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VDI-Tagung Innovative Fahrzeugantriebe 2008 Mobilität der nächsten Generation Zählt man die Zahl der Vorträge zum Thema Hybridantrieb und Batterie zu- sammen, lässt sich erkennen, was die Antriebsbranche derzeit umtreibt. Alternative Antriebe wie Plug-in-, Mikro-, Voll- und Parallel-Hybrid, aber auch Brennstoffzelle und Wasserstoff- antrieb waren klar die Schwerpunkte der sechsten VDI-FVT-Tagung „Innovative Fahrzeugantriebe“ am 6. und 7. November 2008 in Dresden. Abgasnachbehandlung gehört ins Kraftwerk, nicht ins Auto Mit zwei visionären Plenumsvorträgen startete die Tagung „Innovative Fahrzeugantriebe“ der VDI-FVT im prall gefüllten Saal mit rund 300 Teilnehmern. Die Tagung wurde zum sechsten Mal durchgeführt und bestand aus 33 Vorträgen, davon rund ein Drittel zur Hybridtechnik, die zusammen mit dem Thema Ener- giespeicher den mächtigsten Vortragsblock bildete. Als erster Plenarredner stellte Amit Yudan von Better Place vor den skeptischen Zuhörern aus der Fahrzeug-Antriebstechnik klar, dass es bei Elektrofahrzeugen nicht nur auf die immer im Fokus stehende Batterietechnik ankäme. Viel- mehr sei es wichtig, das Gesamtsystem zu be- trachten. Better Place wolle nicht selbst Batte- rien oder Elektroautos herstellen, man nehme niemandem, auch nicht dem OEM oder Zuliefe- rer, Geschäft oder Margen weg. In seiner Vision einer neuen Mobilität mit umweltfreundlichen Elektrofahrzeugen komme es vielmehr auf die Energiebereitstellung an. „Wir müssen dem End- kunden die Angst nehmen, dass er nicht mehr rechtzeitig den nächsten Ladepunkt findet. Heute weiß zwar jeder, wo eine Erdöl-Tankstelle ist, aber nicht, wo ein Strom-Ladepunkt oder eine Batterie-Austauschstation ist – noch nicht.“ Bet- ter Place verstehe sich als Integrator aller Pro- zesse von der regenerativen Stromerzeugung über die Energieverteilung bis hin zur Automobil- technik und dem Abrechnungssystem. „Wir möchten mit unserem neuen Geschäftsmodell die Mobilität in die nächste Generation transfor- mieren, sie fit für die Zukunft machen.“ Dr.-Ing. Jörg Kruhl vom Energieversorger Eon Energie AG, München, präsentierte versiert und mit Fakten untermauert seine Sicht der Dinge zur Zukunft des Elektroautos. Er möchte die Brücke schlagen zwischen Elektromobilität und Energie- wirtschaft. Dabei betonte er: „Um Elektroautos kommt man nicht herum. Die drei Treiber Ökolo- gie, Politik und Ökonomie sorgen dafür. Die Rand- bedingungen für den Beginn der Elektromobilität sind so günstig wie nie zuvor.“ Mit Hybridfahrzeu- gen könnte man zwar den Kraftstoffverbrauch um 25 Prozent reduzieren. Dies reicht jedoch nicht, Fragerunde – die Vorträge boten viel Gesprächs- stoff im Kongresszentrum in Dresden VERANSTALTUNGEN VDI-FVT-Jahrbuch 2009 70 Innovative Fahrzeugantriebe DOI: 10.1365/s35778-008-0215-x

VDI-Tagung Innovative Fahrzeugantriebe 2008

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VDI-Tagung Innovative Fahrzeugantriebe 2008Mobilität der nächsten Generation

Zählt man die Zahl der Vorträge zum Thema Hybridantrieb und Batterie zu-sammen, lässt sich erkennen, was die

Antriebsbranche derzeit umtreibt. Alternative Antriebe wie Plug-in-,

Mikro-, Voll- und Parallel-Hybrid, aber auch Brennstoffzelle und Wasserstoff-

antrieb waren klar die Schwerpunkte der sechsten VDI-FVT-Tagung

„Innovative Fahrzeugantriebe“ am 6. und 7. November 2008 in Dresden.

Abgasnachbehandlung gehört ins Kraftwerk, nicht ins AutoMit zwei visionären Plenumsvorträgen startete die Tagung „Innovative Fahrzeugantriebe“ der VDI-FVT im prall gefüllten Saal mit rund 300 Teilnehmern. Die Tagung wurde zum sechsten Mal durchgeführt und bestand aus 33 Vorträgen, davon rund ein Drittel zur Hybridtechnik, die zusammen mit dem Thema Ener-giespeicher den mächtigsten Vortragsblock bildete.

Als erster Plenarredner stellte Amit Yudan von Better Place vor den skeptischen Zuhörern aus der Fahrzeug-Antriebstechnik klar, dass es bei Elektrofahrzeugen nicht nur auf die immer im Fokus stehende Batterietechnik ankäme. Viel-mehr sei es wichtig, das Gesamtsystem zu be-trachten. Better Place wolle nicht selbst Batte-rien oder Elektroautos herstellen, man nehme niemandem, auch nicht dem OEM oder Zuliefe-rer, Geschäft oder Margen weg. In seiner Vision einer neuen Mobilität mit umweltfreundlichen Elektrofahrzeugen komme es vielmehr auf die Energiebereitstellung an. „Wir müssen dem End-kunden die Angst nehmen, dass er nicht mehr

rechtzeitig den nächsten Ladepunkt findet. Heute weiß zwar jeder, wo eine Erdöl-Tankstelle ist, aber nicht, wo ein Strom-Ladepunkt oder eine Batterie-Austauschstation ist – noch nicht.“ Bet-ter Place verstehe sich als Integrator aller Pro-zesse von der regenerativen Stromerzeugung über die Energieverteilung bis hin zur Automobil-technik und dem Abrechnungssystem. „Wir möchten mit unserem neuen Geschäftsmodell die Mobilität in die nächste Generation transfor-mieren, sie fit für die Zukunft machen.“

Dr.-Ing. Jörg Kruhl vom Energieversorger Eon Energie AG, München, präsentierte versiert und mit Fakten untermauert seine Sicht der Dinge zur Zukunft des Elektroautos. Er möchte die Brücke schlagen zwischen Elektromobilität und Energie-wirtschaft. Dabei betonte er: „Um Elektroautos kommt man nicht herum. Die drei Treiber Ökolo-gie, Politik und Ökonomie sorgen dafür. Die Rand-bedingungen für den Beginn der Elektromobilität sind so günstig wie nie zuvor.“ Mit Hybridfahrzeu-gen könnte man zwar den Kraftstoffverbrauch um 25 Prozent reduzieren. Dies reicht jedoch nicht,

Fragerunde – die Vorträge boten viel Gesprächs-stoff im Kongresszentrum in Dresden

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um dem Klimawandel und der Industrialisierung der Entwicklungsländer zu begegnen. Ein Elektro-auto dagegen erzeugt nach heutigem Energiemix aus Kohle, Atomkraft und erneuerbaren Energien nur 84 Gramm CO2 pro Kilometer.“ So müsste je-des Hybridfahrzeug eine kleine Entstickungs- und wie die Eon-Kraftwerke eine Entschwefelungsan-lage hinter sich herziehen. „Die Abgasnachbe-handlung gehört nicht mehr ins Fahrzeug, sondern zentralisiert in Kraftwerke“.

Turbohybrid und Range Extender„Reine Verbrauchskonzepte haben sich am Markt noch nie etabliert, denn Fahrbarkeit und Fahrspaß sind maßgebliche Kriterien für den Erfolg eines An-triebskonzeptes“, sagte Dr. Raimund Ellinger, AVL. Bereits im Jahr 2006 wurde das Antriebskonzept Turbohybrid vorgestellt. Mittlerweile werde der Tur-bohybrid als Versuchsfahrzeug aufgebaut. Damit ließe sich im Vergleich zu einem Referenzantrieb mit einem 2-l-Otto-Saugmotor mit variabler Ventil-steuerung in der BMW-3er-Plattform eine Ver-brauchsverbesserung von 24 % im nEFZ darstellen,

wobei der „Fahrspaß“ besser sei als im Referenz-fahrzeug. Durch weitere Optimierungen des An-triebs gebe es noch ein zusätzliches Verbrauchsre-duktionspotenzial in Höhe von 7 %.

Dipl.-Ing. (FH) Sabine Flanz, Ford Forschungs-zentrum Aachen GmbH, stellte das Brennstoff-zellenprojekt von Ford auf Basis des Ford Focus vor, das seit 2005 in Arbeit ist. Zusammenfas-send stellte sie fest, dass der Betrieb der Fahr-zeuge in Berlin sehr reibungslos verliefe. Anlauf-schwierigkeiten wurden überwunden, Hemm-schwellen abgebaut. Trotz diverser Punkte, bei denen die BSZ-Autos die Selbstverständlichkeit eines herkömmlichen Fahrzeugs noch nicht er-reichten, stehe für die nutzer die Innovation und Umweltfreundlichkeit im Vordergrund, wenn sie die anfängliche Scheu vor dem neuen durch ei-gene Erfahrung abgelegt hätten.

Brennstoffzelle und Wankelmotor im Kleinwagen Fiat 500Dipl.-Ing. Jürgen Ogrzewalla, FEV Motorentechnik GmbH, beschäftigte sich in seinem gut vorgetra-

genen Referat mit den Vorteilen und den noch zu bewältigenden Herausforderungen des Konzepts einer Hochtemperatur-Brennstoffzelle als Range-Extender-Modul in einem Elektrofahrzeug. Dazu hatte die FEV bezeichnender Weise wegen des an-spruchsvollen Packaging einen Fiat 500 umgebaut. Brennstoffzellen wiesen gegenüber Verbrennungs-motoren vor allem in Bezug auf Wirkungsgrad und Geräuschverhalten Vorteile auf. Bei BSZ-Range-Ex-tender-Modulen böte sich eine Onboard-Reformie-rung wegen der Speicherproblematik und der feh-lenden Infrastruktur für Wasserstoff an. Mit der verwendeten Hochtemperatur-Polymermembran-Brennstoffzelle kann Bauraum beim Reformer, bei der Befeuchtung und bei der Kühlung gegenüber dem niedertemperatursystem gespart werden.Um Elektroautos mit höheren Reichweiten zu er-möglichen, muss es also nicht immer eine aufwen-dige und teure Batterietechnik sein. Range-Extender als BSZ oder Wankelmotor, der sogar in den Tank des 500 eingebaut werden konnte, sind eine gute und praktikable Lösung.

Michael Reichenbach

Jörg Kruhl: Eon Energie: „Ein Elektroauto erzeugt nur 84 Gramm CO2 pro Kilometer mit zentraler Abgasnachbehandlung. So müsste ein sauberes Hybridfahrzeug – wie ein Eon-Kraftwerk – eine kleine Entstickungs- und Entschwefelungs-anlage hinter sich herziehen“.

Amit Yudan: Better Place, stellte den skep-tischen Zuhörern das innovative Elektrofahr-zeug-Konzept seines Hauses ausführlich vor: „Es kommt nicht nur auf die Batterietechnik an. Vielmehr ist es wichtig, das Gesamtsystem zu betrachten. Wir möchten mit unserem neuen Geschäftsmodell die Mobilität in die nächste Generation transformieren.“

Benjamin Kaehler: Daimler: „Wir haben Leistungsverzweigung und Parallelhybrid ver glichen. Plug-in-Varianten benötigen zwar zusätzlichen Bauraum in der Fahrzeuglänge, sind aber besser skalierbar und modulierbar. Leistungsverzweigte Systeme bieten mehr Komfort durch Antischwingung“.

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