234

VDA Jahresbericht 2012 WEB

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 2: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 3: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Mobilität verbindet uns. Sie lässt uns Neues entdecken, Freunde treffen, zur Arbeit kommen, Besorgungen machen. Und sie ermöglicht uns allen wachstum und wohlstand.

Unsere heutige Mobilität wäre ohne die Erfi ndung des Autos vor über 125 Jahren nicht vorstellbar. Und mit zehn Patentanmeldungen pro Tag wird es hier im Land der Ideen jeden Tag neu erfunden. Ergebnis: eine immer sicherere, umwelt- und klimafreundlichere und komfortablere Mobilität für uns alle.

Dies verdanken wir rund 730.000 Menschen, die Deutschland zur erfolgreichsten Automobilnation der welt machen. Einige stellen wir hier vor. Und allen sagen wir: Danke.

www.vda.de www.unsere-autos.de

Page 4: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 5: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Jahresbericht 2012

Page 6: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 7: VDA Jahresbericht 2012 WEB

7

Vorwort

das Jahr 2011 hat der deutschen Automobilindustrie hohe wachstumsraten und zahlreiche rekorde bei Produktion und Absatz beschert. Knapp 6 Millionen Pkw wurden in Deutschland produziert, mehr als 7 Millionen Autos deutscher Marken an Auslandsstandorten kommen hinzu. weltweit zählt bereits jedes fünfte Auto zu einer deutschen Konzernmarke, im Premiumbereich sind es sogar vier von fünf Fahrzeugen.

Gut drei Viertel aller Autos, die in Deutschland gefertigt werden, gehen in den Export. Das stärkt auch die Beschäftigung im Inland. Allein in den vergangenen zwölf Mona-ten hat die deutsche Automobilindustrie 25.000 neue feste Arbeitsplätze geschaffen.

wir wissen aber auch, dass sich die hohen wachstumsraten des vergangenen Jahres nicht linear in die Zukunft fortschreiben lassen. So sind zwar die USA weiter auf wachstumskurs, doch die Nachfrage in China normalisiert sich. Im deutschen Markt rechnen wir mit einer Seitwärtsbewegung – während das westeuropäische Pkw-Geschäft aufgrund der Staatsschuldenkrise in einigen Ländern schwächer als im Vorjahr sein wird. Hier ist die Politik gefordert; sie muss Vertrauen aufbauen und alles tun, um die spürbare Verunsicherung der Verbraucher in der Eurozone aufzulösen.

Sorgen bereiten uns darüber hinaus zunehmend protektionistische Tendenzen, unter anderem in China, in der Türkei und in Südamerika. Das gilt für Fahrzeugimporte wie für den Export von rohstoffen. Langfristig profi tieren alle, wenn Handelsschranken konsequent auf jeweils beiden Seiten abgebaut werden – nicht nur auf EU-Seite.

In Deutschland waren die Spritpreise in den vergangenen zwei Jahren der größte Kostentreiber für die Autofahrer, während die Neuwagenpreise weitgehend stabil blieben. Mit neuen Modellen, die weniger Kraftstoff benötigen, halten unsere Her-steller und Zulieferer dagegen. Stichworte sind geringerer Hubraum, Hochaufl adung, Direkteinspritzung sowie Leichtbau. Diese Maßnahmen sind Teil unserer erfolgreichen Fächerstrategie. Kern sind neben der optimierung klassischer Antriebe – mit einem weiteren Effi zienzpotenzial von rund 20 Prozent allein in diesem Jahrzehnt – hohe Investitionen in alternative Antriebe. Die Flotte der Hybridmodelle nimmt kräftig zu, ab 2013 kommen Elektrofahrzeuge in Serie, auch die Brennstoffzelle bietet große Chancen.

Jährlich investiert unsere Industrie mehr als 20 Mrd. Euro in Forschung und Entwick-lung. Diese hohe Innovationsgeschwindigkeit lässt sich auch am Co2-ranking illustrieren: Innerhalb weniger Jahre haben die deutschen Konzernmarken den Co2-Ausstoß ihrer in Deutschland neu zugelassenen Pkw so stark reduziert, dass wir die Importeure eingeholt und zum Teil sogar überholt haben – und das, obwohl die deutschen Marken mit ihrem großen Premiumanteil auch in den oberen Segmenten vertreten sind. Allerdings ist jeder Zentimeter, den wir auf diesem weg vorankommen, mit erheblichen zusätzlichen Investitionen verbunden. Daher müssen in Brüssel künftige Entscheidungen mit Augenmaß getroffen werden.

Mit Blick auf die junge Generation tritt mehr und mehr die „Connectivity“ als wichtiger Innovationstreiber hinzu. Das Auto wird zur mobilen Kommunikationszentrale – Auto und Smartphone sind keine Gegensätze, sondern ergänzen einander. In Groß-städten erweitern neue Mobilitätskonzepte wie das Carsharing die Nutzerstruktur. Die deutschen Hersteller nehmen hier eine weltweit führende Position ein.

Page 8: VDA Jahresbericht 2012 WEB

8Vo r wo rT

Neben dem Klimaschutz genießt die Fahrzeugsicherheit in den Lastenheften unserer Unternehmen höchste Priorität. Die deutschen Hersteller und ihre Zulieferer sind führend in der Entwicklung moderner Assistenzsysteme, die den Fahrer entlasten und das Autofahren noch sicherer machen. Sie helfen beim Bremsen in schwierigen Situ-ationen, beim Spurwechsel, beim Abstandhalten und beim Abbiegen – während der Fahrer stets das Kommando behält. Ziel ist die deutliche Senkung der Unfallzahlen bis hin zur „Vision Zero“ bei Unfällen.

Ebenfalls aus Sicherheits- wie aus Umweltgründen notwendig ist aber auch der fortge-setzte punktuelle Ausbau der Straßenverkehrsinfrastruktur. Die Politik, im Bund ebenso wie in den Ländern, muss zur Kenntnis nehmen, dass alle Prognosen für Deutschland mit seiner zentralen Lage in Europa von wachsenden Verkehrsströmen ausgehen. weniger Stau heißt dagegen: weniger Co2, weniger Kosten, mehr Effizienz und mehr Lebensqualität.

Langfristig ist mit einem weiteren wachstum des weltautomobilmarktes zu rechnen – bis zum Jahr 2020 wird von Experten ein Volumen von rund 90 Millionen Pkw erwar-tet. Auch die rolle des Nutzfahrzeugs als unverzichtbares Transportmittel für Güter und Dienste wird weltweit immer wichtiger. Die damit verbundenen Marktchancen bieten ein großes Potenzial für die deutschen Hersteller von Lkw und Bussen sowie für unsere mittelständischen Produzenten von Anhängern und Aufliegern.

Die Automobilindustrie hat Perspektive. Denn die „Faszination Auto“ ist kultur-übergreifend und international. wir können das nicht nur in Asien oder in den USA beobachten. Auch hier in Deutschland nimmt die Zahl der jungen Menschen, die bereits mit 17 ihren Führerschein haben, zu. Alle Umfragen zeigen, dass das Interesse auch junger Menschen am eigenen Auto ungebrochen ist: Es ist nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern auch Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland hängt am Auto, unsere Industrie zählt zu den wachstums- und Innovationsmotoren.

Die deutsche Automobilindustrie tritt täglich aufs Neue an, um diese Entwicklung nachhaltig und klimafreundlich zu gestalten. Der vorliegende Jahresbericht des VDA ist hierfür das Kompendium: Es ist immer wieder aufs Neue beeindruckend, wie facettenreich die Arbeit dieser Branche ist.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias wissmannPräsident des Verbandes der Automobilindustrie

Page 9: VDA Jahresbericht 2012 WEB

9

Inhalt

Vorwort 7

Zahlen, Daten, Fakten 13Zahlen und Daten – eine Übersicht 14Die Lage der Automobilwirtschaft 17Die Lage bei Anhängern, Aufbauten und Bussen 33Die Lage der Automobil-Zulieferindustrie 36

weltwirtschaft und welthandel 45Die Globalisierung der deutschen Automobilindustrie 46Herausforderungen in der Handelspolitik 48rohstoffversorgung und rohstoffbelastung 52

Europapolitik 55Die europäische Gesetzgebung im Zeichen der Staatsschuldenkrise 56CArS 21 – bessere Gesetzgebung für den Automobilsektor 58

Steuern und Zölle 61Steuerpolitische Herausforderungen für die Automobilindustrie 62Die Energiebesteuerung 64Die EU-Energiesteuerrichtlinie 66Die Kraftfahrzeugsteuer 69Die Firmenwagenbesteuerung 71Zollfragen 75

recht, Vertrieb, Aftersales 79Aktuelle Entwicklungen im Automobilvertrieb 80Entwicklungspotenzial des Kfz-Service 83Novellierung des deutschen Kartellrechts 85Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU 86Autobanken erneut auf wachstumspfad 88Patente und Designmusterrechte für Innovationsschutz 91Das Europäische Patent mit einheitlicher wirkung 93Automotive-Aftersales 94

Page 10: VDA Jahresbericht 2012 WEB

10I N H A LT

Verkehrs- und Infrastrukturpolitik 97Straße – Verkehrsträger Nummer eins 98Der Lkw im Umweltvergleich 102Infrastrukturpolitik 103Güterverkehrspolitik 106Verkehrssicherheit 109

Klima- und Umweltschutz 113Positive Klimabilanz der deutschen Automobilindustrie 114Die Co2-regulierung der EU 117Die Co2-Verbrauchskennzeichnung für Pkw 124Die reifenkennzeichnungspflicht 126Klimaanlagen für besseres Klima 127Biokraftstoffe 129Energiepolitik 131reduzierung klassischer Schadstoffe 138Umwelt- und Arbeitsschutz in der Produktion 145

Antriebstechnik 153Verbrennungsmotoren 154Elektromobilität 156Die Brennstoffzelle 159Geräuschemissionen 160Die Kampagne „Innovation der woche“ 163

Fahrzeugsicherheit 165Fahrerassistenzsysteme 166Intelligente Mobilität 170Licht und Sicht 174Der 14. Technische Kongress 2012 175Batteriesicherheit von Elektrofahrzeugen 176Das rettungsdatenblatt 178Neue Vorschriften für Kindersitze 180Diebstahlschutz 182Technische Überwachung (Hauptuntersuchung) 184Marktüberwachung 185Sicherheit von Kleintransportern 186Brandsicherheit bei Bussen 187

Page 11: VDA Jahresbericht 2012 WEB

11

Qualitätsmanagement 191Qualität als Markenzeichen der deutschen Automobilwirtschaft 192

Logistik 201Die Situation der Logistik in der Automobilindustrie 202Der VDA-Logistikkongress 2012 204Das Praxisforum Logistik 2011 205wechselbehälter im kombinierten Verkehr 205Tätigkeitsschwerpunkte der Logistikgremien 206

Die Internationale Automobil-Ausstellung 213Die 64. IAA Pkw 2011 214rückblick: 60 Jahre IAA in Frankfurt 217Elektromobilität auf der IAA 218Ausblick: Die 64. IAA Nutzfahrzeuge 2012 in Hannover 219

Historische Fahrzeuge 223oldtimer liegen im Trend 224Politische Aktivitäten 226Die Charta von Turin 227

Stichwortverzeichnis 229Grafiken- und Tabellenverzeichnis 230Stichwortverzeichnis 232

Impressum 234

Page 12: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Titelfoto: Romana Praxenthaler - Dipl.-Ing. Maschinenbau, Projektingenieurin Versuch, Bertrandt-Konzern, Standort Ingolstadt

Page 13: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Zahlen, Daten, Fakten

Nadine Mehler – Staatlich geprüfte Betriebswirtin, Sachbearbeiterin Personalrecruiting, EDAG GmbH & Co. KGaA, Fulda

Page 14: VDA Jahresbericht 2012 WEB

14Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

Zahlen und Daten – eine Übersicht

Umsätze 2011: starke Zuwächse in allen BereichenDie deutsche Automobilindustrie behauptete sich auch 2011 als Motor der deutschen Volkswirtschaft. Gut ein Fünftel des Gesamtumsatzes des verarbeitenden Gewerbes entfiel auf diesen wirtschaftszweig. Mitte der 90er-Jahre waren es 12 bis 13 Prozent. Die Automobilindustrie ist damit der wichtigste wirtschaftszweig in Deutschland.

Im abgelaufenen Jahr betrug der Umsatz der Automobilindustrie etwa 351 Mrd. Euro, das sind 11 Prozent mehr als im Vorjahr. Annähernd zwei Drittel des Gesamtumsat-zes werden mittlerweile im Ausland erwirtschaftet (63 Prozent). Die Bedeutung der Auslandsmärkte ist in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen. Bis 1996 war der Umsatz im Inland noch größer als das Auslandsgeschäft.

Deutsche Automobilhersteller: Umsatzrekord durch ExportboomDie Hersteller von Pkw und Nutzfahrzeugen erzielten 2011 einen Gesamtumsatz von 274 Mrd. Euro (+10 Prozent). Damit konnte der bisherige Umsatzrekord von 2007 um 8 Prozent übertroffen werden. Der Inlandsumsatz übertraf mit 80 Mrd. Euro das Vorjahresergebnis um 9 Prozent, konnte aber die bisherigen Höchststände von 2007 und 2008 nicht ganz erreichen.

Beim Auslandsgeschäft wurde der massive Einbruch nach der Finanzkrise von 2008 bereits 2010 vollständig ausgeglichen. Im abgelaufenen Jahr gelang es, dieses bereits sehr gute Ergebnis nochmals um 11 Prozent zu steigern.

Die Automobilindustrie ist der wichtigste wirtschaftszweig in Deutschland

0

50.000

100.000

150.000

200.000

250.000

300.000

350.000

400.000

AuslandsumsatzInlandsumsatz

2011201020092008200720062005200420032002200120001999199819971996

Umsatzentwicklung in der deutschen Automobilindustriein Mio. Euro

Quelle: Statistisches Bundesamt

Page 15: VDA Jahresbericht 2012 WEB

15

Erfreuliches Jahr für die ZulieferindustrieAuch die deutschen Zulieferer können auf ein sehr positives Jahr 2011 zurückblicken. Die Hersteller von Kfz-Teilen und -Zubehör meldeten dem Statistischen Bundesamt einen Gesamtumsatz von 69 Mrd. Euro, 12 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit wurde der bisherige Höchststand aus dem Jahr 2007 übertroffen.

Fast zwei Drittel des Umsatzes (64 Prozent) werden durch Verkäufe im Inland erzielt. Dabei kommt den Zulieferern die Premiumstrategie der deutschen Hersteller mit dem Trend zu hochwertigen Fahrzeugausstattungen entgegen. Gestiegene Anforderungen an Sicherheit und Umweltverträglichkeit sowie die weitere optimierung der Kraftstoff-effizienz erhöhen die Nachfrage nach innovativen Produkten der Branche.

wie schon 2010 wuchsen die Auslandsumsätze der Zulieferindustrie stärker als der Inlandsmarkt. Nach einer Steigerung um 30 Prozent im Jahr 2010 konnte im vergan-genen Jahr ein erneutes wachstum um beeindruckende 17 Prozent realisiert werden. Getragen wird diese Entwicklung durch die in den vergangenen Jahren rasant gestie-gene Auslandsfertigung der deutschen Kraftwagenhersteller.

Forschung und Entwicklung: Investitionen auf hohem NiveauDie Automobilindustrie leistete auch im vergangenen Jahr wieder einen herausragen-den Beitrag zu Forschung und Entwicklung (F&E) in Deutschland. Viele Forschungs-projekte befassten sich mit dem ökologisch und ökonomisch immer bedeutsamer werdenden Bereich der Kraftstoffeinsparung. Hier setzen die Ingenieure neben der Effizienzsteigerung klassischer Antriebsarten auch auf alternative Technologien wie Hybrid- und Elektroantrieb. Neue Batteriekonzepte werden ebenso erforscht wie die zunehmende Verwendung von Leichtbaumaterialien. Nach den Planzahlen stiegen die internen F&E-Aufwendungen der Branche 2011 im Vergleich zur gesamten Industrie überdurchschnittlich stark um 6 Prozent auf 15,8 Mrd. Euro. Die externen Forschungsausgaben summierten sich auf gut 5 Mrd. Euro. Jeder Dritte in Deutschland in F&E investierte Euro stammte von heimischen Herstel-lern und Zulieferern. Die deutsche Automobilindustrie war damit auch 2011 wieder mit deutlichem Abstand die innovationsstärkste Branche überhaupt, weit vor Datentechnik, Pharmazie, Maschinenbau und chemischer Industrie. Diese herausragende Position ermöglichte es der Automobilbranche, Tausende von Arbeitsplätzen zu sichern. In den Forschungsbereichen der Hersteller und Zulieferer waren 2010 rund 88.200 Personen beschäftigt, das waren noch einmal 1.300 mehr als im Vorkrisenjahr 2007.

Der bisherige Umsatz-Höchststand von 2007 wurde übertroffen

Aufwendungen in F&E im Vergleich zu anderen Branchen sind überdurch-schnittlich gestiegen

Page 16: VDA Jahresbericht 2012 WEB

16Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

Jobzuwachs dank globaler PräsenzDie Unternehmen der Automobilindustrie haben 2011 die guten rahmenbedingungen und die positive wirtschaftsentwicklung in Deutschland genutzt und ihre Stammbe-legschaft deutlich ausgebaut. Die Beschäftigung konnte im Jahresdurchschnitt um 2,6 Prozent auf 719.500 Personen erhöht werden. Das entsprach einem Nettozuwachs von 17.950 Arbeitsplätzen.

In den verschiedenen Herstellergruppen entwickelte sich die Beschäftigung allerdings unterschiedlich, und zwar in etwa umgekehrt zum Personalrückgang im Krisenjahr 2009. Damals waren die Hersteller noch relativ am wenigsten betrof-fen. Dementsprechend hält sich hier der Beschäftigungszuwachs 2011 mit knapp 2 Prozent oder 7.000 Arbeitsplätzen in Grenzen. Aktuell liegen die Zahlen hier auf dem Vorkrisenniveau von vor vier Jahren.

In der Anhänger- und Aufbautenbranche hatte sich die Krise 2009 besonders stark in der Beschäftigungssituation niedergeschlagen. Hier gab es daher im abgelaufenen Jahr mit +5 Prozent relativ die meisten Neueinstellungen. 30.200 Beschäftigte bedeu-teten einen Zuwachs von 1.400 Mitarbeitern.

In der Zulieferindustrie stieg 2011 die Zahl der Beschäftigten um 9.500 auf 284.100 Personen (+3,5 Prozent). Auch hier hatte es 2009 einen deutlichen Einbruch gege-ben, der inzwischen nahezu wieder ausgeglichen wurde. Die aktuelle Zunahme ist ein eindrücklicher Beleg für die Dynamik der Branche und für die Tatsache, dass die globale Präsenz der deutschen Automobilindustrie auch im Inland für neue Arbeits-plätze sorgt.

Beschäftigte in der deutschen AutomobilindustrieVeränderung in %

Quelle: Statistisches Bundesamt

-10

-8

-6

-4

-2

0

2

4

6

201120102009

Hersteller

-2,2

-8,8

-4,6

-3,5

-2,0

-9,2

-3,7

-3,0

1,8

5,0

3,5

2,6

TeileAufbautenAutomobilindustrie

Beschäftigung lag 2011 wieder klar über der Marke von 700.000

Page 17: VDA Jahresbericht 2012 WEB

17

Die Lage der Automobilwirtschaft

Globale Automobilkonjunktur: wachstum fortgesetztDas Jahr 2011 war ein automobiles rekordjahr. Mit einem Zuwachs von 6 Prozent stieg der globale Absatz auf einen neuen Spitzenwert von über 65 Mio. Pkw an. Dabei verlief das Jahr durchaus stürmisch. Bis zur Jahresmitte war die internationale Automobilkonjunktur überwiegend von großer Euphorie geprägt – vor allem durch eine sehr dynamische Entwicklung in China.

Danach allerdings mehrten sich die Sorgen über den Fortgang der Konjunktur. Neben der Schuldenproblematik westeuropas, die stärker ins Bewusstsein der Akteure drang, wurde auch die Entwicklung in vielen Schwellenländern pessimistischer eingeschätzt. Gerade in China und Indien stiegen die Inflationsraten in besorgniserregende Höhen.

Die globale Nutzfahrzeugkonjunktur nahm 2011 im Vergleich zu den Vorjahren eine unterschiedliche Entwicklung. während in den vorangegangenen Jahren der welt-weite Nutzfahrzeugabsatz stark vom wachstum Chinas geprägt war, wurde 2011 ein rückgang in China durch Zuwachsraten auf dem westeuropäischen, dem US-ameri-kanischen und dem indischen Markt kompensiert. So wuchs der weltmarkt der Lkw über 6 Tonnen um 8 Prozent, ohne Betrachtung des chinesischen Marktes sogar um 22 Prozent. Insbesondere der hohe Nachholbedarf auf den etablierten Märkten förderte den Absatz. Die Bedeutung des chinesischen Marktes ist allerdings weiterhin enorm – 37 Prozent der schweren Nutzfahrzeuge wurden in China abgesetzt.

Positive Entwicklung in China, aber problematische Schuldensituation in Europa

region 2010 2011 Veränderung in %

Europa 18.678 19.644 5,2

westeuropa 14.698 14.683 -0,1

Neue EU-Länder 899 905 0,7

osteuropa 3.081 4.056 31,6

Amerika 18.415 20.113 9,2

NAFTA 14.201 15.596 9,8

darunter USA 11.772 13.041 10,8

MErCoSUr 4.213 4.517 7,2

darunter Brasilien 3.515 3.633 3,4

Asien 30.500 30.600 0,3

Japan 4.956 4.210 -15,1

China 18.062 18.505 2,5

Indien 3.037 3.298 8,6

Südkorea 1.556 1.580 1,5

Sonstige 2.890 3.008 4,1

Weitere Länder 7.079 8.100 14,4

Insgesamt 74.673 78.457 5,1

Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen weltweit nach Regionen (Anzahl in 1.000)

Quelle: VDA

Page 18: VDA Jahresbericht 2012 WEB

18Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

USA sind zweitwichtigster Auslands-markt für die deutschen Pkw-Hersteller

US-Markt: zweistelliges wachstum trotz KonjunktursorgenDer US-Markt für Light Vehicles (Pkw und Light Trucks) konnte trotz einer anhaltend schwierigen wirtschaftslage seine Position als weltweit größter Automobilmarkt halten. Das Jahresergebnis 2011 liegt mit einem Verkaufsvolumen von 12,7 Mio. Einheiten 10 Prozent über dem Vorjahreswert. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt hat sich im vergangenen Jahr etwas entspannt, die Arbeitslosenquote befand sich jedoch noch auf einem hohen Niveau. Dies wirkte sich im Laufe des Jahres negativ auf das Vertrauen der Konsumenten aus. Zum Jahresschluss hellte sich die Stimmung jedoch wieder auf; auch die Energie- und Kraftstoffpreise waren im vierten Quartal rückläufig.

Erstmals verkauften die deutschen Konzernmarken im Jahr 2011 mehr als 1 Mio. Light Vehicles auf dem US-Markt und erzielten ein Plus von 18 Prozent gegen-über dem Vorjahr. Ihren Marktanteil erhöhten sie von 7,6 Prozent im Jahr 2010 auf 8,2 Prozent im Jahr 2011.

0

5

10

15

20

Light Trucks Light-Vehicle-Verkäufe insgesamtPassenger Cars

20112010200920082007200620052004200320022001200019991998199719961995

Absatz von Light Vehicles in den USA

Quelle: Ward’s

Abs

atz

in M

io.

Page 19: VDA Jahresbericht 2012 WEB

19

Brasilien: langsam, aber stetigIm Jahr 2011 wurden auf dem brasilianischen Light-Vehicles-Markt (Pkw und Light Trucks) mehr als 3,4 Mio. Fahrzeuge abgesetzt. Nach fünf Jahren mit zweistelligen wachstumsraten entwickelte sich der Absatz mit einem Plus von 3 Prozent im abge-laufenen Jahr erwartungsgemäß moderater.

Die deutschen Hersteller konnten ihre starke Marktpräsenz auf dem brasilianischen Markt festigen. Mit einem Marktanteil von mehr als 21 Prozent trug 2011 jeder fünfte Neuwagen ein deutsches Markenemblem.

Japan: große Herausforderungen gemeistertDie Tsunami-, Erdbeben- und reaktorkatastrophe im Frühling 2011 traf in Japan auch den Automobilmarkt hart. Infolge der dramatischen Ereignisse sank mit der wirtschaftsleistung die Nachfrage nach Konsumgütern ebenso wie nach Investitions-gütern. Bereits in den Sommermonaten erreichte das Neuzulassungsvolumen jedoch wieder das Niveau des Jahresanfangs. Über das gesamte Jahr betrachtet sank die Anzahl neu zugelassener Fahrzeuge um 16 Prozent auf 3,5 Mio. Neuwagen.

Die großen Herausforderungen, mit denen Japan im vergangenen Jahr auch in der Automobilindustrie konfrontiert war, hat das Land erfolgreich gemeistert. Dämpfend auf die exportorientierte wirtschaft Japans wirkte der starke Yen, der zusammen mit der konjunkturellen Abschwächung der wichtigen Exportmärkte Japans auch die Aussichten für 2012 etwas trübt.

Mehr als jeder fünfte Pkw kommt von einer deutschen Marke

0

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000

ProduktionNeuzulassung

201120102009200820072006200520042003200220012000

Neuzulassungen und Produktion von Pkw in JapanAnzahl in 1.000

Quellen: JAMA, VDA

Page 20: VDA Jahresbericht 2012 WEB

20Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

China: Prognosen treffen zuDer chinesische Pkw-Markt hat nach zwei Jahren mit wachstumsraten von über 47 Prozent (2009) und 34 Prozent (2010) im abgelaufenen Jahr um noch immer mehr als 8 Prozent zugelegt und stieg auf mehr als 12,2 Mio. Pkw; bezogen auf alle Kraftfahrzeuge stieg der Absatz um rund 2,5 Prozent auf 18,5 Mio. Fahrzeuge. Schon zu Jahresbeginn war klar, dass der Markt die hohen wachstumsraten der Vorjahre nicht würde halten können. Staatliche Kaufanreize liefen bereits im Dezem-ber 2010 aus. Darüber hinaus zeichnete sich ab, dass sich die chinesische regierung verstärkt der Inflationsbekämpfung widmen wird – ein zusätzlich bremsendes Element für die Pkw-Verkäufe.

Auch die zunehmende Verkehrsdichte in den großen Städten und die damit verbun-denen Zulassungsbeschränkungen haben eine retardierende wirkung, allerdings ist das Potenzial in den Städten der zweiten und dritten ordnung noch immer gewaltig.

Seit dem Jahr 2000 ist der chinesische Markt pro Jahr durchschnittlich um mehr als 30 Prozent gewachsen. Und ein Ende des Zuwachses – wenn er auch mit geringerer Drehzahl stattfinden wird – ist nicht abzusehen. Anfang 2011 betrug die Pkw-Dichte in der Volksrepublik gerade einmal 30. Zum Vergleich: In Deutschland kommen auf 1.000 Einwohner über 500 zugelassene Pkw, in den USA ist die Zahl noch höher.

0

5.000

10.000

15.000

20.000

201120102009200820072006200520042003200220012000

Absatz von Kraftfahrzeugen in ChinaAnzahl in 1.000

Quellen: CAAM, Fourin

Page 21: VDA Jahresbericht 2012 WEB

21

Indien: Auf und Ab Der indische Pkw-Markt hat im Jahr 2011 etwas stärkere Turbulenzen erfahren. Zu Jahresbeginn waren die Erwartungen an die Entwicklung sehr positiv, allerdings hat der Markt in den Sommermonaten deutliche rückgänge erfahren müssen. Im Gesamtjahr wurden in Indien 2,5 Mio. Pkw abgesetzt. Zu Beginn des Jahres waren Experten noch von gut 2,7 Mio. Einheiten ausgegangen.

Ursächlich dürfte dafür vor allem die deutlich restriktivere Geldpolitik der indischen Zentralbank sein. Indiens Inflationsrate lag im Jahr 2011 bei rund 9 Prozent. Viele Pkw-Neuanschaffungen werden kreditfinanziert, sodass sich steigende Zinsen direkt negativ auf den Absatz auswirken. Darüber hinaus belasten gestiegene Lebensmittel-preise die Budgets vieler Familien.

Trotz momentaner Unsicherheit bleibt der Blick auf Indien mittelfristig sehr positiv. Indien ist eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften mit einem hohen Nachholbedarf individueller Mobilität.

0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

3.000

201120102009200820072006200520042003200220012000

Absatz von Pkw in IndienAnzahl in 1.000

Quelle: SIAM

Page 22: VDA Jahresbericht 2012 WEB

22Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

russland: unerwartet starker MarktDer russische Pkw-Markt hat im Jahr 2011 einen starken Boom erfahren. Insgesamt stiegen die Verkäufe von Pkw auf über 2,6 Mio. Einheiten. Das entspricht einem Zuwachs von knapp 39 Prozent. Gerade in den ersten Monaten schoss der Absatz – getrieben von einer staatlichen Abwrackprämie – steil nach oben.

Allerdings hat trotz des Booms der Pkw-Markt auch 2011 noch nicht das Vorkrisen-niveau erreicht. Der bisherige Höchststand aus dem Jahr 2008 (knapp 2,9 Mio.) wurde um deutlich mehr als 200.000 Einheiten unterschritten.

Für das wachstum war aber nicht allein die staatliche Förderung erfolgsbestimmend. Die russische Volkswirtschaft ist 2011 um gut 4 Prozent gewachsen. Darüber hinaus war der russische Neuwagenmarkt im Jahr 2009 auf 1,5 Mio. Pkw abgestürzt. Die aufgestaute Nachfrage, die sich seither gebildet hat, wurde 2010 nur partiell befrie-digt, der große Aufholprozess reichte daher bis ins abgelaufene Jahr.

osteuropa: uneinheitliche EntwicklungDas Jahr 2011 war in den neuen EU-Ländern von einer Konsolidierung geprägt. Große wachstumssprünge wie im Anschluss an den EU-Beitritt waren nicht zu verzeichnen. Der Pkw-Markt war leicht rückläufig, wobei anzumerken ist, dass die Entwicklung in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich verlief. Die ökonomischen Aussichten für 2012 sind unter anderem angesichts des bevorstehenden EU-Beitritts von Kroatien und der potenziell positiven wirkungen der Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine als verhalten positiv zu bewerten.

Kaufanreize und Nachholbedarf sorgen in russland für positive Stimmung

EU-Beitritt Kroatiens gilt als möglicher wachstumsfaktor

Pkw-Absatz in RusslandVeränderung ggü. Vorjahresquartal in %

Quelle: AEB

-60

-40

-20

0

20

40

60

80

201120102009

Page 23: VDA Jahresbericht 2012 WEB

23

Die Pkw-Neuzulassungen in den neuen EU-Ländern verfehlten 2011 mit 761.000 Fahrzeugen das Vorjahresergebnis um 3 Prozent. Damit lagen sie auf so niedrigem Niveau wie seit acht Jahren nicht mehr. Es deutet jetzt allerdings einiges darauf hin, dass nun die Bodenbildung eingesetzt hat. Die baltischen Staaten verzeichnen – auf relativ niedrigem Niveau – schon wieder deutliche Zuwachsraten. In der Tschechi-schen republik erhöhte sich der Absatz um 2 Prozent auf 173.000, in der Slowakei stieg er um 7 Prozent auf 68.000, in Ungarn wurden mit 45.000 Pkw 4 Prozent mehr Fahrzeuge als im Vorjahr verkauft. In Polen, dem größten Einzelmarkt der region, kam es zwar zu einem zwölfprozentigen rückgang auf 277.000, hier ist jedoch zu berück-sichtigen, dass Polen das einzige EU-Land war, in dem die Finanzkrise im Jahr 2009 nicht zu einer rezession geführt hat. Hieraus resultierte die stabile Zulassungsmarke von 316.000 im Jahr 2010.

Die deutschen Hersteller erreichten in den neuen EU-Ländern in einem rückläufigen Markt eine Absatzsteigerung um 1,5 Prozent auf über 350.000 Pkw und konnten ihren Marktanteil um zwei Prozentpunkte auf 46,3 Prozent ausbauen. Diese herausragen-de Marktstellung ist auch auf das unternehmerische Engagement in den Ländern selbst zurückzuführen. Die Produktion der deutschen Konzernmarken in den neuen EU-Ländern erreichte mit 1,12 Mio. Pkw (+17 Prozent) einen rekordwert.

In der Türkei entwickelte sich der Pkw-Absatz wieder sehr dynamisch. Die Neuzu-lassungen konnten um 16 Prozent auf 594.000 Pkw ansteigen. Hintergründe für die positive Entwicklung sind eine konsumfreudige Mittelschicht und die vergleichsweise junge Bevölkerung. Diese Faktoren verheißen auch für die kommenden Jahre weite-res Marktpotenzial.

Die Türkei bleibt ein solider wachs-tumsmarkt

Pkw-Absatz in Mittel- und OsteuropaVeränderung 2011/2010 in %

Quelle: VDA

Rumänien

Polen

Slowenien

Tschechien

Ungarn

Slowakei

Türkei

Bulgarien

Ukraine

Russland

Baltische Staaten 71,7

38,7

35,7

22,3

16,4

6,5

3,7

2,4

-1,4

-12,2

-13,6

-20 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80

Page 24: VDA Jahresbericht 2012 WEB

24Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

westeuropa: Entwicklung wie erwartetDer westeuropäische Pkw-Markt war 2011 von der Schuldenkrise gezeichnet. So musste der Markt einen leichten rückgang von rund 1 Prozent hinnehmen. Insge-samt wurden 12,8 Mio. Einheiten abgesetzt, mehr als drei von vier Fahrzeugen in den großen Märkten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien.

wie in osteuropa bilden die Entwicklungen der einzelnen Absatzmärkte ein sehr heterogenes Bild. In den von der Schuldenkrise besonders betroffenen Ländern ging der Absatz auf dem Pkw-Markt erwartungsgemäß am stärksten zurück: Portugal -31 Prozent, Griechenland -31 Prozent, Spanien -18 Prozent und Italien -11 Prozent. Hohe Arbeitslosenraten und eine Verunsicherung über die zukünfti-ge wirtschaftslage drückten auf den Konsum. Doch auch der britische Markt (-4 Prozent) war von einem ausgelaufenen Prämienprogramm sowie einer schwachen Konjunktur betroffen. Ebenso hatte der französische Markt trotz eines guten Jahres-anfangs mit Abwrackprämie und starken Kaufanreizen über das Gesamtjahr mit einem Nachfragerückgang (-2 Prozent) gegenüber 2010 zu kämpfen. Neben dem recht starken deutschen Pkw-Markt, der sich in robuster Verfassung zeigte und um knapp 9 Prozent anstieg, haben vor allem die kleineren Märkte in westeuropa hinzugewonnen. Die Niederlande (+15 Prozent) und Finnland (+13 Prozent) glänz-ten mit zweistelligen Zuwachsraten und auch in Österreich verlief das Jahr 2011 mit einer Absatzsteigerung von 8 Prozent erfreulich.

Von der Schuldenkrise betroffene Länder verzeichnen hohe Absatzrück-gänge

Pkw-Neuzulassungen in WesteuropaVeränderung 2011/2010 in %

Quellen: ACEA, VDA

-35 -30 -25 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20

Ver. Königreich

Spanien

Schweiz

Schweden

Portugal

Österreich

Norwegen

Niederlande

Luxemburg

Italien

Irland

Griechenland

Frankreich

Finnland

Deutschland

Dänemark

Belgien 4,5

9,7

8,8

12,6

15,2

8,3

8,4

5,3

8,4

1,6

0,3

-2,1

-10,9

-31,3

-17,7

-4,4

-31,0

Page 25: VDA Jahresbericht 2012 WEB

25

Nutzfahrzeuge westeuropa: starke Erholung Der Markt für Lkw und Busse in westeuropa zeigte im Jahr 2011 eine viel erfreuliche-re Entwicklung als der Pkw-Markt. Im Vorjahresvergleich konnte der Nutzfahrzeug-markt 9 Prozent hinzugewinnen und setzte somit den Stabilisierungskurs fort. Das Neuzulassungsvolumen stieg auf 1,87 Mio. Fahrzeuge.

Der Markt für Nutzfahrzeuge gliedert sich grob in die Klassen der Transporter, der schweren Lkw und der Busse. während die Neuzulassungszahlen der Busse bei 33.080 stagnierten, legten die schweren Nutzfahrzeuge (ab 6 Tonnen) mit einem Plus von 27 Prozent kräftig zu. Etwa 14 Prozent aller neu zugelassenen Nutzfahrzeuge gehören dieser Klasse an (261.800 Einheiten). Auch die Hersteller der Transporter (bis 6 Tonnen) konnten sich über eine Absatzsteigerung in Höhe von 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr freuen. Der größte Anteil am Neuzulassungsvolumen bei den Nutzfahrzeugen entfällt auf diese Klasse – sie macht 84 Prozent an den gesamten Absatzzahlen aus.

Die Aussichten für den Nutzfahrzeugmarkt sind undeutlich. Möglich ist ein leichtes wachstum von 1 Prozent, wobei sich der Markt für schwere Nutzfahrzeuge volatiler zeigt als der Markt für Transporter.

Bei Nutzfahrzeugen wurde das Vorkrisenniveau in westeuropa fast wieder erreicht

Lkw-Neuzulassungen über 6 Tonnen in ausgewählten Ländern WesteuropasAnzahl in 1.000

Quelle: VDA

0

20

40

60

80

100

SpanienItalienVer. KönigreichFrankreichDeutschland

20102008 20112009

Page 26: VDA Jahresbericht 2012 WEB

26Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

Deutschland: Verunsicherung spürbarDer deutsche Pkw-Markt hat mit 3,17 Mio. Einheiten im vergangenen Jahr die anvisierte Zielmarke erreicht. Allerdings wäre durchaus mehr möglich gewesen. Im Jahresverlauf – kurz vor den sommerlichen Börsenturbulenzen – war die Stimmung auf dem deutschen Pkw-Markt deutlich positiver. Einige Prognoseinstitute sahen sogar ein Marktpotenzial von mehr als 3,3 Mio. Pkw.

Es gab einen gewissen Aufholbedarf nach dem sehr schwachen Jahr 2010. Gerade der private Pkw-Markt – so die Erwartungen zu Beginn des Jahres – sollte Fahrt aufnehmen. Dafür waren die rahmenbedingungen durchaus vorhanden. Der Arbeits-markt zeigte sich im gesamten Jahresverlauf in äußerst robuster Verfassung. Die Entwicklung der verfügbaren Einkommen setzte zusätzlich Impulse.

Der Zuwachs auf dem deutschen Markt wurde vornehmlich vom Dienstwagenge-schäft geschaffen. Über 990.000 Pkw, ein Marktanteil von 31 Prozent an allen Pkw-Neuzulassungen, gingen auf sein Konto. Das ist ein Zuwachs von rund 18 Prozent gegenüber 2010. Schwach hingegen verlief das Privatkundengeschäft. Die Absatzzah-len legten gegenüber 2010 nur etwas über 2 Prozent zu. Der Anteil sank von knapp 43 Prozent auf aktuell nur noch 40 Prozent.

Die Entwicklung der Auftragseingänge war hingegen sehr volatil. Im ersten Quartal legten die orders aus dem Inland um 24 Prozent zu. Nach dem schwachen Vorjah-resquartal und dem erwarteten Nachholeffekt war diese Entwicklung wenig über-raschend. Im zweiten Quartal lag das Bestellplus bei nur noch 2 Prozent. Im dritten Quartal sowie zum Ende des Jahres haben die Bestellungen inländischer Kunden sogar leicht (je 2 Prozent) verloren.

Der Auftragsbestand der deutschen Marken lag im Jahr 2011 kontinuierlich auf hohem Niveau und erreichte mit knapp unter 480.000 Einheiten im Jahresschnitt einen wert, der zuletzt im Jahr 2000 überboten wurde. Der hohe Auftragsbestand war vor allem auf die gute Exportnachfrage zurückzuführen: Die Kapazitäten der Hersteller waren aufgrund des starken Auslandsgeschäfts sehr gut ausgelastet, die Inlands-bestellungen konnten nur langsam abgearbeitet werden. Erst zum Jahresende sank der Bestand leicht: Im Dezember standen noch rund 413.000 orders in den Büchern, 8 Prozent weniger als im Vorjahr.

Mit knapp 3,2 Mio. Neuzulassungen traf die Deutschland-Prognose genau ein

Der Auftragsbestand ist so hoch wie zuletzt im Jahr 2000

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

2011

2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

Pkw-NeuzulassungenJahresbasis (Anzahl in 1.000)

Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt

Page 27: VDA Jahresbericht 2012 WEB

27

Der Marktanteil der deutschen Hersteller hat im Jahr 2011 erneut zugelegt: 70,8 Prozent aller neu zugelassenen Pkw in Deutschland tragen ein deutsches Konzernlogo. Das ist ein Plus von nahezu 1 Prozentpunkt. Verloren haben vor allem die französischen Hersteller (9,8 Prozent, -0,7 Prozentpunkte) und die Japaner (9,4 Prozent, -0,4 Prozentpunkte). Zugelegt haben erneut die Koreaner. Mittlerweile erreichen sie einen Anteil von 4,1 Prozent, das ist ein Zuwachs um 0,3 Prozentpunkte.

Die Segmentierung des deutschen Marktes hat sich im Jahr 2011 hin zu höherwerti-gen Fahrzeugen verschoben. Der Anteil der Mittel- und oberklasse stieg auf knapp ein Fünftel an. Zu den größten Gewinnern zählten die Geländewagen. Mittlerweile beträgt ihr Anteil 11,3 Prozent an den Neuzulassungen in Deutschland, die Zulassungen stiegen gegenüber 2010 um 22 Prozent an. Maßgeblich für diesen Erfolg dürfte vor allem das stark ausgeweitete Angebot kompakterer Fahrzeuge in diesem Segment sein.

weiter verloren haben die Minis, die Kleinwagen und die Kompaktklasse. Sie kommen 2011 auf einen Anteil von 49,4 Prozent, ein Minus von über 3 Prozentpunkten gegen-über dem Vorjahr. Allerdings ist diese Entwicklung noch immer eine Anpassungs-reaktion auf die Umweltprämie. 2009 hatten die Verkäufe in diesen Klassen auf über 62 Prozent angezogen.

Der wettkampf der Antriebssysteme beschränkte sich 2011 wieder einmal haupt-sächlich auf den wettbewerb zwischen Benzin- und Dieselmotoren. Der Selbstzün-der konnte kräftig Boden gutmachen und erreichte einen Marktanteil von knapp über 47 Prozent. Das ist zwar noch nicht ganz wieder das rekordniveau von 2007 (47,7 Prozent), dennoch ist die Aufholjagd erfreulich.

Noch immer beträgt der Marktanteil von Hybridantrieben nur 0,4 Prozent und spielt damit auf dem deutschen Markt gegenwärtig kaum eine rolle. Insgesamt kommen alle alternativen Antriebsarten – Elektro, Hybrid, Gas – auf einen Marktanteil von unter 1 Prozent.

Der Anteil kleinerer Autos an den Neuzulassungen geht zurück

Der Anteil von Pkw mit alternativen Antrieben ist noch verschwindend gering

10

20

30

40

50

Dieselanteil bei Neuzulassungen in %Monatsbasis

Quellen: Kraftfahrt-Bundesamt, VDA

Jan.

06

Jul. 0

6

Jan.

07

Jul. 0

7

Jan.

08

Jul. 0

8

Jan.

09

Jul. 0

9

Jan.

10

Jul. 1

0

Jan.

11

Jul. 1

1

Page 28: VDA Jahresbericht 2012 WEB

28Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

Inlandsproduktion: neuer rekordMit einer Produktion von 5,87 Mio. Pkw erhöhten die Hersteller ihre Inlandsfertigung 2011 um 6 Prozent auf eine neue Höchstmarke. Damit lag die Produktionssteigerung doppelt so hoch wie im westeuropäischen Durchschnitt. Nahezu jeder zweite in west-europa gefertigte Pkw lief von einem deutschen Montageband. Die Kapazitätsauslas-tung in Deutschland stieg im dritten Quartal auf über 90 Prozent an und stabilisierte sich zum Jahresende klar über diesem Niveau. Die inländischen werke der deutschen Hersteller produzieren derzeit aufgrund der guten orderlage unweit der Kapazitäts-grenze. Der Auftragsbestand aus dem Inland wurde zwar in der zweiten Jahreshälfte sukzessive abgebaut, liegt aber weiterhin deutlich über dem langjährigen Durchschnitt.

Exporte: Präsenz auf wachstumsmärktenAuch 2011 waren die Exporte eine wesentliche Stütze für den Automobilstandort Deutschland. Mit über 4,5 Mio. Pkw (+7 Prozent) wurden so viele Fahrzeuge wie niemals zuvor ausgeführt. Die Exportquote erhöhte sich noch einmal um 1 Prozent-punkt auf 77 Prozent, was die hohe Bedeutung der Exporte für die deutsche Auto-mobilindustrie unterstreicht. Über das ganze Jahr hindurch sind die Auslandsorder deutlich gestiegen und haben für ein hohes Auftragspolster gesorgt. Der Anteil der kraftstoffeffizienten Diesel an den Pkw-Exporten konnte bei hohen 43 Prozent gehalten werden.

Dabei wurde ein nachlassendes Geschäft innerhalb der Eurozone im letzten Drittel des Jahres infolge der sich verschärfenden Schuldenkrise durch eine zunehmende Nachfrage aus den aufstrebenden Schwellenmärkten kompensiert.

Fast jeder zweite in westeuropa produ-zierte Pkw stammt aus Deutschland

Mehr als drei von vier Fahrzeugen gehen in den Export

Exporte von Pkw nach Bestimmungsländern 2011Anteile in %

Quelle: VDA

Restliche Welt3

Italien11

SonstigeWesteuropa

11

Spanien6

GB17

Asien14

Osteuropa7

Benelux7

Frankreich9

Amerika14

Page 29: VDA Jahresbericht 2012 WEB

29

Gewichtsverschiebung – Exportregionen außerhalb EuropasBei den Exporten setzt sich die Gewichtsverschiebung der vergangenen Jahre fort. während 2009 noch 61 Prozent aller Ausfuhren nach westeuropa gingen, galt dies 2011 nur noch für jeden zweiten Export-Pkw. Gleichzeitig stieg der Exportanteil der USA von 10 Prozent auf 12 Prozent. Jeder achte ausgeführte Pkw ging nach China, das 2009 erst zu 9 Prozent der deutschen Exporte beigetragen hatte. Die Exporte nach osteuropa konnten im selben Zeitraum von 7 Prozent auf 10 Prozent ausgebaut werden.

Voraussichtlich wird sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren fortsetzen. Hier wirken verschiedene Faktoren wie die Marktsättigung und demografische Aspekte zusammen. westeuropa wird weiterhin ein sehr wichtiger Markt für die deutschen Hersteller bleiben, es wird aber nur ein eingeschränktes Potenzial für Absatzstei-gerungen geben. Zwar kann das Vorkrisenniveau von 14 Mio. Einheiten mittelfristig wieder erreicht werden, eine hohe Dynamik ist dennoch nicht zu erwarten. In den BrIC-Ländern hingegen besteht weiterhin ein großer Nachholbedarf in Bezug auf individuelle Mobilität. Zudem sorgt das wirtschaftswachstum in Form steigender Einkommen für die notwendigen Mittel der privaten Käufer zum Erwerb von Neuwa-gen. Ähnlich ist die Lage auf mittlere Sicht auch in den USA. Die hohen Nachfrage-steigerungen in den aufstrebenden Volkswirtschaften in Asien und Lateinamerika werden die deutschen Hersteller einerseits durch Exporte und andererseits durch eine zunehmende Fertigung in den Ländern selbst decken.

In den BrIC-Staaten besteht weiterhin ein hohes wachstumspotenzial

Page 30: VDA Jahresbericht 2012 WEB

30Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

Pkw-Auslandsfertigung: erneut über Inlands-produktionIm vergangenen Jahr liefen weltweit 12,98 Mio. Pkw deutscher Konzernmarken vom Band. Dabei konnten die deutschen Automobilkonzerne ihre Produktion an den globalen Standorten außerhalb Deutschlands erneut stark ausweiten. Insgesamt liefen dort mit 7,11 Mio. Pkw 17 Prozent mehr Fahrzeuge von den Montagebändern als 2010, was knapp 55 Prozent der Gesamtproduktion entspricht. Damit hat sich die Auslandsfertigung der deutschen Hersteller seit der Jahrtausendwende nahezu verdoppelt. Sie übertraf erneut die Inlandsproduktion von 5,87 Mio. Einheiten. Hier zeigt sich einmal mehr, dass ein Produktionsaufbau außerhalb der heimischen werke keinesfalls einen rückgang der Inlandsproduktion bewirken muss. Inzwischen trägt jeder fünfte weltweit hergestellte Pkw das Markenzeichen eines deutschen Konzerns. Durch den Ausbau der weltweiten Produktion können die deutschen Hersteller verstärkt vom dynamischen Absatzwachstum in den Schwellenländern, aber auch in Nordamerika profitieren. Durch dieses zusätzliche Engagement werden auch Arbeitsplätze in Deutschland gesichert. Seit 2004 konnten sowohl die Inlandsproduk-tion (+13 Prozent) als auch die Auslandsproduktion (+68 Prozent) ausgebaut werden. Somit sind die Erhöhung der Auslandsaktivitäten und die Sicherung des Standorts Deutschland zwei Seiten einer Medaille.

Mobilitätskosten: Kraftstoffe bleiben BremsklotzEin belastender Faktor für den deutschen Pkw-Markt bleibt die Entwicklung der Kraftstoffkosten. Der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte „Autokostenindex“ liefert ein sehr gutes Bild darüber, wie die Autofahrer in Deutschland mit Kostenstei-gerungen konfrontiert sind.

Insgesamt stieg der Autokostenindex im Gesamtjahr 2011 um 4,2 Prozent an. Das ist deutlich mehr als die Lebenshaltungskosten im gleichen Zeitraum (+2,3 Prozent). Es lohnt ein Blick auf die Details: Demnach haben die Kosten für den Neukauf eines Pkw unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts gerade einmal 0,2 Prozent zuge-legt. Daran kann es also nicht liegen. Es ist vielmehr – wie schon so oft – der Unter-halt, der die Kosten in die Höhe treibt. Der Kraftstoff macht natürlich einen großen Teil des Index aus. Hier lagen die Steigerungsraten im Jahr bei 11 Prozent, nach ebenfalls +11 Prozent im Jahr zuvor.

Fast 13 Mio. Pkw deutscher Marken liefen 2011 weltweit vom Band

Die Kosten für Benzin und Diesel stiegen in den vergangenen Jahren prozentual zweistellig

Entwicklung der MobilitätskostenAutokostenindex, 2005=100

Quelle: Statistisches Bundesamt

80

95

110

125

140

Jan. 11Jan. 10Jan. 09Jan. 08Jan. 07Jan. 06

KraftstoffeAutokosten insgesamtGebrauchtwagenNeue Pkw

Page 31: VDA Jahresbericht 2012 WEB

31

Aufholeffekt und industrielle Dynamik sorgen für volle Auftragsbücher

Nutzfahrzeugmarkt Deutschland: starkes Jahr 2011Der Nutzfahrzeugabsatz in Deutschland hat 2011 erwartungsgemäß stark zugelegt. Sowohl in der Klasse der Transporter als auch im Segment der schweren Fahrzeuge hatte der VDA die Absatzprognose im Jahresverlauf angehoben.

Die gesamtwirtschaftlichen rahmenbedingungen waren insgesamt stützend. Nach ersten Schätzungen ist das Transportaufkommen im Straßenverkehr 2011 um knapp 8 Prozent gewachsen. Die Industrieproduktion hat im Gesamtjahr deutlich zugelegt. Hinzu kommt, dass der Markt 2010 noch immer auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau war. Die Mischung aus industrieller Dynamik und notwendigem Aufholeffekt hat sowohl dem Transporter- als auch dem Lkw-Absatz über 6 Tonnen Auftrieb gege-ben. Im Jahr 2011 wurden rund 335.000 Nutzfahrzeuge in Deutschland neu zugelas-sen. Das entspricht einem Zuwachs von 19 Prozent, im Jahr zuvor hat der Markt gut 17 Prozent zugelegt.

Der Transporterabsatz stieg im Jahresverlauf auf knapp 241.000 Einheiten (+18 Prozent). Das ist ein neuer Absatzrekord für die Klasse bis 6 Tonnen. Damit wurde der starke Absturz binnen zwei Jahren wettgemacht. Dabei haben die deutschen Marken den Marktanteil von über 63 Prozent gehalten.

Die Neuzulassungen von schweren Fahrzeugen sind im Jahr 2011 um 21 Prozent auf mehr als 89.000 Einheiten gestiegen. Bereits im Vorjahr stieg der Absatz um mehr als 20 Prozent, dennoch ist das Vorkrisenniveau von beinahe 100.000 Einheiten noch nicht wieder erreicht.

Page 32: VDA Jahresbericht 2012 WEB

32Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

Allerdings war dieses Absatzvolumen aus dem Jahr 2007 auch von erheblichen Übertreibungen gekennzeichnet. Der Fahrzeugbestand wurde binnen kürzester Zeit ausgetauscht und bei vielen Kunden stand vor allem der Kapazitätssicherungsgedanke im Vordergrund. Das aktuelle Marktumfeld, vor allem bei den schweren Nutzfahrzeugen, deutet hingegen auf sehr viel besonnenere Dispositionen bei den Kunden hin.

Die positive Exportentwicklung der deutschen wirtschaft, die anziehende Binnen-nachfrage und die damit einhergehende Transportnachfrage haben im Jahresverlauf dazu geführt, dass die deutsche Nutzfahrzeugindustrie im Jahr 2011 wieder Fahrt aufgenommen hat. Getragen wurde die positive Entwicklung von den Exporten, die um 27 Prozent auf 308.000 Einheiten ausgebaut werden konnten. Hiervon entfiel über ein Drittel auf die Nutzfahrzeuge über 6 Tonnen, deren Ausfuhren sogar um 45 Prozent auf 111.000 Stück gestiegen sind.

Es waren aber nicht allein die Märkte, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Neue Produkte und Technologien, schlankere Prozesse, kundengerechte Dienstleis-tungspakete sowie eine Zunahme der globalen Produktions- und Marktpräsenz haben zusätzlich ihren Beitrag geleistet.

Die Nutzfahrzeugindustrie ist in den letzten Jahren schlagkräftiger geworden und erntet jetzt die Früchte. Mit Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und einer Produktoffensive konnten Absatz und rentabilität erhöht werden. Den Herstellern ist es gelungen, die Produktivität in ihren werken und Fertigungsverbünden weiter zu steigern. 2011 liefen mit 439.000 Einheiten 24 Prozent mehr Nutzfahrzeuge als im Vorjahr von den inländi-schen Produktionsbändern. Dabei verdoppelte sich die Produktion von Nutzfahrzeugen über 6 Tonnen mit 164.000 Stück gegenüber dem Krisenjahr 2009. Zu dem rekordout-put von 2008 fehlen jetzt noch 30 Prozent. Auch die Transporterfertigung in Deutschland konnte 2011 deutlich um 19 Prozent auf 275.000 Fahrzeuge zulegen.

Auch der Aufbau neuer Produktionsstätten im Ausland sowie die Summe der restruk-turierungsmaßnahmen in den einzelnen Unternehmen zeigen nun ihre positiven Effekte: Die Nutzfahrzeugindustrie hat 2011 die Trendwende geschafft, sich dabei auf ihre eige-nen Stärken besonnen und ist insgesamt gestärkt aus der letzten Krise hervorgegangen.

Die Nutzfahrzeugindustrie ist gestärkt aus der Krise hervorgegangen

0

20.000

40.000

60.000

80.000

100.000

201120102009

4. Q3. Q2. Q1. Q

Nutzfahrzeuge Neuzulassungen insgesamtauf Quartalsebene

Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt

Page 33: VDA Jahresbericht 2012 WEB

33

Die Lage bei Anhängern, Aufbauten und Bussen

Hersteller von Anhängern und AufbautenDie erfreuliche Entwicklung in der Transportwirtschaft hat sich 2011 auch bei den deutschen Anhänger- und Aufbautenherstellern bemerkbar gemacht. Der hohe Transportbedarf machte insbesondere in der ersten Jahreshälfte Ersatz- und Erweite-rungsinvestitionen notwendig. Die Auftragseingänge bei den Mehrachsanhängern – allen voran die Bestellungen aus dem Ausland – lagen 2011 insgesamt wieder auf dem langfristigen Absatztrend. Auch bei den Sattelaufliegern zog die Nachfrage aus dem In- und Ausland an, wenngleich das sehr hohe Absatzniveau der Jahre 2006 bis 2008 nicht erreicht wurde.

Die Branche startete mit einer hohen Erwartungshaltung in das Jahr 2011, wobei die hohe Nachfrage nach Transportern eine deutliche Marktbelebung mit hohen order-eingängen und zunehmend besser ausgelasteten Fertigungskapazitäten zur Folge hatte. Im Jahresverlauf ebbte diese Dynamik allerdings ein wenig ab. Zum Herbst hin hinterließen die Diskussion um die Eurokrise, Turbulenzen an den Finanzmärkten und staatliche Sparprogramme erste Bremsspuren in den Nutzfahrzeugmärkten. Dies bedeutet keinen Markteinbruch, dennoch sind die Nutzfahrzeugkunden mit ihren Dispositionen deutlich vorsichtiger geworden. Vor allem kleinere Kunden hielten sich mit Neubestellungen zurück. Zum Jahresende hatte diese Verunsicherung verringerte Auftragsbestände und auch erste Kapazitätsanpassungen zur Folge.

Der Inlandsabsatz schwerer Sattelauflieger über 6 Tonnen konnte 2011 um gut ein Drittel zulegen und erreichte mit 29.500 Zulassungen ein gutes Marktergebnis. Das Volumen blieb dennoch deutlich unter dem Niveau von 2008 mit damals über 41.000 Einheiten. Auch der Markt für schwere Mehrachsanhänger hat sich 2011 nochmals besser entwickelt als erwartet. Dieses Segment erzielte ein Volumen von 26.300 Neuzu-lassungen – ein Niveau, das sogar deutlich über dem Vorkrisenniveau von 2008 liegt.

Inlandsabsatz schwerer Anhänger hat sich positiv entwickelt

Turbulenzen an den Finanzmärkten dämpfen positive Grundstimmung

Page 34: VDA Jahresbericht 2012 WEB

34Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

Der europäische Trailermarkt hat im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Drittel auf 220.000 Einheiten zugelegt, wobei im Jahr zuvor das Zulassungsvolumen schon um 11 Prozent wuchs. Für die kommenden Jahre werden – voraussichtlich mit Ausnahme des Jahres 2012 – weiter steigende Zulassungszahlen schwerer Anhänger erwartet, wenngleich das Marktwachstum weitaus moderater ausfallen dürfte als in den Boom-jahren 2006 bis 2008. Dennoch ist in west- und vor allem auch in osteuropa in den kommenden Jahren mit wachsenden Trailerflotten zu rechnen.

Die Hersteller von Anhängern und Aufbauten für Nutzfahrzeuge haben das Jahr 2011 mit einem Umsatzplus von 30 Prozent auf insgesamt 8,5 Mrd. Euro abgeschlos-sen. wie schon im Vorjahr weitete die Branche ihren Auslandsumsatz stärker als den Inlandsumsatz aus. Das Inlandsgeschäft, das mit 54 Prozent immer noch den größeren Teil des Umsatzes ausmacht, erhöhte sich um 24 Prozent auf 4,6 Mrd. Euro. Ein noch kräftigerer wachstumssprung um 37 Prozent auf insgesamt 3,9 Mrd. Euro konnte auf den ausländischen Märkten erreicht werden. Dies ist ein Beleg dafür, dass die deutschen Anhänger- und Aufbautenhersteller auch in den Exportmärkten gut aufgestellt sind und Marktanteile hinzugewinnen.

Besonders erfreulich ist, dass die Branche 2011 ihren Personalstand deutlich aufge-stockt hat und damit auch die Anhänger- und Aufbautenindustrie ihren Teil zur Belebung des deutschen Arbeitsmarktes beitragen konnte: Mit 30.800 Mitarbeitern waren im Dezember des vergangenen Jahres 7 Prozent oder 2.000 mehr Mitarbeiter beschäftigt als noch ein Jahr zuvor. In der Anhänger- und Aufbautenbranche hatte sich die Krise 2009 besonders stark in der Beschäftigungssituation niedergeschlagen.

Anhänger- und Aufbautenhersteller steigern ihre Umsätze und erhöhen Beschäftigung

Europäische Trailermärkte haben sich 2011 stabilisiert

Page 35: VDA Jahresbericht 2012 WEB

35

Die Aussichten für das laufende Jahr 2012 sind mit einigen Unsicherheiten verbun-den: Fundamental gesehen sind Industriekonjunktur und Transportnachfrage in guter Verfassung. Ungeachtet dessen führt die Staatsschuldenkrise in einigen Ländern der Eurozone dazu, dass die Kunden vorsichtiger geworden sind und sich mit ihren Bestellungen zuletzt wieder zurückhielten. Auf diese Entwicklung reagieren die Hersteller, indem sie vorsorglich leicht vom Gas gehen und eine behutsame Anpas-sung der Kapazitäten vornehmen. Der Nutzfahrzeugmarkt ist seit jeher ein zyklisches Geschäft mit größeren konjunkturellen Schwankungen als im Pkw-Bereich. Daher ist er eher mit der Investitionsgüterindustrie vergleichbar.

Die deutschen Hersteller von Anhängern und Aufbauten haben in den vergangenen Jahren großen wert auf hohe Flexibilität gelegt. Damit gelingt es ihnen, die Produktion kurzfristig anzupassen, Lagerbestände abzubauen und dennoch die Stammbeleg-schaft zu halten. wenn die Stabilisierung der Finanzmärkte gelingt und das Vertrauen auch der realwirtschaft weiterhin gefestigt wird, dürfte sich der Markt mittelfristig wieder auf einem erfreulichen Niveau konsolidieren.

Der überwiegende Teil der deutschen Anhänger- und Aufbautenhersteller geht davon aus, dass der deutsche und der westeuropäische Nutzfahrzeugmarkt in nächster Zeit seitwärts verlaufen wird. Knapp die Hälfte der Hersteller erwartet, dass sich die Kapazitätsauslastung in diesem Jahr konstant entwickeln wird. Dabei rechnet die Branche mit einer stabilen, allenfalls leicht rückläufigen Entwicklung des heimischen Marktes. Das Exportgeschäft dürfte – wie auch in den Jahren zuvor – dagegen etwas stärker zulegen. In Mittel- und osteuropa hat sich das Nutzfahrzeug etabliert, mit der Aussicht auf ein hohes weiteres Absatzpotenzial für die deutschen Hersteller in den kommenden Jahren. Damit sind auch die Erwartungen für die Beschäftigung optimis-tisch: Mehr als ein Drittel der Unternehmen plant für das laufende Jahr, den Personal-bestand auf hohem Niveau halten zu können.

Der deutsche omnibusmarktDer deutsche Busmarkt konnte sich in Anbetracht des schwierigen ökonomischen Umfelds im letzten Jahr mit einem rückgang von 3 Prozent auf 5.040 Fahrzeuge noch relativ gut behaupten. Auch der Bestand war leicht rückläufig auf knapp 76.000 Busse. Die rahmenbedingungen verschlechterten sich und wirkten sich ungünstig auf den Inlandsabsatz aus; die Branche hatte unter auslaufenden staatlichen Förder-maßnahmen, steigenden Kraftstoffkosten und ausgeweiteten Umweltzonen zu leiden. Bei den Busreisen erreichte die Anzahl der reisenden aus Deutschland im vergange-nen Jahr dennoch einen neuen rekord. Im nächsten Jahr sind die Aussichten für die Busneuzulassungen als verhalten einzuschätzen. Im reisebusbereich könnten mittel-fristig Impulse aus dem Deutschlandtourismus und aus den bustouristischen Kurzrei-sen kommen. Die geplante Liberalisierung im Buslinienfernverkehr würde ebenfalls positive Auswirkungen auf den Markt haben.

Staatsschuldenkrise in der Eurozone stellt risikofaktor dar

Busgeschäft behauptet sich in schwie-rigem Umfeld

Page 36: VDA Jahresbericht 2012 WEB

36Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

Die Lage der Automobil-Zulieferindustrie

Zulieferer im VorwärtsgangHinter der deutschen Automobil-Zulieferindustrie liegt ein sehr erfolgreiches Jahr. Der Umsatz wuchs im Vergleich zum Vorjahr um 12,3 Prozent auf 69,1 Mrd. Euro. Damit wurde der bisherige Umsatzrekord aus dem Jahr 2007 übertroffen. Im Sog des beeindruckenden Exportgeschäfts der deutschen Automobilhersteller konnten auch die Zulieferer ihre wettbewerbsposition stärken.

Das Auslandsgeschäft legte gegenüber dem vorangegangenen Jahr überproportional zu. Der Exportumsatz wuchs mit 18 Prozent auf 24,9 Mrd. Euro doppelt so stark wie das Inlandsgeschäft, das inzwischen weniger als zwei Drittel des Gesamtum-satzes der Branche ausmacht. Die Zulieferer konnten auch hier ihren Umsatz um 9,3 Prozent auf 44,2 Mrd. Euro steigern. Die Gesamtentwicklung unterstreicht aber die steigende Bedeutung der internationalen Märkte für die deutschen Zulieferer. Einen dringend notwendigen Effekt des Umsatzwachstums messen die Unterneh-men auch in den Ertragskennzahlen. So sanken nach einer Studie der IKB aufgrund der gestiegenen rohstoffpreise zwar die roherträge; die Zulieferer konnten im lang-jährigen Vergleich aber trotzdem ein gutes Niveau beim Gewinn vor Steuern in Höhe von 4,8 Prozent halten.

Der starke Export stützt auch die Beschäftigung in der Branche, die 2011 leicht um 3,5 Prozent gestiegen ist. Im Jahresdurchschnitt waren 284.100 Mitarbeiter bei den Zulieferern beschäftigt, fast 10.000 Arbeitnehmer mehr als im Jahr zuvor.

Binnennachfrage und starker Export sorgen für zweistelliges Umsatz-wachstum

0

10

20

30

40

50

60

70

80

2011

2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

Umsatz und Beschäftigung in der Automobil-Zulieferindustrie (nach Betrieben)

Quelle: Statistisches Bundesamt

180

200

220

240

260

280

300

320

340

Um

satz

in M

rd. E

uro

Beschäftigte in 1.000

Beschäftigte Umsatz

Page 37: VDA Jahresbericht 2012 WEB

37

wettbewerbsdruck und InnovationNach schwieriger wirtschaftlicher Situation zu Beginn der 90er-Jahre hat die deut-sche Zulieferindustrie ihre Produktion in der Folge stetig verbessert. Durch anhal-tende Produktivitätssteigerungen, das richtige Gespür für die Kundenwünsche und Ideenreichtum ist es den Unternehmen gelungen, Innovationen in erfolgreiche und marktfähige Produkte zu wandeln. In Kooperation mit den Herstellern, die die Produkte in ihre Fahrzeugkonzepte integrieren, konnten zudem in den letzten Jahren wieder neue Käuferschichten erschlossen werden. Beispiele hierfür sind effizienz-verbessernde Entwicklungen wie die Start-Stopp-Automatik und Energierückgewin-nungssysteme, die weiterentwicklungen bei den Direkteinspritzsystemen oder auch die große Bandbreite von Fahrerassistenzsystemen. Innovative Unternehmen erzeugen mit ihren Entwicklungen Druck auf ihre wettbewerber. Diese setzen sich ohne eigene Innovationen dem Konsolidierungstrend in der Branche aus und müssen oft um ihre Eigenständigkeit fürchten. Die deutschen Zulieferer gehören zu den Gewinnern der Entwicklung. Heute kommen der größte und der drittgrößte Automobilzulieferer der welt aus Deutschland; viele andere gehören zu den umsatz-, vor allem aber zu den innovationsstärksten Unternehmen.

Dies ist ein gutes Zeugnis für die Standortqualität in Deutschland: Durch sich ständig verändernde rahmenbedingungen bleibt die Entwicklung im Automobilsektor perma-nent in Bewegung. Für die Zukunft gibt es noch viele Bereiche, in denen Innovationen weitere Effizienzsteigerungen bringen werden oder ein aus der Innovation gewonnener Zusatznutzen die Kunden begeistert.

Insbesondere die multimediale Vernetzung der Fahrzeuge bietet weiteren raum für Innovationen. Auch der Technologiesprung hin zur Elektromobilität und künftig deren Effizienzverbesserung wird noch weitere Generationen von Ingenieuren beschäftigen. Umso wichtiger ist es für die Branche, auf ein gut ausgebildetes reservoir von Fach-kräften zurückgreifen zu können. Hier sind auch flankierende politische Entscheidun-gen notwendig, die den künftigen Bedarf für die wirtschaft sichern.

Deutsche Zulieferer fahren dank ihrer Innovationskraft an der weltspitze

Page 38: VDA Jahresbericht 2012 WEB

38Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

Zuliefererstandort Deutschland unter der LupeIm Zuge der voranschreitenden Globalisierung und der Erschließung neuer Märkte ringen die deutschen Unternehmen mit ihren internationalen wettbewerbern um neue Kunden. Unter Beachtung der regionalen Eigenheiten ist jedes Unternehmen gefordert, künftige Märkte zu analysieren, Trends zu erkennen und seine Unternehmensstrategie darauf auszurichten. Besonders durch erfolgreiche Innovationen kann die wettbewerbs-fähigkeit gesichert werden. weiterentwickelte Fertigungstechnologien und die Auswahl von optimalen werkstoffen ermöglichen eine konkurrenzfähige Produktion.

Das Institut der deutschen wirtschaft Köln (Iw) ist im Auftrag des VDA der Frage nachgegangen, welche maßgeblichen Impulse schon jetzt messbar sind und die künftigen Trends bestimmen, welche Handlungsoptionen sich anbieten und wo bereits risiken zu erkennen sind. Die Studie „Zukunft der Automobilzulieferer“ beleuchtet die gegenwärtige Situation und thematisiert die Herausforderungen für die Branche. Eine zentrale Fragestellung dabei ist, wie sich Deutschland als Produktionsstandort für die Zulieferindustrie entwickeln wird – vor dem Hintergrund, dass die befragten Unter-nehmen eine Ausdehnung der schon vorhandenen Auslandsaktivitäten vornehmlich in den BrIC-Staaten planen. Das betrifft neben der Produktion vor allem Vertrieb und Kundenbetreuung, aber auch die Entwicklung. Die Studie ist als Band 44 der VDA-Schriftenreihe „Materialien zur Automobilindustrie“ erschienen.

Studie beleuchtet die Zukunft der deutschen Zuliefererindustrie

Zukünftige Auslandsaktivität nach Geschäftsfeldernin %

Quelle: IW Consult (2011), Unternehmensbefragung im Auftrag des VDA

0 20 40 60 80 100

Verringerung bestehender Aktivität Weiterhin keine Aktivität

Zusätzliche neue Aktivität

Ausdehnung bestehender AktivitätKonstanz bestehender Aktivität

Absatz

Produktion

Grundlagenforschung

Entwicklung

Applikation

Management

Vertrieb

Kundenbetreuung/Aftermarket

Page 39: VDA Jahresbericht 2012 WEB

39

Belastungsfaktoren in der wertschöpfungsketteUnternehmen brauchen Planungssicherheit, um ihre Produktionsziele einhalten zu können. Gerade das Jahr 2011 hat wieder einmal gezeigt, wie viele mögliche Ereig-nisse nicht a priori berücksichtigt werden können. Lokale Naturkatastrophen können zum globalen Produktionsrisiko werden. Die Sensibilität der weltweiten Lieferverflech-tungen wurde durch die Ereignisse in Japan und Thailand einmal mehr offensichtlich; in beiden Fällen war insbesondere die Verfügbarkeit von elektronischen Bauteilen vorübergehend beträchtlich eingeschränkt. Schon in der Vorstufe, beim Einkauf von rohstoffen, hat sich in den vergangenen Jahren ein dramatischer wandel vollzo-gen. Die ungleiche Verteilung wichtiger industrieller rohstoffe über einzelne Länder und der Zugriff von wenigen, global ausgerichteten rohstoffproduzenten haben die Machtverhältnisse deutlich verschoben.

Die Preisexplosion bei den oft zitierten seltenen Erden sorgten für Schlagzeilen. Zwar errang die wTo kleinere Erfolge, indem China diskriminierende Handelsbeschrän-kungen untersagt wurden. Dadurch werden die Probleme bei der Preisfindung von rohstoffen aber nicht maßgeblich gelöst werden – oligopolistische rohstoffpreise allein können die immer wiederkehrenden Preisschocks bei den rohstoffen nicht erklären. Denn es ist nicht nur die Dominanz einzelner Länder bei bestimmten rohstoffen oder die Konzentration auf wenige Anbieter, die die Preise der rohstoffe maßgeblich beeinflusst: Mit dem Jahr 2000 fiel der Startschuss für die Deregulierung der rohstoffmärkte. Einige große Finanzinstitutionen haben seitdem den rohstoffhan-del als neues Spielfeld entdeckt. Spekulative Finanzmarktakteure, also jene, die den rohstoff weder verarbeiten noch verbrauchen, erhöhen den Preis des Endprodukts um deren Bruttospekulationsgewinn. Sie drängen sich zwischen rohstoffproduzenten und den verarbeitenden Abnehmer und erhöhen den Kostendruck. wenn der Speku-lationsaufpreis nicht innerhalb der wertschöpfungskette kompensiert werden kann, steigt für das Produkt sogar die Gefahr der Substitution oder die einer generellen Kaufzurückhaltung.

Gegensteuern kann hier die kürzlich gegründete „Allianz zur rohstoffsicherung“ (ArS), an der bedeutende deutsche Industrieunternehmen auch aus der Automobil-industrie beteiligt sind. Ziel der Allianz ist der Aufbau von Beteiligungen an rohstoff-projekten vornehmlich im Ausland, um so den Bezug von wichtigen rohstoffen für die deutsche Industrie zu verbreitern und zu sichern. Trotz der drohenden wirtschafts- und Finanzkrise in einigen Mitgliedsstaaten der Eurozone sendeten die deutschen mittelständischen Unternehmen 2011 vornehmlich positive Signale. So wird von den Unternehmen die Finanzierungssituation generell besser als noch im Jahr 2010 empfunden. Der Kreditzugang ist leichter, die Eigen-kapitalquote wurde gestärkt. Bei den mittelständischen Unternehmen ist sie auf 18 Prozent gestiegen, bei Großunternehmen auf 30 Prozent. Diese Vorsorge ist positiv zu bewerten, denn eine angemessene Eigenkapitalquote schafft einen Puffer für wirt-schaftlich schwierigere Zeiten.

Ereignisse wie Naturkatastrophen lassen sich nicht im Vorhinein berück-sichtigen

Unternehmen empfinden Finanzsituati-on besser als 2010

Page 40: VDA Jahresbericht 2012 WEB

40Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

Mittelstand forciert GlobalisierungSchon seit einiger Zeit wird die Globalisierung nicht allein von großen, international expandierenden Konzernen dominiert. Viele mittelständische Unternehmen haben bereits eigene praktische Erfahrungen gesammelt. Die weltweite Liberalisierung der Märkte eröffnet neue Absatzchancen. Gesunkene Transport- und Kommunikations-kosten reduzieren die Kosten der Direktinvestition ebenfalls und wirken – wie der technische Fortschritt – als Katalysatoren. Die Auswahl des Ziellandes kann verschie-dene Motive haben. oft sind es geringere Arbeitskosten oder der Markt ist nur mit einer lokalen Niederlassung zu erschließen. wie die Iw-Studie zeigt, sind aber weiter-hin Marktnähe und Marktabsicherung die Hauptmotive für Investitionen im Ausland.

Laut der Herbstumfrage 2011 des BDI-Mittelstandspanels sehen deutsche Unterneh-men die eigenen Stärken in der Produktqualität, der Kundennähe, der Beratung und im Service. Ihre ausländischen wettbewerber setzen häufig vor allem ein niedrigeres Kostenniveau dagegen. Doch auch wenn nicht jeder Betrieb aus Deutschland mit 50 Mitarbeitern in China, russland oder Indien lokal tätig werden kann, seine Liefe-rungen sollten das wachsende internationale Sourcing ebenso berücksichtigen, wie dies in einer internationalen wertschöpfungskette erfolgt. Der VDA unterstützt seine Mitglieder daher bei ihren Globalisierungsstrategien und setzt sich für fairen wettbe-werb ein. Er beobachtet die internationalen Entwicklungen und fordert die Politik zum Handeln auf, wenn wettbewerbsnachteile drohen.

Marktnähe und Marktabsicherungen sind Hauptgründe für Auslands-investitionen

Quelle: IW Consult (2011), Unternehmensbefragung im Auftrag des VDA

Motive für die Internationalisierung

0 20 40 60 80 100

Verfügbarkeit von Rohstoffen

Kapitalkosten

Steuern, Abgaben, Subventionen

Regulierung, Bürokratie in Deutschland***

Rechtssicherheit**

Ausnutzung von Skaleneffekten

Verfügbarkeit von Fachkräften

Regulierung im Ausland*

Absicherung von Währungsrisiken

Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort

Arbeitskosten inkl. Abgaben

Produktionskosten

Auslandsproduktion eines Kunden

Marktentwicklung, Marktgröße

Marktnähe

* z. B. Local Content, Handelsbeschränkungen etc.

** Vertragsdurchsetzung, Patentschutz etc.

*** Umweltschutz, Arbeitsauflagen, Genehmigungsverfahren

Page 41: VDA Jahresbericht 2012 WEB

41

Networking in ChinaDie deutsche Automobil-Zulieferindustrie schätzt das Potenzial des chinesischen Marktes weiterhin hoch ein. Das ungebrochene Interesse am eigenen Auto signa-lisiert den Herstellern weiteres wachstum, das nur mithilfe der Zulieferer befriedigt werden kann. Die deutschen Zulieferer betreiben in China etwa 180 Fertigungsstätten mit mehr als 60.000 Mitarbeitern. Insgesamt wird die Zahl der in China ansässigen Zulieferer auf etwa 8.000 Unternehmen geschätzt, einige der chinesischen Firmen sind inzwischen sogar Global Player. Diese Entwicklung will die regierung in China weiter fördern und bemüht sich um die Konsolidierung in der Branche. Die Studie „Automobilindustrie und Mobilität in China: Plan, wunsch und realität“ von PwC Autofacts zeigt, unter welchen Einflussfaktoren sich die Nachfrage im größten Auto-mobilmarkt der welt entwickelt. Die Studie ist als Band 43 der VDA-Schriftenreihe „Materialien zur Automobilindustrie“ erschienen.

Um am hohen wachstum zu partizipieren, ist es für deutsche Zulieferer unerlässlich, in China vertreten zu sein. Allerdings weitete die chinesische regierung zuletzt wieder die Handelshemmnisse aus, um den Druck auf ausländische Produzenten zu erhöhen und Joint Ventures zu forcieren. Die Gefahr von ungewolltem Know-how-Transfer ist nicht von der Hand zu weisen.

Der Austausch mit anderen Vertretern der Branche über den Verband bleibt essen-ziell. Der VDA hat deshalb in China einen Zulieferer-round-Table etabliert. Dieses Netzwerk steht über die Abteilung „Zulieferindustrie und Mittelstand“ im VDA allen Interessenten unter den Mitgliedsunternehmen offen. Über einen lokalen Dienstleister bietet der VDA zudem Unterstützung bei geplanten Ansiedlungen an.

VDA-MittelstandskreisDie Herstellergruppe III im VDA ist mittelständisch geprägt. Von unseren Mitglieds-unternehmen beschäftigen 83 Prozent weniger als 1.000 Mitarbeiter. Auch große, insbesondere familiengeführte Unternehmen zählen zum industriellen Mittelstand. Für ihre Interessen engagiert sich der VDA besonders stark. Viele sind hochinnovativ und mit kurzen Entscheidungswegen sehr flexibel. Aber sie kämpfen auch häufig mit erschwerten Finanzierungsbedingungen. In vielen Situationen gibt es spezielle Instrumente zur Problemlösung für mittelständische Firmen, die beispielsweise andere Finanzierungsansätze als Aktiengesellschaften wählen müssen oder vom Fachkräfte-mangel stärker betroffen sind als große Konzerne.

Um all diesen Fragestellungen ein Forum zu geben, bietet der VDA seinen Mitglie-dern den Mittelstandskreis als Plattform an. Einmal im Jahr organisiert dieser den VDA-Mittelstandstag, in dessen Mittelpunkt der Informationsaustausch für alle an der automobilen wertschöpfung beteiligten Firmen steht.

Im offenen Dialog diskutieren rund 200 Führungskräfte mit Vertretern der oEM, aber auch mit externen Stakeholdern wie Banken oder Vertretern der Politik über die Perspektiven und Probleme der Branche. Der 12. Mittelstandstag fand im Mai 2012 in Gravenbruch bei Frankfurt unter dem Titel „Innovation und offene Märkte – neue Strategien der Zusammenarbeit?“ statt.

China ist ein lukrativer, aber auch schwierig zu erobernder wachstums-markt

Informationsplattform dient dem Erfahrungsaustausch mittelständischer Firmen

Page 42: VDA Jahresbericht 2012 WEB

42Z A H LE N, DATE N, FA KTE N

KooperationsportalDer VDA stellt allen Mitgliedern ein spezielles Informationsportal für den Bereich der Zulieferindustrie zur Verfügung. Unter www.vda-kooperationsportal.de können Interessenten in verschiedenen Datenbanken kostenlos recherchieren. So bietet der „VDA-Herstellernachweis“ Informationen über die Mitgliedsunternehmen der Zulieferindustrie. Das Portal bietet außerdem die Möglichkeit, Kooperationsanfragen einzustellen und den Kontakt zu den geeigneten Firmen herzustellen. Mitglieds-unternehmen, die noch nicht in der Datenbank aufgeführt sind, können sich beim VDA registrieren lassen. Das Kooperationsportal wird im Jahr 2012 weiter ausgebaut und unter anderem um Dienstleistungsfirmen rund um die Zulieferbranche erweitert.

VDA-rating-ToolDas rating-Tool ist ein von Herstellern und Zulieferern verwendetes Instrument, mit dem Firmen ihre Bonität selbst bewerten können. Als Quasi-Standard hat es sich in der Automobilbranche etabliert und findet breite Anwendung. Das rating-Tool wird regelmäßig an neueste Entwicklungen angepasst, um eine hinlänglich genaue, den Anforderungen der Gläubiger entsprechende Projektion der finanziellen Situation zu erhalten. Der Bilanzteil des Tools wird als Bonitätsnachweis gegenüber Kunden in der Automobilindustrie anerkannt.

Leitfaden zu FördermittelberaternUnternehmen aus der Automobilindustrie können für ihre Investitionsvorhaben verschiedene Möglichkeiten staatlicher Förderung in Anspruch nehmen. Infrage kommen Mittel des Bundes, der Länder und Kommunen bis zu öffentlichen Institutionen wie der Förderbank Kfw. Die Übersicht darüber, was in welcher Höhe gefördert wird und welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen, erschließen sich vielen gera-de mittelständischen Firmen oft nicht auf Anhieb. Der VDA hat daher in den vergange-nen Monaten Gespräche mit zahlreichen automobilnahen Dienstleistern geführt. Auf Basis dieser Gespräche ist ein Leitfaden entstanden, der mittels Kurzporträts durch die Kompetenzen und Leistungen wichtiger Berater führt. Dieser Leitfaden kann kostenlos über die VDA-Abteilung „Zulieferindustrie und Mittelstand“ bezogen werden.

VDA-VorsorgemanagementDer VDA bietet mit seinem Vorsorgemanagement eine speziell auf die mittelständi-sche Automobilindustrie zugeschnittene innovative Branchenlösung für die gesamte Mitarbeiterschaft an, mit der unter anderem finanzielle Vorsorge für den ruhestand geschaffen werden kann. Ein großer Vorteil dieses Konzeptes ist die Nutzung best-möglicher Konditionen und Leistungen über einen Gruppentarif. Außerdem können bei einem Arbeitgeberwechsel die bis dahin angesammelten Ansprüche auf den neuen Arbeitgeber übertragen werden. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, Mitarbeiter im Kreis der teilnehmenden Unternehmen zu halten. weitere Informatio-nen zu diesem Modell sind unter www.vda-vorsorgemanagement.de zu finden oder als Broschüre beim VDA zu beziehen.

recherchemöglichkeiten werden um Dienstleister erweitert

Firmen können ihre Bonität selbst bewerten

Instrument unterstützt Unternehmen bei der Altersvorsorge für die Beschäf-tigten

Page 43: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 44: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 45: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Weltwirtschaft und Welthandel

Daniel Gandner – Marketingreferent, F.S. Fehrer Automotive GmbH, Kitzingen

Page 46: VDA Jahresbericht 2012 WEB

46w E LT w I rTS C H A FT U N D w E LTH A N D E L

Die Globalisierung der deutschen Automobilindustrie

Der Erfolg der deutschen Automobilindustrie beruht ganz wesentlich auf der Strategie der Hersteller und Zulieferer, Chancen auf den weltmärkten frühzeitig zu erkennen und zu nutzen. Deutschland ist aber nicht nur eine führende Exportnation, sondern auch mit Blick auf Importe und Direktinvestitionen ein Global Player.

Exporte: Die deutsche Automobilindustrie setzt traditionell auf den Export. 77 Prozent der Pkw-Inlandsproduktion werden im Ausland verkauft. Das waren im vergangenen Jahr 4,5 Mio. Pkw (+7 Prozent) – so viele Fahrzeuge wie noch nie zuvor.

Importe: Deutschland hat eine im internationalen Vergleich hohe Importquote. 30 Prozent der knapp 3,2 Mio. im Jahr 2011 in Deutschland verkauften Pkw stammen von Importeuren. In anderen automobilproduzierenden Ländern ist die Importquote meist geringer; so beträgt sie in Südkorea 8 Prozent und in Japan nur rund 5 Prozent.

Gleichzeitig produzieren deutsche Hersteller auch Fahrzeuge im Ausland, die dann unter anderem in Deutschland verkauft werden. Daher liegt der Anteil der im Ausland gefertigten Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen heute schon bei mehr als 50 Prozent. Zudem kaufen die Hersteller und Zulieferer weltweit ein: Insgesamt wurden im Jahr 2011 Teile und Zubehör im wert von 36,2 Mrd. Euro nach Deutschland importiert. Das waren im Vergleich zum Vorjahr 14 Prozent mehr (2010: 32 Mrd. Euro).

Direktinvestitionen: Die Mitglieder des VDA haben im Ausland mehr als 2.000 Produk-tions- und Montagestätten in mehr als 70 Ländern. Im Jahr 2010 war die Auslandspro-duktion von Pkw mit 6 Mio. Stück erstmals höher als die Inlandsproduktion (5,6 Mio.). Im Jahr 2011 setzte sich dieser Trend fort: Die Auslandsproduktion lag bei 7 Mio. Pkw, die Inlandsproduktion bei 5,9 Mio. Pkw.

Deutschland ist auch bei den Importen ein Global Player

Page 47: VDA Jahresbericht 2012 WEB

47

Die deutschen Hersteller und Zulieferer bauen ihre Auslandsfertigung kontinuier-lich aus und folgen mit ihrer Produktion den Absatzmärkten – und natürlich auch den attraktiven Produktionsstandorten. Bisher ist sowohl die Auslands- als auch die Inlandsproduktion weiter gewachsen. Um die wettbewerbsfähigkeit des Stand-ortes Deutschland auch künftig zu erhalten und zu stärken, ist für unsere Industrie in Deutschland und Europa ein weltweites Level Playing Field – also ein fairer wettbe-werb – von größter Bedeutung. Denn in Zukunft wird sich das wachstum vermehrt in den Schwellenländern und Märkten der dritten reihe konzentrieren.

Ein ungehinderter Marktzugang ist daher ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die deutsche Automobilindustrie. So wurden im Jahr 2009 mehr als 60 Prozent aller Pkw-Ausfuhren in westeuropa abgesetzt, zwei Jahre später waren es nur noch 50 Prozent. Die wachstumsregionen außerhalb der EU – China, Indien, die ASEAN-Staaten, Lateinamerika, die USA sowie russland und Teile osteuropas – werden für die deut-sche Automobilindustrie immer wichtiger.

Allerdings sind in zahlreichen Staaten außerhalb der EU Einfuhrhindernisse vorzu-finden. Hohe Zölle und andere Abgaben – die in einigen Fällen den Preis des Neuwagens zum Teil mehr als verdoppeln – sowie technische und administrative Handelshemmnisse (Non-Tariff Barriers, NTB) müssen daher weiter abgebaut werden, um die wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie nicht unverhältnismäßig zu beeinträchtigen. Gleichzeitig hat der Abbau von Handelsschranken ebenso positive Auswirkungen auf unsere Handelspartner, denn auch sie erhöhen ihre Exportpotenzi-ale und können stärker am großen europäischen Markt partizipieren.

Fairer wettbewerb ist für die deutsche Industrie von größter Bedeutung

Page 48: VDA Jahresbericht 2012 WEB

48w E LT w I rTS C H A FT U N D w E LTH A N D E L

Herausforderungen in der Handelspolitik

Die wTo am ScheidewegDer VDA setzt sich für eine multilaterale welthandelsordnung ein. Hierdurch würde eine unübersichtliche Vielzahl unterschiedlicher Handelsbeziehungen vermieden, Unternehmen und öffentliche Institutionen könnten wesentlich effi zienter arbeiten. Die welthandelsorganisation wTo hat sich ein solches Ziel gesetzt und will insbe-sondere über die sogenannte Doha-runde auf multilateraler Ebene zum Abbau von Handelshindernissen beitragen.

Bisher ist es jedoch nicht gelungen, die Doha-runde zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen. Die Tendenz geht sogar teilweise wieder in die entgegengesetzte richtung. So wird im rahmen der G-20-Treffen regelmäßig über neue protektionis-tische Maßnahmen berichtet. Umso wichtiger wird damit die Stärkung der wTo als wächter des internationalen Handels: Nur sie kann bei internationalen Unstimmig-keiten über handelspolitische Fragen effektiv eingreifen. Einzelstaaten haben hier weitaus weniger Einfl uss als ein wTo-Schiedsspruch.

Freihandelsabkommen konsequent verhandelnDer VDA setzt sich für die Stärkung und damit auch für die reform der wTo ein. Der Königsweg wäre ein erfolgreicher Abschluss der Doha-runde, der derzeit jedoch noch nicht abzusehen ist. Daher forcieren wichtige Handelspartner seit einiger Zeit bilaterale Abkommen. Dieses Vorgehen wird – als „zweitbeste Lösung“ – auch von der deutschen Automobilindustrie unterstützt. Bei den Verhandlungen der EU mit anderen Handelspartnern ist aber stets die besondere Situation der Automobilindustrie zu berücksichtigen, da gerade diese Branche in vielen Ländern durch hohe Zölle, weitere Abgaben und nichttarifäre Handelshemmnisse geschützt ist.

Der VDA setzt sich für eine Stärkung der welthandelsorganisation ein

Der Export lebt vom Marktzugang Abkommen im Jahr 2012

Quelle: VDA

Page 49: VDA Jahresbericht 2012 WEB

49

Der aktuelle Fall Indien zeigt, wie schwer es ist, Schwellenländer von den Vorteilen des Abbaus von Handelsverzerrungen zu überzeugen. Bei dem derzeit verhandelten Abkommen schlägt die deutsche wirtschaft vor, dass sowohl die Zölle als auch die technischen Hindernisse vollständig abgebaut werden. Davon würden nicht nur die europäischen Hersteller und Zulieferer, sondern ebenso die indischen Unternehmen profitieren: Die in Indien produzierenden Pkw-Hersteller haben schon heute einen Handelsbilanzüberschuss mit Deutschland und der gesamten EU. Ergebnis der Verhandlungen mit Indien wie auch mit künftigen Verhandlungspartnern muss sein, zu einem für alle Seiten fairen Abschluss zu kommen, der den Handel in beide rich-tungen öffnet – selbst wenn dies mit mehrjährigen Übergangsfristen für den außer-europäischen Handelspartner verbunden ist.

Neben Indien haben die Verhandlungen mit den ASEAN-Staaten hohe Priorität. Bedauerlicherweise konnte bislang nicht erreicht werden, dass der ASEAN-raum als Ganzes mit der EU verhandelt. So sollte die EU nach dem ersten Abkommen mit Singapur zügig mit weiteren Staaten verhandeln, um die für die Zukunft der Industrie wichtigen Märkte zu öffnen.

Die EU sollte sich bei der Auswahl ihrer weiteren Partner für Freihandelsabkommen eng an ökonomischen Kriterien orientieren und vorab umfassende Folgenabschät-zungen (Impact Assessment) vornehmen. Die Verhandlungen kosten Zeit und binden wertvolle ressourcen – daher ist es umso wichtiger, dass sich Europa auf die wesent-lichen Zukunftsmärkte konzentriert.

Beispiele für Zollschutzreine Zollsätze ohne weitere Abgaben wie Excise Duties

40

30

20

10

50

60

100

80

90

70

Thailand Indonesien Malaysia PhilippinenIndien

ASEAN

60 %

0

80 %

40 %

30 % 30 %

Russland

35 %

MERCOSUR

35 %

China

25 %

Japan

0 %

Quelle: Europäische Kommission, VDA

Indien würde von beiderseitigen Zoll-senkungen profitieren

Page 50: VDA Jahresbericht 2012 WEB

50w E LT w I rTS C H A FT U N D w E LTH A N D E L

Die regulatorische Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern stärkenIn vielen wichtigen Märkten sind es heute weniger die Zölle, die den Marktzugang erschweren, als vielmehr regulatorische Besonderheiten. So sind bei der Zulassung von Fahrzeugen häufig landesspezifische Vorschriften zu beachten und Fahrzeuge technisch anzupassen. Das kann mit hohen Kosten verbunden sein, sodass sich die Bearbeitung einzelner Märkte mitunter kaum lohnt.

Dieses risiko besteht auch bei Zukunftstechnologien wie der Elektromobilität. Daher hat sich die deutsche Industrie im rahmen des transatlantischen Dialogs „TEC“ (Transatlantic Economic Council) zum Ziel gesetzt, für die Elektromobilität einen einheitlichen rahmen für die USA und die EU abzustimmen. Darüber hinaus wird eine „hochrangige EU-US-Arbeitsgruppe für Arbeitsplätze und wachstum“ unter dem Dach des TEC eingerichtet, mit der Aufgabe, Möglichkeiten zur Förderung des trans-atlantischen Handels und zur Schaffung von Arbeitsplätzen intensiv zu prüfen.

Auch in Japan liegt noch eine reihe von Einfuhrhemmnissen vor. obwohl das Land keine Pkw-Einfuhrzölle erhebt, ist der Importanteil im internationalen Vergleich sehr gering. Um ein Level Playing Field zu schaffen, muss Japan aus Sicht der deut-schen Automobilindustrie seinen Markt vermehrt über den Abbau von nichttarifären Handelshemnissen (NTB) öffnen.

Japan selbst hat ein starkes Interesse an einem Freihandelsabkommen mit der EU. Denn nachdem die EU mit Südkorea ein solches Abkommen abgeschlossen hat, das für die südkoreanische Automobilindustrie einen vollständigen Abbau der EU-Einfuhr-zölle vorsieht, haben die japanischen Hersteller gegenüber Südkorea einen relativen wettbewerbsnachteil. Sie müssen den EU-Einfuhrzoll für Pkw in Höhe von 10 Prozent weiterhin entrichten. Ein Abkommen mit Japan analog zu Südkorea sieht die deutsche Industrie jedoch kritisch, da gerade die nichttarifären Hemmnisse in Japan eine große rolle spielen. oft sind diese Hemmnisse auch kulturell bedingt und über ein Abkom-men nur schwer abzubauen.

Gerade in den wachstumsländern von heute und morgen sind immer wieder Maßnahmen zu beobachten, die den Marktzugang behindern oder das Potenzial dazu haben. Diese Länder setzen verstärkt auf besondere regulierungen und Local- Content-Bedingungen, also auf Maßnahmen, die eine lokale Produktion im Vergleich zu Importen begünstigen.

Teilweise werden von den regierungen Maßnahmen eingeführt, die ganz konkret dem Schutz der lokalen Industrie dienen sollen. Ein Beispiel hierfür ist die Steuererhöhung auf importierte Pkw in Brasilien, bei denen ein bestimmter Zuliefereranteil (Local-Content) nicht erreicht wird. Abgesehen von den bedenklichen protektionistischen Tendenzen dieser Maßnahmen stellt sich die Frage, ob solche Methoden überhaupt zum gewünschten Erfolg führen. Die Erfahrungen in Europa zeigen, dass offener wettbewerb und faire rahmenbedingungen vermehrt zu Innovationen und Markt-erfolgen führen. Vor diesem Hintergrund setzt sich die deutsche Automobilindustrie stark für einen konstruktiven Austausch mit den jeweiligen Handelspartnern ein, um volkswirtschaftlich sinnvolle und zukunftsweisende Lösungen zu erarbeiten. Dabei sollten immer die regeln der wTo beachtet werden, die als übergeordnetes regel-werk für den fairen internationalen Handel gelten.

Die deutschen Hersteller und Zulieferer sind mit ihrer Exportorientierung stark auf den weltweiten Marktzugang angewiesen. Gleichzeitig sind die EU und insbesondere Deutschland ein großer, attraktiver und offener Markt für die globale Automobil-industrie. Politik und wirtschaft müssen hier an einem Strang ziehen, um die rahmen-bedingungen weiter zu verbessern.

Landesspezifische Vorschriften erschweren den Marktzugang

wachstumsländer setzen verstärkt auf Maßnahmen zur Produktion im eigenen Land

Page 51: VDA Jahresbericht 2012 WEB

51

Übersicht der handelspolitischen Themen: Abkommen und Marktzugang

Thema Stand Ziele der deutschen Automobilindustrie

Doha-runde Verhandlungen stocken, Abschluss nicht in Sicht

Multilateraler Zollabbau; verbesserter Marktzugang in Schwellenländern; der VDA hält eine Einschränkung der den Schwellenländern eingeräumten Flexibilität für erforderlich

Freihandelsabkommen mit Indien

Verhandlungen laufen; indische Seite bislang nicht zum Abbau von Einfuhrzöllen bereit

Vollständiger Zollabbau auf beiden Seiten, gegebenenfalls mit Übergangsfristen für die indische Seite

Freihandelsabkommen mit ASEAN-Staaten

Komplexe Verhandlungen laufen mit nur einzelnen Mitgliedern (Singapur, Malaysia) und nicht mit Gesamt-ASEAN; Automobilindustrie fast überall sensibler Sektor

Vollständiger Zollabbau auf beiden Seiten und Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen

Freihandelsabkommen mit Südkorea

Abkommen trat zum 1. Juli 2011 „vorläufig“ in Kraft;Exporte aus Südkorea in die EU gegenüber Exporten aus der EU nach Südkorea werden einseitig bevorteilt

Abbau und Verhinderung von weiteren Non-Tariff Barriers in Südkorea

Freihandelsabkommen mit dem MErCoSUr

Verhandlungen stocken wiederaufnahme der Verhandlungen mit klarem Zeitplan;Abbau einzelner protektionistischer Maßnahmen

China EU verhandelt über Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, ein Upgrade des Trade and Economic Cooperation Agreement von 1985

Gestaltung eines Abkommens, das den Handel und die Kooperation effektiv erleichtert; Abbau von Handelshemmnissen

Japan Scoping Exercise läuft mit dem Ziel, die Aufnahme von Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zu prüfen

Intensivere Zusammenarbeit mit Japan zunächst im nichttarifären Bereich

russland wTo-Beitritt beschlossen Umsetzung des wTo-Beitritts; Abbau von Maßnahmen, die nicht dem regelwerk der wTo entsprechen (zum Beispiel Local- Content-Anforderungen)

USA Transatlantischer working Plan zur Elektromobilität im rahmen des TEC beschlossen; Positionsfindung im rahmen einer High Level working Group

regulatorische Harmonisierung sowie verstärkte transatlantische Integration

Quelle: VDA

Page 52: VDA Jahresbericht 2012 WEB

52w E LT w I rTS C H A FT U N D w E LTH A N D E L

Das Jahr 2011 war von erheblicher Volatilität an den rohstoffmärkten geprägt. Der HwwI-rohstoffpreisindex ist auf Eurobasis im Jahresdurchschnitt um über 22 Prozent gestiegen. Der größte Treiber waren einmal mehr die Energierohstoffe rohöl und Kohle, die um mehr als 25 Prozent anzogen. Die Entwicklung der Industrierohstoffe verlief etwas ruhiger – hier stiegen die Notierungen aber noch immer um rund 9 Prozent an.

Dabei war die Entwicklung im Jahresverlauf sehr uneinheitlich. Im ersten Quar-tal haben die rohstoffpreise auf breiter Front angezogen, im Zuge der weltweiten konjunkturellen Abkühlung sanken die Notierungen ab Mitte des zweiten Quartals. Die klassischen rohstoffe des Automobilbaus, vor allem Stahl und Nichteisen-metalle, haben im Jahresverlauf leicht nachgegeben und die automobile wertschöpfung dadurch entlastet.

Keine Entspannungssignale allerdings gingen von den Entwicklungen bei Kautschuk, bestimmten Kunststoffsorten und vor allem bei seltenen Erden aus. Neben der reinen Preisentwicklung beobachtet die deutsche Automobilindustrie die Versorgungssituation mit Sorge. Der VDA begrüßt daher das im rahmen der rohstoffpolitischen Bemühungen geschlossene Abkommen mit der Mongolei sowie die rohstoffpartnerschaft mit Kasachstan. Aus Sicht der Automobilindustrie ist die politische Flankierung in Form von Abkommen ein sinnvolles Instrument der rohstoffsicherung.

Ein wichtiger Baustein in der rohstoffversorgung der deutschen Industrie wird die Allianz zur rohstoffsicherung sein. Ziel ist die nachhaltige Sicherung der rohstoffver-sorgung über Engagements bei rohstoffprojekten im Ausland. In dieser Allianz haben sich mit Unterstützung des VDA mittlerweile zwölf Unternehmen zusammengefunden, um industrieübergreifende Minenprojekte zu entwickeln und über einzelne Projekt-gesellschaften auch in den Abbau einzusteigen. Im Fokus stehen zunächst Kokskohle, wolfram und seltene Erden. Das rohstoffportfolio ist flexibel und kann je nach Bedarf angepasst werden. Zu den Gründungsmitgliedern zählen auch Unternehmen der Automobilindustrie. Die Allianz steht weiteren interessierten Unternehmen offen.

Der VDA hat im Jahr 2011 sein Engagement in rohstofffragen erneut erweitert. So wurden Kooperationen mit anderen Verbänden der rohstoffverarbeitenden Indust-rien initiiert oder erweitert und das Expertennetzwerk ausgedehnt. Der VDA hat ein Expertenpanel aus Industrievertretern zu diversen rohstoff-Transparenzinitiativen in den USA und Europa eingesetzt und in den entsprechenden Gremien die Mitglieder umfassend informiert.

Rohstoffversorgung und Rohstoffbelastung

Die Versorgungssituation bei seltenen Erden ist angespannt

Neue Allianz soll rohstoffversorgung nachhaltig sichern

Page 53: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 54: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 55: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Europapolitik

Zlatan Imsic – Extrusionslinienführer X-Liner, Veritas AG, Gelnhausen

Page 56: VDA Jahresbericht 2012 WEB

56E U r o PA P o LIT I K

Die europäische Gesetzgebung im Zeichen der Staatsschuldenkrise

Der europäische Binnenmarkt und der Euro haben zur Erfolgsgeschichte der deutschen Automobilindustrie einen wichtigen Beitrag geleistet, der einheitliche währungsraum hat sich als Faktor für wachstum und wohlstand in Deutschland insgesamt erwiesen. Allerdings sind die Länder der Eurozone seit dem vergangenen Jahr mit einer Staatsschuldenkrise konfrontiert, die seit der Einführung der Gemein-schaftswährung im Jahr 2001 einmalig ist. Eine entschlossene Politik zur Konsolidie-rung und Fortentwicklung der EU ist dringend geboten. Aller Voraussicht nach wird es aber auch im Fall der günstigsten Entwicklung noch Jahre dauern, bis diese Krise endgültig ausgestanden ist.

wie wichtig eine starke industrielle Basis ist, um wachstum und Arbeitsplätze zu generieren, haben die vergangenen Jahre deutlich gezeigt: Dass Deutschland bislang so gut durch diese Krise gekommen ist, hängt auch mit dem vergleichsweise hohen Industrieanteil von rund 25 Prozent an der gesamten wertschöpfung zusammen. Das ist eine Quote, die zahlreiche Staaten der EU und der Eurozone nicht mehr erreichen. Die gesunde Industriestruktur Deutschlands stellt auch unter Beweis, wie wichtig es ist, nicht allein auf Dienstleistungen und Finanzmärkte zu setzen: Es sind gerade die weltweiten Exporterfolge der deutschen und europäischen Industrie, die kräftige wachstumsimpulse ausgelöst haben und dazu beitragen, dass die EU insgesamt ein hohes wohlstandsniveau hält und die Staaten ihre Haushaltsherausforderungen im Grundsatz schultern könnten.

Bedenklich aus Sicht der Automobilindustrie ist jedoch, dass die Interessen des industriellen Sektors von Brüssel im Vergleich zum Finanz- und Dienstleistungssektor deutlich zu schwach vertreten werden. In der Folge läuft der regulierungsprozess der EU-Kommission nahezu unberührt von den Turbulenzen um die Staatshaushalte und deren rettung weiter. Das führt dazu, dass Initiativen der Kommission oder Beschlüs-se von rat und Parlament von der ökonomischen realität oft weit entfernt sind. Zwei aktuelle Beispiele illustrieren dies.

Seit dem vergangenen Jahr ist in Europa die Tendenz zu beobachten, Länder mit Handelsbilanzüberschüssen an den Pranger zu stellen. So zuletzt geschehen in den sogenannten Sixpack-Verordnungen zur Koordinierung der wirtschaftspolitik inner-halb der EU.

Dieses Gesetzespaket zur frühen Erkennung wirtschaftlicher Ungleichgewichte enthält ein Kapitel, das Sprengstoff für wirtschaftlich besonders leistungsfähige Länder in der EU bietet. Die entsprechende Verordnung trägt den Titel „regulation of the European Parliament and of the Council on the Prevention and Correction of Macroeconomic Imbalances“ („Maßnahmen des EU-Parlaments und des EU-rats zur Vorbeugung und Korrektur von gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichten“). Danach sollen EU-Staaten, die deutlich mehr exportieren als importieren, in Zukunft mit Sank-tionen belegt werden können: Ab einem Leistungsbilanzüberschuss von 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts drohen entsprechende Strafmaßnahmen.

Als Begründung wird angeführt, dass derartige Länder zur wirtschaftlichen Instabilität Europas beitrügen, weil ihre wirtschaft einseitig auf Export ausgerichtet sei und ihr wachstum auf dem rücken der Nachbarn gedeihe. Insbesondere Deutschland, so der Vorwurf aus Teilen der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments, schade mit seiner Unternehmens- und Lohnpolitik den anderen EU-Staaten und sorge über kurz oder lang für eine wirtschaftliche Schieflage mit höherer Arbeitslosigkeit und wachsenden Schulden.

Die Interessen des industriellen Sektors in Europa kommen in Brüssel zu kurz

Eine Eindämmung von Exportüber-schüssen würde auf Bestrafung leistungsfähiger Staaten hinauslaufen

Page 57: VDA Jahresbericht 2012 WEB

57

Dabei sind es gerade die wettbewerbsfähigen und exportstarken Länder, die die EU in die Lage versetzen, schwächere Mitgliedsländer zu stützen und für deren Staats-haushalte zu bürgen. Diese wirtschaftliche Stärke von Ländern wie Deutschland, den Niederlanden oder den nordeuropäischen Staaten ist vor allem einer global aufge-stellten, wettbewerbsfähigen Industrie zu verdanken. Es stellt sich daher die Frage, wie Europa wirtschaftlich wieder gesunden soll, wenn die Politik nach dem Motto agiert: „Der Langsamste bestimmt das Tempo.“ Stattdessen sollten die Schnellen nicht gebremst, sondern gestärkt werden, damit sie die Langsameren unterstützen können. Anderenfalls wird Europa im globalen wettbewerb zurückfallen.

Auch bei der geplanten reform der Energiesteuerrichtlinie zeigt sich ein inkonse-quentes Vorgehen des europäischen Gesetzgebers. Die Pläne der EU-Kommission sehen vor, die Besteuerung von Energieträgern und Kraftstoffen zukünftig von deren Energiegehalt und von den Co2-Emissionen abhängig zu machen. Dies hätte zur Folge, dass der Dieselsteuersatz stark stiege und generell über dem Benzinsteuersatz läge. Jahrelang waren jedoch auch deshalb hohe Summen in moderne Dieselmotoren investiert worden, weil die europäische Politik diesen Kraftstoff unter dem Klima-schutzaspekt positiv bewertet hat. Dieser hart erarbeitete wettbewerbsvorteil – der Dieselanteil in westeuropa liegt über 50 Prozent, die deutschen Konzernmarken sind technologisch weltweit führend in der Dieseltechnologie – würde durch eine forcierte Steuererhöhung zunichtegemacht. Das EU-Parlament lehnte die Pläne der Kommissi-on im April 2012 mit überwältigender Mehrheit ab.

Die europäische Industrie hat sich als wirtschaftlich stabiler Anker erwiesen und zur Erhaltung von Beschäftigung und wohlstand maßgeblich beigetragen. Um diese Position auch künftig zu sichern, sollte dieser Sektor wieder mehr in laufende Gesetz-gebungsverfahren einbezogen werden. Denn von einer wettbewerbsfähigen und innovativen Industrie profitieren alle.

Zu weiteren Details der Energiesteuerrichtlinie siehe Kapitel „Steuern und Zölle“, Abschnitt „Die Energiesteuerrichtlinie“.

reformpläne der EU-Kommission beim Diesel sind mit den Klimazielen nicht vereinbar

Page 58: VDA Jahresbericht 2012 WEB

58E U r o PA P o LIT I K

CARS 21 – bessere Gesetzgebung für den Automobilsektor

Um die Positionen aller an der europäischen rechtsetzung beteiligten Akteure berücksichtigen zu können, hat die EU die sogenannte High Level Group CArS 21 geschaffen. Sie setzt sich aus hochrangigen Vertretern der EU-Kommission, der Mitgliedsstaaten, der Automobilhersteller und -zulieferer und deren Verbänden sowie verschiedener nichtstaatlicher organisationen (NGos) zusammen. Diese stimmen sich idealerweise so ab, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren alle automobilwirt-schaftlichen Aspekte berücksichtigt werden können.

Der VDA unterstützt diesen Prozess aktiv, getragen von der Überzeugung, dass ein kontinuierlicher und offener Dialog mit den EU-Institutionen sowie mit anderen Interessengruppen eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Politik zur Stärkung des Industriestandorts Europa ist. Die beiden wichtigsten Leitprinzipien aus diesem Prozess für die europäische Gesetzgebung sind die „Bessere rechtsetzung“ und der „Integrierte Ansatz“. Allerdings werden die durch CArS 21 gewonnenen Ergebnisse und daraus resultierenden Empfehlungen im weiteren Gesetzgebungspro-zess noch nicht hinreichend berücksichtigt.

Das Leitprinzip „Bessere rechtsetzung“Der Leitsatz „Bessere rechtssetzung“ („Better regulation“) im rahmen von CArS 21 zielt vor allem darauf ab, die Folgewirkungen, insbesondere die Kosten einer Gesetzgebung für die Unternehmen in Europa, fair und realistisch abzuschätzen. Zwar werden bestimmte Kostenabschätzungen bereits heute regelmäßig vorgenommen. Doch beziehen sich diese immer nur isoliert auf das jeweilige Gesetz, nicht auf die Gesamtfolgen in relation zu bereits bestehenden Gesetzen und regulierungen. Daher ist es bis heute nicht gelungen, einen vollständigen Überblick über die Kosten der gesamten Gesetzgebung für den Automobilsektor zu gewinnen. So sind die Kosten für individuelle Mobilität durch das Zusammenfallen verschiedener Co2-, Abgas- und Sicherheitsgesetze in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Diese höheren Kosten trägt letztlich der Autofahrer.

Darüber hinaus haben die Gesetze zum Teil kontraproduktive Auswirkungen: So steigt durch – per se begrüßenswerte – höhere Sicherheitsstandards und strengere Abgas-vorschriften das Gewicht und damit der Kraftstoffverbrauch. Dies steht im Gegensatz zur Co2-regulierung der EU, die eine strikte Verbrauchssenkung vorschreibt. Diese Einflüsse werden in der regel nicht in einer Gesamtbetrachtung bewertet, was die Erfüllung der jeweiligen gesetzlichen Auflagen durch die Industrie erschwert.

Mit dem Ziel, ihre Gesetzgebungsarbeit zu verbessern, nutzt die EU zwar das Instru-mentarium der Kostenanalyse; damit sollen die finanziellen Auswirkungen der eigenen Gesetzgebung auf die betroffenen Unternehmen oder Konsumenten besser beurteilt werden können. Allerdings dient diese Analyse in Brüssel häufig nur als rechtferti-gungsinstrument für politisch gewollte Entscheidungen. Dies trifft beispielsweise auf alle bisherigen Co2-regulierungen zu. Die EU sollte jedoch diese Analyse nutzen, um mit ihrer Hilfe überhaupt erst eine Entscheidungsgrundlage für eine geplante regulierung zu schaffen. Im Fokus muss die Frage stehen, ob mit den verabschiede-ten Gesetzen das ursprünglich verfolgte Ziel überhaupt erreicht werden kann. Zudem sollte die EU prüfen, ob bestehende Gesetze vereinfacht oder gar abgeschafft werden können – Schritte, die zu einer Bürokratieentlastung und damit zu Kosteneinsparun-gen in den Unternehmen führen würden.

Politik, Automobilindustrie und NGos sitzen an einem Tisch

Einzelgesetze haben Gesamtbelastung der Branche nicht im Blick

Page 59: VDA Jahresbericht 2012 WEB

59

Das Leitprinzip „Integrierter Ansatz“Im rahmen von CArS 21 wurde auch das Modell des „Integrierten Ansatzes“ entwickelt: Bei Verfolgung eines bestimmten regulierungsziels werden die Beiträge aller maßgeblich Beteiligten einbezogen. Durch diesen Prozess wird deutlich, dass ein wichtiges Ziel wie die weitere reduktion von Co2-Emissionen im Straßenverkehr nicht allein durch technische Maßnahmen an den Fahrzeugen erreicht werden kann, sondern auch durch Stauvermeidung durch moderne Verkehrstelematik oder durch verbessertes Fahrerverhalten – ein Stichwort sind hier Spritsparkurse.

In der Praxis jedoch geht die EU nach wie vor den vermeintlich einfachsten weg, indem sie auf technische regulierungsansätze direkt am Fahrzeug zielt, während die anderen Aspekte kaum oder gar nicht berücksichtigt werden. Damit lässt der Gesetzgeber die weiteren Co2-Senkungspotenziale ungenutzt – mit der Folge, dass die gewünschten Klimaschutzziele schwer oder gar nicht erreichbar sind. Darüber hinaus führt dieser regulierungsansatz zu einseitigen und hohen Kostenbelastungen der Automobilindustrie – mit negativen Auswirkungen auf deren internationale wett-bewerbsfähigkeit.

Gelingt es der EU nicht, die in CArS 21 beschlossenen Grundsätze in ihren regulie-rungsprozess einzubeziehen, droht sich die Politik auf europäischer Ebene unglaub-würdig zu machen. Der gute Ansatz der hochrangigen Gruppe „CArS 21“ würde damit untergraben.

Bisherige regulierung lässt Co2-Senkungspotenziale außer Acht

Page 60: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 61: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Steuern und Zölle

Isabella Ansorena – Industriemechanikerin, Sachbearbeiterin Arbeitsvorbereitung, smk - systeme metall kunststoff GmbH & Co. KG, Filderstadt

Page 62: VDA Jahresbericht 2012 WEB

62STE U E r N U N D ZÖ LLE

Steuerpolitische Herausforderungen für die Automobilindustrie

In der aktuellen Steuerpolitik stehen aus Sicht der deutschen Automobilindustrie zwei Themen im Mittelpunkt: die Steuervereinfachung und die Energiebesteuerung. Bei der Steuervereinfachung geht es darum, die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung enthaltenen Vereinfachungsmaßnahmen umzusetzen. Bei der Energiebesteuerung stehen neben der Kraftstoffbesteuerung vor allem die strom- und energiesteuerlichen regelungen für das produzierende Gewerbe in Form der sogenannten Ökosteuer im Fokus. Eine besondere rolle spielt auch die Besteuerung von Elektrofahrzeugen. Hier müssen die Ergebnisse der Nationalen Plattform Elektromobilität umgesetzt und die steuerlichen rahmenbedingungen verbessert werden. Bei der Firmenwagenbesteu-erung ist eine Schlechterstellung der Elektrofahrzeuge gegenüber Fahrzeugen mit herkömmlichen Antrieben zu beseitigen.

Das Ziel der Bundesregierung, die Steuerpraxis zu vereinfachen und von unnötiger Bürokratie zu befreien, ist zu begrüßen. Die bislang umgesetzten Maßnahmen – sieht man von der elektronischen rechnungsübermittlung ab – tragen diesem Ziel aller-dings nur bedingt rechnung. Im Gegenteil drohen in verschiedenen Bereichen sogar immense Verkomplizierungen. An erster Stelle ist die sogenannte Gelangensbestäti-gung zu nennen, die den Unternehmen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen eine neue Nachweispflicht ohne erkennbaren Nutzen auferlegt. So muss eine Bestätigung des Abnehmers vorgelegt werden, aus der hervorgeht, dass der Liefergegenstand wirklich in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist. Mit Fug und recht wird hier von einem Bürokratiemonster gesprochen. Auch die geplante und immer wieder verschobene Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte und die elektronische Übermittlung von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen sind nach jetzigem Kenntnisstand kein Beitrag zur Entbürokratisierung und Steuervereinfachung.

Hinzu kommt, dass sich die im Steuervereinfachungsgesetz 2011 umgesetzten Maßnah-men in erster Linie auf den Arbeitnehmer- und den Privatbereich erstrecken, etwa bei den Kinderbetreuungskosten. Erleichterungen für Unternehmen bringen neben den bundeseinheitlichen Standards für eine zeitnahe Betriebsprüfung, die zu mehr Planungs- und rechtssicherheit beitragen sollen, vor allem die Vereinfachungen bei der elektronischen rechnungsausstellung. Bei der Gleichstellung von Papier- und elekt-ronischen rechnungen und der reduzierung der Anforderungen kann man sogar von einem Meilenstein auf dem weg zu einem modernen Besteuerungsverfahren sprechen, aus dem sich ganz erhebliche Möglichkeiten zum Bürokratieabbau ergeben.

Statt Steuervereinfachung stehen neue bürokratische Hemmnisse bevor

Page 63: VDA Jahresbericht 2012 WEB

63

Vereinfachte elektronische rechnungs-legungDurch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 sind die umsatzsteuerlichen Anfor-derungen an elektronische rechnungen zum 1. Juli 2011 reduziert worden:

• Dem rechnungsaussteller ist nach dem neuen recht – mit Zustimmung des rechnungsempfängers – die Übermittlungsart der elektronischen rechnung freigestellt (zum Beispiel per E-Mail).

• Die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der rechnung können durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren gewährleistet werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Leistung und rechnung herstellen können.

• Die Verwendung einer qualifizierten digitalen Signatur oder des EDI-Verfah-rens (Electronic Data Interface) ist für die elektronische Übermittlung einer rechnung nur noch optional und nicht mehr zwingend.

Zur Abwicklung der elektronischen rechnungslegung hat der VDA die Best- Practice-Empfehlung VDA4938 Teil 2/Global INVoIC entwickelt. Sie definiert den technischen rahmen, um elektronische Abrechnungsdokumente auf möglichst effiziente und effektive weise auszutauschen, die Vielzahl der nati-onalen/internationalen Formate und Standards zu verringern und die inter-nationale Akzeptanz des Abrechnungsverfahrens zu erhöhen. Auf Basis der Änderungen durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 – Gleichstellung von elektronischen rechnungen und rechnungen in Papierform – sollen zudem Lösungen für KMU angeboten werden.

In der geplanten zweiten Stufe des Steuervereinfachungspakets müssen weite-re „echte“ Vereinfachungen umgesetzt werden. Aus Sicht der Automobilindustrie gehören dazu vor allem die Einführung einer modernen Gruppenbesteuerung und die Vereinfachung des reisekostenrechts.

Bei der Besteuerung von organschaften sollte die Abschaffung des Gewinnabfüh-rungsvertrags im Vordergrund stehen. Die geltende regelung geht mit erheblichen betriebswirtschaftlichen Fehlanreizen einher und bindet die steuerliche Anerkennung der Ergebniszusammenfassung an hohe gesellschaftsrechtliche Hürden. Bei der Verlustverrechnung, die auch neu strukturiert werden soll, sollte die Abschaffung der Mindestbesteuerung in Angriff genommen werden.

Mit der reform des steuerlichen reisekostenrechts sollen die bestehenden bürokra-tischen Belastungen bei Erfassung, Nachweis, Prüfung und Auswertung von Dienst- und Geschäftsreisen abgebaut werden. Von einem einfacheren reisekostenrecht profitiert nicht nur die wirtschaft, sondern auch die Finanzverwaltung. Die Änderun-gen dürfen aber nicht mit höheren reisekostenausgaben oder zusätzlichen Sozialver-sicherungslasten für die Unternehmen einhergehen oder zu einer Schlechterstellung der Beschäftigten führen. Echter Bürokratieabbau und nicht fiskalische Überlegungen müssen im Mittelpunkt einer reform des steuerlichen reisekostenrechts stehen. Beim Ansatz von Fahrtkosten bietet es sich an, die Vereinfachung der Firmenwagenbesteu-erung mit der reform des steuerlichen reisekostenrechts zu verbinden.

Ein übersichtlicheres reisekostenrecht würde auch der Finanzverwaltung nutzen

Page 64: VDA Jahresbericht 2012 WEB

64STE U E r N U N D ZÖ LLE

Die Energiebesteuerung

Ende 2012 läuft die beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission für den Spitzensteuerausgleich aus. Nach dem Energiekonzept der Bundesregierung sollen Ermäßigungen bei der Strom- und Energiesteuer für Unternehmen des produzieren-den Gewerbes (Spitzenausgleich) nur noch gewährt werden, wenn die Unternehmen einen nachprüfbaren Beitrag zur Energieeinsparung leisten. Für die deutsche Auto-mobilindustrie ist es wichtig, dass Nachfolgeregelungen getroffen werden, die ihre internationale wettbewerbsfähigkeit nicht gefährden. Die regelungen müssen praktikabel ausgestaltet sein, weitere Belastungsverschärfungen müssen vermieden werden.

Das Bundesfinanzministerium hatte Anfang des Jahres Eckpunkte eines referenten-entwurfs bekannt gegeben. Demnach soll die erste Stufe der Energiesteuerentlas-tung, der ermäßigte Steuersatz für Unternehmen, wie bisher bestehen bleiben. Dies entspricht einer Forderung des VDA. Diese Entlastungsstufe stellt insbesondere für klein- und mittelständische Unternehmen, die in der regel keine Entlastung aus dem Spitzenausgleich beanspruchen können, eine Grundentlastung zur Vermeidung einer übermäßigen Energie- bzw. Stromsteuerbelastung dar. Aus Gründen der Entbürokra-tisierung sollte allerdings anstelle des nachträglichen Erstattungsverfahrens der ermä-ßigte Steuersatz – analog der regelung vor 2011 – wieder zur Anwendung kommen. Die Gewährung des Spitzenausgleichs soll an die Einführung von Energiemanage-mentsystemen anknüpfen. Die Automobilindustrie hält es allerdings für geboten, dass solche Energiemanagementsysteme nach internationalen Standards anerkannt werden. Die Vorgabe von Effizienzkriterien ist kritisch zu sehen. Denn dies kann dazu führen, dass bereits energieeffiziente Unternehmen im Vergleich zu nicht energieeffi-zienten Unternehmen steuerlich benachteiligt würden.

Die Energiebesteuerung darf die wettbewerbsfähigkeit der deutschen wirtschaft nicht gefährden

Vorschlag zur Energiebesteuerung: das Zweistufenmodell Nach den Vorschlägen des VDA-Arbeitskreises „Energiebesteuerung“ sollte die Entlastung von der Energie- bzw. Stromsteuer für Unternehmen des produzie-renden Gewerbes wie bisher in zwei Stufen erfolgen:

• In der ersten Stufe soll den Unternehmen ein ermäßigter Steuersatz einge-räumt werden. Als Voraussetzung soll hier lediglich die bereits bewährte Zuordnung eines Unternehmens zum produzierenden Gewerbe erforderlich sein. Ein Energiemanagementsystem ist nicht erforderlich.

• Die zweite Entlastungsstufe (Spitzenausgleich) soll Unternehmen eine weitere Senkung der Steuerbelastung bis zur Höhe der in der Energiesteuer-richtlinie definierten Mindeststeuersätze gewähren, sofern das begünstigte Unternehmen mithilfe von Energiemanagementsystemen oder vergleichba-ren Maßnahmen Energieverbräuche erfasst und eine effiziente Nutzung von Energie sicherstellt oder einen Beitrag zur Effizienzsteigerung leistet.

Die Definition konkreter Effizienzziele wird hierbei abgelehnt, da dadurch bereits erbrachte Vorleistungen (Effizienzmaßnahmen) im rahmen der Ener-giesteuerentlastung keine Berücksichtigung fänden und bereits energieeffizi-ente Unternehmen im Vergleich zu nicht effizienten Unternehmen steuerlich benachteiligt wären.

Page 65: VDA Jahresbericht 2012 WEB

65

Durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 ergaben sich Änderungen bei der Energiebe-steuerung für das produzierende Gewerbe (Ökosteuer) für die Jahre 2011 und 2012:

Änderungen bei der Ökosteuer 2011/2012• Abschaffung des ermäßigten Stromsteuersatzes (12,30 Euro/Mwh) und

Ersatz durch ein vom Volumen her geringeres Steuerentlastungsverfahren. Im Ergebnis verringerte sich die Steuerermäßigung von 40 Prozent

• (8,20 Euro/Mwh) auf 25 Prozent (5,13 Euro/Mwh).

• Erhöhung der Sockelbeträge (Selbstbehalte): § 10 (§ 9b neu) StromStG: von 512,50 Euro auf 1.000 Euro § 54 EnergieStG: von 205 Euro auf 250 Euro § 55 EnergieStG: von 307,50 Euro auf 750 Euro

• Absenkung der Entlastungssätze in § 54 EnergieStG (Schweröle, Erdgas und andere) um bis zu 37,5 Prozent (Erdgas: von 2,20 Euro auf 1,38 Euro).

• Senkung des Entlastungssatzes beim Spitzenausgleich von 95 Prozent auf 90 Prozent

• Neuregelung des Nutzungs-Energie-Contractings (Einschränkung von Steuerentlastungen bei Abgabe von Nutzenergie an Dritte, „schädliches Contracting“)

Page 66: VDA Jahresbericht 2012 WEB

66STE U E r N U N D ZÖ LLE

Die EU-Energiesteuerrichtlinie

Die Europäische Kommission hatte am 13. April 2011 einen Vorschlag zur Neufassung der EU-Energiesteuerrichtlinie vorgelegt. Dieser sieht bei der Kraftstoffbesteue-rung die Abschaffung der bisher geltenden mengenbasierten Mindestbesteue-rung vor. Stattdessen soll eine unabhängig von der Art des Kraftstoffs einheitliche Mindestbesteuerung auf Basis des Energiegehalts und der verbrauchsbedingten Co2-Emissionen erfolgen. Mit dem Ziel der einheitlichen Besteuerung sollen die Mindeststeuersätze für Kraftstoffe beginnend im Jahr 2013 in drei Schritten bis zum Jahr 2018 angeglichen werden. Zudem soll eine erweiterte Übergangsregelung gelten.

was auf den ersten Blick physikalisch korrekt und steuersystematisch sinnvoll erscheinen mag, erweist sich bei näherer Betrachtung als ökonomisch und ökolo-gisch widersprüchlich. Denn mit dieser grundsätzlichen Umkehrung der Struktur der Mineralölbesteuerung und dem Anknüpfen am Energiegehalt käme es zu dem fatalen Ergebnis, dass der Dieselsteuersatz stark angehoben werden müsste. Das wiederum würde zu erheblichen Marktverwerfungen führen und die Anstrengungen der deut-schen Automobilindustrie konterkarieren, über den Clean Diesel die europäischen Klimaziele zu erfüllen.

Für Staaten wie Deutschland, die mit den Steuersätzen beim Diesel und Benzin über den EU-Mindestsätzen liegen, hat sich die EU-Kommission zudem etwas Besonderes einfallen lassen: Damit sie nicht ungeschoren bleiben, soll das sogenannte Äquiva-lenzprinzip zur Anwendung kommen. Die Gleichbesteuerung von Kraftstoffen nach Energiegehalt und Co2-Emission soll generell verpflichtend vorgeschrieben werden. Dieselkraftstoff würde in allen EU-Staaten dauerhaft höher besteuert werden als otto-kraftstoff. In Deutschland müsste bei einer Übertragung der geplanten Besteuerungs-systematik auf das aktuell national geltende Energiesteuerrecht der Steuersatz für Diesel um 60 Prozent auf 0,75 Euro/Liter angehoben werden, wogegen der Steuersatz für ottokraftstoffe unverändert bei 0,65 Euro/Liter bliebe.

Dieselpläne der EU-Kommission gefährden Co2-Ziele

Der Dieselsteuersatz würde um bis zu 60 Prozent steigen

Page 67: VDA Jahresbericht 2012 WEB

67

Steuerrechtlich wird zu recht die Frage aufgeworfen, ob die EU mit dem Äquiva-lenzprinzip nicht ihre Gesetzgebungskompetenz überschreitet. Nach dem Subsidiari-tätsgrundsatz darf die EU nur dann in die Energiebesteuerung der Mitgliedsstaaten eingreifen, sofern gemeinsame Ziele zur Verringerung von Schadstoffemissionen durch nationale Maßnahmen nicht ausreichend erreicht werden können und auf EU-Ebene besser zu verwirklichen sind. ob dies hier gegeben ist, darf bezweifelt werden.

EU-Energiesteuerrichtlinie – Mängel des Entwurfs Die vorgesehene Erhöhung des Steuersatzes für Dieselkraftstoff ist mit schwer-wiegenden Mängeln behaftet:

• Dauerhafte steuerliche Benachteiligung von Dieselkraftstoff im Vergleich zu Benzin in den EU-Mitgliedsstaaten

• rückgang des Kosten-Nutzen-Vorteils von Dieselfahrzeugen

• Einbruch der Nachfrage nach Dieselfahrzeugen auf dem europäischen Markt

• Starker rückgang des Dieselanteils im EU-Flottenbestand

• Gefährdung der Ziele zur Senkung der Co2-Emissionen (richtlinie EG 443/2009)

• widerspruch zu den Zielen der Kommission zur Förderung sauberer und energieeffizienter Fahrzeuge mit konventionellen Verbrennungsmotoren (Bericht vom 28. April 2010 „Eine europäische Strategie für saubere und energieeffiziente Fahrzeuge“)

• Entwertung europäischer Innovationen im Bereich der Dieseltechnologie

• Schwächung der Marktposition europäischer Automobilhersteller

• Belastung des gewerblichen Dieselkraftstoffs

Energiesteuer Deutschland

Heute Geplant

Benzin 0,65 Euro/Liter 0,65 Euro/Liter

Diesel 0,47 Euro/Liter 0,75 Euro/Liter + 60 %

Energieerzeugnis

Page 68: VDA Jahresbericht 2012 WEB

68STE U E r N U N D ZÖ LLE

Gegen eine Erhöhung der Dieselbesteuerung und den damit verbundenen europa-weiten Folgen mit Blick auf den Dieselanteil im Pkw-Segment bestehen klima-, industrie- und beschäftigungspolitische Bedenken. So ist der Dieselmotor effizi-enter als ein ottomotor, sein Verbrauch ist um rund 25 Prozent, der Co2-Ausstoß um 20 Prozent geringer. Eine Verschärfung der Dieselbesteuerung – wie sie die EU-Kommission vorschlägt – würde zu einem erheblichen rückgang des Diesel-anteils in der europäischen Fahrzeugflotte führen und die Erreichung der Ziele zur Senkung der Co2-Emissionen gefährden. Dies ist eine widersprüchliche Politik, die den Grundsatz der Kohärenz verletzt. Denn die Kommission spricht sich an anderer Stelle für die Förderung sauberer und energieeffizienter Fahrzeuge mit konventio-nellen Verbrennungsmotoren aus, wozu vor allem die Dieselfahrzeuge zählen.

Überdies würde die Automobilindustrie ökonomisch belastet: Die europäische und vor allem die deutsche Automobilindustrie haben in den vergangenen 15 Jahren in erheb-lichem Umfang in Forschung und Entwicklung sauberer und energieeffizienter Diesel (Clean Diesel) investiert und sich dadurch einen weltweiten Vorsprung erarbeitet. Es ist zu befürchten, dass eine höhere Steuerbelastung des Diesels die Position unserer Hersteller und Zulieferer auf den globalen Märkten schwächen wird. Hinzu kommt, dass sich der gesamte Straßengütertransport verteuern würde. Denn fast jedes Nutz-fahrzeug fährt mit Diesel. Höhere Transportkosten bedeuten höhere Verbraucherpreise. Das trifft jeden Konsumenten.

Der Vorschlag der EU-Kommission, die generelle Anwendung gleicher Kraftstoff-steuersätze entgegen den ursprünglichen Plänen nicht ab 2018, sondern erst ab 2023 zwingend vorzuschreiben, bedeutet nur eine Verschiebung der negativen wirkungen. Es geht nicht darum, ob dieser verfehlte Ansatz ein Jahr früher oder später kommt. Er muss in dieser Form zurückgenommen werden. Die klare Haltung der Bundeskanzle-rin und mehrerer Fraktionen im Deutschen Bundestag und des Bundesrates sind zu begrüßen. Die Erhöhung des Dieselsteuersatzes wird inzwischen auch von ande-ren EU-Staaten abgelehnt. Dazu hat eine gemeinsame Erklärung der europäischen Verbände der Automobilindustrie ANFIA aus Italien, CCFA aus Frankreich und des VDA aus Deutschland beigetragen. Darin appellieren diese Verbände an das Europäi-sche Parlament und den rat, von der vorgesehenen drastischen Erhöhung des Diesel-steuersatzes Abstand zu nehmen. Nachdem sich das EU-Parlament für die Streichung des Äquivalenzprinzips ausgesprochen hat, sollte auch die EU-Kommission davon Abstand nehmen. Gerade die EU-Kommission sollte erkennen, dass sie mit diesem Entwurf ein falsches Signal setzt, Bürger und wirtschaft belastet und die Erreichung ihrer eigenen klimapolitischen Ziele gefährdet.

Spediteure und Konsumenten würden bei den EU-Plänen höher belastet

Page 69: VDA Jahresbericht 2012 WEB

69

Die Kraftfahrzeugsteuer

Die Kraftfahrzeugsteuer (Kfz-Steuer) ist 2009 grundlegend reformiert worden. So wurde für Personenkraftfahrzeuge, die seit dem 1. Juli 2009 neu zugelassen werden, eine Co2-basierten Kfz-Steuer eingeführt. Der VDA hat sie nachdrücklich unterstützt, denn sie setzt ein wichtiges Signal für den Kauf eines kraftstoffeffizienten Fahrzeugs. Zugleich wird ein Beitrag zur notwendigen Erneuerung des Fahrzeugbestands geleis-tet. Der lineare Tarifverlauf gewährleistet die wettbewerbsneutralität und vermeidet selektive Interventionen auf dem Markt. Er stellt sicher, dass jedes Gramm Co2 gleich zu bewerten ist.

Die Kraftfahrzeugsteuer gewährleistet in ihrer bestehenden Form wettbe-werbsneutralität

Die neue Kfz-Steuer Für Pkw mit Erstzulassung ab dem 1. Juli 2009 setzt sich die Kfz-Steuer aus einer Hubraum- und einer Co2-Komponente zusammen. Für Bestandsfahrzeuge bleibt es zunächst bei der bisherigen Besteuerung. Für junge Bestandsfahrzeu-ge führt das Finanzamt eine Günstigerprüfung durch. Die neue Kfz-Steuer weist folgende Eckpunkte auf:

Neufahrzeuge (Erstzulassung ab dem 1. Juli 2009)

• Durchgehend linearer Co2-Steuertarif mit einem Steuersatz von 2 Euro g/km

• Gestaffelter Co2-Steuerfreibetrag in Höhe von 120 g/km in den Jahren 2009 bis 2011; 110 g/km in den Jahren 2012 und 2013 und 95 g/km ab 2014

• Hubraumbezogener Sockelbetrag in Höhe von 2,0 Euro je angefangene 100 ccm für Benziner und 9,50 Euro für Diesel

• Befristete, einmalige Steuerbefreiung in den Jahren 2011 bis 2013 mit einem wert von 150 Euro für Pkw mit Dieselmotor, die die Abgasvorschrift Euro 6 erfüllen

Bestandsfahrzeuge

• Bestandsfahrzeuge (Fahrzeuge, die vor dem 30. Juni 2009 erstmals zuge-lassen wurden) sollen ab 2013 in die Co2-basierte Kfz-Steuer überführt werden. Über Art und Umfang der Besteuerung des Altbestands soll zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden.

• Für junge Bestandsfahrzeuge (Fahrzeuge, die ab dem 5. November 2008 angeschafft wurden und die befristete Steuerbefreiung erhalten) erfolgt eine Günstigerprüfung. In diesen Fällen prüft das Finanzamt von Amts wegen, ob das alte oder das neue recht günstiger ist.

Mit der Einführung der Co2-basierten Kfz-Steuer gingen die Ertragshoheit und die Verwaltungskompetenz für die Kfz-Steuer zum 1. Juli 2009 auf den Bund über.

Page 70: VDA Jahresbericht 2012 WEB

70STE U E r N U N D ZÖ LLE

Aktuell stehen zwei reformen bei der Kfz-Steuer an. Zum einen geht es um die schwierige Aufgabe, den Fahrzeugbestand in die Co2-basierte Kfz-Steuer zu inte-grieren. Vorschläge der Finanzverwaltung liegen dazu bislang noch nicht vor. Zum anderen sind die steuerlichen rahmenbedingungen für Elektrofahrzeuge zu verbes-sern. Bei der Kfz-Steuer ist vorgesehen, die Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge von fünf auf zehn Jahre zu verlängern. Diese Maßnahme besitzt eine Signalwirkung, die im Zusammenwirken mit anderen Fördermaßnahmen Anreize zum Kauf von umwelt-freundlichen Elektrofahrzeugen setzt. Die Anreizwirkung könnte dadurch vergrößert werden, dass die Steuerbefreiung nicht für reine Elektrofahrzeuge (BEV), sondern auch für Fahrzeuge mit range Extender (rEEV) oder mit Plug-in-Hybrid (PHEV) sowie Brennstoffzellenfahrzeuge gewährt wird.

Partikelfilternachrüstung wird wieder gefördertDie Bundesregierung hat entsprechend den Forderungen des VDA das Programm zur Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit Partikelfiltern neu aufgelegt. Es werden Nachrüstungen gefördert, die zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2012 durchgeführt werden. Fahrzeughalter bekommen für die Nachrüstung ihres Fahrzeugs einen Barzuschuss in Höhe von 330 Euro. Die zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von 30 Mio. Euro reichen für rund 90.000 Nachrüstungen. Die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen soll dazu beitragen, dass der gesundheitsschädliche Partikelausstoß sinkt und die Luftqualität verbessert wird. Nachgerüstete Fahrzeuge erhalten eine grüne Umweltplakette und können in die Umweltzonen einfahren.

Die Abwicklung des Förderprogramms erfolgt wieder über das Bundesamt für wirt-schaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Gefördert wird die Nachrüstung von Diesel-Pkw und Dieselnutzfahrzeugen mit zulässigem Gesamtgewicht bis zu 3,5 Tonnen (leichte Nutzfahrzeuge).

Steuerliche rahmenbedingungen für Elektrofahrzeuge müssen verbessert werden

Programm wurde bis Ende 2012 verlängert

Partikelfi lternachrüstung 2012 im Überblick

Förderung 330 Euro per Zuschuss

Antragsfrist 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2012

Anträge (ab 1. Februar 2012) unter www.bafa.de

Zeitraum der Nachrüstung

1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2012

Zeitpunkt der Erstzulassung des Fahrzeugs

Diesel-Pkw vor dem 1. Januar 2007

Leichte Nutzfahrzeuge vor dem 17. Dezember 2009

weitere Voraussetzung Fahrzeug muss nach der Nachrüstung mit einem Partikelfi lter einer festgelegten Partikelminderungsstufe oder –klasse entsprechen.

Page 71: VDA Jahresbericht 2012 WEB

71

Anweisung des Bundesfinanzministe-riums bringt neue Komplikationen mit sich

Durch Berichts- und Kontrollpflich-ten entstehen massive bürokratische Belastungen

VDA-Vorschlag würde zu Verbesse-rungen für Nutzer von Dienst- und Firmenwagen führen

Die Firmenwagenbesteuerung

Der Vereinfachung der Firmenwagenbesteuerung und der Überprüfung der Angemes-senheit der Besteuerung misst der Koalitionsvertrag eine besondere Bedeutung zu. Hier besteht ein Vereinfachungsbedarf. Zudem ergeben sich Änderungen aufgrund der rechtsprechung. Die vom Bundesfinanzministerium (BMF) inzwischen heraus-gegebene Verwaltungsanweisung stellt aber nur eine Hilfslösung im Vorgriff auf eine gesetzliche regelung dar. Das BMF-Schreiben erreicht sogar das Gegenteil des Koalitionszieles: eine erhebliche Verkomplizierung der Besteuerung.

Die Finanzverwaltung wendet die rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Anwendung des 0,03-Prozent-Zuschlags bei Fahrten zwischen wohnung und Arbeitsstätte, die mit einem Dienst- und Firmenwagen ausgeführt werden, nunmehr an. Anstatt den 0,03-Prozent-Zuschlag entsprechend dem VDA-Vorschlag und der Anregung des Bundesrates gesetzlich abzuschaffen, hat das Bundesfinanzministerium jedoch eine Verwaltungsanweisung zur Anwendung der rechtsprechung herausgege-ben. Danach bleibt es im Grundsatz bei der Anwendung des monatlichen 0,03-Prozent-Zuschlags. Von der Neuregelung (tageweise Einzelbewertung mit einem Satz von 0,002 Prozent des Listenpreises je Entfernungskilometer) können Mitarbeiter profitieren, die ihren Dienstwagen an weniger als 180 Tagen im Jahr für Fahrten zwischen wohnung und Arbeitsstätte nutzen. Erreicht ist insofern eine finanzielle Entlastung der betroffenen Dienstwagenfahrer in Höhe von insgesamt rund 180 Mio. Euro.

Die auf dem Verwaltungsweg erfolgte Anwendung der BFH-rechtsprechung geht aber mit erheblichen Komplizierungen des Besteuerungs- und Veranlagungsver-fahrens einher. Auf Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzverwaltung kommt durch umfangreiche Berichts- und Kontrollpflichten ein massiver bürokratischer Mehrauf-wand zu, gefolgt von Ermittlungen, Bescheinigungen und Kontrollen. Zudem besteht eine Ungleichbehandlung: Die Vorteile der neuen rechtsprechung kommen selbst-ständigen Unternehmern nicht zugute. Dies wird zwangsläufig zu neuen rechts-streitigkeiten führen.

Im Interesse der Steuervereinfachung und der Angemessenheit der Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Privatnutzung betrieblicher Fahrzeuge ist es aus Sicht aller Fachleute die beste Lösung, auf den 0,03-Prozent-Zuschlag zu verzichten. Im Gegen-zug würde bei Anwendung der 1-Prozent-Pauschalmethode der Abzug der Entfer-nungspauschale entfallen, soweit der Firmen- oder Dienstwagen für Fahrten zwischen wohnung und Arbeitsstätte genutzt wird. An der bewährten 1-Prozent-Pauschal-methode mit dem Anknüpfen am Bruttolistenpreis und an der alternativ möglichen Fahrtenbuch- oder Gesamtkostenmethode ist im Übrigen unverändert festzuhalten.

Auf diese weise wird sichergestellt, dass die 1-Prozent-Methode als Pauschalregelung ihren ursprünglichen Vereinfachungscharakter wiedererlangt und der weg zurück in die komplizierte und streitanfällige Fahrtenbuchmethode verhindert wird. Der VDA-Vorschlag wäre ein echter Beitrag zur Entbürokratisierung und zur Steuergerechtig-keit. Damit würde auch den Vorgaben des Koalitionsvertrags und dem Votum des Bundesrates rechnung getragen. Die Vereinfachung der Firmenwagenbesteuerung kann im rahmen des zweiten Teils des Steuervereinfachungsgesetzes vorgenommen werden, wobei es sich anbietet, diese reform mit Vereinfachung des reisekosten-rechts zu verbinden.

Die Vereinfachung der Dienst- und Firmenwagenbesteuerung darf aber nicht durch eine ökologische Ausrichtung dieser Besteuerung konterkariert werden. Denn mit einer Ökologisierung der Dienst- und Firmenwagenbesteuerung würde gegen Grundprinzipi-en der Ertragsbesteuerung verstoßen. Dies würde zu systemwidrigen Verwerfungen im Steuerrecht führen und mit erheblichen Belastungen und Komplizierungen einhergehen.

Page 72: VDA Jahresbericht 2012 WEB

72STE U E r N U N D ZÖ LLE

Sachgerechte FirmenwagenbesteuerungDie geltende Besteuerung der Privatnutzung von Firmenwagen anhand der 1-Prozent-regelung oder der Gesamtkostenmethode (Fahrtenbuchmethode) ist sachgerecht und hat sich in der Praxis bewährt.

• Der zu versteuernde geldwerte Vorteil bzw. Entnahmewert nach der 1-Prozent-regelung bildet die tatsächlichen Kosten der Privatnutzung. Dies belegen die auf ADAC-Zahlen beruhenden Untersuchungen von Musil/Jesse, Universität Potsdam.

• Im Zusammenspiel mit dem 0,03-Prozent-Zuschlag für die Fahrten zwischen wohnung und Arbeitsstätte kann es sogar zu einer Übermaßbesteuerung kommen, wie auch der BFH bestätigt hat.

• Die 1-Prozent-regelung führt zudem zu einer strukturellen Benachteiligung von höherpreisigen Fahrzeugen, denn sie unterstellt, dass zum Beispiel. eine Verdoppelung des Listenpreises mit einer Verdoppelung der Gesamtkosten einhergeht, was tatsächlich nicht der Fall ist.

• Typisierungen und Pauschalierungen sind im steuerlichen Massenverfah-ren unabdingbar und werden vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich anerkannt. Ein Missbrauch bei den geltenden regelungen zur Dienst- und Firmenwagenbesteuerung ist nicht erkennbar.

Bedenken bestehen auch gegen politische Überlegungen, bei Firmenwagen den Abzug von Pkw-Kosten, wie Kraftstoffkosten und Abschreibungen, als Betriebs-ausgabe in Abhängigkeit vom Co2-Ausstoß einzuschränken.

Der volle Abzug von Betriebsausgaben für Dienst- und Firmenwagen stellt keine Steuersubvention dar. Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Hierzu zählen sämtliche Kosten eines betrieblich genutzten Pkw, einschließlich der gesamten steuerlichen Abschreibungen. Eine Begrenzung der Absetzbarkeit der Anschaffungskosten und der Pkw-Kosten inklusive der Treib-stoffaufwendungen widerspricht dem Grundsatz, dass die betrieblich veranlassten Aufwendungen die steuerliche Bemessungsgrundlage vermindern müssen (Netto-prinzip). Eine Verknüpfung der Abzugsfähigkeit von betrieblichen Aufwendungen für Dienstfahrzeuge mit deren Co2-Ausstoß würde den Betriebsausgabenabzug in unzu-lässiger weise einschränken. Dies wäre ein nicht akzeptabler Eingriff in die unterneh-merische Gestaltungsfreiheit.

Eine am Co2-Ausstoß orientierte Beschränkung der Betriebsausgaben für Dienstfahr-zeuge ist systemwidrig und würde darüber hinaus die deutsche Automobilindustrie erheblich belasten. Sie hätte vor allem Sanktionscharakter und würde die Nachfrage im Inland weiter unnötig schwächen.

Es wäre konzeptionell verfehlt, die Unternehmensbesteuerung zum Lenkungsinst-rument umweltpolitischer Ziele zu machen. Betrieblich verursachte Aufwendungen müssen weiterhin in vollem Umfang steuerlich geltend gemacht werden können. Die einseitige Beschränkung auf Kraftfahrzeuge würde zudem zu einer gravierenden steuerlichen Ungleichbehandlung führen, wenn andere Verkehrsmittel oder andere Co2-abhängige Betriebsausgaben, beispielsweise für Maschinen oder Heizungs-anlagen, unabhängig von ökologischen Gesichtspunkten in voller Höhe zum Abzug zugelassen würden. Dies würde zu steuerlichen Fehllenkungen führen, die weder ökologisch noch wirtschaftlich gerechtfertigt sind.

Voller Abzug von Betriebsausgaben für Dienst- und Firmenwagen ist kein Steuerprivileg

Beschränkung der Betriebsausgaben aufgrund des Co2-Ausstoßes wäre systemwidrig

Page 73: VDA Jahresbericht 2012 WEB

73

Im Übrigen stehen dem Betriebsausgabenabzug auch Betriebseinnahmen und steuer-pflichtiger Arbeitslohn gegenüber:

• Die private Nutzung durch den Unternehmer unterliegt mit dem wert der Nutzungsentnahme der Besteuerung.

• Bei der Dienstwagengestellung an Arbeitnehmer steht dem Betriebsausgabenab-zug steuerpflichtiger Sachlohn gegenüber; gegebenenfalls erhobene Nutzungs-entgelte führen zu Betriebseinnahmen.

• Bei der Veräußerung von betrieblichen Fahrzeugen werden auch die sogenannten stillen reserven besteuert.

Die durchschnittlichen Co2-Emissionen von Firmenwagen haben sich 2011 im Vergleich zum Jahr 2010 um 5 Prozent und damit wesentlich stärker als bei den privaten Neuzulassungen (2,8 Prozent) reduziert. Dies spricht für eine ökologisch-technische Vorreiterrolle des Firmenwagenmarktes. Dabei ist zu bedenken, dass von den Neuzulassungen rund zwei Drittel aller Dienst- und Firmenwagen auf kleinere Fahrzeuge (Kleinstwagen, Kleinwagen, Fahrzeuge aus der Kompakt- und Mittelklas-se) entfallen, während der Anteil der oberklasse bei lediglich 1,5 Prozent liegt. Eine ökologische Ausrichtung des Abzugs von Pkw-Kosten steht des weiteren im krassen widerspruch zur Steuervereinfachung.

Bei der Firmenwagenbesteuerung geht es des weiteren darum, für Elektrofahrzeuge einen Nachteilsausgleich vorzunehmen. obwohl das regierungsprogramm Elektro-mobilität diesen Ausgleich vorsieht, gestaltet sich die Umsetzung recht schwierig.

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2020 rund 1 Mio. Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren. In ihrem regierungsprogramm Elektromobilität stellt sie Dienstwagenflotten zu recht als besonders wichtiges Marktsegment für Elektrofahrzeuge heraus. Untersuchungen der Nationalen Platt-form Elektromobilität (NPE) verdeutlichen, dass die regelungen zur Besteuerung der Privatnutzung von Dienst- und Firmenwagen steuerliche Hemmnisse für Elektrofahr-zeuge beinhalten. Die Bundesregierung spricht sich daher dafür aus, den bestehen-den steuerlichen wettbewerbsnachteil für Elektrofahrzeuge gegenüber vergleichbaren Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor bei der Dienstwagenbesteuerung zu beseitigen.

Firmenwagen nehmen bei der reduzie-rung der Co2-werte eine ökologisch-technische Vorreiterrolle ein

Elektrofahrzeuge brauchen einen steu-erlichen Nachteilsausgleich

Aus Sicht der Automobilindustrie ist es wichtig, dass der Nachteilsausgleich nicht nur für reine Elektrofahrzeuge gewährt wird. Vielmehr sind alle am Netz aufladbaren Fahrzeuge einzubeziehen. Dies sind Elektrofahrzeuge mit rein batterieelektrischem Antrieb (BEV), Elektrofahrzeuge mit range Extender (rEEV), Elektrofahrzeuge mit Plug-in-Hybrid (PHEV) und Brennstoffzellenfahr-zeuge. Eine Begrenzung des Abschlags auf ausschließlich mit einem Elektro-motor angetriebene Fahrzeuge wäre nicht sachgerecht. Die Zielmarke „1 Mio. Elektrofahrzeuge“ umfasst ebenfalls alle vorgenannten Elektrofahrzeuge.

Page 74: VDA Jahresbericht 2012 WEB

74STE U E r N U N D ZÖ LLE

Aufbauend auf den Untersuchungsergebnissen der NPE hat der VDA einen konkreten Alternativvorschlag für eine untergesetzliche regelung vorgelegt:

Nachteilsausgleich für elektrische Firmen-wagenZum Abbau der Nachteile von Elektrofahrzeugen bei der Firmenwagenbesteu-erung schlägt der VDA analog der regelung für Sicherheitsfahrzeuge sowohl bei Anwendung der 1-Prozent-regelung als auch bei der Gesamtkostenme-thode vor, von dem wert eines adäquaten Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor auszugehen. Aus Gründen der Praktikabilität könnte dies mit einem pauschalen Abschlag typisierend umgesetzt werden.

• Entsprechend den Empfehlungen der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) sollte zum Nachteilsausgleich ein pauschaler Abschlag zugelassen werden, der sich an den höheren Antriebskosten der Elektrofahrzeuge orientiert. Nach den Untersuchungen der NPE ist ein an der Leistungsfä-higkeit der Batterie orientierter Abschlag von der Bemessungsgrundlage Bruttolistenpreis in Höhe von 500 Euro/kwh sachgerecht.

• Ein pauschaler Abschlag ermöglicht dabei ein einfaches und praktikables Verfahren zur Ermittlung des Entnahmewertes bzw. des geldwerten Vorteils aus der Privatnutzung von Elektrodienst-/firmenwagen und vermeidet Verwaltungskosten und rechtsstreitigkeiten, die sich bei der Ermittlung von Vergleichsfahrzeugen ergeben können.

• Mit dem pauschalen Abschlag vom Bruttolistenpreis wird die Besteuerung der privaten Nutzung von Elektrofahrzeugen einem Fahrzeug mit Verbren-nungsmotor typisierend angenähert und den Anforderungen des Leistungs-fähigkeitsprinzips rechnung getragen. Bei Brennstoffzellenfahrzeugen müsste zum Nachteilsausgleich von einem adäquaten Dienst- und Firmen-wagen mit Verbrennungsmotor ausgegangen werden.

• Als Elektrofahrzeuge gelten alle am Netz aufladbaren Fahrzeuge. Dies sind Elektrofahrzeuge mit rein batterieelektrischem Antrieb (BEV), Elektrofahr-zeuge mit range Extender (rEEV), Elektrofahrzeuge mit Plug-in-Hybrid (PHEV) und Brennstoffzellenfahrzeuge.

• Ein Abschlag vom Bruttolistenpreis als Nachteilsausgleich für Elektrofahr-zeuge ist nicht mit Steuermindereinnahmen verbunden. Die Angleichung der Bemessungsgrundlage bewirkt, dass anstelle von konventionellen Fahr-zeugen verstärkt Elektrofahrzeuge als Dienst- und Firmenwagen eingesetzt werden. Insofern führt diese Maßnahme zu keiner Belastung der Staats-haushalte.

Der vorgeschlagene Nachteilsausgleich führt nicht zu einer Steuersubvention. Es geht darum, eine Schlechterstellung von Elektrofahrzeugen bei der Dienst- und Firmenwagenbesteuerung zu beseitigen.

Page 75: VDA Jahresbericht 2012 WEB

75

Zollfragen

Für die Automobilindustrie als wichtigstem deutschem Exportwirtschaftszweig spielen die steuerlichen regeln für Ausfuhren und innergemeinschaftliche Lieferungen eine wichtige rolle. Im Interesse einer wettbewerbsfähigen Außenwirtschaft sind einfache und praktikable Zoll- und Ausfuhrregelungen notwendig. wir unterstützen daher die Bemühungen, die Beleg- und Nachweispflichten in diesem Bereich zu vereinfa-chen. Mit den in der „Zweiten Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen“ erfolgten Änderungen wird dieses Ziel allerdings nicht erreicht. Vielmehr kommt es bei innergemeinschaftlichen Lieferungen durch die Einführung einer sogenannte Gelangensbestätigung zu immensen bürokratischen Belastungen und Behinderungen. Denn es wird verlangt, dass das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedsstaat allein durch eine (neue) Bestätigung des Abnehmers über das Gelangen des Liefergegen-stands in das übrige Gemeinschaftsgebiet nachgewiesen wird.

Die regelungen der Gelangensbestätigung stehen unserer Ansicht nach nicht im Einklang mit dem Ziel eines gemeinsamen Binnenmarktes. Sie gehen zudem über die Anforderungen nach der EuGH-rechtsprechung hinaus. Denn nach Auffassung des EuGH obliegt es dem Steuerpflichtige lediglich nachzuweisen, dass die Gegenstände das Inland verlassen haben und ins EU-Ausland gelangt sind.

Im Interesse der Entbürokratisierung, zur Vermeidung von rechtsstreitigkeiten und aus industriepolitischen Gründen wäre es der beste weg, die Einführung der Gelan-gensbestätigung rückgängig zu machen. Die bisherigen Nachweise die Bestätigung des Abnehmers und in Versendungsfällen die Versendungsbelege oder die Spedi-teursbescheinigung sind völlig ausreichend und wenig betrugsanfällig. Die Einfüh-rung der Gelangensbestätigung ist keine geeignete Maßnahme zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs. Für Betrüger ist eine nachträgliche Fälschung der Gelangens-bestätigung ein Leichtes. Anstelle der Empfangsbestätigung sollte wie bisher auf die Verbringenserklärung abgestellt werden.

Politik hat ihre Ziele zur Vereinfachung von Belegpflichten verfehlt

Page 76: VDA Jahresbericht 2012 WEB

76STE U E r N U N D ZÖ LLE

Sollte an der Gelangensbestätigung festgehalten werden, ist es unerlässlich, dass bei der Lieferung praktikable Alternativnachweise anerkannt werden. Dazu gehören die Spediteursbescheinigungen, bei denen ein unabhängiger Dritter die Versendung der ware in den Bestimmungsmitgliedsstaat bescheinigt. Auch der sogenannte CMr-Frachtbrief sollte als Nachweis anerkannt werden. Gleiches gilt, wenn bei der Beförderung oder der Versendung eines Fahrzeugs in das übrige Gemeinschaftsge-biet nachgewiesen wird, dass das Fahrzeug in einem anderen EU-Mitgliedsstaat zum Straßenverkehr amtlich zugelassen ist.

Es ist zu begrüßen, dass die Finanzverwaltung Nachbesserungen vornehmen will und noch bis zum 30. Juni 2012 auf die Gelangensbestätigung verzichtet. Am besten wäre es, die Gelangensbestätigung ganz zu streichen.

Ein wichtiges Thema ist die Sicherheitsüberprüfung für zollrechtliche Erleichterungen. Im Zusammenhang mit der Erlangung des Status „zugelassener wirtschaftsbetei-ligter“ (AEo – Authorised Economic operator), der den Unternehmen zollrechtliche Erleichterungen (zum Beispiel vereinfachte Abfertigungen) verschafft, wurde den Unternehmen bislang mit der verlangten Sicherheitsüberprüfung der Mitarbeiter (Personal-Screening) eine immense bürokratische Belastung auferlegt.

Im Interesse der Entbürokratisierung (Vermeidung von Mehrfachprüfungen), der Verbesserung der rechtssicherheit und der Stärkung der wettbewerbsfähigkeit der deutschen wirtschaft setzt sich der VDA dafür ein, dass das Banken-Screening als allgemein anerkannter Prozess der Hintergrundüberprüfung von Beschäftigten im Zusammenhang mit der Erlangung des AEo-Status anerkannt wird. Eine Anerken-nung des Banken-Screenings durch die Zollverwaltung würde die Vorgaben der Zoll-kodex-Durchführungsverordnung erfüllen. Das Erfordernis der Hintergrundprüfung sollte bei bargeldlosen Lohn- und Gehaltszahlungen als allgemein erfüllt angesehen werden. Auf eine schriftliche Bescheinigung der Banken über die Durchführung der Überprüfungen sollte verzichtet werden, da durch das Geldwäsche- und Kreditwe-sengesetz sichergestellt ist, dass alle Geschäftsbanken einen Abgleich durchführen. Durch Anerkennung der geltenden Bestimmungen der Geldwäscheprävention würde eine unverhältnismäßige Mehrfachprüfung vermieden. Dies würde auch nicht uner-hebliche finanzielle Investitionen in IT-Infrastruktur (Software und Hardware) vermei-den und den operationellen Aufwand bei allen Kontrollprozessen reduzieren.

Mit der Anerkennung des Banken-Screenings würde auch die wettbewerbsfähigkeit der deutschen wirtschaft verbessert. Denn es besteht in der EU eine sehr unter-schiedliche Handhabung der Vorgaben der Zollkodex-Durchführungsverordnung. Deutschland nimmt dabei eine sehr restriktive Position ein, die zu einer vergleichswei-se stärkeren Belastung der deutschen wirtschaft führt.

Aus den vorgenannten Gründen sollte die Dienstvorschrift „zugelassener wirtschafts-beteiligter – AEo“ entsprechend ergänzt werden. Erfreulicherweise hat die Finanz-verwaltung signalisiert, das Screening der Banken als Hintergrundüberprüfung der Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Erlangung des AEo-Status anzuerkennen.

Mehrfachsicherheitsüberprüfungen von Mitarbeitern müssen vermieden werden

Page 77: VDA Jahresbericht 2012 WEB

77

Struktur der FirmenwagenFirmenwagen sind keine Domäne von oberklasse- und Luxusfahrzeugen. Deren Anteil beläuft sich demgegenüber auf lediglich 1,5 Prozent aller neu zugelassenen Firmen-wagen. Mehr als die Hälfte aller Firmenwagen wird im Bereich der Kompakt- und Mittelklasse zugelassen.

Neuzulassungen von Firmenwagen 2011 nach SegmentenEinheiten in %

Quelle: VDA

Obere Mittelklasse9,0

Utilities6,1

Wohnmobile0,3

Sportwagen1,6

Oberklasse1,5

Sonstige0,6

Geländewagen 10,1

Großraum-Van6,6

Kompaktklasse 25,5

Kleinwagen9,0

Mittelklasse23,7Mini-Van

3,3

Miniklasse2,9

Page 78: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 79: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Recht, Vertrieb, Aftersales

Charalampos Saltsidis – Zentralheizungs- und Lüftungsbauer, Maschinenbediener CNC mech. Bearbeitung, Schweizer Group Plattenhardt KG, Hattenhofen

Page 80: VDA Jahresbericht 2012 WEB

80r EC HT, V E rTr I E B , A FTE r SA LE S

Aktuelle Entwicklungen im Automobilvertrieb

Flächendeckender Vertrieb für Pkw und Nutz-fahrzeugeDie Automobilindustrie setzt für den Vertrieb von Kraftfahrzeugen – Pkw sowie Nutz-fahrzeuge – in Deutschland ein flächendeckendes Netz von Vertragshändlern ein. In Ballungsräumen verwenden einzelne Marken auch werksniederlassungen, die direkt für den Hersteller den Verkauf abwickeln. Alle früheren Versuche oder Ankündigun-gen neuer Vertriebskanäle haben sich nicht in neuen Vertriebsformen außerhalb des bestehenden Systems des selektiven Vertriebs niederschlagen können. Auch das Internet ist nicht zu einem Transaktionsmedium im Neufahrzeuggeschäft avanciert, sondern dient vor allem der umfänglichen Information der Kunden. Der selektive Vertrieb stellt gerade auch im technischen wettbewerb der Marken weiterhin das geeignete System dar, um dem Kunden neue Antriebsformen wie etwa Elektrofahr-zeuge zu vermitteln.

Der selektive Vertrieb ist somit das bevorzugte Geschäftsmodell der Automobilin-dustrie in Deutschland und auch in der EU für den Absatz von Neufahrzeugen. Mit einer ausgewählten Zahl von selbstständigen Autohandelsbetrieben und in der regel unmittelbar angeschlossenen werkstätten versuchen die einzelnen Marken, eine optimale Gebietsabdeckung und damit auch Kundennähe zu erreichen. Zugleich gilt das selektive Vertriebssystem als effizient, rentabel und wettbewerbsfördernd zwischen den Marken.

Für den Pkw-Vertrieb bedeutet ein ausgewähltes und weitverbreitetes Netz von Handelsbetrieben die Möglichkeit des regelmäßigen Kundenkontakts und damit auch die persönliche Vermittlung einer Kfz-Marke an Privat- und Firmenkunden einschließlich emotionaler Elemente; gerade hier liegt eine wesentliche Aufgabe des Autohauses. Im Preis- und Leistungswettbewerb unter den Automobilmarken, dem sogenannten Interbrand-wettbewerb, stehen sich die Handelsbetriebe des Vertriebs-netzes gegenüber und fördern so das Kundenangebot.

Der Nutzfahrzeugvertrieb steht im Vergleich zum Pkw-Geschäft hauptsächlich gewerblichen Kunden gegenüber. Diese sind zunehmend daran interessiert, umfäng-liche Pakete einzukaufen, die das Fahrzeug, dessen Aufbau, die Finanzierung sowie weitere Leistungen des Kundendienstes umfassen. Diese Kunden stellen drei Kern-anforderungen an den Vertrieb: detaillierte Verkaufsunterstützung, Verfügbarkeit von Vorführfahrzeugen und hohe Ansprechbarkeit des Verkaufspersonals für die Belange des Nutzfahrzeugunternehmers. Das Verkaufspersonal muss notwendigerweise über substanzielle Erfahrungen in den einschlägigen Branchen der Kunden verfügen, etwa im Speditions- und Baugewerbe. Die Handelsbetriebe müssen daher laufend in die Qualifikation ihres Personals investieren. weiterhin erwarten die Kunden von der jeweiligen Marke ein dichtes Servicenetz mit komplettem Leistungsumfang, das den laufenden Betrieb einer Nutzfahrzeugflotte effizient unterstützt, etwa durch die schnelle Ausführung von wartungs- und reparaturarbeiten.

Der Vertrieb einzelner Marken bleibt das dominierende Geschäftsmodell beim Verkauf von Neufahrzeugen

Gewerbliche Kunden haben klare Anforderungen an den Nutzfahrzeug-vertrieb

Page 81: VDA Jahresbericht 2012 WEB

81

Fortsetzung der Partnerschaft im Handel Die neue Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (GVo) der EU-Kommission (Nr. 330/2010) vom 20. April 2010 wird ab dem Jahr 2013 die Grundlage für das partnerschaftliche Verhältnis der Hersteller mit den Kfz-Betrieben sein. Danach werden die Hersteller einerseits wesentliche Vertriebsfunktionen in ihren Markennet-zen steuern, andererseits weiterhin auf die selbstständigen Leistungen der Betriebe setzen. Das Prinzip der unternehmensübergreifenden wertschöpfungsgemeinschaft gilt dabei nicht nur in der Automobilproduktion, sondern prägt auch die Zusammen-arbeit zwischen Herstellern und Handel. Die 2008 parallel vom europäischen Auto-mobilverband ACEA mit seinem japanischen Partnerverband JAMA verabschiedeten regelungen des „Code of Good Practice“ für die Händlerverträge gewährleisten zudem, dass Mindestkündigungsfristen und alternative Schiedsverfahren in die Händlerverträge aufgenommen werden.

Mit der Einführung der Vertikal-GVo wird den Fahrzeugherstellern die zeitlich befris-tete Vereinbarung von markenexklusiven Betrieben wieder ermöglicht. Die auch von der Kommission nur in geringer Zahl festgestellten Mehrmarkenbetriebe stellen ein offensichtlich vom Markt nicht gefordertes Geschäftsmodell dar. weder neue Anbieter noch die Verbraucher haben ein besonderes Interesse an Mehrmarkenhändlern gezeigt. Vor allem die erheblich gestiegenen Informationsmöglichkeiten im Internet eröffnen den Verbrauchern markenübergreifende Vergleiche und dem Marketing von Herstellern und Importeuren individuelle Auftritte, ohne dass dies in einem Autohaus unter einem Dach geschehen müsste. Mehrmarkenbetriebe werden wirtschaftlich weiterhin in dünn besiedelten Gebieten sinnvoll sein, wo das geringere Absatzvolu-men einen markenexklusiven Betrieb nicht stützen könnte.

Hersteller setzen auf ihre Markennetze und auf selbstständige Leistungen ihrer Partner

Page 82: VDA Jahresbericht 2012 WEB

82r EC HT, V E rTr I E B , A FTE r SA LE S

Die neue Vertikal-GVo stellt eine verlässliche rechtsgrundlage für Industrie und Handel zugunsten der Fortführung von selektiven Vertriebssystemen dar. Die damit einherge-hende Planungs- und Investitionssicherheit ist gerade für mittelständische Handelsbe-triebe ein entscheidender Faktor für das Bestehen im wettbewerb unter den Marken. Da die neuen rahmenbedingungen für den Neufahrzeugvertrieb mit der Vertikal-GVo erst 2013 wirksam werden, haben Industrie und Betriebe auf Basis der fortgeltenden Kfz-GVo aus dem Jahr 2002 noch ausreichend Zeit, Anpassungen bei den Händlerver-trägen vorzunehmen. Der VDA hatte sich für die Verabschiedung der Vertikal-GVo als einen positiven Schritt zur Erhaltung des selektiven Vertriebs eingesetzt.

Die Vertikal-GVo wird den Herstellern und Händlern durch allgemeiner gehaltene und flexiblere regelungen ermöglichen, Kosten zu senken sowie die Effizienz und die rentabilität der Vertriebsnetze zu erhöhen. Gerade unter dem scharfen wettbewerb für Industrie und Kfz-Gewerbe stehen Produktions- und Vertriebskosten unter großem Anpassungsdruck. Die Vertikal-GVo erlaubt den Partnern der Automobilwirtschaft, sich den veränderten Bedingungen leichter anzupassen. Danach können die einzel-nen Marken ihre Geschäftsmodelle individuell gestalten und auch differenzierte Lösungen wählen.

Investitionserfordernisse im AutohausMit der Verabschiedung der neuen Kfz-GVo von 2010 sowie der Vertikal-GVo haben Industrie und Handel genügend Planungssicherheit für die Markennetze gewonnen, um etwa die anstehenden technischen Investitionen wie auch Baumaßnahmen vorzuneh-men. Der absehbare Sprung zur Elektromobilität stellt neue, spezifische Anforderungen an den Vertrieb. Die technische Erläuterung sowie Betreuung dieser neuen Fahrzeug-generationen kann nur im Autohaus erfolgen. Es ist zudem keinesfalls absehbar, dass die zentralen Funktionen des Autohauses durch das Internet abgelöst werden. Die Beratung und Abwicklung des Kaufvertrags, die Vermittlung von Finanzdienstleistungen (Kredit, Leasing, Versicherungen) und der angeschlossene werkstattservice werden von den Kunden unverändert ganzheitlich wahrgenommen und dem Kfz-Betrieb auch abge-fordert. So ist es nicht nur der Preiswettbewerb, sondern auch der Leistungswettbewerb der Marken und Handelsbetriebe, der den Automobilmarkt prägt.

Die Vertikal-GVo sorgt für Planungs-sicherheit im Vertrieb

Elektromobilität bietet neue Chancen für den Vertrieb

Page 83: VDA Jahresbericht 2012 WEB

83

Entwicklungspotenzial des Kfz-Service

Marktsituation des Kundendienstes für Pkw und NutzfahrzeugeDie nachhaltige Vermarktung von Pkw und Nutzfahrzeugen kann nur gelingen, wenn eine kompetente Serviceorganisation für wartung und reparatur flächendeckend zur Verfügung steht. Die Serviceorganisation steht auch für eine umfassende Ersatzteil-versorgung, die bereits mit Beginn der Vermarktung neuer Fahrzeugmodelle funkti-onieren muss. Der Autokauf wird regelmäßig von der Überlegung begleitet, ob das verkaufende Autohaus auch als Servicepartner in Betracht kommt. Vielfach führen die Leistungen der werkstatt eines Autohauses zu einem erneuten Kauf bei diesem Betrieb derselben Marke.

Im Nutzfahrzeuggeschäft bleibt der Kundendienst vor allem hinsichtlich der flächendeckenden Verfügbarkeit rund um die Uhr gefordert. Zu den Strategien der Nutzfahrzeughersteller gehören daher der 24-Stunden-Service, die verlängerten Garantiezusagen, das Full-Service-Leasing, das Angebot von Servicepaketen und auch Telematik-Dienstleistungen. Das Ziel ist hier die Kundenbindung für die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs, das als Investitionsgut für die Speditionen jederzeit funktionsfähig sein muss.

Die Entwicklung des Servicegeschäfts 2011 ist entsprechend des guten Neufahrzeug-absatzes sehr positiv verlaufen. Zur wirtschaftlichen Beurteilung des Kundendienstes sind neben verkauften werkstattstunden auch die Umsätze etwa mit originaltei-len und Zubehör, rädern und reifen, Betriebs- und Schmierstoffen sowie etwa Classic-Artikeln zu berücksichtigen. Im Pkw-Aftersales-Bereich ist allgemein eine gute Entwicklung einschließlich des Zubehörverkaufs zu verzeichnen. Auch hat die Händlerrentabilität wieder zugenommen, was insbesondere für die Markenbetriebe gilt. Nach Aussage des DAT-reports 2011 ist das werkstattgeschäft ein wichtiger Umsatzträger für die Kfz-Betriebe. Der jährliche Aufwand für wartungsarbeiten, die Beseitigung von Verschleißschäden, reparaturen und Unfallschäden liegt bei über 35 Mrd. Euro. Für 2012 ist eine stabile Situation des Servicegeschäfts zu erwarten.

Aufgrund des technischen Fortschritts werden Fahrzeuge zwar immer komplexer, aber auch zuverlässiger und haltbarer, sodass sich die Lebensdauer von Kfz kontinuierlich verlängert. Die Fahrzeughersteller haben daher vielfach die wartungsintervalle ausge-weitet. Gleichzeitig hat die reparaturanfälligkeit abgenommen. Auch neue Umwelttech-nologien wie Katalysatoren und Filter haben längst ihre Dauerhaltbarkeit bewiesen. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der werkstattaufenthalte weiter zurückgehen wird. Allerdings werden die Fahrzeuge mit zunehmendem Alter auch wieder reparaturbedürf-tiger, sodass auf längere Sicht weitere Instandsetzungsaufträge hinzukommen können.

Die Serviceleistungen der Vertriebsorganisationen werden seit jeher der jeweiligen Marke und den damit verbundenen werten zugerechnet. Technische weiterentwick-lungen, die Verbesserung bestehender und die Einführung neuer Antriebssysteme, die zunehmende Verwendung von Leichtbaumaterialien sowie die Erhöhung des Elektro-nikanteils gehen an werkstattpersonal und Ausrüstung nicht vorbei. Die werkstätten brauchen daher größere Ersatzteillager und eine anspruchsvolle Teilelogistik, eine vielseitige technische Ausrüstung und umfassend geschultes Personal.

Guter Neufahrzeugabsatz im Jahr 2011 bringt positives Servicegeschäft mit sich

Mit der Zuverlässigkeit und Haltbar-keit von Fahrzeugen nehmen auch die Anforderungen an werkstätten zu

Page 84: VDA Jahresbericht 2012 WEB

84r EC HT, V E rTr I E B , A FTE r SA LE S

Praxisgerechte werkstatttests Die Servicequalität ist laufend abzusichern und zu verbessern. Dieser Aufgabe haben sich Fahrzeughersteller wie auch werkstattbetriebe seit Langem mit immer wieder erneuerten Instrumenten der Verfahrensabläufe verpflichtet. Das reicht von der Annahme des Fahrzeugs in der werkstatt und dem Dialog über den Umfang der Arbeiten bis hin zur Erläuterung der rechnung. weiterhin gilt es, allgemein die Bedürfnisse des Kunden zu ermitteln und perioden- bzw. zeitgerecht wartungs- und reparaturangebote anzubieten. Kunden- und Händlerzufriedenheit werden begleitend ermittelt und dienen der weiteren Entwicklung der Servicemaßnahmen und -prozesse. Der DAT-report 2011 stellt fest, dass die werkstattkunden wie in den Vorjahren über-wiegend sehr zufrieden sind und mit Noten besser als zwei urteilen.

werkstatttests auf der Grundlage von unsachgemäßen Kriterienkatalogen können das Image der Marke oder den Händlerbetrieb schädigen und sogar zum Verlust des Markenvertrags führen. Die Fahrzeughersteller führen regelmäßig Qualitätstests ihrer Betriebe nach einheitlichen Kriterien durch, die dann als Grundlage für Verbes-serungsmaßnahmen dienen können. Starke Markenprodukte und hervorragender Service bilden somit eine Einheit, die von Marke und werkstattbetrieben gemeinsam als wertschöpfungsgemeinschaft erhalten und ausgebaut werden kann. wichtig ist, dass auch die von Fachzeitschriften initiierten Tests nach einheitlichen und der Praxis entsprechenden Kriterien durchgeführt werden.

Innovative Antriebe im KundendienstDie Vorbereitung des Service auf die Betreuung von Fahrzeugen mit Elektroantrieb hat begonnen. So können bereits Hybridfahrzeuge gewartet und repariert werden. Die Markenwerkstätten sind vor allem in Hinsicht auf die Arbeitsplatzgestaltung auf Fahrzeuge mit Elektroantrieb technisch vorbereitet. So sind schon durch das 2003 neu konzipierte Berufsbild des Kfz-Mechatronikers die weichen in der beruflichen Quali-fikation neu gestellt worden. Industrie und Gewerbe schulen zudem die Kfz-Betriebe im gefahrlosen Umgang mit den Hochvoltsystemen der Elektrofahrzeuge. Hybridfahr-zeuge stehen heute jährlich zu Tausenden auf den Hebebühnen der Kfz-Betriebe. Auch diese Fahrzeuge sind mit den Hochvoltsystemen ausgestattet und in der Technik sogar komplexer als rein batteriebetriebene Fahrzeuge. Industrie und Kfz-Gewerbe werden die beruflichen Qualifikationen kontinuierlich der weiteren technischen Entwicklung anpassen.

Kunden sind überwiegend zufrieden mit der Leistung ihrer werkstatt

werkstätten sind auf das Zeitalter der Elektromobilität gut vorbereitet

Page 85: VDA Jahresbericht 2012 WEB

85

Novellierung des deutschen Kartellrechts

Das deutsche Gesetz gegen wettbewerbsbeschränkungen (GwB) soll in einer weite-ren Novellierung an das EU-Kartellrecht angepasst werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat das Bundeswirtschaftsministerium im März 2012 vorgelegt. Der Harmonisierungsansatz der 8. GwB-Novelle bezieht sich auf die Fusionskontrolle, also die Beurteilung von Zusammenschlüssen von Unternehmen. Die Missbrauchs-vorschriften, die bei marktbeherrschenden Positionen ansetzen, sollen klarer gestaltet werden. Systemfremd ist hingegen der Vorschlag, Verbraucherverbänden bei der privaten Kartellrechtsdurchsetzung eine Beteiligungsmöglichkeit einzuräumen. Für die Automobilindustrie hat die Beachtung und Umsetzung des Kartellrechts eine hohe Bedeutung, sowohl in der Fusionskontrolle angesichts vielfältiger Veränderungen der Unternehmensstrukturen als auch im allgemeinen Kartellrecht.

Künftig werden weniger Unternehmen daraufhin überprüft, ob sie eine marktbeherr-schende Stellung missbrauchen, denn die Schwelle für die Vermutung einer Einzel-marktbeherrschung steigt von 33 auf 40 Prozent Marktanteil. Das Bundeskartellamt hat festgestellt, dass die niedrigere Schwelle ökonomisch überholt ist. Die Schwellen-werte für die Duopol- und oligopolvermutung sind unverändert geblieben. Aus Sicht der Industrie reicht dieser Schritt jedoch nicht. So sollte auch die Schwelle für die kollektive Marktbeherrschung angehoben und die Marktbeherrschungsvermutungen sollten gestrichen werden. Diese Vermutungen sind nur schematisch und haben sich bei der Feststellung von Marktbeherrschung als praktisch ohne Bedeutung erwiesen.

Auch die geplante Übernahme der Möglichkeit von strukturellen Abhilfemaßnahmen bei einem Kartellrechtsverstoß, einschließlich Entflechtungen, sollte nicht vollständig dem EU-Vorbild folgen. Die unscharfen Tatbestände müssten noch präzisiert und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sollte konkretisiert werden.

In der Fusionskontrolle prüft das Bundeskartellamt zukünftig nicht mehr, ob durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird. Entscheidend wird sein, ob der wettbewerb erheblich beeinträchtigt wird (SIEC-Test = Significant Impediment of Effective Competition). Die deutsche Praxis gleicht sich in diesem wichtigen Punkt der EU an. Jedoch hat dort die Änderung vor einigen Jahren eher nachteilige Veränderungen für die Freigabe oder Untersagung von Zusam-menschlüssen mit sich gebracht. Der SIEC-Test ist in seinen Tatbeständen derartig allgemein gefasst, dass er für die betroffenen Unternehmen eine erhebliche rechts-unsicherheit bei der Anwendung im Einzelfall mit sich bringt. Solche Unsicherheiten können eher zum vorzeitigen Verzicht auf eigentlich zulässige Fusionen führen.

Die Unwirksamkeit eines Zusammenschlusses bei einer zunächst unterlassenen Fusionskontrolle kann nachträglich geheilt werden. Diese Änderung ist für die Unter-nehmenspraxis sehr wichtig: Die weitreichenden Unsicherheiten für Unternehmen, die aus der letzten Kartellrechtsnovelle 2005 resultieren, werden wieder beseitigt.

Eine Beeinträchtigung der Befugnisse des Kartellamtes wird die Einführung einer Klagebefugnis für Verbraucherverbände für Unterlassungsklagen – jedoch nicht für Schadensersatzklagen – mit sich bringen, verbunden mit der Möglichkeit, eine Vorteils-abschöpfung vorzunehmen. Die neue rolle von Verbraucherverbänden in Kartellver-fahren ist als kritisch zu beurteilen, da das Missbrauchsrisiko dieser Klagemöglichkeit gerade bei der Vorteilsabschöpfung nicht von der Hand zu weisen ist. Die Sicherung wirksamen wettbewerbs wie auch die Vorteilsabschöpfung sind vorrangig Aufgabe des Bundeskartellamtes. Die vorgenannten regelungen waren bereits Gegenstand der 7. GwB-Novelle und in den Beratungen des Bundestages schließlich abgelehnt worden. Ein aktueller Bedarf für solche regelungen ist nach wie vor nicht gegeben.

Die geplante Neuformulierung des Kartellrechts hat Schwächen

Eine Klagebefugnis für Verbraucherver-bände birgt ein Missbrauchsrisiko

Page 86: VDA Jahresbericht 2012 WEB

86r EC HT, V E rTr I E B , A FTE r SA LE S

Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU

Am 11. oktober 2011 hat die EU-Kommission den Entwurf für eine Verordnung zum Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht (GEK-E) veröffentlicht. Dem vorausgegangen war eine mehr als zehnjährige Vorarbeit. Der Vorschlag fußt auf der im Mai 2011 vorgelegten Machbarkeitsstudie einer von der Kommission eingesetzten Experten-gruppe. Im Juli 2010 hatte die Kommission das Grünbuch zu den optionen der Einfüh-rung eines europäischen Vertragsrechts veröffentlicht.

Mit dem Verordnungsentwurf hat sich die EU-Kommission für die optionale Lösung aus dem Grünbuch entschieden: Das GEK kann zwischen Vertragspartnern angewen-det werden, wenn beide Seiten zustimmen. weiterhin beschränkt sich der Anwen-dungsbereich auf grenzübergreifende Verträge. Der Entwurf umfasst neben dem Endkundengeschäft (B2C) auch das Geschäft zwischen Unternehmen (B2B), sofern eine Partei ein Kleinunternehmen oder Mittelständler (KMU) ist. Die Mitgliedsstaaten haben nach diesem Entwurf aber auch die Möglichkeit, das GEK für reine Inlandsge-schäfte und für Verträge zwischen Unternehmen zur Verfügung zu stellen, von denen keines den Status eines KMU hat.

Geregelt werden von dem Entwurf des GEK der Kauf von waren, die Bereitstellung digitaler Inhalte und die Erbringung damit verbundener Dienstleistungen. Ausdrück-lich ausgeschlossen sind Mischverträge, die verschiedene Vertragstypen enthalten, und mit Verbraucherkrediten verbundene Verträge. Nicht geregelt werden Fragen der Stellvertretung, der Aufrechnung, des Minderjährigenschutzes und der Sittenwidrig-keit von Verträgen.

EU plant optionales europäisches Kauf-recht für grenzübergreifende Verträge

Page 87: VDA Jahresbericht 2012 WEB

87

Mit dem GEK will die EU-Kommission das Vertragsrecht weiter vereinheitlichen und somit den Binnenmarkt stärken. Der VDA unterstützt diese Bestrebungen, sieht aber in dem vorliegenden Entwurf kein geeignetes und erforderliches Mittel. Deshalb wird der GEK-E vom VDA als allgemein wirtschaftsrechtliches Thema kritisch gesehen. Der VDA steht damit nicht nur auf einer Linie mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), sondern auch mit den europäischen Verbraucherzentralen, die sich nahezu alle kritisch zu dem GEK geäußert haben.

Mit Blick auf das bereits bestehende UN-Kaufrecht muss schon an der Notwendigkeit eines solchen GEK im Bereich B2B gezweifelt werden. wenig überzeugend sind auch die von der Kommission angeführten Gründe für die Vorteile einer solchen regelung. So sind für eine etwaige Behinderung des grenzüberschreitenden Verkehrs nicht ein fehlendes gemeinsames Vertragsrecht, sondern vorrangig andere Barrieren wie Kultur und Sprachunterschiede ursächlich.

Ein gemeinsames Kaufrecht kann auch nur dann erfolgreich sein, wenn es ausreichend attraktiv für beide Vertragsseiten, Käufer und Verkäufer, ist. Dies ist derzeit nicht der Fall. Vielmehr bestätigt sich die Befürchtung des VDA, dass über ein europäisches Vertrags-regelwerk das bewährte, ausgewogene regelwerk des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nachteilig verändert wird und es auf unabsehbare Zeit zu großer rechtsunsi-cherheit kommt, die zulasten der automobilen wertschöpfungskette ginge. Vor allem enthält der Entwurf eine unverhältnismäßige und auch nicht erforderliche Erhöhung des Verbraucherschutzniveaus. Dieses zeigt sich unter anderem im Gewährleistungsrecht, bei der rückabwicklung von Geschäften und bei den Verjährungsfristen. Gerade die im Gewährleistungsrecht vorgesehene Aufgabe des Vorrangs der Nachbesserung ist für die Automobilindustrie als Hersteller von technisch hoch komplexen Produkten als besonders kritisch einzustufen. Die vorgesehenen umfangreichen Informationspflichten würden die Unternehmen zudem bürokratisch stark belasten.

Auch die Vertragsfreiheit würde durch weitgehende Inhaltskontrollen für den B2B-Bereich in einem nicht hinnehmbaren Umfang eingeschränkt. Die regelungen des Entwurfs sind zumeist sehr weit gefasst, sodass beispielsweise unklar ist, ob im B2C-Bereich sogar Individualvereinbarungen erfasst, eine Preiskontrolle eingeführt und die Möglichkeit der Preiserhöhung nach Listenpreisen abgeschafft werden sollen. Solche regelungsänderungen stellten für die Automobilindustrie eine schwere Belastung dar. Darüber hinaus wäre mit der Einführung eines GEK wegen der vielen regelungslücken, der Verwendung unbestimmter rechtsbegriffe und der unterschied-lichen rechtsdurchsetzung in den EU-Mitgliedsstaaten sowie dem dann bestehenden Nebeneinander von nationalen Kaufrechtsregelungen, dem UN-Kaufrecht und dem GEK eine nicht zu unterschätzende rechtsunsicherheit zu befürchten.

Der Verordnungsvorschlag der Kommission liegt derzeit dem rat und dem EU-Parla-ment, das sich bereits mit großer Mehrheit für ein fakultatives EU-Kaufrecht ausge-sprochen hatte, zur Zustimmung vor. Der Bundestag hat am 1. Dezember 2011 – wie auch Großbritannien und Österreich – eine Subsidiaritätsrüge gegen den GEK-E eingereicht. Hintergrund ist die von der Kommission gewählte rechtsgrundlage Art. 114 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU). Danach ist ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren eröffnet und lediglich eine qualifizierte Mehrheit im rat und nicht Einstimmigkeit erforderlich. Dies hätte zur Folge, dass auch ohne Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland das GEK auf EU-Ebene beschlossen werden könnte.

Ein europäisches Kaufrecht führt nicht zur Stärkung des Binnenmarktes

VDA befürchtet Verschlechterungen in der automobilen wertschöpfungskette

Page 88: VDA Jahresbericht 2012 WEB

88r EC HT, V E rTr I E B , A FTE r SA LE S

Autobanken erneut auf Wachstumspfad

So positiv wie das Jahr 2011 für Automobilhersteller und den Handel verlaufen ist, so zufrieden können auch die herstellerverbundenen Autobanken zurückblicken. 2011 war unter dem Strich ein neues rekordjahr für die Banken der Automobilwirtschaft. Dieses Ergebnis ist zurückzuführen auf deutlich steigende Vertragszahlen, sinkende risikokosten und günstige refinanzierungskonditionen.

Die herstellerverbundenen Autobanken haben im vergangenen Geschäftsjahr mehr als 1,31 Mio. Neuverträge abgeschlossen, dies entspricht einem wachstum von 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bei Finanzierungsprodukten konnten die Autoban-ken mit 563.000 Neuverträgen im vergangenen Jahr ein Plus von 7 Prozent verbuchen. Im Leasing sind es mit rund 748.000 Verträgen 12 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Herstellerbanken haben damit ihr Niveau von 2008 – also vor der Umweltprämie – wieder erreicht, und das bei 3,1 statt 3,8 Mio. Neuzulassungen im Gesamtmarkt. Dies ist ein deutliches Indiz für die hohe Bedeutung der automobilen Dienstleistungen für die gesamte Automobilwirtschaft.

Ein Beispiel: Das Institut für Handelsforschung (IFH), Köln, hat im April 2012 eine Studie zum Thema „Bedeutung der Finanzdienstleistung für den Automobilhandel“ veröffentlicht. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Autohandel 50 Prozent seines Umsatzes mit finanzierten Fahrzeugen macht. Den Angaben der Händler zufolge stellen Finanzierungen am Point of Sale eine verlässliche Stütze ihrer Umsät-ze dar. Knapp drei Viertel der Befragten sind sich außerdem sicher, dass sie ohne Kreditangebote viel härter von der wirtschafts- und Finanzkrise getroffen worden wären. Point-of-Sale-Finanzierungen sind deshalb aus dem deutschen Handel nicht mehr wegzudenken.

Ein weiterer wichtiger Indikator für die Autobanken ist die Entwicklung des Vertrags-volumens. Im vergangenen Jahr haben die Autobanken Fahrzeuge im wert von rund 30 Mrd. Euro finanziert oder verleast. Damit wurde das Neugeschäftsvolumen bei Leasing und Finanzierung um 15 Prozent gegenüber 2010 gesteigert. Mit 18,9 Mrd. Euro lag das Volumen im Leasing über dem der finanzierten Fahrzeuge – hier lag das Volumen bei 11,1 Mrd. Euro.

Das wachstum des Vertragsvolumens zeigt einmal mehr eine besondere Stärke der Autobanken: Sie ermöglichen dem Kunden den Zugang zu höherwertigeren, besser ausgestatteten und umweltfreundlichen Fahrzeugen.

Zunehmend Erfolge auch mit Gebrauchtwagen-angebotenIm Jahr 2010 haben die Autobanken damit begonnen, sich verstärkt dem Gebraucht-wagengeschäft zuzuwenden. 2011 sind nun in einem dreigeteilten Markt – also Markenhandel an privat, freier Handel an privat und privat an privat – erste Erfolge zu verzeichnen.

Der Zuwachs von 1 Prozent sowohl in Stück als auch im wert ist zwar noch marginal. Interessant ist aber auch hier die hohe Qualität der Gebrauchtwagen, was sich in einer durchschnittlichen Finanzierungssumme von rund 13.000 Euro ausdrückt. Der Markenhandel spezialisiert sich also deutlich auf junge und höherwertige Gebrauchte. Insgesamt wurden 2011 über 564.000 Gebrauchtfahrzeuge mit einem Gesamtwert von über 7 Mrd. Euro über die Herstellerbanken auf die Straße gebracht.

rekordjahr bei automobilen Finanz-dienstleistungen

Markenhandel spezialisiert sich auf jüngere und höherwertige Fahrzeuge

Page 89: VDA Jahresbericht 2012 WEB

89

2011: Dienstleistungsverträge als wachstums-treiberwie bereits in den Vorjahren liegt auch weiterhin ein wesentliches wachstumsfeld im Geschäft mit zusätzlichen Versicherungen und Dienstleistungen für das Automobil. Hierzu zählen Kfz-Versicherungen, restschuldversicherungen sowie Garantie- und reparaturkosten- sowie weitere Versicherungen als Bestandteile von umfassenden Mobilitätspaketen.

Mit durchschnittlich 1,6 zusätzlichen Dienstleistungsverträgen pro Finanzierungs- oder Leasingvertrag und einem deutlichen Plus von 12 Prozent sind die Autobanken nach wie vor auf dem wachstumspfad. Die entsprechenden Serviceverträge werden wesentlich innerhalb sogenannter Mobilitätspakete angeboten, die an den individuel-len Kundenbedürfnissen ausgerichtet werden. Das Ergebnis 2011 zeigt, dass Auto-hauskunden heute mehr denn je die „Total Cost of Usage“ für ihr Fahrzeug im Blick haben und entsprechende Angebote nachfragen.

Bestandswachstum beträgt 6 ProzentIm Jahr 2011 verzeichneten die Autobanken einen sehr zufriedenstellenden Volu-menzuwachs von 6 Prozent auf nunmehr 89,4 Mrd. Euro. Der Fahrzeugbestand beim Endkunden ist gleichzeitig leicht um 4 Prozent auf rund 5,233 Mio. Einheiten gesunken.

Die Diskrepanz zwischen Volumenzuwachs und Bestandsminderung erklärt sich aus dem natürlichen wertzuwachs, da der Neuzugang höherwertiger ist als die abgelösten Fahrzeuge. Mit einem Marktanteil von rund 67 Prozent sind die herstellerverbundenen Finanzinstitute unangefochtener Marktführer in Deutschland. Auf Spezialbanken und unabhängige Leasinggesellschaften entfallen rund 20 Prozent. Die Penetrationsrate – der Anteil der finanzierten und verleasten Fahrzeuge an den Neuzulassungen – liegt mit rund 42 Prozent wiederum auf hohem Niveau.

Günstige refinanzierungssituationBezüglich der refinanzierungssituation profitieren auch die Autobanken von der lang-samen, wenn auch fragilen Entspannung der weltweiten Finanzmärkte. Die hersteller-verbundenen Autobanken sind nicht in den vielfach kritisierten, stark risikobehafteten Finanzprodukten engagiert. Ihr Geschäft ist grundsolide.

Die Autobanken haben ausreichend Zugriff auf refinanzierungsmittel und verfügen dabei über einen ausgewogenen refinanzierungsmix. Zudem profitieren sie auch von einem generell niedrigen Zinsniveau.

Kunden haben die gesamten Nutzungskosten im Blick

Autobanken sind nicht an risikobehaf-teten Finanzprodukten beteiligt

Page 90: VDA Jahresbericht 2012 WEB

90r EC HT, V E rTr I E B , A FTE r SA LE S

Positive Entwicklung im gewerblichen GeschäftDank der deutschen Sonderkonjunktur hat sich das gewerbliche Geschäft 2011 hervorragend entwickelt. Nach der krisenbedingten Zurückhaltung der letzten Jahre haben die Unternehmen 2011 aufgrund ihres Nachholbedarfs verstärkt in ihre Fuhrparks investiert. Mit über 721.000 gewerblichen Neuverträgen konnten die Autobanken in diesem Segment um 14 Prozent zulegen. Das im gewerblichen Bereich gewohntermaßen sehr starke Leasing schlägt dabei mit über 598.000 Verträgen zu Buche, was einem Zuwachs von 17 Prozent entspricht.

Auch das Privatkundengeschäft hat sich positiv entwickelt. Eine Besonderheit ist der rückgang im privaten Leasing. Dies ist allerdings kein Trend, sondern hängt mit einer Besonderheit des Geschäfts zusammen. Denn je nach Fahrzeug und Herstellerinte-ressen werden seitens der Autobanken entweder Leasing- oder 3-wege-Finanzie-rungsangebote favorisiert. Im Privatkundengeschäft ist deshalb die Entscheidung des Kunden für Finanzierung oder Leasing sehr stark angebotsgetrieben durch die Autobanken. Dies wird auch für das Jahr 2011 deutlich. Der rückgang im privaten Leasing ist also das Ergebnis der veränderten Angebotspolitik.

Elektromobilität: neue Geschäftsmodelle für die BankenDas Thema Elektromobilität stellt ein völlig neues Segment für die Automobilindustrie und damit auch für die Autobanken dar. Die Herausforderung ist dabei insbesondere in der Batterie zu suchen. Hier haben die Autobanken unterschiedliche Angebotskon-zepte in ihrem Portfolio. Einige Institute haben für die Finanzierung oder das Leasing von Elektroautos separate Mietverträge für die Batterie vorgesehen. Andere Institute beziehen die Batterie in ihre Angebote ein. welches das richtige Modell für die Zukunft ist oder ob beide Bestand haben werden, kann heute – ohne Praxiserfahrung – noch nicht vorhergesagt werden. Allerdings zielen die Angebote maßgeblich darauf ab, den Kunden weitgehend vom risiko des Batterieausfalls zu befreien.

Ähnlich wie Elektroautos steht auch die Entwicklung neuer Mobilitätsangebote wie Carsharing noch ganz am Anfang. Es ist davon auszugehen, dass auch hier die Autobanken zukünftig eine wesentliche rolle spielen werden. Einen empirischen Beleg kann man beispielsweise darin sehen, dass aktuelle Angebote der Hersteller mit innovativen Nutzungskonzepten in enger Zusammenarbeit mit den Finanzinstituten aufgelegt worden sind.

Diese Entwicklung wird weitergehen, die Autobanken werden an Bedeutung gewinnen – was insbesondere im hohen Know-how für Kundendaten, Abrechnungs-management und ihrer Erfahrung im Flottengeschäft begründet ist.

Gute Konjunktur wirkt sich positiv auf das Fuhrparkgeschäft aus

Banken bieten verschiedene Leasing-modelle für Batterien an

Page 91: VDA Jahresbericht 2012 WEB

91

Patente und Designmusterrechte für Innovationsschutz

Die deutschen Automobilhersteller und -zulieferer zählen – gemessen an der Anzahl der Schutzrechte sowie an den jährlichen Anmeldungen – zur Spitzengruppe in der Industrie. Fantasie und Ideenreichtum beflügeln den technischen Fortschritt in Deutschland sowohl bei Produkten als auch in den Fertigungsprozessen. Nur durch Schaffung geeigneter moderner Instrumentarien des gewerblichen rechtsschutzes kann den kreativen Kräften die Sicherheit und damit ein Innovationsschutz gegeben werden, was Voraussetzung für weitere Innovationen ist.

Die Automobilindustrie bekennt sich zur außerordentlichen rolle der Patente, Gebrauchsmuster, Marken und Geschmacksmuster (Design) für die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit. Gewerbliche Schutzrechte sind in der EU wie auch den wichtigen Exportmärkten der Automobilindustrie unverzichtbare Grundlage für die Vermarktung von Kraftfahrzeugen, Ersatzteilen und Zubehör. Die Schutzrechte stellen in vielen Fällen einen wesentlichen Teil des Unternehmenswertes dar; bei kleineren Unternehmen zählt die geschützte Erfindung sogar oftmals zum existenzsichernden rechtsbestand. Zu einer einseitigen Beschränkung von Patenten oder Design-rechten darf es daher ebenso wenig kommen wie die Unterlassung der Bekämpfung der Produktpiraterie in Industrie- und Schwellenländern.

Die Automobilindustrie vertraut auf den Fortbestand der geistigen Schutzrechte und meldet weiterhin etwa die Erfindungen zum Patentschutz an bzw. hinterlegt die Designmuster. Diese rechte werden grundsätzlich gegen Verletzer und Piraterie-Angriffe mit Abmahnungen und Gerichtsverfahren verteidigt. Die Nachahmung von Kfz-Außenhautteilen bis hin zu gefährlichen Kopien von Airbags erfordert auch Maßnahmen der Beschlagnahme an der Grenze durch die Zollbehörden oder, vor allem auf Auslandsmärkten, durch die örtliche Polizei.

Kreativität und Innovation brauchen modernen rechtsschutz

Page 92: VDA Jahresbericht 2012 WEB

92r EC HT, V E rTr I E B , A FTE r SA LE S

Vorschläge, etwa von europäischen Institutionen wie auch einzelne EU-Mitglieds-staaten, zur Abschaffung des Designschutzes für sichtbare Ersatzteile in der EU sind ein falsches Signal an die Automobilindustrie sowie an den Forschungs- und Entwick-lungsstandort Europa. Ein solcher Schritt würde lediglich zu einer Begünstigung von Produktpiraten führen. Dieser sorglose Umgang mit gewerblichen Schutzrechten– das Patent könnte es mit der nächsten EU-richtlinie treffen – eröffnet dem groß-industriellen Nachbau von Automobilteilen beispielsweise in Asien einen ungehin-derten Marktzugang. Der Abbau von gewerblichen Schutzrechten gefährdet die automobile wertschöpfung, die wettbewerbsfähigkeit der innovativen Unternehmen und die damit verbundenen Arbeitsplätze bei Fahrzeugherstellern und Zulieferern.

Fälschlicherweise wird regelmäßig auf eine angebliche Monopolstellung der Inhaber der Designrechte bei Kfz-Ersatzteilen hingewiesen, die deshalb vom Schutz ausgenom-men werden müssten. Zunächst ist festzustellen, dass gewerbliche Schutzrechte eine Ausschließungswirkung zugunsten des rechteinhabers gegenüber Dritten bedeuten. Ein Patent darf von keinem Dritten verletzt werden. Schutzrechte haben auch einge-schränkt im Ersatzteilgeschäft zu gelten. Eine Einschränkung allein für das Design-recht ist nicht zu rechtfertigen. Da auch andere Schutzrechte wie etwa Patente und Gebrauchsmuster in Ersatzteilen, wie etwa ein Verstellmechanismus im Außenspiegel oder Sensoren in Außenhautteilen, angesiedelt sind, müsste ein allgemeiner Verzicht auf Schutzrechte im Aftersales-Bereich gefordert werden. Ein solch schwerer Eingriff in das EU-Schutzrechtssystem ist jedoch nicht absehbar und auch nicht hinnehmbar.

Qualitativ hochwertige Ersatzteile bieten auch die beste Gewähr für die Kunden der Automobilindustrie bei der reparatur ihrer Fahrzeuge. So hat die Versicherungswirt-schaft festgestellt, dass die reparatur mit Nachbauteilen oftmals kostenintensive Nacharbeiten wegen fehlender Passgenauigkeit erfordert. Unberechtigt ist daher die mit der Abschaffung des Designschutzes verbundene vermutete Senkung von repara-tur- und Teilekosten. Gerade in der EU ist immer wieder festzustellen, dass die Kosten für Teile, die reparatur, aber auch die Versicherungsprämien keinesfalls dort niedriger sind, wo kein Designschutz für Teile besteht. Deutschland liegt preislich eher im unteren Mittelfeld in der EU, wie ein Preisvergleich der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) 2008 ergeben hat. Der DAT-Vergleich konnte nachweisen, dass zwischen Designschutz und Preisniveau für Ersatzteile kein unmittelbarer Zusammenhang besteht.

Die aktuelle Untersuchung des Marktforschungsunternehmens DAT hat die unver-bindlichen Preisempfehlungen der Hersteller für mehrere Tausend Teile zusammen-gefasst und damit etwa 90 Prozent des Marktes abgedeckt. Das Ergebnis lässt keine Systematik erkennen. Autofahrer im „Designschutzland“ Deutschland zahlen fast immer weniger für ein Ersatzteil als in anderen Ländern.

Für die Fortsetzung des globalen wettbewerbs um Innovation, Sicherheit, Umwelt-freundlichkeit und attraktives Design benötigt die Automobilindustrie auch einen uneingeschränkten Geschmacksmusterschutz für Teile. Der VDA fordert daher die Bundesregierung, aber auch die EU-Kommission sowie das Europäische Parlament auf, die gewerblichen Schutzrechte der Industrie zur Verbesserung ihrer wettbewerbs-fähigkeit auszubauen:

• Patente, Marken und Designrechte sind unverzichtbar für die Innovationen der Automobilindustrie.

• Der Designschutz für Ersatzteile muss erhalten bleiben, um Forschungspotenzial und Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern.

• Effektive Schutzrechte werden für die Bekämpfung der Produktpiraterie in der EU und auf Drittmärkten benötigt.

Zwischen Preisniveau und Design-schutz besteht kein direkter Zusam-menhang

Ein wirksamer Designschutz sichert Forschung und Entwicklung in Europa

Page 93: VDA Jahresbericht 2012 WEB

93

Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung

Trotz des Bestehens eines Europäischen Patentamts ist das Patentrecht in der EU nach wie vor in 27 nationale rechtssysteme zersplittert. Diese Uneinheitlichkeit ist einem gemeinsamen wirtschaftsraum nicht mehr angemessen; sie bringt für Unter-nehmen zahlreiche bürokratische Hindernisse und überflüssige Kosten mit sich und bedeutet insgesamt eine Schwächung im globalen wettbewerb. Die langjährigen Bemühungen, ein einheitliches Europäisches Patent zu schaffen, führten 2011 zu einem Vorschlag auf europäischer Ebene. Der VDA begrüßt diesen Schritt. Er kann dazu führen, mit einem kostengünstigen und einheitlichen Europäischen Patent international konkurrenzfähiger zu werden. Dabei ist entscheidend, dass das Euro-päische Patent mit einheitlicher wirkung kostengünstig und rechtssicher ist. Begrüßt wird auch der nun eingeschlagene weg der verstärkten Zusammenarbeit (Enhanced Cooperation). Nach der Blockade Italiens und vor allem Spaniens bei der Sprachen-regelung ist der weg in Form dieser verstärkten Zusammenarbeit zwischen den übrigen 25 EU-Mitgliedsstaaten richtig. Nun kommt es darauf an, die letzten offenen Verhandlungspunkte zügig zu lösen.

Die nun vorliegenden Vorschläge für eine EU-Verordnung für die anzuwendenden Übersetzungsregelungen und die Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes werden vom VDA grundsätzlich unterstützt. Bei dem in den Verordnungsvorschlägen vorgesehenen Europäischen Patent mit einheitlicher wirkung handelt es sich nicht um einen neuen rechtstitel. Vielmehr wird nur die rechtswirkung nach dem Erteilungs-verfahren beim Europäischen Patentamt (EPA) geändert. Dabei bleibt auch in Zukunft die Möglichkeit erhalten, einzelne nationale Patente bei den jeweiligen nationalen Patentbehörden oder ein Europäisches Patent für mehrere Vertragsstaaten der Euro-pean Patent organisation (EPo) beim EPA zu beantragen. Neu hinzu kommt jetzt die option, ein Europäisches Patent mit einheitlicher wirkung in den 25 teilnehmenden EU-Mitgliedsstaaten zu beantragen.

Die Übersetzungsregelungen in dem Verordnungsvorschlag sehen vor, dass – abgese-hen von der Übergangszeit und von rechtsstreitigkeiten für ein Europäisches Patent mit einheitlicher wirkung – keine zusätzlichen Übersetzungen in den teilnehmenden Mitgliedsstaaten anfallen. Aus Sicht des VDA ist allerdings die für die Übergangszeit geltende regelung mit der Verpflichtung zur Übersetzung von in Französisch oder Deutsch erteilten Patenten in die englische Sprache nicht erforderlich, wohl aber dem Kompromiss geschuldet, denn die maschinellen Übersetzungen für Informationszwe-cke sind bereits gut genug. Dies gilt umso mehr, als die Übersetzung erst nach Ertei-lung des Patents – und damit Jahre nach der erfolgten Anmeldung – zur Verfügung gestellt werden muss.

Für ein Europäisches Patent mit einheitlicher wirkung ist die regelung einer euro-päischen Gerichtsbarkeit unerlässlich. Eine solche Patentgerichtsbarkeit müsste von den 25 teilnehmenden Staaten durch völkerrechtlichen Vertrag geschaffen werden. Allerdings wurde der vom rat eingereichte Entwurf über das Übereinkommen für ein EU-Patentgerichtsmodell im Juni 2009 in einem Gutachten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als nicht mit dem EU-recht vereinbar eingestuft. Seitdem wird in der EU mit Nachdruck an einem neuen Patentgerichtsbarkeitsabkommen gearbeitet, um den Prozess zur Schaffung des Europa-einheitlichen Patents nicht übermäßig zu verlängern. Dabei ist der Sitz für das Zentralgericht und das Berufungsgericht eine besonders heiß diskutierte Frage. Der VDA befürwortet München als Standort für das Zentralgericht, da dort alle Anforderungen für ein solches Zentralgericht bereits vorhanden sind.

Europäisches Patent im wege der verstärkten Zusammenarbeit

VDA unterstützt Verordnungsvorschlä-ge für einheitlichen Patentschutz

Für ein Europäisches Patent braucht es auch eine europäische Patentgerichts-barkeit

Page 94: VDA Jahresbericht 2012 WEB

94r EC HT, V E rTr I E B , A FTE r SA LE S

Automotive-Aftersales

Stabiles wachstum im AftermarketDer Automotive-Aftermarket in der Automobilindustrie umfasst neben dem Ersatz-teilgeschäft und dem Servicegeschäft auch die Bereiche Fahrzeugdiagnose und technische Informationen. Im Jahr 2011 konnte der Aftermarket vom Aufschwung der Märkte profitieren, sodass sich die Erholung nach der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 im abgelaufenen Jahr stabilisiert hat. Viele Unternehmen erzielten sogar rekordwerte.

Die makroökonomischen rahmenbedingungen haben sich im Jahresverlauf 2011 zwar weltweit eingetrübt; unter anderem stiegen die Kosten für automobilrelevante rohstoffe. Dennoch ist der Ausblick auf das Gesamtjahr 2012 für den Automotive- Aftermarket optimistisch. Ein Treiber des Aftermarket-Potenzials in Deutschland ist die steigende Ausstattung der Fahrzeuge mit elektrischen und elektronischen Kompo-nenten. Die zunehmenden Funktionalitäten und die damit einhergehende wachsende Komplexität führen trotz längerer wartungsintervalle der Fahrzeuge bei erforderlichen Service- und wartungsarbeiten zu insgesamt stabilen Umsätzen im Aftermarket.

Im rahmen einer gemeinschaftlichen Initiative mit dem Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V. (ZDK) und dem Verein Freier Ersatzteilemarkt e. V. (VrEI) setzt sich der VDA für mehr Sicherheits- und wartungsbewusstsein bei den Autofah-rern ein. Unter dem Motto „FamilienMobil – Sicherheit fährt mit“ wurde die Initiative, die sich vor allem an Familien richtet, im Mai 2011 deutschlandweit gestartet. Mit verschiedenen Aktionen unterstützt die Kampagne Familien bei der professionellen Prüfung ihrer Autos in den teilnehmenden werkstätten der Kfz-Innungen des ZDK. Für 2012 ist eine Ausweitung der Kampagne geplant.

Zur Unterstützung deutscher Automobilunternehmen im Ausland hat der VDA auf der Aftermarket-Messe AUToMEC in São Paulo im April 2011 den deutschen Gemein-schaftsstand betreut. Bereits zum fünften Mal war der VDA mit deutschen Unterneh-men auf der Messe vertreten. Dies spiegelt die Bedeutung Brasiliens als aktueller und als Zukunftsmarkt wider, auf dem deutsche und internationale Automobilhersteller sowie Zulieferunternehmen in hohem Maße präsent sind.

Die Instandsetzung von Erzeugnissen, das sogenannte remanufacturing, hat für den Automotive-Aftermarket zunehmende Bedeutung. Im VDA hat eine herstellergruppen-übergreifende Arbeitsgruppe eine Definition der verschiedenen am Markt verfügbaren Arten von remanufacturing ausgearbeitet. Ziel ist es mittelfristig, auf europäischer und weltweiter Ebene das Bewusstsein für die positiven Einflüsse der Instandsetzung von Erzeugnissen auf die Umwelt, wie die Einsparung von rohstoffen und die Minde-rung von Co2-Emissionen, zu stärken. Darüber hinaus schafft die Instandsetzung von Erzeugnissen durch den hohen Anteil manueller Arbeit qualifizierte Arbeitsplätze.

Die staatliche Förderung der rußfilternachrüstung für Diesel-Pkw, wohnmobile und Kleintransporter bis 3,5 Tonnen wurde zum 1. Januar 2012 wieder aufgenommen. Damit wird die vom VDA befürwortete Förderung der Nachrüstmöglichkeiten fortgesetzt. Die Bundesregierung hat im Haushalt hierfür 30 Mio. Euro an Fördermitteln bereitgestellt. Das entspricht einem Volumen von rund 90.000 geförderten Nachrüstungen.

Verbesserte Ausstattung mit elektro-nischen Komponenten ist wachstums-treiber

VDA unterstützt den Sicherheits-check von Familienautos

wachsende Bedeutung des Instandset-zungsgeschäfts für den Aftermarket

VDA befürwortet Fortführung der staatlichen Förderung für rußfilter-nachrüstungen

Page 95: VDA Jahresbericht 2012 WEB

95

Neue VDA-Empfehlungen für den AftermarketDie Produktlebenszeiten in der Halbleiterindustrie und die Lieferverpflichtungen der Automobilindustrie bewegen sich auf unterschiedlichen Zeithorizonten. Um den Informationsprozess zum Serienauslauf eines Bauteils zu verbessern (sogenann-te Bauteilabkündigung), hat der VDA gemeinsam mit dem ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie eine Empfehlung für ein Frühwarnsystem erarbeitet. Im Mittelpunkt steht der Prozess zur Informationsbereitstellung entlang der Lieferkette, der es ermöglichen soll, frühzeitig auf sich abzeichnende Bauteilabkündi-gungen, die Beendigung von Fertigungen (ramp Down) und werksschließungen zu reagieren. Voraussetzung dafür ist eine vorausschauende Bedarfsabschätzung durch den Automobilhersteller bzw. den Zulieferer erster ordnung (1st Tier) an die Bautei-lehersteller, um eine bestmögliche Planung und somit Versorgung in der Nachserie zu ermöglichen. Die Empfehlung wird 2012 unter der VDA-Nummer 605 veröffentlicht und ist auf der website des VDA unter der rubrik „Publikationen“ kostenlos abrufbar.

Im rahmen des VDA-Arbeitskreises „Supply Chain Management im Aftermarket“ hat der VDA eine Handlungsempfehlung zum Austausch von Logistikstammdaten erarbeitet und diese unter der VDA-Empfehlung Nr. 9002 veröffentlicht. Ziel ist eine Verbesse-rung der Lieferkettenprozesse (Supply Chain Performance). Hierbei werden sowohl der Prozessablauf als auch die relevanten Daten definiert, die zwischen Kunde und Lieferant ausgetauscht werden sollen. Des weiteren wird eine standardisierte Vorlage zum Austausch der Daten empfohlen, um eine Automatisierung des Abgleichs bzw. der Verarbeitung der Daten zu unterstützen. Dadurch können Verbesserungen in der gemeinsamen Supply Chain realisiert werden, beispielsweise durch eine verbesserte Liefererfüllung oder einen geringeren Aufwand im Umgang mit Ausnahmen (Exception Handling). Die VDA-Empfehlung Nr. 9002 ist auf der website des VDA unter der rubrik „Publikationen“ kostenlos abrufbar.

Der Informationsfluss beim Serien-auslauf von elektronischen Bauteilen wurde verbessert

Austausch von Logistikdaten trägt zur optimierung der Lieferkette bei

Page 96: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 97: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Verkehrs- und Infrastrukturpolitik

Dia Saidou – Mechaniker, Spezialist Lackiervorbereitung, Produktion Lackiererei, BMw AG, München

Page 98: VDA Jahresbericht 2012 WEB

98V E r K E H r S- U N D I N F r A STr U KTU r P o LIT I K

Straße – Verkehrsträger Nummer eins

Mit dem Pkw auch in Zukunft mobil Das Auto ist mit Abstand das wichtigste Verkehrsmittel im Personenverkehr. Es wird hierzulande für über 80 Prozent der Personenverkehrsleistung genutzt. Dieser Anteil ist über die Jahre sehr konstant geblieben. Ebenso wenig Veränderung zeigt das Niveau des Personenverkehrs, dessen Entwicklung wie in allen EU-Staaten nur noch eine geringe Dynamik aufweist: Im Jahr 2011 ist die Personenverkehrsleistung gegenüber dem Vorjahr um 1,4 Prozent auf 1.143,4 Mrd. Personenkilometer gewachsen.

Der Pkw wird auch künftig seine Bedeutung für die Mobilität behalten. Dass man sich aus kulturellen Gründen von ihm abwende, wie vereinzelt behauptet wird, lässt sich bei sachlicher Analyse nicht feststellen. Zwar ist bei jüngeren Leuten ein abnehmen-der Motorisierungsgrad zu verzeichnen, dass heißt, weniger junge Leute verfügen über ein eigenes Auto. Dies ist jedoch häufig eher kostenbedingt und ganz überwie-gend keine bewusste Entscheidung gegen das Auto. Von den jungen Single-Haus-halten, die kein Auto besitzen, begründen 80,7 Prozent dies mit den Kosten, von den jungen 2-Personen-Haushalten 77,4 Prozent. Ein bewusster Verzicht wird von gerade einmal 1,8 Prozent bzw. 6,6 Prozent dieser Haushalte als Grund genannt. offenbar reagiert diese Altersgruppe, die sich überwiegend aus Auszubildenden, Studenten und Berufsanfängern zusammensetzt, einfach preissensibler auf die Verteuerung der Nutzungskosten eines Autos – verursacht vor allem durch gestiegene Kraftstoffpreise – als andere Altersgruppen.

Tatsächlich zeigt sich, dass junge Leute von heute nach wie vor eine große wertschät-zung für das Auto empfinden. Eine Untersuchung des Instituts TNS Infratest vom November 2010 förderte zutage, dass für 81 Prozent der 18- bis 34-Jährigen das erste eigene Auto etwas ganz Besonderes ist. 75 Prozent finden es wichtig, ein eigenes Auto zu besitzen. Darauf zu verzichten, kommt demnach noch nicht einmal für jeden Vierten dieser Gruppe infrage.

Ungeachtet dessen möchte die Automobilindustrie aber auch denjenigen, die sich ein eigenes Auto noch nicht leisten können oder wollen, ein adäquates Mobilitätsangebot machen. Die Fahrzeughersteller sind daher mit eigenen Carsharing-Modellen an den Markt gegangen, um Automobilität auch jenseits konventioneller Autonutzung zu ermöglichen.

Auch junge Menschen setzen weiter auf den Pkw

Das erste Auto bleibt für alle Bevölke-rungsgruppen etwas Besonderes

0

240

480

720

960

1.200

Pkw-Verkehr Öffentlicher Straßenpersonenverkehr Eisenbahn Luftverkehr

20252011200520001995199019801970

Personenverkehr in Deutschland bis 2025in Mrd. Personenkilometern

Quellen: DiW, BMVBS, BVU/DLR/ISL

Page 99: VDA Jahresbericht 2012 WEB

99

Der Güterverkehr auf der Straße weist hohe wachstumsdynamik auf

Auch die Nutzfahrzeugbranche ist bedeutender wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber

Lkw – Motor der wirtschaftSo wichtig der Pkw für den Personenverkehr ist, so unentbehrlich ist das Nutzfahr-zeug für den Güterverkehr. Über 70 Prozent des Güterverkehrs gehen über die Straße. Und im Gegensatz zum Personenverkehr zeigt die Güterverkehrsentwicklung noch eine hohe Dynamik mit einem Zuwachs von 3,1 Prozent auf 640,7 Mrd. Tonnenkilome-ter allein im Jahr 2011. Bis zum Jahr 2025 wird mit einer Zunahme um über 46 Prozent auf 936,5 Mrd. Tonnenkilometer gerechnet. Die Marktanteile der einzelnen Verkehrs-träger werden sich dabei voraussichtlich kaum ändern.

Der Lkw ist das rückgrat des Güterverkehrs und Motor der wirtschaft. Er ist flexibel und flächendeckend für eine Fülle von Transportaufgaben einsetzbar. Nicht zuletzt ist er auch unverzichtbar für eine Exportnation wie Deutschland. rund zwei Drittel des deutschen Exportaufkommens werden per Nutzfahrzeug auf den weg geschickt.

Bis auf Massengüter wie Kohle, rohöl und Erdgas, die von Schiene, Binnenschiff und Pipeline besser transportiert werden können, ist das Nutzfahrzeug mit großem Abstand das Hauptverkehrsmittel für alle Gütergruppen. Insbesondere Konsumgüter und Maschinen werden in weit über 90 Prozent der Fälle über die Straße transportiert. Da der Anteil solch hochwertiger Produkte an der gesamten Gütermenge im Lauf der Jahrzehnte stark zugenommen hat, ist auch die verkehrliche Bedeutung des Nutzfahr-zeugs stetig gewachsen. Es ist das natürliche Transportmittel einer hochentwickelten Volkswirtschaft. Kaum ein Verkehr kommt ohne das Nutzfahrzeug aus. In den meisten Fällen verfü-gen Versender oder Empfänger nicht über einen Hafen oder einen Gleisanschluss. Daher müssen die ersten und letzten Kilometer eines Transports oft auch dann vom Lkw übernommen werden, wenn ansonsten Bahn oder Schiff zum Einsatz kommen. In vielen Fällen lohnt aber auch die Transportentfernung eine Zwischenschaltung von Zug oder Binnenschifffahrt nicht, sodass der gesamte Transportweg dann per Nutz-fahrzeug abgewickelt wird. Dies gilt natürlich auch für die Belieferung der Geschäfte oder für die Lieferung der im Internet bestellten ware direkt zum Kunden nach Hause.

Nicht zuletzt sorgt die Nutzfahrzeugproduktion selbst für wohlstand und Beschäf-tigung. In diesem Industriezweig arbeiten rund 210.000 Personen – dies entspricht in etwa einem Viertel aller Beschäftigten in der gesamten Automobilindustrie. Hinzu kommen Beschäftigte, deren Arbeitsplatz indirekt vom Nutzfahrzeug abhängt, in Betrieb, wartung oder Nutzung. Dieser Personenkreis umfasst sogar rund 2,5 Millio-nen Menschen allein in Deutschland.

0

200

400

600

800

1000

BinnenschiffBahnenLkw

202520112005200019951990

Güterverkehr in Deutschland bis 2025in Mrd. Personenkilometern

Quellen: DiW, BMVBS, BVU/DLR/ISL

Kaum ein Gütertransport kommt ohne Nutzfahrzeug aus

Page 100: VDA Jahresbericht 2012 WEB

100V E r K E H r S- U N D I N F r A STr U KTU r P o LIT I K

Der omnibus – die klimafreundliche Alternative …Auch für den öffentlichen Personenverkehr ist das Nutzfahrzeug eine tragende Säule. So wird im Nahverkehr kein anderes Verkehrsmittel häufiger genutzt als der Bus – er befördert 4,6 Mrd. Fahrgäste pro Jahr. Damit beträgt sein Anteil über 44 Prozent. Straßenbahn und Eisenbahn teilen sich die andere Hälfte. Unverzichtbar ist der Bus vor allem für ländliche Gebiete, wo der Einsatz von Eisenbahnen oft weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll wäre. Bei einer Durchschnittsauslastung von 35 Prozent verbraucht der Bus gerade einmal 1,2 Liter Diesel für 100 Personenkilome-ter – bei voller Auslastung sogar nur 0,5 Liter. Zusätzliche Verbrauchseinsparungen erlaubt die Hybridtechnologie, die wegen des dort häufigen Anhaltens und Anfahrens gerade für den Stadtverkehr hervorragend geeignet ist. Zudem sind über 1.000 Busse in Deutschland im öffentlichen Personennahverkehr als umweltfreundliche Erdgas-fahrzeuge unterwegs. Aber nicht nur das Klima wird beim Busfahren geschont, auch der Luftqualität tut der Bus gut. So trägt er nur zu 2 Prozent zur lokalen Feinstaubbe-lastung bei. Ein Grund für diese gute Bilanz ist auch, dass weit über 60 Prozent der Busse im öffentlichen Personennahverkehr über eine grüne Umweltplakette verfügen, also mit besonders schadstoffarmen Motoren ausgestattet sind.

Nicht weniger imposant ist die Bilanz des Busses im Tourismus. Bei Urlaubsreisen mit mindestens 5 Übernachtungen haben Busse einen stabilen Marktanteil zwischen 8 und 10 Prozent und stehen damit auf Platz drei der beliebtesten reiseverkehrsmittel für den Urlaub. weil Busse in diesem Segment eine durchschnittliche Auslastungs-quote von 60 Prozent aufweisen – ein Spitzenwert im Vergleich zu anderen Verkehrs-trägern –, sind sie nach einer Untersuchung des Umweltbundesamtes mit Abstand das klimafreundlichste Fernverkehrsmittel. reisebusse emittieren pro 100 Personenki-lometer nur 31 Gramm Co2/km, deutlich weniger als die Bahn mit 46 Gramm.

Der Bus ist das meistgenutzte Verkehrsmittel im Nahverkehr

Page 101: VDA Jahresbericht 2012 WEB

101

Die Erfahrungen zeigen: Der Busfern-verkehr nimmt der Bahn keine Kunden weg

… bald auch im Linienfernverkehr?Es ist zu wünschen, dass der Bus seine Qualitäten bald auch im Linienfernverkehr ausspielen kann. Zu diesem Marktsegment ist ihm bis heute in Deutschland der Zugang bis auf wenige Ausnahmestrecken verwehrt, weil man den Schienenverkehr vor Konkurrenz schützen wollte. Positive Erfahrungen aus anderen Ländern, die wie beispielsweise Großbritannien oder Schweden eine Deregulierung des Buslinienfernver-kehrs gewagt haben, zeigen jedoch, dass diese Sorge unbegründet ist. Eine dauerhafte „Kannibalisierung“ des Schienenfernverkehrs konnte dort nicht festgestellt werden.

Dies liegt unter anderem daran, dass der Bus ein anderes Kundensegment als die Bahn anspricht. Er dürfte zwar für die meisten Strecken etwas länger brauchen, ist dafür aber wesentlich preiswerter. Bei gleicher Auslastung entstehen beim Bus gegenüber der Bahn auf vergleichbaren Fernverkehrsstrecken durchschnittlich 15 Prozent geringere Kosten. Dies kommt Personen zugute, denen die reisezeit nicht ganz so wichtig ist, die aber stark auf den Preis achten müssen. Somit können neue Personenkreise mit niedrigeren Einkommen in den Genuss von Fernreisen kommen, auf die sie bisher aus Kostengründen verzichten müssen oder für die sie bislang beispielsweise private Mitfahrzentralen genutzt haben.

Page 102: VDA Jahresbericht 2012 WEB

102V E r K E H r S- U N D I N F r A STr U KTU r P o LIT I K

Der Lkw im Umweltvergleich

wie der Bus im Personenfernverkehr, so braucht auch der Lkw im Güterverkehr den Umweltvergleich mit anderen Verkehrsträgern nicht zu scheuen. Jenseits der schnel-len Pauschalurteile zeigt sich nämlich, dass es „das“ umweltfreundlichste Verkehrs-mittel nicht gibt. welche Klimabilanz ein Verkehrsmittel hat, hängt sehr stark von den jeweiligen verkehrlichen rahmenbedingungen ab. So zeigen jüngste Untersuchungen von Umweltexperten, dass die Bahn zwar tendenziell Effizienzvorteile bei schweren Schüttgütern oder im Containertransport bietet, sofern die Züge ausreichend lang sind, der Leerwagenanteil gering und die Strecke des Vor- und Nachlaufs ausreichend kurz ist. Sobald jedoch eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben ist, kann die Bilanz bereits zugunsten des Nutzfahrzeugs umschlagen. So zeigt sich beispielsweise, dass bei einem Transport von Getriebeteilen von Stuttgart nach rastatt das Nutzfahrzeug dann klimafreundlicher ist, wenn der Zug aus logistischen Gründen nur aus sechs waggons bestehen würde.

Das jeweils ökologischste Verkehrsmit-tel lässt sich nicht pauschal bestimmen

0

2

4

6

8

10

ZugLkw0,0

0,3

0,6

0,9

1,2

1,5

Zug (EcoTransIT) mountain

Lkw (36 l/100 km)

Zug (EcoTransIT) hilly

Lkw (30,6 l/100 km)

Treibhausgasemissionen bei ausgewählten Transporten

Vergleich der THG-Emissionen beim Transport von schwerem Stückgut im Werksverkehr von Stuttgart nach Bremen.

Zur Berechnung wurden die folgenden Annahmen getroffen:• Allgemeine Annahme: - keine Berücksichtigung von Leerfahrten

• Verkehrsträgerspezifische Annahmen: - Lkw: 30,6 l/100 km (bei Vollauslastung) - Distanz: 633 km; Auslastung: 84 %, bezogen auf die maximale effektive Zuladung von Fracht (Sattelauflieger)

- Bahn: Ganzzug (20 Wagen); Distanz: 628 km; Wechselbrücken, die jeweils mit ca. 10,5 t Ladung gefüllt sind (92 %, bezogen auf die maximale effektive Zuladung von Fracht); Vorlauf Bahntransport: 2 km Lkw; 100 % E-Traktion

Vergleich der THG-Emissionen beim Transport von schwerem Stückgut im Werksverkehr von Stuttgart nach Rastatt. Beim Zug sind Hauptlauf (blau) und Vorlauf (gelb) dargestellt.

Zur Berechnung wurden die folgenden Annahmen getroffen:• Allgemeine Annahmen: - 220 t, Just-in-sequence-Lieferung (2 x je Arbeitstag) - keine Berücksichtigung von Leerfahrten

• Verkehrsträgerspezifische Annahmen: - Lkw: Kraftstoffverbrauch: 2 Fälle unterschieden: a) 30,6 l/100 km (bei Vollauslastung) b) 36 l/100 km (Realverbrauch für die gefahrene Strecke und tatsächliche Auslastung, anspruchsvolles Streckenprofil) - Distanz: 115 km; Auslastung: 83 % (Sattelauflieger) - Bahn: Traktionsart: 100 %; elektrischer Energieverbrauch: 2 Fälle a) EcoTransIT-hilly-Funktion (Durchschnitt für Deutschland) b) EcoTransIT-mountain-Funktion (10 % höhere Verbrauchswerte)

• Distanz Bahn: 108 km, Auslastung: 73 % (40-ft-Container); 6 Wagen; Vorlauf Bahntransport: 2 km Lkw

Quelle: PE International

t CO

2e/F

ahrs

piel

Page 103: VDA Jahresbericht 2012 WEB

103

Infrastrukturpolitik

Entwicklung der Fernstraßeninvestitionen und Einnahmen aus dem StraßenverkehrDas Bundesverkehrsministerium taxiert den jährlichen Investitionsbedarf im Bundes-fernstraßennetz auf 8 Mrd. Euro. Tatsächlich werden seit vielen Jahren aber nur rund 5 Mrd. Euro investiert – mit Ausnahme der Jahre 2009 und 2010, in denen die Mittel mit jeweils knapp 1 Mrd. Euro zur Belebung der Konjunktur verstärkt wurden. Die Folge der chronischen Unterfinanzierung ist, dass der aktuelle Bundesverkehrswege-plan 2001-2015 mit Abschluss des Jahres 2009, also nach 60 Prozent seiner Laufzeit, erst zu 40 Prozent umgesetzt werden konnte. Viele geplante Aus- und Neubauten können nicht realisiert werden, sodass der Verkehr schneller wächst als die Leis-tungsfähigkeit des Netzes. Dadurch steigt die Anzahl der Staukilometer immer weiter an – allein seit 2006 um 26 Prozent auf einen vorläufigen rekordwert von 453.787 Kilometern im Jahr 2011.

Auch in den nächsten Jahren wird sich die Finanzierungslage nicht verbessern. Zwar werden die Investitionen in die Infrastruktur von Straße, Schiene und Binnenwasser-straße für das Jahr 2012 erneut einmalig verstärkt, allein für die Straße auf 5,6 Mrd. Euro. Für die Folgejahre bis 2015 sieht die mittelfristige Finanzplanung der Bundes-regierung aber nur noch Investitionen von 4,8 Mrd. Euro vor. Damit reichen die Mittel bestenfalls aus, um die bereits heute laufenden Aus- und Neubauvorhaben sowie die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen zu finanzieren. Im Fernstraßennetz hat sich in den letzten Jahren jedoch ein erheblicher Sanierungsstau gebildet. Daher ist bei der Mittelverwendung künftig eine stärkere Prioritätensetzung auf Erhaltungsinvestitionen erforderlich. Gerade auch mit Blick auf den Zustand vieler Brücken im Fernstraßen-netz führt an einer dauerhaften Aufstockung der Investitionsmittel kein weg vorbei.

Geld für mehr Fernstraßeninvestitionen ist eigentlich genug da. Jährlich nimmt der Staat weit über 50 Mrd. Euro aus dem Kraftverkehr ein – durch Energiesteuer (frühere Mineralölsteuer), zugehörige Mehrwertsteuer, Kfz-Steuer und Lkw-Maut. Bund, Länder und Gemeinden reinvestieren daraus aber nur rund 30 Prozent wieder in die Straßennetze.

Der Ausbau des Verkehrsnetzes bleibt hinter der Verkehrsentwicklung zurück

Staulänge gesamt (in km) Anzahl Staus

Wachsendes Stauproblem auf deutschen Autobahnen

Quelle: ADAC

0

2006 2007 2008 2009 2010 2011

150.000

300.000

375.000

225.000

75.000

450.000

525.000

Wirtschaftskrisenjahr

Page 104: VDA Jahresbericht 2012 WEB

104V E r K E H r S- U N D I N F r A STr U KTU r P o LIT I K

Pkw-Maut keine AlternativeImmer wieder wird zur Lösung der Finanzprobleme auch die Einführung einer Pkw-Maut gefordert. Doch nach allen Erfahrungen ist davon auszugehen, dass ein solcher zusätzlicher wegezoll die Mobilität nur verteuert, ohne dass mehr Geld in die Infrastruktur fließt. Diese Erfahrung musste bereits das Transportgewerbe mit der im Jahr 2005 eingeführten Lkw-Maut machen. Durch sie zahlt das Gewerbe heute rund 4 Mrd. Euro mehr als vorher, ohne dass auch nur ein Euro zusätzlich in die Straßen-infrastruktur investiert wurde. Die zusätzlichen Mautmittel hat die Politik genutzt, die Haushaltsmittel für die Bundesfernstraßen entsprechend zu kürzen, sodass sich die Investitionslinie insgesamt nicht verändert hat.

Die Verteuerung der Mobilität durch eine Pkw-Maut würde vor allem Kleinverdiener und insbesondere Pendler belasten, die aufgrund ihrer Arbeitszeiten, ihres wohnortes oder ihrer wegstrecke keine Ausweichmöglichkeiten auf andere Verkehrsmittel haben. Angesichts der bereits heute hohen Abgabenbelastung des Straßenverkehrs sind zusätzliche Lasten nicht zu rechtfertigen.

würde eine Maut zudem über eine Vignette eingetrieben, wäre dies ökologisch kontraproduktiv, weil Vielfahrer belohnt und wenigfahrer bestraft würden. Auch gilt zu bedenken, dass eine Pkw-Maut auf Autobahnen zu einer Verlagerung von Verkeh-ren auf Land- und Stadtstraßen führen würde – mit negativen Effekten für Umwelt, Verkehrssicherheit, Anwohner und Verkehrsfluss.

reformbedarf bei der FernstraßenfinanzierungIn jedem Fall ist es erforderlich, vor einer Debatte über neue Abgaben und Gebüh-ren zunächst einmal dafür Sorge zu tragen, dass die zur Verfügung stehenden Mittel möglichst effizient verwendet werden und dort zum Einsatz kommen, wo sie den größten verkehrlichen Nutzen stiften.

Die Erfahrung aus der Lkw-Maut zeigt: Es wird kein Cent zusätzlich in die Straße investiert

Bei einer Vignettenlösung würden wenigfahrer bestraft

0

1

2

3

4

6

7

5

Haushaltsmittel Mautmittel Eisenbahn

20152012 2014201320112009 20102007 200820062003 2004 2005

Entwicklung der Bundesfernstraßeninvestitionenin Mrd. Euro

Quellen: VIFG, Deutscher Bundestag

Mehrjährige Zweckbindung von Mitteln für die Infrastruktur besser als jährlicher Haushalt

Page 105: VDA Jahresbericht 2012 WEB

105

Dafür ist eine klare Prioritätensetzung jenseits regionalen Proporzdenkens genauso erforderlich wie eine weiterentwicklung der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsge-sellschaft und die Loslösung der Fernstraßeninvestitionen aus der Jährlichkeit von Haushaltsbeschlüssen.

Um die Fernstraßeninvestitionen längerfristig auf bedarfsgerechtem Niveau abzusi-chern, sollte daher neben der Zweckbindung des Lkw-Mautaufkommens von rund 3,5 Mrd. Euro netto pro Jahr für die Fernstraßen eine zusätzliche längerfristige Bindung von Haushaltsmitteln erfolgen. Eine solche überjährige Zweckbindung wäre ohne weiteres zu erreichen durch ein Gesetz oder durch den Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung, die zwischen Bundesfinanz- und Bundesver-kehrsministerium einerseits und zum Beispiel der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungs-gesellschaft andererseits abgeschlossen wird. Bei der Schiene ist das – bezogen auf ihre Erhaltungsinvestitionen – seit einigen Jahren bereits realität.

Telematik zur effizienten Nutzung der InfrastrukturDie Kapazität des Straßennetzes zu steigern, ist nicht nur durch Neu- und Ausbaumaßnahmen möglich, sondern auch durch den Einsatz von Telematik wie beispielsweise wechselverkehrszeichen, die verkehrsstärke- oder wetterabhängige Geschwindigkeitsvorgaben anzeigen oder temporär Seitenstreifen freigeben. Durch sie erhöht sich die Kapazität der betreffenden Strecke um bis zu 10 Prozent, mit dynamischer Seitenstreifenfreigabe sogar um 25 Prozent. Außerdem hilft Telematik, die Verkehrsteilnehmer vor Gefahren wie Staus, Baustellen, Nebel oder Glatteis zu warnen, und trägt so zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei.

Heute sind rund 10 Prozent der 12.500 Kilometer Autobahn mit solchen Streckenbe-einflussungsanlagen ausgerüstet. Das sind jedoch längst noch nicht alle Abschnitte, bei denen eine Ausrüstung geboten erscheint. Hier besteht für die Politik weiterer Handlungsbedarf, der Aktionsplan Straßenverkehrstelematik ist daher ein richtiger Schritt.

Eine dynamische Verkehrszeichenrege-lung kann den Verkehr entzerren

0

10.000

20.000

30.000

40.000

50.000

60.000

Überschuss Ausgaben für das Straßenwesen

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

Verwendung der Einnahmen aus spezifischen Abgaben des Kraftverkehrsin Mrd. Euro

Quelle: VDA

Page 106: VDA Jahresbericht 2012 WEB

106V E r K E H r S- U N D I N F r A STr U KTU r P o LIT I K

Güterverkehrspolitik

Co-Modalität als Leitmotiv Die Verkehrsträger haben, technisch bedingt, unterschiedliche Stärken und Schwä-chen, die sie für jeweils verschiedene Transportaufgaben prädestinieren. Binnenschiff und Schiene haben ihre Stärke im Transport massereicher Güter über weite Strecken. Der Lkw ist besonders gut darin, kleinere Sendungsgrößen über kürzere Strecken zu transportieren. Vor allem ist er unentbehrlich, um Schienentransporte im Vor- und Nachlauf zu ergänzen. oft ist er auch die beste Transportalternative für längere Strecken, wenn eine Zwischenschaltung der Bahn wegen notwendiger Umwegfahrten im Vor- und Nachlauf oder aufgrund der erforderlichen Umladevorgänge ökonomisch und ökologisch nicht sinnvoll erscheint. Viele Überschneidungen haben die Verkehrsträger im Leistungsspektrum des Trans-portmarktes daher nicht. Insofern ergibt sich auch nur begrenzt Verlagerungspoten-zial. Die Verkehrsträger müssen daher eher als Partner angesehen werden denn als Konkurrenten.

Versuche einer Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene, wie sie beispiels-weise das im März 2011 von der EU-Kommission vorgelegte weißbuch „Verkehr“ für Transporte ab 300 Kilometern vorsieht, gehen daher an der realität vorbei. Es stimmt zwar, dass die Schiene tendenziell Vorteile bei lang laufenden Verkehren hat. Letztlich muss dies jedoch im konkreten Einzelfall geprüft werden. Die Aufteilung zwischen Straße und Schiene muss sich im Markt ergeben und kann nicht vom Büroschreib-tisch aus planwirtschaftlich für ganz Europa festgelegt werden.

Verkehrspolitisch wesentlich sinnvoller ist daher der Ansatz der Co-Modalität. Ihm zufolge sind die Verkehrsträger als gleichwertig und sich jeweils ergänzend anzuse-hen. Eine optimierung des Gesamtverkehrssystems wird dabei durch eine optimie-rung der einzelnen Verkehrsträger für sich und in Kombination erzielt.

Feldversuch Lang-LkwDem Co-Modalitätsgedanken rechnung tragend, hat sich die Bundesregierung in ihrem im Jahr 2010 beschlossenen Aktionsplan „Güterverkehr und Logistik“ unter anderem zum Ziel gesetzt, in Deutschland Feldversuche mit besonders langen Eisen-bahngüterzügen von über 750 Metern Länge zu starten.

Genauso liegt auch im Straßenverkehr in einer Verlängerung der Transporteinheiten ein Schlüssel zur Effizienzsteigerung. wenn die Transportmenge, die bislang durch drei konventionelle Lkw mit maximaler Länge von 18,75 Metern befördert wurde, statt dessen von zwei Lkw mit einer Länge von 25,25 Metern befördert wird, sinken Kraft-stoffverbrauch und Co2-Emissionen um über 20 Prozent pro Tonnenkilometer. Hinzu kommt, dass sich das gleiche Gewicht von 40 Tonnen auf mehr Achsen verteilt und dadurch die Achslast und die physische Straßenbelastung sinken. Darüber hinaus sinkt der Bedarf an Verkehrsraum um ein Drittel. So werden die Straßen zusätzlich entlastet.

Der Lkw und die Bahn sind mehr Partner als Konkurrenten

Lang-Lkw können zu einer Entlastung der Straße beitragen

Der Verkehr wird optimiert, wenn sich die Verkehrsträger sinnvoll ergänzen

Page 107: VDA Jahresbericht 2012 WEB

107

In einigen Nachbarländern, wie beispielsweise in den Niederlanden, sind Lkws mit einer Gesamtlänge von 25,25 Metern schon seit geraumer Zeit alltäglicher Bestand-teil des Verkehrs, ohne dass sie anderen Verkehrsteilnehmern besonders aufgefallen wären. In Deutschland ist die Politik angesichts einer teils aufgeregt und nicht immer sachlich geführten Diskussion vor einer generellen Zulassung bislang zurückge-schreckt. Die Bundesregierung hat nun auf Basis einer Ausnahmeverordnung einen Feldversuch gestartet, um die Potenziale des Lang-Lkw auch hierzulande zu untersu-chen. Angelegt ist der Versuch auf eine Laufzeit von fünf Jahren. Er soll sich auf das Bundesautobahnnetz und Teile des nachgeordneten Netzes beziehen. Es wird aber weitgehend darauf verzichtet, Autobahnen in denjenigen Bundesländern einzubezie-hen, die den Feldversuch ablehnen. Für die am Versuch teilnehmenden Fahrzeuge ist eine ganz besonders anspruchsvolle sicherheitstechnische Ausstattung erforderlich. Auch an die Fahrerqualifikation werden besondere Anforderungen gestellt. Zudem wird der Versuch auf bestimmte Ladungen beschränkt (zum Beispiel keine flüssige Ladung, keine lebenden Tiere). wissenschaftlich begleitet wird der Versuch durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt).

Ressourcenersparnis dank Lang-Lkw

Quelle: VDA

-30 %

-25 %

-20 %

-15 %

-10 %

-5 %

0

Achs

last

Stra

ßenr

aum

beda

rf

CO2-

Emis

sion

en

Kraf

tsto

�ver

brau

ch

7,82 m

13,6 m

13,6 m

7,82 m

7,82 m

13,6 m

13,6 m

7,82 m

Page 108: VDA Jahresbericht 2012 WEB

108V E r K E H r S- U N D I N F r A STr U KTU r P o LIT I K

weiterentwicklung der Lkw-MautSeit September 2011 dürfen die EU-Mitgliedsstaaten auf Basis der novellierten wege-kostenrichtlinie für die Lärm- und Schadstoffemissionen bei der Lkw-Maut Aufschlä-ge auf die reinen Infrastrukturkosten erheben. Für Deutschland gibt es jedoch keinen Grund, von dem bewährten Modell abzugehen, die Emissionen durch eine entspre-chende Spreizung der Mautsätze zu berücksichtigen. Der Erfolg dieses Modells zeigt sich darin, dass der Anteil der Fahrleistungen, die von mautpflichtigen Lkw mit schad-stoffarmen Euro-V-Motoren erbracht werden, von 5,6 Prozent im Jahr 2006 bis auf 64 Prozent Ende 2011 gestiegen ist.

Jetzt gilt es, auch Fahrzeuge der neuen Abgasnorm Euro VI, die ab dem 31. Dezem-ber 2013 für alle neu zugelassenen schweren Lkw verbindlich wird, erfolgreich in die Maut zu integrieren. Mit Euro VI wird allein der Ausstoß von NoX im Vergleich zuEuro V um weitere 80 Prozent abgesenkt. Die Emissionen erneut derart stark zu reduzieren, erfordert eine sehr anspruchsvolle Technik, die die Fahrzeuge im Vergleich zu Euro V verteuert. Daher sind geeignete Anreize unverzichtbar, um das Transportge-werbe frühzeitig zu entsprechenden Investitionen zu bewegen. Gemeinsam mit dem Gewerbe spricht sich die Nutzfahrzeugindustrie deshalb dafür aus, dass Euro-VI-Lkw ab dem 1. Juni 2013 einer eigenen neuen Mautklasse zuge-ordnet werden, deren Höhe 4 Cent unterhalb der Mautklasse für Euro V angesiedelt ist. Darüber hinaus ist es zu begrüßen, dass auch das Innovationsprogramm zur Förderung von Investitionen in Euro VI genutzt wird. Hierbei gilt es, spätestens 2013 Haushaltsmittel in ausreichender Höhe bereitzustellen.

Unabhängig davon wird es im Lauf des Jahres 2012 zu einer Ausweitung der Lkw-Maut auf einige Bundesstraßenabschnitte kommen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen: Sie dürfen keine ortsdurchfahrt sein, müssen mindestens vier Fahrstreifen haben, eine Mindestlänge von vier Kilometern aufweisen und sowohl über eine direk-te Autobahnanbindung als auch über baulich voneinander getrennte richtungsfahr-bahnen verfügen. Dies trifft auf ungefähr 1.000 Kilometer der insgesamt fast 40.000 Kilometer Bundesstraßen zu. Die Bundesregierung erhofft sich daraus Mehreinnah-men von rund 100 Mio. Euro pro Jahr. Vereinzelt wird darüber hinaus gefordert, in die bevorstehende Neuausschreibung der Verträge für den Mautbetrieb eine Ausweitung der Mautpflicht auf alle Lkw ab 3,5 Tonnen zulässigen Gesamtgewichts aufzunehmen. Da leichtere Fahrzeuge aber geringere wegekosten pro Kilometer aufweisen, dürften sich die zusätzlichen Einnah-men in Grenzen halten.

In beiden Fällen – der Ausweitung der Maut auf Bundesstraßen und auf kleinere Lkw – ist vermutlich auch wieder damit zu rechnen, dass die Einnahmen nicht als Investitio-nen in die Straßeninfrastruktur zurückfließen, sondern für andere politische Vorhaben zweckentfremdet würden.

Für besonders schadstoffarme Lkw muss es eine Mautreduzierung geben

Auch eine Ausweitung der Lkw-Maut dient voraussichtlich nur dem allgemei-nen Haushalt

Page 109: VDA Jahresbericht 2012 WEB

109

Der positive Trend zu weniger Unfällen auf Autobahnen setzt sich fort

Verkehrssicherheit

Aktuelle Unfallzahlenobwohl die Fahrleistungen auf deutschen Straßen von Jahr zu Jahr zugenommen haben, geht die Anzahl der bei Verkehrsunfällen tödlich Verunglückten seit 20 Jahren kontinuierlich zurück. Zwischen 1991 und 2010 sank sie um 68 Prozent auf 3.648. Im Jahr 2011 war demgegenüber erstmals wieder ein Anstieg auf 3.900 zu verzeichnen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen und das Statistische Bundesamt sehen darin jedoch keine Umkehr der bisherigen Entwicklung, sondern führen den Anstieg auf Sondereffekte zurück.

Zum einen gibt es einen Basiseffekt aus dem Jahr 2010: Die sehr winterliche und schneereiche witterung am Anfang und Ende des Jahres 2010 hatte zwar zu vielen Unfällen geführt, die aber überwiegend keinen schweren Verlauf zeigten. Die Perso-nenschäden gingen daher im Vergleich zum Langfristtrend überdurchschnittlich zurück. Zum anderen hatte der warme und trockene Frühling 2011 die Zweiradsaison früh beginnen lassen, was die Unfälle in diesem Bereich zunehmen ließ.

Positiv war hingegen auch im Jahr 2011 wieder die Entwicklung auf den Autobahnen. Hier setzte sich der Langfristtrend zu immer weniger tödlich Verunglückten fort. Ihre Zahl sank gegenüber 2010 um 2,3 Prozent.

Page 110: VDA Jahresbericht 2012 WEB

110V E r K E H r S- U N D I N F r A STr U KTU r P o LIT I K

Nationales VerkehrssicherheitsprogrammDer Bundesverkehrsminister hat im November 2011 das neue Verkehrssicherheits-programm der Bundesregierung vorgelegt. Das Programm würdigt ausdrücklich den Beitrag der Automobilindustrie und ihrer Innovationen für die Erfolge in der Verkehrs-sicherheit. Es setzt sich die Verringerung der Zahl der im Straßenverkehr tödlich Verunglückten um 40 Prozent bis 2020 zum Ziel. Dazu folgt es dem integrierten Ansatz, alle für die Verkehrssicherheit relevanten Bereiche gleichwertig einzubezie-hen: das Verkehrsverhalten, die Infrastruktur und die Fahrzeugtechnik. Die Automobil-industrie unterstützt diesen integrierten Ansatz und wird in den angestrebten Dialog ihre ganze Kompetenz und Erfahrung einbringen, um die Sicherheitserfolge der vergangenen Jahre auch in Zukunft fortsetzen zu können.

Generelles Tempolimit wäre falscher wegDie Bundesregierung ist zu recht bei der Konzeption ihres Verkehrssicherheitspro-gramms nicht der Versuchung erlegen, auf ein generelles Tempolimit als vermeintlich wirksamen Beitrag zur Verkehrssicherheit zu setzen. Dies wäre nicht mehr als reine Symbolpolitik: Autobahnen sind nicht nur die sichersten Straßen überhaupt mit 1,87 Getöteten pro 1 Mrd. Fahrzeugkilometer, auch die Zahl der auf den Autobahnen tödlich Verunglückten geht seit Jahren kontinuierlich zurück. Zudem gilt für rund die Hälfte aller Autobahnstreckenkilometer bereits heute dauerhaft oder vorübergehend eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Ferner ist eine erhöhte Unfallgefahr auf Abschnit-ten ohne Geschwindigkeitsbegrenzung nicht festzustellen.

Die Automobilindustrie unterstützt die Pläne der Politik für mehr Verkehrs-sicherheit

Vieles spricht für situationsbedingte Tempolimits

Page 111: VDA Jahresbericht 2012 WEB

111

0 10 20 30 40 50

20101970

Frankreich-93,7 %

Großbritannien-93,5 %

Belgien-91 %

Österreich-86,4 %

Schweiz-90,5 %

USA-83,2 %

Deutschland-93 %

Entwicklung der Rate der Verkehrstoten auf Autobahnen im internat. Vergleichpro Mrd. Fahrzeugkilometer

Quelle: IRTAD

Auch im internationalen Vergleich sind die deutschen Autobahnen nicht weniger sicher als solche in Ländern mit generellem Tempolimit – im Gegenteil. Beispielsweise kommen statistisch gesehen bei 1 Mrd. Fahrzeugkilometern auf Autobahnen in Öster-reich 2,3, in Frankreich 2,2 und in Dänemark 1,9 Menschen ums Leben – und damit mehr als hierzulande.

Es spricht daher viel dafür, bei dem bewährten Konzept zu bleiben, dauerhafte Tempolimits auf Unfallschwerpunkte im Netz zu beschränken und ansonsten situa-tionsbedingt vorzugeben, vorrangig aus Lärmschutz- und witterungsgründen sowie zur Verbesserung des Verkehrsflusses. Moderne Technik für flexible, auf die Situa-tion „maßgeschneiderte“ Tempolimits zu nutzen, passt auch eher in das Bild einer modernen Verkehrspolitik als starre regeln. Situationsbedingte Vorgaben treffen nicht zuletzt auch auf nachweislich größere Akzeptanz bei den Verkehrsteilnehmern und führen zu höheren Befolgungsraten.

Page 112: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 113: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Klima- und Umweltschutz

Eva-Maria Werner – Dipl.-Ing. Maschinenbau, Teamleiterin Applikationen Motorsteuergeräte, robert Bosch GmbH, Abstatt

Page 114: VDA Jahresbericht 2012 WEB

114K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Positive Klimabilanz der deutschen Automobilindustrie

Straßenverkehr und Co2-Entwicklung Die deutschen Fahrzeuge sind hocheffizient und weltweit begehrt. Sie leisten ihren Beitrag, den Zuwachs der weltweiten Co2-Emissionen, insbesondere in den aufstrebenden Schwellenstaaten Asiens, zu mindern. Deutschland selbst ist hierfür ein Beispiel. Als 1990 die Grenzen in der Mitte Europas fielen und der Güter- und Personenverkehr in einem nicht geahnten Maß zunahm, stiegen zunächst auch die Co2-Emissionen aus dem Verkehr deutlich an. Dennoch gelang die Trendwende. Heute wird trotz viel höherer Transportleistungen sogar weniger Co2 im Straßenver-kehr emittiert als noch vor 1990 – eine klare Erfolgsgeschichte.

Die Co2-Emissionen aus dem Straßenverkehr in Deutschland gingen nach den Zahlen des vom Umweltbundesamt geführten Nationalen Inventarberichts von 1999 bis 2010 um rund 30 Millionen Tonnen zurück. Seit 2006 unterschreiten die Co2-Emissionen des Straßenverkehrs die werte von 1990 im fünften Jahr in Folge und liegen, trotz eines leichten Anstiegs im Jahr 2010 bedingt durch die Konjunkturverbesserung, noch rund 5 Millionen Tonnen unter dem wert von 1990.

Damit hat der deutsche Straßenverkehr in der EU-15 eine besondere Stellung, denn kein anderes westeuropäisches Land hat es vermocht, die Co2-Straßenverkehrsemis-sionen unter den Stand von 1990 zu senken.

Dies zeigt sich auch in der Entwicklung des spezifischen Energieverbrauchs. Heute werden weniger als 33,9 Megajoule Energieeinsatz je 100 Personenkilometer (Pkm) benötigt. 1990 mussten noch mehr als 66,1 Megajoule für die vergleichbare Leistung eingesetzt werden – rund das Doppelte.

Hersteller und Zulieferer haben noch einen Gang zugelegt. Als Innovationsführer hat sich die Branche das ehrgeizige Ziel gesetzt, für alle Modelle Co2-effiziente Lösungen anzubieten.

Trotz massiver Verkehrszunahme gelang auf deutschen Straßen die Umwelttrendwende

CO2-Emissionen des deutschen StraßenverkehrsEinheiten in 1.000 Tonnen

Quelle: UBA Nationaler Inventarbericht 2012

140.000

145.000

150.000

155.000

160.000

165.000

170.000

175.000

2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

Page 115: VDA Jahresbericht 2012 WEB

115

Energieeffizienz: Entwicklung des spezifischen Energieverbrauchs im Personen- und Güterverkehr

Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen und Verkehr in Zahlen, 2011

40

30

20

10

50

60

70

20102005200019951990

66,1

50,7

45,8

38,5

33,9

0

in M

J pr

o 10

0 Pk

m

80

104

128

152

176

200

2009200620042002200019981996199419921990

CO2-Verkehrsemissionen in ausgewählten EU-Staaten von 1990 bis 2009Anzahl in 1.000

Quelle: Nationale Emissionsinventare (UNFCCC, submission 2011)

FrankreichPolen

DeutschlandNiederlande

GroßbritannienSpanien

Italien

100

Page 116: VDA Jahresbericht 2012 WEB

116K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Mittlerer CO2-Ausstoß von Pkw deutscher Konzernmarkenin Gramm CO2/km

Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt, VDA

100

120

140

160

180

201120102009200820072006

175,2171,7

166,6

157,1

152,3

146,1

Die Co2-Entwicklung von NeuwagenIm Februar 2012 haben die in Deutschland verkauften Neuwagen der deutschen Konzernmarken erstmals im Durchschnitt weniger Co2 emittiert als die der Importeu-re. Die durchschnittlichen Emissionen aller in Deutschland neu zugelassenen Pkw verminderten sich dabei im Vorjahresvergleich um 3,0 Prozent auf 142,6 Gramm Co2/km. Die Pkw deutscher Konzernmarken emittierten mit 142,5 Gramm (-3,5 Prozent) weniger Co2 als ihre wettbewerber mit 143,0 Gramm (-1,7 Prozent). Das ist besonders bemer-kenswert, weil die Deutschen in den oberen Marktsegmenten überdurchschnittlich stark vertreten sind. Neue kraftstoffeffiziente Motortechnik trug hierzu maßgeblich bei.

Damit setzt sich die drastische Senkung des mittleren Co2-Ausstoßes von Neuwagen in Deutschland in den vergangenen Jahren fort. Allein von 2006 bis 2011 wurden die durchschnittlichen Emissionen pro Pkw um nahezu 16 Prozent auf 145 Gramm Co2/km reduziert. Einen besonders hohen Beitrag leisteten hier die deutschen Hersteller, die ihren spezifischen Co2-Ausstoß in diesem Zeitraum sogar um ein Sechstel auf 146 Gramm vermindern konnten. Sie hatten somit bereits Ende 2011 die Differenz zu den Importmarken von 8 Gramm 2006 auf knapp 3 Gramm reduziert. Deutsche Hersteller verzeichnen in allen zehn Segmenten im Durchschnitt niedrigere Co2-Emis-sionen als ihre wettbewerber aus dem Ausland.

Einen großen Anteil an dieser positiven Entwicklung haben die kraftstoffeffizienten Dieselmotoren. Trotz der höheren Energiedichte und des höheren Gewichts lag der durchschnittliche Co2-Ausstoß eines deutschen Diesel-Pkw mit 145 Gramm um 2 Gramm niedriger als der eines Fahrzeugs mit ottomotor. Die technische Vorrei-terrolle der deutschen Hersteller dokumentierte sich auch bei den Firmenwagen. In diesem Bereich konnten sie ihre Emissionen allein 2011 um mehr als 5 Prozent auf knapp 148 Gramm zurückfahren. Hier zeigt sich entgegen aller Vorurteile, dass Firmenwagen inzwischen annähernd genauso wenig Co2 emittieren wie privat zugelassene Pkw. Die Flottenmanager setzen beim Neuwagenkauf zunehmend auf kraftstoffsparende Fahrzeuge der neuesten Generation.

Deutsche Hersteller mit überdurch-schnittlichem Anteil an Co2-reduktions-fortschritten

Vorreiterrolle der deutschen Automobil-industrie beim Dieselmotor

Page 117: VDA Jahresbericht 2012 WEB

117

Übersicht: Zeitrahmen der CO2-Regulierung in der EU

Diskussion und Verabschiedung Lead Time Anwendung geplant

2022202020182016201420122008 2010200620042002200019981996

Nach Selbstverpflichtung von 1998 bis 2008Diskussion und Entwurf einer Regulierung

Lead Time

Lead Time

130 g/km*

175 g/km*

geplant95 g/km*

geplant147 g/km*

Diskussion

Diskussion ?*gewichtsabhängig

Quelle: VDA

Die CO2-Regulierung der EU

Nach der Co2-regulierung für Pkw im Jahr 2009 hat die Europäische Union im Jahr 2010 auch eine Verordnung für das Segment der leichten Nutzfahrzeuge (Transporter der Klasse N1 mit bis zu 3,5 Tonnen) erlassen. Für Pkw gelten Grenzwerte ab 2012, für Transporter ab 2014. Die Debatte über eine Co2-regulierung für das Segment der schweren Nutzfahrzeuge (Lkw und Busse) ist derzeit in vollem Gange.

Damit ist ein großer Teil der auf den Markt kommenden Neufahrzeuge bereits ab 2012 (Pkw) und 2014 (Transporter) reguliert. Dies gibt sowohl den Herstellern und Zulieferern als auch den Kunden Planungssicherheit. Zugleich verfügt die Europäi-sche Union damit aber auch über die strengsten Co2-Ziele weltweit.

Europa verfügt im globalen Vergleich über die schärfsten Co2-reduktionsziele

Page 118: VDA Jahresbericht 2012 WEB

118K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Aktuelle Co2-regulierung für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge

Die Verordnungen für Pkw wie für leichte Nutzfahrzeuge folgen denselben Grund-prinzipien: Beide setzen Co2-Grenzwerte auf einem gewichtsbasierten Ansatz. Bei Nichteinhaltung der Grenzwerte werden Strafzahlungen je nach Zielverfehlung fällig.

Zielwerte berücksichtigen unterschied-liche Produktpalette der jeweiligen Hersteller

Zentrale Grundprinzipien Defi nition Pkw Leichte Nfz

Gewichtsbasierter Ansatz Co2-Grenzwert orientiert sich am Gewicht des Fahrzeugs.

Ab 2012 Flottengrenzwert von 130 Gramm Co2/km

Ab 2015 Flottengrenzwert 175 Gramm Co2/km

Langfristziel Planung für 2020 Geplant: 95 Gramm Co2/km Geplant: 147 Gramm Co2/km

Phasing-in Der Co2-Grenzwert muss nicht von der Gesamtfl otte im ersten Jahr erreicht werden, sondern von einer sich steigernden Prozentzahl der Fahrzeuge (sogenannter Einphasen), wodurch den typischen Produktlebenszyklen rechnung getragen werden kann.

Neuwagenfl otte, die Grenzwert einhalten muss:- 2012: 65 % - 2013: 75 % - 2014: 80 % - 2015: 100 %

Neuwagenfl otte, die Grenzwert einhalten muss:- 2014: 70 % - 2015: 75 % - 2016: 80 % - 2017: 100 %

Sanktionszahlungen Falls Hersteller vorgesehene Co2-Ziele nicht erreicht, muss gestaffelt je nach Zielüberschreitung eine Strafe gezahlt werden.

Zielüberschreitung für • 1. Gramm Co2: 5 Euro • 2. Gramm Co2: 15 Euro • 3. Gramm Co2: 25 Euro • 4. Gramm Co2: je 95 Euro

wie Pkw

Eco-Innovationen Alle technologischen Maßnahmen, die auf dem bisherigen offi ziellen Prüfstand (sogenannter Neuer Europäischer Fahrzyklus, NEFZ) nicht messbar sind, aber eindeutig Co2-Einsparpotenzial haben (Solardächer, wärmerückgewinnung etc.). Hierfür gesondertes Anrechnungsverfahren.

Können bis maximal 7 Gramm Co2 auf den Flottendurchschnitt angerechnet werden.

wie Pkw

Supercredits Besondere Förderung durch Mehrfachanrechnung hocheffi zienter Fahrzeuge.

Fahrzeug mit weniger als 50 Gramm Co2/km werden • 2012/2013 3,5-fach• in 2014 2,5-fach• in 2015 1,5-fach• ab 2016 einfach

Fahrzeug mit weniger als 50 Gramm Co2/km werden • 2014/2015 3,5-fach• in 2016 2,5-fach• in 2017 1,5-fach• ab 2018 einfach angerechnet

Ausnahmeregelungen Um die wirtschaftliche Existenz von Herstellern mit kleiner Flotte sicherzustellen, werden Ausnahmeregelungen gewährt.

Kleinsthersteller unter 10.000 Pkw in der EU: individuelle Vereinbarung mit KoM.

Nischenhersteller mit 10.000 bis 300.000 Pkw in der EU: Minderungsziel von 25 % bezogen auf die Emissionen im Jahr 2007.

Hersteller unter 22.000 leichte Nfz. in der EU: individuelle Vereinbarung mit KoM.

Pooling Verrechnung verschiedener Marken in einem Konzern möglich.

Quelle: VDA

Page 119: VDA Jahresbericht 2012 WEB

119

In der Frage, was die Co2-regulierung für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge konkret bedeutet, sind unrichtige Darstellungen eher die regel als die Ausnahme. Vielfach wird angenommen, dass beispielsweise jeder Pkw den Grenzwert von 130 g/km oder aber jedes leichte Nutzfahrzeug den Grenzwert von 175 g/km erreichen muss. Diese Mess-latten gelten aber nicht für einzelne Fahrzeugmodelle, sondern beziehen sich vielmehr auf den europäischen Flottendurchschnitt. Die Kommission schreibt den einzelnen Herstellern also gerade nicht einen allgemeingültigen Absolutwert vor, sondern weist ihnen im rahmen eines relativen Systems jeweils firmenspezifische Co2-Ziele zu. Diese Ziele liegen je nach Hersteller teilweise unter oder über den werten 130 bzw. 175 g/km. Für die vollständige Erfüllung sieht Brüssel sowohl bei Pkw als auch bei leichten Nutzfahrzeugen eine Übergangsphase (Phasing-in) vor.

wie aber funktioniert diese regulierung im Detail? Ab 2012 (Pkw) bzw. 2014 (Transpor-ter) wird für jedes in Europa zugelassene Fahrzeug der erlaubte Co2-wert basierend auf dem jeweiligen Fahrzeuggewicht berechnet. Auf Basis dieser Fahrzeugwerte können die Hersteller sodann den Durchschnittswert ihrer Flotten bestimmen. Hierdurch ist gewährleistet, dass Hersteller größerer Pkw oder Nutzfahrzeuge, die absolut gesehen mehr Co2-Emissionen verursachen, gegenüber Produzenten kleinerer Fahrzeuge nicht benachteiligt werden. Denn entscheidend ist die Effizienz eines Fahrzeugs im Verhältnis zu seiner Größe. Analoge regelungen gibt es bei Kühlschränken und wohnimmobilien. Auch dort wird die Effizienz ins Verhältnis zu Volumen und Fläche gesetzt.

Eine Folge der herstellerspezifischen regelungen ist, dass auch nicht jedes Land exakt 130 bzw. 175 g/km erreichen muss. Länder, in denen der Fokus der Hersteller auf kleineren Fahrzeugen liegt, werden unterhalb der jeweiligen Marken liegen, bei großen Fahrzeugen liegt die Marke entsprechend höher.

Im Unterschied zu den leichten Nutzfahrzeugen wird von den Herstellern größerer Pkw im Ergebnis sogar noch mehr verlangt als von den wettbewerbern: Zwar gesteht die regulierung größeren Pkw grundsätzlich mehr Spritverbrauch zu, fordert von ihnen aber gleichzeitig eine höhere reduktionsleistung (mithilfe der sogenannten Slope-60-Kurve). So müssen die deutschen Premiumhersteller die Co2-Emissionen ihrer jeweiligen Flotte um rund ein Viertel senken, während von Italienern und Fran-zosen nur eine reduktion von ungefähr 13 Prozent erwartet wird. Bei den leichten Nutzfahrzeugen wird demgegenüber von allen Herstellern die gleiche prozentuale reduktionsleistung erwartet.

CO2-Reduktionspfad für Pkw

Motor- und antriebsseitige Maßnahmen

Biokraftstoffe

Verpflichtender Einbau vonvier ergänzenden Maßnahmen

CO2-Istwert 2006:160 Gramm CO2/km(EU-Durchschnitt)

CO2-Zielwert 2012:130 Gramm CO2/km(EU-Durchschnitt)

CO2-Gesamtziel 2012: 120 Gramm CO2/km(EU-Durchschnitt)

ca. 19 %

1. Leichtlaufreifen2. Reifendruckkontrollsystem3. Schaltzeitpunktanzeige4. Effiziente Klimaanlagen

Quelle: VDA

Besonderheiten bei großen Pkw erfor-dern von deutschen Herstellern höhere Anstrengungen

Page 120: VDA Jahresbericht 2012 WEB

120K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Überdies gibt es bei Pkw auch häufig Verwirrung darüber, wie hoch die Co2-ober-grenze letztlich genau ist. Denn neben der Zahl 130 Gramm Co2/km ist auch immer wieder von 120 g/km die rede. Beides ist richtig: Durchschnittlich 130 Gramm Co2 sollen die Fahrzeuge in der EU durch Verbesserungen der Fahrzeugtechnologie errei-chen. weitere 10 Gramm sind durch den Einsatz von Biokraftstoffen und den Einbau sogenannter ergänzender Maßnahmen einzusparen. Das sind zum Beispiel besonders effiziente Klimaanlagen oder Leichtlaufreifen. Die Hersteller sind zum Einbau dieser Maßnahmen verpflichtet. Die Abbildung zum Produktionspfad soll diesen Zusammen-hang verdeutlichen.

Nutzfahrzeuge werden häufig mehrstufig gefertigt: Der Fahrzeughersteller liefert zunächst ein Fahrgestell mit oder ohne Fahrerhaus, das dann einem Aufbauhersteller als Basis für die weitere Fertigung des kompletten Fahrzeugs dient. Dieser Prozess kann sich über zwei oder mehr Stufen erstrecken, zumal Nutzfahrzeuge sehr häufig für den Kunden maßgeschneidert werden. obgleich der Hersteller des Fahrgestells gar nicht in der Lage ist, die Co2-Emission des komplettierten Fahrzeugs zu beein-flussen, rechnet die Kommission grundsätzlich dem Hersteller des Basisfahrzeugs die gesamten Emissionen zu. Begründet wird dies damit, dass eine Co2-Datenerhebung bei den Aufbauherstellern in der Praxis kaum zu handhaben sei. In diesem Sinne sollte die Kommission zeitnah ein mit der Automobilindustrie abgestimmtes Verfahren vorstellen, um für das Monitoring valide Gewichts- und Co2-werte zu liefern.

Bei leichten Nutzfahrzeugen werden alle Emissionen dem Hersteller angelastet

Page 121: VDA Jahresbericht 2012 WEB

121

Co2-Langfristziel 2020 für Pkw und leichte Nutz-fahrzeugeFür das Jahr 2020 ist von der EU für Pkw ein Langfristziel in Höhe von 95 Gramm Co2/km und für leichte Nutzfahrzeuge von 147 Gramm Co2/km benannt worden. Beide Langfristziele unterliegen jedoch einem Impact Assessment, das heißt, es ist nachzuweisen, dass die bisher eher politisch festgelegten Ziele auch tatsäch-lich erreichbar sind. Als nächsten Schritt wird die Europäische Kommission einen Vorschlag sowohl für Pkw als auch für leichte Nutzfahrzeuge unterbreiten, wie die Modalitäten zur Erreichung dieses Langfristziels gestaltet werden können.

Nach Berechnungen der Europäischen Kommission werden die heutigen Pkw-Grenz-werte von einigen Herstellern bereits vor der eigentlichen Frist erreicht. Auch der Europäische Umweltverband T&E merkt an, dass die europäischen Automobilherstel-ler die EU-Vorgaben voraussichtlich übererfüllen und das 130-Gramm-Ziel für 2015 daher vorzeitig erreichen.

Anstatt jedoch diese Zahlen als Ergebnis konsequenter Technologieverbesserung zu würdigen, werden die erreichten Co2-Grenzwerte bereits als zu wenig ambitioniert und als Hinweis darauf gewertet, dass künftige Ziele noch anspruchsvoller sein müss-ten. Eine solche trickreiche Argumentation würdigt jedoch in keiner weise die hohen Investitionen der Automobilindustrie in die Erforschung und Entwicklung von weiteren Effizienzsteigerungen bei konventionellen Verbrennungsmotoren und neuen Antriebs-systemen. Die Frage stellt sich, ob Ziele von Anfang an so gesetzt werden sollen, dass sie nicht erfüllbar sind. In diesem Fall wären Strafzahlungen unausweichlich – Mittel, die ökonomisch sinnvoller für verbrauchsmindernde Technologien und damit für den Klimaschutz verwendet werden sollten.

Vom Grundsatz her sollten Ziele im Sinne der Nachhaltigkeit ambitioniert, aber erfüllbar sein. Die EU-Kommission selbst wollte die Co2-Verordnung für Pkw in Über-einstimmung mit den von ihr am 7. Februar 2007 beschlossenen Leitlinien gestalten. Hiernach sollen „wettbewerbsmäßig neutrale, sozial ausgewogene und nachhaltige Verminderungsziele sichergestellt werden, die der Vielfalt der europäischen Automo-bilhersteller gerecht werden und jegliche ungerechtfertigte Verzerrung der Konkur-renz zwischen Automobilherstellern vermeiden“ (KoM (2007). Viele kosteneffiziente Co2-Maßnahmen sind in den letzten Jahren bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen bereits eingeführt worden. Für die weitere Verbesserung der Co2-werte ist ein immer höherer Technologieeinsatz erforderlich, der nur mit einem überproportional hohen Kosteneinsatz möglich ist. Die Entwicklung der Co2-werte der vergangenen Jahre kann daher nicht linear in die Zukunft projiziert werden.

Der Verbrennungsmotor wird weit über 2020 hinaus den Markt dominieren. Durch Hubraum-Downsizing, Energiemanagement und weitere Maßnahmen an Motor und Antriebsstrang ist eine weitere Co2-reduktion zu erwarten. Darüber hinaus werden Elektrofahrzeuge inklusive Hybride einen zusätzlichen Klimaschutzbeitrag leisten. Ihr Marktanteil in der EU wird bis 2020 auf 4 bis 8 Prozent geschätzt. ob dies erreicht werden kann, ist jedoch unsicher und abhängig von vielen Einflussgrößen wie Kundenakzeptanz, Preisunterschied zu herkömmlichen Pkw, Lade-Infrastruktur, Ölpreisentwicklung und möglichen Kaufanreizprogrammen.

Für einen umfassenden Ansatz zur Co2-Einsparung sind Verbesserungen am Fahrzeug letztlich aber nur ein Baustein. Damit deren Effizienzgewinne nicht in Staus und zäh fließendem Verkehr verloren gehen, ist eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur nötig. Auch das Zusammenspiel mit anderen Verkehrsträgern, moderne Mobilitätsfor-men wie Carsharing und eine verbrauchsschonende Fahrweise spielen eine wichtige rolle für Nachhaltigkeit im Verkehr. In diesem Sinne gilt es, sämtliche Maßnahmen zur Co2-reduktion im rahmen eines integrierten Ansatzes zu berücksichtigen.

Langfristziele setzen Automobilindustrie unter enormen Druck

Die Co2-Senkungserfolge können aufgrund physikalischer Grenzen nicht linear in die Zukunft übertragen werden

Page 122: VDA Jahresbericht 2012 WEB

122K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Co2-Langfristziele für LkwAuch wenn derzeit noch kein konkreter Vorschlag der Europäischen Kommission zur regulierung der Co2-Emissionen bei schweren Nutzfahrzeugen (Klasse N2 bis 12 Tonnen und N3 ab 12 Tonnen) vorliegt, ist das Thema dennoch hochaktuell. Die Kommission plant, noch in der laufenden Amtsperiode einen regulierungsvorschlag vorzulegen. Hierzu hat sie zwei Projekte in Auftrag gegeben: einerseits zu untersu-chen, wie die Co2-Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge fahrzeugindividuell erfasst werden können, und andererseits zu bestimmen, welche Co2-Senkungsmöglichkeiten für schwere Nutzfahrzeuge existieren.

Anders als bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen werden die Co2-Emissionen von Lkw heute nicht erfasst. Hauptgrund ist, dass der Markt wesentlich stärker fragmentiert ist – vom Baustellenkipper bis zum Fernverkehrs-Lkw. Insofern sind Größe, Gewicht, Einsatzbereich, Fahrleistung oder auch Anwendungsbedingungen von schweren Nutz-fahrzeugen völlig verschieden und lassen sich nicht leicht auf einen Nenner bringen.

Vor diesem Hintergrund werden derzeit lediglich die Nutzfahrzeugmotoren emissions-seitig typgeprüft. Allein durch die Motorprüfung lässt sich aber kein rückschluss auf die Co2-Emission des Gesamtfahrzeugs ziehen. Viel zu groß ist der Einfluss anderer Faktoren auf den Co2-Ausstoß, wie etwa Luft- und rollwiderstand. Die Abbildung unten zeigt, dass 40 Prozent der Kraftstoffenergie bei einem 40 Tonnen schweren Sattelzug zur Überwindung der Fahrwiderstände eingesetzt werden.

Infolgedessen muss ein praktikables Vorgehen entwickelt werden, wie der Co2-Ausstoß von schweren Nutzfahrzeugen konkret bestimmt werden kann. Im Mittelpunkt steht dabei ein Co2-Simulationsmodell, das die realen Co2-werte realis-tisch widerspiegeln soll. Die Industrie arbeitet an der Entwicklung eines solchen Modells mit, um verwertbare Emissionswerte zu generieren. Allerdings wird eine grenzwertorientierte Co2-regulierung aus verschiedenen Gründen generell als nicht zielführend, wenig praktikabel und bürokratisch erachtet.

40 % der Kraftstoffenergie werden bei einem 40-Tonnen-Sattelzug im mitteleuropäischen Fernverkehr zur Überwindung der Fahrwiderstände eingesetzt

Energieverlust von schweren Lkw

Quelle: Daimler AG

Kra

ftst

offe

nerg

ie10

0 %

Motorische Verluste56 %

Überwindung der Fahrwiderstände

40 %

Verluste Antriebsstrang2,5 %

Nebenaggregate2,5 %

EU-Kommission plant regulierungs-vorschlag

Co2-regulierung bei schweren Lkw ist nicht sinnvoll

Page 123: VDA Jahresbericht 2012 WEB

123

So ist der Markt für schwere Nutzfahrzeuge – anders als teilweise bei Pkw – rein ökono-misch getrieben. Der Lkw ist ein auf ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis ausge-legtes wirtschaftsgut. Entscheidende Kaufkriterien sind der Anschaffungspreis sowie die Unterhaltskosten. Gerade angesichts steigender Dieselpreise und Betriebskosten steht die Nachfrage nach effizienter und kraftstoffsparender Technologie ohnehin im Vordergrund.

Die Kraftstoffkosten bilden mit einem Anteil von derzeit 30 Prozent den mit Abstand größten Einzelposten in der Kostenstruktur des Straßengüterferntransports. Der Druck auf die Unternehmen, die reduzierung der Kraftstoffverbräuche von Lkw voranzutrei-ben, ist daher ohnehin erheblich, eine weitere regulierung wäre überflüssig. Das zeigen auch die erreichten Effizienzgewinne: Ein 40-Tonnen-Lkw verbraucht im Fernverkehr im Durchschnitt nur noch rund 32 Liter auf 100 Kilometer. Das ist umgerechnet auf 1 Tonne Ladegewicht nur 1 Liter je 100 km.

Darüber hinaus stellt sich wie bei leichten Nutzfahrzeugen die Frage der Verantwor-tung für die Co2-Emmissionen, da auch schwere Nutzfahrzeuge mehrstufig gefertigt werden. Liegt der Anteil der mehrstufig gefertigten Fahrzeuge bei Transportern bei ca. 25 Prozent, gibt es bei schweren Nutzfahrzeugen nahezu nur maßgeschneiderte und stark unterschiedliche Produkte, vom Betonmischer bis zum Fernreisebus. Der Hersteller des Fahrgestells ist daher gar nicht in der Lage, die Verantwortung für die Co2-Emission des komplettierten Fahrzeugs zu übernehmen bzw. sie vollständig zu beeinflussen.

Eine aus Klimaschutzgesichtspunkten getriebene regulierung ist insofern vollkommen überflüssig. Anstelle einer grenzwertorientierten regulierung sollte sich der politische Fokus vielmehr auf alternative optimierungsansätze richten:

• Ermöglichung innovativer Ansätze hinsichtlich der Fahrzeugdimensionen (zum Beispiel Lang-Lkw) unter dem Primat „Liberalisierung statt regulierung“

• Schaffung von mehr Transparenz im Markt mittels zertifizierter Angaben (Certified Declaration) der Co2-werte

• Berücksichtigung eines umfassenden Effizienzansatzes im rahmen des Integrated Approaches (Fahrerverhalten, optimales Flottenmanagement, alternative Kraftstoffe, optimierung der Infrastruktur durch zum Beispiel Intelligent Traffic Management, Vermeidung von Leerfahrten (Kabotage) etc.).

Ziel sollte letztlich sein, anstelle von eher planwirtschaftlich orientierten Grenzwerten die Marktdynamik sowie den wettbewerb zwischen Herstellern als zentralen Treibern von Co2-Innovationen zu nutzen.

Transportunternehmen haben Eigeninteresse an CO2-Effizienz

Netzwerk von Praktikern und ForschernEffizienz in der Logistik verbessern

TransportweltVerlader verlangen geringere CO2-Emissionen

Die Spedition verspricht sich 20 % Dieselkraftstoffeinsparung.

Ritter Logistik kauft drei Hybrid-Lkw

LekkerlandAlternative Antriebstechnologien im Fokus

Quelle: VDA

Die Verantwortung für Co2-Emissionen liegt nicht allein bei den Nutzfahrzeug-herstellern

Page 124: VDA Jahresbericht 2012 WEB

124K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Die CO2-Verbrauchskennzeichnung für Pkw

was für Haushaltsgeräte bereits etabliert ist, wird seit dem 1. Dezember 2011 auch für Autos angewandt: eine verständliche Farbskala, die den Kunden beim Kauf über die Co2-Effizienz eines Neuwagens informiert. Ziel ist ein anschauliches Informationssys-tem, das Fahrzeuge in Effizienzklassen von A+ bis G einteilt und somit Auskunft darü-ber gibt, ob ein bestimmtes Modell durchschnittlich eher viel oder wenig Kraftstoff verbraucht.

Hierzu werden alle am Markt erhältlichen Fahrzeuge unter Berücksichtigung ihres Gewichts in Energieeffizienzklassen eingeteilt und mit einer Farbplakette versehen. Fahrzeuge, die wesentlich bessere Co2-werte haben als der Durchschnitt, werden in grüne Klassen eingeteilt, Fahrzeuge, die dem Durchschnitt entsprechen, werden gelb eingestuft und Fahrzeuge, die schlechter sind als der Durchschnitt, werden rot gekennzeichnet. Anhand dieser Farbskala sieht der Kunde sofort, ob das Fahrzeug in seiner Klasse sparsam ist oder nicht.

Darüber hinaus enthält das neue Co2-Label Angaben zu den durchschnittlichen Kraft-stoffkosten sowie zur Co2-basierten Kfz-Steuer pro Jahr, damit der Verbraucher diese laufenden Kosten des Fahrzeugs in seine Kaufentscheidung mit einbeziehen kann. Auch wird der Stromverbrauch vor dem Hintergrund zunehmender Elektrofahrzeuge mit berücksichtigt.

Kritisiert wurde, dass sich die Verbrauchskennzeichnung nicht ausschließlich an abso-luten Co2-werten orientiert. Doch die Folge einer solchen regelung wäre, dass kleine Autos grundsätzlich „grün“ und größere Autos prinzipiell „rot“ eingestuft würden. wie effizient ein bestimmter Pkw im Vergleich zu ähnlichen Modellen seiner Größe ist, würde der Verbraucher nicht erfahren. Gerade dieser Vergleich macht eine echte Kaufentscheidung aber überhaupt erst möglich. wer ein größeres Auto, zum Beispiel einen Familien-Van, sucht, den interessiert in dem Moment nicht, wie viel Kraftstoff ein Kleinstwagen verbraucht, sondern wie viel Sprit andere Vans verbrauchen.

Zudem spornt ein solches Bewertungssystem die Automobilhersteller zu weiteren Effizienzanstrengungen an. Das schafft wettbewerb in allen Fahrzeugklassen und treibt Forschung und Entwicklung in den Unternehmen weiter voran.

wenn sich die Co2-werte der Pkw, die auf dem Markt angeboten werden, in Zukunft verbessern, wird das System verschärft. Damit hat das Co2-Label viele Vorteile: Es fördert den wettbewerb unter den Anbietern, immer sparsamere Modelle zu entwi-ckeln, und es sensibilisiert die Käufer für Verbrauchseffizienz. Beides wird zu einer weiteren reduzierung der Co2-Emissionen beitragen.

Das bei Haushaltsgeräten bewährte System wird auf den Pkw-Bereich übertragen

Weitere Informationen zum LabelUnter www.pkw-label.de kann sich jeder über die neue Kennzeichnung infor-mieren. Außerdem bietet die Deutsche Energieagentur (dena), die die Einfüh-rung der Verbrauchskennzeichnung maßgeblich begleitet hat, eine kostenlose Energie-Hotline unter der Telefonnummer 08000 736 734 an.

Das Co2-Label sorgt für scharfen wett-bewerb in jeder Fahrzeugklasse

Page 125: VDA Jahresbericht 2012 WEB

125

Information über Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen und Stromverbrauch i. S. d. Pkw-EnVKV

G

F

E

D

C

B BA

A+

Marke:

Modell:

Leistung:

Kraftstoffverbrauch

CO2-EmissionenStromverbrauch

Kraftstoff:

Andere Energieträger:

Masse des Fahrzeugs:

kombiniert:

innerorts:

außerorts:

kombiniert:

kombiniert:

/100 km

/100 km

/100 km

g/km

kWh/100 km

Die angegebenen Werte wurden nach vorgeschriebenen Messverfahren (§ 2 Nrn. 5, 6, 6a PKW-EnVKV in der gegenwärtig geltenden Fassung) ermittelt. CO2-Emissionen, die durch die Produktion und Bereitstellung des Kraftstoffs bzw. anderer Energieträger entstehen, werden bei der Ermittlung der CO2-Emissionen gemäß der Richtlinie 1999/94/EG nicht berücksichtigt. Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebots, sondern dienen allein Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen.

Hinweise nach Richtlinie 1999/94/EG:Der Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen eines Fahrzeugs hängen nicht nur von der effizienten Ausnutzung des Kraftstoffs durch das Fahrzeug ab, sondern werden auch vom Fahrverhalten und von anderen nicht technischen Faktoren beeinflusst. CO2 ist das für die Erderwärmung hauptsächlich verantwortliche Treibhausgas. Ein Leitfaden für den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen aller in Deutschland angebotenen Personenkraftfahrzeugmodelle ist unentgeltlich an jedem Verkaufsort in Deutschland erhältlich, an dem neue Personenkraftfahrzeugmodelle ausgestellt oder angeboten werden.

Auf der Grundlage der gemessenen CO2-Emissionen unter Berücksichtigung der Masse des Fahrzeugs ermittelt

Jahressteuer für dieses FahrzeugEnergieträgerkosten bei einer Laufleistung von 20.000 KilometernKraftstoffkosten (_____________) bei einem Kraftstoffpreis von _______ Euro/AbrechnungseinheitStromkosten bei einem Strompreis von _______ Euro/Abrechnungseinheit

Euro

EuroEuroErstellt am:

CO2-Effizienz

Gestaltung des Labels

Quelle: VDA

Page 126: VDA Jahresbericht 2012 WEB

126K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Die Reifenkennzeichnungspflicht

Neben der Kennzeichnungspflicht für Pkw hat die EU auch eine entsprechende rege-lung speziell für reifen auf den weg gebracht. Ziel ist, dass auch reifen von Pkw und Nutzfahrzeugen ihren Beitrag zur Verbrauchs- und damit Co2-Ersparnis beitragen. Gleichzeitig sollen damit die Verkehrssicherheit und der Verbraucherschutz in der EU erhöht werden. Der VDA begrüßt dieses Vorhaben.

Grundlage der reifenkennzeichnungspflicht ist die Verordnung (EG) Nr. 661/2009 vom 13. Juli 2009 „über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeuganhängern und von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge hinsichtlich ihrer allgemeinen Sicherheit“. Sie tritt am 1. November 2012 in Kraft. Von da an wird es eine eigene Klassifizierungs- und Kennzeichnungspflicht für Autoreifen geben.

Nach Artikel 6 der Verordnung muss der Fahrzeuglieferant dem Kunden vor dem Verkauf für jeden zur Auswahl stehenden reifen Informationen zur Kraftstoffeffizienz-klasse, zur Nasshaftungsklasse und zum rollgeräusch der reifen zur Verfügung stel-len. Liegt werbematerial oder eine technische Information zu dem reifen vor, müssen die Angaben zu den geforderten reifenparametern darin enthalten sein. Allerdings entfällt die Kennzeichnungspflicht der reifen in den Verkaufsräumen der Fahrzeug-hersteller; die wird in Artikel 5 geregelt.

Nach Artikel 5 der Verordnung müssen reifenhändler in ihren Verkaufsstellen das reifenlabel für einzeln angebotene reifen deutlich sichtbar auf dem reifen oder in unmittelbarer Nähe des ausgestellten reifens anbringen. Auch zu nicht ausgestell-ten, aber verfügbaren reifen sollen die entsprechenden Informationen zur Verfügung gestellt werden.

Die Automobilindustrie wird den Kunden alle notwendigen Daten für eine Entschei-dung zur Verfügung stellen.

Die EU will den Verbraucherschutz und die Verkehrssicherheit erhöhen

Informationen zum reifen müssen für den Kunden deutlich sichtbar sein

Quelle: Europäische Kommission

ReifenlabelEuropäische Reifenkennzeichnungsverordnung

ABCDFGH

B B

72 dB

1222/2009 – c1

Page 127: VDA Jahresbericht 2012 WEB

127

Klimaanlagen für besseres Klima

Verstärkter Klimaschutz hat für die deutsche Automobilindustrie Priorität. Dies zeigt sich nicht nur in immer effizienteren Motoren, sondern auch bei der Verbesserung der Klimaanlage im Pkw.

Die EU schreibt in einer richtlinie für Fahrzeugklimaanlagen (2006/40/EG) vor, dass die nach dem 1. Januar 2011 neu typgeprüften Fahrzeugmodelle und ab dem 1. Januar 2017 alle Neufahrzeuge nur noch besonders klimafreundliche Kältemittel enthalten dürfen. Nach der richtlinie sind das alle Kältemittel, die einen Treibhaus-faktor (Global warming Potential, GwP) von weniger als 150 aufweisen, das heißt, die Klimawirksamkeit je Kilogramm Kältemittel liegt unter der von 150 Kilogramm Co2. Intensive Untersuchungen haben zu dem Ergebnis geführt, dass das klimafreundli-che Kältemittel r1234yf mit einem GwP von lediglich 4 eine Alternative für das heute verwendete Kältemittel r134 a mit einem GwP von 1.430 eröffnet. Mit dem neuen, klimafreundlichen Kältemittel wird also eine reduktion des Treibhauseffekts gegen-über dem heutigen Kältemittel von mehr als 99 Prozent erreicht.

Das neue klimafreundliche Kältemittel wurde in einem weltweiten Verbund eingehend untersucht und ist, wie unter anderem die Society of Automotive Engineers Internati-onal (SAE International) und die US-amerikanische Umweltbehörde EPA bestätigen, vergleichbar sicher wie das bisherige Mittel r134a, selbst bei einem Unfall. Diese Einschätzungen teilen unter anderem auch der deutsche Feuerwehrverband, die Vereinigung zur Förderung des Brandschutzes, die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren und auch führende Vertreter der Notfallmediziner.

Das neue Kältemittel sorgt für einen drastisch reduzierten Treibhauseffekt

Page 128: VDA Jahresbericht 2012 WEB

128K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Die deutsche Automobilindustrie hatte vor rund einem Jahrzehnt weltweit als erste deutlich vor dem gesetzlichen Ausstiegstermin auf den Einsatz des ozonschichtschä-digenden und mit einem extrem hohen GwP versehenen Kältemittels r12 in Fahr-zeugen verzichtet. Sie schließt sich nunmehr nach Sichtung der umfangreichen Tests, Studien und Analysen der Entscheidung anderer Automobilhersteller an und wird mit dem klimafreundlichen Kältemittel die neuen Vorgaben erfüllen. Die Vorgehenswei-se und die richtigkeit der erzielten Ergebnisse der ausgeführten risikoanalyse der globalen Kooperation haben sich die deutschen Fahrzeughersteller zusätzlich durch ein unabhängiges TÜV-Gutachten bestätigen lassen, ebenso wie die sichere Hand-habung in den werkstätten.

Mit dem klimafreundlichen Kältemittel kann weiterhin ein globaler Standard für Auto-klimaanlagen gehalten werden. Eine nationale Insellösung wäre nicht sinnvoll und würde aufgrund von ungünstigen Skaleneffekten bei geringerer Produktionsmenge zu erheblichen wettbewerbsnachteilen für die exportorientierte deutsche Automobil-industrie führen. Ein Alleingang der deutschen Fahrzeughersteller mit einem anderen Kältemittel hätte auf den wichtigen Exportmärkten zusätzliche risiken hinsichtlich der Produkthaftung bedeutet – insbesondere nach der klaren Positionierung der US-amerikanischen regierungsstellen zugunsten des klimafreundlichen Kältemittels r1234yf. Darüber hinaus würden durch einen Mischverbau verschiedener Kältemit-telsysteme in der Pkw-Produktion die Abläufe bei der Herstellung deutlich komplexer und fehlerträchtiger werden.

Eine nationale Insellösung wäre nicht sinnvoll

0

3.000

6.000

9.000

12.000

15.000

18.000

21.000

20502045204020352030202520202015201020051993

CO2-Äquivalent R1234yf

Quelle: EU, Ökorecherche 2012

CO2-Äquivalent R134a

CO2-Äquivalente für 134a und das neue klimafreundliche Kältemittel R1234yf aus Pkw-Klimaanlagen für EU-27 – drastische Vorteile für R1234yf (faktisch Nulllinie)Anzahl in 1.000 Tonnen

Page 129: VDA Jahresbericht 2012 WEB

129

Biokraftstoffe

Biokraftstoffe und NachhaltigkeitsdebatteBiokraftstoffe kommen seit vielen Jahren als Kraftstoff zum Einsatz. Sie haben zwei besondere Vorteile. Zum einen steigern sie die Unabhängigkeit von Ölimporten, zum anderen führen sie zur sofortigen Minderung des Co2-Ausstoßes im gesamten Fahr-zeugbestand, während technische Verbesserungen nur bei Neufahrzeugen wirksam werden. Deshalb sind Biokraftstoffe für die deutsche Automobilindustrie ein wichti-ges Element der Fächerstrategie, die den Bogen spannt von der Energieeinsparung heutiger Fahrzeuge über die Ergänzung der Kraftstoffe, unter anderem durch solche auf biogener Basis, bis hin zum Ersetzen durch alternative Antriebe.

Biokraftstoffe müssen den strengen Vorgaben der europäischen und deutschen Nachhaltigkeitsgesetzgebung genügen. Dies schließt unter anderem den Schutz von natürlichen Lebensformen, eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion wie auch die Minderung der Treibhausgasemissionen um mindestens 35 Prozent gegenüber fossilen Kraftstoffen ein. Damit müssen Biokraftstoffe Vorgaben erfüllen, die weder Nahrungsmitteln noch Vorstoffen für Kosmetika noch rohstoffen für die stoffliche Verwertung auferlegt sind. Aus unserer Sicht sollten Nachhaltigkeitsstandards für alle biogenen roh- und Vorstoffe einschließlich der Nahrungsmittel eingeführt werden.

An den Biokraftstoffen der zweiten Generation wird intensiv geforscht. Diese werden aus biologischen reststoffen wie Altholz oder Stroh hergestellt. Damit kann aus heuti-ger Sicht die immer wieder aufflackernde Diskussion („Tank versus Teller“) vollständig vermieden werden. Doch schon bei den heutigen Biokraftstoffen ist diese Diskus-sion nur vorgeschoben. Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Entscheidenden Einfluss auf die Produktionsmenge haben neben der Marktentwicklung die witterung, die Produktivität und Ernte- sowie Nachernteverluste.

Mit rund 144 Millionen Tonnen fließen nur rund 6 Prozent der weltgetreideernte in die Produktion von Biokraftstoffen. Nur auf 2 bis 3 Prozent der weltweiten Ackerflächen werden derzeit Energiepflanzen wie raps, Mais, Zuckerrohr oder Ölpalmen angebaut. Da Biokraftstoffe demnach nur zu einem geringen Prozentsatz landwirtschaftliche rohstoffe benötigen, sind Preissteigerungen und Verknappungen durch andere Faktoren verursacht. Preisbildend sind neben dem wetterverlauf die Börse und außer-börsliche Spekulationen. Zudem sind die steigende Bevölkerungszahl und veränderte Ernährungsgewohnheiten in Schwellenländern wie höherer Fleischkonsum von großer Bedeutung für die Entwicklung der Preisentwicklung, ebenso wie steigende rohöl-preise mit nachfolgend steigenden Erzeugerkosten.

Die der deutschen Energiewende zugrunde liegenden Annahmen gehen von einer deutlichen Steigerung des Biokraftstoffeinsatzes in den nächsten Jahrzehnten aus. Die dann benötigten Mengen an biogenen rohstoffen für Kraftstoffe können durch eine Modernisierung der Landwirtschaft in den EU-Beitrittsländern und weiterer Staa-ten osteuropas erreicht werden. Es spricht daher nichts dagegen, nachhaltig produ-zierte Biokraftstoffe für den Verkehr heute und in Zukunft einzusetzen.

Biokraftstoffe bedeuten mehr Unab-hängigkeit und sofortige Klimawirk-samkeit

Die Verwendung biologischer reststoffe steht im Vordergrund

Page 130: VDA Jahresbericht 2012 WEB

130K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Der Kraftstoff E10Der Kraftstoff E10 – Super-Benzin mit bis zu 10 Prozent Bioethanol-Anteil – ist aufgrund gesetzlicher Vorgaben Anfang 2011 in Deutschland eingeführt worden. Der Preisunterschied zur herkömmlichen Super-Benzinsorte E5 hat sich laut Beobachtern auf rund 4 Cent pro Liter eingependelt. Damit ist E10 unter Berücksichtigung des energetischen Unterschieds rund 1 Cent pro Liter billiger als E5. Für den Kunden lohnt sich die Nutzung von E10 sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Sicht.

Die Akzeptanz von E10 liegt weiterhin stark unter den ursprünglichen Erwartungen. Derzeit liegt der E10-Absatz nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbands (MwV) bei knapp 12 Prozent des gesamten Benzinabsatzes. Demnach greift weiterhin jeder achte bis neunte Fahrer eines Fahrzeugs mit ottomotor zum teureren E5.

Die Automobilindustrie hat die Kunden umfassend über das Thema E10 informiert. Die wichtigste Informationsquelle ist hierbei die übergreifende E10-Tauglichkeits-tabelle der DAT. Sie ist erhältlich unter www.dat.de/e10 und liegt bei allen deutschen Tankstellen aus.

Trotz des unter den Erwartungen liegenden E10-Absatzes sieht die deutsche Auto-mobilindustrie E10 weiterhin als ein Element ihrer Kraftstoff- und Nachhaltigkeits-strategie an. In Deutschland ließen sich durch konsequente Nutzung von E10 rund 2 Millionen Tonnen Co2 jährlich einsparen. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine höhere Kundenakzeptanz. Der VDA wird diesen Prozess positiv begleiten, denn die Kraftstoff- und Verbrennungseigenschaften von E10 sind hervorragend. Die Klopffestigkeit über-trifft das reguläre Benzin deutlich. Zudem werden mit Ethanol mindestens 35 Prozent, im Mittel sogar rund 50 Prozent Co2-Emissionen gegenüber Benzin eingespart. Beim wechsel von E5 auf E10 macht das indirekt eine Co2-Senkung von über 3 g/km aus.E10 ist ein Baustein in der Biokraftstoffstrategie der Bundesregierung zur Umsetzung der Europäischen Biokraftstoffvorgaben aus der Erneuerbare-Energien-Direktive.

Diese verpflichtet die europäischen Mitgliedsstaaten zu einer Erneuerbare-Energien-Quote von mindestens 10 Prozent im Verkehrssektor bis zum Jahr 2020. Die flächen-deckende Einführung von E10 ist hierbei neben der flächendeckenden (und bereits vollzogenen) Einführung von B7 (7 Prozent Biodieselanteil im Dieselkraftstoff) eines der Hauptelemente, um das 10-Prozent-Ziel der EU zu erreichen.

Die Kunden sind umfassend über das Thema E10 informiert

Benzin mit Bioethanol-Beimischung hat hervorragende Verbrennungseigen-schaften

Page 131: VDA Jahresbericht 2012 WEB

131

Auswirkungen der EnergiewendeDas ursprüngliche Energiekonzept der Bundesregierung vom September 2010 mit dem Ziel eines bezahlbaren Ausbaus erneuerbarer Energien und einer Laufzeitverlän-gerung von Kernkraftwerken wurde schon im März 2011, ausgelöst durch Fukushima, verworfen. Die Bundesregierung verkündete ein dreimonatiges Atommoratorium, zudem wurden durch Beschluss des Bundestages die ältesten der 17 Kernreaktoren früher als im Atomkonsens vorgesehen vom Netz genommen.

Zur Energiewende wurde ein Maßnahmenbündel aus Gesetzen und Verordnun-gen verabschiedet. Die deutsche Automobilindustrie unterstützt die Absicht, eine dauerhaft sichere, nachhaltige und preiswerte Energieversorgung sicherzustellen. Bedenklich ist jedoch, dass in den Energieszenarien für das Jahr 2050 – statt eines geringfügigen Stromexports wie heute – eine Stromimportquote von 20 bis 30 Prozent angesetzt wird. Strom wird demnach aus den Anrainerstaaten, die zu einem großen Teil weiter auf Atomstrom setzen, importiert werden müssen.

Die Automobilindustrie ist bei der Produktion von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen auf eine stabile, spannungs- und frequenzhaltende sowie hochqualitative 24-Stunden-Strombereitstellung angewiesen. Dies ist ein wesentlicher Standortfaktor für Deutsch-land. Solange regenerative Energiequellen die Versorgung nicht zuverlässig und zu wettbewerbsfähigen Preisen sichern können, braucht die deutsche Industrie einen breiten Strommix.

Die deutsche Automobilindustrie benötigt bezahlbare Energie- und insbesondere Strompreise. Diese haben jedoch die wettbewerbsrelevante Schwelle überschritten. Neue Kostenbelastungen der Industrie durch die Energiewende, unter anderem aufgrund einer schnellen Umstellung der Grundlasterzeugung vom preiswerten Atom-strom auf deutlich teurere Energiequellen, sind hier kontraproduktiv. wird dem hohen und noch weiter steigenden Energiepreisniveau nicht gegengesteuert, sind eine schleichende Deindustrialisierung und der Verlust von Arbeitsplätzen zu befürchten. Das sollte verhindert werden.

Energiepolitik

Eine sichere, nachhaltige und bezahl-bare Energieversorgung muss sicher-gestellt sein

Zu einer schleichenden Deindustriali-sierung darf es nicht kommen

Page 132: VDA Jahresbericht 2012 WEB

132K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Die EnergiekostenentwicklungSeit Jahren kennen die Energiepreise in Deutschland nur eine richtung: nach oben. Deutschland ist im europaweiten Industriestrompreisvergleich im Jahr 2011 auf den drittletzten Platz abgerutscht und hat sich damit im Vergleich zum Vorjahr 2010 um vier Plätze verschlechtert. Dies ist das Ergebnis des Vergleichs des Verbands der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) zu den Industriestrompreisen in der EU. Demnach war Strom für Industriekunden innerhalb der EU im Jahr 2011 lediglich in Italien und Zypern teurer als in Deutschland.

Für die deutsche Industrie und dabei insbesondere für die im internationalen wett-bewerb befindliche Automobilindustrie stellt dies eine bedrohliche Entwicklung dar. Bereits in den letzten Jahren war ein deutlicher Anstieg bei den Energie- und insbe-sondere den Strompreisen zu verzeichnen. Dass jedoch der Anstieg der deutschen Industriestrompreise im europäischen Vergleich deutlich stärker ausfällt als in ande-ren EU-Mitgliedsstaaten wie etwa in Frankreich, illustriert eine weitere Verschlechte-rung der wettbewerbsbedingungen.

Deutschland ist einer der teuersten Energiestandorte in der EU

0 3 6 9 12 15

Zypern

Italien

Deutschland

Tschechien

Slowakei

Dänemark

UK

Lettland

Polen

Niederlande

Slowenien

Ungarn

Belgien

Spanien

Portugal

Irland

Schweden

Estland

Finnland

Frankreich

Griechenland

Türkei

Rumänien

Norwegen

Kroatien

Bulgarien

EU-IndustriestrompreisvergleichGruppe IF: 70 GWh < Verbrauch < 150 GWh, Stand: 1. Halbjahr 2011

Quellen: Eurostat, VIK

ct/kWh, Preise einschließlich Steuern (ohne MwSt.)

Page 133: VDA Jahresbericht 2012 WEB

133

EU-IndustrieerdgaspreisvergleichGruppe 15: 280 GWh < Verbrauch < 1.120 GWh, Stand: 1. Halbjahr 2011

Quellen: Eurostat, VIK

ct/kWh, Preise einschließlich Steuern (ohne MwSt.)

0 1 2 3 4 5

Schweden

Finnland

Ungarn

Deutschland

Italien

Slowakei

Tschechien

Frankreich

Portugal

Lettland

Estland

Bulgarien

Polen

Niederlande

Belgien

Spanien

UK

Türkei

Rumänien

EU-Industrieerdgaspreisvergleich

Neben Strom ist die deutsche Automobilindustrie bei der Produktion in erster Linie auf den Energieträger Erdgas angewiesen. Auch hier rangiert Deutschland unter den EU-Mitgliedsstaaten mit den höchsten Erdgaspreisen für die Industrie. Im VIK-Indus-trieerdgaspreisvergleich von 2011 hat sich Deutschland zwar im Vergleich zu 2010 vom vorletzten auf den viertletzten Platz leicht verbessert. Doch eine Betrachtung des absoluten Erdgaspreises zeigt, dass dessen Verteuerung in Deutschland höher ausgefallen ist als in anderen EU-Mitgliedsstaaten. Deshalb kann von einer positiven Entwicklung nicht die rede sein.

Nach einem kurzfristigen rückgang der Industriestrompreise in Deutschland im Jahr 2009 infolge gesunkener Kosten bei Erzeugung, Transport und Vertrieb ist der Industriestrompreis in den Jahren 2010 und 2011 wieder deutlich gestiegen und hat den bisherigen Höchststand aus dem Jahr 2008 sogar übertroffen. Die wesentliche Ursache für den im europäischen Vergleich überproportionalen Preisanstieg liegt in den 2011 abermals gestiegenen staatlichen Abgaben und Steuern. Hier ist insbeson-dere der Anstieg der Stromsteuer sowie der Abgaben im rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu nennen.

Steuern, staatliche Umlagen und Abgaben belasten den Standort

Page 134: VDA Jahresbericht 2012 WEB

134K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Energie- und StromsteuerZu Jahresbeginn 2011 wurden Steuererleichterungen bei der Nutzung von Strom und anderen Energieträgern für das produzierende Gewerbe reduziert, was faktisch einer Erhöhung der Strom- und Energiesteuern für die Industrie entsprach. Für die Ende 2012 auslaufende beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission für den Spitzensteu-erausgleich ist eine praktikable Nachfolgeregelung zu treffen, die die internationale wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie nicht gefährdet und sie nicht von Entlastungsmaßnahmen ausschließt (siehe auch Kapitel 5: Steuern und Zölle).

EEG-UmlageDer aus erneuerbaren Energien erzeugte Strom wird gemäß EEG durch die Netzbe-treiber vorrangig in das deutsche Stromnetz aufgenommen und nach festgelegten Fördersätzen vergütet. Zur Gegenfinanzierung wird dieser Strom anschließend durch die Übertragungsnetzbetreiber an der Strombörse vermarktet. Das verbleibende Defi-zit zwischen Förderzahlungen und Vermarktungserlösen wird als sogenannte EEG-Umlage auf alle Stromendkunden umgelegt.

Diese EEG-Umlage stieg von 2,047 Cent/kwh im Jahr 2010 auf 3,530 Cent/kwh im Jahr 2011, mit der Perspektive weiterer Steigerungen. Dieser Anstieg resultiert aus dem star-ken Zubau von Anlagen zur regenerativen Stromerzeugung, insbesondere von Foto-voltaikanlagen. Damit ist die Belastungsgrenze der Industrie weit überschritten. Alleine die EEG-Umlage führt 2011 zu mindestens 70 bis 100 Euro höheren Produktionskosten je Fahrzeug in Deutschland.

Deshalb sollte die EEG-Umlage für die sonstige Industrie auf 2 Cent/kwh gedeckelt werden, unter Beibehaltung der Konditionen für die energieintensiven Unternehmen. Zudem sollten auch energieintensive Betriebsteile in den Genuss der Konditionen von Unternehmen gelangen können. Die mittelstandsfreundliche Komponente bei der Strombezugsmenge ist nur ein erster Schritt.

Entwicklung und Zusammensetzung des Strompreises für einenmittelspannungsseitig versorgten Industriebetrieb (inklusive Stromsteuer)in Cent/kWh

Quelle: BDEW

0

3

6

9

12

15

2011 20122010200920082007200620052004200320022001200019991998

9,34

Erzeugung, Transport, Vertrieb Konzessionsangabe

StrEG/EEG§-19-Umlage KWK-G Stromsteuer

8,86

6,056,47

6,86

7,98

8,92

9,73

11,53 11,41

13,53

11,40 11,72

13,58 13,85

Die Belastungen aus der Umlage für erneuerbare Energien sind erheblich

Page 135: VDA Jahresbericht 2012 WEB

135

Zum 1. Januar 2012 wurde das EEG novelliert. Neben Anpassungen bei Vergütungs-sätzen für die einzelnen Stromerzeugungstechniken aus erneuerbaren Energien wurde unter anderem bei den wegen der Direktvermarktung nachjustiert:

• Neu ist die optionale Marktprämie. Anlagenbetreiber können sich dafür entschei-den, monatsweise aus dem EEG-Festvergütungssystem auszuscheiden und ihren Strom anderweitig zu vermarkten. Dadurch haben die Anbieter einen Anreiz, die Energie zu speichern und erst dann abzugeben, wenn der Bedarf groß und der Marktpreis überdurchschnittlich hoch ist.

• Grünstromprivileg: Beträgt der Anteil von Strom aus EEG-Anlagen am Gesamtab-satz eines Energieversorgungsunternehmens mindestens 50 Prozent, wird die von diesem Energieversorger zu bezahlende oder weiterzureichende EEG-Umlage um 2 Cent/kwh reduziert.

Des weiteren wurde die besondere Ausgleichsregelung ausgeweitet, die die EEG-Umlage für stromintensive Unternehmen deutlich verringert. Die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der besonderen Ausgleichsregelung wurden erweitert, sodass diese in Zukunft von mehr Unternehmen als bisher in Anspruch genommen werden kann.

KWK-Umlage Die im Kraft-wärme-Kopplungsgesetz (KwKG) festgelegte Förderung der Stromerzeu-gung in hocheffizienten Kraft-wärme-Kopplungsanlagen wird in gleicher weise wie die EEG-Vergütungszahlungen auf alle Endverbraucher umgelegt. Die KwK-Umlage belief sich 2011 auf 0,03 Cent/kwh. Da sich dies als nicht kostendeckend erwies und sich die Zahl der installierten KwK-Anlagen weiter erhöht hat, hat sich die KwK-Umlage 2012 auf 0,062 Cent/kwh verdoppelt. Auch dies trägt zur weiteren Belastung von Industrie und Privatkunden bei.

Page 136: VDA Jahresbericht 2012 WEB

136K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Dritte Handelsperiode des Europäischen Emissionshandels (2013-2020)Ab 2013 erfolgt eine Modifikation bei den regeln des EU-weiten Emissionshandels. Mit Beginn der dann dritten Handelsperiode wird es einige wesentliche Neuerungen im Emissionshandel geben:

• Durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Emissionshandels fallen nun auch, neben großen Verbrennungsanlagen, weitere Industriesektoren und -anlagen unter die Emissionshandelspflicht. Dies betrifft auch die Automobilindustrie.

• Das Grundprinzip für den Erwerb von Zertifikaten der Industrie wird umgestellt von kostenfreier Zuteilung auf Basis historischer Emissionen hin zur Zuteilung der Zerti-fikate auf Basis anspruchsvoller EU-einheitlicher Zielwerte. Die Gesamtmenge der Zertifikate wird künftig kontinuierlich gesenkt, ebenso wie die Menge kostenfreier Zertifikate, die sich im Laufe der Handelsperiode von 80 Prozent 2013 jährlich bis auf 30 Prozent im Jahr 2020 mindert und 2027 vollständig auslaufen werden. Darü-ber hinaus benötigte Zertifikate müssen erworben werden. Eine weitere kostenlose Zuteilung wird lediglich für Anlagen gewährt, die der Gefahr von Carbon Leakage (Produktionsverlagerung ins Nicht-EU-Ausland aufgrund der Kosten des Emissions-handels) ausgesetzt sind. Die Automobilindustrie unterliegt nach Festlegung der EU nicht dieser Gefahr und erhält somit keine Vergünstigungen.

• Für die Stromerzeugung wird es ab 2013, anders als bisher, keine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten mehr geben. Die benötigten Zertifikate müssen über Auktionierung an einer Börse gekauft werden.

• Der Emissionshandel bedeutet nicht nur eine Mehrbelastung an direkten und indirekten Kosten für die Automobilindustrie, sondern auch einen zunehmenden Verwaltungsaufwand bei der Antragstellung für die Zertifikatszuteilung und dem zukünftigen Monitoring.

Durch diese neuen regelungen im Emissionshandel ist ein Anstieg der Kosten für betroffene Anlagenbetreiber in der Automobilindustrie zu erwarten. Gedämpft wird der Kostenanstieg durch den in den letzten Monaten starken rückgang der Co2-Zertifikatspreise an den Börsen, sofern dieses Preisniveau auch für die kommen-de Zeit Bestand haben wird.

Die Klimadebatte nach DurbanEnde 2011 vereinbarten die Klima-Unterhändler der Staatengemeinschaft in Durban, ein rechtsverbindliches Klimaschutzabkommen mit allen Staaten der Klimarahmen-konvention fortzuführen. Bis 2015 soll ein Vorschlag erarbeitet werden, der aber nicht vor 2020 in Kraft treten soll. Die bislang bestehende Trennung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wird aufgehoben; die EU konnte neue Allianzen mit Entwick-lungsländern bilden.

Die Kyoto-Vertragsstaaten haben sich auf Fortführung der Klimaschutzziele geeinigt

Die Automobilindustrie wird in den europäischen Emissionshandel einbezogen

Page 137: VDA Jahresbericht 2012 WEB

137

CO2-Emissionen von 1990 bis 2010 in ausgewählten Staaten und Regionen

Quelle: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, Ziesing

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

8.000

2010200920082005200019951990

Deutschland China EU-27 (inklusive DE)

in Millionen Tonnen

Die jährlichen Zuwächse bei Co2-Emis-sionen in China liegen fast auf Höhe der Gesamtemissionen in Deutschland

Der Lückenschluss zwischen dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls und einer Nach-folgeregelung soll durch ein weitergelten des bisherigen Klimaregimes abgedeckt werden. Einige Kyoto-Vertragsparteien haben sich auf eine zweite Verpflichtungs-periode geeinigt, in der die Industrieländer ihre Emissionen um weitere 25 bis 40 Prozent verringern sollen. Geklärt werden müssen jedoch noch die Laufzeit der zweiten Periode und die Zuordnung der Verpflichtung zu den einzelnen Staaten. Die EU, Norwegen und die Schweiz sagten zu, sich dieser Minderungsverpflichtung zu unterwerfen. Dagegen verweigern sich Indien, russland, Japan, Australien und Neuseeland. Damit ist eine spürbare Co2-reduzierung nur eingeschränkt möglich, da nur rund 15 Prozent der globalen Co2-Emissionen erfasst werden. Die EU ist deshalb aus wettbewerbsgründen gut beraten, das Minderungsziel nicht einseitig auf 30 Prozent bis 2020 zu erhöhen.

In Durban wurde zudem beschlossen, den „Green Climate Fund“ zu etablieren. Damit sollen Klimaschutzmaßnahmen in Schwellenländern wie auch im Privatsektor finanziert werden. Der Fonds soll mit 100 Mrd. US-Dollar ausgestattet werden. wie diese aufgebracht werden sollen, ist noch offen. Eine Überlegung ist die Nutzung von Einnahmen des Emissionshandels im Luft- und Schiffsverkehr.

Die Konferenz von Durban fand auch vor dem Hintergrund zuletzt global weiter gestiegener Co2-Emissionen statt. Mit mehr als 31 Milliarden Tonnen Co2 wurde ein neuer Höchststand erreicht, obwohl große Industriestaaten wie Deutschland ihren Ausstoß von 1990 bis 2010 teils drastisch reduzierten. Allein der Anstieg chinesischer Emissionen um 713 Milionen Tonnen Co2 von 2009 bis 2010 liegt vom gesamten deut-schen Co2-Ausstoß von 818 Millionen Tonnen nicht weit entfernt.

Page 138: VDA Jahresbericht 2012 WEB

138K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Reduzierung klassischer Schadstoffe

Emissionsreduzierung Trotz wachsender Fahrleistungen konnte der Anstieg der Abgasemissionen im Stra-ßenverkehr gestoppt und im Jahr 1990 konnte die Trendwende erreicht werden. Diese Erfolge sind insbesondere der Einführung des Katalysators, dem Partikelfilter beim Diesel, den SCr-Systemen beim Lkw, den Verbesserungen in der Motorentechnik als auch der reduzierung von Betankungsemissionen zu verdanken. Schon vor Jahren bescheinigte das Umweltbundesamt dem modernen ottomotor eine hohe Umweltver-träglichkeit. Der moderne Diesel liegt nun gleichauf.

Das rechenmodell TrEMoD, 1993 vom ifeu-Institut im Auftrag des Umweltbundes-amtes, der Bundesanstalt für Straßenwesen, des VDA sowie weiteren Institutionen entwickelt, belegt diesen Fortschritt. Die Früchte dieser Anstrengungen konnten insbesondere ab der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts geerntet werden. Doch auch in den nächsten Jahren werden die Emissionen aus dem Straßenverkehr trotz steigender Fahrleistungen weiter sinken. Das Modell errechnet eine reduktion der Emissionen des Straßenverkehrs im Jahr 2030 gegenüber 1990 von

• 94 Prozent bei flüchtigen Kohlenwasserstoffen (HC),

• 94 Prozent bei Partikeln (PM),

• 92 Prozent bei Kohlenmonoxid (Co) und

• 88 Prozent bei Stickoxiden (NoX).

Die eindrucksvollen Zahlen sprechen für sich. Die Automobilindustrie hat somit ihre Aufgaben zur Verbesserung der Luftreinhaltung erfolgreich gemeistert.

Hersteller und Zulieferer erzielen große Fortschritte bei der Abgasreduzierung

300

600

900

0203020252020201520102005200019951990

Große Erfolge bei der Emissionsminderung im Straßenverkehr: NOX-Emissionen

Quelle: ifeu, DIW

Personenverkehr GüterverkehrFahrleistungen in Mrd. km

1.200

375

562

750

187

Mrd

. km

in k

t

0

300

600

900

1.200

20302025202020152010200520001995 1990

Große Erfolge bei der Emissionsminderung im Straßenverkehr: Partikelemissionen

Quelle: ifeu, DIW

PersonenverkehrFahrleistungen in Mrd. km Güterverkehr

375

562

750

187

Mrd

. km

in k

t

Page 139: VDA Jahresbericht 2012 WEB

139

0

2.500

3.750

5.000

6.250

203020252020201520102005200019951990

Große Erfolge bei der Emissionsminderungim Straßenverkehr: CO-Emissionen

Quelle: ifeu, DIW

Personenverkehr Güterverkehr

1.250

300

450

600

750

150

Fahrleistungen in Mrd. km

Mrd

. km

in k

t

Emissionsreduzierung beim Pkw Alle heute neu zugelassenen Fahrzeuge erfüllen die anspruchsvolle Euro-5-Abgasnorm. war bei den Pkw und leichten Nutzfahrzeugen Euro 5 für neue Fahrzeugtypen bereits ab September 2009 vorgeschrieben, so ist die Euro-5–Norm seit dem 1. Januar 2011 für alle neu zugelassenen Fahrzeuge verbindlich. Für schwere Nutzfahrzeuge gilt die Euro-V-Abgasnorm bereits seit oktober 2010 für alle neu zugelassenen Fahrzeuge. Mit der Einführung dieser neuen Emissionsstufen konnte die Emissionssenkung von Pkw und Lkw fortgesetzt werden. So werden beim Lkw gegenüber Euro 0 die Emissionen um durchschnittlich 85 Prozent vermindert, beim Pkw beträgt die durchschnittliche Emissi-onssenkung sogar 97 Prozent.

Emissionsreduzierung beim LkwFür die Nutzfahrzeuge tritt für neue Typen die neu definierte Euro-VI-Norm erstmals Ende 2012 in Kraft. Gegenüber Euro V wird der HC-Grenzwert um 72 Prozent, der NoX-Grenzwert sogar nochmals um 80 Prozent und der Partikelausstoß um 50 Prozent reduziert. Damit stellt Euro VI einen großen und aus Sicht der Auto-mobilindustrie weitgehend endgültigen Schritt hin zu einem sauberen Güter-straßenverkehr dar. Euro VI macht den Einsatz aller bekannten Motoren- und Abgasnachbehandlungstechnologien notwendig. Partikelfilter und SCr-Technologie werden zum Standard im schweren Lkw werden.

Die durchschnittliche Emissionssen-kung beim Pkw beträgt 97 Prozent gegenüber Euro 5

Stickoxidemissionen werden auf bereits sehr niedrigem Niveau nochmals dras-tisch gesenkt

300

600

900

1.200

375

562

750

187

203020252020201520102005200019951990

Große Erfolge bei der Emissionsminderungim Straßenverkehr: HC-Emissionen

Quelle: ifeu, DIW

Personenverkehr Güterverkehr

0

Fahrleistungen in Mrd. km

Mrd

. km

in k

t

Page 140: VDA Jahresbericht 2012 WEB

140K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Neue Vorschriften für Euro 6Für Pkw wird die Abgasvorschrift Euro 6 erstmals ab September 2014 verbindlich. Eine Herausforderung sind die deutlich gesenkten Stickoxidemissionen. Das wird eine neue Stufe in der Verbrennungstechnologie und zumindest teilweise die Einführung von NoX-Nachbehandlungssystemen notwendig machen.

Ein weiterer Vorteil ergibt sich durch deutlich empfindlichere on-Board-Diagnose-systeme mit zuverlässigen Abgas- und Motorensystemdaten, die mit Euro 6 das erste Mal eingeführt werden. Dadurch können eventuell auftretende umweltrelevante Fehler sehr schnell und zuverlässig erkannt werden. Dies dient direkt der Umwelt, da nicht nur bei jeder Hauptuntersuchung, sondern auch im nachfolgenden laufenden Betrieb mit zuverlässigen Abgas- und Motorensystemen gerechnet werden kann.

Für Dieselmotoren wird zudem die Partikelanzahl auf einen Emissionsmaximalwert von 6 * 1.011 Partikel pro Kilometer begrenzt. Dieser Grenzwert wird durch den heute serienmäßigen Partikelfilter gewährleistet. Erstmals mit Euro 6 wird auch ein Partikel-grenzwert für Pkw mit direkteinspritzendem ottomotor eingeführt. Nach einer Über-gangszeit gilt für direkteinspritzende ottomotoren der gleiche Partikelanzahlgrenzwert wie für Dieselfahrzeuge. Die deutsche Automobilindustrie mahnt eine rasche Entscheidung zur Euro-6-Gesetz-gebung an, um die frühzeitige Zertifizierung und Markteinführung entsprechend umweltfreundlicherer Fahrzeuge zu ermöglichen.

0

20

40

60

80

100

0

20

40

60

80

100

0

20

40

60

80

100

Euro 6Euro 5Euro 4Euro 3Euro 2Euro 1Euro 0

Entwicklung der Abgasstufen von Diesel-Pkw

Quelle: VDA

-98 %

-98 %

-97 %

CO

[%

]PM

[%

]H

C +

NO

x [%

]

100

135 3 2 2 2

2312 10 5 4 3

73

3019

92 2

100

100

Senkung der Abgasemissionen schwerer Lkw

020406080

100

-88 %

CO

[%

]

100

40 3317 12 12 12

020406080

100

-97 %

PM [

%]

100

3825

5 5 3

020406080

100

-95 %

HC

[%

]

47 4225 18 18

5

100

020406080

100

Euro 6Euro 5Euro 4Euro 3Euro 2Euro 1Euro 0

-97 %

NO

X [

%]

83

4935

2414

3

100

Quelle: VDA

Verschärfte Grenzwerte ab 2014 machen den Einsatz von Abgasnachbe-handlungssystemen erforderlich

Page 141: VDA Jahresbericht 2012 WEB

141

UmweltzonenDie Umweltqualitätsrichtlinie der EU setzt strenge Grenzwerte für bestimmte Schad-stoffe in der Umgebungsluft fest. Es bedarf erheblicher Anstrengungen, um diese für Feinstaub und Stickstoffdioxide zu erreichen. Manche Städte – vor allem in Deutsch-land – versuchen, die Luftqualität unter anderem durch Zufahrtsbeschränkungen für ältere Fahrzeuge zu verbessern. Der Erfolg dieser Umweltzonen ist jedoch differenziert zu bewerten. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Anzahl der Tage, an denen der Grenzwert für Feinstaub überschritten wurde, im vergangenen Jahr nicht immer abgenommen hat. Dies ist dem beim Feinstaub bekannten, sehr starken Einfluss der jeweiligen wetterlage zuzuschreiben. Insbesondere Hochdrucklagen im winter führen zu erheblichen Überschreitungen. Gleichzeitig wird deutlich, dass eine Fokussierung allein auf den Straßenverkehr nicht hilft. In allen Sektoren, voran bei der Holz-, Kohle- und Heizölverfeuerung in Privathaushalten und im Gewerbe sowie in der Industrie, müssen vergleichbare Anstrengungen unternommen werden, um eine spürbare Emissionsminderung in den Umweltzonen zu erreichen.

Selbst bei vergleichbaren wetterlagen werden die Umweltzonen das Feinstaubauf-kommen nur geringfügig ändern können. Dies belegen Ergebnisse in Stuttgart und Berlin. Dort ließ sich der Feinstaubpegel in der Zone durch verkehrsbeschränkende Maßnahmen nur im begrenzten Umfang von rund 3 Prozent vermindern. Für München hat eine wissenschaftliche Untersuchung ergeben, dass die Umweltzone als praktisch unwirksam bezeichnet werden kann.

Die einseitige Fokussierung auf den Straßenverkehr reicht bei der Fein-staubbekämpfung nicht aus

Page 142: VDA Jahresbericht 2012 WEB

142K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

0,50,40,30,20,10

Euro 6 erfordert SCR

Quelle: Volkswagen

EinspritzungVerbrennungLuftmanagement opt. Oxidationskatalysatoropt. KraftstoffNeuer Verbrennungsprozess

- veränderte Abgasrückführung- Mehrfacheinspritzung

12,5

5

0

25

37,5

50

Euro 3

Euro 4

Euro 5

Euro 6

Partikel in mg/km

DeNOx

3

DPF

5

SCR

1

4

Basis

Bei Stickstoffdioxid sind vergleichbar geringe Verbesserungen der Luftqualität zu vermelden. während in Berlin eine Minderung der Konzentration um etwa 7 bis 10 Prozent gemessen wurde, nahm die mittlere Belastung von No2 in Köln nach Einführung der Umweltzone nur um rund 2 Prozent ab.

Die Automobilindustrie leistet seit vielen Jahren einen hohen Beitrag zur Luftverbes-serung. Die rußemissionen von Dieselfahrzeugen wurden drastisch reduziert. Nach der weltweit einmaligen „Stuttgarter Erklärung“ der deutschen Automobilindustrie werden in allen in Deutschland abgesetzten Fahrzeugen aus deutscher Produktion Dieselpartikelfilter eingebaut. Die Automobilindustrie bietet darüber hinaus auch Nachrüstsätze an, deren Einbau zu einem Kraftfahrzeugsteuernachlass berechtigt. Der Erfolg dieser Maßnahmen ist beachtlich. Es wird erwartet, dass in zehn Jahren in Deutschland die Motoremissionen des Straßenverkehrs nicht einmal die Feinstaub-mengen des Zigarettenrauchs erreichen werden. Die Kommunen sollten ihre einseitig gegen den Straßenverkehr gerichteten Maßnahmen daher laufend auf ihre wirksam-keit und Verhältnismäßigkeit überprüfen.

Bei Stickstoffdioxid kann es nur mini-male Verbesserungen durch einseitige Fahrverbote für Pkw geben

Page 143: VDA Jahresbericht 2012 WEB

143

Die anspruchsvolle Nutzfahrzeug-schadstoffnorm Euro V wird dank AdBlue®-Einsatz erfüllt

Bis 2020 können bereits 20 Millionen Diesel-Pkw deutscher Konzernmarken mit SCr-Technologie unterwegs sein

2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020

AdBlue® wird zum Regelbetriebsstoff

Quelle: VDA

Beginn der SättigungInfrastrukturweiterentwicklungInfrastrukturaufbau

Prognose Fahrzeugbestand Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit SCR-Systemen in Westeuropaalle deutschen Konzernmarken

20.000.000

18.000.000

16.000.000

14.000.000

12.000.000

10.000.000

8.000.000

6.000.000

4.000.000

2.000.000

AdBlue®

Bereits seit 2005 werden schwere Nutzfahrzeuge mit AdBlue® in den Verkehr gebracht. Die Abgasnachbehandlungsmethode, in der AdBlue® zum Einsatz kommt, heißt SCr (Selective Catalytic reduction). Mit SCr erfüllen die Fahrzeuge die euro-päische Schadstoffvorschrift Euro IV und die 2008/2009 in Kraft getretene äußerst anspruchsvolle Euro-Norm V. Beim SCr-Verfahren werden die Stickoxid-(NoX-) Emissionen, die bei der Verbrennung im Motor entstehen, nachmotorisch in einem Katalysator behandelt.

Die Fahrzeughersteller bieten diese Technologie zukünftig verstärkt auch in Pkw an, als option zur Einhaltung der strengen BIN-5-Grenzwerte in den USA, derzeit Vorschrift in Kalifornien und vier weiteren US-Bundesstaaten, und der ab 2014 in Europa geltenden strengen Euro-6-Norm für Dieselfahrzeuge. Erste Pkw mit SCr-Technologie sind in Deutschland bereits auf dem Markt. Mit der verbindlichen Einführung von Euro 6 wird diese Zahl deutlich steigen. Zu Beginn ist mit einem Marktanteil an SCr-Fahrzeugen beim Diesel-Pkw von 25 Prozent zu rechnen, bis 2020 sogar von 75 Prozent bei Neufahrzeugen. In Europa werden dann fast 20 Millionen Pkw deutscher Konzernmarken die SCr-Technologie an Bord haben.

Page 144: VDA Jahresbericht 2012 WEB

144K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

AdBlue® ist für Pkw-Kunden heute üblicherweise noch nicht an Tankstellen verfügbar. Daher haben die bisher am Markt verfügbaren SCr-Diesel-Pkw über einen so großen AdBlue®-Tank, dass der Kunde selbst kein AdBlue® nachzufüllen braucht. Vielmehr wird AdBlue® während der normalen Inspektion beim werkshändler nachgefüllt.

Mit den steigenden Abgasemissionsanforderungen wird allerdings auch der Verbrauch von AdBlue® steigen, sodass eine reine AdBlue®-Nachfüllung beim Inspek-tionsintervall nicht mehr ausreichen wird. AdBlue® wird also – wie der Diesel – zum regulären Betriebsstoff und muss vom Kunden nachgetankt werden. Dafür ist der Kunde auf eine fl ächendeckende und kundenfreundliche Infrastruktur angewiesen.

Notwendig ist der Aufbau einer fl ächendeckenden AdBlue®-Infrastruktur. Dazu ist eine kundenfreundliche Lösung erforderlich. Der Diesel-Fahrer von muss vornherein informiert sein, dass er eine besonders umweltfreundliche Technologie nutzt. Denn nur dann akzeptiert er den zusätzlichen Aufwand eines zweiten Betriebsstoffes.

Die Automobilindustrie und die Mineralölindustrie sind hierüber in Kontakt und bera-ten, wie eine AdBlue®-Infrastruktur für Pkw-Kunden schnell, effi zient und kunden-freundlich zur Verfügung gestellt werden kann. Ein Schlüssel für den Erfolg ist die Defi nition einer roadmap für den Aufbau einer Infrastruktur. Diese beginnt bei der Bereitstellung möglichst einfacher und einheitlicher Nachfüllgebinde und endet bei einer generellen Tankstellenausstattung mit komfortablen AdBlue®-Tanksystemen neben der Dieselzapfsäule.

AdBlue® wird zum regulären Betriebs-stoff und muss vom Kunden nachge-tankt werden

Kundenfreundliche Verfügbarkeit von AdBlue®

Quelle: VDA

Betankung mittels standardisierter Gebinde

Finale Lösung

Zwischenlösung denkbar

Einheitliche Zapfsäulen und einheitliche Gebinde sind Grundvoraussetzung für Kundenakzeptanz

Abstimmung und Kooperation mit MÖI auch bezüglich Gestaltung von Nachfüllgebinden notwendig

Page 145: VDA Jahresbericht 2012 WEB

145

Umwelt- und Arbeitsschutz in der Produktion

UmweltschutzIm produktionsbezogenen Umweltschutz setzt die deutsche Automobilindustrie Zeichen. Der ressourcenverbrauch sinkt weiterhin deutlich. Keine andere Automobil-industrie führt wasser häufi ger im Kreislauf und setzt so sehr auf den Einsatz weiterer wassersparender Techniken. Somit konnten der Trinkwasserbezug und damit auch das Abwasseraufkommen in den letzten beiden Jahrzehnten um mehr als zwei Drittel redu-ziert werden. Ein Standort erreicht sogar das Ideal der abwasserfreien Fabrik.

Die Luftreinhaltung ist gleichfalls ein besonderes Anliegen der Automobilindustrie. Die deutschen Lackieranlagen stellen weltweit die Messlatte für die wettbewerber dar. Nirgendwo sonst werden weniger Lösemittel je Quadratmeter lackierter Fläche emittiert.

Trotz deutlich gestiegener und immer komplexerer Fahrzeugproduktion reduzierte sich auch das Abfallaufkommen seit 1990 erheblich. Die zu deponierenden Abfälle je Fahrzeug passen in einen üblichen Putzeimer. Das ist im wesentlichen den hohen recyclingquoten zuzurechnen: Mehr als vier Fünftel der Abfälle werden heute in den rohstoffkreislauf zurückgeführt. würden die wertvollen Metallschrotte noch mit eingerechnet, läge die recyclingquote sogar bei nahezu 100 Prozent.

Die deutsche Automobilindustrie ist vorbildlich bei niedrigem ressourcen-verbrauch

Page 146: VDA Jahresbericht 2012 WEB

146K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

0

10

20

30

40

50

60

2006 2010200920042002200019981996199419921990

Gesamtabwasser der deutschen Fahrzeughersteller

Quelle: VDA

KühlwasserAbwasser Gesamt Produzierte Fahrzeuge

Verb

rauc

h in

Mill

ione

n Ku

bikm

eter

n

Prod

uktio

n in

Mill

ione

n Fa

hrze

uge

7

0

3,5

Gesamtwasserbezug der deutschen Fahrzeughersteller

Verb

rauc

h in

Mill

ione

n Ku

bikm

eter

n

Prod

uktio

n in

Mill

ione

n Fa

hrze

uge

Quelle: VDA

BrauchwasserGesamt Produzierte FahrzeugeTrinkwasser

0

10

20

30

40

50

60

70

80 7

0

3,5

2007

2008

2009

2010

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

Gleichfalls konnte der Energieeinsatz bei der Fahrzeugproduktion erheblich redu-ziert werden. Aufgrund von energiesparenden Techniken, Umstellungen in der Produktion, Einführung von Energiemanagementsystemen und Energierückgewin-nung, der Nutzung von Solaranlagen und wärmetauschern sowie der verbesserten wärmedämmung wurde der Energieverbrauch je produziertem Fahrzeug immer weiter reduziert. Lediglich im Krisenjahr 2009 wurde der Trend zur Minderung wegen der geringeren Auslastung der Fabriken bei hohem Fixverbrauch vorübergehend unter-brochen. weitere Energiesparmaßnahmen sind allerdings nur noch mit übermäßig hohen Kosten zu erreichen.

Page 147: VDA Jahresbericht 2012 WEB

147

Lösemittelemissionen der Fahrzeughersteller

Quelle: VDA

LösemittelProduzierte Fahrzeuge

5

10

15

20

25

2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

0

1

3

5

7

Verb

rauc

h in

Ton

nen

(in 1

.000

)

Prod

uktio

n in

Mill

ione

n Fa

hrze

uge

0

100

200

300

400

500

600

Verb

rauc

h in

Ton

nen

(in 1

.000

)

20102008200620042002200019981996199419921990

Summe der Abfälle der Automobilhersteller (Pkw und Lkw)

Quelle: VDA

Gesamt Davon RecyclingProduzierte Fahrzeuge

0,0

1,7

0,8

2,5

3,4

4,2

5,1

6,0

Prod

uktio

n in

Mill

ione

n Fa

hrze

uge

700

Gesamtenergieverbrauch deutscher Automobilhersteller pro Fahrzeug in Gigajoule (Pkw und Lkw)

Quelle: VDA

0

16

20

24

28

32

20102008200620042002200019981996199419921990

Page 148: VDA Jahresbericht 2012 WEB

148K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Die neue Industrieemissionsrichtlinie (IED) 2010/75/EG ist das Grundgesetz der Anla-gengenehmigung, das bisherige Vorschriften zusammenfasst. Ziel ist die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung: Der von der deutschen Automobilin-dustrie begrüßte große Vorteil der richtlinie ist eine EU-einheitliche regelung ohne die bisherigen nationalen Spielräume bei der Auslegung.

In Deutschland konkretisiert sich nun die Transformation in nationales recht, die bis Ende 2012 abgeschlossen sein soll. Fragen bestehen unter anderem bei der Erstellung eines Bodenzustandsberichts, der für Neuanlagen und bei Änderungen bestehender Anlagen erforderlich ist. Dies kann beispielsweise Lackierereien oder Gießereien betreffen. Die Bundesländer arbeiten zurzeit einen Leitfaden zur Erstellung des Berichts aus. Die Automobilindustrie fordert, den Praxisbezug und bestehen-de rechtsbereiche im Auge zu behalten sowie keine neue nationale Verschärfung gegenüber der richtlinie herbeizuführen.

Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die sogenannten besten verfügbaren Techniken (BVT). Die aufgrund von BVT-Schlussfolgerungen festgesetzten Emissionswerte sollen rechtsverbindlich werden. Dafür sieht die IED eine Frist von vier Jahren nach Veröffentlichung vor. Das ist aus Sicht der deutschen Automobilindustrie deutlich zu knapp bemessen.

ArbeitsschutzDie Automobilindustrie verbessert den Arbeitsschutz weiterhin kontinuierlich. Haus-interne Managementsysteme und optimierte Abläufe konnten die Unfälle je Million geleisteter Arbeitsstunden in den vergangenen beiden Jahrzehnten um rund drei Viertel reduzieren. Die niedrigen Unfallzahlen der deutschen Automobilindustrie spie-geln das hohe Niveau des Arbeitsschutzes wider, das heute weltweit in den produ-zierenden werken der deutschen Automobilindustrie Standard ist. Das erreichte hohe Niveau lässt signifikante Verbesserungen in Zukunft nur sehr schwer möglich erschei-nen. Dennoch werden die bestehenden sicherheitstechnischen Lösungen optimiert.

Die EU fasst bislang einzelne Emissionsvorschriften zusammen

Die Zahl der Arbeitsunfälle ist stark gesunken

0

5

10

15

20

25

30

Unfallhäufigkeitsindex der meldepflichtigen Betriebsunfälle

Quelle: VDA

2010

20

1120

0920

0820

0720

0620

0520

0420

0320

0220

0120

0019

9919

9819

9719

9619

9519

9419

9319

9219

91

je 1 Million geleisteter Arbeitsstunden

Page 149: VDA Jahresbericht 2012 WEB

149

Der zunehmende Einsatz alternativer Antriebskonzepte und Energiespeicher birgt neben der Möglichkeit des Einsatzes regenerativer Energieträger auch neue Gefährdungs-faktoren und risiken. Das betrifft auch den Arbeitsschutz. Für den sicheren Umgang mit Hybrid- und Elektrofahrzeugen gilt es, die besonderen Gefährdungspotenziale der Hochvolttechnik (bis 650 Volt) zu berücksichtigen. Hierzu zählen vorrangig elektrische und physikalisch-chemische Gefährdungen. Neben speziellen, zusätzlichen Anforde-rungen an die organisation der Arbeiten und die Auswahl des werkes ist die Mitarbei-terqualifikation ein wichtiger Aspekt. Hierfür sind in den berufsgenossenschaftlichen Informationen (BGI) 8686 „Qualifizierung für Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsys-temen“, an deren Entstehung die deutschen Automobilhersteller maßgeblich mitgewirkt haben, die notwendigen Qualifizierungsumfänge und -inhalte anhand verschiedener Qualifizierungsstufen beschrieben. Ein weiterer Gefährdungsfaktor ist die Brand- und Explosionsgefahr aufgrund der verwendeten Zellchemie der Batteriezellen. Das Ausmaß dieses Gefährdungspotenzials hängt dabei wesentlich vom EUCAr-Hazard-Level ab. Die Automobilindustrie passt ihre Strategien zur Schaffung sicherer Fahrzeugkonzepte und Arbeitsbedingungen ständig an und verbessert sie weiter.

Die rEACH-Verordnung der EU zur registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien bekommt zunehmend weltweite Bedeutung. Von anderen Ländern wird rEACH in ähnlicher Form auf den Gesetzesweg gebracht. Der Ansatz der Automobilindustrie, eine gemeinsame Umsetzungsstrategie unter Betei-ligung aller Verbände auf globaler Ebene zu entwickeln, hat sich damit als zukunfts-weisend erwiesen. Der 2011 überarbeitete Leitfaden für die Umsetzung von rEACH in der Automobilindustrie (Automotive Industry Guidelines, AIG) wurde vom VDA ins Deutsche übertragen, um die Verständlichkeit für die deutsche Automobilindustrie und deren Lieferanten zu verbessern und die AIG auch an das regelwerk anzupassen.

Um die Mitarbeiter vor gesundheitsgefährdenden Stoffen zu schützen, gab es bis Ende 2004 für viele krebserzeugende Stoffe sogenannte technische richtkonzentra-tionen (TrK). Diese führten dazu, dass die Belastung des Mitarbeiters am Arbeits-platz durch krebserzeugende Stoffe auf das technisch mögliche Maß verringert wurde. Damit verblieb ein mögliches, nicht quantifizierbares restrisiko. Das bisherige Konzept der TrK-werte soll durch ein neues Konzept, „risikoakzeptanzkonzept“ genannt, abgelöst werden. Es werden zwei risikostufen definiert: Akzeptanzrisiko und Toleranzrisiko.

Das Toleranzrisiko wird auch als Gefahrenschwelle bezeichnet. Dieser Schwellenwert soll dem risiko eines beruflich unbelasteten Nichtrauchers, an Lungenkrebs zu erkran-ken, entsprechen. oberhalb des Toleranzrisikos sollen Arbeitnehmer nicht exponiert werden. Der Bereich zwischen Akzeptanzrisiko und Toleranzrisiko soll der wahrschein-lichkeit, außerhalb des Arbeitsplatzes an Krebs zu erkranken, entsprechen. In diesem Bereich sind so lange Maßnahmen zur Minderung der Luftbelastung zu ergreifen, bis das Akzeptanzrisiko erreicht ist. Unterhalb des Schwellenwerts des Akzeptanzrisikos sind keine Maßnahmen notwendig. Bei Einzelstoffen sollen stoffspezifische risiken aufgeführt werden. Dies soll in einer Expositions-risiko-Beziehung (ErB) münden. Geplant ist, das ErB-Konzept in die Gefahrstoffverordnung aufzunehmen.

Hochvoltfahrzeuge werfen neue Sicher-heitsfragen auf

Die rEACH-Verordnung der EU bekommt weltweite Bedeutung

Neue Grenzwertziele sind wissen-schaftlich fragwürdig

Page 150: VDA Jahresbericht 2012 WEB

150K LI M A- U N D U M w E LTS C H UTZ

Bislang bestand für Dieselmotoremissionen am Arbeitsplatz eine technische richtkonzentration (TrK) von 0,1 mg/m³ (100 µg/m³) über Tage und 0,3 mg/m³ (300 µg/m³) im Bergwerk. Das ErB-Konzept soll hingegen zu einem Akzeptanzwert von 2 µg/m³ ab 2018 führen. Dies entspricht dem Jahresmittelwert in reinluftge-bieten wie dem Südschwarzwald. Damit läge der wert für Dieselmotoremissionen am Arbeitsplatz ähnlich hoch wie in waldgebieten fernab der Zivilisation. Dieses Beispiel zeigt, dass entweder das Modell oder die Ableitung in sich nicht schlüssig ist. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass eine ErB bei Nickeloxiden diskutiert wird, die zu einem Grenzwert führen würde, der gegenüber dem TrK-wert um den Faktor 2.500 verringert ist. Erkrankungen von Beschäftigten an den Arbeitsplätzen, die eine derartig massive Grenzwertsenkung rechtfertigen würden, sind hingegen nicht bekannt. Experten aus vielen Bereichen halten die ErB-Konzeption auch deshalb für wissenschaftlich fragwürdig. Zudem ist das ErB-Konzept im Hinblick auf das zugrunde liegende wissenschaftliche Modell („Exzessrisiko“ oder „verlorene Lebensjahre“) grundsätzlich zu überprüfen und bis zur Klärung auszusetzen.

Die Liste der unter rEACH identifizierten SVHC (Substances of Very High Concern) auf der Kandidatenliste wächst langsam, aber stetig. Die damit verbundenen Infor-mationspflichten treffen die Automobilindustrie nicht unvorbereitet. Sie hat schon vor Jahren entsprechende Instrumente und Systeme geschaffen, um ihrer Produktverant-wortung gerecht zu werden, und wird Chemikalien, die zu Besorgnis Anlass geben, soweit möglich, ersetzen, wenn diese auf wissenschaftlicher Basis geprüft und nach dem rEACH-Verfahren als SVHC identifiziert wurden und ein risiko darstellen. Ande-ren, unautorisierten, Listen wird keine Beachtung geschenkt, um die Lieferkette nicht zu verunsichern. Eine Substitution vieler Chemikalien in kurzer Zeit ist bei Produkten mit längeren Lebenszyklen wie Autos oder Flugzeugen ohnehin nicht möglich, da die Ersatzteilversorgung hier eine wichtige rolle spielt.

Nach dem Erdbeben und der durch den nachfolgenden Tsunami ausgelösten reaktorkatastrophe in Japan hatten sich VDA-Gremien mit den Auswirkungen auf die Lieferketten der deutschen Automobilindustrie beschäftigt. Bis zur vollständigen wirksamkeit staatlicher Maßnahmen zum Schutz gegen radioaktive Kontamination vereinbarten die VDA-Gremien eigene stichprobenartige Prüfungen der aus Japan gelieferten Teile entsprechend der modifizierten Kontaminationswerte des Bundes-ministeriums für Umwelt für See- und Luftfracht. Die Zusammenarbeit über die gesamte automobile wertschöpfungskette hat auch im rückblick einwandfrei funk-tioniert und die Lieferfähigkeit der deutschen Automobilindustrie bei gleichzeitiger Sicherung des Arbeitsschutzes sichergestellt.

Inflation bei „besorgniserregenden Chemikalien“

Arbeitsschutz blieb nach den Folgen des reaktorunfalls in Fukushima sichergestellt

Page 151: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 152: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 153: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Antriebstechnik

Christian Henseler – Stahlbauschlosser, Einsatzgebiet Endkontrolle Fahrzeugfertigstellung, Daimler Buses/EvoBus GmbH, Neu-Ulm

Page 154: VDA Jahresbericht 2012 WEB

154A NTr I E B STEC H N I K

Verbrennungsmotoren

Angesichts der Entwicklung alternativer Antriebe darf nicht übersehen werden, dass in der kommenden Dekade der Verbrennungsmotor weiterhin die dominierende Antriebsart im Pkw und Lkw sein wird. Im Jahr 2020 werden ca. 1 Million Elektro-fahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein. Auch wenn das im Vergleich zur gesamten Fahrzeugpopulation ein kleiner Anteil ist, stellt dies keinen widerspruch zur Entwicklung der Elektromobilität dar. Denn auch modernste Fahrzeuge, die rein elek-trisch betrieben werden können, verfügen oftmals über einen zusätzlichen Verbren-nungsmotor als reichweitenverlängerer oder range Extender. Die weitere optimierung des Verbrennungsmotors bleibt daher auch in den kommenden Jahrzehnten eine Kernaufgabe in den Entwicklungsbereichen der deutschen Automobilindustrie.

Fortschritte bei Benziner und DieselDie Statistiken zur Effizienzverbesserung deutscher Automobile sprechen für sich. Einen nicht wesentlichen Anteil daran haben Verbrennungsmotoren mit immer niedri-geren Verbrauchs- und Emissionswerten. Die neueste Generation von ottomotoren mit Hubraum-Downsizing und Hochaufladung, Direkteinspritzung, Stopp-Start-Techno-logie und einem intelligenten Thermomanagement spart gegenüber einem vergleich-baren konventionellen Fahrzeug mit Saugrohr-Einspritz-Motor und ohne Aufladung bereits fast 30 Prozent an Kraftstoff.

Ähnlich sieht die Bilanz beim Diesel aus, wo der direkteinspritzende Diesel mit Turboaufladung bereits als Stand der Technik gilt. Der Diesel der neuesten Generation verfügt über weniger Zylinder und Hubraum, eine Hochdruck-Mehrfacheinspritzung, verkleinerten Hubraum, eine höhere Aufladung, Stopp-Start-Technologie und ein intelligentes Thermomanagement. In der Summe lässt sich gegenüber dem klassi-schen Turbodiesel rund ein Drittel an Kraftstoff einsparen.

Ein zusätzliches Potenzial ergibt sich durch die Hybridisierung. Im Mittel gesehen ist hier eine weitere Kraftstoffeinsparung von rund 15 Prozent möglich.

wLTP – der neue EmissionsmesszyklusSeit Anfang der 90er-Jahre werden mit der Einführung der einheitlichen europäischen Abgasvorschriften die Fahrzeugemissionen auf Basis eines einheitlichen Fahrzyklus (neuer europäischer Fahrzyklus, NEFZ) in Europa bestimmt. Dieser wurde von der EU-Kommission entwickelt, um Verbrauchern und Politik in Europa einen einheitlichen Maßstab zu liefern. Neben der Bestimmung der klassischen Schadstoffemissionen dient der Fahrzyklus auch der Bestimmung der Co2-Emissionen und des Kraftstoff-verbrauchs. Der NEFZ hat sich über viele Jahre als einheitliche, verbindliche Basis für den Vergleich verschiedener Fahrzeuge oder Modellgenerationen bewährt.

Dem NEFZ wurde gelegentlich vorgehalten, er sei nicht mehr repräsentativ für das durchschnittliche Fahrverhalten eines Fahrzeugs oder Fahrers. Daher wird ein neuer Fahrzyklus entwickelt, der das Fahrverhalten moderner Fahrzeuge einschließlich Kraftstoffverbrauch und Emissionen repräsentativ abbilden soll. Unter anderem auf Initiative der Automobilindustrie wurde beschlossen, diese Zyklusüberarbeitung weltweit einheitlich vorzunehmen. Zunächst wurde die Erarbeitung einer globalen technischen regulierung (GTr) beschlossen, die weltweite Fahrdaten berücksichtigen und möglichst weltweit einheitlich angewendet werden soll.

Der Verbrennungsmotor wird noch einige Zeit die dominierende Antriebs-art sein

Die Ersparnis gegenüber älteren Motoren liegt bei 30 Prozent

Der geltende Emissionsmesszyklus hat sich bewährt, gilt aber als nicht mehr repräsentativ für moderne Fahrzeuge

Page 155: VDA Jahresbericht 2012 WEB

155

Aktueller Stand WLTP–Fahrzyklus

60

40

20

80

100

10

5

0

-5

-10

-15

-20

-25

140

120

400 600 800 1.0002000

1.200 1.400 1.600 1.800

Quelle: UNECE

Ges

chw

indi

gkei

t (km

/h)

Bes

chle

unig

ung

(km

/h/s

)

GeschwindigkeitBeschleunigung

Der neue Zyklus mit dem Namen wLTP (worldwide Harmonised Light Duty Test Procedure) wird unter dem Dach der UNECE in Genf erarbeitet. Die deutsche Automobilindustrie unterstützt die Erarbeitung dieses neuen Zyklus. Dieser wird aus weltweit gesammelten Fahrdaten konstruiert. In dem Zyklus stecken Fahrprofile aus Amerika, Europa und Asien einschließlich Indien. Nach einem vorab vereinbarten Schema wurde aus großen Mengen gesammelter realfahrdaten ein Zyklus erstellt, der für ein durchschnittliches weltweites Fahren repräsentativ ist.

Neben dem eigentlichen Fahrprofil soll auch die Messprozedur international vereinheit-licht und auf die aktuelle Fahrzeugtechnik angepasst werden. Dazu gehört eine Vielzahl an Themen, darunter die Frage, bei welcher Temperatur ein Fahrzeug vermessen oder wie der korrekte reifendruck definiert werden soll. Ziel der revidierten Messprozedur ist, die wiederholbarkeit und Konformität des Messverfahrens überall auf der welt zu gewährleisten: Ein gleiches Fahrzeug muss in allen Teilen der welt bei korrekter Befol-gung der Messprozedur zu jedem Zeitpunkt ein gleiches Testergebnis erbringen.

Die Entwicklung des neuen Fahrzyklus ist bis Ende 2014 angesetzt. Danach soll der wLTP in Europa Anwendung finden und nach einer Übergangszeit den heutigen Zyklus ersetzen. Bereits jetzt muss die Einführung des neuen Zyklus geplant werden. So ist damit zu rechnen, dass der neue Zyklus gegenüber dem NEFZ einen Mehrver-brauch aufweisen wird. Dementsprechend müssen alle gesetzlichen oder steuerlichen Zielwerte, Grenzwerte und Vorgaben angepasst werden. Das gilt insbesondere für die bestehenden und anvisierten Co2-Ziele. Keinesfalls darf ein neuer Fahrzyklus als Vorwand für eine stillschweigende Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer dienen.

Die Anpassung von Grenzwerten ist übrigens nichts Neues; so wurde jüngst auch bei der Euro-VI-Gesetzgebung für schwere Nutzfahrzeuge verfahren. Mit dem neuen Grenzwert Euro VI wird der weltweit einheitliche Lkw-Emissionszyklus eingeführt; die Grenzwerte werden entsprechend an den neuen Zyklus angepasst.

Ziel des neuen Zyklus ist die weltweite Einheitlichkeit zu gleichen Testbedin-gungen

Die gesetzlichen Co2-Ziele müssen an den neuen Zyklus angepasst werden

Page 156: VDA Jahresbericht 2012 WEB

156A NTr I E B STEC H N I K

Elektromobilität

Die deutsche Automobilindustrie treibt die Entwicklung der Elektromobilität mit großem Engagement voran. Denn Klimaschutz und knapper werdende fossile Brennstoffe sowie global steigende Bevölkerungszahlen und der damit verbundene zunehmende Mobilitätsbedarf erfordern neue Lösungen und alternative Antriebe. Elektrifizierte Fahrzeuge können einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz und zur Emissionsvermeidung leisten. Deshalb sind sie fester Bestandteil der Fächerstrate-gie der deutschen Hersteller und Zulieferer.

Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) hat sich die deutsche Automobilindustrie auf einen systemischen, marktorien-tierten und technologieoffenen Ansatz verständigt, um sich bis 2020 zum Leitanbieter und Deutschland zu einem Leitmarkt für Elektromobilität zu entwickeln. wie diese Ziele erreicht werden können, wurde im zweiten Bericht der NPE, der im Mai 2011 an die Bundeskanzlerin übergeben wurde, dargelegt. Die Analysen zeigen mittelfristig eine deutliche Kostenlücke von 4.000 bis 9.000 Euro bei den Gesamtnutzungskosten (Total Cost of ownership, TCo) im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen, wodurch eine schnelle Marktdurchdringung erschwert wird. Mit einem intelligenten Maßnah-menmix schaffen wir jetzt die Voraussetzungen, damit Deutschland führend bei der Entwicklung der Elektromobilität werden kann. Dazu zählen der Aufbau von Pilotan-lagen für die Herstellung von Batteriezellen sowie die Schaufensterregionen, in denen die Elektromobilität für die Bürger täglich sichtbar und erlebbar wird. Es werden aber auch staatliche Anreize notwendig sein, um die vor allem aufgrund der noch hohen Batteriepreise bestehende Kostenlücke zu schließen.

Elektrofahrzeuge können einen wich-tigen Beitrag zu Umweltschutz und Emissionsvermeidung leisten

Die IAA 2011 war mit 20.000 Quadratmetern Ausstellungfläche die größte und umfassendste Messe zum gesamten Bereich Elektromobilität.

Page 157: VDA Jahresbericht 2012 WEB

157

Deutschland auf dem weg zu Leitanbieter und LeitmarktIntensive Vorbereitungen für das Zeitalter der Elektromobilität sind angelaufenDrei Phasen kennzeichnen den künftigen weg zur Elektromobilität: In der Phase der Marktvorbereitung bis 2014 stehen die Aus- und weiterbildung sowie die Quali-fizierung von Fach- und Führungspersonal, die Umsetzung der Normungs- und Standardisierungs-roadmap, die Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen sowie die Gestaltung von regionalen Elektromobilitätsschaufenstern im Vordergrund. In der Marktanlaufphase bis 2017 wird der Marktaufbau bei Fahrzeugen und Infrastruktur angestrebt. Bis 2020 wird in der dritten Phase mit tragfähigen Geschäftsmodellen der beginnende Massenmarkt gestaltet.

Die Bundesregierung will bis 2014 1 Mrd. Euro für die Förderung zur Verfügung stellen. Die entsprechenden Ausschreibungen für Förderprogramme sind durch die einzelnen ressorts der Bundesregierung veröffentlicht, die Umsetzung im Einklang mit den Technologie-roadmaps der NPE ist gestartet.

Die deutsche Automobilindustrie investiert umfassend in alternative AntriebeDen Großteil der Anstrengungen zu Erreichung des Etappenziels wird aber durch das privatwirtschaftliche Engagement der Unternehmen getragen. Im Zeitraum 2012 bis 2014 investiert die deutsche Automobilindustrie 10 bis 12 Mrd. Euro in alternative Antriebe. Investitionen und Forschungsaufwendungen für Batterieentwicklung und -fertigung sind ebenso enthalten wie die erforderlichen Mittel, um die Automobil-industrie für neue Geschäftsmöglichkeiten im Energie- und Mobilitätsmarkt fit zu machen. Bei der Mitarbeiterqualifizierung reicht die Bandbreite von den Entwicklern bis zu den Fachkräften in der Produktion, im Service und bei der rettung. Und sie umfasst natürlich im wesentlichen die Anstrengungen der deutschen Automobil-industrie bei der Vorbereitung der Marktanläufe der elektrifizierten Fahrzeuge.

Deutsche Automobilindustrie unterstützt SchaufensterprojekteUm die Produkte und Dienstleistungen in einem deutschen Leitmarkt für Elektromo-bilität frühzeitig zu demonstrieren und die Marktentwicklung zu stimulieren, ist ein wettbewerb der regionen um groß angelegte Schaufenster der Elektromobilität eröff-net. Am 3. April 2012 hat die Bundesregierung entschieden, dass folgende regionen mit insgesamt 180 Mio. Euro gefördert werden:

• Living Lab Bw E-Mobil (Baden-württemberg)

• Internationales Schaufenster der Elektromobilität (Berlin, Brandenburg)

• Unsere Pferdestärken werden elektrisch (Niedersachsen)

• Elektromobilität verbindet (Bayern, Sachsen)

Die Entscheidung beruht auf den Empfehlungen einer 13-köpfigen Fachjury aus wissenschaftlern und Fachverbänden und gibt den Startschuss zur Prüfung und Bewilligung der in den Schaufenstern gebündelten Einzelprojekte. Unsere Mitglieds-unternehmen sind an der Gestaltung der Schaufenster maßgeblich beteiligt.

Eine wichtige Erfolgsvoraussetzung für die Elektromobilität ist eine gemeinsame Kommunikationsstrategie aller Beteiligten zu Chancen, Nutzen und Visionen der Elektromobilität. In diesem Sinne hat der VDA während der IAA Pkw 2011 eine Halle und zwei Fachkongresse gestaltet, die bei Publikum und Medien großen widerhall fanden. Zusätzlich wurde eine Publikation „Elektromobilität“ gestaltet, die umfassend und verständlich das gesamte „Ecosystem“ Elektromobilität darstellt. Die gedruckte Auflage von 4.000 Stück ist bereits vergriffen, die online-Version wurde 2011 mehr als 10.000 Mal aus dem Internet heruntergeladen. wie sich die Elektromobilität in der Marktvorbereitungsphase mit den genannten Akti-vitäten entwickeln wird, wird über ein Monitoring kritisch beobachtet. wird beispiels-weise der Zielkorridor verlassen, kann in weiteren Phasen der NPE mit geeigneten Maßnahmen nachgesteuert werden.

Elektromobilität Eine Alternative zum Öl

E I n M a G a Z I n , h E R a u S G E G E B E n V o M V E R B a n D D E R a u t o M o B I l I n D u S t R I E S t a n D M a I 2 0 1 1

Mobil für die ZukunftSeite 4

Eine Welt im Wandel stellt neue Anforderungen an die Mobilität von morgen. Mehr Verkehr und mehr Klimaschutz müssen gleichzeitig bewältigt werden.

technik vom MondSeite 10

Batterie- und Brennstoffzellensysteme werden in der Automobilherstellung immer wichtiger. Um den Standort Deutschland wett bewerbsfähig zu halten, müssen alle an einem Strang ziehen.

neuer antrieb für die WirtschaftSeite 28

Die Elektromobilität verändert die Automobil-industrie. Die Auswirkungen sind aber auch in anderen Branchen spürbar. Insgesamt kann die Wirtschaft gewinnen, wenn sie sich rechtzeitig auf den Wandel einstellt.

Große Infografi k

zum Thema

Elektromobilität

im Innenteil

Das Magazin „Elektromobilität“ informiert auch online

unter www.elektromobilitaet-vda.de umfassend über die

Alternative zum Öl.

Page 158: VDA Jahresbericht 2012 WEB

158A NTr I E B STEC H N I K

Normung in der ElektromobilitätDie internationale Katalognorm IEC 62196-2 definiert drei Typen von Stecksystemen zum Laden von Elektrofahrzeugen. Die europäische Ausgabe dieser Norm soll für Europa die Festlegung auf nur noch einen Typ vornehmen, um den ungehinderten, grenzüberschreitenden Verkehr mit Elektroautos zu ermöglichen.

Unter Federführung der deutschen Automobilindustrie haben sich die europäischen Fahrzeughersteller frühzeitig auf den Ladestecker „Typ 2“ nach der Norm IEC 62196-2 geeinigt. Ab 2017 wird entweder dieser Stecker oder das sogenannte Combo-System, das sowohl für wechselstrom als auch für Gleichstrom ausgelegt ist, in Elektroautos eingebaut. Die Elektroindustrie in Frankreich und Italien plädiert für den Stecker „Typ 3“ mit mechanischem Berührschutz. Dagegen haben sich Unternehmen und Verbände in Deutschland und weiteren Ländern Europas auf „Typ 2“ geeinigt, der über einen elektronischen Sicherheitsschutz verfügt. Der Vorteil liegt in der geringeren Zahl mechanischer Bauelemente in der Steckverbindung, was den Grad der robustheit erhöht und die Ausfallsicherheit minimiert.

Unter Beteiligung des VDA laufen im Auftrag der Arbeitsgruppe 4, „Normung und Standardisierung“, der Nationalen Plattform Elektromobilität bilaterale Gesprä-che mit Frankreich. Hochrangige Experten der Normung und der Industrie beider Länder streben einen Kompromiss an, der Signalwirkung auf Europa haben kann. Alternativ kann voraussichtlich bis Ende 2012 eine bindende Festlegung durch die EU-Kommission erfolgen.

Experten der Automobilindustrie, der Elektroindustrie und der Energieversorger in Deutschland arbeiten darüber hinaus an der Entwicklung der Normenreihe ISo/IEC 15118 zur Festlegung der Datenkommunikation zwischen dem Elektrofahrzeug und der Ladesäule. Diese Normenreihe beschreibt die vorstellbaren Anwendungsfälle, also zum Beispiel das Management des Ladevorgangs, die Auswahl des Tarifs und des Stromanbieters und den Bezahlvorgang. Sie schreibt das für die Datenübertragung notwendige Übertragungsmedium vor und definiert das dazugehörige Datenübertra-gungsprotokoll.

Unter Federführung der VDA-Mitgliedsunternehmen wurde nach intensiven Unter-suchungen und Verhandlungen die Datenübertragung über den Stromleiter (Power Line Communication, PLC) als europäischer Standard festgelegt. Das dazugehörige Übertragungsprotokoll mit der Bezeichnung „HomePlug Green PHY“ wird ebenfalls als Norm vorgeschrieben. Alternative Protokolle werden allerdings im ersten öffent-lichen Entwurf der Anwendungsnorm, der sogenannte Draft International Standard, noch informativ beschrieben sein. In den USA laufen Arbeiten an einem vergleichba-ren Standard. Für die deutsche Automobilindustrie ist aufgrund ihrer internationalen orientierung eine Harmonisierung beider Projekte von herausragender Bedeutung.

Der im Vergleich zu anderen Konsumgütern lange Produktions- und Lebenszyklus von Fahrzeugen erfordert Klarheit und Stabilität bei der Bereitstellung von Lithium-Ionen-Zellen für Antriebsbatterien. Daher wird, ausgehend von der im Normenausschuss Automobiltechnik des VDA erarbeiteten Vornorm (DIN Spec 91252), derzeit eine internationale Spezifikation für ein Bezeichnungssystem und für Abmessungen von Lithium-Ionen-Zellen erarbeitet. Die geplante Spezifikation (ISo PAS 16898) soll diese Stabilität und darüber hinaus auch die geforderte Ersatzteilversorgung sicherstel-len. Sie gewährleistet auch die Austauschbarkeit der Zellen und so den wettbewerb zwischen den Zellherstellern. Dieser wettbewerb ist seinerseits Voraussetzung für die angestrebte Senkung der Zellpreise. Die Spezifikation trifft keine Festlegungen, die die technologische Entwicklung des Zelldesigns und der Zellchemie beeinflussen. Sie signalisiert aber, welche Zellabmessungen künftig langfristig und in größeren Stück-zahlen von der Automobilindustrie genutzt werden.

Verschiedene Länder arbeiten an einem einheitlichen Ladestecker für Europa

Experten legen Datenkommunikation zum Laden von Elektrofahrzeugen fest

Festlegung der Abmessungen von Lithium-Ionen-Batteriezellen für mehr wettbewerb

Page 159: VDA Jahresbericht 2012 WEB

159

Die Brennstoffzelle

Die Brennstoffzelle als nachhaltige alternative Antriebsform zum konventionellen Verbrennungsmotor fügt sich nahtlos in die Elektromobilitätsstrategie der deutschen Automobilindustrie ein. Die Brennstoffzelle in Kombination mit dem wasserstoffspei-cher stellt eine hervorragende und auch im Vergleich zur Batterie eine hochener-getische Antriebsquelle dar, die über einen elektrischen Antrieb im Fahrzeug voll alltagstauglich ist. Mit der kommenden Generation von Brennstoffzellen wird der Antrieb kompakt und leicht genug für den Einsatz in der Großserie sein: Die neueste Version der Brennstoffzelle ist 40 Prozent kleiner und 20 Prozent sparsamer als die zuvor eingesetzte Technik.

Die Brennstoffzelle ist wie der reine Elektroantrieb über Batterie hocheffizient und vollkommen emissionsfrei. Sie hat einen dem Verbrennungsmotor überlegenen wirkungsgrad und nutzt die im wasserstoff verfügbare Energie sehr effizient. In der Gesamtbetrachtung ist auch die Effizienz bei der wasserstoffproduktion zu berück-sichtigen. Besondere Chancen bietet hier die Produktion von regenerativem wasser-stoff aus erneuerbaren Energien wie etwa überschüssiger windkraft. Mit der Brennstoffzelle sind reichweiten vergleichbar einem heutigen Benziner möglich. Das Nachtanken geht ebenfalls zügig, sodass ein Brennstoffzellenfahrzeug heute die Flexibilität und den Komfort eines konventionell angetriebenen Fahrzeugs bietet.

Die Brennstoffzellentechnologie mit wasserstoff (H2) ist serienreif – das nächste Ziel ist der Aufbau einer H2-Tankstelleninfrastruktur. Dies stellt eine organisatorische und ökonomische Herausforderung dar, denn am Ende wird auch der Preis des wasser-stoffs an der Tankstelle zusammen mit den noch notwendigen Anlaufinvestitionen für den wasserstoffantrieb über den Markterfolg der wasserstofftechnologie entscheiden. Mit sieben derzeit in Deutschland öffentlichen H2-Tankstellen ist ein Anfang gemacht. Bislang ist damit jedoch nur in den Zentren der Clean-Energy-Partnerships der betei-ligten Unternehmen in Berlin und Hamburg eine ausreichende Infrastruktur gegeben. Für einen langfristigen Erfolg sind bundesweit rund 1.000 Tankstellen notwendig.

Der Brennstoffzellenantrieb ist technologisch großserientauglich geworden

Notwendige Tankstelleninfrastruktur muss noch aufgebaut werden

Page 160: VDA Jahresbericht 2012 WEB

160A NTr I E B STEC H N I K

Geräuschemissionen

Zwischen 1970 und 1995 haben die Automobilhersteller die Geräuschemissionen von Fahrzeugen signifikant reduziert: Sie wurden bei neuen Fahrzeugen um 8 dB abgesenkt. Dabei ist zu beachten, dass 3 Dezibel weniger einer Halbierung der Lautstärke entsprechen. Und auch ohne neue Grenzwertverschärfungen hat die deutsche Automobilindustrie in den Folgejahren das Geräuschniveau ihrer Fahrzeuge weiter gesenkt. Dies geschah auf Basis der bislang gültigen Messmethode, die im Prinzip einer Volllastbeschleunigung bei 50 km/h entspricht. Mit dem Vorschlag der EU-Kommission für eine regulierung der Fahrzeuggeräuschemissionen wird nun ein neues Geräuschmessverfahren eingeführt, das ein typisches urbanes Fahrverhalten besser abdeckt und damit in Zukunft zu einer weiteren Geräuschreduzierung führen wird. Die deutsche Automobilindustrie unterstützt die Einführung dieser neuen Mess-methode in vollem Umfang.

Für unterschiedliche Fahrzeugklassen, angefangen beim konventionellen Pkw über Busse bis hin zum schweren Nutzfahrzeug, werden individuelle Grenzwerte vorge-schlagen. Die von der Kommission vorgeschlagenen Fahrzeugklassen sind allerdings mehr als 25 Jahre alt und gehen an der realität vorbei. Teilweise werden Fahrzeug-klassen definiert, die heute im Markt nicht mehr existent sind.

Die einzelnen Fahrzeugklassen sollten technisch eigenständigen Fahrzeuggruppen entsprechen und sich von anderen Fahrzeuggruppen abgrenzen; so ist beispielsweise eine Unterscheidung zwischen reisebussen und Citybussen oder zwischen konventi-onellen Pkw und Sportwagen sinnvoll und notwendig. Mit dieser Unterteilung ist eine ambitionierte Grenzwertdefinition möglich, mit der auf die spezifischen Einschränkun-gen der einzelnen Fahrzeugklassen rücksicht genommen werden kann. So kann eine höhere Geräuschreduzierung erzielt werden, da sonst ein höherer Einheitsgrenzwert für eine Vielzahl von Fahrzeuggruppen gelten würde. Doch die notwendige Vorarbeit einer sinnvollen Unterteilung in Fahrzeuguntergruppen ist in dem Kommissions-vorschlag unterblieben. Die deutsche Automobilindustrie fordert daher zunächst eine technisch fundierte revision der Fahrzeugklassen und eine darauf basierende individuelle Grenzwertfestlegung.

Die deutsche Automobilindustrie trägt prinzipiell den Schritt mit, die zulässigen Geräuschgrenzwerte von Fahrzeugen zu senken. Dabei sind der Nutzen sowie die technischen Möglichkeiten und randbedingungen zu berücksichtigen. Die Kommis-sion schlägt in ihrem Entwurf eine faktische Senkung des Geräuschgrenzwerts um 2 dB innerhalb von zwei Jahren und die Senkung um weitere 2 dB nach nochmals drei Jahren vor. Diese scharfe Grenzwertsenkung innerhalb eines so kurzen Zeitraums ignoriert die in der Automobilindustrie notwendigen Entwicklungs- und Produktions-zyklen. Eine derartige Grenzwertabsenkung bedarf eines entsprechenden zeitlichen Vorlaufs und wird daher von der Automobilindustrie abgelehnt.

Beim wechsel auf das neue Geräuschmessverfahren ergeben sich beim gleichen Fahrzeug unter Umständen nominell andere Geräuschmesswerte. Dies hat zur Folge, dass die bestehenden Grenzwerte nicht ohne weiteres auf das neue Messverfahren übertragen werden können. In diesem wissen hatte die EU-Kommission eine zwei-jährige Vergleichsphase zwischen altem und neuem Verfahren eingeleitet. Die daraus entstandene Datenbank soll die Bestimmung eines Äquivalenzgrenzwertniveaus gewährleisten. Im neuen Messverfahren ergeben sich damit nominell teils niedrigere Geräuschmesswerte, beispielsweise bei Sportwagen, teils aber auch höhere werte, etwa bei schweren Lkw.

Die Automobilhersteller unterstützen weitere Maßnahmen zur Geräusch-reduzierung

Eine technisch fundierte Definition von Fahrzeugklassen muss die Basis neuer Geräuschgrenzwerte sein

Die Senkung von Geräuschgrenzwerten muss den Entwicklungsprozess der Fahrzeuge berücksichtigen

Beim wechsel des Messverfahrens sind alte und neue Grenzwerte nicht mehr vergleichbar

Page 161: VDA Jahresbericht 2012 WEB

161

Neben dem Vorschlag der Kommission existiert ein Vorschlag der Bundesregierung für zukünftige Fahrzeugklassen und Grenzwerte. Dieser leitet sich aus der Lärm-minderungsstrategie der deutschen Bundesregierung ab. Der Vorschlag sieht eine Verringerung der Lärmbelastung um 35 Prozent bis zum Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 2009 vor. Die Maßnahmen zur Umsetzung dieser Lärmminderungsstrategie sind:

• Senkung des Fahrzeugemissionsniveaus um 3 dB

• Senkung der reifengeräusche um 3 dB

• Förderung der Elektromobilität

Die deutsche Automobilindustrie trägt diese Strategie prinzipiell mit und stellt sich den fahrzeugtechnischen Herausforderungen. Mit dem Zeithorizont 2020 ist bei einer klaren Zielvorgabe ein ausreichender Entwicklungs- und Produktionsvorlauf gewährt. Dieser ebenfalls auf dem neuen Messverfahren basierende deutsche Grenzwert-vorschlag berücksichtigt den vollzogenen wandel des Fahrzeugmarktes, indem die betrachteten Fahrzeugklassen den heutigen technischen Gegebenheiten weitgehend angepasst wurden.

Auf Basis dieser Fahrzeugklassen hat die Bundesregierung Äquivalenzgrenzwerte definiert, die eine schnelle Einführung des Verfahrens erlauben und die erste Stufe der Grenzwertvorschläge darstellen. Lediglich rund 10 Prozent der aktuellen Fahr-zeugproduktion würden den von Deutschland vorgeschlagenen Äquivalenzwert noch überschreiten und müssten daher technisch überarbeitet werden. In einem dritten Schritt werden verschärfte Grenzwertvorschläge gemacht. Ausgehend vom Äquiva-lenzniveau werden die Grenzwerte sukzessive gesenkt. Für die einzelnen Fahrzeug-klassen sind je nach Lebenszyklen unterschiedliche Einsatzdaten vorgesehen.

Die Automobilindustrie begrüßt das systematische Entwickeln von Grenzwertsätzen auf Basis neu definierter und technisch begründeter Fahrzeuggruppen sowie die Definition eines Äquivalenzniveaus, auf dessen Basis das neue Messverfahren schnell eingeführt werden kann. In kürzester Zeit müsste jedoch ein Zehntel der laufenden Produktion technisch angepasst werden. Dies stellt eine starke Belastung dar.

Die weiteren Grenzwertvorschläge sind sehr anspruchsvoll. Der zeitliche Vorlauf dafür ist zwar gegeben, teilweise jedoch in unangemessen kurzen Zeiträumen. In Summe hält die deutsche Automobilindustrie den deutschen Grenzwertvorschlag jedoch für deutlich fundierter und technisch ausgewogener als den Vorschlag der Europäischen Kommission.

Die Verringerung der Lärmbelastung bedarf eines umfassenden Maßnahmenpakets, das die Senkung der Primäremissionen einschließt. Dazu sind aber flankierende Maßnahmen notwendig. Dazu gehören zum Beispiel:

• Intelligente Verkehrssteuerung und Verstetigung des Verkehrs

• Lärmarme moderne Straßenbeläge zur reduzierung des reifen-Fahrbahn-Geräuschs

• Passive Maßnahmen wie Schallschutzwände und Schallschutzfenster

• Im Bahn- und Schienennahverkehr: „leise“ Schienen

• Förderung der Elektromobilität

• Überwachung des ordnungsgemäßen Fahrzeugzustands

• Kontrolle von illegalen Auspuffanlagen

Nur durch eine Kombination aller Lärmminderungsmöglichkeiten kann das Geräuschniveau auch an verkehrsbelasteten Punkten deutlich reduziert werden.

Die Bundesregierung schlägt einen Stufenplan zur Senkung der Geräusche vor

Effiziente Geräuschreduzierung an der Straße ist eine gemeinschaftliche Aufgabe

Page 162: VDA Jahresbericht 2012 WEB

162A NTr I E B STEC H N I K

Nachwuchsförderung und VDA Design AwardIngenieure sind gefragte akademische Fachkräfte. Die Chancen auf einen interessanten Arbeitsplatz sowie die Karrieremöglichkeiten in der Industrie sind hervorragend. Dennoch nimmt der Ingenieurmangel weiter zu, auch in der Automobilindustrie. Der VDA veranstaltet daher gemeinsam mit den Mitglieds-unternehmen sowie Universitäten und Hochschulen die Programme „GoING“ und „workING“ für den Ingenieurnachwuchs im rahmen der IAA in Frankfurt und Hannover. Zielgruppe von GoING sind Schülerinnen und Schüler der gymnasialen oberstufe – bundesweit. Vorträge aus der Unternehmenspraxis und dem Studium beschreiben die spannende Arbeit der Automobilentwicklung und schlagen die Brücke zwischen Studium und Beruf. Darüber hinaus nehmen die Schulen an Standführungen bei den beteiligten Unternehmen teil. GoING findet 2012 zum sechsten Mal in Folge statt.

Bei workING zeigen Ingenieurinnen und Ingenieure aus den Mitgliedsunter-nehmen Studierenden mit Vorträgen Perspektiven in der Automobilindustrie auf und fördern so die Faszination für Technik. workING findet 2012 zum dritten Mal statt. Die beteiligten Unternehmen sind für die Gestaltung der Vorträge verantwortlich.

„Zukunft serienmäßig“ war das Motto der 64. IAA Pkw 2011. Dieses Motto war zugleich auch die Aufgabenstellung des 5. VDA Design Awards, der auf der IAA erneut in Kooperation mit dem rat für Formgebung ausgelobt wurde. Der weltweit ausgeschriebene Preis gab den Designstudenten die Aufgabe, sich visionär mit den Themen Mobilität und Individualverkehr auseinanderzusetzen. Bei der Jury, den Chefdesignern der Pkw-Hersteller im VDA, konnten sich drei Studenten mit ihren Arbeiten durchsetzen. Mit Preisträgern aus China, Japan und Deutschland ist der VDA Design Award in der Tat international.

Page 163: VDA Jahresbericht 2012 WEB

163

Die Kampagne „Innovation der Woche“

Die Herausforderungen für die Automobilbranche sind groß, die Innovationskraft dieser Industrie ist größer: Eine Kampagne der Initiative „Unsere Autos“ führte als Countdown zur IAA Pkw 2011 knapp fünf Monate lang Beispiele vor Augen, welche Ideen die deut-sche Automobilindustrie als „Patentmeister“ gerade entwickelt. 18 wochen lang wurde ab Mai eine „Innovation der woche“ sowohl auf unsere-autos.de als auch in Koopera-tion mit ZEIT.de vorgestellt. Diese Kampagne von Herstellern und Zulieferern zeigte in kurzen, prägnanten Bildartikeln auf, mit welchen neuen Lösungen der Ingenieurkunst die Automobilindustrie den Herausforderungen rund um Mobilität begegnet und das Auto noch sicherer, effizienter und komfortabler machen wird.

Die Kampagne zur IAA Pkw zeigte im Internet Beispiele für noch sicherere und effizientere Fahrzeuge

Page 164: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 165: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Fahrzeugsicherheit

Corinna Morbach – Industriemechanikerin, Monteurin im Versuch, ZF Lenksysteme GmbH, Schwäbisch Gmünd

Page 166: VDA Jahresbericht 2012 WEB

166FA H r Z E U G S I C H E r H E IT

Fahrerassistenzsysteme

Die Sicherheit im Straßenverkehr ist für die Automobilindustrie ein besonderes Anliegen. Häufigste Unfallursache ist nach Angaben des Statistischen Bundesam-tes mit über 90 Prozent menschliches Fehlverhalten. In der Vergangenheit lag ein besonderer Schwerpunkt in der Entwicklung passiver Sicherheitstechnologien wie Sicherheitsfahrgastzellen oder rückhaltesysteme (Gurte, Airbags), um die Insassen bei einem Unfall größtmöglich zu schützen. Die Erfolge zeigten sich an den seit den 1970er-Jahren in Deutschland drastisch gesunkenen Verkehrsopferzahlen.

Das primäre Ziel, Unfälle ganz zu vermeiden, führte zur Entwicklung von Fahrerassis-tenzsystemen wie Anti-Blockier-System (ABS), Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP), Abstandsregeltempomat und Notbremsassistent. Der Fahrer wird darüber hinaus mithilfe von innovativen Technologien rechtzeitig über drohende Gefahrensitu-ationen informiert und so in die Lage versetzt, frühzeitig zu reagieren, um einen Unfall zu vermeiden. Fahrerassistenzsysteme wie aktive Geschwindigkeitsregelungen, Spur-halteassistenten sowie eine Vielzahl an Umfeldsensoren zur Erfassung der näheren und weiteren Umgebung entlasten den Fahrer und wahren so dessen gute physische und psychische Verfassung.

Deutsche Automobilhersteller sind weltweit führend beim Einbau derartiger Systeme und begrüßen den Schritt, dass ab 2014 der Einbau von elektronischen Fahrstabilitäts-regelsystemen (ESP) für alle Neufahrzeuge in der EU gesetzlich vorgeschrieben ist und sukzessive ab 2015 Spurhalte- und voraussichtlich ab Ende 2016 Notbremsassistenten für neu zugelassene Busse und Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen vorgeschrieben werden.

Aktive und passive Sicherheitssyste-me werden zunehmend miteinander vernetzt

Deutsche Hersteller sind führend bei Fahrerassistenzsystemen

Page 167: VDA Jahresbericht 2012 WEB

167

Die Vernetzung von Systemen untereinander bietet ein noch größeres Potenzial, Unfälle zu vermeiden, indem der Fahrer im komplexen regelkreis Fahrer-Fahrzeug-Straße entlastet wird. Die Vernetzung von Fahrerassistenz und von aktiver Sicherheit optimiert den Insassenschutz bereits vor eventuellen Notsituationen. reversible Gurt-straffer und elektrisch verstellbare Sitze und Kopfstützen positionieren den Fahrer in der für den Airbag wirkungsvollsten Position bei einer bevorstehenden Kollision.

Auch durch die Vernetzung der Fahrzeuge untereinander mit der Infrastruktur wie im Forschungsprojekt simTD werden weitere Potenziale zur Unfallvermeidung und Unfall-folgenminderung gehoben.

Die Erhöhung der Sicherheit aller Teilnehmer im Straßenverkehr ist eines der vorran-gigen Ziele der Automobilindustrie. Von ihr sind daher auch die Impulse zur Einfüh-rung von Fahrerassistenzsystemen für Pkw und Nutzfahrzeuge ausgegangen. Neben Systemen zur Spurhaltung und Spurverlassenswarnung sieht der VDA in automati-schen Notbremssystemen großes Potenzial zur Verringerung von Unfallfolgen oder zur Vermeidung von Unfällen. Teilweise kommen derartige Systeme bereits heute schon in Pkw und Nutzfahrzeugen bzw. Bussen zum Einsatz.

Notbremsassistenzsysteme überwachen das Fahrzeugumfeld und beurteilen anhand der Sensorinformationen eine drohende Kollisionsgefahr. wenn der Fahrer keine Akti-vität zeigt, wird dieser in verschiedenen Stufen optisch, haptisch oder visuell gewarnt und je nach Systemauslegung und Entfernung wird zum Ziel eine Teil- oder Vollbrem-sung durchgeführt. So ist heute für Pkw eine Vielzahl an radar- oder lasergestützten Kollisionswarnsystemen oder Notbremssystemen unterschiedlichster Ausprägung erhältlich. Es gibt Systeme zur Unfallvermeidung oder Unfallfolgenminderung sowie Systeme mit Stop-and-Go-Funktion.

Die EU hat am 13. Juli 2009 mit der Allgemeinen Sicherheitsverordnung (EG) Nr. 661/2009 diesen Gedanken aufgegriffen, indem sie die Ausrüstung mit innovati-ven Sicherheitssystemen zur Pflicht macht. Neben ESP für alle Fahrzeugkategorien, reifendruckkontrollsystemen für Pkw und den Vorschriften für reifen wurden auch regelungen für das Notbremssystem (Advanced Emergency Braking System, AEBS) und das Spurhaltewarnsystem (Lane Departure warning System, LDwS) für Nutzfahr-zeuge ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen festgelegt.

Das automatische Notbremssystem hat großes Potenzial für die Unfallvermei-dung

Page 168: VDA Jahresbericht 2012 WEB

168FA H r Z E U G S I C H E r H E IT

Der bisherige EU-Entwurf beschreibt die Mindestanforderungen für AEBS ausge-hend von vorausgehenden, verschiedenartigen Fahrerwarnungen mit nachfolgender Notbremsung, letztere mit einer Verzögerung von mindestens 4 m/s2. weiterhin wird gefordert, das AEBS so robust auszulegen, dass sowohl ungerechtfertigte Kollisionswar-nungen als auch unerwünschte Bremsungen unterbleiben.

Seitens der EU wurde die informelle UNECE-Arbeitsgruppe GrrF (Groupe de rappor-teurs en Matière de roulement et de Freinage) beauftragt, die für die Umsetzung der Allgemeinen Sicherheitsverordnung notwendigen technischen rahmenbedingungen für Notbrems- und Spurhaltesysteme in Form von ECE-regelungen zu entwickeln. Die Arbeiten hieran sind weitgehend abgeschlossen und von den Experten der Mitglieds-staaten angenommen. Die neuen Systeme sind nicht nur für neue Modelle verbindlich, sondern mit einer Übergangszeit auch für Neufahrzeuge bereits bestehender Modelle.

Die Installation und die Vernetzung der Zusatzsensorik erfordern einen intensiven Entwicklungsaufwand. Dies betrifft die Erfassung und Beurteilung der Fahreraktivitäten, des Fahrzeugzustands, der Fahrzeugdynamik und der Fahrzeugreaktionen. Notwendig ist zudem die Einbindung in die gesamte Fahrzeuginfrastruktur und die Abstimmung auf die einzelnen Fahrzeugtypen. Für die Umsetzung in die Serienproduktion sind ausrei-chende Übergangsfristen nötig, um sicherzustellen, dass sichere Produkte in den Markt gebracht werden können.

Dies hat dazu geführt, dass Einführungsdaten zunächst für diejenigen Fahrzeuge festgelegt werden konnten, für die Systeme bereits verfügbar oder in der Entwicklung sind. So sollen für Nutzfahrzeuge der Kategorie M2 oder M3 die Anforderungen durch Fortführung der Arbeiten in der UNECE bis Ende 2014 definiert werden. Die verbindli-chen Einführungsdaten sind für die verschiedenen Fahrzeugklassen in unten stehender Tabelle dargestellt.

Der Zeitplan zur Einführung der Assistenzsysteme steht fest

Fahrzeugkategorie (Bremssysteme/Hinterachsfederungen) Einführungsfrist

M2, alle Bremssysteme und Hinterachsfederungen Neue Fahrzeugtypen ab 11/2016, neue Fahrzeuge ab 11/2018

M2 mit hydraulischer Übertragungseinrichtung Anforderungen durch die EK bis 31.12.2014 zu erstellen

M3 mit hydraulischer Übertragungseinrichtung Anforderungen durch die EK bis 31.12.2014 zu erstellen

M3 mit pneumatischer Signal- und hydraulischer Energie-Übertragungseinrichtung und allen Hinterachsfederungen

Neue Fahrzeugtypen ab 11/2016, neue Fahrzeuge ab 11/2018

M3 mit pneumatischer Übertragungseinrichtung und allen Hinterachsfederungen Neue Fahrzeugtypen ab 11/2016, neue Fahrzeuge ab 11/2018

M3 mit pneumatischer Signal- und hydraulischer Energie-Übertragungseinrichtung und pneumatischer Hinterachsfederung

Neue Fahrzeugtypen ab 11/2013, neue Fahrzeuge ab 11/2015

M3 mit pneumatischer Übertragungseinrichtung und pneumatischer Hinterachsfederung

Neue Fahrzeugtypen ab 11/2013, neue Fahrzeuge ab 11/2015

N2, alle Bremssysteme und Hinterachsfederungen Neue Fahrzeugtypen ab 11/2016, neue Fahrzeuge ab 11/2018

N2 kleinergleich 8 Tonnen mit hydr. Betriebsbremsanlage Anforderungen durch die EK bis 31.12.2014 zu erstellen

N2 mehr als 8 Tonnen mit pneumatischer Signal- und hydraulischer Energie-Übertragungseinrichtung und pneumatischer Hinterachsfederung

Neue Fahrzeugtypen ab 11/2013, neue Fahrzeuge ab 11/2015

N2 mehr als 8 Tonnen mit pneumatischer Übertragungseinrichtung und pneumatischer Hinterachsfederung

Neue Fahrzeugtypen ab 11/2013, neue Fahrzeuge ab 11/2015

N3, alle Bremssysteme und Hinterachsfederungen Neue Fahrzeugtypen ab 11/2016, neue Fahrzeuge ab 11/2018

N3 mit pneumatischer Signal- und hydraulischer Energie-Übertragungseinrichtung und pneumatischer Hinterachsfederung

Neue Fahrzeugtypen ab 11/2013, neue Fahrzeuge ab 11/2015

N3 mit pneumatischer Übertragungseinrichtungund pneumatischer Hinterachsfederung

Neue Fahrzeugtypen ab 11/2013, neue Fahrzeuge ab 11/2015

Einführungsfristen AEBS für Nutzfahrzeuge

Quelle: VDA

Page 169: VDA Jahresbericht 2012 WEB

169

Die folgenden Fahrzeuge sind von der Einführung von AEBS und LDwS ausgenommen:

• Geländefahrzeuge gemäß §§ 4.2, 4.3 2007/46/EC, Anhang III, Sektion A

• Spezialfahrzeuge §§ 5.7, 5.8 2007/46/EC, Anhang III, Sektion A

• M2, M3, N2, N3 mit mehr als drei Achsen

• N2-Zugmaschinen mit einem zGG zwischen 3,5 Tonnen und 8 Tonnen

• M2, Klasse I oder Klasse II oder Klasse A

• M3, Klasse I oder Klasse II oder Klasse A oder Gelenkbus

Um Unfälle zu vermeiden, wird jedoch auch in Zukunft der Mensch die entscheidende rolle spielen: Ein ausgeruhter und konzentrierter Fahrer, der dem Führen eines Kraft-fahrzeugs ungestört nachkommen kann, wird besser als jedes automatische System die Gefahren einer Kollision einschätzen und vermeiden können.

Fahrzeugkategorie (Bremssysteme/Hinterachsfederungen) Einführungsfrist

M2, nicht Klasse I, II oder A Neue Fahrzeugtypen ab 11/2013, neue Fahrzeuge ab 11/2015

M3, nicht Klasse I, II, A oder Gelenkbus Neue Fahrzeugtypen ab 11/2013, neue Fahrzeuge ab 11/2015

N2 Neue Fahrzeugtypen ab 11/2013, neue Fahrzeuge ab 11/2016

N3 Neue Fahrzeugtypen ab 11/2013, neue Fahrzeuge ab 11/2017

M3 mit pneumatischer Übertragungseinrichtungund allen Hinterachsfederungen

Neue Fahrzeugtypen ab 11/2016, neue Fahrzeuge ab 11/2018

Quelle: VDA

Einführungsfristen LDWS für Nutzfahrzeuge

Page 170: VDA Jahresbericht 2012 WEB

170FA H r Z E U G S I C H E r H E IT

Intelligente Mobilität

simTD: „Sichere Intelligente Mobilität – Testfeld Deutschland“Im oktober 2011 präsentierte das Projektkonsortium simTD („Sichere Intelligente Mobilität – Testfeld Deutschland“) der Öffentlichkeit erstmalig das im Forschungspro-jekt entwickelte System zur Car-to-X-Kommunikation (Fahrzeug-zu-Fahrzeug- und Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation). Das weltweit größte Forschungsprojekt seiner Art mit 18 Projektpartnern stellte dabei ausgewählte Funktionen des zukünfti-gen Feldversuchs auf dem Testgelände in Friedberg (Hessen) vor. Die simTD-Projekt-partner demonstrierten folgende, auf dem Austausch von Car-to-X-Informationen beruhende Funktionen:

• Baustelleninformation

• warnung vor Hindernissen

• warnung vor Einsatzfahrzeugen

• Verkehrszeichenassistent

• Ampelphasenassistent

• Lokale verkehrsabhängige Lichtsignalanlagensteuerung

• Elektronisches Bremslicht

• Standortinformationsdienste

• Straßenwetterwarnung

Präsentiert wurde auch das simTD-Simulationslabor mit Fahr- und Verkehrssimulation. Ergänzend zum Feldversuch wird hier die wirkung der Car-to-X-Technologie unter kontrollierten rahmenbedingungen geprüft.

Aktuell stehen der Aufbau der straßenseitigen Kommunikationseinrichtungen, der benötigten Versuchsinfrastruktur sowie die Ausrüstung der 120 Fahrzeuge umfas-senden Versuchsflotte an. Ab Sommer 2012 wird die Versuchsflotte im realen Straßenverkehr in und um Frankfurt am Main die Alltagstauglichkeit der Car-to-X-Kommunikation unter Beweis stellen. Dort befinden sich alle für die Übertragbarkeit auf andere regionen relevanten Straßenkategorien wie Autobahnen, Bundes-, Land- und Stadtstraßen. Als wichtige Verkehrsdrehscheibe mit bedeutenden Verkehrserzeu-gern wie interkontinentalem Flughafen, Schienenverkehrsknotenpunkt, Messe und verschiedenen Sportstätten verfügt das rhein-Main-Gebiet über ein hohes Verkehrs-aufkommen, das die in simTD zu erforschenden Verkehrssicherheits- und Verkehrs-effizienzfunktionen im normalen Alltagsbetrieb überprüfbar macht. Außerdem verfügt die Modellregion bereits heute über eine umfassende Infrastrukturausrüstung von Verkehrserfassungs- und Verkehrssteuerungsanlagen.

Diese Arbeit wurde im rahmen des Projekts simTD durch die Bundesministerien für wirtschaft und Technologie (BMwi) und Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) unterstützt.

Präsentation des weltweit größten Projekts seiner Art zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit

Page 171: VDA Jahresbericht 2012 WEB

171

Die Norm „Funktionale Sicherheit“ Um Gefährdungen zu minimieren, die durch Fehlfunktionen der elektrischen und elektronischen Systeme (E/E-Systeme) in Kraftfahrzeugen verursacht werden können, wurde die internationale Normenreihe ISo 26262 „Straßenfahr-zeuge – Funktionale Sicherheit“ ausgearbeitet und Ende 2011 veröffentlicht. Der vom VDA getragene Normenausschuss „Automobiltechnik“ hatte den Entwick-lungsprozess auf internationaler Ebene koordiniert.

Der Anteil und die Komplexität dieser Systeme in Pkw nehmen kontinuierlich zu; ein Beispiel dafür sind Fahrerassistenzsysteme. Die Norm trägt dazu bei, das bisherige hohe Sicherheitsniveau von Fahrzeugen auch bei verstärktem Einsatz von Elektronik zu gewährleisten. Für die Hersteller und Zulieferer werden bei Einhaltung der Norm die risiken aus potenziellen Produkthaftungsfällen begrenzt.

Die ISo 26262 ist die automobilspezifische Adaption der DIN EN 61508 „Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer/elektronischer/programmierbarer elektronischer Systeme“ an die speziellen Anforderungen der Automobilindustrie. Insbesondere der Sicherheitslebenszyklus und die Metho-den zur Ermittlung der Sicherheitsziele wurden an die hohen Anforderungen der Automobilindustrie angepasst und es wurden dafür spezielle Sicherheits-anforderungsklassen (Automotive Safety Integrity Level, ASIL) definiert. Die Normenreihe umfasst alle Aktivitäten zur Entwicklung sicherheitsrelevanter E/E-Systeme – von Konzeptionierung, Entwicklung, Produktion und Betrieb bis hin zu Serviceprozessen.

ESPDas Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) unterstützt den Fahrer in Grenzbereichen der Fahrstabilität, in denen das Fahrzeug durch den Fahrer nicht mehr sicher zu beherrschen ist. Durch Motoreingriffe oder das selektive Abbremsen einzelner räder baut das Fahrzeug Gegenmomente zum Schleu-dern auf und erhöht damit signifikant die Fahrsicherheit. ESP trägt dazu bei, das Fahrzeug bei doppeltem Spurwechsel oder beim Bremsen in Kurven auf dem Fahrstreifen zu halten.

Seit dem 1. November 2011 ist ESP in der Europäischen Union für alle neuen Fahrzeugtypen und ab dem 1. November 2014 für sämtliche Neufahrzeuge vorgeschrieben. Der VDA begrüßt die verbindliche Einführung von ESP, weil dadurch ein wichtiger Beitrag zu noch mehr Verkehrssicherheit geleistet wird. Bereits heute sind rund 80 Prozent aller neu zugelassenen Pkw in Deutschland mit ESP ausgestattet. Mehr als 90 Prozent aller Pkw-Varianten der deutschen Marken werden serienmäßig und damit ohne Aufpreis mit ESP ausgerüstet.

Page 172: VDA Jahresbericht 2012 WEB

172FA H r Z E U G S I C H E r H E IT

Europäische Normung zur Schaffung intelligen-ter VerkehrssystemeUm der Zunahme des Straßenverkehrs effektiver begegnen zu können, hat die Europä-ische Union mit der richtlinie 2010/40/EU zur Einführung intelligenter Verkehrssysteme (Intelligent Transport Systems, ITS) einen weiteren rahmen geschaffen, Verkehrsträgern innovative Dienste zur regelung von Verkehrsflüssen an die Hand zu geben.

Im Zentrum der Entwicklung stehen sogenannte kooperative ITS oder kooperative Systeme. Ihre Anwendungsmöglichkeiten liegen vorrangig im Bereich der Verkehrs-flusssteuerung oder der Erhöhung der Verkehrssicherheit. Beispiele dafür sind Gefahrenwarnsysteme, Hindernis- und Stauerkennung, Kreuzungsassistent oder dynamisches „Park & ride“. Dabei bedienen sich kooperative Systeme der Car-to-X-Kommunikation oder festen ITS-Stationen auf wLAN-Basis im 5,9 GHz- Frequenz-bandbereich (IEEE 802.11P).

Kooperative ITS sind Teil von übergeordneten ITS, die mit ITS-Stationen Informationen austauschen und der Verbesserung der Sicherheit, der Effizienz sowie des Komforts im Straßenverkehr dienen. Ein kooperatives ITS umfasst dabei die folgenden Merkmale:

• Informationsaustausch zwischen ITS-Stationen

• Informationsaustausch zwischen Anwendungen innerhalb einer ITS-Station

• Nutzung gemeinsamer ressourcen innerhalb einer ITS-Station

• Unterstützung verschiedener Anwendungen

Kommunikation von Fahrzeugen untereinander soll Verkehrsfluss künftig effizienter steuern

Beispiele für ITS-Stationen

Quelle: ISO 21217

CommunicationNetwork

Personal ITS Station Central ITS Station

Vehicle ITS Station Roadside ITS Station

Applications

Facilities

Access

Secu

rity

Man

agem

ent

Traffic Centre/Service Centre

LoopDetector

Networking &Transport

Applications

Facilities

Access

Secu

rity

Man

agem

ent

Networking &Transport

Vehicle Host

Applications

Facilities

Access

Secu

rity

Man

agem

ent

Networking &Transport

Central Host

Facilities

Access

Secu

rity

Man

agem

ent

Networking &Transport

Vehicle Gateway

Facilities

Access

Secu

rity

Man

agem

ent

Networking &Transport

Central Gateway

Mobile Router

Secu

rity

Man

agem

ent

Access

Networking &Transport

Border router

Secu

rity

Man

agem

ent

Access

Networking &Transport

Applications

Facilities

Access

Secu

rity

Man

agem

ent

Networking &Transport

Roadside Host

Facilities

Access

Secu

rity

Man

agem

ent

Networking &Transport

Roadside Gateway

Border Router

Secu

rity

Man

agem

ent

Access

Networking &Transport

Border router

Secu

rity

Man

agem

ent

Access

Networking &Transport

ECU

ECU

Page 173: VDA Jahresbericht 2012 WEB

173

Die Normung für kooperative Systeme fi ndet auf internationaler Ebene in verschiede-nen Standardisierungsorganisationen statt. Grund dafür ist die individuelle Förderung von Forschungsprojekten unter anderem durch die EU oder das US-Verkehrsministeri-um, aus denen Anforderungen an die Normung abgeleitet werden.

Basierend auf den Ergebnissen erster Feldversuche erteilte die EU-Kommission im Herbst 2009 das Mandat M/453 DE als Normungsauftrag an die organisationen CEN/CENELEC und ETSI im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien. Ziel ist, die Zusammenarbeit (Interoperabilität) kooperativer Systeme herzustellen. Dabei gibt es vielfältige Zusammenhänge zwischen der deutschen, der europäischen und der internationalen Normung bzw. zwischen den entsprechenden Gremien und organisationen, darunter dem DIN (siehe Grafi k).

Im Jahr 2003 gründete die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit der Industrie, den Verbänden und der öffentlichen Hand das „eSafety-Forum“. Zielsetzung des Forums ist die Entwicklungsförderung integrierter Straßensicherheitssysteme. Mit Testfeldprogrammen und dem koordinierenden Projekt „CoMeSafety“ werden dabei verschiedene ITS-Forschungsprojekte gefördert. Der Normenausschuss Automo-bil im VDA beteiligt sich als nationaler Vertreter an der Normung von kooperativen Systemen. Auf internationaler Ebene, unter anderem mit den USA und Japan, laufen vergleichbare Aktivitäten. Dies führt wiederum zwischen internationalen Normungs-organisationen zur Entwicklung harmonisierter Standards in gemeinschaftlichen Arbeitsgruppen.

Zusammenhänge zur Normung von kooperativen Systemen

Quelle: VDA

EuropäischeKommission

Field-Programm 7(FP7)

Interessenvertreter

OEM

Zulieferer

Forschung

Europäische Normung

Mandat M/453

Internationale

Normung

NationaleNormung

GK717/ AK16

Liaison- CEN/TC278/WG16- ISO/TC204/WG18

FP7-Projekte

iCar

...

Drive C2X

Page 174: VDA Jahresbericht 2012 WEB

174FA H r Z E U G S I C H E r H E IT

Licht und Sicht

Die Lichttechnik spielt eine bedeutende rolle in der Verkehrssicherheit. Die Schein-werfer sollen eine optimale Ausleuchtung der Fahrbahn ermöglichen, gleichzeitig dürfen sie den Gegenverkehr nicht blenden. Deshalb werden zunehmend intelligente lichttechnische Einrichtungen genutzt.

Xenonscheinwerfer liefern ein viel helleres Licht und eine bessere Ausleuchtung als Halogenscheinwerfer mit Glühlampen. Dabei ist der Energieverbrauch von Xenon-licht, den Bedarf des Steuergeräts mitgerechnet, etwa 20 Prozent niedriger und seine Lebensdauer wesentlich länger.

Adaptives Licht Ein Steuergerät schaltet die schwenkbaren Xenonmodule so, dass sie für Stadt, Land-straße und Autobahn immer das perfekte Licht liefern. Das Navigationssystem liest die Streckendaten im Voraus und gibt sie an den Lichtrechner weiter. Vor Kreuzungen schaltet das System selbsttätig die Abbiegeleuchten ein; in Ländern wie Großbritanni-en, Japan, Australien oder Südafrika stellt es die Scheinwerfer von rechts- auf Links-verkehr um. Es kann auch entgegenkommende Fahrzeuge erkennen und wechselt eigenständig zwischen Fern- und Abblendlicht. Mit etwa 5.500 Kelvin Farbtemperatur ähnelt das LED-Licht dem Tageslicht. Die Leuchtdioden haben eine geringere Energieaufnahme, das Abblendlicht beansprucht pro Einheit nur ungefähr 40 watt. LED-Scheinwerfer geben den Designern auch die Möglichkeit, die Marke darzustellen.

Zur Verbesserung der Sichtbarkeit von Nutzfahrzeugen sind retrorefl ektierende Markierungen verpfl ichtend vorgeschrieben. Die Markierung des Fahrerhauses ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, dies wird aber von einigen Genehmigungsbehörden unterschiedlich gesehen. Der VDA hat deshalb kurzfristig die notwendigen Klarstel-lungen für die gesetzlichen regelungen erarbeitet.

Moderne Scheinwerfertechnik bringt bessere Lichtausbeute und geringeren Energieverbrauch

Die Zusammenarbeit mit dem Navigati-onsgerät bedeutet mehr Sicherheit und Komfort

Page 175: VDA Jahresbericht 2012 WEB

175

Der 14. Technische Kongress 2012

Umwelt, Energie und Elektromobilität sowie Fahrzeugsicherheit und Elektronik waren die klassischen Themen des 14. Technischen Kongresses des VDA am 22. und 23. März 2012 im Mercedes Event Center Sindelfingen. rund 500 Teilneh-mer hörten Keynotes und Fachvorträge namhafter Vertreter aus Politik, wissenschaft und Industrie. Die Eröffnungssession gestalteten neben VDA-Präsident Matthias wissmann der Vorsitzende des Vorstands der Daimler AG, Dr. Dieter Zetsche, der Vorsitzende der Geschäftsführung der robert Bosch GmbH, Franz Fehrenbach, sowie Prof. Klaus-Dieter Scheurle, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zum Auftakt des zweiten Kongresstages sprachen Dr. Georg Pachta-reyhofen, Sprecher des Vorstands der MAN SE, Norbert Holzer, Senior Vice President der IVECo S.p.A., sowie der Minister für Verkehr und Infrastruktur des Landes Baden-württemberg, winfried Hermann.

Mit Beiträgen zu Mobilitätskonzepten, Infrastrukturanforderungen und Elektroan-trieben sowie zu Fragen der optimierung der noch immer hochaktuellen verbren-nungsmotorischen Antriebe einschließlich der Biokraftstoffe bildete der Kongress wesentliche Elemente der Fächerstrategie der deutschen Automobilindustrie ab. Darüber hinaus berichteten Fachleute zum Thema Geräuschemissionen, das mit Blick auf europäische regulierungspläne hochaktuell geworden ist.

In den Fachsessionen im Bereich „Fahrzeugsicherheit und Elektronik“ standen Themen wie automatisches Fahren, Fahrerassistenz, Partnerschutz wie beispielsweise für Fußgänger und radfahrer sowie Software und Standardisierung auf der Tages-ordnung. Den ersten Veranstaltungstag schloss Prof. Dr. Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen mit einem eher philosophisch angelegten Vortrag und der Fragestellung „Braucht das Auto den Menschen?“. Eine ideale Ergänzung des Vortragsprogramms stellte die begleitende Fachausstellung mit 20 Ausstellern aus Industrie und Automobilwirtschaft dar. Das Daimler-Museum in Untertürkheim bot den rahmen der als Get-together angelegten Abendveranstaltung des Kongresses.

Der Kongress bildet die Fächerstrategie der deutschen Automobilindustrie ab

Page 176: VDA Jahresbericht 2012 WEB

176FA H r Z E U G S I C H E r H E IT

Batteriesicherheit von Elektrofahrzeugen

Im Zuge der schrittweisen weltweiten Markteinführung von Hybrid- und Elektro-fahrzeugen sind im rahmen der Typgenehmigung und Fahrzeugzulassung von den zuständigen organisationen umfangreiche Änderungen und Ergänzungen zu den gesetzlichen Vorschriften erarbeitet worden. Im Bereich der Fahrzeugsicher-heit wurden unter anderem die Vorschriften zum Schutz der Insassen bei einem Unfall (UN-regelungen 12, 94 und 95) und zum sicheren Betrieb solcher Fahrzeuge (UN-regelung 100) überarbeitet.

Ein Themenfeld, das bisher noch nicht abschließend überarbeitet worden ist, betrifft die Anforderungen an Traktionsbatterien von Elektrofahrzeugen. Eine Unterarbeits-gruppe des UNECE (world Forum for Harmonization of Vehicle regulations – wP 29) hat 2010 mit der Definition von Anforderungen begonnen. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der Abdeckung verschiedener Lastfälle, die sich aus dem Betrieb eines Fahrzeugs und eines möglichen Verkehrsunfalls ergeben.

Darüber hinaus mussten die Anforderungen derart gestaltet sein, dass eine Fahrzeug-Typgenehmigung in Form einer Gesamtsystemzulassung ebenso möglich ist wie eine Zulassung für die Traktionsbatterie als Einzelkomponente. Damit soll sichergestellt werden, dass auch Traktionsbatterien nachträglich umgerüsteter Fahrzeuge ein hohes Sicherheitsniveau aufweisen. Der jetzt vorliegende Entwurf ist als neuer Teil 2 inklusive Anhang zur UN-regelung 100 vorgesehen. Er beschreibt eine reihe von Prüfungen und Kriterien, die als Nachweis der Sicherheit von Traktionsbatterien erfüllt werden müssen. Die Kriterien beziehen sich insbesondere auch auf die Integrität der Traktionsbatterie, also die Vermeidung von Leckage, Brand oder Explosion und die Verhinderung eines Gehäu-seversagens. Die Prüfungen lassen sich in folgende Gruppen aufteilen:

• Vibration Der Test beschreibt eine periodische vertikale Anregung mit einer Frequenz von 7 bis 50 Hz in sich wiederholenden Zyklen von 15 Minuten.

• TemperaturwechselbeständigkeitDie Batterie muss bei einem sich fünf Mal wiederholenden und 30 Minuten dauernden Temperaturwechsel von -40 °C bis mindestens +60 °C ihre Funktiona-lität nachweisen.

• Mechanischer AufprallDieser Test muss erbracht werden, sofern kein Test für das Fahrzeug gemäß UN-regelung 94 bzw. 95 nachgewiesen werden kann. Die Batterie ist in Abhän-gigkeit von ihrem Einsatzzweck einer mechanischen Beschleunigungs- und Verzögerungsbelastung zu unterziehen.

• Mechanische Integrität In einem Test wird die Batterie mit einer Kraft von 100 kN belastet. Die Belas-tungsrichtung orientiert sich dabei an der Einbaulage der Batterie im Fahrzeug und soll der Hauptbelastung beim Fahrzeugaufprall entsprechen.

• FeuerbeständigkeitDie Batterie wird von unten über einen Zeitraum von mindestens 60 Sekunden direkt und maximal weitere 70 Sekunden indirekt Flammen ausgesetzt. Sie darf sich während und nach dem Test nicht entzünden.

• KurzschlussfestigkeitBeim Kurzschließen der Batterie darf sich diese nicht nennenswert erhitzen. Es wird, soweit vorhanden, die Funktionalität eines elektrischen Sicherungsmechanis-mus überprüft.

Die Anforderungen an die Betriebs-sicherheit von Elektro- und Hybridautos sind hoch

Bei der Batterie muss die Gefahr von Bränden und Explosionen vermieden werden

Page 177: VDA Jahresbericht 2012 WEB

177

• Schutz vor elektrischer ÜberladungDer Test dient zum Nachweis des Überladeschutzes bei Ausfall eines elektroni-schen Lademanagementsystems und einer simulierten Aufladung mit der doppel-ten Ladekapazität.

• Schutz vor elektrischer TiefentladungDer Test dient zum Nachweis des Tiefentladeschutzes bei Ausfall eines elektroni-schen Lademanagementsystems und einer simulierten Entladung bis maximal 25 Prozent der Ladekapazität.

• Schutz vor ÜberhitzungDas Temperaturmanagementsystem der Batterie muss bei ständigem Auf- und Entladen und einer Umgebungstemperatur, die am oberen Limit der zulässigen Betriebstemperatur liegt, seine Funktionalität nachweisen.

• EmissionenEs muss der Nachweis erbracht werden, dass eventuelle wasserstoffemissionen beim Laden der Batterie und bei einem fehlerhaften Ladegerät eine definierte obergrenze nicht überschreiten.

Der Entwurf wird im Jahresverlauf 2012 abschließend beraten. Mit einer Verabschie-dung ist Ende 2012 zu rechnen, sodass die Änderungen im Teil 2 zur UN-regelung 100 als Serie 2 mit Übergangsfristen von 36 Monaten im Jahr 2013 in Kraft treten können.

Traktionsbatterie im Elektroauto

Page 178: VDA Jahresbericht 2012 WEB

178FA H r Z E U G S I C H E r H E IT

Das Rettungsdatenblatt

Die grundlegende Idee, den rettern für sie relevante technische Informationen zu einem verunfallten Fahrzeug als Datenblatt zur Verfügung zu stellen, ist bereits mehr als 15 Jahre alt und entwickelt sich nunmehr zu einem vollwertigen, praxistaugli-chen werkzeug. Dies liegt an mehreren Umständen: wurden die ersten rettungs-datenblätter Mitte der 1990er-Jahre noch von einzelnen Fahrzeugherstellern selbst gestaltet, sind diese inzwischen in Deutschland für nahezu alle Pkw mit mindestens einem pyrotechnischen Bauteil in einem standardisierten Layout kostenlos verfügbar. Darüber hinaus hat der Bundesrat im Jahr 2011 eine Änderung des Straßenverkehrs-gesetzes beschlossen, die es den rettungsleitstellen erlaubt, fahrzeugrelevante Daten mittels der Kennzeichenabfrage beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) abzurufen.

Die deutsche Automobilindustrie hat deshalb in Zusammenarbeit mit dem Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) eine Arbeitsgruppe gegründet, die den rettungsleitstellen im Zuge der Kennzeichenabfrage ein rettungsdatenblatt digital zur Verfügung stellt. Dies wird in Zukunft allen rettungskräften die Möglichkeit geben, die rettung am verunfallten Fahrzeug zu optimieren. Das wird umso wichtiger, je mehr sich alternative Antriebs- und Karosseriekonzepte am Markt durchsetzen. Gab es bisher auf den rettungsdatenblättern nur spezielle Hinweise für gasbetriebe-ne Fahrzeuge, haben sich die Fahrzeughersteller auf eine Erweiterung des Layouts für Elektro- und Hybridkonzepte geeinigt. Es wurden drei orange gekennzeichnete, zusätzliche Kategorien (Hochvolttrennschalter, Hochvoltbatterie und Hochvoltleitung/-komponente) in das Schaubild eingeführt. Zusätzlich sollen je nach Antriebsart (Benzin, Diesel, Elektro, Hybrid, Gas) bei Bedarf auf Folgeblättern folgende Informa-tionen bereitgestellt werden: Fahrzeugidentifikation, Sicherung des Fahrzeugs gegen wegrollen, Deaktivierung des Antriebs, Deaktivierung des Hochvoltsystems sowie besondere Hinweise, beispielsweise manueller Verschluss des Gastanks.

VDA und Importeure arbeiten bei opti-maler Information für rettungskräfte zusammen

Page 179: VDA Jahresbericht 2012 WEB

179

Historie der rettungsdatenblätter in Deutschland

Mitte der 1990er-Jahre Einzelne deutsche Fahrzeughersteller bieten rettungsleitfäden an, in denen unter anderem modellbezogene Informationen auf einer DIN-A4-Seite dargestellt werden

01/2003 Das niederländische Unternehmen Moditech entwickelt eine Software für rettungskräfte mit einer Fahrzeugdatenbank und Informationen zu den Fahrzeugmodellen

06/2005 Moditech stellt die Software/Hardware auf der Messe „Interschutz“ vor, eine einheitliche Symbolik für die Darstellung wird defi niert

06/2008 Moditech und Volkswagen stellen das rettungsdatenblatt(DIN A4) in seiner heutigen druckbaren Form vor

03/2009 VDA beschreibt in einer Pressemitteilung das rettungsdatenblatt

2010 VDA und VDIK unterstützen das Verkehrsministerium bei der Schaffung der rechtlichen Grundlagen zur Kennzeichenabfrage und des eingeschränkten Zugangs von rettungsleitstellen zur Datenbank des Kraftfahrt-Bundesamtes

03/2011 VDA und VDIK vereinbaren mit der DAT (Deutsche Automobil Treuhand) ein Projekt zur Kombination von elektronischer Kennzeichenabfrage mit einer Datenbank zu den rettungsdatenblättern

05/2011 Änderungsantrag zum deutschen Straßenverkehrsgesetz (Kennzeichenabfrage) wird vom Bundesrat verabschiedet

2012 Die DAT startet in Zusammenarbeit mit verschiedenen Feuerwehrleitstellen in Deutschland ein Pilotprojekt zur elektronischen Kennzeichenabfrage

Page 180: VDA Jahresbericht 2012 WEB

180FA H r Z E U G S I C H E r H E IT

Neue Vorschriften für Kindersitze

Die gesetzlichen Anforderungen an Kinderrückhaltesysteme gemäß UN-regelung 44 befinden sich seit einiger Zeit in umfassender Überarbeitung, um die Sicherheit von Kindern im Auto weiter zu erhöhen. Ziel ist eine komplett neue regelung.

In einer ersten Phase wurde der Fokus auf rückhaltesysteme für Kinder bis zu einem Alter von etwa drei Jahren gelegt. Dies bedeutete umfangreiche Änderungen an den Anforderungen für rückwärts und vorwärts gerichtete Kindersitze mit integrier-ten Gurtsystemen. Dabei wurde auch die grundlegende Philosophie der bisherigen UN-regelung 44 überarbeitet: wurden die Kinderrückhaltesysteme früher gemäß der Masse des Kindes in Gewichtsklassen von 0 bis 3 eingeteilt, wird sich die neue Klassifizierung primär an der Größe der zu schützenden Kinder orientieren. Für Crash-tests werden verbesserte Dummys vorgeschrieben (Q-Serie) und Kindersitze werden demnächst auch bei einem Seitenaufprall getestet.

Um dem Kunden die sichere Handhabung von Kindersitzen im Fahrzeug weiter zu erleichtern, wird sich die neue regelung in der ersten Phase ausschließlich auf Kinderrückhaltesysteme mit Isofix-Verankerungen und dem Einsatz eines Stützfußes oder alternativ eines sogenannten Top Tethers (obenliegender Gurt) beziehen. Darü-ber hinaus hat der Fahrzeughersteller die Möglichkeit, eine oder mehrere Positionen im Fahrzeug für den Einbau universeller Kindersitze mit Isofix-Verankerung, Top Tether oder Stützfuß freizugeben. Für solche Sitzplatzpositionen muss nachgewiesen werden, dass ausreichend raum für vorwärts und rückwärts gerichtete Kindersitze mit Anbin-dung eines Top Tethers und Stützfußes vorhanden ist. Kindersitzhersteller erhalten die Möglichkeit, ihre Produkte so zu konstruieren, dass sie den zur Verfügung stehen-den raum nicht überschreiten und eine Vorrichtung zur Verhinderung der rotation (Stützfuß oder Top Tether) aufweisen. Sitzplatzpositionen und Kindersitze, die diese Spezifikationen erfüllen, müssen mit dem Label „i-Size“ beschriftet werden.

Ziel ist der nochmals verbesserte Schutz von Kindern im Fahrzeug

Hersteller schaffen neue Möglichkeiten der unfallsicheren Befestigung von Kindersitzen

Page 181: VDA Jahresbericht 2012 WEB

181

Geplant ist, die UN-regelung zu Kinderrückhaltesystemen in einem mehrstufigen Verfahren zu überarbeiten:

• Phase 1: Kindersitze mit Isofix und integrierten Gurtsystemen für Kinder bis zu einer Größe von 87 Zentimetern

• Phase 2: Kindersitze mit Isofix und Nutzung fahrzeugintegrierter Gurte zur Siche-rung der Kinder bis zu einer Größe von 150 Zentimetern

• Phase 3: sonstige Bauformen von Kindersitzen, die zum Beispiel ins Fahrzeug integriert sind oder keine Isofix-Verankerungen nutzen

Mit der endgültigen Verabschiedung der Phase 1 wird Ende 2012/Anfang 2013 gerechnet. Zwischenzeitlich haben die Arbeiten an der Definition der Anforderungen zur Phase 2 begonnen.

Die deutsche Automobilindustrie unterstützt diese Aktivitäten weiterhin maßgeblich. Sie erwartet mit der Umsetzung der Maßnahmen eine deutlich verbesserte Handhabung bei der Nutzung von Kinderrückhaltesystemen sowie ein zusätzliches Maß an Sicher-heit für Kinder.

UN-Regelung 44/04(aktuelle Version)

Entwurf der neuen Regelung(Stand 2011)

Klassifi zierung der Kinderrückhaltesysteme

Einteilung gemäß Gewichtsklassen0 bis 3 für Kinder bis ca. 36 Kilogramm

Einteilung gemäß tatsächlicher Größeder Kinder

Verwendete Dummys P-Serie Q-Serie

Anforderungen an Frontal- bzw. Heckaufprall

Schlittentest mit maximaler Beschleunigung von 28 g bzw. 21 g

Schlittentest mit maximaler Beschleunigung von 28 g bzw. 21 g

Anforderungen an Seitenaufprall Nicht defi niert Dynamische Eindrückung eines Panelsmit maximal 7,25 m/s bis auf 0,0 m/s ineiner Zeit von 60 bis 70 ms

Berücksichtigung von Aspekten der universellen Handhabung

Nicht defi niert i-Size-Konzept, Defi nition von Anforderungen an einen Stützfuß

Beschriftung Hinweis auf Gefährdung durch Airbagbei Fehlbedienung

Überarbeiteter warnhinweis, bei Bedarf i-Size-Label

Übersicht der Anforderungen

Page 182: VDA Jahresbericht 2012 WEB

182FA H r Z E U G S I C H E r H E IT

Diebstahlschutz

Kfz-Kriminalität ist ein internationales Phänomen; in Deutschland hergestellte wie nach Deutschland importierte Fahrzeuge sind gleichermaßen betroffen. Durch die permanente Verbesserung mechanischer und elektronischer Diebstahlschutzmaßnah-men an den Fahrzeugen sowie die enge Zusammenarbeit der Hersteller mit der Polizei konnte in den letzten 15 Jahren ein rückgang der Diebstahlrate um mehr als zwei Drittel erreicht werden. Allerdings ist festzustellen, dass – auch aufgrund des Schen-gener Abkommens und des Entfalls der Grenzkontrollen Ende 2007 in acht osteuro-päischen Ländern (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Slowakei) – seit 2008 die Zahl der „auf Dauer abhandengekommenen Fahrzeuge“ in Deutschland wieder ansteigt; allerdings ist im Jahr 2011 eine Trendwende zu erkennen. Dabei ist eine Verlagerung der Diebstähle hin zu älteren Fahrzeugen mit wegfahrsperren früherer Generationen zu beobachten.

Schwerpunktmäßig sind Fahrzeuge betroffen, deren wegfahrsperrsysteme bereits mehrere Jahre im Markt sind und für die von den Dieben und deren Helfern mit hoher technischer und krimineller Energie im Hintergrund werkzeuge und Geräte zur Über-windung von wegfahrsperren entwickelt worden sind.

Autodiebstähle sind in den vergange-nen 15 Jahren um mehr als zwei Drittel zurückgegangen

Zeitreihe – Pkw-Entwendungen1 (2001–2011)

Quelle: BKA

0

15.000

30.000

45.000

60.000

1 Seit dem Berichtsjahr 2003 ist die Gesamtzahl der als gestohlen gemeldeten Kfz eines Jahres gemäß INPOL nicht mehr verfügbar.

Auf Dauer abhandengekommene Pkw(INPOL)

PKS-Fallzahl – Diebstahl von Kraftwagen(vor 2003 Gesamtfahndungsnotierungen)

2001

62.273

30.185

2002

57.184

28.412

2003

63.240

26.537

2004

58.637

25.114

2005

50.361

22.078

2006

42.320

18.346

2007

39.438

15.771

2008

37.184

15.853

2009

40.375

17.926

41.057

19.318

2010 2011

42.002

19.407

Page 183: VDA Jahresbericht 2012 WEB

183

Die Zahl der im Ausland „auf Dauer entwendeten“, also unwiederbringlich gestohle-nen Fahrzeuge mit deutscher Zulassung ist im Jahr 2010 erneut um rund 4 Prozent auf 798 Fälle gesunken (2009: 833 Fälle). Der Anteil der im Ausland entwendeten deutschen Pkw an der Gesamtzahl der dauerhaften Entwendungen sank von 5 Prozent im Jahr 2009 auf 4 Prozent im Jahr 2010. Das kann als Indiz für die Verlagerung der Tatbegehungsorte zurück nach Deutschland gewertet werden.

Unklar ist die Zahl und Quote der dem Kfz-Diebstahl vorangehenden Fahrzeug-schlüsseldiebstähle. Derartige Diebstähle erleichtern die Kfz-Kriminalität erheblich, da wegfahrsperren so leicht umgangen werden können. Deren Vorbeugung erfordert von den Fahrzeughaltern daher besondere Aufmerksamkeit.

Die Sicherheit der Fahrzeuge hat für die deutsche Automobilindustrie eine hohe Priorität. Neufahrzeuge verfügen in aller regel über Systeme der neuesten wegfahr-sperrengeneration. Kriminalität einschließlich der Fahrzeugdiebstähle muss allerdings auch als gesellschaftliches Problem in Deutschland und Europa gewertet werden, deren Bekämpfung immer auch als gesamtstaatliche Aufgabe zu verstehen ist.

Der Schutz von Fahrzeugen vor Dieb-stahl hat für die deutsche Automobilin-dustrie höchste Priorität

Auf Dauer entwendete Pkw im Ausland (INPOL)

Quelle: BKA

0

100

300

200

400

500

600

20102007 2008 2009

Polen Tschechische Republik Niederlande Italien Ungarn

Page 184: VDA Jahresbericht 2012 WEB

184FA H r Z E U G S I C H E r H E IT

Technische Überwachung (Hauptuntersuchung)

Im rahmen der Novellierung der Straßenverkehrszulassungsordnung ist für den 1. Juli 2012 das Inkrafttreten der 47. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften geplant. Diese beinhaltet unter anderem Änderungen für die technische Überwachung der Fahrzeuge, der HU. Neben Änderungen zum Mangelbaum, zum Entfall der rückdatierung bei überzogener Prüffrist und der Einführung einer Probe-fahrt mit mindestens 8 km/h werden auch Abläufe und randbedingungen für die Bereitstellung und Aufbereitung der Prüfvorgaben für die HU neu geregelt, um die sicherheitsrelevanten elektronischen Systeme über die elektronische Fahrzeugschnitt-stelle prüfen zu können.

Bei der sogenannten Elektronik-HU wird mit dem HU-Adapter – einem speziell für die Überwachungsorganisationen entwickeltem elektronischem Kommunikationsgerät – über die Fahrzeug-Identifikationsnummer (FIN) der Sollzustand der verbauten Syste-me für das jeweilige Fahrzeug mit dem vorhandenen Verbauzustand des jeweiligen Fahrzeugs abgeglichen. Über die on-Board-Diagnose (oBD) wird das Fahrzeug dabei auf einen fehlerfreien Zustand hin geprüft.

Die Aufbereitung und die Bereitstellung der hierfür notwendigen fahrzeuggenau-en Prüfvorgaben und -algorithmen erfordern seitens der Fahrzeughersteller hohe Aufwendungen in der Entwicklung und Dokumentation. Dennoch unterstützt die Automobilindustrie die neu geregelte Prüfung der sicherheitsrelevanten elektroni-schen Systeme über die elektronische Fahrzeugschnittstelle, da über die Nutzung der oBD im rahmen der HU eine Fahrzeugprüfung mit hoher Aussagekraft und Effizienz erreicht werden kann.

Mit der Änderungsverordnung vom 1. Juli 2012 wird jedoch auch die bestehende regelung zur Abgasuntersuchung (AU) über die oBD, die für Fahrzeuge mit Erst-zulassung ab 2006 gilt, infrage gestellt. Grundlage dafür sind erste, nicht repräsen-tative Studien. In Abhängigkeit von den Ergebnissen einer noch durchzuführenden Feldstudie mit einem Vergleich zwischen den werten aus der Fahrzeug-oBD und Endrohrmessungen soll noch entschieden werden, ob die wiedereinführung der obligatorischen Endrohrmessung bei der Abgasuntersuchung notwendig ist. Der VDA lehnt die wiedereinführung einer obligatorischen Endrohrmessung bei der AU ab, da diese im Gegensatz zu dem nunmehr gewählten Ansatz einer effizienten Prüfung steht und hinter die Leistungsfähigkeit und Aussagekraft der Fahrzeug-oBD zurückfällt.

Neue Verordnung führt zu größerer Aussagekraft der Hauptuntersuchung

Für die Abgasuntersuchung ist die Nutzung der on-Board-Diagnose ausreichend

Page 185: VDA Jahresbericht 2012 WEB

185

Marktüberwachung

Vor Eintritt in den Markt werden Automobile sowie deren Bauteile aufwendigen Zulas-sungsverfahren unterzogen (Typgenehmigung). In Deutschland ist dafür das Kraft-fahrt-Bundesamt (KBA) zuständig. Und auch nach Inverkehrbringen werden diese Produkte mit Blick auf Sicherheit und Umweltschutz hin kontrolliert; bestes Beispiel hierzu auf dem Kfz-Sektor ist die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZo.

Die EU-Kommission plant die Einführung des Instruments der Marktüberwachung entsprechend Verordnung (Vo) 765/2008 auch bei Kraftfahrzeugen, Anhängern und deren Teilen zusätzlich zu den bereits bestehenden regulierungen der rahmenricht-linie 2007/46 (Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen). Die Vo zur Marktüberwachung soll in Form von Stichproben für grundsätzlich alle Produkte eingeführt werden. Mit Kraftfahrzeugen und Anhängern wäre der gesamte Anwendungsbereich der rahmen-richtlinie für die Typgenehmigung eingeschlossen. würden die Maßgaben der Markt-überwachung auch für Kraftfahrzeuge eingeführt, bedeutete dies einen erheblichen zusätzlichen Aufwand für die Automobilindustrie, da neben den über die Typgeneh-migung ohnehin vorgeschriebenen Prüfungen – beispielsweise Anfangsbewertung des Herstellers, Konformität der Produktion, In-Service-Conformity – zusätzlich die Stichprobenprüfungen der Marktüberwachung treten würden und darüber hinaus weiterer dokumentarisch-bürokratischer Aufwand hinzukäme.

Der Umgang mit Produkten wie dem Automobil ist von der Typgenehmigung über die regelmäßige Hauptuntersuchung bis hin zur Altautoverwertung geregelt, also im gesamten Lebenszyklus. Daher erscheint eine Einbeziehung in die Marktüberwachung nicht sinnvoll. Ein international diskutierter Lösungsansatz ist, die Marktüberwachung typgenehmigter Produkte auf eine reine Dokumentenüberprüfung zu beschränken.

Die von der EU geplanten verschärften Kontrollregeln für Fahrzeuge im Betrieb sind nicht erforderlich

EG „Typgenehmigung für Kraftfahrzeuge“Der Zugang zum Binnenmarkt über das europäische Typgenehmigungssystem war für Personenkraftwagen, Motorräder und landwirtschaftliche Zugmaschinen bis zum Jahr 1992 ungeregelt. Mit der Typgenehmigungsrichtlinie 92/53/EG wurde das Typgenehmigungsverfahren für die Fahrzeugkategorie M1 (Pkw) umgesetzt. Mit der richtlinie 2007/43/EG wurde dieses System in den Folgejah-ren auf alle anderen Fahrzeugkategorien ausgeweitet. Es werden auch Fahrzeu-ge erfasst, die in einer oder mehreren Stufen zur Teilnahme am Straßenverkehr gebaut werden, sowie auch Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten, die für derartige Fahrzeuge (Lastkraftwagen, Anhänger und Busse) gebaut sind.

Die richtlinie beruht auf dem Grundsatz einer vollständigen Harmonisierung. Die gemeinschaftlichen Typgenehmigungsverfahren sind verpflichtend und treten an die Stelle der Genehmigungssysteme der Mitgliedsstaaten, zu denen sie bislang parallel bestanden haben. Der VDA hatte maßgeblich an diesem System mitgear-beitet. Noch offene Themenbereiche wie Kleinserien, Einzelzulassung und Importe aus Drittländern werden im Laufe des Jahres abgeschlossen werden.

Page 186: VDA Jahresbericht 2012 WEB

186FA H r Z E U G S I C H E r H E IT

Sicherheit von Kleintransportern

In der Nahversorgung zwischen Logistikzentren, Einzelhandel und Endverbraucher haben sich Kleintransporter bis 3,5 Tonnen EU-weit etabliert. Aber auch im schnellen und flexiblen Güter- und warenfernverkehr sowie im Kurier- und Zustelldienst stellt der Kleintransporter eine unverzichtbare Säule dar. Mit zunehmender Präsenz im Stra-ßenverkehr stieg die wahrnehmung dieser Fahrzeuge bei den anderen Verkehrsteil-nehmern. Auch statistisch zeigte sich diese zunehmende relevanz in zwischenzeitlich erhöhten Unfallzahlen speziell der Teilgruppe von Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 2,8 bis 3,5 Tonnen. Dies führte in den vergangenen Jahren zu einer in Medien, Politik und Bevölkerung nicht immer objektiv geführten Diskussion über die Sicherheit von Kleintransportern.

Mittlerweile weist das Unfallrisiko von Kleintransportern im Vergleich zu Pkw oder Lkw keine großen Besonderheiten mehr auf. Im Straßenverkehr bewegen sich die Transporter ebenso sicher wie Pkw und bieten auch den Insassen einen entsprechend hohen Schutz. Ein Vergleich der auf den Bestand bezogenen Unfallhäufigkeiten in Deutschland für das Jahr 2008 weist für Pkw und Kleintransporter ähnliche Größen-ordnungen auf. Die Gruppe der Kleintransporter bis 2,8 Tonnen ist, gemessen an den Bestandszahlen, nicht signifikant häufiger als Pkw an Unfällen beteiligt. Das bestandsbezogene risiko für die Kleintransporter zwischen 2,8 und 3,5 Tonnen bleibt zwar erhöht, dennoch sollten auch hier alle Anstrengungen unternommen werden, um das Unfallrisiko weiter zu senken und die Sicherheit von Insassen und anderen Verkehrsteilnehmern zu erhöhen.

Um geeignete Verbesserungsmaßnahmen in die wege zu leiten, ist es wichtig, das Unfallgeschehen mit Beteiligung von Kleintransportern genau zu analysieren. Zu diesem Zweck haben die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die Unfallforschung der Versicherer (UDV), die DEKrA-Unfallforschung und der VDA ein gemeinsames Forschungsprojekt ins Leben gerufen. Ziel ist, mittels Unfallanalysen die Sicherheit von Kleintransportern zu erhöhen. Die Ergebnisse dieses Projekts werden in der Studie „Gemeinsamer Forschungsbericht zur Sicherheit von Kleintransportern von BASt, DEKrA, GDV und VDA“ ausführlich dargelegt.

Transporter bis 3,5 Tonnen Gewicht sind vergleichbar sicher unterwegs wie Pkw

Page 187: VDA Jahresbericht 2012 WEB

187

Der omnibus ist eines der sichersten reisemittel im Straßenverkehr. Im Bus verun-glücken in Deutschland pro Jahr deutlich weniger Insassen als in anderen Verkehrs-mitteln einschließlich der Eisenbahn. Dabei sind nicht alle im Bus Verunglückten bei Verkehrsunfällen zu verzeichnen; so ist der Brand die zweithäufigste Ursache für schwere Verletzungen.

In einem Großteil der Fälle liegt die Brandursache im Motorraum oder in räumlich abgeschlossenen Abteilen. Die größte Gefahr für die Insassen geht dabei von der schnellen Ausbreitung der rauchgase aus. In manchen Fällen ist aber auch die Flammausbreitungsgeschwindigkeit so groß, dass die rettung insbesondere von älteren Insassen oder solchen mit einer körperlichen Behinderung größeren Aufwand in kürzester Zeit erfordert.

Nach dem Brand eines reisebusses im Jahr 2008 auf der Autobahn A 2 bei Hannover wurden bei der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) im Auftrag der Bundes-anstalt für Straßenwesen (BASt) Forschungsaktivitäten initiiert, die zur Verhinderung von Bränden Empfehlungen für die technische Gestaltung von Bussen erarbeiten sollen. Als erstes Zwischenergebnis wurde Mitte 2011 darauf verwiesen, dass die Brandbeständigkeit von Innenraummaterialien erhöht werden und eine frühzeitige rauchdetektion dem Fahrer und den Insassen ausreichend Zeit zum Verlassen des Busses einräumen müsse.

Unabhängig davon statten die deutschen omnibushersteller seit Mitte 2010 alle neu zugelassenen Stadt- und reisebusse serienmäßig mit Brandmeldern im Motorraum sowie rauchmeldern in den Toiletten und Fahrerschlafkabinen aus. Sie halten damit eine zuvor ausgesprochene freiwillige Selbstverpflichtung ein. Andere europäische omnibushersteller verpflichteten sich, alle innerhalb der EU ausgelieferten Linien- und reisebusse mit Heckmotor spätestens seit Januar 2011 zumindest mit Brandmel-deanlagen im Motorraum auszustatten.

Darüber hinaus haben sich insbesondere die deutschen Hersteller zusammen mit dem Bundesverkehrsministerium in den vergangenen drei Jahren dafür eingesetzt, dass die Typgenehmigungsvorschriften der UNECE zum Thema Brandsicherheit umfassend überarbeitet und die Anforderungen dem heutigen Stand der Technik angepasst werden. Hierzu wurden 2011 zahlreiche Änderungen in den UN-rege-lungen 107 und 118 zur Bewertung von im Bus eingesetzten Materialien sowie der verpflichtende Einbau von rauch- und Brandmeldern verabschiedet.

Diese Änderungen werden dazu beitragen, dass ein Großteil der heute im Fahrgast-innenraum verarbeiteten, entzündlichen Materialien zukünftig nicht mehr zum Einsatz kommt und Brände frühzeitig detektiert werden können. Damit bleibt dem Fahrer ausreichend Zeit, das Fahrzeug sicher anzuhalten und die Fahrgäste zu evakuieren. Die Gefahr einer schnellen Brandausbreitung durch den Verbau von Materialien mit niedrigen Flammausbreitungsgeschwindigkeiten wird künftig deutlich vermindert.

Die Forschungsaktivitäten der Busher-steller haben auch die Vermeidung von Busbränden zum Ziel

Entzündliche Materialien verschwinden aus dem Innenraum

Brandsicherheit bei Bussen

Page 188: VDA Jahresbericht 2012 WEB

188FA H r Z E U G S I C H E r H E IT

Busmotor mit Brandmeldegerät. Die Leitung des Melders liegt am oberen rand des Motors und ist an zwei roten Fähnchen erkennbar.

UN-regelung Technische Details Verpfl ichtend anzuwenden für

UN-r 107

Einbau von Brandmeldeanlagen im Motorraum

neue Typen ab Dezember 2012

neue Zulassungen ab Dezember 2013

Einbau von rauchmeldeanlagen in Toilettenräumen, Fahrerschlafkabinen und anderen durch den Fahrer nicht einsehbaren Fahrgastraumabteilen

neue Typen ab Dezember 2013

neue Zulassungen ab Dezember 2014

UN-r 118

Erhöhte widerstandsfähigkeit von Isolationsmaterialien elektrischer Kabel gegen Hitze

Erhöhte Anforderungen an Isolationsmaterialien in Motorräumen bezüglich deren fl üssigkeitsabweisenden Eigenschaften

neue Typen ab Dezember 2012

neue Zulassungen ab Dezember 2015

Geänderte Testverfahren hinsichtlich der Bewertung der Brennbarkeit von Materialien und der zulässigen Flammausbreitungsgeschwindigkeit

neue Typen ab Dezember 2015

neue Zulassungen ab Dezember 2019

Überblick der Änderungen in der UN-R 107 und UN-R 118

Page 189: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 190: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 191: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Qualitätsmanagement

Dr. Jan Hinrichs – Diplom Ingenieur, Leiter Vorentwicklung, ixetic GmbH, Bad Homburg

Page 192: VDA Jahresbericht 2012 WEB

192Q UA LITÄTS M A N AG E M E NT

Qualität als Markenzeichen der deutschen Automobilwirtschaft

Auch im vergangenen Jahr zeigten sich die Produkte der deutschen Automobilindus-trie in den etablierten Qualitätsindikatoren führend. In der Einzelnote „Qualität“ der halbjährlich veröffentlichten Automarkenstudie des ADAC, dem „AutoMarxX“, wurde das sehr gute Abschneiden der deutschen Hersteller in den vergangenen Jahren im aktuellen ranking bestätigt.

Das gute Qualitätsranking der deutschen Hersteller wurde abermals bestätigt

Marken-image

Markt-stärke

Kunden-zufriedenheit

Fahrzeug-qualität Umwelt Sicherheit Gesamtnote rang

Mercedes-Benz 2,20 3,42 2,53 1,71 1,49 1,00 1,88 1

Audi 1,65 3,46 2,33 1,40 1,94 1,86 1,95 2

BMw 1,86 3,39 2,09 1,47 2,01 1,86 1,95 2

Volkswagen 2,42 2,67 2,99 1,71 2,05 2,20 2,22 4

Volvo 3,62 3,37 1,90 2,36 1,48 1,55 2,23 5

Skoda 3,13 4,10 2,31 2,00 1,00 2,54 2,33 6

Porsche 2,13 3,56 2,23 2,01 2,62 2,48 2,40 7

Toyota 3,31 4,12 1,92 2,08 1,65 2,98 2,50 8

Mitsubishi 3,91 2,90 1,55 2,34 2,50 3,01 2,59 9

Honda 3,63 4,44 1,57 2,47 2,06 2,72 2,64 10

Seat 3,75 4,07 2,73 2,34 1,78 2,67 2,70 11

Subaru 3,86 3,38 1,00 2,49 3,13 3,06 2,70 11

Ford 3,93 3,92 2,99 2,23 1,74 2,83 2,73 13

opel 3,59 3,64 2,98 2,24 2,67 2,44 2,73 13

Mazda 3,93 4,16 2,14 2,25 2,56 2,97 2,78 15

Saab 4,43 3,23 2,12 2,80 2,14 2,82 2,81 16

Jaguar 4,16 4,13 1,88 3,03 2,67 2,66 2,95 17

Mini 2,67 4,03 3,99 2,30 2,73 2,98 2,96 18

Alfa romeo 3,92 3,25 2,57 3,89 1,28 2,63 2,99 19

Citroën 4,70 4,41 2,82 2,64 1,95 3,08 3,03 20

Hyundai 4,15 3,64 2,61 2,99 2,17 3,22 3,04 21

Nissan 3,93 4,45 2,35 2,72 2,93 3,25 3,10 22

Lancia 4,25 5,00 2,09 3,26 1,88 3,12 3,12 23

Peugeot 4,21 4,53 3,31 2,59 2,30 3,37 3,17 24

KIA 4,32 4,41 2,98 3,07 2,12 3,04 3,17 24

Suzuki 3,79 4,34 2,43 2,57 2,80 4,02 3,17 24

Smart 4,18 4,19 2,77 2,94 1,76 4,51 3,30 27

renault 4,05 4,26 5,00 2,68 2,71 3,22 3,44 28

Fiat 4,10 4,78 3,20 3,31 2,65 4,04 3,57 29

Daihatsu 3,80 4,79 2,07 2,91 3,78 5,00 3,61 30

Land rover 3,47 3,86 2,31 3,87 5,00 3,23 3,64 31

Chrysler 4,90 4,07 2,90 4,30 4,87 2,99 3,95 32

Chevrolet 4,19 4,04 3,81 3,83 4,08 4,26 4,01 33

Quelle: ADAC-Infogramm

Quelle: ADAC-Infogramm

Page 193: VDA Jahresbericht 2012 WEB

193

Die Ergebnisse zeigen, dass Produkte, Prozesse und Standards der deutschen Auto-mobilindustrie im weltweiten Vergleich kontinuierlich auf höchstem Niveau liegen.

Die Qualitätsoffensive der deutschen Automobilhersteller und ihrer Zulieferer hat nachhaltig Bestand und wirkt weiter fort. Die auch im Jahr 2011 im rahmen der Qualitätsoffensive im VDA von den Herstellern und Zulieferern entwickelten und kontinuierlich optimierten Qualitätsmethoden und -werkzeuge sind zu anerkann-ten Standards im Automobilbau geworden. Die Basis dazu wird im VDA-Ausschuss „Qualitätsmanagement“ (QMA) gelegt. Der QMA, dessen Geschäftsstelle das VDA QMC (Qualitäts Management Center) in Berlin ist, steuert die Aktivitäten des Quali-tätsmanagements in der Automobilindustrie und fördert so den Qualitätsgedanken über die gesamte wertschöpfungskette hinweg.

Das QMC im VDA ist Zentrum des Qualitätsgedankens der deutschen Automobilindustrie

Güteprüfer analysieren zusammen mit den Mitarbeitern der Fertigung die Ergebnisse einer werkzeugänderung.

Page 194: VDA Jahresbericht 2012 WEB

194Q UA LITÄTS M A N AG E M E NT

Tätigkeitsbereiche des VDA QMCDie weitere Entwicklung der Qualitätsmanagement-Methoden und -werkzeuge des VDA QMC wird in den QMC-Arbeitskreisen (AKs) geleistet, die, gesteuert durch den QMA, das Qualitätsmanagement in der deutschen Automobilindustrie gestalten. Die Ergebnisse der Arbeitskreise, der QM-Experten der Hersteller und Lieferanten, werden in der VDA-QMC-Schriftenreihe dokumentiert. Im Jahr 2011 wurden folgende Bände veröffentlicht:

Band 4 Ringbuch, Sicherung der Qualität in der Prozesslandschaft, 2. überar-beitete und erweiterte Auflage 2009, aktualisiert März 2010, ergänzt oktober 2011Kapitel DFSS (Design for Six Sigma)

Das gemeinsame Qualitätsmanagement in der Lieferkette Produktentstehung, Produktherstellung und Produktlieferung Risikominimierung in der Lieferkette

Das gemeinsame Qualitätsmanagement in der Lieferkette Vermarktung und Kundenbetreuung Schadteilanalyse Feld – Auditstandard

Das gemeinsame Qualitätsmanagement in der LieferketteProduktentstehungProzessbeschreibung Besondere Merkmale (BM)

Verbreitung der VDA QMC-Publikationen unter den VDA-MitgliedernIm Jahr 2011 wurden über 25.000 VDA QMC-Bücher verkauft, darunter 20 Prozent in englischer Sprache. 23 Prozent der VDA-Mitgliedsunternehmen besitzen die Lizenz, über das QMC-Portal die VDA QMC-Bücher herunterzuladen und diese dann ihren Mitarbeitern über das firmeneigene Intranet zur Verfügung zu stellen.

Diese Art der Nutzung und Verbreitung der VDA QMC-Publikationen wird unter anderem von den größten Herstellern und Lieferanten bevorzugt. 67 Prozent der VDA-Mitglieder unter den Lieferanten haben 2011 mehr als zwei VDA QMC-Publikationen als Printausgabe käuflich erworben oder über Zugriff auf das Portal heruntergeladen.

Stand der Zertifizierung nach VDA 6.x und ISo/TS 16949Neben seiner Aufgabe, die Arbeit in den Arbeitskreisen und deren Dokumentation und Veröffentlichung in einer Schriftenreihe zu organisieren, ist das VDA QMC auch Vertragspartner der vom QMC anerkannten Zertifizierungsgesellschaften. Hier hat das QMC unter anderem die Pflichten der weltweiten Überwachung des Zertifi-zierungsschemas in Form von sogenannten witness Audits und office Assessments. Darüber hinaus werden die Inhalte, die zuvor in den Arbeitskreisen erarbeitet wurden, auch in Form von Trainings direkt vom VDA QMC den Mitgliedsunternehmen zur Verfügung gestellt.

Zahlreiche Hersteller und Lieferanten nutzen das Internetportal des QMC

Das QMC ist Vertragspartner von Zerti-fizierungsgesellschaften in aller welt

Page 195: VDA Jahresbericht 2012 WEB

195

Entwicklung neuer Standards unter dem Dach des VDA QMCProzess der Erstellung von VDA-Standards

Quelle: VDA QMC

Publikationen/VDA-Bändeherausgegeben durch das QMC

Arbeitskreise (AK)organisiert im QMC

Basis für SchulungenTrainings durch QMC

ZertifizierungQMC als Vertragspartner der

Zertifizierungsgesellschaft

Die Aufgaben des VDA QMC als ÜberwachungsinstitutionIm Rahmen der Zertifizierung nach VDA 6.1 und ISO/TS 16949

Quelle: VDA QMC

Qualitäts Management Centerim Verband der Automobilindustrie

ZertifizierungsgesellschaftenRegelwerke VDA 6.x und ISO/TS 16949

Automotive-Lieferkette

Zertifizierung

OfficeAssessments

WitnessAudits

• Aus- und weiterbildung

• Tagungen

• Publikationen

• Lieferantenqualifi zierung

QMC China

Selbstverständnis und Geschäftsfelder im VDA QMC

• 14 fest angestellte Mitarbeiter

• 4 beauftragte Berater und Trainer

Leiter: Timm Zöllmer

• Peking

• Schanghai

• Gründung am 27. Juni 2006

Geschäftsfelder

Quelle: VDA QMC

QMC China Mitarbeiter

• Aus- und weiterbildung

• Tagungen

• Publikationen

QMC russland

Aktivitäten zum Qualitätsmanagement im VDA

• 8 fest angestellte Mitarbeiter

Leiter: Heinz-Günter Plegniere

• Moskau

• Gründung am 14. oktober 2008

GeschäftsfelderQMC russland Mitarbeiter

Quelle: VDA QMC

Die Zahl der weltweit nach dem Qualitätsmanagement-Standard ISo/TS 16949 zertifi -zierten Unternehmen stieg 2011 um 6 Prozent auf mehr als 46.000 zertifi zierte Produk-tionsstandorte. Für die region Asien ist dabei wie im Vorjahr eine überproportionale Zunahme zu verzeichnen. In den anderen regionen verblieb die Anzahl der Zertifi kate auf hohem Niveau. Unter den fünf International Automotive Task Force (IATF) over-sight offi ces wurden 22.000 der weltweit gültigen ISo/TS-16949-Zertifi kate durch die 15 unter dem VDA QMC zugelassenen Zertifi zierungsgesellschaften ausgestellt. Dies entspricht einem gleichbleibend hohen Anteil von rund 47 Prozent gegenüber 2010. Für Lieferanten stellt die Zertifi zierung nach ISo/TS 16949 nach wie vor die Eintritts-karte in die Automotive-Lieferkette dar. Zunehmend erkennen jedoch auch Unter-nehmen in der 3rd-Tier- und der weiter vorgelagerten Lieferkette den Nutzen einer Zertifi zierung nach dem Qualitätsmanagement-Standard ISo/TS 16949.

Die branchenspezifi sche System- zertifi zierung wird auch zunehmend von Lieferanten der n-tier-Ebene angewendet

Page 196: VDA Jahresbericht 2012 WEB

196Q UA LITÄTS M A N AG E M E NT

0

30

60

90

120

150

Inhouse-Schulungen LizenznehmerTotal

105 %

Offene Schulungen

Umsatzentwicklung der Aus- und Weiterbildung des VDA QMC nach Schulungsangeboten inkl. Lizenznehmern 2011 gegenüber 2010Umsatzentwicklung total AuW 2011

Quelle: VDA QMC

67 %

141 %

72 %

Aus- und weiterbildung des VDA QMCNachdem sich die Umsatzzahlen der Aus- und weiterbildung im VDA QMC bereits 2010 gegenüber 2009 zum Positiven verbessert hatten, wurden die Erwartungen im Jahr 2011 noch um ein Vielfaches übertroffen.

Nicht nur die Qualifikationskurse zum neuen VDA-Band 6.3 und die requalifizierung zum ISo/TS-16949-3rd-Party-Auditor in der ADP-Plattform, sondern auch die Basis-qualifikation zum VDA-Qualitätsmanager und internen Auditor sowie die Kurse zu den QM-Methoden haben unter anderem gegenüber dem Vorjahr zu diesen positiven Ergebnissen beigetragen. Auch die Gremienmitglieder des QM-Ausschusses haben vermehrt auf die Ergebnisse des Arbeitskreises in Form von QMC-Trainings zurückge-griffen. Sowohl herkömmliche Inhouse-Schulungen als auch Lizenz-Inhouse-Trainings wurden von den Mitgliedsunternehmen häufiger in Anspruch genommen. Hier hatten die vom VDA QMC qualifizierten und zugelassenen Trainer und Prüfer aus den Unter-nehmen die Möglichkeit, ohne großen Kostenaufwand auf Schulungen und Prüfungen des VDA QMC zurückzugreifen. Teilnahmebescheinigungen und Zertifikate wurden nach Prüfung der Teilnahme- bzw. Prüfungsunterlagen durch das VDA QMC ausgestellt.

Hohe Nachfrage beim VDA QMC nach Qualifizierungen

Page 197: VDA Jahresbericht 2012 WEB

197

Die Nachfrage nach Schulungen über das E-Learning („Grundlagen Qualitätsmanage-ment“ und „reifegradabsicherung für Neuteile“) nahm im Laufe des Jahres stetig zu. In den Mitgliedsunternehmen wurde erkannt, dass durch E-Learning die Ausfallzeiten schulungsbedingter Abwesenheiten vermindert werden und trotzdem eine kosteneffi -ziente und zeitnahe Fortbildung sichergestellt wird.

Im Bereich der Lizenznehmer im weltweiten Netzwerk hat das VDA QMC den Kundenwünschen der Mitgliedsunternehmen entsprochen und das Netzwerk weiter durch qualitativ hochwertige, automobilerfahrene Partner ergänzt.

Im Vergleich des Jahres 2010 mit 2011 konnte das VDA QMC in Zusammenarbeit mit den Lizenznehmern einen Umsatzanstieg von 65 Prozent verzeichnen. Somit setzte sich der positive Trend hinsichtlich der Schulungen des VDA QMC auch im Ausland fort.

Das weltweite Netzwerk der Lizenznehmer des VDA QMC

Quelle: VDA QMC

Royal Oak, MISouthfield, MI

Lizenznehmer

BirminghamLizenznehmer

PszczynaLizenznehmer

PragLizenznehmer

BudapestLizenznehmer

CisnadioaraLizenznehmer

São PauloLizenznehmer

East LondonLizenznehmer

TimisoaraLizenznehmer

TurinLizenznehmer

PalmelaLizenznehmer

MadridLizenznehmer

CarquefouLizenznehmer

BerlinAus- und WeiterbildungVeranstaltungenPublikationenVDA-6.x-ÜberwachungsstelleIATF Oversight OfficeArbeitskreise

MoskauAus- und WeiterbildungVeranstaltungenPublikationen

PueblaLizenznehmer

PekingAus- und WeiterbildungVeranstaltungenPublikationen

NagoyaLizenznehmer

Page 198: VDA Jahresbericht 2012 WEB

198Q UA LITÄTS M A N AG E M E NT

Veranstaltungen des VDA QMCBislang haben sich mehrere VDA QMC-Veranstaltungen etabliert:

• Qualitäts-Management-Symposium

• VDA QMC-Expertenforum auf der IAA 2011

• VDA QMC-Gipfeltreffen

Zusätzlich wurde erstmals die Quality Management for Automotive Software-based Systems and Functionality Conference, kurz: VDA Automotive SYS, vom 4. bis 6. Juli 2011 in Berlin veranstaltet.

Mit 143 Teilnehmern aus 21 Ländern und vier Kontinenten war diese Konferenz die mit Abstand internationalste Veranstaltung, die das VDA QMC bisher ausgerichtet hat.

Schwerpunkt der neuen Veranstaltung des VDA QMC, der Automotive SYS

Quelle: VDA QMC

Funktionale Sicherheit

ISO 26262, Nachweisführung,Hardwaremetriken, Praktiken und Prozesse, rechtliche Aspekte

Automotive SPICE®

Integration in Unternehmensprozesse,

TestSPICE®, Gemeinsamkeitenund Abgrenzung ISO 26262

Systementwicklung

Konzeptionieren, verifizierenund validieren

Lebenszyklus

Reifegradabsicherung, Schnittstellen Q/F&E/Produktion, Erstbemusterung, Produktvalidierung

Veranstaltungstermine des VDA QMC im Jahr 2012

VDA QMC-Symposium in Stuttgart 19./20. März 2012

Automotive SYS Conference in Berlin 14.–16. Mai 2012

VDA-Expertenforum in Hannover im rahmen der IAA 20.–27. September 2012

QMC Gipfeltreffen 14./15. November 2012

Qualitäts-Management-Symposium 2011 in Berlin

Page 199: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 200: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 201: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Logistik

Franca Manna Spagnolo – Anlagenbedienerin, Geschäftsbereich Elastomertechnik/Module, ElringKlinger AG, Dettingen/Erms

Page 202: VDA Jahresbericht 2012 WEB

202Lo G I ST I K

Die Situation der Logistik in der Automobilindustrie

Deutschland ist die erfolgreichste Logistiknation der welt: Auf der Logistikrangliste der weltbank belegt Deutschland Platz eins beim Branchenumsatz in relation zur wirtschaftsleistung. Die Branche ist zudem weltweit führend bei Pünktlichkeit und Qualität. Auch wirtschaftlich kann die Logistik in Deutschland zufrieden sein: Mit 220 Mrd. Euro Umsatz erlebte sie 2011 ein rekordjahr. Die Automobillogistik trägt zu diesem Ergebnis entscheidend bei.

waren es in den vergangenen Krisenjahren vor allem Kapazitätseinbrüche, die den Logistikverantwortlichen in den Unternehmen der Automobilindustrie Sorgen bereiteten, haben sie es seit zwei Jahren mit bisher nicht dagewesenen wachstumssprüngen zu tun. In solchen Phasen des schnellen wandels kommt es vor allem darauf an, kriti-sche Situationen in den Lieferketten schnell zu erkennen und Lösungen zu finden. Die Logistiker konnten aus den volatilen Veränderungen der letzten Jahre viele Erfahrungen sammeln und die gewonnenen Erkenntnisse in die weiterentwicklung und optimierung der Logistikprozesse einbringen. Selbst in diesen herausfordernden Zeiten zeigt sich eine Kontinuität in der Stabilität der Lieferketten. Die große Herausforderung besteht darin, sich mit weitsicht gegen die volatilen Entwicklungen abzusichern.

Diese Spitzenposition ist hart erarbeitet. regelmäßig kämpfen die Logistiker mit unvorhersehbaren Ereignissen. Das vergangene Jahr brachte das Erdbeben in Japan, dem ein Tsunami und die weitgehende Zerstörung des Atomkraftwerks in Fukushima folgten. In dieser region lagen auch Zulieferwerke der Automobilindustrie. In einer Gesellschaft mit globalen Beschaffungsmärkten hatte das Auswirkungen auf alle Teile der Erde. Japan hat viele Handelspartner. Für alle – auch für unsere Logistiker – stellte sich eine neue Frage: wie gehen die Akteure mit möglichen Strahlenbelastungen der Teile in den Häfen und im wareneingang der Unternehmen um?

Die deutsche Logistikwirtschaft erzielt im Jahr 2011 einen rekordumsatz von 220 Mrd. Euro

Unvorhergesehene Ereignisse wie in Japan hatten auch Auswirkungen auf Europa

Page 203: VDA Jahresbericht 2012 WEB

203

Die deutschen Hersteller und Zulieferer haben zu dieser Zeit an Lösungen zur Bewäl-tigung der Situation gearbeitet: Es wurden Task Forces eingerichtet, die die Situation rund um die Uhr im Blick hatten und rasch reagieren konnten. Fluggesellschaften haben ihre Fracht noch in Japan kontrolliert. Seetransporte sind von Dienstleistern in Deutschland mit Strahlenmessgeräten überprüft worden. Bei den Messungen wurden keine Auffälligkeiten festgestellt.

Nennenswerte Lieferengpässe waren bei den deutschen Firmen nicht zu verzeich-nen, auch nicht eine nachfolgend geringere Fahrzeug- oder Ersatzteilverfügbarkeit. Lieferverzögerungen konnten rechtzeitig kompensiert werden, einzeln auftretende Versorgungsengpässe führten daher nicht zu Produktionsausfällen.

Neben der Katastrophe in Japan ging fast unter, dass es auch im vergangenen Jahr wieder eine Aschewolke eines isländischen Vulkans gab. Diesmal begrenzte sich das Ausmaß auf europaweit rund 1. 000 Flüge. Damit waren die Beeinträchtigungen deutlich niedriger als im Jahr 2010, als die Aschewolke nach seriösen Schätzungen aus Logistikbranche einen volkswirtschaftlichen Schaden von 3,5 Mrd. Euro verursachte.

Die Fälle zeigen, wie wichtig neben den Transportmöglichkeiten von Lkw und Bahn auch die Luftfracht geworden ist. Gerade für kleine, teure Teile aus Übersee oder Asien gewinnt sie an Bedeutung. Kein anderer Transportbereich ist in den vergan-genen Jahren so stark gewachsen wie dieser. Früher wurde Luftfracht vor allem zum Transport eiliger waren eingesetzt. Heute entwickelt sie sich gerade im Elektronikbe-reich immer mehr zum regelverkehr.

Allerdings sorgen die Verschärfungen der Luftfrachtsicherheit und die damit verbun-denen, teilweise erheblichen Änderungen und erhöhten Anforderungen – Stichwort „bekannter Versender“ oder „reglementierter Beauftragter“ – für eine zusätzliche Belastung der Unternehmen. Das Ziel der Logistiker sind sichere Lieferketten. Laut Untersuchungen werden ab 2013 rund 65.000 Sicherheitserklärungen von Unter-nehmen ungültig. Bisher bestanden noch Unsicherheiten, welche Anforderungen wie erfüllt werden müssen, um den Transport von Luftfracht sicher zu machen. Hier warten erneut große Herausforderungen auf die Logistiker.

Die Luftfracht nimmt an Bedeutung zu

Lieferverzögerungen wurden rechtzeitig kompensiert

Page 204: VDA Jahresbericht 2012 WEB

204Lo G I ST I K

Der VDA-Logistikkongress 2012

Unter dem Motto „wandel – zukunftsfähig absichern“ veranstaltete der VDA am 28. und 29. Februar 2012 seinen 11. Logistikkongress – erstmalig in Bremen. Führen-de Vertreter aus wirtschaft und Politik sprachen bei der Veranstaltung, darunter Jens Böhrnsen, Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen, Dr. Bernd Lieberoth-Leden, Mitglied des Vorstands der BLG LoGISTICS GroUP AG & Co. KG, Peter Theurer, Leiter Logistik Mercedes-Benz werk Bremen, und VDA-Präsident Matthias wissmann.

Ein Schwerpunktthema war in diesem Jahr die Seefracht. weiterhin wurden während der zweitägigen Veranstaltung neben interessanten Lösungsansätzen auf den Themengebieten risikomanagement, Seefracht und IT-Lösungen auch Praxisbeispiele aus dem Aftermarket, dem Packaging Management und dem Gebiet der automati-schen Identifikation behandelt.

Die begleitende Fachausstellung sowie die Besichtigungen des größten Autoterminals Europas in Bremerhaven, des BLG Logistics Centers und des Mercedes-Benz-werks in Bremen boten praxisnahe Einblicke in die welt der Logistik. Die Abendveranstal-tung gab die Möglichkeit zur Kommunikation zwischen Entscheidungsträgern aus automobilen Produktions- und Logistikbereichen, Logistikdienstleistern und Ver-packungsherstellern.

Die Seefracht war ein Schwerpunkt-thema auf dem Kongress in Bremen

Der VDA-Logistik Award Die Verleihung des VDA -Logistik Awards zählte auch 2012 wieder zu den Höhepunkten der Abendveranstaltung auf dem Logistikkongress. Bereits zum fünften Mal verlieh der VDA diesen Preis. Ausgezeichnet werden dabei beson-ders innovative Konzepte der Automotive Supply Chain, die ihre visionäre Quali-tät und ihren wirtschaftlichen Nutzen bereits in der Praxis unter Beweis gestellt haben. In diesem Jahr ging der Preis an die Schlemmer GmbH für das Logistik-konzept „optimierung der logistischen Prozesskette durch mobile Produktion“.

Page 205: VDA Jahresbericht 2012 WEB

205

Das Praxisforum Logistik 2011

Das Praxisforum der Abteilung Logistik informierte die VDA-Mitgliedsunternehmen am 14. Juli 2011 in Berlin rund um das Thema rFID (radio-Frequency Identification). Die rFID-Technologie soll dazu dienen, Logistikprozesse noch effizienter und kosten-günstiger zu gestalten. Experten vom rFID-Anwenderzentrum der Technischen Univer-sität München gaben dabei einen umfassenden Überblick zum Stand der Technik. Zu den Themen zählten die Einführung in die rFID-Technologie, die Softwareintegration des rFID-Systems sowie die Harmonisierung von Antenne und Transponder. Die robert Bosch GmbH stellte den Einsatz der rFID-Technologie zur intelligenten und effizienten Steuerung des Materialflusses im werk umfassend dar. Der Verband für Automatische Identifikation, Datenerfassung und Mobile Datenkommunikation, AIM-Deutschland, präsentierte und erläuterte die aktuelle Empfehlung der EU-Kommission zur freiwilli-gen Einhaltung des Datenschutzes vom Frühjahr dieses Jahres, die PIA (Private Impact Assessment). Das Praxisforum findet zweimal jährlich statt, mit dem Ziel, bedeutende Themen aus dem Steuerkreis Logistik oder einem anderen Arbeitskreis der Abteilung Logistik durch praxisnahe Beispiele zu veranschaulichen.

Die rFID-Technologie macht die Logistik noch effizienter

Wechselbehälter im kombinierten Verkehr

Unter der Leitung des VDA-Normenausschusses Automobil wurde Anfang 2011 die Überarbeitung der Normung EN 13044 abgeschlossen, die die Eigentümeridentifizie-rung (sogenannter ILU-Code) von der für den Eisenbahnbetrieb notwendigen betrieb-lichen Markierung trennt. Diese Normenreihe ist aufgeteilt in drei Teile. Teil 1 beinhaltet die Kennzeichnung für die Identifizierung, in der der Aufbau und die Positionierung der Eigentümeridentifizierung enthalten ist. Die gelbe Markierung für den Eisenbahn-betrieb ist in Teil 2 für wechselbehälter und in Teil 3 für Sattelanhänger beschrieben, die somit für den kombinierten Verkehr gerüstet sind.

Die neue Eigentümeridentifizierung trägt zur Fehlervermeidung mithilfe einer Prüfziffer bei. Durch eine EDV-Überprüfung können 95 Prozent aller Tippfehler sofort identifiziert werden. Außerdem kann die Eigentümeridentifizierung auch durch optische Schrift-erkennungssysteme gelesen werden, die bereits breitflächig im Einsatz sind. Dadurch weisen die gemäß Norm markierten Behälter eine geringere Durchlaufzeit auf.

Des weiteren trägt die neue Eigentümeridentifizierung zur Kostenreduzierung bei, da diese nun kompatibel mit dem internationalen BIC-Code aus der Seefracht ist (ISo 6346) und somit nur noch eine Eigentümeridentifizierung benötigt wird. Auch die Sicherheit wird durch die Markierung erhöht, da der Eigentümercode veröffentlicht wird und dadurch der Eigentümer ermittelt werden kann. Dadurch erschließen sich auch neue Möglichkeiten der Gefahrenabwehr.

Zur besseren Identifizierung von Eigen-tümern einer Ladung gibt es eine neue Norm

Page 206: VDA Jahresbericht 2012 WEB

206Lo G I ST I K

Tätigkeitsschwerpunkte der Logistikgremien

Der Arbeitskreis „Product Life Cycle Management“ Der VDA-Arbeitskreis „Product Life Cycle Managemen“t (AK PLM) legt auf Konti-nuität wert. Seit mehr als 25 Jahren setzt der Arbeitskreis hier Maßstäbe. Er ist ein effektives Netzwerk von Herstellern und Zulieferern der Automobilindustrie. Das Engagement der Beteiligten und die bewährte Arbeitsmethode zur Schaffung und Umsetzung von Empfehlungen zu Vorgehensweisen, Datenformaten und Systemkon-zepten für das gemeinsame Kooperationsnetzwerk sind Garant dafür. Die Zusammen-arbeit mit dem ProSTEP-iViP-Verein zur Bündelung von Kompetenzen wurde weiter intensiviert. Der Arbeitskreis, dem auch 2011 wieder neue Mitglieder beigetreten sind, hat 2011 folgende Ergebnisse erzielt:

Collaborative CAD/CAE Integration (C3I)Nach dreijähriger Projektlaufzeit beendete die C3I-Gruppe ihre Arbeit planmäßig. Ziel dieser ProSTEP-iViP / VDA-Projektgruppe war die Erweiterung der SimPDM-Ergeb-nisse (vgl. VDA-Empfehlung 4967) um Aspekte der domänen- und unternehmens-übergreifenden CAE-Prozesse – unter Berücksichtigung existierender Standards. Die Projektgruppe stellt damit eine umfangreiche Spezifikation zur Verfügung, die unter anderem die CAD/CAE-Prozessintegration, die CAD/CAE-Kollaborationsprozesse sowie das diesbezügliche workflow- und Change-Management adressiert.

Fahrzeugelektrik Mitte 2011 wurde die Spezifikation zum sogenannten Vehicle Electric Container (VEC) vom Arbeitskreis zur Veröffentlichung freigegeben und als VDA-Empfehlung 4968 veröffentlicht. Sie umfasst alle Aspekte der Bordnetzentwicklung. Die Teilumfänge des VEC bauen auf der VDA-Empfehlung 4964, Harness Description List (Kabelbaumliste, KBL) sowie dem ELoG-, dem KoMP- und dem GEo-Modell auf und sind zu diesen abwärtskompatibel. Zusammen mit dem ECAD Implementor Forum, einer Projektgrup-pe des ProSTEP-iViP-Vereins, bereitet die Gruppe nun die Einführung der Spezifikation in der Industrie vor und plant für 2012 auch eine themenspezifische Konferenz.

Jupiter Tesselation (JT) Kaum ein Thema wird so heiß diskutiert wie das der Visualisierung. Die Industrie braucht einfache Lösungen, die es ihr ermöglichen, Produktdaten durchgängig zu nutzen – unabhängig von teuren CAx-Lizenzen, bei kleinen Datenvolumina und hoher Funktionalität. Und diese Lösungen müssen auf Basis offener, international aner-kannter Standards funktionieren. Zusammen mit dem ProSTEP-ViP-Verein hat der AK PLM daher die Standardisierung der JT-Spezifikation 9.5 in der ISo maßgeblich vorangetrieben. Die Veröffentlichung dieser Spezifikation als ISo 14306 wird einen wesentlichen Beitrag zum Investitionsschutz darstellen. Geplant ist, dass die ISo-JT-Spezifikation im zweiten Quartal 2012 zum Download zur Verfügung gestellt wird. Um die Anforderungen aller Beteiligten – Anwender wie auch Software-Vendoren – abzustimmen und zu konsolidieren, betreibt der AK PLM seit 2009 zusammen mit dem ProSTEP-iViP-Verein drei Aktivitäten: JT workflow Forum (JT wF), JT Implementor Forum (JT IF) und JT Translatoren Benchmark (JT BM). Dem JT wF kommt dabei die rolle eines Steuerungsgremiums zu. Ausgehend von den bislang dokumentierten Anwendungsfällen (Use Cases) werden alle weiteren JT-Aktivitäten geplant. Um die Akzeptanz der Technologie zu steigern, wurde zusätzlich ein neues Instrument einge-führt, die sogenannten JT Showcases. Hier zeigen die im JT IF engagierten Software-Vendoren, welche Möglichkeiten den Anwendern mit ihrer Software zur Verfügung gestellt werden und wie sich ein Use Case live anfühlt. Das JT IF hat darüber hinaus mittlerweile die dritte Softwaretestrunde gestartet und damit zu einer deutlichen Verbesserung der Qualität von am Markt befindlicher Software beigetragen. Derzeit laufen die Vorbereitungen zum dritten JT Benchmark, in dem neue JT-Funktionalitä-ten, und das Zusammenspiel von JT und STEP AP 242 XML geprüft werden sollen.

Erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Zulieferern im AK PLM

Page 207: VDA Jahresbericht 2012 WEB

207

STEP AP 242 Die ISo-Standardisierungsprojekte JT und STEP AP 242 sind zeitlich aufeinander abgestimmt und ergänzen sich gegenseitig. Mit dem ISo-JT-Standard 14306 wird ein neutrales Visualisierungsformat zur Verfügung gestellt. Meta- und Struktur-daten, Prozessdaten, Kinematikdaten etc. können über STEP AP 242 XML abgebildet werden. STEP ist bereits heute der bedeutendste Standard zur neutralen Beschrei-bung von Produktdaten. Durch die zusätzliche Nutzung im Visualisierungsumfeld wird die Bedeutung von STEP in Zukunft massiv zunehmen. Auch das ist ein Beitrag zum Investitionsschutz. Im STEP-AP-242-Standardisierungsprojekt ist der VDA Partner eines internationalen Konsortiums. wesentliches Ziel ist es, die beiden weltweit führenden STEP-Anwendungsprotokolle AP 203 und AP 214 zum sogenannten STEP AP 242 zusammenzuführen. Damit wird ein Anwendungsprotokoll zur Verfügung gestellt, dass auf dem neuesten Stand ist, die Anforderungen der Automobil- wie auch der Luftfahrtindustrie erfüllt und damit branchenübergreifend das Produktdaten-austausch-rückgrat der Zukunft bildet.

Der Arbeitskreis „Digitale Fabrik“ Die deutsche Automobilindustrie wird immer globaler. Sie plant und eröffnet neue Produktionsstandorte und stellt Abläufe in etablierten Fabriken auf den Prüfstand, um Kosten und Zeit zu sparen und weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben. Dieser Prozess ist teilweise auch am rechner möglich. Mit einem Netzwerk aus digitalen Modellen und Methoden, wie zum Beispiel Simulation und 3-D-Visualisierung, können alle wesentlichen Fabrikprozesse und -ressourcen in Verbindung mit dem Produkt ganz-heitlich betrachtet und verbessert werden. Dieses Netzwerk, die digitale Fabrik, wird genutzt, um nach der Überprüfung die bewährten Methoden, Abläufe und ressour-cen als Planungsbausteine für neue Fabriken und Fertigungen einzusetzen.

Bisher war lediglich eine Arbeitsgruppe „Digitale Fabrikplanung“ im Arbeitskreis „Product Life Cycle Management“ angesiedelt. Dieser Ansatz erwies sich nicht mehr als zeitgemäß. Um das Themengebiet umfassend bearbeiten zu können, wurde Ende 2010 der neue VDA-Arbeitskreis „Digitale Fabrik“ konstituiert. Folgende Arbeitsgrup-pen (AG) behandeln die relevanten Themenfelder des Arbeitskreises „Digitale Fabrik“:

AG „Ablaufsimulation“ Die Schwerpunkte dieser Arbeitsgruppe liegen auf der weiterentwicklung des VDA- Automotive-Bausteinkastens, einer Bausteinbibliothek für die Simulationssoftware „Plant Simulation“. Die Bibliothek ermöglicht Simulationsstudien im Planungsprozess und zur Unterstützung des laufenden Betriebs. Die Entwicklungsthemen im rahmen des Bausteinkastens sind die Darstellung von werkertätigkeiten für das Modul „Powertrain“, die Einführung eines Bibliothekskonzepts für alle Module und die Inbe-triebnahme einer Schnittstelle zur Logistikplanung. 2011 wurde die VDA-Empfehlung 4820 „Logistiksimulation“ veröffentlicht. An einer neuen Empfehlung zum Thema „Qualitätskriterien für Simulationsprojekte“ wird momentan gearbeitet. Ein weiteres Tätigkeitsfeld der AG bildet die Mitarbeit an Forschungsprojekten im Umfeld der Ablaufsimulation. Das Projekt „AssistSim“ widmete sich der Aufgabe der Erstellung eines Assistenzsystems für Ablaufsimulationsexperten und wurde erfolgreich abge-schlossen. Es erhielt den 2. Preis des diesjährigen Hessischen Kooperationspreises, der am 5. Dezember 2011 im rahmen des Hessischen Transferforums von Staatsmi-nister Dieter Posch vergeben wurde. In diesem mit EU- und hessischen Landesmitteln geförderten Projekt wurden Hilfsfunktionen für Programme entwickelt, die Simulati-onsstudien in der Automobilindustrie unterstützen. Am Nachfolgeprojekt „EDASim“, das sich mit der Evaluierung der Simulationsdaten beschäftigt, wird aktuell gearbeitet.

Mit der digitalen Fabrik lassen sich Produktionsstandorte in aller welt planen

Preis des Landes Hessen für ein Simu-lationsprojekt unter Mitwirkung des VDA-Arbeitskreises „Ablaufsimulation“

Page 208: VDA Jahresbericht 2012 WEB

208Lo G I ST I K

AG „Digitale Fabrikplanung“ Diese Arbeitsgruppe beschäftigt sich traditionell mit Software und Prozessen rund um die Erstellung von Gebäuden und deren Infrastruktur. Zu diesem Zweck hat die AG in der Vergangenheit Softwarepakete unter anderem für die Fördertechnik-, Lackiere-rei- und Kranplanung entwickeln lassen. Aktuell auf dem Plan stehen die Prüfung von Architektursoftware auf Erfüllung aller Anforderungen der Arbeitsgruppenmitglieder und die Entwicklung eines einheitlichen und vollständigen Bauteilkatalogs für die Gebäudeplanung. Ein weiteres Tätigkeitsfeld bildet die Mitarbeit an Forschungspro-jekten im Umfeld der Ablaufsimulation (Projekte „AssistSim“, „EDASim“).

AG „Montageplanung“Die Arbeitsgruppe befasst sich mit der Entwicklung von Methoden, Schnittstellen und werkzeugen im Umfeld der Montageplanung. Ihr Ziel ist, verbindliche Standards zu definieren und eine Bibliothek beispielsweise für werkzeug- und Systemlieferanten zu entwickeln.

AG „Virtuelle Inbetriebnahme“ Die Arbeitsgruppe wurde 2011 mit dem Ziel gegründet, die Themen im Umfeld der computergestützten Inbetriebnahme der Anlagensteuerung (wie etwa SPS) und der Bedienterminals zu strukturieren und, wo möglich, zu vereinheitlichen. Ein erstes Ziel wird es sein, das Verhalten von Systemkomponenten, den sogenannten Verhaltens-modellen, systemneutral zu beschreiben und gemeinsam mit dem Komponentenher-steller in einer Bibliothek zur Verfügung zu stellen.

AG „Visualisierung“Die Arbeitsgruppe „Visualisierung“ hat sich Anfang 2012 konstituiert. Die Themen der Arbeitsgruppe beinhalten Möglichkeiten zur Darstellung von Massendaten aus verschiedensten Quellsystemen sowie die anforderungsgerechte weiterentwicklung von Softwarelösungen im Umfeld der Visualisierung.

AG „Fertigungsplanung“ Diese Arbeitsgruppe betrachtet Methoden und Tools im Umfeld der Fertigungs-planung mit Ausrichtung auf die Verwendung von ErP-Informationen (Kapazi-tätsbetrachtungen, Planungsszenarien) und Bewertung von Verbesserungen im Planungsprozess.

AG „Logistik- und Materialflussplanung“Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Standardisierung von Methoden, werk-zeugen und Schnittstellen auf dem Gebiet der Logistik- und Materialflussplanung.

Page 209: VDA Jahresbericht 2012 WEB

209

CoC–“Packaging“– Behälterstandardisierung und VerpackungsthemenDas CoC (Center of Competence) „Verpackung“ befasst sich innerhalb der ständigen Arbeitsgruppen „VDA-Kleinladungsträger“ (KLT), VDA-Großladungsträger (GLT), „räderpalette“ (EwPS – European wheel Pallet System) und „originalteilverpackung“ mit der stetigen Verbesserung der VDA-Standardverpackungen.

Gerade die ständige Aktualisierung der vom VDA entwickelten und zertifizierten Produkte KLT, GLT und EwPS bedürfen einer engen Zusammenarbeit von Automo-bilindustrie, Logistikdienstleistern und Verpackungsherstellern. Über 80 Millionen in Umlauf gebrachte VDA-KLT, ca. 5 Millionen EwPS-Zwischenlagen und ca. 500.000 EwPS-Stahlkomponentensysteme zeigen den Erfolg der Zusammenarbeit. Das VDA-GLT-System wurde 2011 weiter verbessert und wird sicherlich die Erfolgsgeschichte des „kleinen Bruders“, des VDA-KLT, fortsetzen. Darüber hinaus greift das Gremium alle aktuellen Problemstellungen und Anforderungen der Automobilindustrie zu den Themen des Verpackungswesens auf. 2011 stand das Thema „Standardisierung von Einwegverpackungen auf Basis des bewährten VDA-KLT-Systems“ im Fokus. Die Projektgruppe „VDA-Einweg KLT“ erhielt den Auftrag, einen Standard für Einwegver-packungen zu erarbeiten und in einer VDA-Empfehlung zu beschreiben.

Die Arbeitsgruppe „originalteileverpackung“ entwickelte ein eigenes, einheitliches Test- und Prüfverfahren für originalverpackungen. Dadurch werden im rahmen der Verpackungsentwicklung die Lager-, Transport- und Umschlagsprozesse anforderungs-gerecht berücksichtigt und Qualitätsrisiken vermieden. Diese Arbeitsgruppe befasst sich im Allgemeinen mit der Standardisierung von Verpackungen für originalteile und den Prozessen im Aftersales-Geschäft der Hersteller. Hierbei liegt der primäre Fokus auf den spezifischen Anforderungen des Einzelhandels und der weltweiten Lieferkette. Die Entscheidungsfindung findet in enger Zusammenarbeit der Hersteller und Zulie-ferer statt. Die gemeinsame Ausarbeitung von Pack- und Prozessstandards ist hierbei entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung, denn Verpackungslösungen für den Vertrieb weichen deutlich von Serien- oder CKD-Prozessen ab.

Enge Zusammenarbeit zwischen Auto-mobilindustrie und Logistikwirtschaft zahlt sich aus

Page 210: VDA Jahresbericht 2012 WEB

210Lo G I ST I K

VDA-Steuerkreis Logistik Die vergangenen Jahre seit der wirtschaftskrise 2008/2009 waren aus Sicht der Logistikverantwortlichen in der Automobilindustrie von starken Umbrüchen geprägt: Scharfen Kapazitätseinbrüchen folgten unerwartet hohe wachstumsraten. Der VDA-Steuerkreis Logistik als Entscheidungsorgan der VDA-Logistikabteilung hat sich im vergangenen Jahr der Bewältigung dieser Schwankungen intensiv gewidmet. Außer-dem standen folgende Themen auf dem Programm:

CDCP (Collaborative Demand Capacity Planning in der Supply Chain) Die Daimler AG hat sich bei MB Power Train intensiv mit diesem Thema beschäftigt und das Projekt auch im Steuerkreis vorgestellt. Dabei wird versucht, mit IT-Unter-stützung die Unterschiede zwischen der Kapazitätsanforderung und der Planung der tatsächlich zur Verfügung stehenden Produktionskapazität möglichst auszugleichen. ICS (Import Control System) Das ICS wurde über den VDA-Arbeitskreis „Kommunikations- und Informationstech-nologie“ in den Steuerkreis eingebracht. Hier geht es um die elektronische Bereitstel-lung der Daten, die im rahmen des ICS den Beteiligten zur Verfügung stehen müssen. Dazu gehören auch Daten aus dem Bereich Logistik. Gemeinsam mit Vertretern von Herstellern, Zulieferern und Logistikdienstleistern wurde eine Datenstruktur erarbei-tet, mit deren Hilfe die notwendigen Daten zwischen den Beteiligten dieses Systems elektronisch ausgetauscht werden können (VDA-Empfehlung 4982).

Verbesserung des Risikomanagements Bereits 2010 fanden auf Initiative von Herstellern und Zulieferern unter dem Dach des VDA Treffen mit Vertretern der Chiphersteller statt, um die Versorgungssicherheit mit elektronischen Bauteilen in der Automobilindustrie zu erhöhen. Ergebnis war eine Verbesserung der Transparenz in der Lieferkette wie auch eine bessere Versorgung bei besonders kritischen Teilen.

Odette Die Zusammenarbeit mit den Partnern aus Schweden, Tschechien, Spanien, Frank-reich und Großbritannien wurde 2011 einer kritischen Prüfung unterzogen, da in den vergangenen beiden Jahren die Leistungsfähigkeit im Bereich Logistik nachgelassen hatte. Gemeinsam mit Frankreich und Schweden wurden Abläufe gestrafft und neue Vorgehensweisen abgestimmt. Ab 2012 müssen sich die Maßnahmen bewähren.

LuftfrachtsicherheitGesetzliche Änderungen in diesem Bereich bewirkten große Änderungen im Umgang mit Luftfracht sowohl bei den Unternehmen, bei denen Teile zur Versen-dung per Luftfracht verpackt werden, als auch bei den Logistikdienstleistern, die Teilaufgaben in diesem Prozess übernehmen. 2011 gab es bei einer reihe von betroffenen Unternehmen Unsicherheiten über die Anwendung neuer Vorschriften. Die Abteilung „Logistik“ organisierte mehrere Treffen, in denen die offenen Punkte besprochen wurden. Fragen wurden gesammelt und an das Luftfahrtbundesamt (LBA) zur Stellungnahme/Beantwortung weitergeleitet. Eine gemeinsame Sitzung mit einem Vertreter des LBA wird folgen. GelangensbestätigungDieses Dokument, das den Steuerbehörden innerhalb der EU vorgelegt werden soll und über das künftig die Ablieferung der ware beim Empfänger gesondert bestätigt werden soll, greift tief in bestehende logistische Prozesse und Verantwortlichkeiten ein. Mögliche Anwendungsfälle, verbunden mit Anpassungen im Prozessablauf, wurden im Steuerkreis diskutiert. Eine Lösung liegt nicht vor. Die Unternehmen warten auf eine modifizierte Position des Bundesfinanzministeriums.

Der Steuerkreis Logistik ist bewährtes Instrument in Zeiten starker Markt-schwankungen

Page 211: VDA Jahresbericht 2012 WEB

211

Arbeitskreis „Abrechnungsverfahren“Mit dem Steuervereinfachungsgesetz hat der Gesetzgeber zum 1. Juli 2011 ein rahmenwerk geschaffen, das die Einführung der automatisierten Übertragung von strukturierten Abrechnungsdokumenten zwischen Unternehmen begünstigt. Adminis-trative Verfahren und Prozesse sind dadurch effizienter zu organisieren, Kostenvorteile werden erzielt. Bisher wurde der elektronische Übertragungsweg umsatzsteuer-lich nur mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder bei Anwendung eines EDI- (Electronic Data Interchange-) Verfahrens anerkannt. Jetzt hat der Gesetzgeber die Gleichstellung von Papierdokumenten und elektronischer rechnungsstellung geschaffen, sodass diese beiden Varianten nicht mehr zwingend erforderlich sind.Der Arbeitskreis „Abrechnungsverfahren“ hat sich zur Aufgabe gemacht, im rahmen einer Veranstaltungsreihe mit insgesamt fast 2.000 Teilnehmern die Möglichkeiten der neuen Anwendungsempfehlung VDA 4938, Teil 2/Global INVoIC, einem breiten Kreis von Unternehmen vorzustellen. Diese Empfehlung enthält die Beschreibung der Struktur der elektronischen Nachricht als der Standard, der in der deutschen Auto-mobilindustrie angewendet werden soll. Ziel der Veranstaltungen war es, so schneller eine hohe Marktdurchdringung des neuen Standards zu erreichen. Parallel hierzu wurde die Norm ergänzt und weiterentwickelt, wie zum Beispiel durch die Schaffung einer Lösung für das Übermitteln von rechnungsanlagen. Ein weiterer Schwerpunkt des Arbeitskreises war die Suche nach automatisierten Lösungen zur Übertragung von strukturierten, elektronischen rechnungen für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Gerade für diese lassen sich komplexe EDI-Lösungen meist nicht kostengünstig verwirklichen, da oftmals die erforderliche IT-Infrastruktur fehlt. Deshalb bestanden hier erhebliche Vorbehalte gegenüber der Umsetzung von elektronischen Übertragungsformaten. Die kommende Empfehlung für KMU basiert auf dem von der EU-Kommission geförderten Projekt zur Integration dieser Unternehmen in die Automobilindustrie (AUTogration) und wird als VDA-Norm 4938, Teil 3, in den Katalog der Standardlösungen des VDA aufgenommen.

Der Arbeitskreis „Abrechnungsverfahren“ wird sich auch in Zukunft den Herausfor-derungen innovativer und kostenoptimierter Ablaufprozesse vor dem Hintergrund eines sich stetig ändernden Steuerrechts stellen, das durch nationale und internati-onale Gesetze und Vereinbarungen auf die Automobilindustrie einwirkt. Beispielhaft genannt sei hier nur der einheitliche europäische Zahlungsraum (SEPA) als die künf-tige Nutzung einheitlicher Verfahren und Standards im Euro-Zahlungsverkehr. Der Arbeitskreis berichtet zudem die Ergebnisse zur weiterentwicklung der VDA-Norm für automatisierte Abrechnungszwecke, um so die Akzeptanz zu erhöhen und die Umset-zung in der Industrie zu erleichtern. Ein entsprechend gestalteter Internetauftritt wird zu diesem Zweck auf der VDA-website vorbereitet.

Steuervereinfachungsgesetz bringt Vereinfachung der elektronischen rechnungsstellung

Kleinunternehmen und Mittelständler brauchen bei elektronischen rechnun-gen kostengünstige und praktikable Lösungen

Page 212: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 213: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Die Internationale Automobil-Ausstellung

Adin Ribic – Versuchsingenieur, Forschung & Entwicklung, Valeo wischersysteme GmbH, Bietigheim-Bissingen

Page 214: VDA Jahresbericht 2012 WEB

214D I E I NTE r N ATI o N A LE A UTo M o B I L-A U S STE LLU N G

www.iaa.de

15. bis 25. September 2011 Frankfurt am Main64. Internationale Automobil-Ausstellung

Zukunft serienmäßig

Die 64. IAA Pkw 2011

Die 64. IAA Pkw vom 15. bis 25. September 2011 in Frankfurt übertraf hinsichtlich der Zahl der Aussteller und der Besucher sowie der genutzten Fläche alle Erwartungen. Sie war unter dem Motto „Zukunft serienmäßig“ internationaler Schauplatz der neuesten Innovationen und Trends der individuellen Mobilität. In einem Jahr voller Auftragsbücher und zahlreicher Absatzrekorde konnte die Automobilindustrie mit der Qualität ihrer Exponate und Innovationen zeigen, dass sie ihre Hausaufgaben gemacht hat.

Insgesamt setzte die 64. IAA Pkw starke Zeichen mit mehr Ausstellern (1.012), mehr Fläche (235.000 Quadratmeter), mehr weltpremieren (183) und mehr Besuchern (928.100) als 2009. „Die Menschen wollen Autos und sie wollen Innovationen. Sie wollen Internet und individuelle Mobilität. Sie wollen effiziente Fahrzeuge, die gleich-zeitig den hohen Ansprüchen an Sicherheit, Komfort, Qualität und Design gerecht werden – und das zu bezahlbaren Preisen“, wie VDA-Präsident Matthias wissmann auf der IAA-Abschlusspressekonferenz feststellte.

Die IAA Pkw hat alle Erwartungen übertroffen

Page 215: VDA Jahresbericht 2012 WEB

215

Die hohe Qualität dieser IAA war auch von der Internationalität geprägt. Jeder fünfte Besucher reiste aus dem Ausland nach Frankfurt. Bereits fast jeder vierte internati-onale Gast kommt aus Asien – vor zwei Jahren war es erst jeder achte. Das weltweit große Interesse an der IAA setzt sich bei den Medien fort: Über 12.000 Journalisten aus 98 Ländern kamen, um über die Automobilausstellung zu berichten.

Eine grundlegende Beobachtung konnten Besucher bei allen ausgestellten Fahr-zeugsegmenten machen: Die Fahrzeuge werden immer effizienter und sparsamer im Verbrauch – und schonen damit den Geldbeutel des Autofahrers sowie die Umwelt. Die Co2-Minderung findet dabei im gesamten Antriebsstrang statt, zunehmend aber auch durch Leichtbau und neue werkstoffe. Mit 183 weltpremieren boten die Aussteller eine außerordentliche Innovationsschau, die bei den IAA-Besuchern sehr gut ankam. Auch auf den Trend des „intelligenten Autos“ gingen die ausstellenden Unternehmen ein. Autos, die sich mit ihrem Umfeld vernetzen, sind keine Utopie mehr, sondern waren bereits auf den Ständen der Hersteller zu sehen.

Passend zum Motto „Zukunft serienmäßig“ war die Elektromobilität einer der Messe-schwerpunkte. In der erstmals eingerichteten „Halle der Elektromobilität“ informierten sich nicht nur Medienvertreter, sondern vor allem viele Tausend Autofahrer und Fach-besucher über Möglichkeiten und Modelle des emissionsfreien Fahrens.

Das Besucherinteresse aus Asien hat stark zugenommen

Das Schwerpunktthema „Elektromobi-lität“ hat Publikum und Fachbesucher fasziniert

Page 216: VDA Jahresbericht 2012 WEB

216D I E I NTE r N ATI o N A LE A UTo M o B I L-A U S STE LLU N G

Die IAA zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sie nicht nur das fertige und zukunftsfähige Automobil zeigt, sondern auch die gesamte Bandbreite der Zuliefe-rerindustrie abbildet und auf dem Messegelände vereint. Die Zulieferer stellten mit 94 weltpremieren ihre Innovationskraft unter Beweis. Dies trifft insbesondere auf den Bereich der Elektromobilität zu, wo die Zulieferer in zahlreichen und intensiven Kundengesprächen besonders gefragt waren.

Die 64. IAA Pkw bot den Besuchern eine noch nie dagewesene Fülle an Möglich-keiten, ausgestellte Autos live zu erleben oder von den Unternehmen bereitgestellte Modelle selbst Probe zu fahren. Insgesamt gab es 18.000 Probefahrten mit Pkw mit konventionellem Antrieb und über 4.650 Probefahrten mit Elektroautos. Im eigens aufgebauten Geländewagen-Parcours nutzten beinahe 42.000 Besucher die Mitfahr-möglichkeiten auf dem Beifahrersitz. Mit weiteren Sonderschauen und Aktionen wie der oldtimer-Ausstellung „125 Jahre Automobil“, einer LadiesCorner, einer Carrera-bahn oder dem Kinderkino hatte die IAA für Gäste jedes Alters und Interessengebiets das passende Angebot parat.

Mehr als 3.600 Teilnehmer besuchten die 25 Fachveranstaltungen. Erstmals kamen in diesem Jahr auch die beiden hochrangig besetzten und sehr gut frequentierten Veranstaltungen „Fachkongress Elektromobilität“ und „carIT-Kongress“ hinzu. Neben diesen beiden Premieren gab es viele weitere Fachveranstaltungen mit unter-schiedlichen Themenschwerpunkten, darunter den Designaward, den 9. Hessischen Mobilitätskongress, verschiedene Ländertage, Veranstaltungen für automobile Finanz-dienstleistungen, Besteuerung und Pkw-Telematik sowie das 25-jährige Jubiläum der Verpackungsstandardisierung im VDA.

Die IAA zeichnet sich des weiteren auch durch verschiedene Nachwuchsförder-programme und Angebote für jüngere Gäste aus. Mit den VDA-Initiativen „GoING“, die sich an die gymnasiale oberstufe wendet, und „workING“, die Studierende anspricht, konnten mehr als 1.200 Schüler und Studenten über Berufsfelder in der Automobilindustrie informiert werden. Noch stärker als zuvor wurde auch die Schulklassenaktion angenommen. Mit 28.000 Schülern und deren Lehrern konnte die Teilnehmerzahl um über ein Viertel erhöht werden.

Der enorme Zuspruch der Besucher für die sehenswerten Standbaukonstruktionen und gestalteten Standflächen der Aussteller, die zukunftsweisenden Exponate sowie das breite Aktionsangebot für Fach- und Privatbesucher zeigte den hohen Stellenwert, den die IAA als weltweit bedeutendste Schau der Automobilindustrie besitzt.

Schon jetzt können sich Besucher und Interessierte auf die nächste IAA Pkw freuen: Die 65. IAA Pkw findet im Jahr 2013 vom 12. bis 22. September statt. Auf dem Frank-furter Messegelände werden dann wieder zahlreiche Hersteller und Zulieferer aus der ganzen welt ihre Innovationskraft unter Beweis stellen und die Besucher aufs Neue beeindrucken.

Die IAA Pkw bleibt über 2013 hinaus an ihrem Stammplatz Frankfurt: Der VDA vereinbarte mit der Messe Frankfurt, die Internationale Automobil-Ausstellung nach 2013 auch in den Jahren 2015, 2017 und 2019 auf dem Frankfurter Messegelände auszurichten.

Nachwuchsaktionen für Schüler und Studenten wurden stark nachgefragt

Geboten wurden zahlreiche Fahr-aktivitäten, Fachveranstaltungen und Sonderschauen

Die IAA findet weiterhin in Frankfurt statt

Page 217: VDA Jahresbericht 2012 WEB

217

Rückblick: 60 Jahre IAA in Frankfurt

Im Jahr 1951 fand erstmals eine Automobilausstellung in den Messehallen von Frankfurt am Main statt. Seitdem hat sich nicht nur das Gesicht des Messegeländes gewandelt, auch das Automobil und damit zusammenhängend die IAA haben sich entscheidend weiterentwickelt. Dennoch: Vieles wirkt sehr vertraut und bei einem Blick auf die IAA 1951 lassen sich bis heute einige Parallelen beobachten.

wie auch die IAA 2011, konnte die IAA vor 60 Jahren ein Signal wirtschaftlicher Stabi-lität und des automobilen wachstums aussenden. Die IAA war bereits bei ihrer ersten Auflage in Frankfurt ein Spiegelbild des wirtschaftlichen Aufschwungs und kann als Startpunkt für die Autobegeisterung der deutschen Bevölkerung gesehen werden.

Mit Frankfurt positionierte sich die IAA zu Beginn des Jahres 1951 im Zentrum der noch jungen westdeutschen republik. Hier konnten Aussteller und Veranstalter auf ein intak-tes und größtenteils erhaltenes Messegelände zugreifen, darunter auch die Festhalle.

Bereits im frühen wirtschaftswunderjahr 1951 war der Besucherandrang so groß, dass der Zugang zu einzelnen Hallen beschränkt werden musste – damals noch mit beritte-ner Polizei. Auch wenn die organisation teilweise noch nicht so professionell wie heute war und die Messestände noch nicht die vollendeten Erlebniswelten von heute zeigten, standen die Besucher Schlange, um einen Blick auf Modelle zu werfen, die sie im Alltag eher selten zu sehen bekamen. In 15 Hallen bestaunten 570.000 Besucher Sportwagen von Borgward mit bis zu 100 PS, einen Mercedes-Benz 300 oder den ersten Lkw mit einem Turbo-Dieselmotor.

Der heute von den Ausstellern betriebene Aufwand lässt sich mit den Bemühungen auf der ersten Frankfurter IAA natürlich kaum vergleichen. Über die Jahre hinweg hat sich die Größenordnung von kleineren Ständen mit wenigen Exponaten zu abgeschlossenen Erlebniswelten mit Shows und aufwendig gestalteten Standbaukonstruktionen gewan-delt. Die Möglichkeit, einzelne Modelle Probe zu fahren und ein begleitendes Fachbesu-cherprogramm gab es allerdings auch schon vor 60 Jahren.

Bei der ersten Frankfurter IAA-Auflage und auch auf den folgenden Ausstellungen im 2-Jahres-rhythmus konnten die Besucher noch zahlreiche Nutzfahrzeuge bestaunen. Seit 1991 ist die IAA aufgrund der immer weiter angestiegenen Größe aufgeteilt: In ungeraden Jahren findet die IAA Pkw in Frankfurt statt, in geraden Jahren gibt es die IAA Nutzfahrzeuge in Hannover.

Schon 1951 ging von der IAA ein Signal wirtschaftlicher Stabilität aus

Der Besucherandrang war nur mit Mühe zu bewältigen

Page 218: VDA Jahresbericht 2012 WEB

218D I E I NTE r N ATI o N A LE A UTo M o B I L-A U S STE LLU N G

Elektromobilität auf der IAA

Einzelne elektrisch betriebene Fahrzeuge waren bereits auf der ersten IAA 1899 in Berlin zu sehen. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts hat die Bedeutung der elektrischen Antriebe als ein Baustein einer nachhaltigen Mobilität zugenommen. was noch zwei Jahre zuvor mit einzelnen Concept Cars begann, wurde mit der IAA 2011 zur größten Elektromobilitätsmesse der welt – mit 20.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche für Elektromobilität.

Auf der 64. IAA Pkw wurde dem gestiegenen Interesse und Angebot mit einem eigenen Ausstellungsbereich inklusive Probefahrten und einem eigenen Kongress rechnung getragen. Die „Halle der Elektromobilität“ erfreute sich mit einer Ausstellungsfläche von mehr als 5.000 Quadratmeter einer großen Nachfrage bei den Besuchern und Journalisten. Hier stellten sich 93 Unternehmen der vollständigen wertschöpfungskette im „Ecosystem Elektromobilität“ dar. Vom kleinen Systemteil bis hin zum komplet-ten Fahrzeug präsentierten Zulieferer und Fahrzeughersteller zukunftsweisende und umweltfreundliche Innovationen. Presse, Fachbesucher, Publikum und Aussteller kamen konzentriert miteinander über die Chancen der alternativen Antriebstechnologie ins Gespräch. So konnte die konzeptionell herausgehobene Halle einen branchenübergrei-fenden Überblick über die Akteure in diesem Markt ermöglichen.

Bei den erstmals angebotenen Elektroprobefahrten hatten die IAA-Besucher die Möglichkeit, die Alltagstauglichkeit der ausgestellten Elektroautos zu erfahren. Hierzu wurde eigens eine Teststrecke auf dem Messegelände mit Start direkt an der „Halle der Elektromobilität“ eingerichtet.

Der erstmals ausgerichtete „Fachkongress Elektromobilität“ am 21. September 2011, gemeinsam organisiert von den Verbänden VDA, BDEw, BDI, Bitkom, VCI und ZVEI, dokumentierte die Leistungen der deutschen Automobilindustrie und ihrer Partner in diesem Bereich. Entwicklungsvorstände der Hersteller und Zulieferer sowie Vorstände von Unternehmen aus anderen Industriezweigen sprachen vor mehr als 500 Teilneh-mern über die Elektromobilität von heute und morgen. Den Abschluss bildete eine Experten-Podiumsdiskussion über „Fahrzeug- und Mobilitätskonzepte“.

Der „Fachkongress Elektromobilität“ verzeichnete mehr als 500 Teilnehmer

Die IAA ist auch die größte Elektro-mobilitätsmesse der welt

Page 219: VDA Jahresbericht 2012 WEB

219

Ausblick: die 64. IAA Nutzfahrzeuge 2012 in Hannover

Zwischen dem 20. und 27. September 2012 trifft sich die internationale Nutzfahrzeug-familie unter dem Motto „Motor der Zukunft“ auf der 64. IAA Nutzfahrzeuge in Hannover. Nach der IAA 2010, die als wendepunkt im nationalen und internationalen Nutzfahrzeuggeschäft galt, haben sich für 2012 alle großen Aussteller aus den Berei-chen Lkw, Aufbauten und Anhänger sowie Zulieferer angemeldet, um ihre neuesten Entwicklungen, Produkte, Studien, Modelle, Aufbauten und Teile zu präsentieren. Dabei werden vor allem Themen wie Effizienz im Vordergrund stehen, beispielsweise im Bereich Aerodynamik, aber auch Innovationen in den Bereichen alternative Antrie-be vom Hybridantrieb über Elektroantrieb bis hin zur Brennstoffzelle. weitere wichtige Themen werden die weitere optimierung bei Verbrauch, Emissionsausstoß und Sicher-heit sein. Die IAA wird damit erneut verdeutlichen, dass das Nutzfahrzeug führend in der Umwelttechnologie bleibt und ein Taktgeber technologischer Trends ist.

20. BIS 27. SEPTEMBER 2012 IN HANNOVER

www.iaa.de

NUTZFAHRZEUGE

MOTOR DERZUKUNFT

64. Internationale Automobil-Ausstellung

Effizienz, Aerodynamik und alternative Antriebe stehen im Vordergrund

Page 220: VDA Jahresbericht 2012 WEB

220D I E I NTE r N ATI o N A LE A UTo M o B I L-A U S STE LLU N G

Im rahmen der Sonderschauen werden 2012 unterschiedliche Probefahrten-Aktionen angeboten, wobei erstmals auch elektrische Fahrzeuge zum Einsatz kommen sollen. Die Innovationsbühne geht ebenfalls auf alternative Antriebskonzepte und deren Infrastruktur, aber auch auf Fahrzeug- und Fahrersicherheit ein. Bei den Fahrvorfüh-rungen können die Zuschauer die Innovationen der Nutzfahrzeughersteller und Zulie-ferer von der Tribüne aus mitverfolgen und werden sachkundig über die technischen Hintergründe informiert.

Der auf der IAA Pkw bereits etablierte „Fachkongress Elektromobilität“ hält nun auch auf der IAA Nutzfahrzeuge Einzug. Zahlreiche Fachveranstaltungen bieten die Möglichkeit, sich branchenübergreifend rund um die Nutzfahrzeugindustrie auszu-tauschen oder sich über Arbeitsmöglichkeiten in diesen Branchen zu informieren.

Im Jahr 2010 fand die 63. IAA Nutzfahrzeuge mit der zweithöchsten Ausstellerzahl aller Zeiten statt. 1.751 Aussteller aus 43 Ländern waren Ausdruck der weltweit anziehenden Nutzfahrzeugmärkte. Für die 241.500 Besucher hatten die Aussteller 272 weltpremieren im Gepäck. Darüber hinaus bestand auf den 23 vom VDA organisier-ten Fachveranstaltungen sowie bei den zahlreichen Sonderaktivitäten die Möglichkeit, sich über Fragen von Transporteffizienz, Technik, Sicherheit und Umwelt in der Nutz-fahrzeugbranche zu informieren und die Produkte in Aktion zu sehen.

weitere und laufend aktualisierte Informationen zur 64. IAA Nutzfahrzeuge 2012 finden Sie im Internet unter www.iaa.de.

„Fachkongress Elektromobilität“ bereichert die IAA Nutzfahrzeuge

Page 221: VDA Jahresbericht 2012 WEB

221

Elektromobilität und „CarIT“ auf der IAA Nutz-fahrzeuge Das anbrechende Zeitalter der Elektromobilität erfordert neue Partnerschaften über die Grenzen der Automobilindustrie hinaus. Der VDA hat daher gemeinsam mit den Industrieverbänden BDI, BDEw, Bitkom, VCI und ZVEI auf der 64. IAA Pkw in Frank-furt den „Fachkongress Elektromobilität“ veranstaltet. Fachleute aus Industrie, Politik und breiterer Öffentlichkeit tauschten sich intensiv über die Chancen und Heraus-forderungen der Elektromobilität aus. Die resonanz war außergewöhnlich groß, weil hochrangige referenten Themen entlang der gesamten wertschöpfungskette vorstell-ten. Hier hat der Kongress Pionierarbeit geleistet. Auf der 64. IAA Nutzfahrzeuge 2012 wird der industrie- und gesellschaftsübergreifende Dialog zur Elektromobilität weitergeführt und der aktuelle Status der Entwicklungen vorgestellt.

Das zweite Kernthema war die Informationstechnologie im Auto. Im Mittelpunkt standen Fahrerassistenzsysteme wie etwa Bremsassistenten oder Müdigkeitswarner, die Kommunikation von Fahrzeugen untereinander sowie mit Verkehrsleitzentralen. Diesem Themenkomplex war der Kongress „CarIT“ gewidmet, veranstaltet vom VDA, der Fachzeitschrift „AutomotiveIT“ und dem Branchenverband Bitkom. Über 300 Spezialisten berieten über die Zukunft der Automobilindustrie unter dem Aspekt der zunehmenden Vernetzung. Innovationen und Lösungen im Bereich der Informa-tions- und Kommunikationstechnologie werden als wichtiger Baustein für intelligente Mobilitätskonzepte des 21. Jahrhunderts auf dem Kongress „CarIT“ auch im rahmen der IAA Nutzfahrzeuge 2012 vorgestellt und diskutiert.

Page 222: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 223: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Historische Fahrzeuge

Beatrice Kaiser – Chemielaborantin, Labor, Assmus Metallveredelung GmbH, Dietzenbach

Page 224: VDA Jahresbericht 2012 WEB

224H I STo r I S C H E FA H r Z E U G E

Oldtimer liegen im Trend

Der im Jahr 2007 gegründete Fachbereich „Historische Fahrzeuge“ innerhalb des VDA signalisierte die wachsende Bedeutung der Traditionsarbeit bei den Mitglieds-unternehmen. Die deutschen Automobilhersteller nutzen erfolgreich ihre Historie zur Erhaltung und Stärkung ihrer Markengrundwerte, um damit Kunden und Mitarbeitern orientierung zu vermitteln und um sich von Mitbewerbern zu differenzieren. Jeder Fahrer eines oldtimers wird als Markenbotschafter gesehen, sodass das steigende Interesse in der Bevölkerung an diesem Thema eine erfreuliche Entwicklung darstellt.

Die Zahl der in Deutschland zugelassenen oldtimer nimmt stetig zu. Der 2011 vom Kraftfahrt-Bundesamt registrierte Zuwachs für Fahrzeuge mit H-Kennzeichen ab einem Mindestalter von 30 Jahren beträgt 11,2 Prozent und ist ein deutliches Signal dafür, dass das Interesse an oldtimern ungebrochen ist. Der Anstieg ist vor allem auf Fahrzeuge der 1970er- und 1980er-Jahre zurückzuführen und belegt, dass auch jüngere Bevölkerungs-gruppen diesem Thema gegenüber aufgeschlossen sind. Trotzdem stellen oldtimer mit einem Anteil von 0,5 Prozent am gesamten Kfz-Bestand lediglich eine randgruppe im Gesamtspektrum der in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge dar.

Parallel zur Bestandsentwicklung nimmt auch die wertentwicklung von oldtimern einen positiven Verlauf. Der vom VDA zusammen mit dem Informationsdienst classic-car-tax aus Castrop-rauxel entwickelte und jährlich veröffentlichte Deutsche oldtimerindex weist für 2011 eine Steigerung von 9,2 Prozent zum Vorjahr auf. Zu dieser Entwicklung hat sicherlich auch der durch die allgemeine wirtschaftliche Situation verursachte Trend zu Investitionen in Sachwerte beigetragen.

Unternehmen nutzen Historie als Diffe-renzierungsmerkmal ihrer Marke

Sowohl die Zahl der oldtimer als auch deren wertentwicklung nimmt zu

1.000

1.500

2.000

Deutscher OldtimerindexIndexentwicklung seit 1999

Quelle: classic-car-tax

2010 2011 20092008200720062005200420032002200120001999

1.776

1.941

1.7321.690

1.511

1.430

1.215

1.190

1.1041.090

1.0401.0151000

Page 225: VDA Jahresbericht 2012 WEB

225

Knapp 7 Prozent der oldtimer fanden 2011 einen neuen Besitzer

Der oldtimer ist jedoch als Investitionsobjekt eher weniger geeignet, da sich mit seinem Erwerb eine reihe von Nebenkosten verbindet, die einen möglichen wertzuwachs schnell absorbieren können. Deshalb empfiehlt sich nur dann ein Kauf, wenn ein emoti-onaler Bezug zum oldtimer vorhanden und auch eine Nutzung damit verbunden ist.

Für das Jahr 2011 erfolgte erstmalig eine Untersuchung der Besitzwechsel von Fahr-zeugen mit H-Kennzeichen. Dabei stellte sich heraus, dass lediglich 16.120 Fahrzeuge oder 7 Prozent des Gesamt-oldtimerbestands im Jahr 2011 einen neuen Besitzer gefunden haben. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, dass oldtimerfahrer sich nur ungern von ihren Schätzen trennen. Es zeigte sich außerdem, dass Fahrzeuge der Marke Mercedes-Benz mit 25,7 Prozent den weitaus größten Anteil an den verkauf-ten Fahrzeugen hatten. Danach folgten weitere besonders beliebte deutsche Marken wie Volkswagen (18,3 Prozent) und opel (6,5 Prozent). Bei einem von classic-car-tax ermittelten durchschnittlichen Fahrzeugpreis von 13.800 Euro betrug der Gesamtver-kaufswert für 2011 ca. 222 Mio. Euro.

Eine von der VF-Verlagsgesellschaft initiierte und durch den VDA unterstützte Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach brachte neue Erkenntnisse zur wirtschaftli-chen Bedeutung des oldtimers. Gleichzeitig konnten detaillierte Daten zum demogra-fischen Hintergrund gewonnen werden. So wurde ermittelt, dass es in Deutschland 4,42 Millionen Menschen mit einem besonderen Interesse an oldtimern gibt. Erwar-tungsgemäß sind 88 Prozent davon Männer; das Durchschnittsalter der Interessier-ten beträgt 52 Jahre. Deren Interesse liegt schwerpunktmäßig auf Fahrzeugen der 1960er- und 1970er-Jahre. Die direkten mit oldtimern erwirtschafteten Umsätze aus Handel und Gewerbe betragen laut Allensbach mehr als 5 Mrd. Euro. Da die Ausga-ben für Nebenkosten wie Versicherungen, Teilnahme an Veranstaltungen, Steuern, Gutachten, Kraftstoffkosten und vieles andere nicht in diesem Betrag enthalten sind, wird deutlich, dass sich aus dem ursprünglich reinen Hobbythema ein veritabler wirt-schaftszweig entwickelt hat.

0

50.000

100.000

150.000

200.000

250.000

300.000

2011201020092008200720062005200420032002

Bestandsentwicklung Oldtimer

Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt

Page 226: VDA Jahresbericht 2012 WEB

226H I STo r I S C H E FA H r Z E U G E

Vorbild Deutschland: Hier bestehen vergleichsweise günstige Vorausset-zungen für oldtimernutzer

Politische Aktivitäten

Die im Frühjahr 2009 begonnene Zusammenarbeit von Parlamentariern mit Vertretern der unterschiedlichen Interessengruppen für oldtimer wurde auch 2011 fortgesetzt. Der eigens hierfür etablierte Parlamentskreis „Automobiles Kulturgut“ des Deutschen Bundes-tages tagte im Jahr 2011 zweimal, um sich über oldtimerrelevante Themen auszutauschen.

Einen besonderen Schwerpunkt bildete die Diskussion rund um den Biokraftstoff E10. Aufgrund der befürchteten Unverträglichkeit des ethanolhaltigen Benzins ist es das Bestreben der oldtimerinteressierten, die langfristige Versorgung mit dem Kraftstoff E5 sicherzustellen. Es zeigte sich jedoch bei der Auswertung der verschiedenen Expertenbeiträge, dass die erwarteten Schäden bei der Verwendung von E10 bisher nicht eingetreten sind. In einigen Aspekten – zum Beispiel bei der befürchteten Korro-sion im Tank – wurde deutlich, dass der neue Kraftstoff sogar ein besseres Verhalten als der bisherige aufweist.

Auch die Genehmigung für Kraftfahrzeugkennzeichen mit Sonderformat, wie es zum Beispiel bei Fahrzeugen aus den USA benötigt wird, ist ein dauerhaftes Thema im Parlamentskreis. Dabei stellte sich heraus, dass Ausnahmeregelungen durchaus bestehen, diese aber unterschiedlich angewandt werden. Es wurde berichtet, dass bei Genehmigungsverfahren trotz Befürwortung durch die technischen Prüforga-nisationen bei gleichem Sachstand von den zuständigen Behörden von Fall zu Fall unterschiedlich entschieden wurde. Es wird deshalb diskutiert, ob eine gesetzliche regelung sinnvoller als die bestehende Verordnung ist.

Die für die Einführung eines wechselkennzeichens notwendige Verordnung wurde im Dezember 2011 vom Bundesrat endgültig verabschiedet. Damit wird es voraussichtlich ab Mitte 2012 möglich sein, unterschiedliche Fahrzeuge auf ein Kennzeichen zuzulassen. Für oldtimerbesitzer werden die mit dieser Neuerung verbundenen Erwartungen nicht erfüllt. So können lediglich zwei statt, wie beispielsweise in Österreich, drei Fahrzeuge mit einem Kennzeichen zugelassen werden und die erwartete Steuererleichterung kam auch nicht zum Tragen. Außerdem können wechselkennzeichen nur für Fahrzeuge mit gleicher Kennzeichengröße verwendet werden, die aber bei oldtimern und vor allem bei Motor-rädern oft abweichen. So bleibt als einziger Vorteil eine günstigere Tarifeinstufung durch die Versicherungsgesellschaften, die aber ebenfalls noch nicht gesichert ist.

In der Europäischen Union wurde die Zusammenarbeit mit der European Parliament Historic Vehicle Group (EP-HVG) fortgesetzt. 2011 traf sich der Kreis aus Europa-Abge-ordneten, Vertretern des weltverbands FIVA und des VDA viermal in Brüssel und Straß-burg. Dabei wurde deutlich, dass die gesetzlichen rahmenbedingungen zum Betreiben eines oldtimers in Deutschland wesentlich günstiger sind als in vielen anderen Ländern Europas. Deshalb steht eine EU-einheitliche Definition für historische Fahrzeuge als Schwerpunkt auf der Agenda. Mit den Parlamentariern einigte man sich auf eine mögli-che Definition, die sich stark an der deutschen Variante orientiert.

Bei einem Treffen mit einem Vertreter der EU-Generaldirektion Mobilität und Verkehr (DG MoVE) wurde die Notwendigkeit einer solchen einheitlichen Definition dargelegt. Dabei wurden die Bedenken bezüglich technischer Sicherheit von oldtimern sowie hinsichtlich des Schadstoffausstoßes diskutiert und eventuelle Überprüfungsme-thoden angesprochen. Als gutes Beispiel für die Definition von oldtimern wurde die deutsche richtlinie für die Erlangung von H-Kennzeichen vorgestellt, die von der DG MoVE nun hinsichtlich einer möglichen referenz herangezogen werden könnte.

Bezüglich der E10-Problematik im Zusammenhang mit oldtimern wurde besonders auf die deutschen Erfahrungen reflektiert. Auf die Notwendigkeit einer dauerhaften Versorgung mit dem herkömmlichen Kraftstoff E5 wurde deshalb seitens des VDA und der EP-HVG bei der zuständigen Kommission hingewiesen.

Auch im Zusammenhang mit der Neufassung der richtlinie 2009/40/EG zur tech-nischen Überwachung von Kraftfahrzeugen schlug die EP-HVG der zuständigen Kommission vor, die besonderen Belange von historischen Fahrzeugen zu berücksich-tigen. Der Kommissar sagte eine Prüfung zu.

Keine Schäden an oldtimern durch Einführung des Kraftstoffs E10 fest-stellbar

Die Genehmigung von Kfz-Kenn-zeichen im Sonderformat bereitet Probleme

Die Ausgestaltung des wechselkenn-zeichens ist eine Enttäuschung

Page 227: VDA Jahresbericht 2012 WEB

227

Die Charta von Turin

Im Jahr 2011 wurden die Aktivitäten mit dem oldtimer-weltverband FIVA seitens des VDA weiter intensiviert. Dies bezog sich besonders auf die Beratung hinsichtlich eines Grundsatzpapiers zur Bewahrung des Kulturgutes „historische Fahrzeuge“. Unter dem Arbeitstitel „Charta von Turin“ wird seit zwei Jahren ein Papier entwickelt, das vorwie-gend als Argumentationsgrundlage im politischen raum dienen soll.

Für die deutsche Automobilindustrie ist dieses Thema von großer Bedeutung, da die ständige technische weiterentwicklung bei aktuellen Fahrzeugen gerade in Bezug auf Umwelt und Sicherheit die Gefahr birgt, dass oldtimer zunehmend als Exoten oder gar als risiko im öffentlichen Straßenverkehr angesehen werden. Im Zuge der aktuellen Gesetzgebung wird es immer häufiger notwendig, Ausnahmeregelungen für ältere Fahrzeuge zu fordern. Das wird aber nur gelingen, wenn historische Fahrzeuge als technisches Kulturgut angesehen werden. Deshalb wurde eine eigene Arbeitsgruppe – bestehend aus Mitgliedern der Traditionsbereiche von Audi, BMw und Daimler – eingesetzt, die Vorschläge der FIVA zu kommentieren.

Anlässlich eines Treffens zwischen Vertretern der Industrie und der FIVA konnte ein gemeinsames Verständnis erarbeitet werden. Dabei war es allen Teilnehmern wichtig, die Charta von Turin so zu gestalten, dass diese als verbindendes Element für alle unterschiedlichen oldtimer-Interessengruppen dient. Außerdem wurde vereinbart, dass bei der weiteren Bearbeitung der Status quo in den einzelnen Mitgliedsländern nicht gefährdet wird.

Auch in der „Arbeitsgemeinschaft Historische Fahrzeuge“ des ADAC, des Zentralver-bands des Deutschen Kraftfahrtgewerbes (ZDK) und des VDA war die Charta von Turin 2011 ein zentrales Thema. Der ADAC präsentierte eine überarbeitete Fassung, die von den Beteiligten als wesentlicher Schritt in richtung endgültiger Fassung anerkannt wurde.

Die von der Arbeitsgemeinschaft gemeinsam gestaltete oldtimer-Sondershow auf der IAA stand unter dem Motto „125 Jahre Automobil“. Auf dem 1.000 Quadratmeter großen Stand konnte das weite Spektrum der erfolgreichen Geschichte anhand auto-mobiler Meilensteine deutscher Hersteller eindrucksvoll demonstriert werden.

Die Bewahrung des Kulturguts „histori-sche Fahrzeuge“ ist eine herstellerüber-greifende Aufgabe

Die Turiner Charta verbindet europa- und weltweit unterschiedliche oldtimer-Interessengruppen

Page 228: VDA Jahresbericht 2012 WEB
Page 229: VDA Jahresbericht 2012 WEB

Stichwortverzeichnis

Ralf Adams – Ingenieur für Fahrzeugtechnik, Dipl.-Ing. FH, Project Manager, Technische Dokumentation Automotive Formel D GmbH, Troisdorf

Page 230: VDA Jahresbericht 2012 WEB

230ST I C H wo rT V E r Z E I C H N I S

Zahlen, Daten, Fakten

Umsatzentwicklung in der deutschen Automobilindustrie 14Beschäftigte in der deutschen Automobilindustrie 16Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen weltweit nach regionen 17Absatz von Light Vehicles in den USA 18Neuzulassungen und Produktion von Pkw in Japan 19Absatz von Kraftfahrzeugen in China 20Absatz von Pkw in Indien 21Pkw-Absatz in russland 22Pkw-Absatz in Mittel- und osteuropa 23Pkw-Neuzulassungen in westeuropa 24Lkw-Neuzulassungen über 6 Tonnen in ausgewählten Ländern westeuropas 25Pkw-Neuzulassungen 26Dieselanteil bei Neuzulassungen in % 27Exporte von Pkw nach Bestimmungsländern 2011 28Entwicklung der Mobilitätskosten 30Nutzfahrzeuge Neuzulassungen insgesamt 32Umsatz und Beschäftigung in der Automobil-Zulieferindustrie 36Zukünftige Auslandsaktvität nach Geschäftsfeldern 38Motive für die Internationalisierung 40

Weltwirtschaft und Welthandel

Der Export lebt vom Marktzugang 48Beispiele für Zollschutz 49Übersicht der handelspolitischen Themen: Abkommen und Marktzugang 51

Steuern und Zölle

Energiesteuer Deutschland 67Partikelfilternachrüstung 2012 im Überblick 70Neuzulassungen von Firmenwagen 2011 nach Segmenten 77

Verkehrs- und Infrastrukturpolitik

Personenverkehr in Deutschland bis 2025 98Güterverkehr in Deutschland bis 2025 99Treibhausgasemissionen bei ausgewählten Transporten 102wachsendes Stauproblem auf deutschen Autobahnen 103Entwicklung der Bundesfernstraßeninvestitionen 104Verwendung der Einnahmen aus spezifischen Abgaben des Kraftverkehrs 105ressourcenersparnis dank Lang-Lkw 107Entwicklung der rate der Verkehrstoten auf Autobahnen im internat. Vergleich 111

Klima- und Umweltschutz

Co2-Emissionen des deutschen Straßenverkehrs 114Co2-Verkehrsemissionen in ausgewählten EU-Staaten von 1990 bis 2009 115Entwicklung des spezifischen Energieverbrauchs im Personen- und Güterverkehr 115Mittlerer Co2-Ausstoß von Pkw deutscher Konzernmarken 116Übersicht: Zeitrahmen der Co2-regulierung in der EU 117Aktuelle Co2-regulierung für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge 118Co2-reduktionspfad für Pkw 119

Grafiken- und Tabellenverzeichnis

Page 231: VDA Jahresbericht 2012 WEB

231

Energieverlust von schweren Lkw 122Transportunternehmen haben Eigeninteresse an Co2-Effizienz 123Gestaltung des Labels 125reifenlabel 126Co2-Äquivalente für r134a und das neue klimafreundlichen Kältemittel r1234yf 128EU-Industriestrompreisvergleich 132EU-Industrieerdgaspreisvergleich 133Entwicklung und Zusammensetzung des Strompreises für einen mittelspannungsseitig versorgten Industriebetrieb 134Co2-Emissionen von 1990 bis 2010 in ausgewählten Staaten und regionen 137Große Erfolge bei der Emissionsminderung im Straßenverkehr: Partikelemissionen 138Große Erfolge bei der Emissionsminderung im Straßenverkehr: NoX-Emissionen 138Große Erfolge bei der Emissionsminderung im Straßenverkehr: HC-Emissionen 139Große Erfolge bei der Emissionsminderung im Straßenverkehr: Co-Emissionen 139Senkung der Abgasemissionen schwerer Lkw 140Entwicklung der Abgasstufen von Diesel-Pkw 140Euro 6 erfordert SCr 142AdBlue® wird zum regelbetriebsstoff 143Kundenfreundliche Verfügbarkeit von Adblue® 144Gesamtwasserbezug der deutschen Fahrzeughersteller 146Gesamtabwasser der deutschen Fahrzeughersteller 146Lösemittelemissionen der Fahrzeughersteller 147Summe der Abfälle der Automobilhersteller (Pkw und Lkw) 147Gesamt-Energieverbrauch deutsche Automobilhersteller pro Fahrzeug 147Unfallhäufigkeitsindex der meldepflichtigen Betriebsunfälle 148

Antriebstechnik

Aktueller Stand wLTP –Fahrzyklus 155

Fahrzeugsicherheit

Einführungsfristen AEBS für Nutzfahrzeuge 168Einführungsfristen LDwS für Nutzfahrzeuge 169Beispiele für ITS Stationen 172Zusammenhänge zur Normung von kooperativen Systemen 173Historie der rettungsdatenblätter in Deutschland 179Übersicht der Anforderungen für Kindersitze 181Zeitreihe – Pkw-Entwendungen (2001 – 2010) 182Auf Dauer entwendete Pkw im Ausland (INPoL) 183Überblick der Änderungen in der UN r107 und UN r118 188

Qualitätsmanagement

Stand der Zertifizierung nach VDA 6.x und ISo/TS 16949 195Selbstverständnis und Geschäftsfelder im VDA QMC 195Entwicklung neuer Standards unter dem Dach des VDA QMC 195Aktivitäten zum Qualitätsmanagement im VDA 195Umsatzentwicklung der Aus- und weiterbildung des VDA QMC 196Das weltweite Netzwerk der Lizenznehmer des VDA QMC 197Veranstaltungstermine des VDA QMC im Jahr 2012 198Schwerpunktthemen der VDA Automotive SYS 198

Historische Fahrzeuge

Deutscher oldtimerindex 224Bestandsentwicklung oldtimer 225

Page 232: VDA Jahresbericht 2012 WEB

232ST I C H wo rT V E r Z E I C H N I S

Stichwortverzeichnis

AAbgasuntersuchung 184ACEA 81AdBlue® 143Allianz zur rohstoffsicherung 39Anhänger- und Aufbautenhersteller 34Autobanken 88Automobilvertrieb 80Automotive-Aftermarket 94Automotive Aftersales 94

BBatteriesicherheit 176Behälterstandardisierung 209Benzin 130Beschäftigung 16Bioethanol 130Brandsicherheit bei Bussen 187Bundesamt für wirtschaft und Ausfuhrkontrolle 70Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) 187Bundesanstalt für Straßenwesen 107, 186Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) 187Bundesfinanzhof 71Bundesfinanzministerium 71Bundestag 87Bundesverband der Deutschen Industrie 87

CCarsharing 98Car-to-X-Kommunikation 170, 172

DDAT-report 83, 84DEKrA 186Deutsche Automobil Treuhand (DAT) 92Diebstahlschutz 182Dienstfahrzeuge 72Dieselbesteuerung 68Doha-runde 48

EE10 130, 226Elektromobilität 50, 90Elektronisches Stabilitätsprogramm 171Energiebesteuerung 62, 64Energiesteuerrichtlinie 57, 66Erneuerbare-Energien-Gesetzes 133Ersatzteilgeschäft 94ESP 171EU-Kommission 92Euro 5 139Europäisches Vertragsrecht 86Euro-VI 155

FFahrerassistenzsysteme 37, 167FamilienMobil 94Finanzdienstleistungen 88Firmenwagen 72Firmenwagenbesteuerung 71Forschung und Entwicklung 15Funktionale Sicherheit 171

GGelangensbestätigung 75Geräuschemissionen 160Gesetz gegen wettbewerbsbeschränkungen 85Gruppenfreistellungsverordnung 81Güterverkehr 99

HHalogenscheinwerfer 174Hauptuntersuchung 184, 185

IIAA 217, 218, 219, 221IAA Nutzfahrzeuge 2012 219, 221Instandsetzung 94

JJAMA 81

KKartellrecht 85Kfz-Service 83Kindersitze 180Kleintransporter 186Klimaanlagen 127Kraftfahrt-Bundesamt 178, 185Kraftfahrzeugsteuer 69Kundendienst 84Kyoto-Protokoll 137

LLang-Lkw 106LED-Scheinwerfer 174Lichttechnik 174Lkw-Maut 104, 108Logistik 202

MMarktüberwachung 185Mehrachsanhänger 33

Page 233: VDA Jahresbericht 2012 WEB

233

NNationale Plattform Elektromobilität 73, 74, 156, 158NEFZ 154Normung in der Elektromobilität 158

OÖkosteuer 62omnibus 35, 187originalteileverpackung 209

PParlamentskreis Automobiles Kulturgut 226Patente 91, 92Personenverkehr 98Pkw-Dichte 20Pkw-Maut 104Produktpiraterie 91

QQualitätsmanagement 191

Rrechtsschutz 91reifen-Kennzeichnungspflicht 126rettungsdatenblatt 178rohstoffe 39, 52rußfilternachrüstung 94

SSattelauflieger 33Seltene Erden 39Servicegeschäft 94Servicequalität 84simTD 170Standardverpackungen 209Start-Stopp-Automatik 37Steuerpolitik 62Steuervereinfachung 62Supply Chain Management 95

TTechnischer Kongress 2012 175Telematik 105Trailermarkt 34Typgenehmigung 185

UUnfallforschung der Versicherer 186

VVDA 186VDA-Einweg KLT 209VDA-Logistik Award 204VDA-Mittelstandskreis 41VDA-rating-Tool 42VDIK 178Verbrennungsmotoren 154Verpackung 209

WwLTP 154, 155wTo 48

XXenonlicht 174

ZZoll 75Zulieferer 36Zulieferindustrie 15

Page 234: VDA Jahresbericht 2012 WEB

234I M P r E S S U M

ImpressumHerausgeber VDA

Verband der Automobilindustrie e. V. Behrenstr. 35 10117 Berlin Telefon +49 30 897842 - 0 Fax +49 30 897842 - 600 [email protected] www.vda.de

redaktion VDA Abteilung Presse VDA Abteilung Kommunikation

Gestaltung DANGEroUS. Berlin

Druck DCM Druck Center Meckenheim GmbH, Meckenheim

ISSN 1869-2915

Copyright Verband der Automobilindustrie e. V. (VDA) 2012