Widerhall. Damit konnte sich jedoch derZinsschritt als Bumerang erweisen, indem erzwar Geld verbilligt, aber gleichzeitig zueiniger Verunsicherung führt, nach demMotto: Was weiss das Fed noch alles, was esnicht sagt? Eher irritierend wirkt im übrigen

auch die Salamitaktik des Fed; sie nährt dieErwartung einer nächsten Mini-Senkung vielstärker als deutlichere Anpassungen, die dasGefühl von Endgültigkeit verbreiten.

Mit seinem Entscheid setzt das Fed aberauch die europäischen Notenbanken zuneh-mend unter Zugzwang, ihrerseits die Zinsenzu senken. Eine zu starke Zinsdifferenzkonnte nämlich in Europa zu einem Aufwer-tungsdruck und damit zu einer Belastung fürdie Exportindustrie führen. Das Szenariokennt die Schweiz mittlerweile zur Genüge;

auch sie könnte sich einer konzertierteneuropäischen Aktion sicher nicht entziehen.Da jedoch gemäss allen relevanten Indikato-ren in Europa vorerst keine konjunkturelleNotwendigkeit für Zinssenkungen besteht,droht bei einem Nachziehen etwa der Deut-schen Bundesbank der Aufbau eines mittel-fristigen Inflationspotentials. Das erinnert andie Lage nach dem Börsenkrach von 1987,

als von den Notenbanken ebenfalls zuvielLiquidität bereitgestellt wurde - jedenfallsim Rückblick betrachtet. So vermag denn derFed-Entscheid nur zu überzeugen, wenn ihmein grosser konjunktureller Pessimismus zu-grunde gelegt wird und wenn sich dieser Pes-simismus als gerechtfertigt erweisen sollte.Und das wäre keine erfreuliche Perspektive.

G.S.

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Neue Zürcher Zeitung vom 17.10.1998