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Veit Harlan - lm Schaffen meiner Filme Selbstbiographie, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von H. C. Opfermann Sigbert Mohn Verlag ••

Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

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Page 1: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Veit Harlan -lm Schaffen meiner Filme Selbstbiographie, herausgegeben

und mit einem Nachwort versehen von H. C. Opfermann

Sigbert Mohn Verlag

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C 1966 Sigbert Mohn Verlog. GUtersloh

Ubrary of Congress Catalogue Card Number : 66-25801 EiDband H. P. WilIberg

CeoamtberoteU"", Mohn " Co GmbH, GÜle .. loh BadI Nr. J056 . Prlnted ln Gennany

50 unwichtig ein »Filmregisseur« fur das Bild der grolkn Weltgeschichte ist, 50 wichtig wurde das, was ich als Regisseur getan habe, in der Offentlichkeit genommen und fast grund_ satzlich falsch beurteilt. Das entsprach der OberHachlichkeit,mit der man der tragischen Vergangenheit nach dem Kriege begeg­nete. Mein Fall wurde zum Musterfall - zum Schlagwort. Midt abzulehnen war sehr bequem, denn man Iehnte damit "en bloc. etwas ab, was man nicht mehr genau ru bezeichnen und smon gar nicht zu bekennen brauchte. Wer das tat, machte sim nam dem Kriege der Offentlichkeit sympathism. Es gab viele, die sich diesen billigen Sympathiegewinn nimt entgehen lieBen.

Wenn es der Sinn dies es Bumes sein sollte, fur mim und meine Karriere etwas Vorteilhaftes zu untemehmen, dann hiitte ich es nicht erst heute mit 63 Jahren", sondem smon gleim nach dem Kriege oder nam meinem endgültigen Freisprum var dem Schwurgericht in Hamburg verfaBt. Es wird heute für die­jenigen geschrieben, die ein echtes Interesse daran haben, die wahren Begebenheiten des deutsmen Filmlebens um Goebbels herum zu erfahren-und zwar genauso, wie im sie selbst erlebt habe. Ich werde die Wahrheit mitteilen - soweit ein Mensdt objektiv berichten kann. Diejenigen allerdings, die an der Ver­deckung der Wahrheit ein Interesse haben, werden an diesem Buch Argernis nehmen.

Eigentlich woIIte im nur für meine Kinder aufsdueiben" WU"­

Urn das Leben ihres Vaters, ihrer Mutter und aum ihr ef&e'''' 50 verdunkelt wurde. Sie soIleneineklareAntwortdalraulf ......... ,j~ konnen, wenn sie gefragt werden: War dein Vater eIn NI~i' oder nicht?! War er ein Antisemit oder ein Oppuatuadlt7 er, wie behauptet wird, einBusenfreund vonGoebbelsl W ..

• Barlan schrieb diese Zeilen lm Jaru.196z.

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. d H'tler-Zeit eine 50 groge Stellung aIs Regisseur hat er ln er 1

bekleidet? Was davon ist wahr? . , Mein altester Sohn Thomas" klagte berelts un Jahre 1947

darüber, wie sehr er unter dem Namen Harlan auE der Univer­sitat in Tübingen zu leiden habe. Er ging deshalb an die Sor­bonne in Paris, um unangeEochten Philosophie studieren zu konnen. Ais er spater in Palastina einen Film machte, m~te er sich einen fremden P~ und einen fremden Namen zulegen, um überhaupt nach Palastina hineingelassen zu werden.

Zu etwa der gleichen Zeit m~te ich meinen damals sieben­jahrigen Sohn Kristian *"' aus der Hamburger Schule nehmen und in ein weitentferntes Internat, nach Salem, schicken. Die Klassenkameraden in Hamburg quii.!ten ihn mit der Behaup­tung, d~ sein Vater ins Zuchthaus kommen würde.

Auch meine Tochter aus zweiter Ehe mit Hilde Korber, die Maria und Susanne Harlan hieBen, m~ten ihre Namen in »Korber« iindem, weil die Theater es ablehnten, sie unter dem Namen ihres Vaters zu engagieren.

Der Dichter Hans Homberg hat das Verhiingnis, das mich und meinen Namen traf, einmal 50 ausgedrückt: Loser und Wolf gehoren zueinander wie SchneeweiBchen und Rosenrot, Tünnes und Schii.!, Scylla und Charybdis, Veit Harlan und Jud süB.

Die Hauptrolle in dem Drama, das ich hier schildere, spiele nicht ich, sondem Dr. Josef Goebbels.

~s ist von Bedeutung, in diesem Zusarnmenhang einen von semem Stenografen niedergeschriebenen Ausspruch von Goeb­bels zu zitieren. Goebbels sprach von den Wissenschaftiem und von den Künstlem, und er bedauerte, d~ die Wissenschaftler 50 schlecht behandelt und bezahlt wurden. Er sagte:

»Welch Jamme 1 D' G' h '. r. lese elstes eroen verdienten zumindest die gle!che Betre!lung f h . 'ch . , zu er a ren, Wle 1 sie dem Kroppzeug 1I0n Frlmleuten an deih 1 di di' ge en asse, e mir unterstellt sind und

e rrut Auszeichnunge d Eh . moglich El ' n un ren, rrut Geld und allen nur

en r elchterungen b d cht d " handlun ' e a wer en und die dlese Be-g gar rucht verdienen, sondem sie mit Charakterlosig­

• Aus . •• Aus =: z~eiten Ehe ~t H,ilde Korber.

dritten Ehe nut Knstina Soderbaum.

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keit, Undank und auch mit versteckter Obstruktion beantwor­ten. Sie sollten alle diese Damen und Herren einmaI erleben, wenn wir eines Tages nicht mehr da sein sollten. Sie haben alle unser Brot gegessen - ja sich an unseren Tisch gedrangt. Sie haben ihre Millionengagen und ihre Professoren- und Staats­schauspielertitel geme von uns angenommen. Darm aber, das weiB ich ganz genau, würden sie die ersten sein, die sich wieder an die neuen Herren herandrangen und behaupten, sie w3ren schon immer gut antifaschistisch gewesen urid zur Anrlahme der Gelder und Ehrungen >gezwungen< worden. [ch kenne dieses elende Pack ".«

Dieser Ausspruch kennzeichnet sowohl Goebbels selbst ais auch seine unendliche Verachtung, die er rur die Filmschaffen­den hegte; aber auch die Situation, in der sich die 5<hau­spieler befanden, denen namlich gar nichts anderes übrigblieb, aIs entweder jede antifaschistische Bemerkung zu unterlassen oder sie Goebbels nur fühlen zu Iassen.

Wer bei solch einer Bemerkung erwischt wurde - und es waren einige -, dem wurde der Kopf abgeschlagen. Goebbels wuBte, d~ der grêH~te Teil der Filmschaffenden nicht national­sozialistisch war. Er beutete als echter »Propaganda«-Minister die Beliebtheit der Schauspieler und anderer Filmschaffender aus und verwandte sie voller Verachtung für seine Zwedœ. DaB sie ihm Nationalsozialismus vorlogen, ~te er.

Es würde ein besonderes Buch erfordem, wenn ich soime Bei­spieIe nennen würde. Ich als Filmregisseur habe ein anderes Interesse und will nur darstellen, was im selbst erlebt habe. Es wird kein schoner Blick auf die J ahre zurück sein - aber audt vorwarts sehe im nur auf eine Mauer.

Das Buch der tHfentlidtkeit vorzulegen, wurde mir wahrend de.s Sdtreibens eine immer deutlimere Gewissensfordenmg. Mir er~chienen meine privaten Erlebnisse viel weniger widttig aIs meme Konfrontation mit Goebbels und einigen midttigen Herr~n der nationaIsozialistismen Zeit. Es sdtien mir sogar geschlmtlim wimtig zu sein, das private Wesen der Menschea z~ besmreiben, die mir in ihrer hohen Mamtposition in der HltIer-Zeit auf dem kIeinen Filmsektor begegnet sind. Nebaa

• Die Quelle des Stenogramms war nicht aufzufinden.

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Hitler Goring und auch Mussolini. Goeb_ )l'bbels waren es, '. . f das deutsche Filmwesen lst noch ruemals Von

bels Wlrken au d' b h 'eben worden, der es aus 50 Irekter Niihe . emandem esc fi

J . 'ch erlebt hat Wle 1 . .

k t on Goebbels mehr ais nur »den Schmnherm des Ich aM ev ch F'lms« Ich habe in sein Privatleben gesehen und deuts en 1 . • .. •

habe auch seine Schwache erlebt. In seme ver~angrusvolle Niihe stellte man sich nidlt (wie er es selbst semem Stenografen gegenüber behauptet hatte); in diese Niihe wurde man gestellt. Ihr aus eigenem Willen ohne groBe Gefahr zu entkommen, war

nahezu unmëglich. Ob manNationalsozialist war oder nicht, ja sogar ein Gegner,

das war Goebbels bis zu einem gewissen Grade ziemlich gleich­gültig, wenn er glaubte, jemanden für seine Ziele brauchen zu kënnen. Er achtete mein Wissen von den Dingen des Films und der Dramaturgie, von denen er selbst nicht viel w~te, aber viel wissen wollte. Von Dramaturgie verstand er irnmerhin mehr ais die meisten Nichtfachleute, und in der Literaturge­schichte war er auBergewëhnlich bewandert.

Da.J5 er gebildeter war als aUe anderen führenden National­sozialisten, die ich kennenlemte, kam hinzu. Aber es kam noch etwas anderes hinzu: Goebbels glaubte an sich selbst und an seine »vaterlandische Sendung«. lhn trübte kein privates Ge­wissen. Das, was man schlechthin »ein Gewissen« nennt, besaB Goebbels nüht. Die Worte »Kopf ab«, »die Rübe 'runter« be­gleiteten seine Gesprache immer wieder.

Um das nmer zu erlautern, will ich das stenografierte Gespriim wiedergeben, das Goebbels am 16. April 1945 (also nam dem Attentat auf Hitler) mit einem seiner Freunde führte.

. »Meine Ansimten über Treue, Ehre, Eid und Gefolgschaft smd unverrückbar Ml!" fehlt di F"h' k . 'ch .. d . e a Ig elt, nu mit lrgen -welchen Entschuldig d " 'b 1 d "b hm ungen, un selen sie noch 50 plausl e,

Baru

er wegzusetzen. Darum bin ich auch für eine 50 strenge estrafung der M"

B .. armer vom 20. Juli eingetreten obwohl ich die eweggrunde, wenigst " . ' ch

halte di . ens emlger von ihnen, anerkenne. 1 ese meme Grund .. t fü' .

Staat fur unerliiBlim .sa ~.e r ~men sauberen, anstandigen Aber nu' k . Wle konnte lm sie jetztauBerachtiassen7

r OIDmen di T" Wieviel ldealism di e ranen, wenn im daran denke, mit

us ese Bewe sung unter Opfern und Entbeh-8

rungen, mit Blut und SmweiB aufgeb t d " . . ck ". au WUr e und Wle sie ]etzt ln Dre und Erbarrnhchkeit vor di H d h . . e un e ge t.«

Der Mmlster macht eine Pause Er tupft '..L di T" d· ih . ilul e Tanen ab,

le m unaufhaltsam aus den Augen rollen.

. "Id! h~be var mir ein reines Gewissen« - fahrt er darm mit lelser Shmme f~rt. -. »lch bin einen geraden Weg aufrecht gegangen, 50 , wle mem Gewissen es mir vorgeschrieben hat. Qualvoll wurde mein Weg erst fur mim, als im mich vor die Frage gestellt sah, zwischen dem Führer und Deutschland zu wahlen.

Da trat der Versucher an mich heran mit tausend verlocken­den ~rgumenten. Ich will ehrlich sein, ich habe nach dern 20. Juli, aIs eme Rettun~ De~tschlands noch mëglich war, eine Rettung, wohlgemerkt, die die Aufopferung des Führers bedingt hatte, oft geschwankt. Vor aUern, als ich in einem 50 rnakellosen und charakterlich vorbildIichen Marm wie dern Reid!sführer einen Gleichgesinnten entdeckt hatte. HimmIer und ich waren wohl in der Lage gewesen, ein Deutschland ohne Hitler in eine ge­sicherte, wenn auch vielleicht nicht in die von ihm ertraumte Zukunft zu führen. Ich habe aU diesen Versuchungen wider­standen. Meine Wahl zwischen Deutschland und dem Führer konnte nicht anders ausfallen, als sie ausgefaUen ist, obwohl ich mir klar darüber bin, daB dabei beide zugrunde gehen.

Dem Tode sehe ich mit klarem Blick entgegen. Er hat keinen Schrecken für mich. Ich werde auf den Trürnmern mein Leben beenden, wenn der letzte Funken einer Hoffnung erlosmen ist. Meine Frau und rneine Kinder werden bis zuletzt bei mir blei­ben und mein Schicksal teilen. lch bin dazu nimt irgendeines Effektes wegen entschlossen, den eine solche HandIungsweise vielleicht haben würde, sondern weil es fur mim gar keine andere Mêiglichkeit des Handelns gibt.

Ich bin der Oberzeugung, dap der Mensch in seinen Tatm weiterlebt - sa wie er sid! zu seinen Lebzeiten bewlihrt wul gehalten hat. Id! bin weiter der Oberzeugung, daP eine grope und gute Tat irgendwie und irgendwann ihre Frilchte tnlgen Wird.

An ein materielles Fortleben nach dem Tod g1aube kh DidaL Aber Wenn es ein solches geben sollte, dann werde kh NUIJt}.~~ diesem Tode in ein Walhall einziehen, in dem mkh meJne

e

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d die nm auf anstandige Weise ,. fer und Kamera en, fitkamp . d schon erwarten .«

egangen sm , ch l'ch G" Il "b vorang 1 n seiner geschi tien rOI:>e u erzeugt

DafS Goebb~chs:o gewohnlicher Aktivitat suggestiv auf . kte 51 m un war, Wlr . d er verhandelte, sprach oder stritt. jeden aus, m~tl eMm oiren gel es en, in welchen Personlichkeiten

Ieh habe vie e em . d l'ch . Z't eschrieben hab en. Es war melst eut 1 zu "b die Hltler- el g .

u er n . di Damonie von Goebbels bis zur Albernheit kennen, da", Sie e f bb 1 .. b h

er D ch Herabsetzung ist Jose Goe e suer aupt herabsetztekn. ur ondern lediglich in der diabolischen oder nieht zu er ennen, 5 '.

.. . ch W cht seiner Konsequenz, semer suggeshven Er-damorus en u W dB" . d' d Schlagkraft seines Wortes. 0 as ose sehemung un m er .

. ihm' R inkultur auftrat konnte man es nur mit Waffen bel me, b ch bekampfen, die er annahm. Wer eine falsche Waffe ge rau te, wurde rücksichtslos erschlagen.

Mit Stalins Charakter hatte derCharakter von Goebbels sehr viel gemeinsam. Das war auch der Grund, daB er von Anfang des Krieges an immer wieder von der »grol5artigen Kons€­quenz« Stalins sprach. Stalin war - 50 unglaubwürdig das kIingen mag - sein Ideal. Alles, was Goebbels in Deutschlan~ falseh fand, was er am preufSischen Militar und in der Partel­ordnung zu kritisieren hatte, fand er bei Stalin, in Stalins Heer und in seiner Partei ideal organisiert. Die grausarne Unbeirrbar­keit dieses Mannes der Abermillionen rur seine Ziele hinrich-, . ten liefS, war für Goebbels der Ausdruck des politischen Gernes.

AIs z. B. im November 1943 Feldmarschall Manstem sem . . e

Truppen in RufSland zurücknehmen mul5te, behauptete Goeb­bels, Manstein tate dies, um dem »lacherlichen Gefreiten« ZU

zeigen, daR seine Anfangserfolge nur Überraschungserf~l~e gewesen waren. Er behauptete, dafS die deutsche Generahtat "es darauf anlege«, Hitler zu beweisen, dal5 sein »Feldherm~ genie« ein grausamer Irrtum war. In diesem Sinne sagte er am 3· November 1943 zu seinem Stenografen:

»Sehen Sie, Stalin ist auch in dieser Beziehung wieder weit bess

er dran aIs wir. Die alte Zarenoffizierskaste war _ bis auf

ganz vereinzelte Reste - ausgerottet. Beim Aufbau der Roten Ann~ muRte man also aus der Not eine Tugend machen. Ihre OffiZl

ere wurden aus den Reihen der revolutionierenden Arbei~

ter und Bauern genommen, die noch die Gewehre in der HaIUI 1.0

hielten, mit denen sie die verhafSte Bourgeoisie umgelegt hatten. Das breite Volk erwies sich auch in militarischer Beziehung ais reicher Quell von T alenten und Begabungen.

Diese neuen Offiziere hatten zunachst von Strategie und T aktik ebensowenig Ahnung, wie von den gesellschaftlichen au15erlichen Formen, wie sie von den Offizieren in aller Welt beachtet werden. Aber in ihnen glühte das Feuer einer revolu­tionaren Idee. Und mit heiligem Eifer machten sie sim an ihre neue Aufgabe. Heute ist der russische Offizier nimt nur so weit, dafS er mit Messer und Gabel essen und sim in seiner neuen goldstrotzenden Uniform in jeder internationalen Offiziers­gesellschaft sehen lassen kann, sondern er beherrsmt audt das Kriegshandwerk bis zur Vollendung .

Damit hat der russisme Offizier jedem anderen Offiziers­korps und vor allem leider aum dem deutsmen folgendes vor­aus: seinen fanatischen, durch nimts ins Wanken zu bringen­den Glauben an seine revolutionare Idee und an den Führer Stalin.

... Bei den Russen gibt es keine nennenswerte Opposition, denn sie haben nicht nur die Opposition selbst, sondern den gesamten Volksboden, aus dern sie vielleimt eines Tages wieder hervorkeimen k6nnte, vollkommen vernimtet OberJahrzehnte ging die Sauberung weiter, ja, Stalin scheute sim nimt, Men­schen aus seiner engsten Umgebung, Politiker, Generale tmd hohe Parteifunktionare, mitleidlos zu liquidieren, nimt, weil sie effektiv revoltiert hatten, sondern nur, weil sie aufgrund ihres Charakters oder ihrer Herkunft anfiillig für die Bazillen thr Auflehnung erschienen und daher eine potentielle Gefahr für das Regime darstellten.. . "dl

Stalin hat viele Millionen semer Landsleute, einsdtIieIIi pers6nlicher Verwandter, Freunde und Parteigenossen. blt­blütig umbringen lassen. Dafür hat er heute Ruhe. DaEar ~ das boIsmewistische Regime unersmütterlidt tmd uw" "1 dem Siege entgegen. . . ait cW

An Clémenceau z. B. hat mir nimts 50 lDIpomert, in Frankreichs schwerster Stunde die KaltbIfHiaIœ't Verwegenheit besaB, die meuternden Divisionen •• dIIP"tI

herauszuziehen und jeden zehnten Mann ~. Das war die groBte Tat seines Lebensl Die

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d G . B muBte er sich zu dieser unmenscb._ • .1. 'h n To. eWl ch .

hel. Ulte 1 re . . gen a ber gerade das ma te die GraBe G amkelt zwm ,

bmen raus . die GraBe seiner Schuid ausgemacht hatte, ,cinerTat au~, wle es l"cklichen Zufall der Krieg fur Frankreicb.

.. d rm emen ung u lk l'lare u E "re dann vom eigenen Vo ais Kriegs-

1 gangen. r wa ver orenge R..L schaft gezogen worden. Aber gerade die

b eroer ZUT eUien ver r chl'chkeit einmalige GrofSe (1) seines Ent-in ihrer Unmel1S 1 . •• •

..Lt Clémenceau zu emer geschlchtltchen Egur smlusses maUi e . S f . d

• .1. U d d sollte ich rnich scheuen, emem taats em , FrankrelUis. na. 1 d S· tgegen und darnit auf die Vere en ung und der unserem leg en ,

kl Seres ganzen Volkes hinarbeitet, die Rübe die Vers avung un . bh cl< 1 sen? Der Kohlkopf mlill 'runter! lch werde kem a a en zu as . .

G d ..L fur' einen Defaitisten unterschrelben und wenn na engesuUl er ein zweiter Beethoven wiire, ihrn wÜIde der Kopf abge-

schlagen. «

Das war die Sprache und der Geist von Josef Goebbels. Nur in dieser Sprame hatte er ein »reines Gewissen«. Darurn w~dte er diese Sprache in Permanenz an, wenn es mm darum gmg, seine Entschlossenheit zu demonstrieren. In dieser Sprache gip­felten auch oft seine Reden, und die Millionen jubelten mm zu. Unter dem Gesetz dieser Konsequenz gab er auch den Fûm­leuten seine Befehle, wenn er es rur notwendig ruelt. Ich habe diese Sprache selbst mehrfach h6ren müssen.

Die Hoffnungen sind inzwischen zerschellt, und die Fragen haben zu einem groBen Teil eine gralSliche Antwort gefunden. DamaIs wuBten wohl noch nicht einmal die zu jeder Konsequenz entschlossenen Diktatoren, an welchem Ufer sie eigentlich lan­den würden, nachdem sie sich auf das ungewisse wütende Meer gewagt hatten, und damaIs konnte man auch nicht ahnen, daB Unsere Gegner, die »für die Freiheit« gegen Hitler-Deutschland zu kiimpfen aufgerufen hatten, im Jahre 1945 diese »Freiheit« weniger liebten, ais sie Hitler und die N ationalsozialisten gehaBt ha?en. Der ganze Westen hat es teuer bezahlen müssen, daIS er ~elnen eigenen Grund für den Krieg schlieBlich vergaB und daB ihm der HaB . mti d di . l'Il ger war ais die Liebe zu den Menschen un

e Uebe ZUT Freiheit.

JahWemer

KrauS sagte zu mir in Berchtesgaden wohin er iJn re 1.949 ais Zeu' . ,

ge m memem ProzeS gerufen wurde: »Har~ 12

lan - sagen Sie laut und deutlich es tut mir leid - dann ist der ganze Fall für Sie ausgestanden. lch habe es aum 50 gemadtt, und es ist mir nicht schwergefallen ...

lch antwortete: "DalS es mir leid tut, mit diesem Film )Jud SülS< in Verbindung gestanden zu haben, ist do<h selbstver­standlich. Es tat ja Ihnen genau wie mir schon damais leid. Aber ein solcher Ausdruck steht doch in keinem GrëBenverhaltnis zu dem Vorwurf, der gegen mich erhoben wird - und namentlim in keinem Verhaltnis zu den Verbrechen, mit dem wir beide in Verbindung gebracht werden sollen.« KrauB antwortete: ,.Na­türlich nicht. Und trotzdem genügt es. Sie sehen es an mir. Ic:h bin jetzt mehr oder weniger frei.«

Heute sage ich: Mir genügt es nicht! lm will gar nimt mit einem "Es tut mir leid« davonkommen, denn wenn ich wirldidt schuldig bin, wird mir das gar nichts nutzen.

lch habe vor Gericht gesagt, wie es waT, und über hundert Zeugen traten an, um es zu bestatigen. Jetzt werde im aum in diesem Buch 50 genau, wie das m6glich ist, sagen, wie es 1DIU',

vielleicht noch genauer ais vor Gericht, weil dort viele der hier aufgezeichneten Erlebnisse gar nicht zur Sprache kamen.

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Eltern und Geschwister

Mein Vater war der Sohn eines sehr reichen Bankiers, seine Mutter eine geborene Bienert. Die Famille Bienert besaB die millionenschwere Mühle in Plauen bei Dresden. Mein Vater selbst war »primus omnium« auf der Fürstenschule zu MeiBen gewesen. Er war also irn Gegensatz zu seinem Sohn Veit ein wahrer Musterschüler. Sein hoher Geist brachte in unser Haus im Grunewald die bedeutendsten Wissenschaftler und Künstler. 50 geschah es oft, daE ich ais Knabe auf5paziergangen mitging, bei welchen mein Vater mit Adolf von Harnad<, Walter Rathe­nau oder auch mit Josef Kainz und zahlreichen groBen Wissen­schaftlem und Künstlem wichtige, für mich unvergeBUche Unter­haltungen führte. Wer konnte damais ahnen,daBeinverlorener Weltkrieg das gesamte Verrnéigen meines Vaters verschwinden las sen und daE überhaupt alles in Unordnung kommen würde.

Ich habe am 22. September 1899 abends 21 Uhr 15 am Savi­gny-Platz in Berlin-Charlottenburg das Ucht der WeIt erbIidd.

Mein Vater, der zuniichst die Staatsanwaltskarriere einge­schlagen hatte, war dann zum Schred<en seines Vaters ,.Dichterc geworden. Er wurde ein bekannter Bühnensduiftsteller, dESS. Theaterstüd<e »Der Jahrrnarkt in Pulsnitz« und ,.Das Niirnbe­gisch Ei" über siirntliche deutsche Bühnen gingen. Aus seillIIIi!lIL':. Theaterstüd< "Das Nümbergisch Ei«, welches die ErJirullDIIca_~. Taschenuhr durch Peter Henlein dramatisdt darstellte, W. spiiter unter dem Titel »Das unsterbUche Herze e1a • . gemacht. Mein Vater war gleichzeitig Dramaturs am Thea ter. In Leipzig brachte er in der Uterarisdlen aIs ers ter Gerhart-Hauptmann-Stücke heraus. Er __ lich Vorsitzender des Verbandes Deutscher BUbrfI." und Bühnenkomponisten und hat dort bis .. segensreich rur seine Kollegen gewirkt.

Mit Rudolf Steiner, dessen Nadtfolaer

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.L. th-Harlan wurde, lag er in religiosem " UlsmU f) F '1' t d

d . f'n seiner groDen anu le ausge ragen wur e, und

Strelt , er tie 1 1 M . '1' 'h ch im Zorn gesehen, a s aXlml lan Harden in ichh~elnw . .

G ten Theorien entWlckelte, von denen mem Vater unserem ar

d gar nichts wissen wollte. ganz un Anh" .. d d

Er war ein begeisterter Naumann- ~nger un ~tan. zum Entsetzen seiner Brüder niemals so weit r~~ts, Wle sie das wünschten. Sein bester Freund war der Knttker und Schrift­steller Julius Bab, der an seinem Grabe irn Jahre 1931 eine

erschütternde Totenrede melt. Als meine Mutter im Jahre 1934 starb, durfte der Jude Julius

Bab nicht mehr an ihrem Grabe spremen. Aber er sandte uns Kindern cine erschütternde Rede, die er gehalten, wenn er

gedurft hatte.

Von meiner Mutter kann ich nur mit jener Zartlich.keit spre­chen, in der jeder von ihr spram, der sie kannte. Sie war bis in ihr 64. Jahr eine ausgesprochen smone Frau. Ais junges Miid­chen sah sie aus - wie ein Engel. lhre Güte - 50 schien es mir -war 50 groB - 50 groB -, daIS ich Hemmungen habe, sie zu beschreiben. Eigentlich wollte meine Mutter Schauspielerin werden. Aber sie hatte damals kein Geld, um Unterricht zu nehmen. Sie war ein uneheliches Kind und hatte mit diesem Mangel viel mehr Schwierigkeiten, als man 50 etwas heute nodt kennt. lch glaube, daIS sie eine sehr unglüddiche Jugend gehabt hatte - aber sie sprach nicht geme davon. Jedenfalls wurde von jener frau Kaiser aus dem bekannten "Kaisers Kaffee­geschïHt« aufgenommen. Sie war von zu Hause fOlrtg,ehluten·, und wurde Verkauferin bei Kaisers, und schlieBlich in einer Kaisers Kaffeeprobierstuben gewissermalSen eine Dort lemte sie meinen Vater kennen. Er hat sie von dem ert;tell\ Tag an, an dem er sie gesehen hat, jeden Tag besucht und sie festgehalten. Sie ist ihm eine sehr gute Frau geworden unsere liebe Mutter. . Mein Bruder Peter, der heute auf der Burg Sternberg in ...... '1"1

- groien Stil alte Hausmusik lehrt und selbst InsitrulllelLdl Daut, die vor der Zeit Johann Sebastian Bachs in der Ml18i1~WI

gebraucht wurden, war schon in seiner Jugend ein begeisterter Gitarrenspieler ...

Mein Bruder Fritz Moritz ist jetzt Professor an der Musik­hochschule in Freiburg.

Meine drei Schwestern brauche ich nicht vorzustellen. Sie werden auch kaum Anspruch darauf erheben. Ihr Leben verlief im bürgerlichen Gleichklang.

Theater in Berlin

Nachdem ich meine Famille vorgestellt habe,kehre ich zurüœ in die Jahre 1908, 1909, 1910. lm hatte das unschiitzbare Glüœ, aIs Knabe im Berliner Nollendorfplatz-Theater Josef Kainz ais »Hamlet« zu sehen und werm im auch von diesem Stück noch nichts verstand, 50 ist mir der groBe Zauber diesesAbends doch tief im Herzen haften geblieben.

Da mein Vater als Dramaturg des Lessing-Theaters zu den Prernieren der Berliner Theater meist eingeladen wurde, habe ich nicht nur den gewaltigen Aufstieg Max Reinhardts miterlebt, sondern darüber hinaus an der groBen Berliner Theaterzeit lebendigen Anteil genommen. Ich kannte nahezu alle Vorstel­lungen, und den meisten groBen Schauspielern bin ich persôn­lich begegnet. Sie verkehrten bei uns ru Hause. Da waren Alexander Moissi, Albert Bassermann, Max Pallenberg, Hans Wassrnann, Rudolf Rittner, Maria Fein, Hermine Komer, Else Eckersberg, Lucie Hoflich, Friedrich KayBler Paul W--Ld' ' - .. --,

u wig Hartau, Maria Orska; da waren Werner KrauB, Emil J annings und jene vielen anderen, die heute nicht mehr av dei" Welt sind und deren Geist in mir mxh 50 lebendig ist. werde 'ch' B sa 1 e~ne egegnung vergessen, die ich, mit Janninp ... h rnrnen, rrut dern groBen russischen Sanger Fjodor Sdwj~~ .atte, der flieBend alle Sprachen durcheinander sprach. Es

Celne

unheirnliche Personlichkeit. lch habe audt nom cleo. .... aruso h" d 1 ge ort, un Rabinhanath Tagore - in priida1_lai;l&ll

8? denen Brokat gekleidet mit langem "ÙIlDeeweil_~M. elnern sch ' , -

warzen Kneifer auE der Nase - habe _, .....

• A III 13. 1. 1966 ge.torben.

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damalige Berlin war ein einziger Tempel d" fen Das ganze lb d nen ur . auf den BUdhauer Ko e 0 er auf Pro-

der J...uns~. Ob manf nunb

man im »Café GrolSenwahn« mit Eise , Khmsch tra ,o b tessor ü1 alS oder mit der TanzerinAnita Ber er, ob man Lasker-S~ h

er 5 f der Slevogt oder EmU Orlik: Berlin war rur

Lovis Connt tra 0 1 b' '..L Gl"ck K

" tl r dl' e Urzeile allen er e rusrell:nen u s. , 'ungen uns e em~ J 'ch ilt'ch gar nimt Smauspieler werden, sondern

Elgentli wo el" . R

. lm mamte darum smon wahrend memer imIDer nur epsseur. .

. h ft St tisterie im Deutsmen Theater und ID den Schulzelt se r 0 a " Al . 1 umMax Reinhardt beobamten zu konnen. s Karnmersple en, l f

. k b nh ft Statist stand im neben dem »Ho 0 emes« klemer, na e a er . '

d P ul Wegener und der » Judith« der Tilla Duneux. lm stand

es a . T b' B t b M

Pallenberg, als er den »Clown« ID» 0 las un-ne en ax mahml'm b"h schuh« von Carl Hauptmarm mit seiner urma .1 en 0 -

misch-rnelancholismen Komik darsteilte. Als Statist und ~ls Zuschauer erlebte ich vom »Sommernamtstraum« Max Re~­hardts über den »Hamlet« und den »Lebenden Leimnam« x:rut

Moissi über die "Maria Stuart« mit Maria Fein und Herm~e , d "b die

Kërner, über den "Egmont« mit Bassermarm un u er. "Lulu« mit Maria Orska und Albert Steinrück aile Klasslk~ und aile modernen Stücke - die von Gerhart Hauptmann, die von Ibsen, die von Strindberg, um nur die wimtigsten Namen

zu nermen. . ' . d Es gehëren auch die unvergelSlime Fntzl Massary dazu un

der groBe russische RegisseurStanislawsky, denen i~ ebe~alis begegnet bin. Die Massary erlebte ich nicht nur in vlelen ih~er RoUen sondem auch bei der Uraufführung der "Czardasfür­stin« ~on Emmerich Kâlmân. lm erlebte ihr geradezu explosives Temperament, wie sie ihren kIeinen Pantoffel nach einem Tanz in das Publikurn hineinschleuderte und wie sim die Mensmen

urn dieserI Pantoffel balgterI. Stanislawsky war neben Dr. Otto Brahm das Vorbûd MaX

Reinhardts. Mit seinern berühmten »Moskauer Künstlertheater« gastierte er in .. Die drei Schwestern« von Anton Tsmechow. Dort sah i<h den bedeutenden Schauspieler Moskwin, die Ger~ manowa und die Knipper-Tschechowa - Tschechows Frau, und neben der zauberhaften kleinerI Krischanowskaja den mamtigen

Kats<halow. ln jeder dieser vielen Vorstellungen lernte ich etwas, urId ich

schrieb mir immer auf, was ich behalten wollte. Das bedeutend­ste Erlebnis allerdings war: der groge Zauberer Max Reinhardt.

Mein Vater war sehr dagegen, daR ich zur Bühn ' Es b ruh· t ih ch . e gIng.

e 19 e n s on em wenig daR ich Re<>isse d II . . ' cr ur wer en wo te und rucht Schausplaler. Aber aIs mein Vater m'ch' T

, • 1 emes ages ~t zu ~emhardt nahm, mich ihm vors tell te und erkIarte, daB lch RegIsseur werden woUte, lachelte der "Professor« auf mich herab. Er empfahI mir dringendst, zunachst einmal Schauspieler zu werden. Nur so sei ich imstande, mich in die Gemüts­verfassung der Smauspieler runeinzuversetzen. Es ist smwer - meinte er - auf der Bühne zu stehen, unter Hemmungen zu leiden oder nach einem Ausdruck zu sumen, ohne ihn finden zu kënnen. Ein Regisseur müsse das alles aus eigener Anschauung kennen. Er meinte damais: "Ein Smuster muR seinem Lehrling beibringen kënnen, wie eine Sohle angenagelt wird. Wenn er das nimt karm, soU er Schuhhandler werden.« Ich erlaubte mir

zaghaft einzuwenden, daR Dr. Brahm auch kein Schauspieler gewesen sei. Da lamte Reinhardt: "Verlassen Sie sich gefalligst nicht darauf, ein Genie zu werden. Das kann schiefgehen.«

lch habe dann auf vielen Proben, bei denen ich zusmauen durfte, erlebt, auf welche Weise Max Reinhardt seine Schau~ spieler liebte und wie er sie zu sim selber "rief«. Natürlich spielte er ihnen auch vieles vor - aber darin lag nicht seine eigentliche groge Bedeutung, sondem vielmehr daTin, daB er die Persëinlichkeit der Schauspieler entfaltete und zurn Blühen brachte. Hemmungen - namentlim bei Frauen - nahm er nicht einfach weg. Er kuItivierte vielmehr diese Hemmungen, weil sie ein Ausdruck des SchamgefuhIs seien, das den Charme und das Geheirnnis einer Frau ausmache.

Aus Max Pallenberg mamte er gam und gar: Max Pallen­berg. Und aus Hans Wassmann einen hundertprozentigenHllls Wassmann. Dem ersteren lieG er nicht nur das biilunisch VrII!­zwackte und das ewige Wortverdrehen (»Traurïng genugc lüd e.s bei Pallenberg oder »Hinterlassen Sie die trauten Verplump­hgkeiten« oder "Was kümmert mim der Vogt an - .... ,'fi Uhr ist hinabgelaufen«) und Hans Wassmann naIun • d' ,

le Eigenart, stets an der falsmen S~lle zu • ....., mal mitten im Wort. Reinhardt kultivierte die VII_III SmWiichen, bis sie zu einer suggestiven Stirke der SdI.

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d durch seine Personlichkeit verhinderte er J'ede A "ur en - rt nn ' klamotte« und er verband dann diese Eigenarten mit dem

Geist der Gestalten der groBen Dichter. Am auWi11igsten war es, wie er den ltaliener Alexander

Moissi, der zunachst von der Presse ganz abgelehn t wurde, über das merkwürdig Fremdklingende seiner italienisch-melodiosen Sprache auf eine solche Weise zu sich selbst führte, daB er schlie!Slich zu den gefeiertesten Künstlern der Reinhardt-Zeit wurde. Der Kritiker Alfred Kerr hatte ein Jahr lang striktes Hausverbot - er durfte aIso nicht über die Vorstellungen schrei­ben, weil sich Reinhardt wohl jede Kritik , aber keineswegs jede Storung in der Entwicklung seiner Schau spieler gefallen lieR

Das erste Theater, an dem ich auftreten durfte, war das »Luisen-Theater« in Berlin in der Reichenberger StraBe. In einer Nadunittagsvorstellung durfte ich den »Moritz« in »Max und Moritz« spielen. lch gefjel dem Theaterdirektor Ritterfeid. Und darum bekam ich fur die Abendvorstellung die Rolle eines jungen Grafen. Ich glaube, er hieB »Knut von Hassestrom« und war einem Roman der Hedwig Courths-Mahler entnom­men. Ich spielte die Rolle in den Lackreitstiefeln meines Bruders, der damaIs Vlan war, und war in dieser Rolle »zumindest an den Beinen glanzend«, wie Direktor Ritterfeld meinte.

In der »Berliner Morgenpost« erschienen damaIs die Romane der Courths-Mahler in Fortsetzungen. Direktor Ernst Ritter­feld - er trug einen Bart wie Kaiser Wilhelm II. - dramatisierte diese Romane und lieB sie in seinem Luisen-Theater spielen, wenn die Fortsetzungen in der »Morgenpost« bis zur Halfte gediehen waren. Der Zuschauerraum war dann mit lauter »Morgenpost-Lesern« besetzt, die wissen wollten, »ob« und »wie« sie sich kriegen.

lch war auch kurz am »Rose-Theater« in Berlin und schlieB­lich am »Trianon-Theater«, das unter dem Stadtb~hnbogen am Bahnhof FriedrichstralSe seine Vorstellungen gab. Sowohl die 5cha 'l . d

usple er wle das Publikum gewohnten sich schnell daran, aIS "h d d d wa ren er Vorstellung unentwegt die Züge larmend über as Theater hinwegrollten.

ImJahre 1915 m cht 'ch d M M a e rru er bekannte Stummfilmregisseur ax a<k, der im G t .

FI'lm d h ar en memes Elternhauses Szenen eines 5 re te zu 5 . H'lf ' emem» 1 sregisseur«. lch durfte auch kleine

2.0

Rollen spielen und war bei MaxMa-L M"dch f" aIl . LI<. » a en ur es «. Ais slch der Karnerarnann Brückner einmal di H d ch . e an vers tau t hatte, muBte Ich sogar die Kurbel des A fnah . u meapparates drehen, dIe damais noch mit der Hand be t d weg wur e.

Ende 1?~6 meldete ich mich kriegsfreiwillig und machte an der franzosischen Front den Weltkrieg in so abscheulichen Sta­tionen mit, daB ich wenig Lust verspüre, mich im einzelnen darüber auszulassen.

Ais ich vom MÛitar entlassen wurde, brachte mich der Freund meines Vaters und mein zukünftiger Trauzeuge Julius Bab, der einen leitenden Posten an der Volksbühne hatte, zu dem Direk­tor der Volksbühne am Bülow-Platz, Friedrich KayBler. Dort lernte ich erst richtig, was es heiBt, Schauspieler ru sein. Der aIte Guido Herzfeld unterrichtete mich - manchmaI auch Fried­rich KayBler -, und bei Julius Bab horten wir »Schauspieler­volontare« die einführenden Vortrage. Auch die aIte Adele Sandrock, jene berühmte Tragodin des Wiener Burgtheaters, deren Neuentdeckung aIs groBe Komikerin ich in Wedekinds »Liebestrank« miterlebt habe, hat mich vieIes gelehrt.

Sie wuBte gar nicht, daB sie komisch war. Jürgen Fehling war auf die Idee gekommen, die Wedekindsche GestaIt, eine ehemaIige Zirkusprinzessin und jetzt aIt gewordene Fürstin, mit ihr zu besetzen - Erwin Kisch führte Regie. Der Premieren­ab end wird mir stets unvergeBlich sein: lm ersten Akt war die groBe Adele entsetzlich schockiert, daB man 50 schallend über ihre »Hochdramatik«, mit der sie einst die »Medea« verkor­perte, lachte. Sie war irritiert. Sie konnte sich den Grund der viel en Lacher nicht erklaren und hatte zunachst geglaubt, ihr Kleid sei aufgepIatzt. Aber Fehling beruhigte sie in der Pause zum zweiten Akt. lm zweiten Akt fing sie bereits an, die Lacher beim Publikum hervorzulocken. Sie war zwar noch skeptisch, aber der Schock war gewichen. Und im dritten Akt war sie b~reits - vollig bewuBt - die grandiose vollendete Komikerin, die sie dann bis zu ihrem Lebensende geblieben ist.

Meine Mitschüler und Mitvolontare waren damals Heinz Hilpert, an den ich mich freundschaftlich anschloB, Friedrich Do .

mIn und noch ein paar andere.

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Bühnenschauspieler und Theaterregisseur

An der Volksbühne blieb ich drei Jahre *. Ich verheiratete mich mit der Schauspielerin Dora Gerson. Die Ehe war von kur­zer Dauer. lch ging an das Landestheater in Meiningen und spielte dort alles, »was gut und teuer war«. Dann ging ich für eine kurze Zeit zur Holtorf-Truppe und gastierte mit Mathias Wieman, Ernst Ginsberg und mit meiner damaligen Frau über­all in Deutschland und landete sch!ieBlich am Staatstheater in Berlin **. lch sprach dort den Hamlet vor und muete ihn spater unzahlige Male in Gegenwart Leopold J essners immer wieder vor anderen Schauspielern vorsprechen, weil ich nur den» Denk­prozeB« sprach und das »Suchen im Denken«. lm Staatstheater spielte ich eH Jahre lang die schonsten RoUen. Meine groBten Lehrmeister waren dort Jürgen Fehling, aber auch Erich Engel, Leopold Jessner und Erwin Piscator. Unter Fehlings Regie spielte ich mit Lucie Mannheim das Hanschen in der »Ju­gend« zurn 60. Geburtstag von Max Halbe. Es war ein groBer Erfolg. (Spater machte ich mit meiner Kristina einen Film dar­aus.) lch spielte den Leon in »Weh dem, der lügt« von Grill­parzer unter der Regie von Erich Engel, und mit Werner KrauB zusammen in »Wallenstein" den Max Piccolomini. DaB ich bei Albert Steinrü<ks letztem Auftreten des sen Sohn irn »Londoner verlorenen Sohn« - ein Stü<k, das von Shakespeare sein soU- spieien durfte, und daB ich mit Werner Kraue in der Hauptrolle des Stü<kes »Charleys Tante« alternierte, will im hier verzeichnen. Und wenn aum der Roller keinesfalls zu den grèiBten RoUen in »Die Rauber« gezahlt werden kann, 50

wa: doch diese Rolle, die ich unter der Regie von ErwinPiscator spleIte, eines meiner schèinsten Erlebnisse am Theater. lm spieite diesen M ch d . . fi h ens en, er gerade semem Scharfnmter ent-

do en :-,ar, der ihn erst radern und dann henken wollte, mit er glelchen eleme t L b f d· . th . n aren e ens reude in meinem Herzen, le

I Drr:: :l:ahren wer~e, ~is der Sargde<kel über mir zuklappt. filrnz ·t h meldete SIch Immer wieder. Schon in der Stumm-

el atte ich mit d B der de H em gro en Schauspieler Rudolf Rittner, n ans Sachs unt d R . . • er er egle von Ludwig Berger 111

•• Von 191 9-1 922. lm J ahre 192 4.

»Die Meistersinger von Nürnberg« spieIte, den David spieien dürfen. Und dann rü<kte in der Tonfilmzeit der Film immer naher an mich heran. lch war schon damals gartz fest entsdùos­sen, Filmregisseur zu werden.

AIs ich in dem Stü<k »Meier Helmbrecht.< von Ortner neben Friedrich KayBler und Kathe Gold die Hauptrolle spielte _ qualte ich mim 50 sehr mit einem für meine künstlerischen Vor­stellungen »falschen Theaterspielen« ab, daB ich fest entsdùos­sen war, von nun an selbst Regie zu führen.

Der Glaube an meine starke Lebensbejahung war zurn ersten­mal gefahrdet worden, aIs meine ers te Frau - Dora Gerson -mich verlieB. Es mutet wie ein bèisartiger Witz an, daB es aus­gerechnet mir beschieden war, von einer Frau verlassen ru werden, nur weil sie behauptete - mit einem Nichtjuden nicht leben zu kèinnen. Vor der Ehe hatten sowohl sie wie auch ihre Eltern eine ganz gegenteilige Auffassung gezeigt. Die Famille Gerson, soweit ich sie kennengelernt hatte, war liberal, und für mich gab es die Frage überhaupt nicht, ob ich eine Frau heiraten dürfe, die Jüdin sei. Ebenso gab es damals für Dora Gerson die urngekehrte Frage nicht. Aber die orthodoxen Juden in der groBen Farnilie Gerson brachten meine Frau doch 50 weit, daB sie sich zu der orthodoxen Auffassung bekehrte. Wir trennten uns, und sie heiratete einen Juden.

Etwa fünf J ahre spa ter heiratete im Hilde Kèirber. Aus dieser Ehe habe ich meine Kinder Thomas Christoph, Maria Christi­ane und Christa Susanne.

Es gab zu dieser Zeit zwei Manner, die meinem Herzen sehr nahe standen und die im wahrsten Sinne des Wortes meine Freunde waren. Der eine war Francesko von Mendelssohn, dessen Vater der Mitbegriinder des bekannten Bankhauses Mendelssohn in Berlin war. Er war CeUist, spielte im Klingler­Quartett und wurde spa ter Regisseur. In seinem Hause begeg nete ich der groBen Berliner Welt, aber auch der intemationalen Welt, wie z. B. dem Cellisten Pablo Casals, dem italienischen Musiker Ottorino Respighi, dem Smauspieler Ramon Novarro (dem ersten »Ben Hur«), dem Filmregisseur Friedrich WIlhelm Murnau und allen groBendeutschenSchauspielem. AuchA1fn4 Kerr war dort, jener Kritiker, der sim »DavidsbUndlerc nannte.

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STAATS - THEATER SCHAUSPIELHAUS AM GENDARMENMARKT

Donnersfag, den 28. Miin 1929, abends 23 (11) Uhl'

Albert Steinrück Gedachtnisfeier

Gedenkworte gcsprochen von HEINRICH MANN

"DER Einmalige AuHührung

MARQUIS VON KEITH" Schauspiel in 5 Akten von FRANK WEDEKIND

Konoul Casimir. . . Hermann, Hm SOM Der Marquia von Keith .

Schola •.

.Kren&I, BaumeUlf!t' . . . GrandAuer, Re.l.ur.leur Frau O.lermeie.r . . , Frau Krend . . . . . Freifrau v. Roaeoiron . Freifrau v, Totleben. Sascha .... .. . .

Unter Leitung von LEOPOLD JESSNER

\\'erner Kraus! Carola Neher

Heinrich George . Lothar Matbel

· Quo 'VaUburg · Albert Florath

Gisela Werbezirk · . Roaa Valleti Mady Christian. · . Haria Bard

Elilabetb Bergoer

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Meugerkncchtc . . . .

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.. Ernst Deutaeh Kurt Gaet.

Roma Baho. SibyUe Bioder. Harleoe Dietrich, Gertrud Eysoldt. Kltbe Haak, Else Heimo. Leopoldioe KonuantiD, Il.ria KoppenhOfer, Hilde KOrber, Till KIClkow. Lina Lossen, Lucie Mannheim. Renate MaUer. Martha Maria New ... Aata Nid.eo. Maria Paudler. Henny Porteo. Hannah Ralpb. Frieda Ricbard. Dagoy Servae., -,!:ne. Straub. Erika voo Tbellmaoo. Irene Triescb. Elsa Wagner, Ida Wast. Alfred Abel, Ferdinand von Allen, Alfred Braun, Ju1iue Falkeo8lein, Walter Franck, Max GUl1slorfi'. Paul GrAla. Frita Kampen, Arthur Kraulla«lt. Otto Lauhioger. Hanl Leibelt. Theodor Loos, H. C. MUller, Paul Otto. Jobaon .. Riemann. Albert Patry. Dr. Max Pohl. Emil Rameau, Heinrich Schnitzler. Heinrich Schrotb. Emit Stahl·

Nachbaur, Herrmann Thimig, Hane Wan mann, Mathia! Wiemann. Wolfgang Zilzer. Hilfilinepi&ienl: KarlheÎoz Martin Bü.hoeobild : E mil Pircbao Buhoenmu8ik : Weintraube Synkopat~n Bühocninlpeklor : Karl Rupprechl Souffleu8e: Mar!. KrUger Bohnenmei.t~r : Fraoa KaiHr

Nach dcm dritten Alt /indet eiDe Geeellschafispouse von 45 Miouteo statl. Die Gemllde Albert Steimaclt •• ind lm 100Ion<1.",,1 au.s ... ellt.

EHRENAUSSCHUSS: Dr. la. t. Geor~ Graf l'OIS Arca, K.d" .. ml·n.i.5ler Pro/euor Dr. Berlur. Loff.dfa,..5préltiJt"' Bartth, f ï"Nr Bar"oK,.ky. Prefeuer Cear! Btrn".rfl, OHrbUr&"mti.5ttr Blip. Pro/tuor A lbt r1 "; i"$(,.i". Jake/) Cold..chmidl. Vi,dlor IIrrIH" C ... monn, Victor lIoAn. In,eruJon' C,u.atl lIorlun~. Ctntralinl,.noon, P,O/f!"jOT lA-o/)()JJ Jrpn,r, Ce."aUi,r"'"r Ludu'i& Kotunrlle".08''', Dr. Poul JÙmpnu. Ur. Robert I\/ti". GenrrolJird'or Lud ... ~ K/i'ucll. lIan. 1.cu:lam."n- J\1ollc. C.n.raJlt.n .• &J E'uK,n Landau. Pro/enor ~fox Lidt.rmonn, R.i~A!I· '"".pra.ifknl P.ttI LÂt. PrlhiJ.r", F,an. von ~f,"Jtll~oJan , Direk'ttr IItinriclt N,fl. Pro/t,'t.or .\lax H,inJ.a,th , l'rol,,!',,r Dr. ": .. ~,n 1(0 •• 11. J'rof, .. or ";J.·in Scllarlf. JJ~"n,r P. l'on Sitmrn.f. C,ntrnldirtJ..:.or Ur . H.JI" S.,AJa,im t 1)irr1.to, Emil C.or~ .'e" S.oup. Dr. Fran, UII •• û,.. Ctnerol",u,ikdirrl'or l'rolt', •.•• , Brtme

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Page 13: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

. d "cken wollte, dag er sowohl mit der Leier ais 'OmIt er aus ru . 'k ch . b M'

. d Smleuder seine Knh en s ne. eln Zweiter aum m t erd oge Fritz Kortner. Diese beiden Manner Freund war er gr

den meine Trauzeugen. wur

Der NationalsozialisIllus dringt vor

N h· Isozialismus meldete sich im Staatstheater zum Der a ona 1 durm den Obmann der Bühnengenossenschaft des

erstenma b' ,. L b' .. n· _L Staatstheaters Otto Lau mger. au mger war PreUl!>ISUlen , .. . .

weder ein groBer Smauspieler nom em gelshger Mensch, ffilt dem man sich über politische Dinge auseinandersetzen konnte. Lediglich mein Freund, der Schauspieler Hans Otto, der als k" f rischer Kommunist kurz nach 1933 verhaftet wurde und

amp e . . l'B der sich im Polizeiprasidium in Berlin von den Polizisten osn , um sich durch das Fenster auf das Pflaster hinunterzustür~en, nahm Notiz von ihm - sonst gab 's Herm Laubinger gar rumt bis 1933 - : da allerdings wurde er machtig. .

Das Unheil rückte immer nmer. Ein jüdismer Schauspleler nach dem anderen versmwand. Leopold J essner verIor sein Amt ais Generalintendant, und der Schauspieler Ernst Legal trat an seine Stelle. Kurz nam der »nationalsozialistismen Machtergreifung« zogen der Weimarsche Intendant Ulbrich ~d der Dic:hter Hanns Johst aIs Staatstheatennten anten m . d . dIe

Oberwall-StraBe ein. Ulbrim bramte aus Weimar die Darstel­lerin Emmy Sonnemann mit, jene Frau, die spater Emmy Go~ing heiBen sollte. Sie war ein gutherziges, immer hilfsbereIte!l Wesen. Mein letzter Staatstheatervertrag trug bereits die U~­tersehrift Hermann Gorings, denn der war ais preuBismer Mi­nisterprasident Herr des Staatstheaters am Gendarmenmarkt geworden.

leh spielte mit Emmy Sonnemann, mit Albert Bassermann und Lothar Müthel, in dem Stück des zweiten Staatstheater­intendanten Hanns Johst "Sc:hlageter«. Ais Gründgens a!Il

~~~tf~ dedr Fadtgruppe Theater im nationalsozialistischen »Kall\pf­. p r eutsdte Kultur«, nach 1933 Leiter der ~iz:,e~~~:sTht~ea:;w;. un ropagandaminl·st· d kanunèr. enum un erster Priisident der

Staatstheater ais Sc:hauspieler engagiert wurde., spielte ic:h noch einige RoUen mit ihm, z. B. den "Sc:hiller« und den .. Baccalau­reus« im »Faust«, in der Inszenierung von Gustav Lindemann aus Düsseldorf, in welc:her Gründgens seinen T riumph ais "Mephisto« feierte.

Auch beim Ministerprasidenten war ic:h hm und wieder ein­geladen. Am Potsdamer Platz war sein Palais mit einem groSen Park, der bis zur Louis-Ferdinand-StraBe reic:hte. Er war ein sehr »byzantinisc:her Herr«. Es regierte eigentlic:h nic:ht 50 sehr das Natürliche in diesem Hause, ais vielmehr das Symbol, das Symbol groBer, leutseliger Mac:ht und des Mazenatentums.

Ich erinnere mic:h, daB auf den LederstühIen und auc:h in Stein gehauen an den Karninen immer wieder eine eiseme Faust - die einen groBen Ring hielt - zu sehen war. Es war der Gëitz­Ring - der »Go-Ring«.

Damals im Jahre 1933-1934 stromte dieser Mann mit dem Pour le mérite des Kriegsfliegers ein groges Woh\woUen aus. lc:h glaube, jederrnann hatte ibn gem, waruend Hitler, Goeb­bels und Frick noch mit ziemlic:her Skepsis betrac:htet wurden.

Adolf Hitler sah ic:h zum erstenmal - wenn auc:h sehr von weitem - am 1. Mai 1933 auf dem Tempelhofer Feld. Alle Ar­beiter aus den Fabriken, alle BüroangesteUten, Manner und Frauen, alle Organisationen, die Künstier und Jugendorganisa­tionen zogen in breiten Kolonnen durc:h Berlin. Jede Einheit war mit einem Schild ausstaffiert, auf dem entweder "AEG .. oder "Siemens und Halske« oder »Backerinnung« oder aum »Das PreuBische Staatstheater in Berlin« und 50 weiter stand.

Hitler sprach über »den Untergang des Abendlandes« - jenes seherische philosophische Buc:h von Oswald Spengler. Er spram über dieses Buc:h 50, daB man den Eindruck haben muBte, daB er mit dem Inhalt des Buches gar nic:hts anzufangen wuBte . . Er stürzte sic:h auf den tragisc:h-seherischen Titel und tobte bestia-1isc:h gegen die philosophisc:he Meinung des graBen Denkers. Er nannte ihn einen Antideutsc:hen _ was nun Spengler gam: gewiB nicht war.

Diese Rede war unangenehm. Augerdem war nom etwu

~ lm lahre 1932 •

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enehm' Es wa r namlieh für zuwenig Toiletten anderes unang . .

d Man bekam dadurch von verzwelfelten Frauen gesorgt wor en.

d ~1" BI'lder zu sehen, die jeder Besehreibung spotten

un "annern . ' . . 1 • g wurde aIs »Antmazl« aufgesehneben. Die 50

\'.; er weggm , . . n grotesken Situahonen brachten vlele leute zum

erzwungene .. Lachen, was wieder todernste SA-Manner veranlagte, emport

dazwischenzufahren.

Goebbels sah ich nur von ferne. leh konnte jetzt sagen: »Ware er mir nur 50 fern geblieben!« Wenn ich ehrlieh bin, mochte ich aber gar nicht versaumt haben, diesem Damon ins Gesicht geschaut zu haben. Nieht nur, dag der Teufel auf alle Falle interessant ist und d~ die meisten Mensehen langweilig sind - sondern ich habe in der Hitler-Zeit aueh Phasen durch­lebt die ich als Künstler aus meiner lebenszeit nieht auszu-, radieren wünsche. Es gibt mehrere Filme, die ieh gerne und mit Hingabe gemacht habe. Und ich will auch das Glück nieht ver­schweigen, das ich empfand, wahrend ieh an ihnen arbeitete oder wenn die groBen Erfolge eintraten.

Der Film »Jud S~«, der mein und meiner Familie Leben 50

entsetzlich verdunkelt hat, ware auf jeden FaU auch ohne mieh gemacht worden, denn er war ja bereits ohne rnieh begonnen worden. Aber den ersten groBen Farbfilm'" gemaeht zu haben -Filme wie »Die goldene Stadt«, »Opfergang« und »Immensee« oder Filme wie »Jugend«, »Verwehte Spuren«, »Die Kreutzer­sonate«, »Die Reise naeh Tilsit«, »Der Herrseher« und »Das unsterbliche Herz« bedeuten rur mein Leben ein groBes Glück. lch weiB, daIS ich dieses Glück teuer bezahlen mu!$.

Goebbels war der Teufel selbst - ieh weiB es -, aber der T eufel hat wenig Macht über eine Seele, die sieh ihm versehlieBt.

Also: Damais sah ich diesen Goebbels dessen Charakter ich , ansdJ.einend mitzuverantworten habe, zum erstenmal.

• -Die goldene Stadt d 0 r erste War F ." war er zweite groBe deutsche Farbfilm. e erst nam »Di:aguehi stnds dom bessere Oiplomaten«, der allerdinSl

o ene tadt« uraufgeführl wurde.

Der Beginn als Regisseur

AIs Gustaf Gründgens Intendant des Staatstheaters d'" wur e , entschloB ieh mieh trotz der groBen Sympathie und Freund-sehaft, die ieh für ihn empfand und trotz der guten RoUen, die ieh spielen durfte, meinen Staatstheatervertrag zu Iosen. leh wolIte endlich Regie führen. Grundgens sehüttelte den Kopf. »Du mach st einen groBen FehIer, Veit. Du hast eine fabelhafte Stell ung ais Sehauspieler und du verrlitst in allem eine so starke jungenhafte Subjektivitlit, daIS ieh nicht begreife, wie du darauf kommst, Regisseur sein zu wollen. In deiner Knabenhaftigkeit und in deinem Wesen kann ich niehts entdecken, was dieh für den Bernf eines Regisseurs geeignet erseheinen IaBt.«

leh habe dann aueh mit den Hürden, von denen er spraeh, 0& sehier unüberwindliehe Sehwierigkeiten gehabt. Aber ieh glaube, daIS meine knabenhafte lntensitlit und Naivitlit mieh an manme Formen des Regieführens nliher heranführten, als es seinem groBen Stil und seiner damit urslichlim verbundenen Distanz gegeben war. leh glaubte jedenfalls fest daran, daIS mein wahrer Bernf im Regieführen liege und daIS ieh eben ein ganz anderer Regisseur werden würde, aIs es der groBartige Gustaf Gründ­gens war.

leh bat um »unbezahIten Urlaub« und ging mit einer Ilicher­lich kleinen Gage an das Schiffbauerdamm-Theater, an dem im zunlichst eine Posse »Hochzeit an der Panke« inszenierte. Das war im J ahre 1.934.

Mit dieser lnszenierung kam ich zum erstenmal mit einer Art nationaisozialistischer »Reiehskulturkammer« in Berüh­rung, obwohI sie damals noeh nieht 50 hie!$. Diese neue Kultur­polizei saB am Potsdamer Platz im »Vox-Haus«.

»Die Hoehzeit an der Panke« ist ein altes, harmloses 5tü<k. Wir hatten einige neue Couplets eingefügt. Eines davon sang der liebenswürdige Berliner Schauspieler Gerhard Bienert. Auf einer Landpartie _ 50 sehrieb es das Bueh var - hatte er sida erkliltet und saIS nun eingemummelt in einem graBen Ohren­sessel und trank einen überheiBen Grog. Am SchluB jeder Strophe soli te er an dem heigen Grog nippen, aber jedesmal

• lm Jahre 1934.

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• ..L ..len um den einzeiligen Refrain zu singen· »J t zuru UlreL" , . e z . mir beinah' die Schnauze verbrannt. «

hab 1 . .. h ' t " n In dieses Couplet hatten Wlr emlge se r. zel gernac>e Strophen

hineingedichtet. In einer Strophe kam, mIt dem h eiligen VIieQ der »Nibelungen« geziert, »Hermann der Cherusker« Vor, der in Barenfelle gekleidet und mit Hornern am Helmkopf herum_ lief. Mit dieser Strophe wurde auf harmIose Weise GOring »durch den Kakao gezogen«, aum wurde betont, daIS der Kakao braun sei. Man wu/5te damais ja nom nimt, wie ernst ailes war und wieviel ernster es nom werden soUte. Bevor also Bienert in dieser Strophe nam dem Namen »Hermann« den Namen »Gëring« aussprechen wollte, brach er ab,nippte an demheillen Grog und sang : »J etz hab' ick mir beinah' die Schnauze ver­brannt.«

Wir hatten sie uns verbrannt. lm weill bis heute nimt, wer das an die KuIturpolizei gemeldet hatte. J edenfalls kamen zur Generalprobe zwei Herren, die ganz rubig in der Mitte des Par­ketts saBen. Sie hatten ernste Gesichter und lachten über nichts, was natürlich die Schauspieler irritierte. Am SchlulS des Stückes gingen die Herren mit mir in das Foyer. Sie erklarten mir, d~ nimt nur dieses Couplet gestrichen werden müsse, sondem d~ im mich in amt nehmen solle - es würden wahrscheinlich Weiterungen aus diesem empërenden Vorgang folgen. Es sei eine Unverfrorenheit, den Ministerprasidenten lacherlich zu mamen. Eine neue Zeit sei angebrochen, in der Leute keine Arbeit finden würden, die sich die abstruktion zur Aufgabe gemamt hatten. Das Gesprach war kurz, hart und wurde immer lauter. Dann wurde es plëtzlich abgebrochen. lch hërtenurnom ein strammes »Tla!« - was »Heil Hitler« heillen sollte -, und damit verlieBen sie larmenden Schrittes das Theater.

Wir strichen dann den Teil des Couplets, der »anzüglim" war, und am Premierenabend warteten wir vergebens auf die Herren. Wir waren überzeugt, es würde einen Knall geben. Es gab keinen. lm wurde zwar etwas spa ter in eine Art arts­gruppenleitung gerufen und wegen meines Verhaltens getadelt, aber d ' t ._

amI war die Sache ausgestanden. 50 war' s nom .... 1ahru934.

Meine zweite ln ' . d lin V 1 szemerung ln diesem Theater war as er 0 ksstü&; von Bottcher »Krach im Hinterhaus«. lm

diesem Stück einige meiner eigenen Berlinismen hinzu und da ich in diesem »Milljoh« zu Hause war, hatten wil einen auBer­gewohnlichen Erfoig. lch hatte für das Stück die unvergeBliche Rotraut Richter entdeckt, die sowohl an dem Premierenabend aIs auch spa ter im Film einen Sensationserfoig in dieser Rolle hatte. Das Stück wurde über sechshundertmai gespielt.

Die ABC-Film, deren Besitzer Hans Lehmann den Theater­erfoig zu einem Filmerfoig machen wollte, engagierte mich dann, das Stück auch ais Film zu inszenieren. Mit einem Herm MeiBner zusammen schrieb ich das Drehbuch. Die altemde und noch immer zauberhafte Henny Porten spielte die Wasdûrau in echtem Berlinisch, neben ihr Rotraut Richter, Eduard von Winterstein. lch drehte den Film in der Rekordzeit von elf Tagen ab. Die Herstellungskosten betrugen ganze zweihundert­tausend Mark. Millionen wurden mit ihm verdient.

Damit war ich Filmregisseur und bekam sofort von allen Seiten Angebote. Zwar inszenierte ich zunachst noch imAgnes­Straub-Theater am Kurrurstendamm CaIderons »Dame Kobold« und wiederholte damit meinen Erfoig ais Theaterregisseur. Aber der Film lieB mich nicht mehr los.

Zunachst kam der Münchner Komiker WeiB Ferdl auf mich zu, und ich drehte mit ibm den Film »Der müde Theodor«. Aber in dem bayerischen Humor war ich nicht 50 ru Hause.

Dann machte ich das Volksstück »Kater Lampe« mit Albert Lieven, Alfred Abel und Suse Graf. Einen Film machte ich in Wien, einen anderen in Budapest. lch war ja »5chnellregisseur« und aIs solcher sehr beliebt. lch konnte mir aussumen. was idt woll te. Der Geschaftserfolg blieb mir treu - und wem der Ge-5chaftserfoig treu bleibt, dem bleibt auch die Filmindustrie treu. Damais durfte ich allerdings meine Filme noch 50 besetzen und 50 drehen, wie ich das wollte. Goebbels mismte sim auch in den ersten Hitler-Jahren nom nicht in die Produktion eiD. und die Produzenten waren klug genug, einem Erfolgsregisseur BU trauen.

Aber vorlaufig mamte ich nur »Filmmen .. und noch nichtdal, Was man einen künstlerismen Film nennt. Das kam jetzt _ mich zu, und damit kamen aum neue Probleme.

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»Die Kreutzersonate« nam Tolstoi

Die Filme, die ich jetzt in Massen aIs bekannter »5chnell_

regisseur« mamte, waren künstierisch nicht so sehr viel wert. Meinen ersten künstlerisch anspruchsvollen Film machte ich mit Hans Moser, Hans Brausewetter und Françoise Rosay, mit HeU Finkenzeller und mit meiner zweiten Frau Hilde Korber. Es war der Film »Mein Sohn, der Herr Minister«. Der Film brachte mir Anerkennung. Dann inszenierte ich (nach einer Novelle meines Vaters) mit Hilde Korber »Maria, die Magd« und hatte schlieglich meinen ersten grogen künstlerischen Erfolg in »Die Kreutzersonate«, der nach dem Roman von Leo Tolstoi gedreht wurde. Lil Dagover, Peter Petersen (der seinen Spitz­bart sein »hohes C« nannte) , Albrecht Schonhals und Hilde Kërber spielten die Hauptrollen.

Die Ufa hatte in ihrem Programm den Film mit einem happy end angekündigt. Bei Tolstoi erschiegt der eifersüchtige Ehe­mann seine unschuldige Frau, wahrend sich im Film die ver­krachten Eheleute wieder zusammenfinden sollten. Es soUte eben »halb 50 schlimm« sein. »Kintopp«!! Ich protestierte ge­gen diese Verflachung, denn auch der Produzent Georg Witt fand diese Veranderung der Tolstoischen Dichtung abscheu­lich. Aber (und 50 ist das auch heute noch) der Verleihchef, in diesem FaU ein Herr Meydamm, war starker und verlangte einen »positiven SchlufS«.

lch hatte damals als Regisseur noch einen kleinen Namen, und es mangelte mir die Macht, die Form eines Films gegen den Willen des machtigen Verleihchefs der Ufa zu bestimmen. AIs ich aber zufillig den Generaldirektor der Ufa, Dr. Klitzsm, auf dem 13abelsberger Gelande traf, sprach ich ihn an und er­zahlte mm, daR sein Verleih meines Erachtens einen Fehler ~.ache, der die Ufa lacherlich zu machen geeignet sei. Der be­rühmte Roman Tolstois habe einen folgerichtigen SchluB, wah­rend das aufgesetzte happy end nur ein ),Smrecken ohne Ende" sei.

. Dr. ~litzsch war Sachse und hatte sim seinen Humor ebenJO w.le semen Dresdner Dialekt erhalten. Ich habe ihn eigentli.c:b nlHeernalsHschlechter Laune gesehen. Er antwortete mir liicheInd » rr arlan . h b

,Wlr a en morgen Vorstandssitzung. Da

die Herren aile beisammen. Kommen Sie um Uh' f . '. 12 r rau - um

halb ems machen Wlr SOWIeso Mittagspause _ d . S· . b un tragen Sie

vor, was le mir e en erzahlt haben Dann d '. H . wer en WIr Ja

sehen, was err Meydamm und die anderen H d erren azu sa­

gen. lch kenne offengestanden die ,Kreutzersonate, ar 'ch D · b '" kl' Bi/d g rul a ISt el mIr eme eme ungslücke.«

Also gesmah es. In der Sitzung waren etwa 12 He d' rren, le mich mehr oder weniger verlegen anschauten Den m"; t . ~.s en war es unangenehm, bekennen zu müssen, daIS sie die »Kreutzer-sonate« von Tolstoi ebenfalls nimt kannten.

lch meinte: »J a, wenn Sie den Tolstoi nicht kennen, darm ist es natürlich sehr schwer, dafÜber zu reden. Aber vielleimt ken­nen Sie den >Odipus( von Sophokles?« Das wurde allseits lachelnd bejaht. Aufreizend keg sagte im: »Wenn in der Ufa der Geschmack des Verleihs die letztgültige Instanz ware, darm würde ein verfilmter Odipus nicht seine Mutter heiraten, son­dem seine Tante.«

Einer der Herren unterbrach: "Eine solme Albernheit wür­den wir schon verhindem, Herr Harlan.« Ich antwortete: "Ja, weil Sie den Odipus kennen. Wenn Sie die ,Kreutzersonate< und den Wert dieser Dichtung kennen würden, darm würden Sie das genauso albern finden.«

Ich erntete groBes Gelachter. Dr. Klitzsm meinte: ,.Im gl~ube, der junge Herr Harlan hat uns davon überzeugt, daB belm Dichter zu bleiben, wenn es sim um einen Genius wie Tolstoi handelt, vielleicht doch besser ist. Was sagen Sie, Herr Meydamm?«

. Meydamm sagte: "Schade, daIS der Produktionsmef nimt da ISt. «

lch hatte also gesiegt. Diesen Film inszenierte im auf eine neuartige W . . d 'ch di 1 . eIse, In em l'e Smauspieler veranlaBte 50

else zu sprechen, daB man sie nur in ihrer niimsten Nàhe' ho-ren kOnnte D d Weil das '. as wur . e zu einem Problem für den Tonmeister, Nah d Mlkrophon In allen wesentlimen Szenen ganz in der hOche e~ Schauspieler versteckt werden muBte. Durdt di .. trautgradk,ge Sprechdiskretion, der dieSmauspieler se1bst bma

en am' k den A ' d eIne rampflose und übersteigerte Prizls!OIl .. Es WU ~ ruel< und in die Bewegung; namentlien in die AII .. ~'<I~;

r e Kraft gespart, und es war auBerdem nient mthf

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li:h die Sprache 50 betont zu modellieren, wie das Schaus . 1 ' . D d ' pIe er ft tun Dadurch entstand eme auc>eror enthche Lebendi k .

. 'ch ' g~ und auBerdem eine »fotografIs e Sprache", dIe viel schnell

gesprochen werden konnte (w~~l ja vie~ Lu& und viel Ton Vi:; Zeit beanspruchen). Dadurch ruckten dIe Begriffe naher an . eIn-ander und machten sie verstandlicher und intensiver.

Vor allem Li! Dagover war am Anfang angstlich und fragte immer wieder, ob denn die Sprache überhaupt noch zu horen sei. Damais konnte man noch nicht 50 wie heute die Dialoge vom Magnetophonband abhoren, sondem muBte warten, bis der Lichtton fertig war, der genauso entwickelt werden muBte wie das Bild.

Die Schauspieler waren sehr erstaurIt, aIs sie an den ersten »Mustem« die Auswirkung verspürten. Es kam eine geheim­nisvolle Wirklichkeit irI die Szenen, die deshalb 50 über­raschend war, weil die Stimmen genauso laut aus dem Laut­sprecher kamen, wie bei anderen Filmen. Auch die Intimitlit wurde gesteigert. Der Erfolg dieses Filmes war darm auch auBergewohnlich groB. Das »epische Gesetz«, welches das echte Filmdrama bestimmt, kam mit leiser Rasanz zu zwingender Geltung.

»Der Herrscher« mit Emil Jannings

Emil J annings hatte die »Kreutzersonate« gesehen. Ich kannte diesen groBen 5chauspieler zwar schon viele J ahre, aber nimt naher. Nun wollte er mich ais Regisseur für seinen Monumen­talfilm » Der Herrscher« haben.

Goebbels lieB mich kommen und sagte mir, daB er den Wunsch von Herm J annings respektiere und daB es sehr gut S~i, ~enn einmal junges Blut in »den alten Kintoppgeist« hin­emflieBe. Er verehrte Jannings. Aber Jannings war ihm niIDt respektvoll genug. lch weiB nicht, was der Grund war _ irgend etwas hat er immer gegen J annings gehabt obwohl er ihn al. den groBten deutschen Filmschauspieler' bezeichnete. Aber wenn man gena h' h" uf 'hn u morte, schimpfte er eigentlich immer a l - selbst wenn er t "b'h ch E '1 J . ail gu u er l n spra . Nun war mI nmgs es andere al al K' .-,­richr f s» ter mtopp«. Bei ihm lernte lu'

19, au welche W ' . F'l uB else em l m vorbereitet werden m .

34

Zunachst verlangte er daIS ich den g F'l . Il ' anzen 1 m von A bis Z

mit a en 5chauspielem durchprob E " . . e. s sac> muner Jemand mit der 5toppuhr dabei, um festzustellen, wie lang jede einzelne 5zene und summa summarum der F'1m " . ft . ganze 1 werden wurde Wle 0 passlert es im Filmleben daB'ch . . . ' ausgezel net gelungene 5zenen rucht m den Film aufgenommen werde k" il d il' n onnen, we

er F m zu lang ISt. 50lche ÜberHingen kosten auBerdem viele Hunderttausend Mark. Durch das vorh' Ab d . '. enge stoppen er ongmal ge~plelten 5zenen kommt man spa ter nicht in solche Verlegenhetten.

Am Anfang erschrak Jannings über meine »orientali ch Pl 'k . s e astI «, Wle er meine oft lapidare 5prechweise gem nannte. ~a ich sehr schnel/ in Rage kam, wenn etwas anders ging,

aIs lch wol/te, nannte er mich »das Teufelchen aus dem Kiist­chen(,.

Trotz meiner grolSen Liebe und Verehrung, die ich für ihn hegte, hatten wir es manchmal sehr schwer miteinander. 50 wol/te ich z. B. nicht einsehen, daIS ein grolSer lndustriekapitan yom Range eines »Krupp« das Bild seiner verstorbenen Frau in einem Wutanfal/ véillig zerschneidet, nur weil er die Tote fur eine vermeintliche Fehlerziehung der Kinder verantwortlich macht. lch sagte J annings, daIS eine solche HandJungsweise zwar zu dem »Buchverleger Klausen« passe, wie ihn Gerhart Hauptmarm in seinem 5tück »Vor 50nnenuntergang« geschrie­ben habe. Dieses 5tück hatten wir uns zur Grund1age unseres Filmes genommen, jedoch die Figur des Klausen zu einem sou veran en Herm über Hütten- und Walzwerke gemacht, also véillig verandert. Da in unserem Film »Der Herrscher« von sei­nen Kindem für unzurechnungsfahig erklart werden soli, weil er seine junge 5ekretarin heiraten will und somit die Erbschaft zum groBen Teil ihr zufallen würde, und da in dem Film he­wiesen wird, daB dieser lndustriekapitan alles andere als irr­sinnig ist, sondem vielmehr ein beispielhafter Mensch, der allen » bürgerlichen Kram« über Bord wirft, schien es mir, daB die irrsinnige Tat des Bildzerschneidens den Kindem gewisser­malSen ein Recht gabe, ihren Vater entmündigen zu lassen. Auch die Geschmacklosigkeit, sich vor den Kindem an deren toter Mutter so zu vergehen, schien mir asthetism untragbar zu sein. Wir kamen uns über diese Szene 50 sehr in die Wolle,

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d.l~ ich 5 hliel5lich kurzerhand den ~i1m. "hinschmiB« und rrtei­ncm Freund Emil erklarte, er solle slch emen anderen Regisseur

.uchen. 'ach diesem Krach lieB Goebbels mich zu sich rufen. lch

erklarte ihm den Konflikt. Er gab mir Recht. Aber er gab auch Jannings das Recht, seinen Standpunkt zu vertreten, denn Jannings habe mich engagiert und nicht ich ihn. Es sei eine Sache der Disziplin, sich einem 50 groBen und erfahrenen Manne unterzuordnen, und diese Disziplin hatte ich zu üben. Er befahl mir, den Film zu Ende zu drehen. !ch fragte Goebbels, ob er denn 50 genau wisse, ob Jannings das noch wolle. Goeb­bels antwortete: "Fragen Sie ihn selbst.«

Als ich zu Jannings kam, sah er mich traurig an. Er war ent­tauscht von mir. Aber er umarmte mich. Er sagte mir einige zartliche Grobheiten, die ich aus Gründen der Âsthetik hier nicht wiedergebe, doch kannte ich Emil gut genug, um zu wis­sen, daR in diesen Grobheiten seine ganze Güte, ja sein ganzes Herz verborgen war.

lch habe auch bei J annings gelernt, wie sorgsam man ein Drehbuch vorbereiten muR Damals wohnte ich in seinem Haus am Wolfgangsee. Auch Thea von Harbou, die den Film nach dem Theaterstück Hauptmanns schrieb, wohnte bei Jannings. Sie strickte die ganze Zeit an Pullovern, die sie rur ihren indi­schen Freund fabrizierte, und diktierte dabei ihrer Sekretarin die Szenen, die dann abends vorgelesen und kritisiert wurden. Emil Jannings nannte Thea von Harbou ,>die Marchentante des deutschen Films«. Er hatte sie sehr gern und beteiligte sie eigentlich an allen seinen Filmen. J annings hatte nicht die Be­gabung, selbst Filme zu schreiben. Aber er wulSte einze!ne

Szenen 50 plastisch zu erzahlen und darzustellen, daIS man nut gut zuzuhoren brauchte, um nach seiner Erzahlung ausgezeich­nete Szenen zu Papier zu bringen. Thea von Harbou steno­~rafierte viel von dem mit, was J annings sagte, 50 daIS schlielS' lich ~anche Szene original 50 niedergeschrieben wurde, wie J anrungs sie improvisiert hatte .

. Wir hatten auch einen Aufpasser vom Propagandaministe­num dabei, dessen Aufgabe es war, darauf zu achten, daIS Belange des Nati 1 . l' R

ona Sozla lsmus« gewahrt blieben. A r11'1O)W aether hieB er E . r war von der »Reichskulturkammer« an

Produktion überwiesen worden *. Er war ein freundlicher Mann , verlangte aber, daB sowohl bei einer Feier auf der Zeche Hakenkreuzfahnen flattern ais auch, daB der »Heil Hitler«­GruB selbstverstandlich von sarntlichen Personen in aller Deut­lichkeit ausgeführt werden rnüsse, um zu betonen, daR der Film im nationalsozialistischen Deutschland spiele.

Das Lied "Deutsch ist die Saar« war noch zu verkraften. Aber auf Hakenkreuzfahnen oder gar auf den Heil-Hitler­GrulS wollten wir uns durchaus nicht einlassen. Wir machten Herm Raether klar, daR die Fahnen und der HitlergruB den intemationalen Wert dies es Filmes wesentlich herabsetzen und daB man dadurch nicht nur dem intemationalen künstlerischen Erfolg, sondem auch dem Geschaft dieses Filmes Schaden zu­fügen würde. Der freundliche Herr sah ein, da.B die national­sozialistischen Symbole im Auslande h6chst unpopular waren. Aber gemütlich war ihm doch nicht dabei zumute, darum tele­fonierte er zur Rückversicherung mit dem Propagandaministe­rium. Wir hatten im Jahre 36 noch Glück mit unserem Ein­spruch, denn Goebbels lielS sich von unseren Argumenten über­zeugen.

Von den AuBenaufnahmen nach Berlin zuriickgekornmen, bestellte Goebbels mich ins Propagandaministerium. Er sprach mit mir über dieses Thema. Er hatte wohl gehofft, daRJannings allein dieser Meinung ware, doch muBte er feststellen, daB ich Jannings Meinung teilte: " lch teile sie auch mit Ihnen, Herr Minister. Sie haben ja die Erlaubnis gegeben.«

Goebbels sah mich schrag an. Es war einer seiner ungemüt­lichsten Blicke. Er erinnerte mich daran, daR er es nicht ver­gessen habe, wie jener Dieb, der in »Krach im Hinterhaus« die Kohlen klaute, sich vor Gericht dadurch sympathisch zu machen versucht, daB er sagt: »lch bin von der Partei.« "Aus­gerechnet der Dieb rnu.B ,von der Partei< sein« - sagte Goeb­bels. Ich erfuhr erst zu dieser Zeit, daR Goebbels diesen Satz eigentlich herausschneiden las sen wollte, daB er dann aber die zahllosen Kopien aIle hatte zuriickziehen müssen, um den Schnitt zu rnachen, weil er den Film erst gesehen hatte, nam­dem er eine lange Zeit in den Theatem gelaufen war.

• Raether war zei tweise Vizeprasident der Reichsftlmkanuner.

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E" "ar einc wamende - noch ungefahrliche - Unterhaltun

in der er mir erklaren woU te, dag er Jannings nicht recht trau:'

und da/5 er sich an mich, aIs einen Mann der jüngeren Gene~ ration, halten wolle. Es sei selbstverstandlich, dag in Geg

en_

wartsfilmen deutlich gemacht werden müsse, daE der National_

sozialismus das herrschende Gesetz in ail en Lebenslagen sei. Man dürfe sich nicht aus merkantilen Griinden, wie im Falle

»Krach im Hinterhaus«, über den Ernst einer solchen Forde­

rong hinwegsetzen. Er habe diesmal lediglich ein Auge zuge­drückt.

Am Sch!ulS des Films vererbt »Der Herrscher« sein Werk der Arbeiterschaft, und zwar tut er das mit Worten, in denen typisch nationalsozialistische Schlagworte, wie » Volksgemein­schaft« und »Arbeiter der Stirn und der Faust« und ahnliche damaIs übUche Wortbildungen mehr, vorkamen. Diese Satze hatte der Staatssekretar im Propagandaministerium und spa­tere Wirtsenaftsminister Walter Funk hachstpersanUch ge­senrieben. Emil Jannings hatte sich aIs künstlerischer Ober­leiter dieses Films mit Vehemenz gegen diese politischen Satze gewehrt, aber nichts erreicht. Und das, obwohl Funk ein ge­mütlicher Mann, ja sogar ein Saufer war, der niemandem Bases wollte. Ich habe erIebt, wie man ihn einmal aus der KddK (Ka­meradsenaft der deutschen Künstler) nachts um vier dadurch herauslockte, dal5 er dem Ziehharmonikaspieler schwankend naenging. Funk liebte Ziehharmonikamusik. Der Ziehharmoni­kaspieler ging zuerst durch den Saal, dann die Treppe hinunter und hinaus auf die Stral5e. SchlieJ5lich stieg er in Funks Auto ein und auf der anderen Seite wieder hinaus. Funk torkelte ihm sin­gend naen. Die Türen des Autos wurden zugeklappt, der be­trunkene Funk war im Auto gefangen und wurde nach Hause gebraent. Vorher hatte er zum Entsetzen von Benno von Arent, dem Chef der KddK, den Alkoholgeruch aus seinem Munde daduren zu entschuldigen versucht, dal5 er sang: »Meine Fahne flattert mir Voran.«

Für Manner ~'t 1-'- H . h "u 50 ulem umor, namentlich wenn sie sa ohe Stellen bekleideten und denNazismus selbst zu verkohlen

wbagten, empfand man leicht eine Art Freundschaft. Deshalb estand zWische J . di

n annmgs und Funk eine Verbindung, e ganz anderer Natu 1 d· L.

r war a 5 le zwischen Jannings und Goep-38

bels. Die Besuche von Goebbels in Wolfgangsee sehatzte Jan­nings gar nicht. Aber dem Genug, mit Funk zusammen bei Baarz, dem besten Bierhaus von Berlin, »ein paar phantastische Pilsner zu zischen«, hat J annings ëfter gefrënt. Auen ich war manehmal dabei. Wenn Funk blau war, küJ5te er mich geme. Dagegen hatte ich allerdings etwas. Es muJ5 ein merkwürdiges Geheimnis dahinterstecken, dag ein 50 herzensguter Mensen dureh politische Umstande Verbrechen zu begehen imstande sein kann, die zu seinem Wesen überhaupt nicht pas sen. "

Aber ieh bin abgesehweift. Aiso der Staatssekretar Funk hatte die SehluJ5szene geschrieben. Wir hatten den Film langst angefangen, ais uns diese SchluJ5szene vom Propagandamini­sterium mit der Weisung geschickt wurde, mit dieser SdùuJ5-apotheose den Film ausklingen zu lassen.

Diese Szene spielte in einer Dekoration, bei der man duren das groge Fenster des Direktionsraumes das gewaltige Werk sah. Aus den Sehornsteinen quoll senwarzer Rauch und aus den Kühltürmen weilSer Dampf. Auf dem Werkgelande sah man Züge fahren. Das Sprühen des Rüssigen Stahls, das aus Tho­mas-Birnen in Kanale RolS, gab dem Bild etwas Imposantes. Ieh hatte eine sogenannte »Rückprojektionswand« hinter das Fenster der Dekoration aufstellen lassen, auf welche dieses Bild, das ieh in der »Gute-Hoffnungshütte« aufgenommen hatte, durch eine Rückprojektionsapparatur geworfen wurde.

Eine solche Rückprojektion ist heute vielleienter zu erstellen. DamaIs war sie sehr zeitraubend. Und 50 dauerte es jedesmal ungefahr eine halbe Stunde, ehe man die sehr lange Szene wieder von vorne beginnen konnte, wenn sie miJ5glückt war

N . n 1". ckt diese Szene oder abgebrochen werden muJ5te. un mll,g u e

• Das humanistische Bildungsideal des 19: Ja~rh'dnderts h~~~:~ Ziel jeden einzelnen zum »niitzlichen Mltghe~ eZr menshal .. ,na

' . d adezu eme wangs .~ ... Gesellschaft« zu erzlehen. 50 wur e ger d. Hiirte der kor-unbedingter Reehtlichkeit erz~ugt. ~a.~u .kade~n Fa~i1ie die heftige perlichen Erziehung, die Patnarch.?htat ~hr d der Studenlenzelt, Gewèihnung an alkoholische Getranke wa. en Haltung Sie aile der Komrnentstandpunkt und die d soldahs~~idten Individualilil sdtrankten die freie Entwicklung er person la te verbogen, ver­sehr stark ein. 50 wurde selbst der f'dl ~e'ii,n in gder nationalsozia­~ra.mpft, ressentimentgeladen und ~e es G~wissen ofl ra&eh und hShsdten Belastungsprobe vor semem gründlich urn.

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c;age und schreibe - 64mal. Jannings, der Sonst durchaus - so~ veran spielte, stets seinen Text beherrsch~e und sich selten yersprach, brachte den geschraubten nahonalsozialistischen Text nicht über die Lippen. Nicht nur, dag er sich genierte, ihn sprechen zu müssen, worin wahrscheinlich hauptsachlich seine

Hemmung lag: die Satze waren auch viel zu lang, lauter Nebensatze und Schachtelsatze standen da. Gleichzeitig galt der Befehl, d~ nichts daran geandert werden dürfe. Es kamen viele Worte darin var, die »in meine Schnauze nicht passen«, wie Jannings immer wieder verzweifelt sagte. Wir drehten an dieser einen Szene, die normalerweise mit allen Vorbereitungen in zwei Stunden abgedreht worden ware, zweieinhalb Tage, von morgens bis abends. AIs wir am zweiten Tag früh neu begannen, war der sonst 50 beherrschte Emil J annings einem Verzweiflungsausbruch nahe. Endlich hatten wir die Szene am dritten Tag mittags »im Kasten«.

Erste personliche Begegnung mit Hitler

Der Film »Der Herrscher« erhielt den Staatspreis. Um diesen Preis in Empfang zu nehmen, wurden Emil J annings und ich am 1. Mai 1937 in die Reichskanzlei eingeladen. Ein Schriftsteller namens Bethke, der, wenn ich nicht irre, das Theaterstück »Marsch der Veteranen« geschrieben haUe, bekam den Staats­preis fur Literatur *. Was ich an diesem 1. Mai 37 im Park des ehemaligen Reichskanzlerpalais, der damaligen Reichskanzlei, erlebte, will ich nun prazise schildern.

Es war »Hitler-Wetter«. Die Sonne schien. Schon frühmor­gens hatten wir das majestatische Luftschiff »Hindenburg« über der Stadt kreisen sehen. Wir hatten beobachtet, wie sim das Schiff über der Reichskanzlei mit seiner Spitze tief nam unten senkte, »um sich var dem Führer zu verneigen«. Alle Autos hupten ais Antwort, die Stadt war im Begeisterungs­ta~mel und aIle StraBen waren flaggengeschmückt. Auf dem Wilhelmplatz stand eine Blaskapelle, die Marsche sdunet­terte W· . dunkl . d .J._ . le eme e Vorahnung erklang immer Wle er u-• Getneint· F· _ ..... _ D'..Lt . lat nedrim Bethge, geb. 1891 der 1937 den DeutlKl-.... erprelS ermelt. '

Lied >,Volk ans Gewehr«. Niemand konnte sich der Suggestion der fanatisierten Menge entziehen - mag den einen das Gefühl des Mitjubelns oder den anderen das der Angst in diesen Hexenkessel hineingetrieben hab en. Die ganze Stadt war elek­trisiert.

50 fuhr ich mit meinem Wagen in den Vorhof der Reims­kanzlei ein. Hunderttausende warteten vOr dem Palais und hofften darauf, daB Hitler sich zeige. Jedesmal, wenn er auf den Balkan trat, schallte ihm ein ohrenbetaubender Jubel ent­gegen.

Wir wurden von SS-Wachen durch die Reichskanzlei hin­durch in den Park geführt. Dort standen Hitler, Goebbels, Baldur von Schirach und die Adjutanten Brüd<ner und Schaub auf der graBen Terrasse var dem Prunksaal der alten Reichs­kanzlei.

Wir wurden zu unserer »Deutschland Ehre bringenden Lei­stung« beglückwünsmt. Es fielen groBe Worte. 50 gut der Film auch gewesen sein mag - durch die steten Superlative, die in solchen Fallen fiel en, wurde das Lob entwertet. Es war der »groBte Film« - und J annings »der groBte SmauspieIer der Welt« und ich war "der groBte Regisseur« und es war noch manches andere in diesem Film »das GroBte«. Jannings, dessen Leistung gewiB manchen Superlativ verdient, sah verlegen zu Baden. Von Gerhart Hauptmann, der doch den groBten Anteil am Erfolg hatte, wurde gar nicht geredet.

Goebbels strahlte. Hitler war sehr aufgeraumt. Den Film hatte er bald verges sen. Es wurde hauptsachlim von den Auto­bahnen gesprochen und noch von einigen anderen Plan~gen, die Hitler vorhatte. 50 vom Umbau der ReimskanzIel. Von koIossaIen Raumen und koIossalen Figuren von Breker, die den neuen Bau zieren soIlten.

Emil Jannings sah, daB in dem Park, und zwar ~.n der VoS­straBe entlang die uralten machtigen Eimen gefaIlt worden Waren deren s'tamme nom auf dem Boden Iagen. Er kOMte es

, . h I" m Bmen nicht unterdrüd<en, zu bedauern, daE dlese err 1 en . sterben muBten, »unter denen smon Bismarck .. gegange~ sel.

H· . bIüff· de Weise auf diese Be­ItIer antwortete auf eme ver en ben merkung: »Sehen Sie mal da runauf, Herr Jannings. Da 0

über der Mauer sieht man Damer und sogar einige Fenster von

41

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Hau<.cm aus der VoBstraBe. lch werde an der Stelle, Wo die

Baume gestanden haben, ein lang~ez.ogen~s H~us für meine SS

b 0 daB es in Zukunft unmoghch sem wud, Von da oben auen, 5

Einblick in den Park zu nehmen. Es kèinnte sonst irgend einem Itzig einfallen, herunterzuschieBen, wenn ich hier im Park

urnhergehe.« Wir waren über diese Antwort erschrocken. Jannings fragte

verlegen: »MeinFührer, wennSie jemand erschieBen will, dann kèinnte er das doch in einer der vielen Versarnmlungen tun, in denen Sie vor tausenden Leuten sprechen und ganz schutzlos dastehen. Oder auch wenn Sie im Automobil durch die StraBen fahren. lch hatte die Antwort nicht erwartet.« Hitler schien durch Jannings hindurchzuschauen - er gab dann gar nicht mehr ihm die Antwort: »Sie meinen, ich hatte Angst?!« Er lachte vemeinend und fuhr dann fort: » lm J ahre 26 sind auf Mussolini drei Attentate verübt worden. Er sprach mit mir darüber und zitierte den Ausspruch Cas ars, der, aIs er vor Attentaten gewamt wurde, sagte: Lieber einmal sterben - als immer zittem. Ein mutiger Gedanke. Aber ich werde noch ge­braucht, und darum ist es besser, diese Umstande zu studieren, unter denen groBe Persanlichkeiten, wie Mussolini es ist, über­haupt in eine Attentatsgefahr kommen kannen. Sehen Sie, Herr Jannings, weIL.'l ich vor den Leuten stehe und zu ihnen spreche (er kniff die Lippen zusarnmen und schob den Arm ruckartig nach vom), dann bin ich in der Einatmung. In der habe ich meine natürlichen Abwehrkrafte! Was meinen Sie -wie viele Hahne schon und wie oft sie gespannt waren und immer wieder gespannt sein werden, um auf mich abzudrük­ken. (Dann fuhr er laut fort.) Aber das geht nicht - sola~ge ich es nicht will, solange ich meine Abwehrkrafte in FunktlOn setze!" Und nun 50 laut, daB wir erschrecken soUten, setzte er runzu: "Und das wird niemals gehen! Niemals wird einer auf mich schieBen! Das paBt weder zu der Vorsehung noch zu meiner Entschlossenheit, mit der ich das, was mir vorbestimmt ist, verwalte! Wenn ich in meinem Auto durch die Stragen einer Stadt fame, dann bleibe ich nicht hinter der dicken kugel­simeren Scheibe sitzen, sondern ich stelle mich in meinen Wagen und hebe meinen Arm zum GruB und rufe jedem zu: Hier ist mein Herz!! Niemals wird einer schiegen. Aber sehen

Sie hier - wenn ich hier in meinem Park umhergehe und mich vorbereite, wenn ich mich 50 weit versenke oder fortdenke , wie Sie sich das nicht vorstellen kannen, dann bin ich wie ein Schwamm, der alles aufsaugt. Dann ruhen meine Abwehr­krafte, und sie müssen auch ruhen in solchen Stunden. Sie würden mich staren, wenn sie es nicht taten. Und sehen Sie, dann habe ich mein Lindenblatt auf dem Rücken. Das Linden­blatt ist nicht nur die Stelle gewesen, an der Siegfried unge­schützt war, sondem sie ist auch das Schwarze in der Scheibe, auf das der Schütze zielt. Zu solcher Zeit konnte es gesche­hen ... « - Er sah hinauf auf die Dacher der VoBstraBe und schlog : »Und darum trauem Sie nicht um Bismarcks Eichen!«

Er sah Emil J annings lange an. Es war mehr ais bedrückend, in Hitlers Augen zu sehen, die jetzt wie Fischaugen aussahen. Trotz der Tatsache, daB Hitlers Offenheit sehr interessant war, wurde doch das Augenblicksgefühl eines groBen Unbehagens stark und unverbergbar. Jeder von uns fühlte sich wohl als imaginarer Schütze verdachtigt. Man konnte natürlich aum glauben, sein hochstes Vertrauen geschenkt bekommen zu haben. Es war alles drin - das Streicheln wie das Drohen. lch horte plOtzlich auf meinen Atem, aber aum auf den Atem Hitlers. Das war ein anderer Hitler, als man ihn kannte. Er wirkte wie ein Fakir, der sich der Macht seines Atems bewuBt war.

Hitler bemerkte anscheinend befriedigt die Irritation der Umstehenden. AIs Regisseur und Schauspieler hatte im mir viel Gedanken über die Macht des Atems gemacht. lch beob­achtete Hitler mit einer geradezu gefriilligen Neugier. Mir wurde der Grund seiner monstrosen Suggestionskraft, die er ausübte, klar. lch habe viele Menschen, gewaltige Mensmen, die die graBte Verehrung und Liebe verdienen, kennengelemt, aber keinen, der eine solche bezwingende und zugleich beang­stigende Suggestionskraft besaB. Diese Suggestionskraft ko~­te man nicht fotografieren. Darum sah sie aum niemand m den zahlIosen Wochenschauaufnahmen, die von Hitler exi­stieren. Man fühlte sie nur seiner lebendigen Person gegen­"b . .' rmanenter uer. Man sah sie nicht nur - SIe war W1e em pe elektrischer Strom. Es gab einen Witz, nam dem Hit1~r den niichsten Umstehenden befahl, aus dem Fenster zu spnngen,

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um unten auf dem Pflaster der Strage tot zu landen und

die Befehlsempfanger es dann ohne zu zëgem taten 1 d' daR . n 1eSetn Augenblick wurde mir klar, d~ dieser Mann tatsachlich sol 'rafte über eine bestimmte Menschengattung besitzen ko <he

lm hatte damals nom nimt erfahren, wie weit ich selbst ~te. semer

unglaublimen Suggestionskraft ausgeliefert war.

Hitler bram die Pause, die jeder von uns auf seine e' 1gene Weise durmdamt haben wird, ab, indem er mich bei der Schul-ter nahm und sagte: »Kommen Sie mal mit. Das wird Sie aIs Regisseur interesSleren. Auch Sie, Herr Jannings.«

Nun gingen wir mit Hitler, neben ihm ein Mann namens Hadamovsky *, der stets ein Mikrophon vor Hitlers Gesicht hielt, durch den Park. Goebbels und einige andere Herren ka­men mit. An einer Stelle des Parks hatten sim etwa hundert Leute brav aufgebaut und warteten. Alle Arme f1.ogen in die Luft, als Hitler kam. Mit Blicken, als kame ein Heiliger, emp­fingen sie ihn. Die meisten waren in SA-Uniform, aber es waren auch Zivilisten und Frauen dabei. Vor den Leuten stan­den Geschenke. Es waren entweder kunstvolle Modelle von Hausern, die irgendwo gebaut wurden, aber auch zum Teil wertvolle Kunstgegenstande. J a selbst groEe, sehr kunstvoll hergerichtete Torten und Kuchen - auf denen Schokoladen­hakenkreuze zu sehen waren. lm sah aum ein altes, wertvolles hoUiindisches BUd.

Hitler gab jedem die Hand und spram einige von ihnen an. Wenige antworteten sem frei. Viele stotterten, manche zitter­ten, ja einer bekam Schaum um die Lippen und konnte kein Wort hervorbringen. Hitler berührte ihn mit seinen Fingern

an der Schulter, und 50 lange er ihn berührte, wim der Krampf von ihrn, 50 daE er einige Worte sprechen konnte. AIs ihn Hit­ler 10slieB, war der Mann wieder 50 stumm wie vorher. Eine Frau fiel auf die Knie, und Hitler hob sie sanft auf. Er wa3

zauberhaft zu ihr - und lieb. Ja - 50 sah man ihn auf Post­karten, und 50 war er auch mit den Rehen am Berghof foto­grafiert worden - 50 wollte er gesehen werden. Das war ein ande.rer Hitler als der vor zehn Minuten.

Dle Wartenden brachten Petitionen vor, meist in sdu-iftlidtet

• Eugen Hadamov k b ktof der Reimsrundf nks y, ge . 1.90 4, Reimssendeleiter und Dire u geseUschaft.

Form, die Hitler sofort an seinen Adjutanten weitergab. Einige beschwerten sich, daE sie von der Halbtagsarbeit nicht leben konnten. Hitler versprach ihnen, alles zu tun, das zu iindem. Aber »in der Textilbranche ist nun einmal ein Materialman­gel«, den würde er nach und nach beheben. Er sprach davon, daE Geld nicht Gold, sondem Arbeit sei und daE Deutschland nur an der Arbeit genesen konne. Sie würden bald alle voU­beschaftigt sein.

Ein Mann, der Hitler strahlend anschaute, erzahlte, daB er mit dem Luftschiff »Hindenburg« habe herlliegen dürfen, und welche Wirkung es auf ihn gehabt hatte, mit dem gewaltigen Schiff über Deutschland und über Berlin zu brausen, und wel­cher erhabene Eindruck es gewesen war, wie sich das Luft­schiff über der ReichskarlZlei vor dem Führer verneigt habe. Da dieser Mensch 50 schwarrnerisch von seiner Luftreise sprach, konnte es sich Hitler anscheinend nicht versagen, seine Hand auf das Mikrophon zu legen und es weit hinunterzudriicken. Er sagte leise : »Das brauchen die Leute drauBen nicht zu horen. lhre Begeisterung in Ehren - aber ich würde mich niemals in dieses Ding hineinsetzen. Das ist ein lliegender Sarg. lch Blege erst über den Ozean, wenn die Flugzeuge 50 weit sind, das tun zu konnen. Diese riesige Zigarre ist mit Gas gefüllt - die Amerikaner geben uns kein Helium. Friiher oder spa ter wird die Zigarre explodieren *.« Dann setzte er lachelnd hinzu: »Darum heillt das Luttschiff auch nicht Adolf Hitler, wie man es nennen woUte.«

VieUeicht ist es psychologisch oder, besser gesagt, psych­iatrisch interessant, die SchluBpointe dieses Tages der Staats­preisüberreichung zu erzahlen. Ein groBer braununiformierter Herr hakte mich freundlich unter und nahm mich etwas bei­seite. Er sagte aufatmend: "Sie ahnen nicht, wie ich das sc:hOne Sonnenwetter preise. Wenn dieser 1. Mai bei schlechtem Wet­ter im Saale gefeiert worden ware, dann hatten Sie was erleben konnen, Herr HarIan. Wenn namlich die Frauendelegationen erscheinen _ wissen Sie, was dann in dem Augenblick passiert, in dem der Führer den Saal betritt7 - Dann pÎSsen sie aIlel Et ist kaum auszuhalten.« Ich sah den Herm einigermaBen er-

~ Da. Luftschiff »Hindenburg« verbrannte 1937 bel der LandUIII In Lakehurst/USA.

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.l. Aber ehe ich ihn fragen konnte, antwortete er "(I1r0 en an. 1" .l. cl J J" Herr Harlan, der SchlieBmuskel geht auf, und .lUlen . » a, u,

T ·..Le tn'efen Die magische Erscheinung des Führers le epplUl . zwingt die Menschen, nicht nur an Stellen, wo das sympathisch . t u Offenheit und Hingabe, sie lëst auch manchmal hëchst IS 1 Z

unerwünschte Wirkungen aus. «

Hitlers Suggestivkraft

Aum ich war ihm ausgeliefert: Eines Abends gegen zehn Uhr - im glaube, es war Anfang 1939 - wurden wir von Benno von Arent *, dem Leiter des Künstlerklubs (KddK), der sim ausgerechnet in dem Privathaus von Walter Rathenau in der ViktoriastraBe etabliert hatte, angerufen. In ziernlich her­rischem Ton wurde mir mitgeteilt, ich solle mich mit meiner Frau sofort in den Wagen setzen und in die KddK korrunen. Befehl des Ministers Goebbels. Ich erklarte, daB sowohl meine Frau wie im für den Film »Reise nach Tilsit« am nachsten Tag senwere Aufnahmen zu machen hatten. Aber Benno von Arent sagte: »Lassen Sie meinetwegen den Drehtag ausfallen, wenn es nient anders geht. Aber korrunen Sie sofort mit Ihrer Frau hierher. Es ist sehr wientig. Betrachten Sie diese Einladung ais einen Befehl ihres hëchsten Chefs.«

Also 'raus aus den Betten, obwohl meine Frau Kristina zu dieser Zeit schon nierenkrank war und es ohnehin schwer hatte, die Szenen für den Film zu Ende zu drehen.

Kaum waren wir im KddK angekorrunen, erschienen Hitler und Goebbels mit ihren Adjutanten und dem Leiter der ReimS­kanzlei, Bouhler. Kristina und ich wurden an einen groBen Tisen beordert, von dem man über ein zierliches EisengeHinder in den Tanzsaal hinuntersenauen konnte. AuBer den hohen NS-Besuenem wurden noch Jakob Tiedtke, Paul Unke, der Komponist von »Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft«, Harald paldsen und einige andere Smauspieler an Hitlers Tism s: • 'rI Arent wurde von Hitler mit »Benno« angeredet und Wi.8 .. pater alter Freund behandelt.

1!':~" . .dfII, RekbsbtihnenbUdner.

AIs oberer Fries des Tanzsaales war eine Reihe von in sim verschlungenen Hakenkreuzen zu sehen, die smon Walter Rathenau aIs Zierde seines Festsaales in feiner Stuckarbeit hatte anbringen lassen. Natürlich war dieses Zeimen in den Augen Rathenaus jenes »Kultzeichen des Glücks«, aIs das es in Indien, China und J apan gilt und aum bei den alten Ger­manen gegolten hat. DaB sein Haus nunmehr das Zentrum des Hoheitszeichens des antisemitischen Nationalsozialismus ge­worden war und daB jeder darauf hingewiesen wurde, der er­mordete Jude Walter Rathenau habe dieses Zeienen »in weiser Voraussicht« selbst in seinem Zimmer a.nbringen las sen, ent­sprach jenem Humor niedrigster Klasse, den man damaIs in den »besten Kreisen« antraf. Da ich Walter Rathenau auf einigen Spaziergangen durch den Grunewald begleiten durfte, die er mit meinem Vater zusammen untemommen hatte, wirk­ten diese Raume der KddK auf mich ohnehin gespenstisch, und ich habe sie niemals besucht, wenn ich nicht muBte.

Bei unserem Besuch hing allerdings über diesen Haken­kreuzen ein kurzer schwarzer Stoff in Falten, unter dem ein wenig weiBe Spitze hervorlugte, aus denen zahlreiche Glas­beinchen - eins hinter dem anderen - mit Strümpfen bezogen sich herausstreckten. Benno von Arent hatte sie von einer Strumpffabrik ausgeliehen. Es war Karnevalszeit, und Hitler meinte gutgelaunt, daB dieser erotische Scherz da oben sehr gut passe, denn "die Karnevalszeit ist eine sehr nützlime und beviilkerungspolitisch ertragreiche Zeit, in welcher viele Solda­ten ihr Leben empfangen.«

Hitler, der, wo er ging und stand, Ansprachen hielt, wu sehr bald bei seinem Lieblingsthema: die fremden groBen Staatsoberhaupter. Er nannte sie samt und sonders »NuIlenc. Nur bei Stalin machte er eine gewisse Einschrwung. Den ,)Whisky-Saufer« Churmill konnte er nimt liimerlim genua machen, und ahnlich sprach er über den »dummen Daladi .... Von seinem Hohn blieben nur wenige der groBen »politisdteo Schachfiguren" versmont, von denen er behauptete, nur eineIl" einzigen »Bauem« zu gebraumen, um sie zu schlageo. Die Franzosen und die Englander seien 50 von den Juden ~ daR sie keinerlei Widerstandskraft mehr besiBen. VOl »roten Popensohn aus Georgien« sdùen et allerclinlPt

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Resrekt zu haben, und er bemühte sich auch gar nicht, ihn zu \'erbergen. Jedenfalls sprach er über Stalin ganz anders, ais

er es sonst in seinen Reden tat. Senwarmerisch sprach er dagegen von dem Manne mit dem

» ietzsene-Kopf«, Pilsudski, und mit abwertenden Worten dar­auf von des sen unwürdigem Nachfolger. Roosevelt nannte er einen »Epileptiker«, obwohl jeder von uns wuJ$te, daB er an

KinderIahmung litt. Hitler meinte schlieBlich, daB die D amen die politischen Ge­

spraene wohl nient interessierten, und darum forderte er seine Adjutanten und Bouhler auf, mit den Damen zu tanzen. Meine Frau, die einigermaSen vers tort neben Hitler saB, war sehr zufrieden, aufstehen zu dürfen. Die »Eselserenade« wurde ge­spielt, und Hitler erklarte, daS sie sein Lieblingsschlager sei. Darum wurde sie auch am Abend unentwegt wiederholt. Er trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. den Takt dazu. Seine groBen, wasserblau-grunen Augen sch.ienen durch die meinen hindurchzusehen, 50 daS ich den Eindruck hatte, er sehe auf etwas, was hinter mir war. Ich beobachtete, wie richtig er beim Sprecnen atmete. Er sprach die langsten Satze - sich immer steigernd, ohne dazwisch.en Luft zu holen. Manchem Senauspieler oder Sanger hatte ich diesen Atem gewünsch.t. Dieser Atem war es auch - das war mir klar, der seine Sug­gestionskraft ausmachte und der seinen Augen etwas Elemen­tares gab. Denn er regelte mit seinem Atem nicht nur seine Sauerstoffzufuhr, sondern er benützte ihn auch als Waffe.

Plotzlich wandte er sien an mich: »Na, Herr Harlan, ich. bin ja nient hierhergekommen, um Ihnen etwas zu erzahlen, son­dern idt wollte einmal horen, wie ein Künstler über seine Ar­beit spridtt. Ich meine keinen professoralen Vortrag und auch. keine Skandalgesdtidtten aus demFilm (dabei sah er mit einelIl auEreizenden Laeneln auf Goebbels). Erzahlen Sie mir mal etwu oder sind Sie im Reden sch.wach 7«

&- legte seine Hand kurz auf die meine - und idt dach.l:e _'lit an die Szene in seinem Garten. »Nein - im Reden 1ft

tchwadt, mein Führer", lach.te Goebbels dazwisch.en­."11 Diskussionsduelle erinnernd, die ich. iJnDU!r wieda' "8I1aab1 batte.

Cehim Sng es an zu rumoren. Was tOUt..

Hitler erûhlen, was ihn interessieren konnte? D fi 1 . . d

() ·ch . T a e DUr em al> 1 weruge age Zuvor bei dem Bildh P f ' . auer ro. Fritz

Klimsch ln dessen Atelier gewesen war Er h tt f . . . a e uns geru en, weil er von memer Frau eine Marmorbüste anferti II E

. t . B·· gen wo te. r zelg e uns eme uste von Marianne Hopp d ..1... . . e un aUm emen

AbguB der »OlympI~«, die im Garten Hitlers auf dem Berghof aufgestellt war. Er Wles auen auf Abgüsse von Figur hm di en , e i~ Treppenh~us .des Propagandarninisteriums standen, und zelgte uns schheBhch namentlien ein Mozart-Denkmal, das _ in der Mitte des Ateliers stehend - vorlaufig nur in Gips exi­stierte. Klimsch wollte es in Marmor ausführen. Es war, werm ich mich recht erinnere, eine kleine, dreiflachige Pyramide. AuE der einen Seite war, 50 glaube ien es noen vor mir zu sehen, das Relief eines Mozart-Kopfes angebraent, und an den drei Ecken der Pyramide warenFiguren, die das "Senerzo«,das »Andante« und, wie Prof. Klimsch sien ausdriickte, das »Triumphatore« darstellten. Rundherum war eine dicke, kunstvoll geschmiedete Eisenkette angebraent, die, an drei pfeilem hangend, das Denkmal schützend abschloB.

Klimsch erûhlte mir mit einiger Bitterkeit, daB er dieses kleine Denkmal in Salzburg vor das Mozart-Haus steUen wolle - und zwar auf die Mitte der FahrstraBe, die direkt auf die Salzach zuführt. Er habe sien diesen Platz ausgesudtt und ihn genau berechnet. Der Verkehr würde nient behindert wer­den, zumal man die StraSe zur Salzaen ganz senlieSen ki:inne. Sie sei überflüssig und ohnehin rur Fahrzeuge verboten.

Mit groBer Begeisterung schilderte er, wie er den Stein zu Musik werden las sen wolle und wirklich - was er sagte, sdùen schon in dem rohen Gipsmodell in Erscheinung zu heten. & forderte rur Mozarts Haus eine besondere Rühmung, die wllis fehle. Abgesehen davon, daS in einer geschmadc.losen Sduit :> Mozarts Geburtshaus« an dem Hause angesduieben sei, feble J~.dwede echte Ehrung. Die gegenwartige Ehrung bestehe baupt-: sachlich .. ch .. sche . ln e~~em S okoladenladen, unten un Haus, ID ClelIIU .... "c

uBhch suBen Mozart-Kugeln verkauft würden. & belltIIIl. erte, daB es ihm vollig unmoglich. sei an den Fihrw zuk ' ommen und daB er darum nidtt zur AlIlSflIlhn-. Arbeit k . __ ... 1. ... D k ornme. Nebenbel hatte er nom _ .... ....

en mal etwa 100000 Mark kosten würde.

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Idt "ar also froh, eine in teressan te Geschichte erzahlen zu . "nnen, und hoffte auEerdem, dem verehrten Prof. Klimsch zu helfen. Ich hatte aber bei Hitler einen ganz anderen Erfolg, aIs Ich erwartete. Er horte sich meine Erzahlung an, ohne mim zu unterbrechen. Ais ich fertig war, fragte er Goebbels: »Warum weiE ich dayon gar nichts, Goebbels?«

Der souverane Goebbels, den eigentlich nimts aus dem Kon­zept zu bringen vermochte, mamte in diesem Augenblick den Eindrud< eines Schuljungen, der seine Aufgabe nicht rimtig gemacht hat. Sein Respekt vor Hitler war 50 ungeheuerlich, daE er sich selbst zu verlieren schien, wenn er durch sein Ver­halten den Führer unzufrieden gemacht hatte. Das Blut smoE ihm in den Kopf. Er erklarte, von dem Projekt niemals etwas gehort zu haben. »lch stehe doch mit Klimsch 50 gut, daE der Professor mich jederzeit anrufen kann. Ich bringe das gleich morgen in Ordnung.«

Hitler erklarte, sehr interessiert daran zu sein, einen Bericht über dies es Denkmal zu bekommen. Es war eine betretene Stimmung aufgekommen.

AIs nun Bouhler vom Tanzen zurückkam, fragte Hitler ihn, ob Prof. Klimsch in letzter Zeit in der Reichskanzlei um einen Termin nachgesucht hatte. Bouhler verneinte das. Ich saE wie auf Kohlen, denn Goebbels war verargert, und wenn er mir auch keine Vorwürfe machen konnte, 50 war ich schlieElich doch der AnlaE für diesen Millklang.

Nichts tritt 50 sicher ein wie das Unerwartete: Hitler, 50

sagen aile, die ihn naher kannten, solI über ein auEergewohn­liches Gedachtnis verfügt haben. Er solI die Anzahl der ver­schiedenen Bataillone oder Schlachtkreuzer derU-Boote usw. ge-, nau im Kopf gehabt und die Leute scharf kritisiert haben, die ihm etwas Falsches auf diesem Gebiet erzahlten. In diesem Augenblid< schien ihn aber sein Gedachtnis im Stich gelassen

zu haben. Er schilderte namlich Bouhler das Denkmal falsch. Er erzahlte zwar von den Figuren, von der Kette und von der Grô8e des Denkmals und auch von dem Ort, wo Klimsch es aufgestellt haben wolIte - aber er machte aus der Pyramide eine Siule,am welcher oben die Frauenfigur» T riumphatore« stünde.

Das war 50 offensidttlich. falsch. daE man Hitler sofort hatte ~ müssen. Aber keiner 'tat das. Auch. ich.. nidtt. Alle

wuBten, daB ich von einer dreiflachigen Pyramide gesprochen hatte und daE die Figuren unten auf dem Sod<el standen. Aber solange Hitler da war, schien das keiner von uns mehr zu wissen. Wir waren vielmehr aile davon überzeugt, daB es sich um eine Saule handele.

Erst ais Hitler gegen 3 Uhr nachts mit Goebbels die KddK verlassen hatte, wuEte jeder von uns wieder, daE Hitler das Denkmal falsch beschrieben und daB nicht einmal Goebbels ihn korrigiert hatte. Wir waren uns übrigens aile einig dariiber, daB wir nicht etwa aus Feigheit keinen Widerspruch erhoben hatten, denn es ware ja ganz aIbern gewesen, ihn bei seiner falschen Vorstellung zu belassen.

Jakob Tiedtke schüttelte den Kopf und sagte in seinem lapi­daren Berliner Tonfail: »Herrgott, bin id< denn ein 50 voll­kommenes Arschloch! Id< hab an die Sieges saule jedacht, ais er von dem Denkmal sprach. Und id< hab och jeglobt, det es 50

ahnlich aussieht. Die Triumpatore war für mich aus Jold - da­bei wuEt ick doch - det se weill is.« Er schüttelte nochmaIs über sich selbst den Kopf.

Wir stellten dann abschlieEend Fest, daB wir in dem Augen­blick, in dem Hitler die Geschichte falsch erzahlte, uns aile zwangsUiufig ebenfalls eine Saule vorgestellt hatten, und daB es zu dieser Zeit für uns aIle eine Saule war, und daE die Triumphatore oben stand, genau wie auf der Siegessaule.

Es ging also eine ganz primitive, aber vallig unabwendbare Fakirwirkung von Hitler aus. Selbst wenn man k1ar wuBte, ditS etwas falsch war, was er sagte, war es dennoch richtig, weil er es sagte. Das hatte nichts mit Angst zu tun oder mit Oppor­tunismus oder mit Subalternitat. Jakob Tiedtke laste lachelnd­wenn auch etwas bedrüd<t - das Problem folgendermaBen: »Det der een Fakir is, det steht für mich fest. Davon beiBt keine Maus eenen Faden ab. Id< jloobe, det is jenau so, wie mit dem Sei!trid< bei den Marokko-Fakiren für de Fremden. Id< hab det selbst jesehen, daB eener det Sei! hochschmeiBt und ditS et jewissermaBen in de Luft hangt, ais wenn der Himmel eenen Haken hatt, und daE dann een k1eener Junge ruffklettert. Idt sage dir, Veit, 50 wahr id< hier sitze, der Junge ist ruffjeklet­tert. Und 50 Îs det heute och jewesen.«

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Goebbels und Gerhart Hauptmann

ln diese Zeit gehiirt auch eine Episode, in der ich mir eine neue Schlappe bei Goebbels holte. AIs begeisterter Verehrer Gerhart Hauptmanns und aIs begeisterter Berliner, war ich schon lange mit dem Plan umgegangen, Gerhart Hauptmanns Berliner Tragikomiidie »Die Ratten« zu verfilmen.

Ich hatte einige Zeit vorher auf Hiddensee Gerhart Haupt­mann getroffen und mit ihm über meine Absicht, sein Stück zu verfiImen, gesprochen. Gerhart Hauptmann setzte sich eine Weile auf den Boden in den Dünen. Neben ihm graste ein klei­ner grauer Esel, den er hin und wieder streichelte und auch ansprach. Er fabulierte von seinen Berliner Stücken.

Da war zuerst »Der Biberpelz«, über den er ganz anders sprach, als man heute dieses Stück im allgemeinen darzustellen pflegt. Er sprach von seiner Liebe zu der Diebin, die sich auf ihre Weise gegen das groBe soziale Unrecht mit Schlaue und Versdùagenheit zur Wehr setzt, und er sprach über ihren Gegenspieler, den Amtsvorsteher Wehrhahn. Für diese Figur schien er eine besondere Vorliebe zu haben. Nailirlich sei er dumm und blasiert. Kurz : ein Junker. Die Zartlichkeit, mit der er von dieser Gestalt sprach, schloB natürlich nicht aus, daB er sich wiinschte, über den durnmen Amtsvorsteher miige 50 viel wie miiglich gelacht werden. GewiE war Gerhart Hauptmann der letzte, der wiinschte, d~ solche Leute wieder irgendeine Macht in Deutschland haben sollten. Aber er betonte doch, d~ dem Deutschen, wie er nun einmal sei, etwas fehle und irnmer mehr fehlen werde, je mehr der Adelsstand aus Gründen des aufkommenden Sozialismus verschwinde. Der sozialistische Deutsche habe sich schlieBlich leider aIs ein etwas anderes Wesen entpuppt, aIs man ihn sich zu früherer Zeit ernoffte. Hauptmann sprach in bezug auf ihn von dem »groBen Spiel~er" und von dem »Mediokritatenanbeter«.

Da ich schon damals manches Torichte über Hauptmannll

Beziehung zum Nationalsozialismus gehiirt hatte, habe ich das Rem.~, an dies~r Stelle zu betonen, daiS ich in den. kurz.en : den, ID denen un Hauptmann sah, mit aller Deuthchkelt e we1dt namenlose Verachtung er rur das geistig MinderWertiIt' halte,das zu dieser Zeit herrschte. Er sprach nicht von

Personen - aber wer die Aura dieses groiSen Geistes zu spÜTen vermochte, ahnte auch die Hohe, aus der herab er über »die Igel« sprach, »die da unten stechen«.

In diesem Si~e erziihlte er mir auch von »Schluck und Jau", jenem »Scherzsplel«, das sich teils auf die Rahrnenhancllun »Der Widerspenstigen Zahmung« von Shakespeare und teil~ auf »J eppe vom Berge« des danischen Dichters Holberg smtzte. Die Namen »Schluck und Jau« sei en hier auf der Insel Hidden­see zu Hause, sagte er.

In Jau hatte Hauptmann in der Form dem »Scherz« Platz mach en wollen. Er verfolgte aber einen sem emsten Sinn. Er demonstrierte in ihm namlich die Gefahrlichkeit des versoffenen Landstreichers, der sich einbildete, der Herzog zu sein. Derechte Herzog und seine Umgebung bestatigten ihm das, bis er es schlie@ch selbst glaubte. Er rn.iBbraucht nun seine Macht als Herzog sofort in tierischer Weise. D~ ihm Fressen, Saufen und die Weiber das wichtigste sind, ist noch natürlich. Aber jeden will er »uffhanga« lassen, der ihm aus irgendeinem Grunde nicht paiSt. Er ist maiSlos und wütet. 50 konne es auch einem Volk ergehen, das sich besinnungslos »dem Plebejertum« aus­liefere - meinte Hauptmann.

50 wie Hauptmann über sein »Scherzspiel« sprach, ent­wickelte er eigentlich eine »verborgene Warnung«. Wer aber spielt sein Stück 50? Meistens wird doch nur die Lustigkeit, nicht aber die tragische Warnung gespielt, die deutlich zu mach en Gerhart Hauptmann als sem »modern« erscheinen las­sen würde.

Dann kam er auf seine »Ratten«. Er sprach von Friedrich Hebbels Epos »Mutter und Kind«, dem das gleiche Thema zu­grunde liegt, und erlauterte mir seine Sicht auf dieses geniale Theaterstück in einer Weise, d~ ich es als Regisseur sehr leicht gehabt hatte, das zu verdeutlichen, was der Dichter mit seinem Stück aussagen wollte.

Voller Zuversicht schlug ich nun bei der Tobis das Thema »Die Ratten« vor. Der Produktionschef Demandowsky reichte das Vorhaben im »Promi« ein, und ich wurde daraufhin zu Goebbels bestellt.

Goebbels behauptete, das Stück zu kennen. Mir war solort klar, daiS, wenn er es überhaupt gelesen hatte,er nur sehr ober-

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Radllich in das Stück eingedrungen sein konnte. Darum erz1ihlte icn, auf welche Weise ich Berlin und die Tragik der Mutter, die .;ich schliel5Jich in ein Verbrechen vers trick t, in diesem Film

behandeln wolIte. lch hatte von Goebbels die Erlaubnis erhaiten, niemals sitzen_

bleiben zu müssen, wenn ich etwas erzahlen wolIte. Brav auf einem Stuhl zu sitzen - gewissermaBen dem Chef gegenüber_ engte mir die Phantasie ein. lch fuhrwerkte deshalb in seinem Zimmer hin und her und gab alles Wichtige, was ich von Haupt­mann darüber wuBte, Goebbels zur Kenntnis. Auch betonte ich das, was ich dazu von "Sch!uck und Jau« wugte. AIs ich das Stück erzahlen woUte, unterbrach er meinen Redeflug: "lch kenne ja das Stück. Sie brauchen sich nicht in groge Unkosten zu stürzen. Sie scheinen nicht zu wissen, dag Gerhart Haupt­mann ein Kommunist ist!« lch antwortete verdutzt: ,,!ch glaube ganz sicher zu wissen, daB er das auf keinen Fan ist, Herr Minister.«

Goebbels lieg daraufhin vom Ministeramt eine Fotografie bringen. Auf dieser Fotografie war Hauptmann vor Arbeitem zu sehen - diese Szene solI in Essen fotografiert worden sein -zu denen er mit erhobener Faust sprach' Hauptmanns Handbe­wegung deutete Goebbels aIs kommunistischen "Rotfront­GruE«. Nachdem er noch einige Gehassigkeiten gegen "Die We­ber« abgeschossen hatte, gipfeite seine Kritik über Hauptmann darin, er sei "überhaupt kein Dichter, sondern nur ein geschick­ter Milieuschilderer, dessen Zeit vorbei ist.« Was wir aus dem "Herrscher« gemacht hatten, habe mit Hauptmanns Stück gar nichts mehr zu tun. Unser Film sei eben deshalb 50 vortrefflich gelungen, weil wir Hauptmann nicht gefoigt seien.

lch kann keine Antwort darauf geben, warum der auBer­gewohnlich gebildete und intelligente Goebbels mich mit eineI1l solchen Unsinn abspeiste. Es ist véiIlig ausgeschlossen, daB er, der ehemalige Germanist, der in Heidelberg studiert hatte, nimts von der GréiBe der Dichtungen Gerhart Hauptmanns

gewuSt haben soU. lch weiB auch zuverlassig, daB er zu anderen

Zeiten mit weit mehr Achtung, wenn auch niemals mit groBer Zuneigung überGerhartHauptmann gesprochen hat. Goebbels pb eUh also gar keine Mühe, gute Gründe dafür anzugebeJ1,

MIIm er keine weiteren Themen von Hauptmann rnehr ",er-

filmt sehen mochte. Mit der Verfilmung d B'b 1 . . . .. es » 1 erpe z«, die HemrIch George durchführte sei es nun h h f . . . ' wa r a tig genug.

Damlt war mem Plan, »Die Ratten" zu verfilmen, end ülti zugrunde gegangen. g g

Die eigene Produktionsfirrna scheitert

Da aile :,on ~ir ins~enierten Filme gute Geschafte waren, lag es nahe, eme elgene FIlmproduktion zu gründen. Der alte Carl Froelich, auch Willi Forst und andere, hatten gute Erfahrungen damit gemacht. Ein Produzent verdi ente am Einspielergebnis seiner Filme ungefahr 30 Prozent. Der gréiBere Teil jedes dieser Filme wurde von derVerleihfirma, der Ufa, der Tobis, der Terra usw. finanziert - und alle Verleilifirmen gehorten zu 51 Pro­zent dem Staat, wodurch Goebbels - abgesehen von seiner personlichen Machtstellung - auch wirtschaftlich zum absoluten Diktator der deutschen Filrnherstellung wurde.

Den Rat, eine Produktionsfirma zu gründen, gab mir der liebenswürdige Generaldirektor der Tobis, Lehmann. Wie immer muBte ein entsprechender Antrag über das Propaganda­ministerium laufen. lch hatte den Antrag wahrend der Her­stellung des Films » Der Herrscher« gestellt und wollte ver­suchen, den Film » Jugend « (nach Max Halbes berühmtem Thea­terstück) bereits aIs ersten Film meiner eigenen Produktion zu starten. Dieser Film war billig herzustellen. Die Hauptrollen wurden von jungen Menschen gespielt. Doch dieGründung der »Veit Harlan-Filmgesellschaft« wurde auf folgende Weise von Goebbels verhindert:

Mir war vom Ministeramt - wenn ich nicht irre von Hada­movsky - nahegelegt worden, aIs Antwort und Dank dafür, daB der von mir inszenierte Film » Der Herrscher« den Staats­preis bekornmen hatte, den Antrag zu stellen, in die Partei auf­genommen zu werden. Das zu erreichen war zu dieser Zeit gar nicht 50 einfach. Da Jannings aIs personIicher Empfanger des Staatspreises galt, weil er die künstlerische Oberleitung dieses Filmes innehatte deutete man mir an, daB ich wahrschein1ich das »Goldene P~rteiabzeichen« bekommen WÜrde. Ich lehnte dieses Ansinnen ab. Und ich erkUirte, daB ich es nicht fIIr

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~'sd1mad.voll halte, »als Dank« in eine Partei eintreten zu wol­len \'on der man im Augenblick nur Vorteile genieBen konne, \\àhrend man die Nachteile, die die Parteimitglieder vor 1933 auf sich zu nehmen hatten, nicht tragen müsse. Kurzum - ich brauchte einige Ausreden, und das ganze schien oh ne Aufsehen

an mir vorbeizugehen. Dem war aber nicht 50. Goebbels verstand es, mich fur meine

Absage ganz empfindlich zu bestrafen. Diese Strafe soUte mich

viele Millionen kosten. Eines Tages wurde ich zu Goebbels in seine Seevilla nach

Schwanenwerder eingeladen. Goebbels besaB am Wannsee ein prachtiges groBes Motorboot. Hitler war anwesend. AuBer vielen Schauspielern und Schauspielerinnen war auch ein Sohn von Mussolini dabei. Der damaIs bekannte Leibkoch Hitlers, Kannenberg, bereitete in der Küche des Schiffes ein Mittag­essen vor. In der Mitte des Schwielow-Sees wurde geankert und serviert. Auch Hitlers Leibfotograf Heinrich Hoffmann war dabei. Er war ziemlich betrunken. Aber er hatte Narrenfreiheit bei Hitler. Deshalb durfte er seinen hohen Führer damit frot­zeln, daB es eine Schwache sei, immer nur Limonade und Was­ser zu trinken.

Wir bekamen Braten und Spargel vorgesetzt, was Hitler, der kein Fleisch aB, zum AnlaB nahm, uns eine Rede über die Ver­derblichkeit des Fleischessens zu halten. Er behauptete, da.B er niemals in seinem Leben Fleisch gegessen habe. Von Rechts wegen hatten wir nun aile aufhoren müssen, unsere Braten­scheiben zu verzehren. Aber Hoffmann mischte sich ein und betonte, daB dies keinesfalls notig sei. Er meinte in seinem behabigen Bayrisch: »Mein Führer, der Mensch hat Eckzlihne.« Er zeigte die seinen. »Er ist eben ein Raubtier. Sie müssen das doch am besten wissen. Wenn Sie einem Lowen nur Preisel­beeren zu fressen geben, dann stirbt er garantiert. Also laBt es euch gut schmecken, ihr Raubtiere!«

Hitler antwortete ihm mit merkwürdiger Geduld: »Sie sind ja smon wieder vollkommen betrunken, Hoffmann. Das nimJJ\t nodt ein hOses Ende mit Ihnen.« Da nahm der betrunkene

Hoffmann eine gedruckte, gro.Be Karte mit goldgedruddelll

Rahmen aus der Tasche und übergab sie Hitler, der aUS iht YOdu, da8 Hoffmann der Vorstand eines AntialkoholikerVer-

eins sei, der aile versoffenen Brüder aufforderte, die strapazier­ten Lebern und Nieren in Frieden zu lassen, Einkehr zu halten und zur Wasserleitung zurückzufinden.

50 etwas lie.B sich Hitler von seinem geliebten Hoffmann gefallen . Wir fuhren durch den Wannsee nach Potsdam und durch die Havel-Seen. überall an den Ufern und auf den Brücken stand en Menschenmassen, denn man wu.Bte: "Der Führer kommt! « Ein besonderer Jubel brach aus, wenn Hitler sich neben Zarah Leander an der Reling zeigte.

Der Adjutant Schaub stand mit mir an der Reling und sagte tief aufatmend: »Glauben Sie nur nicht, da.B ich ein schones Leben habe. lch habe mir gestem abend drei - sprich drei! _ Filme ansehen müssen und heute friih wieder einen. Und das auf nüchternen Magen. Der Führer hat darin eine unbeschreib­liche Ausdauer. Leider interesse ich mich fur Filme überhaupt nicht. Glauben Sie mir, ich sitze in einem goldenen Kiifig, aus dem ich nie wieder in die Freiheit komme. lch beneide Sie.« Er hatte ebenfalls zuviel getrunken und war eigentlich immer me­lancholisch. Es paBte 50 gar nicht in meine Vorstellung von Hitler, da.B er diese beiden Leute um sich haben wollte. lch war damaIs sehr neugierig, das Phanomen seiner Existenz zu be­greifen. Man wu.Bte ja noch nicht, mit welchem furchtbaren Henkersschwert er seine» ldeen« durchfechten würde. Ein ers tes Erschrecken kündigte sich bei mir an, aIs er sagte: »lch habe meinem Chauffeur, der neulich 50 gebremst hatte, da.B ich nach vorne Rog, nur weil ein Hund über die Stra.Be lief, die Anord­nung gegeben, da.B er weder wegen eines Tieres noch wegen eines Menschen mein Leben in Gefahr bringen dürfe, und daB er rücksichtslos auf alles, was sim mir in den Weg stellt und nimt beiseite geht, zuzufahren hat. Was ist überhaupt ein ein­zelner Mensch! Und was würde aus Deutschland werden, wenn ich nicht mehr da bin!«

Nachdem das Schiff in Schwanenwerder wieder angelegt hatte, muBten wir, von der Landungsbrücke kommend, ~ steilen Weg nach oben zum Hause von Goebbels nehmen. Die-­sen Weg muBte Goebbels, seiner verkrüppelten Beine ~ sehr langsam gehen, und er hakte sich dabei geme ein. Dieses Einhaken verband er bei mir meist mit einem Gesprid!., du Ir in der Stille geführt wissen wollte, damit es nidtt 50 auf6el. cid

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('r schwer aIJein den Berg heraufkam. Er sagte: »Ich kann ganz gut \'erstehen, daB Sie nicht in die Partei eintreten wollen, und idl bin der letzte, der ein Interesse daran hat, etwa jemanden dazu zu zwingen. Aber Sie müssen verstehen: Wenn Sie sich nicht zu diesem Mann, der vor uns geht, bekennen wollen, dann kèinnen Sie auch nicht verlangen, daB der Staat Ihre Filme finanziert und daB Sie die Einkünfte kassieren. Sehen Sie sich einen Mann wie den alten Carl Froelich an. Er hat den Weg zum neuen Deutschland gefunden. Warum nicht auch Sie? Glauben Sie, daB es einen einzigen Staatsmann auf der Welt gibt, der seine Künstler so stützt, wie das der Führer tut? Wenn Sie ihm lhre Zugehèirigkeit nicht beweisen wollen, dann bin ich der Meinung, daB der Staat das Geld, das lhre Filme durch unsere Organisation bringen, allein verdi en en kann. Sie hab en ja eine prachtige Gage.«

Dann schlug er mir gèinnerhaft auf die Schulter, und da wir oben angekommen waren, humpelte er zu seinem Führer.

Dieser Mensch muS eine unfaBbare Energie aufgewandt haben, um überhaupt 50 zu gehen, wie er es in seiner Uniform tat. Er hatte ein Metallgestange an beiden Beinen, das ich fühlte, aIs er sich auf mich stützte, um bergauf zu gehen. Hin und wieder sah man es auch, wenn er die Beine übereinander­schlug und die Hosen etwas hochgerutscht waren. Viele sagten, daB er in friihester Kindheit eine Kinderlahmung hatte, andere, daB er schon 50 geboren sei. lch habe es jedenfalls bewundert, wie er vor einer Kompanie Soldaten hergehen konnte. Sein energiegeladener Gang verlieh seinem Krüppeltum etwas Im­ponierendes.

Aus diesem Gesprach wurde mir klar, daB die Aufforderun~, daB im in die Partei eintreten soli te, von ihm ausgegangen Sein muSte. Ehe im ihm antworten und um die eigene Firma kam~­fen konnte, hatte Goebbels bereits seine Absage so eindeuhg erteilt, daB es sinnlos gewesen ware, noch einmal davon anzu­fangen.

»Jugend« nach Max Halbe

Schon fur meinen Film »Mein Sohn, der Herr Minister«, den ich vor »Der Herrscher« inszeniert hatte, wollte im Kristina Siiderbaum, eine junge Schauspielsmülerin, für eine Kammer­katzchenrolle engagieren. Die Smwedin Kristina spram damaIs noch sehr gebrochen Deutsch. Aber gerade das hatte mir rur die kleine Rolle gut gepaBt. Da ich jedoch bereits die Franzosin Françoise Rosay und einen zweiten Auslander in meinem Film beschaftigt hatte, war das sogenannte »Kontingent rur Aus­lander« erschopft.

Nun bereitete ich für die Tobis den Film »Jugend« nach dem bekannten Bühnenstück von Max Halbe vor. Da fiel mir ein,

daB Kristina Soderbaum schon rein auBerlich ideal rur die Rolle sein müBte. Ihre lebendige Blondheit, die Reinheit, die sie aus­strahlte und die groBen blauen Augen - 50 stellte im mir das »Annchen« vor. Kristinas Deutsch war in der Zwismenzeit besser geworden, wenn auch noch keineswegs einwandfrei. Sie sprach ahnlich wie Zarah Leander am Anfang ihrer Laufbahn in Deutschland. Sie hatte jenes fremde »R«, das nahezu wie ein »L« klingt. Ihre Sprache hatte etwas Singendes. Punkte kamen in ihren Satzen nie vor.

Genauso wie ich es bereits im »Herrsmer« gemamt hatte, probte ich wochenlang an einer Probeaufnahme des Annmen sowohl mit Gisela Uhlen, mit der Schellhom ais aum mit Kri­stina. Alle spielten die gleiche Szene. Der junge Schauspieler Hermann Braun spielte das »Hanschen«.

!ch hatte eine sehr lange Szene gewahlt, die 180 Meter Film brauchte - also etwa sechs Minuten dauerte. Diese Szene he-­gann mit bebender Zurückhaltung der beiden Liebenden und steigerte sich immer mehr bis zu einem Crescendo der Ver­zweiflung. Das kaum erworbene Glüd< ist bedroht. Es wachst die Angst sich zu verlieren bis schlieBlich Annchen, die mit viel

, , ..L ··rtlich grotSerer Intensitat zu lieben vermag ais ihr HansUlen, za entsagt. Beschworend warnt sie ihren maBlosen Hans. 5chlieB­lich bringt sie die Situation in ihre Gewalt, ohne ihr zu en\-­fliehen. Annchen ist 17, Hanschen 18 J~hre. . Eros ..

Um den Zusammenprall dieser zwel vom "AllSleger besiegten Kinder ohne Filmschnitte einfangen zu kannen -

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J Id Unterbrechungen hatten die filmunkundigen An-nn so le f · h es tort -lieB ich »die entfesselte Kamera« wahrend anger se r g . . Sean die Schauspieler heranfahren, um Sle herum_ leser zen .

fahren und sich wieder von ihnen entfemen. Dle Schauspieler braurnten sich dabei um die Technik nicht zu kiimmem.

Srnon wahrend der Proben sah ich klar, daB ich in Kristina ein groBartiges Annchen gefunden hatte. Ais ich nun die drei Szenen mit den drei verschiedenen Schauspielerinnen meinem Freund Jannings vorführte, sagte er nach der Vorführung ganz spontan: »Was ist da viel auszuwahlen ? Nur die kleine Srnwedin kommt in Frage. Das Gor wird Karriere machen.« lrn sah es Jannings an, daB er wirklich erschüttert war. lch habe dann die Szene noch anderen Kollegen vorgeführt. Kristina war einmal dabei und hat selbst bemerkt, daB einer der Regis­seure Tranen in den Augen hatte. DaB solche Wirkungen bei Probeaufnahmen 50 gut wie niemals erzielt wurden, wuBte Kristina damals noch nicht. Auch der Generaldirektor Lehmann und der Produktionschef Demandowsky waren hingerissen.

Ais Goebbels die se Szene vorgeführt wurde, 5011 er genauso angetan gewesen sein. Er befahl sogar spa ter mehrfach, daB diese Probeaufnahme ins Propagandarninisterium gebrarnt werde, um anderen Regisseuren zu zeigen, wie er Probeauf­nahmen in Zukunft gemacht wissen wollte.

Mein Freund Eugen Klopfer spielte den Pfarrer, Werner Hinz den Kaplan, Elisabeth Flickenschildt eine Magd. Es war eine wunderschone Arbeit im Grunewald-Atelier. Oft war auch der Dimter Max Halbe dabei. Er sah sich die gedrehten Muster mit an und ermutigte Kristina durch seine Begeisterung. Er war aum dabei, als ich mit Thea von Harbou zusammen das Dreh­buch smrieb. Er muBte ja einem neuen SchluB zustimmen. Zwar stirbt Annchen in Halbes Theaterstiick auch, sie wird aber von einem Verrückten erschossen. Diese ZuHilligkeit des Todes schien mir schon immer ein Mangel des Stiickes zu sein. Der

Tod ~mens erwuchs in Halbes Stück .~cht ur:.a~li~ a~s d~~ Tragodie, sondern es wirkte eher ais sellhr zufalhg em Z eg stein auf denKopf gefallen. Haihe stimmte der Modernisieruns ~~ru. r

AIs der Film im Propagandaministerium zur Abnahm.e v~ pffibrt wurde, applaudierte ihm Goebbels genauso Wle

anderen, die ihn gesehen hatten. Trotzdem wurde er zwei Tage spa ter verboten.

lm wurde zu Goebbels besteUt und erfuhr folgendes: Rudolf HeB hatte den Film gesehen und ihn dem Führer vorgeführt. Nach dieser Vorführung war aus der Reimskanzlei die Weisung gekommen, daB am SchluB des Films eine Anderung durm­geführt werden müsse. Der jetzige SchluB habe »eine empO­rende katholisrne Werbewirkung«. Das sei nimt im Sinne des Nationalsozialismus.

!ch war wie vor den Kopf geschlagen. Max Halbe hatte sein Leben lang gerade dieses Stiickes wegen unter den AngriIfen von katholischer Seite zu leiden gehabt. Goebbels verbarg aum nirnt, daB er mit dem Eingreifen von HeB auBerordentlim un­zufrieden war. Aber gegen den Willen »des Führers« opponierte Goebbels nicht. Er hatte viehnehr bereits im Propagandamini­sterium eine Zusatzszene schreiben lassen. lm bin Fest davon überzeugt, daB Goebbels diese Szene selbst gesrnrieben hat. lch hatte sie aufzunehmen und einzuschneiden.

Die Situation in dem Fihn war folgende : Annrnen, das un­eheliche Kind der Schwester des Pfarrers war nam dem Tode der Mutter im pfarrhof aufgenommen und erzogen worden. Mi t 17 J ahren führte sie die Wirtsmaft des Pfarrhauses. Eine groBe Liebe verbindet Annrnen mit ihrem Onkel, dem Pfarrer.

AuBerdem lebt auf dem Pfarrhof nom ein Kaplan. Er ist ein eifernder Katholik. Diesen Frommen qualt ein furchtbares SrnuIdgefühl. Er hat sich in Annchen verliebt. Eine kraftvoUe Selbstbeherrschung und SelbstgeiBelung haben diesen Kaplan in eine gewisse Hysterie getrieben, denn seine Entsagung lag in qualvollem Kampf mit seiner miinnlimen Natur. Er blieb Sieger und hielt das Keuschheitsgelübde. Seine Eifersumt aber, wenn Annchen irgendeinen Mann liebevoU ansah, blieb und hatte stets furchtbare Folgen.

Nun war zu dieser Zeit Hanschen, der Neffe des PEarrers -ein neunzehnjahriger Abiturient _, auf dem pfarrhoE ru 8esudt. Hansmen verliebte sim in Annchen. AIs nun der Kaplan von einer Liebesnacht erfuhr, die Annmen und Hans verbracht haben soUten, verlor er vollig den Kopf.

A 'ch anh" wie der nnmen - von Scham gequalt - muB 51 oren, Kaplan den Flum, der auf der Mutter Iag, aIs einen F1uch

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1 d "ch auch auf Annchen übertragen habe. Er dringt er art, cr SI

Juf Annchen ein, sie solle in ei~ Kloster"gchen: Nur ~o konne <lE' des Pfarrers Schande und die Vorwurfe semer klrchlichen

Obngkeit mildern. ., . . " . Annchen bildet sich m Ihrer Unwissenhelt em, em Kind

em fangen zu hahen. Wie soli sie in diesem Zustand in ein Kl!ter gehen?! Der Kaplan steigert sich in seiner Eifersucht und Wut in immer schlimmere Vorwürfe hinein und hetzt die Siebzehnjiihrige schliegjich in eine vollige Ausweglosigkeit.

Der pfarrer hort zuniichst nur von dem Vorfall in der Nacht. Er glaubt, daB Annchen lediglich yom Pfarrhof ausgerissen sei. Ais er aber erfiihrt, was der Kaplan zu Annchen gesagt hat, erkennt er sofort die todliche Gefahr, in der sein geliebtes Annchen schwebt. Er selbst, Hanschen und die Leute aus dem Dorf suchen nun Annchen die ganze Nacht hindurch.

Max HaIbe hat eine elementare Szene geschrieben, in welcher der aIte pfarrer dem übereifrigen Kaplan klar mach t, wie eigensüchtig und unchristlich er sich gegenAnnchen benommen hat. Es giibe rur den Christen keine Sünde, die nicht vergeben werden konne. Annchen habe ihre Sünde bekannt und sei gewi/S bereit gewesen, sie zu sühnen. In dieser Auseinander­setzung hiiuft der Pfarrer eine grolSe Last auf die Schultem des Kaplans. Er macht ihn, Falls Annchen in den Tod gegangen sein sollte, daHir verantwortlich. Echte christliche Nachstenliebe steht einem starren Dogma und einem eifersüchtig eifemden Fanatismus gegenüber.

Annchen hat sich ertrankt. Aufgebahrt liegt sie irn Zimmer. Noch einmal treffen sich die beiden Priester an der Leiche des Mlidchens. Jetzt steht die Todsünde des 5elbstmordes ais Thema zwischen den beiden Priestem. Der alte Pries ter will sein lie~es Annchen von dieser T odsünde freisprechen. Sie habe irl Besm­nungslosigkeit und Unzurechnungsfahigkeit gehandelt. De~­.. d diB h b h "nwnihrbel­)eruge, er e esinnung atte ewa ren musse , "Ik zustehen, habe sie ebenfalls verloren. 50 sch!ielSt Halbes ~u. t

mit einem vernimtenden Urteil- das der echte fromme ~s ibe.r einen Fanatiker failt, der ein junges Leben auf dem e­w.iHen hat. . >_.ok

EinW­Dieter Sdùu8 war es, der auf Rudolf HeB den viel ..... ZII baben sdteint, daB der katholisme pfarrer ..

gut wegklime«. 50 seien »die Brüder« nicht D Film . . . . er sel eme »verkappte Klrchenpropaganda« und so etwa k" 'ch d ' sonne SI er Nationalsozialismus nicht gefallen lassen De F'l . k .

. r 1 m WJr e »wle GiEt« .

Diese überzeugung hatte er aufHitler übertragen, und darnit war das Urteil perfekt.

Der neue Vorschlag, den Goebbels mir in einer ferti e-schriebenen Szene übergab, die ich in je zwei GroBaufna~;en von Eugen Klêipfer und Werner Hinz nachaufzunehmen hatte, war folgender: In einer Szene an der Leiche Annchens (!) rnuE­ten sich die zwei Geistlichen über »die Unfehlbarkeit des Pap­stes« streiten. Es ging um die Auslegung, ob Annchen über­haupt in dem BewuBtsein gehandelt habe, durch den Selbstmord eine Todsünde zu begehen, oder ob es nicht eine KurzschluB­handlung gewesen sei, fiir die man sie nicht verdarnmen dürfe.

Ich edaubte mir, Goebbels zu sagen, daB »die Unfehlbarkeit des Papstes« sich lediglich darauf beziehe, daR der Papst durch Gottes Beistand in seinen Entscheidungen darm fiir unfehlbar angesehen wird, wenn er eine Glaubens- oder Sittenlehre ais von Gott geoffenbart und für alle Glaubigen verbindlich erklart. Mit der im Film gezeigten Situation habe das Wesen der »Un­fehlbarkeit des Papstes« überhaupt nichts zu tun. Goebbels sah mich spêittisch an: »Wollen Sie den Führer und Rudolf He/S auf solche Weise belehren? Hoffen Sie dabei auf einen Erfolg?« Ehe ich antworten konnte, daR ich bereit sei, zu HelS zu gehen, sagte er mir: »Der Film ist ausgezeichnet, die kleine Schwedin ist groBartig. Es wird Ihnen leicht fallen, die paar GroBauf­nahmen in diese Szene einzuschneiden. Ich werde dann den fertigen Film dem Führer selbst zeigen.«

Der mir überreichte Text war vêilliger Unsinn. Jeder eWache Katholik hatte gemerkt, daR etwas Falsches behauptet wurde. lch veranderte daher den Text, soweit das mêiglich war, und schnitt ihn in die Szene ein. Halbe sagte ich gar nichts davon . lch kam m' ... l' h Ir zu Jammer IC vor. . Aber aIs Max Halbe zwischen Kristina Sêiderbaum und mir lm LUitpold-Lichtspieltheater in München bei derUraufführung saB fI" W

' usterte er mir leise zu: »Haben Sie Angst7« Ich fraste: » ov ? D »N . or er Film kann nicht schiefgehen.« Max Haihe sagte:

eIn. Aber ich weiB, daIS Sie am 5chluB etwas lindem mu&-

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ten.< 1 vvun~r Wl~~~l1 '::>1~ U~lln uas «< lialbe: »l<h h meine Spione. Und ich habe mir die Stelle in Berlin an abe

50

Schneidetisch angesehen. Der Text ist iiimmer1i<h dunun lhretn

es schadet wei ter nichts. Die Leute merken den U . - aber . nSlnn g nicht.« Er drückte mir die Hand. ar

Und 50 war ~s ~enn a~ch: Der Erfolg war, nament1i<h fur die unbekannte Knshna, belsplellos. Auch habe i<h noch v .

mandem gehort, d~ ihm der hinzugefügte Unsinn aufgOe~a~~ ware.

Julius Streicher und »Verwehte Spuren«

Kristina bekam einen festen Vertrag von der Tobis. lm schrieb fur sie ein Drehbu<h für den Film » Verwehte Spuren«. Nam einer Radiosendung, in der ich früher einmal mitgespielt hatte. Die Geschichte selbst hatte der Schriftsteller Hans Rothe aufgeschrieben.

Der Film schlug wie eine Bombe eÏn, und Kristina festigte ihren RuE als Schauspielerin, den sie im Film »Jugend« begrün­det hatte.

Nun trat der seltene FaU ein, d~ i<h in keiner einzigenSzene etwas verandern muBte. Hitler war 50 begeistert von dem Film, daB er Goebbels befahl, mir seine Anerkennung auszusprechen. Besonders Kristina galt sein Lob.

Aber dennoch hatte ich ein remt peinlimes NS-Erlebnis mit dem Film: AnlaElich einer Nachtaufnahme, in der durm die StraRen des alten Paris der grolSe WeltausstellungsUIDzug ge­filmt wurde - der Umzug war eine Werbung fur die »Welt­ausstellung« -, hatte im in Symbolen die fünf Erdteile gezeigt. Europa ritt ziemlim unbekleidet auf einem Stier, wie das der antiken Vorstellung entspram.

Julius Streimer, seines Zeimens »Frankenführer« und Her­ausgeber des antisemitismen Hetzblattes »Der Stürmer«, wat mit seinem Stab in Automobilen von Nürnberg herübergekolll­men, um sim diese sensationellen Nachtaufnahmen anzusehen. Der karnevalsahnlime Umzug, der in der Namt gedreht werden m~te, war besonders smwer darzustellen weil sim durch ejne

plotzlim eingetretene Khlte Eis auf dem 'namtlichen StraBen" pflaster gebildet hatte, 50 daR alles rutschte. Nun rutsdt~

aum einmal der Stier, der, über den Rutsm verargert, 50 heftig hin und her tanzelte, daIS Europa schleiernackt, wie sie war, mit dem Hinterteil unsanft auE den Eisboden knallte. Die hübsm gewachsene Europa hatte ein wenig zuviel getrunken, sonst ware ihr das wohl nicht passiert. Wir muBtenihrnamIimneben einem Sonderhonorar, das sie der Khlte wegen mit Recht ver­langte, ziemlich viel Grog geben, damit sie ihre Darstel1ung trotz der Kalte durchführen konnte. Mai""! konnte behaupten, es sei grausam yon uns gewesen, die Szene bei dieser Temperatur zu drehen. Aber ihr machte es gar nichts aus - sie war im Gegenteil sehr vergnügt, sich einen ordenÙichen Batzen ver­dienen zu konnen.

Das Bi/d wird mir immer haEten bleiben, auE welme Weise sich der groge Frankenführer Julius Streimer um »die gesrurzte Europa« kümmerte. Er legte ihr homst eigenhiindig denMantel um und bot sich an, sie in einen warmen Raum zu führen. lch rnulSte das natürlich verhindem, denn rneine Aufnahrnen waren durch den Sturz gestort worden. J edenfalls stieg Europa wieder gehorsam auf ihren Stier und führte die Aufnahrne mit jener Prazision, die Artisten eigen ist, frohlim zu Ende.

Wie im horte, solI es dann nom ein ganz mobiler Abend für den Frankenführer geworden sein. Jedenfalls schwirrten am nachsten Morgen die seltsamsten Geriimte durch Geiselgasteig, von denen ich nicht behaupten will, daR sie aile der Wahrheit entsprechen. Jedenfalls sag unsere Europa am nachsten Tag zwar nicht mehr auf dem Stier, aber auf einem sehr hohen RoB. Sie war zum Mittelpunkt geworden, und es wurde viel gelamt.

Auch Goebbels hatte yon der Geschichte gehort und bedachte sie mit dem Wort »Saustall«. Er konnte Streicher nicht riechen. Es tat ihm sichtlich wohl, seinemArger Luft rnachen zu konnen, dag » ••• dieser Streicher die ganze Innung blamiere«.

»Die Reise nach TiIsit« nach Sudermann

lm Anschlue an den Film »Verwehte Spuren« machte ich »Die Reise nach Tilsit« nach der »Litauischen Noyelle« von Hermann Sudermann.

Dieses Thema wurde friiher schon einmal in Hollywood yon

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dem bekannten deutschen Regisseur Friedrich Wilh unter dem Titel »Sunrise« (Sonnen au fgan g) 1 elm Murnau

d h D· F'I h d a s StllInmfil ge re t. leser 1 matte amais einen ungewohnl'ch ll'I

und ging um die ganze Welt. In einiger Abwandl~ en Erfolg

velle beschreibt mein Film die Geschichte einer g .der No-

F· ch f d ' 'h M einfachen IS ers rau, le von 1 rem ann mit einer Polin di al . ' e s Kur-

gast auf der Kunschen Nehrung weilt, betrogen wi d D . r. er Fllll'l

spielt in der seltsamen Landschaft der Wanderdünen d K . es un-

schen Haffs dort, wo die Memel in das H a ff einflieflt d . der Stadt Tilsit.

r.,un ln

Die Fischerin hejgt Eike. Kristina spielte sie. Ihr Vater wurde von Eduard von Winterstein dargestellt. Der Fischer und Ehe­

mann war Frits van Dongen, und die polnische Ehebrecherin spielte Anna Dammanr!.

D er Film war gut. Doch Goebbels war emport über ihn. lch erfuhr aus dem Ministeramt den Grund der Emparung. Seine eigene Uebesgesc:hichte mit der Tschechin Lyda Baarova muB mit manchen Szenen des Films eine verflixte Ahnlichkeit gehabt haben, wovon wir, die Autoren des Films, natürlich keine Ahnung h atten. D ie Ahnlichkeit war aber offenbar 50 stark, daB Magda Goebbels wiihrend der Vorführung dieses Films in Gegenwart zahlreicher prominenter Zuschauer, die in dem Pri­vatvorführungsraum von Goebbels saJ5en, aufgesprungen war und wütend den Saal verlassen h atte. Der SkandaI war da.

Goebbels schiiumte. Er narmte den Film eine himmelschrei­ende Geschmacklosigkeit. Er versuchte es 50 zu drehen, ais h iitten meine eigenen Schwierigkeiten in meiner Ehe mit Hüde Korber in dem Film ihre Darstellung gefunden. lch hiitte kein Recht, in der Dffentlichkeit meine "Privatwiische zu waschen«, brüUte er.

lch wandte ein, daB ich bei der Gleichstellung des Füms mit meinen eigenen Erlebnissen mir selbst ein 50 fürchterlidtes

Zeugnis ausstellen würde, daB das wohl nicht ganz sein Ernst sein konnte.

lch wüns~te, er hiitte mir die Wahrheit gesagt und mir die B.aarova-Affare unter die Nase gerieben. lch hatte ihm gem eme Antwort. darauf gegeben, denn sein emporendes Beneh' m~n gegen rru~, .aIs er mich zwingen wollte, die Tsdtedtin tU helIaten, damlt Sle Deuts-'-e " d h . -'- 'h -'- nldtt Ul Wur e, atte lUl l m nOUl .~

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verges sen. Dieser Mensch war damais nicht davor zurück­geschreckt, mich vor der ganzen Fûmwelt lacherlich zu machen, indem er meine Scheidung von Hilde Korber dazu benutzen woIlte, um mich zum Scheingatten der Baarova zu mach en. Und das aIles nur, um ungestort seine eigene Liebesgeschichte fortsetzen zu kannen. Das verriet eine 50 namenlose Nieder­tracht und Nichtachtung, daB es mir beinahe die Besinnung nahm, ais er nun ausgerechnet diese Geschichte auf den Kopf stellte. Einige Minuten lang war es mir vollig klar, daB ich sein Zimmer nicht verlassen würde, ohne daB er einmal von mir die voile Wahrheit über seine unglaubliche Niedertracht zu haren bekam.

Mein Zorn und mein Ekel waren einfach stiirker als meine Vernunft. Goebbels muB die Gefahrlichkeit des Augenblicks bemerkt haben. lhm waren wohl auch seine taktlosen Worte und das auBergewohnliche AusmaB an Verlogenheit, das er mit ihnen zeigte, klar geworden. Darum sagte er plotzlich stotternd und hilflos, ich solle schnellstens, aber allerschnellstens sein Zimmer verlassen. Der Produktionschef Demandowsky warte drauBen, und er werde mir sagen, was mit dem Film geschehen müsse. Es war ein harter, plotzlicher RausschmiB, der meiner scheuBlichen Situation ein jahes Ende bereitete.

lch traf drauBen im Vorzimmer des Ministers auf Deman­dowsky. Der zuckte mit den AchseIn und sagte: »Reg dich nicht auf, der beruhigt sich wieder. Das kann er sich gar nicht leisten, den Film zu verbieten. Die Sache ist schon überall 'mm - aum drüben in der Reichskanzlei. Wenn der Führer erfahrt, aus welchem Grund der Film verboten werden soIl, kann das Goebbels sauer aufstoBen.«

Es passierte aum gar nichts. Die Zulassung des Films wurde einige Wochen hinausgezogert, und dann ersmien er ohne wesentliche Veranderung in Berlin zur Uraufführung - 50, wie Demandowsky es vorausgesagt hatte. Der Film hatt~ ein~ grog en Erfolg, und es dauerte nicht lange, da ,wurde lm nut meiner Frau zusammen • wieder bei Goebbels emgeladen, und zwar diesmal in kleinerem Kreis.

lm erwartete, daB er auf unsere Auseinandersetzung zurück-

• Nach der Erinnerung von Kristina 5iiderbaum lag sie zu dieler Zeil im Krankenhaus und war nicht anwesend,

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ommen würde, denn seine Frau war nich t im Hause. lch hatte mir auch fest vorgenornrnen, eiskalt zu bleiben und mich von ihm nicht wieder in eine unüberlegte Situation treiben zu las­sen. Aber er berührte das Thema überhaupt nicht. Er berührte es nur insoweit, aIs er von »Gerüchten« sprach. Den »Gerüch­ten« - er habe ein VerhaItnis mit Fraulein Baarova, war er vorher schon einrnal vor vielen Hundert Filmschaffenden irn »Thronsaal« des Promis drohend entgegengetreten.

Jetzt stelIte er mir plastisch dar, daiS ich einen Film machen solle mit dem Titel »Das Gerücht«. Es ware hochinteressant, wie Gerüchte entstehen, was sie anrichten konnen und daiS man nahezu wehrlos gegen sie sei, denn die Gerüchtemacher blie­ben meist unbekannt.

In die sem Rahmen sprach er nun von einem Gerüchtemacher, der sich dazu bekannte, Gerüchte in die Welt gesetzt zu haben, und auf welche Weise er Gerüchte »zu toten « pfIegte - und zwar sei er das selbst.

Er erzahIte, wie er das Gerücht aufgebracht habe und von verschiedenen Vertrauten hatte verbreiten lassen - Gerhart Hauptmann sei wegen heimlicher sozialdemokratischer Um­triebe und wegen Beleidigung des Führers verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht worden. Dieses Gerücht machte etwa vier bis sechs Wochen vor einem Geburtstag Gerhart Hauptmanns - ich glaube, es war der 75. - die Runde. Nailir­lich erschraken die Künstler. Goebbels lieB die Auswirkungen dieses Gerüchtes beobachten und sich genau darüber Bericht erstatten.

Dann erzahlte Goebbels weiter, auf welche Weise er Gerhart Hauptmann zu seinem Geburtstag gratuliert und wie er diese GratuIation popular gemacht habe. Wenn ich rnich recht erin­nere, hat er Hauptmann sogar personlich besucht, sich dabei fotografieren und diese Fotografien in der Zeitung erscheinen lassen. Jedenfalls sprach Hauptmann am Abend seines Ge­burtstages über das Radio, und es war klar, daB das keine Auf­nahme sein konnte, da er von ganz gegenwartigen Dingen sprach.

Das von Goebbels ausgestreute Gerücht solIte die Empfin­dung wachrufen : »Da sieht man's mal wieder _ man solI die dummen Gerüchte nicht glauben.« Auf diese Weise, 50 ver-

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sicherte Goebbels, habe er schon mehrere iihnliche Gerüchte ausgestreut und dadurch erreicht, daiS manches Gerücht, dem vieIleicht eine Wahrheit zugrunde lag, ebenfaIls nicht geglaubt wi rd.

»Das unsterbliche Herz« und noch einrnal Julius Streicher

lch schrieb dann mit Richard Billinger zusammen nam dem Silick meines Vaters »Das Nürnbergisch Ei« meinen Film »Das unsterbliche Herz« *. Es ist die Geschimte des Schlossers Peter Henlein, der irnJahre 1517 in Nümberg die Tasmenuhr erfand.

Goebbels hatte sich unter dem Film, der in Nürnberg und zum Teil auf der Nümberger Burg spielt, eine Art »Meister­singer« vorgesteIlt. Er woIlte das »Evchen« sehen und in Peter Henlein den »Hans Sachs«. Kurzum : Er war ganz enttausmt über das Drehbuch : »Herr Harlan, das ist ein Kulturfilm über die Erfindung der Tasmenuhr. Für 50 etwas sind Heinrim George, Paul Wegener und Kristina Soderbaum zu smade.« AIs ich ihm dann aber den Film in der mir eigenen Plastik vorstelIte, begann er ihn zu sehen und seinen künstierischen Sinn zu begreifen. Er behauptete zwar, das, was im erzahlte, konne kein Mensch aus dem Drehbuch herauslesen. AIs er aber spa ter den fertigen Film sah, brachte er seine Anerkennung dadurdt zum Ausdruck, daiS er zu mir sagte: »Von Ihnen lese im kein Drehbuch mehr. lch lasse mir lhre Filme in Zukunft erzahlen. Denn der Film ist tatsachlim 50 geworden, wie Sie ibn mir damals vorgesteIlt haben.«

Die Arbeit an diesem Film verIief sehr harmonism. lm hatte lauter Freunde um mim. Neben meiner Frau - Heinrim George, Paul Wegener, Ernst Legal, Paul Henckels und Mima~l Bo~en.

Die Proben für »Das unsterblime Herz« fanden ID Hetdel­berg statt, weil Heinrim George dort allabendlim im .Freilidt~­theater des Schlosses den >, Gotz von Berlidtingen« SPlelte. Die eigentliche Dreharbeit begann mit einem haBlimen MiBklang: Ich hatte in der alten Stadt Nümberg eine Menge Aufnahmen

. . b -'- '..l.. d zu mehrere Tausend Kom-zu mamen, tellwelse rauUlte lUI a . t blj-Le Herz« wurcle 19,8 pdreht, • Zur Chronologie: »Das uns et ~. entstuel.

a l80 vor dem Film _Die Reise nam TIlslt«, der 19'9

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rarsen. lch mulSte die modernen StralSenschilder und die Schil­der an den Laden abmontieren und alles Moderne von Allen StralSen entfernen lassen, die auf die Burg Nürnberg zuführten. Ja, ich wollte sogar die StraEenbahnschienen mit Sand zuschüt­ten und die Oberleitung entfemen lassen, um vor der St.-Lo­renz-Kirche dieZeit von 1517 wiedererstehenlassen zukonnen.

Ais wir um Erlaubnis für diese Umbauten bei dem damaligen Bürgermeister baten, rief dieser 50 fort bei Julius Streicher an und meldete mich dort an, weil ohne die Genehrnigung des »Frankenführers« solche weitgehenden Erlaubnisse in Nürn­berg nicht gegeben werden konnten.

50 kam ich zum zweitenmal zu Julius Streicher. Streicher begrül5te mich, als seien wir alte Freunde. Er sagte,

dalS er »Verwehte Spuren« gesehen hatte, und lobte den Film über Alle MalSen. Er lieg sich kurz den lnhalt des Films »Das unsterbliche Herz« von mir schildern und war von dem Thema hingerissen. Mehrfach sagte er, wie stolz er sei, daE ich in Nürnberg arbeiten wolle und daE er mir natürlich samtliche Schwierigkeiten aus dem Weg raumen würde. Das hat er dann auch im grolSen AusmaE getan.

Ais ich ihm sagte, daE ich im lnnem der St.-Lorenz-Kirche einen Knabenchor, der eine Bach-Kantate singen solle, drehen und deswegen zu dem Dornherm gehen wolle, der dieses Got­teshaus verwalte, sagte er: »Sie werden doch nicht zu dem Schwarzen gehen. lch gebe lhnen 20 Mann von meinen Leuten in Uniform. Da mochte ich mal sehen, wer Sie daran hindert, in der Kirche zu filmen!«

Genau das wollte ich natürlich nicht. lch muBte mich darum kümmem, wann die Gottesdienste stattfanden, und ich wollte selbstverstandlich den notwendigen Anstand walten lassen und jenen Respekt, ohne den man das erhabene Haus nicht betreten kann. lch wollte ja den »Englischen GruB« von Veit StoB und se~n Kruzifix aufnehmen. Auch wollte ich die gewaltige Kirche ffilt dem Sakramentshauschen von Peter Fischer ausleuchten, um den gigantischen Bau in seiner ganzen GroBe wiederzu­geben. Die Regensburger Domspatzen soIlten die Bachsche Kantate "lch geb' mich Dir zu eigen hin« " auf einer Estrade • Bad! h t k ' K Kantate a ~m~ antate mit diesem Titel gesd!rieben. Welme

gememt 15t, konnte nimt festgestellt werden.

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singen, die ich einbauen lassen wollte. Es war ziemlich schwie­rig, Streicher die angebotenen HilfsmaBnahmen auszureden, und es stellte sich auch sehr schnell heraus, dalS ich sie gar nicht notig hatte. Der betreffende Domherr, den ich aufsuchte, erteilte mir nich t nur die Erlaubnis, sondern er half mir auch, wo er konnte.

Durch einen offentlichen Aufruf in der Zeitung und im Radio bat ich die Nürnberger Bevalkerung, in einer Kleidung, die maglichst mittelalterlich aussehen sollte, an einem bestimmten Sonntagmorgen vor der Burg zu erscheinen, weil ich das feier­liche Begrabnis Peter Henleins, des Erfinders der Taschenuhr , filmen wollte.

Die Szene war auf Bachs Chorwerk »Komm sül5er Tod« ab­gestimmt. Es kamen etwa zwanzigtausend Menschen - zahllose von ihnen in nahezu echter Kostümierung.

Mit einer weitlaufigen Lautsprecheranlage verteilte ich vom hachsten Turm der Nümberger Burg aus, von dem ich ganz Nürnberg übersehen konnte, die Bürger an den entsprechenden Stellen. Es war ein herrliches Bild. Der Leichnam Peter Henleins wurde von sechs Rittern auf einen Schild gehoben und durch Nürnberg hinauf zur Burg getragen. Die Trauemden foIgten, und die ganze Stadt nahm Abschied von ihrem groBen Toten.

Alles war aufgestellt und wartete auI die Sonne. Stunden­Iang verbarg sie sich hinter Wolken. Die blauen HimmelsHecken waren immer woanders, nur nicht dort, wo die Sonne den Weg des Begrabnisses bescheinen konhte. Nach etwa zwei Stunden kam ein bedenklicher Humor auf, und alles geriet in Unord­nung. Ein zweitesmal würden 50 viele Menschen nicht geduldig wiederkommen - das stand mir beangstigend vor Augen. Ais nun plotzlich die Sonne hervorbrach, schien ganz Nümberg aufzujubeln - 50 schallte es jedenfalls von den Tausenden zu mir hinauf auf den Turm.

In dem Augenblick, aIs ich mit einer Leuchtpistole den Start­schuB von oben geben wollte, wurde mir von meinem Auf­nahmeleiter Kiekebusch über sein Mikrophon hinaufgerufen: »Harlan, du muBt noch warten, der Bohnen ist nicht da/« Michael Bohnen hatte in vorderster Reihe in schwarzer Riistung wie die übrigen runf anderen Ritter den Leichnam zu tragen. lm wurde nervos und rief hinunter: .. VerHixt, wo lst denn -

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Bohnen?!« Kiekebusch rief hinauf: »Daskann ich nichtsagen!« Ich rief hinunter: »Du bist wohl nicht ganz bei Trost, ich muB drehen, wo ist der Bohnen?!« Kiekebusch: »Wenn du es genau

v.1.ssen wiUst - der muB mal - - - und ehe der seine Rüstung wieder ankriegt, dauert es bestimmt eine Viertelstunde. «

Die ganze Aufnahme drohte unter dem ungeheuren Geliich­ter aller, die Kiekebuschs Antwort gehort hatten, auseinander­zufallen. Ich gab die Anordnung, daB ein anderer schwarz­gekIeideter Ritter an die Stelle von Bohnen treten solle, und gab dann den StartschuB.

Am Abend dies es Tages waren die Schauspieler, die Produk­tionsleiter und der technische Stab in die rote Sandsteinvilla Julius Streichers eingeladen. Die Einladung war, wie Streicher sich ausdrückte, auf einen ),altfriinkischen Stil« abgestimmt. DrauBen vor der Terrasse gab es Nürnberger Spezialitiiten, namentlich Würstchen aus dem »BratwurstglOckle«. Es wurde auf Zinn serviert. J edes Fleischstück, das man aufgelegt bekam, hiitte für drei Personen gereicht, und das Bier floiS in 5tromen.

Die biedere verhiirmte Frau 5treicher fungierte aIs Haus­herrin, aber ein junges Miidchen hing meist an 5t reichers Ann. Mehrfach wurde mir zugeflüstert, daiS sie die eigentliche Frau von 5treicher sei.

Mit dem Miidchen am Arm forderte Streicher Heinrich George, die anderen 5chauspieler und mich auf, mit ihm durch den Park zu gehen und fragte, ob wir Interesse daran h iitten, "einen guten Kegel zu schieben«.

Mitten im Park stand eine lebensgroiSe rote Terrakotta­Figur, eher )'ausgezogen« als in künstlerischer N acktheit, auf dem Rasen. Ais wir an der Figur vorbeikamen, stellte er sie vor. Es war das Miidchen, das er am Arme führte. Niemand wuBte recht, wo er hingucken soUte. Lachen durfte man wohl nicht ... SchlieBlich durfte man es, denn der ,)liebe Franken­führer« lachte selbst . »Auf zum Kegeln! Gut Holz! AUe Neune!«

Beim Kegeln wurde noch meh r Bier und Schnaps getrunken. Es .. gin~ wieder sehr »frankisch« zu. Streicher gab jedem aus­druckhch die Erlaubnis, sich 50 formlos zu benehmen, wie er wolle. Er hasse die Subalternen. In seinem Hause herrsche jede Freiheit. In diesem Sinne hatte er uns ais Hausherr bereits ein

Beispiel gegeben. Er hatte mich niirnlich zunachst in einem roten Bademantel empfangen und war darunter nur mit einer winzigen Dreiecksbadehose bekleidet gewesen. 50 stand bald alles hemdsiirmlig, wie das ja auch in eine Kegelbahn paBt, und 5treicher forderte uns auf, »5timmung« zu machen.

Er verlangte von Heinrich George, er solle rur ihn etwas aus seinen RoUen sprechen. Heinrich soUte den Teil aus dem ),Gotz« rezitieren, der mit dem "Gotz-Zitat« endet, was Hein­rich kaltliichelnd ablehnte. George war überhaupt demonstra­tiv sauer. Die Geschichte mit der nackten Figur hatte ihm den Rest gegeben. Er wollte zurück in den Park gehen und ihr Mostrich auf den Arm schmieren, weil er das "passend« fand. Aber ich hielt ihn zurück. Er gab Antworten, die zu seiner 5timmung p aiSten. Immer wieder locl<te Streicher, der Hein­richs Millmut nicht übersehen haben konnte, durch schrage Fragen Antworten aus uns heraus. Man wu!Ste nicht recht, warum er eigentlich 50 merkwürdige Fragen stellte. 5ch!ieSlich erklarte er, Kristina habe in ),Verwehte Spuren« so schon die "Marseillaise« gesungen, sie solle doch ein schones deutsches Volkslied singen. Kristina erkIiirte sofort, daB sie ohne Beglei­tung überhaupt nicht singen konne. Sie wurde feuerrot und gab Streicher sehr treffende Antworten, die sich auf der Grenze des gerade noch Moglichen bewegten. Kristina bezog sich mit einem Krampflacheln auf den " freien Ton«, der hier herrsme, und da Streicher gesagt hatte, wir soilten uns "wie zu Hause fühlen«, müsse sie feststellen, daB sie zu Hause niemals siinge.

Die meisten wurden unter dem Alkohol entweder berlinisdt oder bajuwarisch ziemlim keiS, denn Streimer ermunterte sie dazu und bezeugte eine diebisme Freude daran. Der Alkohol lockerte mehr und mehr die Zunge und der Kegeltumult wuchs.

Plotzlich wurden WiI still. Streimer hatte einen Wink ge­geben, und nun hOIten wir aus einem Lautsprecher genau das, was wir in der letzten halben Stunde alles gesagt hatten.

Heute besitzen viele Leute Tonbandgerate, mit denen man die Gesprame einer Gesellsmaft mit Leimtigk~it aufn~en kann. lm J ahre 1:938 war das eine absolute Newgkeit für un:; denn das Magnetophon war erst im Jahre 1:935 von der AE herausgebramt worden. lm hatte nodt nie ein solmes Gerit

"

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gesehen. Jeder lieg durch sein Gedachtnis rasen, was er wohl gesagt hatte. streicher schaute sich grinsend um und weidete sim an unserer Betroffenheit. »Na denn man tau!« - sagte Heinrich George bissig und gog sich eine weitere Mag hinter die Binde.

War es nun Krampf, dag wir der Unwürde - uns rurchten zu müssen - durch Lachen zu entgehen versuchten oder wollten wir einen Gleichrnut vortauschen, den wir nicht hatten. Jeden­falls lachten wir. Obwohl streicher uns grinsend versicherte , dag ungeschickte Worte, die »bei Lustigkeit und Trunk« ge-sprochen wurden, selbstverstandlich wieder gelOscht werden würden, war der AbschluB des Abends doch 50, dag jeder er­leichtert aufatmete, als er zu Ende war.

Dann begann einer der schonsten Arbeitsabschnitte im Ate­lier in J ohannisthal, den ich jemals leisten durfte. Es waren Geist und Dichtung meines Vaters, denen ich zurn neuen Leben verhelfen konnte. Und Manner wie Heinrich George, Paul Wegener, Paul Bildt, Michael Bohnen, Jakob Tiedtke, Paul Henckels, Ernst Legal, Eduard von Winterstein und Bernhard Minetti standen mir mit meiner Kristina zur Sei te.

Die Uraufführung des Films »Das unsterbliche Herz« fand am 31. Januar 1939 in Nümberg statt. streicher hatte es ver­standen, sich diese Uraufführung für seine stadt zu sichem. Der Erfolg war grolS.

Streicher saJS in der Loge des Filrntheaters. AIs sich die Schauspieler nach der Vorführung des Films auf der Bühne verbeugten, stand Streicher auE, urn ihnen zu danken. Das gesamte Publikum drehte sich Streicher zu und uns den Rük­ken. Es hielt - wie ein Mann - den Arm hoch zurn deutschen GruB. Auch alle, die in der groBen Loge urn streicher saBen, taten das. Selbstverstandlich muBten wir es auch tun. Ware es ein kurzer GruB gewesen, dann hatte uns das nichts weiter ausgemacht, denn man war ja daran gewohnt. Aber Streichers Rede, in welcher er » Das unsterbliche Herz« pries und in wel­<her er »die Unsterblichkeit« nun auf alles anwendete, von dem .. ch

er wuns te, es solle »unsterblich« sein, dauerte und dauerte W' . 5 d . le eme tun e kam es einem vor. AIs seine Rede schlieBlich zu Ende war, wurde auch noch das Deutschlandlied und im Anschl B d H. . u as orst-Wessel-Lled gesungen, und Wlr

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aIle muBten die grauenhaft lange Zeit mit gehobenem Arm stehenbleiben.

Der AbschluB der Uraufführung war dann feierlicher. Die deutsche Uhrmacherinnung hatte mir eine schone Standuhr ge­schenkt, und in einer Rede wurde ich aIs »Ehrenuhrrnacher­meister« angesprochen.

»Pedro solI hiingen«

Vielleicht war es die gespannte Lage, die auf einen Krieg hinzielte - oder es war der groBe Erfolg, den der Film "Das unsterbliche Herz« hatte -, daJS Goebbels sich mein Drehbuch von "Pedro soll hangen« nicht durchlas? Jedenfalls erklarte er mir, daR meine mündliche Darstellung sehr plastisch gewesen sei und daR er die Geschichte für witzig und verfilmenswert halte. Hatte allerdings Goebbels das Drehbuch durchgelesen, darm ware es mir wahrscheinlich auch durch die briIlanteste Verteidigung nicht geglückt, diesen Film durchzusetzen.

Kristina erwartete damals ein Kind. Für diesenZustand hatte ich ihr die Rolle geschrieben. Da sie aber gleichzeitig an einer schweren Nierenkrankheit litt, durch die sie wochenlang in Lebensgefahr schwebte, übertrug ich die mr zugedachte Rolle Maria Landrock. Mitten in diese Arbeit fiel der Ausbruch des Krieges.

Die groBen Schauspieler, die ich für meinen Film »Pedro« zur Verfügung hatte, waren Heinrich George, Gustav Knuth und Jakob Tiedtke. Mein Freund Heinrich George, über den ich zunachst berichten will, war fraglos dem Nationalsozialismus am ehesten zugewandt, wenn er auch mit der Abscheulichkeit des Antisemitismus gar nichts zu tun hatte. Aber Heinrich hatte durch eine aktive Ablehnung des herrschenden Systems weder leben noch arbeiten konnen. Alles, was Heinrich George tat, war 50 hundertprozentig und eindeutig, daB es für ihn nur die Entscheidung geben konnte: Entweder arbeitest du freudig und mit Hingabe mit, oder du wirst ein Widerstlindler und liiBt dich einsperren. Dazwischen gab es ror das ~esen dieses groBartigen, vitalen und kindlichen Menschen ruchts. N~ so konnte er sich erfüllen. 50 war er auch ein treuer Freund se1MIl

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jùdlsmen Freunden gegenüber ebenso wle ein treuer Deut­scher.

Jakob Tiedtke \Var - \Vas Heinrich George keinesfalls war _ ein weiser, alter Mann. Er besaE einen Berliner Weillbierhumor und eine groJSe Portion Skepsis. Die ungeheuerliche Furchtbar_ keit der Nationalsozialisten konnte er zu dieser Zeit noch nicht kennen. 50 war Jakob Tiedtke einer, der über alles lachte und seine Scherze machte - auch über den Nazismus. Er war ein besonders liebenswürdiger und groJSartiger Schauspieler. Aber ein politischer »Kampfer« war er nicht. Bestimmt ist er nie auf die Idee gekommen, eine Rolle wegen ihres politischen Inhalts abzulehnen.

Gustav Knuth, der dritte in die sem Kreis, war ein Mann, der wohl ungern laut kritisierte. DaE er sich aber schüttelte, wenn er von den Nationalsozialisten überhaupt nur etwas horte, war unverkennbar. Wer mit ihm zusarnrnen arbeitete und namentlich den Kriegsausbruch miterlebte, sah in Gustav Knuth nicht nur jenes »goldene Herz«, das sich in Liebenswür­digkeit verschenkte, sondern einen Menschen, der bereits in der ersten Stunde des Kriegsausbruches erkannte - alles konne nur mit einem kolossalen Unheil enden. Heinrich meinte dar­auf: »Bange machen gilt nicht«, und Jakob Tiedtke: »Auch det Unheil muJSte relativ betrachten.« Knuth verabscheute die Ge­walttatigkeit und jede Art von Ungerechtigkeit. Der Ausdruck seines Gesichts ist mir unvergeJSlich, als wir gemeinsam im Cicero-Atelier in Berlin-Halensee vom Beginn des Polen-Feld­zuges erfuhren.

Meine Frau Kristina, die zu dieser Zeit im Franziskus-Kran­kenhaus in Berlin lag, reagierte mit ahnlichem Entsetzen wie Knuth, denn sie erwartete in den kommenden T agen ihr Kind. Dieses Kind würde nun in eine Zeit hineingeboren, die eine Mutter natürlich entsetzen muJSte. AIs Schwedin hatte sie über­haupt keinen Kontakt zu der Art »deutschen Denkens«, wie es uns in Deutschland vorpraktiziert wurde. Daneben hatte sie in der Offentlichkeit eine gewisse Scheu, als »Fremde« anderen mitzuteilen, was sie von solchem deutschen Denken hielt.

Tiedtke war gleichzeitig mein Freund und der Taufpate meiner Tochter Maria. Ebenso war George mein Freund, und auch mit Knuth verband mich groBe Herzlichkeit. Sie werden

gewuJSt haben, an welcher Stelle ich stand, und ich habe es auch niemals verborgen. Aber was müssen all diejenigen gedacht hab en, die über das, was ich mit Goebbels bereits erlebt hatte, nicht orientiert waren.

Wer wuJSte schon, daJS es mir bereits damaIs verboten war, eine Firrna zu gründen? Wer wuJSte darüber hinaus, daJS ich in der " Intimsphare« mit Goebbels eine Auseinandersetzung hatte, die an Abscheulichkeit nicht zu überbieten war. Ich war ja auch durch die verschiedenen vorangegangenen Eingriffe in meine Filme vor dem Nationalsozialismus genügend gewamt. Aber da war etwa im Jahre 1934 oder 1935 irn »Volkischen Beobachter« * ein sogenanntes Interview von mir erschienen, das den Titel trug: »Wie ich den Weg zurn Nationalsozialismus fand«. Von diesem falschen Titel ausgehend wurden in diesem Artikel Dinge behauptet, die ich der betreffenden Joumali~tin, die den Artikel geschrieben, überhaupt nicht gesagt hatte. Dlese Dinge waren allseits in der Presse bekannt gewo~den, uI~d eben darurn wurde diese J oumalistin vom "YB" zu mrr gesc:u~~: ~ dem Gesprach wurde nicht nur diskutiert, daJS sich meme Judi­sche Frau von mir getrennt hatte, sondem man kannte auch d:n Namen eines heute noch sehr bekannten jüdischen S~ausple-1 d diese Trennung herbeigeführt hatte. Auch meme hef­ers, er d dT u tige Auseinandersetzung, die ich mit meinem Freun un. ra-zeugen Fritz Kortner hatte, stand zur Di~kus~i~n, auch. m dent Interview, obwohl diese Dinge mit Antiserrutismus ruch

d t dalas

h A ch daJS Alfred Kerr, der am s geringste zu tun atten. u uf 'ch bedeutendste deutsche Theaterkritiker, einen ~.ru~ a .rru

"bt habe nach dem ich eine Erklarung fur die Zettung ausgeu, b b llt bekannt

eben sollte, die ich durchaus nicht a ge en wo e, war . g d n die Umstiinde bekannt waren, Das wesentlichste aber war, al> al H 1

. d Schriftsteller Dr. W ter ar an, unter denen mem Vater, er . . H chI am 14. April 1931 im Eden-Hotel in Berlin emem erzs ag

erlegen war. . 1 Z 'tungen beschrie-Es war bekannt und damaIs von VIe en el

b d daJS mein Vater ais "Vorsitzender des Verbandes en wor en, h d' Rede die er im

Deutscher Bühnenschriftsteller« chwa r~~::::~:llem ~d Kom­Eden-Hotel vor etwa 400 deuts en

. trotz vieler Bemühungen. auch von • Der Text des IntervI.ews waridlt aufzufinden. (5iehe auch 5. 148.) wissenschaftlidlen Inshtuten, n

.,.,

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~a(t et' ~adan 1 ~r fd;nard)t

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Widmung Walter Harlans für Dora Gerson.

ponisten gehalten hatte, plotzlien tot hinstürzte, weil sein Herz es nient ausgehalten hatte, daR eine bosartige Clique ihn in verlogener Weise als Antisernit angegriffen hatte, nur um ihn auf diese Weise als Vorsitzenden zu stiirzen.

In dieser Rede hatte mein Vater alle Griinde dargelegt, die bewiesen, daR er ein ausgesproenener Philosernit war. Dann hatte er angewidert seinen Posten niedergelegt, wohl weil er fühlte, daR er gegen diesen Unflat nient ankommen konne.

Mein Vater ein Antisernit! Mein Vater hatte nient nur einst­mals freudig zugestimmt, aIs ien eine Jüdin heiratete; er hatte

Er.. SCHNAR.CHT 6n (ef«Jt-1A' ~a.Du-ruu~

... •

VON

WALTEJ. HAR.LAN DE UT Je H f Vi" LACS,AN.JTALT

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Titelblatt Walter Harlan .Er sdmarcht.

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auch mehrere Werke geschrieben, in denen der Antisemitismus ln aller Deutlichkeit als abscheulich dargestell t wird. Er hatte sich auch von dem bekannten antisemitischen Schriftsteller Arthur Dinter (»Die Sünde wider das Blut«) eine »Sabel­forderung « eingehandelt, weil er in seiner Eigenschaft als Vor-sitzender dies es Verbandes Dinter aus dem Verband ausge­schlossen hatte. Arthur Dinter hatte namIich im Zirkus Busch (dem spateren GroBen Schauspielhaus), in welchem das christ­lich-religiiise Stück von Karl Vollmiiller, "Das Mirakel«, mit der bekannten Schauspielerin Maria Carmi unter der Regie von Max Reinhardt ausgeführt wurde, vor dem vollbesetz tenZirkus mitten in die Aufführung hinein eine antisemitische Rede ge­halten und einen Tumult hervorgerufen. Mein Vater hatte zwar die Sabelforderung nicht angenommen, denn Dinter war kein Mensch für ihn, mit dem er sich schlug, aber er hatte über seine in seinen Werken festgelegte Meinung hinaus weithin ein deut­liches Bekenntnis gegen die Abscheulichkeit des Antisernitismus abgelegt.

Meine engsten Freunde wuBten allerdings, daB mich solche Niedertracht weder spater den Nationalsozialisten in die Arme treiben, noch gar zum Antisemiten machen konnte. Aber die vielen, die mir femstanden und die das »Interview«, in dem diese »Tatsachen« aufgeführt wurden, gelesen hatten, konnte ich nicht aile der Wahrheit entsprechend informieren. Meinem Freund Francesko von Mendelssohn allerdings, der im Jahre 1936 noch einrnal in Deutschland war, gab ich das schriftliche Bekenntnis mit, daB ich mit dieser Abscheulichkeit nichts zu tun hatte und niemals etwas zu tun haben würde.

In der Wirrnis so erregter Empfindungen wurde also der Film »Pedro soli hangen« begonnen und zu Ende gedreht. Ich packte in diesen Film alles hinein, was ich aus religiiisen Grün­den gerade in dieser Zeit zu sagen wünschte.

AIs Goebbels den fertigen Film sah, platzte eine Bombe, deren Wirkung alles in den Schatten stellte, was ich bis dahin nach der Ablieferung eines Films erlebt hatte. Die Worte »un­verschamte Kirchenpropaganda« oder »bewuBte Verhiihnung der nationalsozialistischen Grundsatzerklarungen« und ahn­lime Gesmosse Eeuerte er eines nam dem anderen auE mich ab.

Jede seiner Behauptungen war in rneinen Ohren ausgernach-

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ter Unsinn. Ich hatte gar nicht die Absicht, dem Nationalsozia­lismus »die Harke zu zeigen«, wie Goebbels tobte. Es lag auch nicht in meiner Absicht, eine »Kirchenpropaganda cc zu betrei­ben. Ich hatte rnich vielmehr von sokratischem Humor und Ironie leiten lassen, aIs ich das Drehbuch abfaBte. Ich hatte rnich dabei nur ganz lose auf ein Theaterstück von Hynitsch gestützt, das im übrigen nie gespielt worden ist.

Goebbels tobte und tobte. Er lieB rnich gar nicht zu Worte kommen. Er warf mir vor, daB meine Kinder »Thomas Chri­stian, Maria Christiane, Christa Susanne« und daB mein letztes Kind »Kristian« hieBen. DaB ich aus dem Narnen »Kristina« Kris tian gemacht hatte, nannte er eine faule Ausrede. lch wolle rnich dern Publikurn mit altmodischer christlicher Propaganda an den Hals schmeillen, das ja auf so was immer fliege: es sei viillig unmiiglich, den Film in dieser Form zu belassep. Er bereue es tief, daB er das Drehbuch nicht vorher gelesen habe.

Mir war viillig klar, daB er den Film verbieten muBte, wenn er bei seinen Ansichten verharrte, denn der ganze Film hatte in allen seinen Szenen die Mangelhaftigkeit des irdischen Lebens wie der rnenschlichen Gerechtigkeit zur Melodie, und den Glanz des Hirnrnels in der Harmonie. »Denn das Linke - das vom Menschen Gelenkte, ist das Melos - die Melodie, und clas Rechte - das Feststehende, das Giittliche - ist die Harmonie. (Sitzend zur Rechten Gottes, von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten) « - so sagte im e~ Goeb­bels. Nach diesern dramaturgischen Prinzip sei mein Film an­gelegt. Ein Film, der das Religiéise im Zentrum habe, müsse immer nach diesern Gesetz gebaut sein, wenn er nicht blasphe­rnisch wirken wolle. Das müsse der Nationalsozialismus cloch auch wollen. . .

Es gab keine Méiglichkeit für Goebbels, diesen praktisch. In

jeder Szene vorhandenen Gedmken aus dem FiI~ au~zuradie-. d d Flm nun wirkhch rucht. Der ren. »Klrchenpropagan a« war er 1 . " cl Film

Film gehéirte etwa in die Gattung, zu der viel spa ter er

»Camillo und Peppone« ûihlte. . l' k" Der Film war nicht teuer. Goebbels hatte es sich elsten on-

nen, ihn zu verbieten. Statt dessen lieS er mn bis zur Unkennt-

Iichkeit verstümmeln. . he'ch muBte »Pedro« war schon im Herbst 1.939 ferhg, a r 1

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noch wahrend der Arbeit an meinem nachs ten Film - der mein ganzes künftiges Leben überschatten sollte - immer wieder Bearbeitungen und Schnitte an »Pedro« vornehmen . Wiederholt versuchte ich mit groBter Energie, einige Szenen, die mir beson­ders lieb waren, zu retten. Von Goebbels wurden meine Bitten stets schroff verworfen. AIs ein Torso - des groBten Teiles seiner Originalitat und seiner gedanklichen Konsequenz beraubt - kam der Film im Juni 1941 - fast zwei Jahre spater - zur Ur­aufführung. Ganze 800 Meter fehlten. Es waren gewiB die besten Meter in diesem Film. Es war zum Weinen.

Goebbels muB es sch!ieBlich leid gewesen sein, und er hatte wohl zu irgendeinem Zeitpunkt den Disput mit mir über die Veranderungen des Films satt. Er entschied endlich, daB der Film 50 heraus müsse, wie er sei, und nicht mehr verandert wer­den dürfe.

Die Baarova-Afhire

Goebbels war damals gerade aus seiner Verbannung nach Rhodos *, wohin ihn sein Freund Ewald von Demandowsky, der Produktionsmef der Tobis, begleitet hatte, mit frischen Kraften zurückgekommen. Der Krieg, der gerade ausgebrochen war, hatte seine energische Beweglichkeit und Entschlossenheit noch gesteigert.

Wie war es zu der Verbannung des Ministers gekommen, aus der ihn Hitler - wahrsmeinlich wegen des geplanten Krieges - von Rhodos zllrÜckrief?

Magda Goebbels war im Anfang des J ahres 1939 am Ende ihrer Duldungsfahigkeit angekommen und hatte Hitler gebeten, in eine Scheidung zwismen ihr und ihrem Mann einzuwilligen. Hitler dachte natürlich nimt daran, seinem Propagandaminister zu gestatten, eine 50 schlechte Propaganda gegen eine »kinder­reiche deutsche Ehe« zu machen. Er verbot die Scheidung und verbannte damr Lyda Baarova aus dem deutschen Film und nach Prag.

Was der ganzen Filmwelt und dariiber hinaus aum in den Kreisen der NSDAP ganz allgemein bekannt war, erfuhr die

• Es ist nidtt sehr wahrsdteinlidt, daB Goebbels nadt Rhodos ver­bannt wurde, aber genau konnte diese Frage nidtt gekllirt werden.

Ehefrau - wie das 500ft der Fall ist - zuletzt : Goebbels lebte mit Lyda Baarova in einem bereits lange Jahre dauernden Liebes­verhaltnis und lehnte es ab, sich von ihr zu trennen, ais seine Frau davon erfuhr. lch habe diese Vorgange aus groBerer Nahe miterlebt, als mir Iieb war. Lyda Baarova war mit meiner da­maliger Frau Hilde Korber und mir befreundet. Aus diesem Grunde verabredete sich Goebbels vor meiner Scheidung wie­derholt in unserem Hause mit seiner Lyda. Solche Besuche waren unverdachtig, denn es hieB ja, die Besuche galten mir. Er behauptete sogar in diesem Zusammenhang, er giibe mir

den Vorzug vor anderen Regisseuren, weil er mich am meisten schiitze. DaB ich mich in meinem Stolz getroffen fühlte, wird mir jeder glauben. Abgesehen davon war es mir auch peinlich, in einer solchen Form zum »Mitwisser« jenes Verhaltnisses gemacht zu werden. Da wir im Hause von Goebbels immer wieder dessen Frau trafen, waren die Umstande ganz besonders bedriickend. Goebbels kam sehr oft. Auch in unserer StraBe wuBte man, wie oft er da war, denn das Auto mit der Standarte stand vor der Tür und ein SS-Mann stand Wache. lch habe auf diese Weise Goebbels aus intimerer und privaterer Nahe ken­nengelernt ais die meisten Schauspieler. Goebbels hat z. B. in unserer Wohnung den Einzug Hitlers in Wien an unserem Radio mitgehort, und er hat mich an seinen Gedanken 50 teil­nehmen lassen, als gehorte ich in den Kreis seiner Familie. Lyda war für ihn: seine Frau. lch habe nicht nur viel von seiner Liebesgeschichte, sondern spater auch einige Nervenzusammen­briiche von Lyda miterlebt, wie auch dazwischen ein merkwür­diges Heiratsangebot.

Nachdem niimlich Goebbels erfahren hatte, daB Hilde Karber und ich unsere Scheidung beschlossen hatten, wollte er diese Situation ausnützen, um seine eigene Situation Lyda Baarova gegenüber zu verbessern.

Darum kam eines Tages Lyda zu mir in mein Haus in der Tannenbergallee und mach te mir den auBerordentlim merk­würdigen Vorschlag, im solle sie nach meiner Scheidung heira.­ten. Die Heirat würde natürlim nur eine Formsame sein, wir würden uns über kurz oder lang wieder smeiden lasser\. Sie untermauerte ihre Forderung damit, daB Goebbels sie zu mir geschickt habe und gab mir einen mit roter Schreibmasdùnen-

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smrift gcschriebenen Brief von Goebbels in die Hand, der mich mit groSer Prazision aufforderte, mm personlich diesen Gefal­

len zu tun. Lyda Baarova war Tschechin. Himmler war Goebbels zu

dieser Zeit nicht gut gesonnen. Er muS sich sehr darüber auf­geregt haben, daS eine "T schechin«, deren Regierungschef »ein Herr Benesch,< war, ein Liebesverhaltnis mit einem führenden nationalsozialistischen Minister hatte. Er lieS Goebbels genau überwachen. Samtliche Zusammenkünfte, die er mit Lyda hatte, wurden peinlich registriert. Spater, nachdem Hitler Goebbels verboten hatte, mit Lyda noch einmal zusammenzutreffen, wurde ein solches Register Hitler vorgelegt, der die Konsequen­zen zog und Goebbels nach Rhodos verbannte.

Goebbels wollte also Lyda Baarova durch eine Heirat mit mir zur Deutschen machen und darnit verhindem, daR sie weiterhin als Auslanderin behandelt würde. AuSerdem wollte er bewei­sen, daR meine Ehe mit Hilde Korber an einem Liebesverhaltnis gescheitert sei, das ich mit Lyda Baarova gehabt haben sollte.

lch antwortete damais Lyda: »Die gesamte deutsche Film­industrie und zahllose andere Menschen wissen, daS du ein Verhliltnis mit Goebbels hast. Viele wissen auch, welcherSchau­spielerin mein Herz zuneigt - namlich Kristina Soderbaum. Es ist also eine niedertrachtige Zumutung, mich vor der Offent­lichkeit und vor meinen Kollegen zu einem solchen Affen machen zu wollen. AuSerdem ist es eine Grausamkeit gegen Kristina, ihr zuzumuten, ein solch gemeines Spiel zu dulden und dann spa ter doch meine Frau zu werden. Das Niedertrach­tigste aber ist, mir mit der Gewalt des allmachtigen Ministers zu drohen, denn nur die Angst VOT den Folgen einer Absage konnte mich bewegen, dieser unwürdigen Aufforderung zuzu­stimmen.«

Lyda wuBte nicht, daB Kristina im Nebenzimmer saR und vieles mitanhorte. Ich wuSte es übrigens auch nicht.

Das alles habe ich der gehetzten und von allen Seiten unter Drud< gesetzten Lyda Baarova gar nicht übelgenommen. lhre Liebe zu Josef Goebbels war echt und reprasentierte wahr­scheinlich den groBten Wert, den ihr Herz besaB. Ihre Karriere, die sie ohne ihn gemacht hatte, wurde durch diese unbeirrbare Liebe in Gcfahren gebracht, in denen Lyda schlieBlich unterging.

Lyda Baarova hatte groSartige RoUen gespielt, sie war begabt, auSergewohnlich schon und beim Publikum beliebt, sie hatte also die Protektion des Ministers gar nicht nOtig. AIs die Liebesgeschiclüe begann, war der groSe Zwist zwischen Hitler­Deutschland und der Tschechoslowakei noch gar nimt aus­gebrochen. Und wenn er smon gesmwelt haben sollte, dann war Lyda Baarova keinesfalls die Frau, die "in politismer Vor­aussiclü« sich Goebbels angelt, um von ihm besmützt zu wer­den oder um ihre Karriere zu retten.

Gustav Frohlim lebte, namdem er sim von seiner jüdismen Frau Gitta Alpar hatte smeiden lassen, mit Lyda Baarova zu­sammen. Und zwar wohnten die beiden in einem pramtigen Haus in Schwanenwerder, das direkt neben dem Haus von Goebbels lag.

Es mag wohl die Nambarsmaft der zwei angrenzenden Besitzrumer und Hauser gewesen sein, die Lyda Gelegenheit gab, den Minister oft allein zu bcsumen. Gustav Frohlim war oft bei AuSenaufuahmen und Magda Goebbels oft in ihrer Ber­liner Wohnung. Jedenfalls erlebten die Rivalen Frohlim und Goebbels einesTages einenZusammenprall, der spater in über­triebener Form kolportiert wurde: Goebbels saS nlichtlimer­weise anscheinend von Lyda eng umschlungen in seinem Auto vor seiner Villa in Smwanenwerder, die Wame von Goebbels muSte wohl ins Haus geschid<t worden sein, weil sie storte, wahrend Frohlim frühzeitiger, als es Lyda ahnte, von seiner Reise zUTÜd<kam. Er smaute in das parkende Auto von Goeb­bels und glaubte, seine Lyda zu erkennen. Er offnete die Türe des Wagens und scheint dem Minister und seiner Lyda ein paar kraftige Worte der Verachtung zugerufen zu haben.

Diese Geschichte wird auf 50 versmiedene Weise erzahlt,daB sich nicht mehr klliren lliBt, welmer Wortwechsel damaIs statt­gefunden hat. Es hieS, Gustav Frohlich habe Goebbels geohr­feigt, und es entstand aus dieser Erzlihlung das geBügelte Wort: "lch mochte aum mal frohlim sein.«

Nun Frohlich ha t das mi t der Ohrfeige selbst nie behauptet, und e: würde wohl aum sonst heute nicht mehr leben. 5eit dieser Zeit aber gehorte Lyda zu »Juppe, wie Goebbels allseits genannt wurde.

AIs Frau Magda Goebbels lahre spater erfuhr, daB bereitl

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ein ~o lange wahrendes Verhiiltnis zwischen ihrem Mann und L "da bestand, wandte sie sich an Hitler mit der Bitte, einer Ehescheidung zuzustirnmen. Aber Hitler wies diesen Gedanken entsetzt zurück. Seine Minister sollten ein gutes Beispiel sein. Hitler verbot Goebbels strikt, Lyda jemals wieder zu treffen. Er drohte ihm, ihn fristlos aIs Minister zu entlassen, Falls er etwa nicht gehorchen sollte. Für den ehrgeizigen Goebbels war diese Drohung besonders furmtbar. Es war ja das Ziel von Goebbels, AuJSenminister zu werden.

Man kann die Wahrhaftigkeit der Liebe von Goebbels zu Lyda Baarova daran erkennen, daS er trotz dieser furchtbaren Drohung Schleichwege fand, um seine Lyda immer wieder zu treffen. Aber Himmler lieS seinen Ministerkollegen von seinen Schergen belauem und stellte fest, wo und wann tagsüber oder namts weiterhin Zusammenkünfte der beiden Liebenden statt­fanden.

AIs Hitler erfuhr, wie wenig ihm sein Propagandarninister gehorchte, verbannte er ihn kurzerhand nach Rhodos. Der Staatssekretiir Gutterer wurde stellvertretender Propaganda­minis ter. Lyda Baarova wurde in die Tschechoslowakei abge­schoben, und zwar mit dem strengsten Verbot, jemals wieder in das Reichsgebiet einzureisen.

Von diesem »Elba«, wie Goebbels es selbst einmal nannte, zurückgekehrt, empfing er mich mit der Ohrfeige des »Pedro«­Verbotes und kurze Zeit darauf mit dem furmtbarenSchlag des » Jud Siill«.

Goebbels' Filmpolitik

Ehe im zu dem tragismsten Kapitel dieses Bumes kornme, will ich den Leser daran erinnem, daR Goebbels bereits im Jahre 1935 die Filmsmaffenden um sich versammelte und eine Rede hielt, die nimt nur die Oberschrift »Jetzt sind wir dran!<' hatte, sondem auch aIle Filmschaffenden aufrief, Filme mit nationalsozialistismem lnhalt zu drehen. Das Wort »Propa­gandafilm« fiel damaIs zum erstenmal. Goebbels hatte die Filmsmaffenden in den Thronsaal des Propagandaministeriums befohlen und ruhrte aus, daB der Film nom weit mehr aIs der Rundfunk eins der graBten Meinungsbildungsinstrumente sei,

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die dem Politiker zur Verfügung stünden. Er damte gar nicht daran, eine »L'art pour l'art«-Filmerei zu dulden. Er betonte, daR er auch »das Vergnügliche« nicht hemmen wolle, daR es aber das Wesen des deutschen Films sein müsse, das Gesetz des Nationalsozialismus zu verkünden.

Da die ewigen Superlative zur normalen Terminologie der Nationalsozialis ten gehéirten, nahm niemand von den Film­schaffenden diese Rede wirklich ernst, zumal zunachst kaum nationalsozialistische Propagandafilme gemacht wurden.

Anfanglich gab es nur einen »Leiter F«, das wa: die Film­abteilung des Propagandaministeriums, kurz »Pro~« .ge~annt. Spa ter wurde eine Filmintendanz geschaffen, d~r .em Filmmten­dant vorstand, der mehrere Mitarbeiter und emlge Drama~-

h tte Zunachst leitete Ewald von Demandowsky diese gen a . ch .. dilich Reichsfilmintendanz. Da aber Demandowsky ein s wa er,

. .. Mensch war wurde er zum Trost zum Pro-wemg souveraner , F . duktionschef der Tobis ernannt; an seine Stelle trat Dr. ntz

Hippler. chd . m Von diesem Mann horte ich zum erstenmal, na em er 51

gegen eine groRe Buchverbrennungsaktion gewandt hatte. Da diese BÜcherverbrennungen maRgeblich von Goebbels . aus-gingen lieB es aufhorchen, daR Goebbels ausgerechnet ~esen

, 1-'- h ·· rt d aUrn von Mann zum Filmintendanten mach te. al 0 e ann einem Aufruf Hipplers rur bekannte Maler, unter d~en :;g: E "1 N Ide war lch weill nicht, welchen Rang Dr. pp d: SS ~ekleidet~ * - jedenfalls ging er in SS-Unif0rm.:;ra~los besaB Dr. Hippler nach Goebbels die groBte Madtt u er en

deutschen Film. ch . U d Letzten Endes Hippler fiel spater nach und na mS-'-rift~gntalle. Eridt Kastner

hl d ··b daR er den al s e er stürzte er wo aru er, h d·t dieser den d . . t ·um gebradtt atte, anu

ins Propagan anurus e~ .b ollte _ ein Film, der für das F·I M·· chhausen« Srnre1 en s uf 1 m » un . .. .d Ufa mit besonderemA _

runfundzwanzigjiihrige Jubdaum .. er ..L • b damaIs unter d E ·dt Kastner SmTle wand hergestellt wur e. Tl d.t . .J.. erfahren

N Bürger« un sowel lUI dem bezeichnenden amen» f chtb en Zusammenarbeit habe, kam es zu einer durdtaus r;; ~tere 5turz Hipplers zwischen diesen beiden Mannem. er sp

• SS-Hauptsturmführer.

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",urde wohi mehr von der Reichskanzlei aus diktiert aIs vom Propagandaministerium.

Die neuen Reichsfilmdramaturgen hielSen von Reichmeister , Frowein, auch der Narvik-Kampfer Parbel war eine Weile da-bei.

Die Besetzung eines jeden Films muBte zunachst mit Dr. Hipp-1er besprochen werden, ebenso muBte jedes Filmvorhaben in einer Kurz- wie in einer langeren Fassung bei ihm eingereicht werden. Erst wenn Fragen zu kUiren waren, die Dr. Hippler nicht alleine entscheiden wollte oder die Goebbels von vorn­herein an sich rill, wurde man ins Arbeitszimmer des Propa­gandaministers bestellt.

Das war ein schoner, grolSer Raum in demSchinkel-Bau. Von den Fenstern aus sah man auf den Wilhelmsplatz. Rechts lag die Reichskanzlei und links in einiger Entfernung das Hotel »Kaiserhof«, in dem 50 manche wichtige Entscheidung der nationalsozialistischen Bewegung gefallen war. DaB die zwei vergoldeten gewaltigen Lowen am Eingangstor des Propaganda­ministeriums schliefen, war ein schlechtes Symbol für die un­geheuerliche Wachsamkeit, die von die sem Hause ausging. Diese LOwen hatte der grolSe Bildhauer Christian Rauch für das Grab Scharnhorsts geschaffen. In preuJ5ischer Gradlinigkeit führte eine breite Treppe, deren Gelander aus goldenen preuJ5ischen Adlern bestand, hinauf zu den Vorraumen und zum Minister­amt. Die Sale und der Flur waren in einer Mischung von Preu­lSentum und pompejanischer Bildnerei ausgemalt. Aus diesem Haus zog einstmals Friedrich der GroISe in den Siebenjahrigen Krieg.

Ais der Zweite We1tkrieg ausgebrochen war, machte Goeb­bels mit seiner Forderung an den deutschen Film teuflisch Ernst. Er war entschlossen, den »Film ais Waffe« zu benutzen. Des­halb zeigte er uns amerikanische, russische und englische Filme, die seiner Meinung nach Waffen der Demokratie und der J uden ebenso wie des Kommunismus waren.

Zunachst drückte sich diese Wende in einem auJ5erordentlich komischen MiBverstandnis aus. Goebbels hatte namlich seinem Freund Ewald von Demandowsky am Telefon mitgeteilt, daIS keine »Ante-Filme« mehr gedreht werden sollten. Goebbels hatte den Film »Roman eines Arztes« von Jürgen von Alten

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gesehen. über diesen und noch einen zweiten Arztfilm hatte er sich aus irgendwelchen Gründen geargert.

Der getreue, aber nicht sehr begabte Ewald von Demandow­sky hatte nun seinen hohen Freund und Minister falsch ver­standen und sofort an samtliche Filmfirmen die Anordnung ergehen lassen, daIS der Minister keine »emsten« Filme mehr sehen wolle. In dieser Zeit war Demandowsky noch der Reichs­filmintendant.

Diese merkwürdige Forderung von Goebbels verstand nie­mand. Sie war aber »héichster Befehk Man ratselte ratlos herum.

Wollte Goebbels etwa dem Ernst der kriegerischen Situation Humor und Leichtlebigkeit gegenüberstellen, um von der Schwere des Schicksals abzulenken? Ein solcher Unsinn paBte im Grunde nicht zu Goebbels, denn er hatte ja bereits befohlen, Propagandathemen auszuwlihlen, die eine Waffe sein sollten. Vielleicht aber wollte Goebbels neben dies en Themen »leichte Ware« haben ... Vielleicht, vielleicht, vielleicht ...

Ais nun Goebbels ein Klamaukfilmdrehbuch nach dem ande­ren eingereicht wurde, bekam er schlielSlich die Wut. Ob denn die Filmleute verrückt geworden seien, ihm in dieser emsten Zeit solchen Quatsch vorzulegen. AIs dann schlielSlich heraus­kam, daIS Ewald von Demondowsky seine Worte falsch ver­standen hatte, gab es ein ungeheures GeHichter. Goebbels selbst 5011 am meisten gelacht haben.

Die Vorgeschichte von » Jud Siill«

Wie wenig es aber unter den Filmleuten zu lachen geben 5011 te, das erfuhr ich wohl aIs erster: .

E· D hb chautor namens Metzger hatte berelts vor 1933 In re u . 't

. D hb ch J d S··n« verfalSt Goebbels hatte semersel 5, eln re u » u UJ.:) •

noch ehe er in die Verbannung nach Rhodos geg,,:"ge~ti;;~ samtlichen Filmfirmen die Auflage gema~t, ":"tiSeDU

Filme zu drehen. Davon las Metzger. Er schrie~;lll n~~'dan­scheinend recht abscheuliches Drehbuch und rel te es 1 em Dramaturgen der Terra, Alf Teichs, ein. 'ch 'ch

AH Teichs hatte eine jüdische Frau, von der er SI ,werm 1

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redit unterrichtet wurde, nUI "pro forma« scheiden lieB "h rend er weiter mit ihr lebte. Jedenfalls konnte er, aIs :in

wa .-

. J"d' h' t t M d nut emer u m ver el ra e gewesener ann, en wichtigen Post eines Drarnaturgen bei einer der wichtigsten Filmfirme en n nur dadurch halten, daB er sich wenigstens den Anschein gab s . Amt im nationalsozialistischen Sinne aufzufassen. We~ em

also diesen Film zunachst Greven, dem darnaligen Produktion:~ chef der Terra, der dann zur Vfa hinüberwechselte und , an-schlieBend dem Nachfolger Grevens, Peter Paul Brauer anbot dann hat das gewiB nichts mit einer inneren Entscheidun fü; antisemitische Ideen zu tun. g

Teichs erkannte aber anscheinend sofort, daB dieser Vor­schlag im Propagandaministeriurn ein starkes Echo finden würde.

Der Produktionschef Dr. Brauer ernannte sich sofort selbst zum Regisseur des Films und lud damit die Hauptschuld rur diesen Film auf seine Schultern. Bei dieser Feststellung stütze ich mich auf authentisches Material *.

Greven hatte, dUIch seinen Wechsel ZUI Vfa, das Glück, sich von der Verantwortung rur diesen Film befreien zu konnen. Er erfüllte den entsprechenden Befehl des Ministers bei der Vfa mit dem Film "Die Rothschilds«.

Es wurde auch bald bemerkt, daB dies es Drehbuch von Metz­ger miserabel war. Der Staatsekretar Gutterer zog darurn einen n:uen Autor hinzu, und zwar Eberhard Wolfgang Moller, der em erfolgreicher Autor und Leiter irgendeiner Abteilung des Propagandaministeriums war **.

Zum erstenmal horte ich von dem Film als mir Otto Wer­nicke erzahlte, er solle unter Brauers Regi~ irgendeine Rolle -entweder den Herzog oder den Oberst Roder - in diesem Film spielen und daB er entsetzt über dies en Antrag ware. Er habe eine jüdische Frau und haIbjüdische Tochter. lch war damais noch sehr sicher und sagte zu ihm: "Aber Wernick.e, Goebbels ka~ Sie doch nicht zwingen, eine Rolle zu spielen, die Sie nilht splelen wollen!« Doch Wernicke hatte wohl schon eine Aus­einandersetzung mit Brauer gehabt, in der er bedroht worden

• Gerimtsakten .. Ref t d Th Kr. erefn Il er eaterabteilung des Propagandaministeriums. lm

.ege ge a en.

war. Jedenfalls war er sehr niedergedIÜckt, aber durchaus ent­schlossen, in dem Film nicht zu spielen.

Das Drehbuch, das Eberhard Wolfgang Moller aus der Vor­lage von Metzger verfertigte, hatte die bekannte Novelle von Wilhelm Hauff zur Vorlage. Die Herren sind auch nach Stutt­gart hinuntergefahren, in die Stadt, in der SüB Oppenheimer gehenkt worden war. Sie haben in den Archiven die Dokumente über den ProzeB von SüB gefunden und durchstudiert, um mog­lichst dokumentarisch sein zu konnen.

Der Film wurde dann von Staatssekretar Gutterer endgültig in Auftrag gegeben. Für die Rolle des "Stupn« hatte Eugen Klopfer abgeschlossen. Malte Jager war ais jt7gendlicher Revo­lutionar und zukünftiger Gatte der Tochter Sturms bereits besetzt. Aber weder die Rolle des "Herzogs« noch die Rolle des "Rabbi Low« waren besetzt. Sowohi Heinrich George ais auen Werner Kraul5 hatten sie rundweg abgelehnt. Auen der »]ud Sül5« hatte noch keinen Darsteller gefunden. Gustaf Gründ­gens hatte ihnen was gehustet. Er hatte sien an seinen Chef, Hermann Goring, gewandt, der sein direkter Vorgesetzter war. Grundgens unterstand ais Generalintendant der Staatlienen Schauspiele dem Ministerprasidenten PreuJ5ens. Das "Promi« hatte ihm deshalb nichts zu befehlen.

Es waren Probeaufnahmen von Ferdinand Marian gemaent worden. Bei diesen Probeaufnahmen hatte sien Marian wie der »alte Dessauer« gekleidet und 50 talentlos wie nur moglien angestellt, um die Rolle loszuwerden. Zu seinem Senaden hatte er aber seine Talentlosigkeit 50 stark übertrieben, daJ5 die offen­sichtliene Obstruktion Goebbels, ais er die Aufnahmen sah, nient entging.

Klug, wie der Teufel nun einmal ist, erkannte der in sein Amt zurückgekehrte Propagandaminister anseneinend sofart, dal5 aus dem Drehbuch eine senmierige Hintertreppengeschiente geworden war, die mit Wilhelm Hauff, naen dessen Novelle das Drehbuch gesenrieben sein soli te, künst1erisen überhaupt nichts mehr zu tun hatte. Er setzte den produktionseneE Peter Paul Brauer der sien selbst zum Regisseur dieses Films erwahIt hatte, ab ~d gab ihm den Befehl, mien anzuruEen und mir die Regie dieses Films zu übertragen .

Sa klingelte eines Tages im Cicero-Atelier in Halensee, WO

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idl irnmer weiter und immer neu an meinem Film "Pedro sol! hangen« herumdoktem muBte, das Telefon. Mit unverhohle "'ut teilte Brauer mir mit, was ihm aufgetragen worden w:

er

Zwei Stunden spa ter bekam ich durch einen Boten das D hr. re -buch in die Hand gedrückt - und begann zu lesen.

Nachdem ich ungefahr 20 Seiten des Buches gelesen hatte rief ich Brauer an und sagte ihm, es sei vol!ig ausgeschlosse~ fur mich, dieses Drehbuch zu inszenieren, und er solle sich einen anderen suchen.

»Sie haben wohl nicht richtig verstanden, Herr Harlan«, er­widerte Brauer. »Es ist ein Befehl des Ministers, daB Sie dieses Buch inszenieren. Wenn Sie das nicht wollen, dann müssen Sie sich schon an ibn selbst wenden. «

Ich wandte mich zunachst an Hippler, den Reichsfilminten­danten. Er lachte am Telefon, denn er wuBte natürlich, was geschehen war, und er kannte mich zur Genüge, um voraus­sehen zu konnen, daB ich mit einem solchen Drehbuch nichts zu tun haben wollte. Natürlich hatte er genauso wenig Macht, mir die Regie abzunehmen, wie Brauer. Darum vermittelte er fur den nachsten Tag eine Unterredung mit Goebbels.

Meiner Frau Kristina hatte ich von diesem neuen Auftrag noch gar nichts gesagt. Sie hatte trotz einer langen schweren Krankheit am 20. Oktober 1939 unseren Sohn Kristian durch Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Ihr Leben hatte an einem Faden gehangen. Unser Sohn war damaIs etwa drei Wochen ait, und sie muEte noch das Bett hüten.

Da ich über diese Sache kein angenehmes Gesprach mit Goebbels zu führen die Aussicht hatte, las ich das Buch sehr genau durch. Ich strich mir die schlimmsten Stellen an, um Goebbels klarzumachen, daE mir niemand zumuten konne, meinen guten künstlerischen Namen mit einem 50 miserablen Drehbuch zu zerstoren.

Goebbels empfing mich sehr »leutselig«. DaE ich die Regie­aufgabe zurückgeben wollte, wuEte er schon von Hippler. Er sagte zunachst wenig und horte sich die Stellen aus dem Dreh­buch an, die ich 50 stark »mauschelte« wie nur irgend miiglich. I~ versuchte mit groEer Mühe, ihm klarzurnachen, daE durm dleses Drehbuch nicht etwa ein widerlicher Jude dargestellt, sondem ein widerlicher Film gemacht werden würde. lm sagte

ihm, daE das Buch etwa auf dem Niveau von Streichers Zeitung »Der Stürmer« stünde. Ich wuEte, daE Goebbels diese Zeitung selbst abscheulich fand. Ich machte ihm aIso klar, daB die Ver­mischung des primitiven Antisemitismus mit einer widerwar­tigen Erotik einem Regisseur übergeben werden müsse, der daran seine Freude habe und der das fraglos aum weit besser konne ais ich, weil ich gewohnt sei, meine Filme nach den Ge­setzen der Asthetik zu inszenieren.

!ch hatte mir gar nicht 50 viel Mühe zu geben brauchen. Goebbels gab mir in aIlem vollkommen recht. Er sprach über den Regisseur Brauer mit der groEten Geringschatzung, 50 daE ich bis heute nicht begreife, warum er ihn überhaupt je zum Produktionschef gemacht hatte, und er sprach sehr deutlich da­von, daE er ein Drehbuch brauche, welches den Fall »Jud SüEc objektiv schildere. Das Verbrecherische an "Jud SüE« sei 50

offensichtlich, daE man es gar nicht notig habe, dem noch etwas

hinzuzufügen. Goebbels wuEte, daE ich mit einer Jüdin verheiratet gewesen

war und daE meine Trauzeugen in meiner zweiten Ehe mit Hilde Kiirber der Schauspieler Fritz Kortner und mein Freund Fran-

V hrun f" cesko von Mendelssohn waren. Er kannte meine ere g ur Max Reinhardt die er übrigens durchaus teûte - kurzum: er folgerte, da ich la die Juden besser kenne als viele andere Regis­seure, werde mir auch Humoriges einfallen, was zu den Juden gut passe. Ich solle ihm deshalb einen Drehbuchvorschlag machen, der rneiner Kritik an dern ersten Drehbuch ~ntspreche, und ich solle mich beeilen, da er diesen Film vorranglg brauche.

Tableau. Aber ich gab nicht auf. . . Noch kurze Zeit vorher hatte Goebbels meine »polthsche In-

stinktlosigkeit« anliiglich des Films "Pedro. solI hangen« . s~ deutlich gebrandrnarkt, daE ich mir erlaubte, ihn daran zu e~ nem. Aber Goebbels schnitt meine Einrede einfa~ ab: ,.S~e haben jetzt nach der Pedro-Katastrophe ~e~egenhelt zu bew~-

dg' h . Urteil über Sie zu revldieren habe. Es glbt sen, a IC me,hnb"ch Ihnen warum also solIten Sie genug gute Dre u er von, S' d· D hb ch plotzlich nicht schreiben konnen7 Wenn le

leses re u ch Sie sich einen Mitarbeiter am Drehbuch brauchen, dann su en .

. D F'!m muB repriisentativ besetzt werden. Ich will emen aus. er 1 . di Flm sehen die grogten Schauspieler Deutschlands III esem 1 •

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Mamen Sie ProbeauEnahmen mi t Emil Jannings, den ich fur den besten DarstelIer des >Jud SülS< halte. In der RoUe d

des Konsulenten Sturm Eugen Klopfer. D en Rabbi Low sPie~ Werner KrauK

Und die weibliche HauptrolIe spielt Kris tina Soderbaum. Wenn die Rolle in dem Buch nicht 50 angelegt ist, d~ sie zu ihr p~t, dann haben Sie jetzt Gelegenheit, das zu iindern.« lm wandte sofort ein, d~ meine Frau gerade ers t entbunden habe, daIS sie unseren Sohn nahre und daIS sie augerdem nieren­krank sei - also im Augenblick gar ni~t imstande, in einem Film aufzutreten.

Goebbels blieb an seinem Schreibtisch stehen . Er lachelte mim bosartig an : »Wenn ich nimt irre, haben Sie bei der Tobis das Thema Agnes Bernauer vorgeschJagen. lm Tobis-Katalog ist das Bild lhrer Frau grog auf dem Plakat Agnes Bernauer zu sehen.« lch antwortete : »Herr Minister, i.ch habe ja das Dreh­bum nom gar nimt fertig gesduieben. Es werden noch einige Monate ins Land gehen, ehe ich mit dem Film beginnen kann. Dann wird aum meine Frau wieder filmen konnen. Aber Sie sagten dom eben, d~ der Film > J ud Sü/S< eiligst begonnen wer­den mulS. « Goebbels antwortete kalt: »Sehr eilig sogar. Und zwar mit Kristina Soderbaum, mit Werner KraulS, mit Emil Jannings. lch nehme an, Sie haben mich verstanden.«

Erst in der Namt sagte ich meiner Frau, nachdem sie unseren kleinen Jungen genahrt hatte, was vorgegangen war und d~ sie wohl in dem Film mitspielen müsse.

Sie fuhr in die Hohe : »Das kann er gar nicht befehlen, der Arzt wird es nicht erlauben! « Zuniimst war sie ganz sicner, d~ Goebbels sie ihres Zustandes wegen nidü zwingen konne. Dann aber wurde aum ihr nam und nam klar, d~ wir in einer nahe­zu hoffnungslosen Situation waren. Professor Wagner yom Franziskus-Krankenhaus in Berlin smrieb ihr am niimsten Tag ein Attest, d~ es vollig unmoglich sei, sie in den niichsten sechs Monaten mit einer künstlerismen Aufgabe zu betrauen. Für mich selbst allerdings blieb die Situation hoffnungslos.

Immerhin ist es keinesfalls sicher, d~ Goebbels mir diesen Film aus Gründen personlidter Feindsmaft übertrug. Vielleicht hatte er gerade in »Pedro« einen Wesenszug von mir erkannt, den er Zwar rur diesen Film ablehnen mulSte, der aber für das

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gefahrliche Projekt » Jud SüB« sehr brauchbar für ihn sein konnte. In »Pedro« waren philosophische und humanitare Ge­danken miteinander auf volkstümliche Weise verBochten. Gerade das fehlte dem »Jud-Sü/S«-Drehbuch von Moller, und das hatte Goebbels erkannt. Er war bestimmt zu stolz, um einen Film vom »Stürmer«-Niveau haben zu wollen. Er wollte au<h zu dieser Zeit keinesfalls einen menschenunwfudigen antisemi­tischen Film produzieren. Aus politischen Gründen konnte er einen solchen Film gar nicht gebrauchen. Nicht umsonst hatte er immer wieder in kleineren und groBeren Kreisen über die »ldiotie der Kristallnacht« gewettert. Er hatte auf den .dum­men« SA-Chef Lutze eine solche Wut, daB er ihn fortwahrend liicherlich mach te, obwohl jedermann wuEte, daB die beiden sehr gut miteinander standen. Goebbels behauptete, Lutze habe nUI seine heruntergekommene SA, die von der 55 entthront worden sei, durch diese »Privat-Bartholomiiusn.acht« w.ieder ZUI Geitung bringen wollen. Er erzahlte viele Geschichten uber Lutze und dessen Glasauge, das dieser einer Kriegsverwundung wegen t d· · ch hier nicht niiher beschreiben will. Er wollte Lutzes rug, le 1 . . . h r primitive Dummheit und dessen »rohen« Antisenutismus e-

absetzen. Warum?? . A Goebbels - anders ais sein »Führer« - fürchtete ~~~

weitung des Krieges. Er war sicher, daB nach Poien F~ 1.

schnell faIhm und dann E;ngland nachgeb~ ~de, weil ebs, Wle . dB" dni Hitlers mit Stalin fürchtete«. A er er er meInte, » as un s d Kri em'

ahr d . daB Amerika in en eg -sah auch eine Gef arrn, .. d R .. nl d d Nicht-

. di Fall wur e w> an en greifen konnte. Denn In esem eh 'ff akt brechen Er war auch intelligent genug zu sen,

angn sp. h he Antisemi­daB der in Deutschland zur Staatsreligion er 0 ntli~ch' Ame-

n d V achtung - namen fi tismus unendlichen Hal> un er II d 1 keinen d' Grund wo te er ama s rika - erzeugt hatte. Aus lesem .. n k t Er wollte

d· HaB noch vergrol>em onn e. Film machen, der lesen tI 1 ch den übrigen .\ hl Küns em a S au ganz im Gegentel sowo uns . 1 F d des Anti-

. " h M hrzahl mema s reun e Deutschen, die Ja In 1 rer e . al 'ali ti'sche Antisemitis­

d r nation sOZl s semi tismus ware~, sa~~n, e lihnlich, den es von jeher gegeben mus sei dem AnhsemItismus . Pl' Amerika in Frank-

ch · RuEland fi 0 en, fi , habe, wie er a u In '. h rrschte Er wollte die h oder wemger e . reich und England me r d hi ton'schen Antisemi-

d 'demeren»s Feindschaft mil em, ln

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ti~mus« zum Schild gegen den HaiS mach te. Mit einer Vorb . . ere~

tung der spateren furchtbaren Verfolgungen der Juden konnte dieser Film deshaIb zu diesem Zeitpunkt nichts zu tun hab Goebbels wollte lediglich alles in seiner Macht stehende ~~. Deutschland den Krieg gewinnen zu helfen. Er wollte daher mi; dem Film eher beruhigen ais die Spannung vergroiSern.

War Moses ein Jude?

Es kann hier nicht zur Debatte stehen, ob Goebbels damais seine eigene wahre Meinung sagte. Er spram stets ohne Rück­sicht auf die Wahrheit immer nur das aus, was er rur zweck­miŒig hielt. Keiner von uns war dazu imstande zu prüfen, was an dieser plotzlichen gemiŒigteren Einstellung zum Antisemi­tismus und der mit ihr verbundenen Kriegspolitik echt war und was nicht. Goebbels zeigte uns vielmehr einen Film »Jud Siill«, der in England mit Conrad Veidt in der H auptrolle gedreht worden war. Dieser Film hinterlieiS eine deutliche antisemitische Wirkung. Er hatte im übrigen eine seltsarne Meinung über die Entstehung des Antisemitismus, die er angeblich von Hitler übemommen haben wollte. Aus dieser hitlerschen Phantasma­gorie über den historismen Antisemitismus schmiedete er sofort eine Waffe fur den NationaIsoziaIismus, mit deren Hilfe er die deutsche Intelligenz in den Teufelskreis der nationaIsoziaIisti­schen »Volksgemeinschaft« hineinzuzerren hoffte. Das zeigt unter anderem die folgende Geschichte, die ich im Kreise ande­rer Kollegen etwa drei Jahre nach Kriegsbeginn von ibm horte:

Goebbels fragte viele Schauspieler, die bei ihm eingeladen waren, welche Figur in der Geschichte Adolf Hitler wohl für den groBten aller »Manner, die Geschichte machten«, hielte. Er kame vom Führ~r und sei gespannt, ob einer von uns den glei­chen Namen wie der Führer nennen würde.

Wir saBen nun auf der Schulbank und rieten herum. Es machte Goebbels sichtlich SpaB, uns wie Schüler zu prüfen, ob unsere Bildung auch ausreiche. Er hielt von der Bildung der S~u5~~eler nichts und brachte sie gem in Verlegenheit, indelIl er sich uber die5en MangellU5tig mach te.

Wir rieten al 50 herum: Karl der GroBe, Kaiser Karl V., Na-

poleon, auch Casar wurde genannt, Alexander der GroBe, Bis­marck - Künstler nannte keiner, weil man wuBte, daiS Hitler ihnen keine geschichtliche GroiSe beimaiS. Es fiel en noch viele Namen, aber Goebbels schüttelte lachelnd den Kopf. SchlieB­lich nannte er den N arnen,auf den niemand von uns gekommen

war: Moses. Und nun begründete Goebbels mit groiSem Eifer das Urteil

seines hochsten Chefs: Natürlich sei Moses kein Jude gewesen _ den habe man nicht »im Bach gefunden«, das habe sogar der jüdische Psychoanalytiker Sigmund Freud auf die ihm eigene prazise W eise nachgewiesen. Moses sei gewiB das uneheliene Kind irgendeiner agyptischen Prinzessin gewesen und habe einen pharaonischen Geist in sien getragen. Moses habe wie kein anderer erkannt, daiS die Juden sien untereinander nicht liebten, sondem sich standig haiSten und bekriegten. über diese Kriege gabe das Alte Testament ausgiebig Auskunft. Moses habe aIso gewuBt, daiS den Juden die Liebe zueinander fehle und habe darauf seine Gesetze aufgebaut. Goebbels narmte auch einige Beispiele aus dem Talmud, aus denen hervorgehe, daiS Moses der »Erschaffer des Antisemitismus« sei. Er habe die Juden systematisch zu Feinden der anderen Volker gemaent -und zwar »um der Feindschaft willen«.

Da die Juden von innen her ihrer Natur naen nient zusam­menhielten - 50 habe Hitler es ausgesproch.en - , hatte Moses beschlossen, sie durch eine Kraft von auBen zusammenzuhalten. Die5e »Kraft von auBen« sei der HaB der anderen Volker - die Kraft des Antisemitismus. Sie sei es gewesen, welche die Juden »notwendig zusammengesenweiBt« hatte. In dieser Weise habe Hitler auch über die Ghettos gesprochen, die spa ter überall ent­standen. Sie seien nicht etwa Statten gewesen, in welche die Juden von den Christen verwiesen worden waren, sondem diese Ghettos sei en die »Judenburgen« gewesen, von denen aus dieses >,Volk ohne Raum« sein Judentum verteidigte.

Goebbels beschrieb uns nun mit groBer Gründlid!keit du Wirken des Schriftgelehrten Esra, das in den "apo~~~ Büchem« des Alten Testaments niederge1egt ist. Der Korug Artaxerxes habe lange vor Christi Geburt dieseDl Esra .den Pentateuch in die Hand gedrückt und ihm befoh1en. lm SUIIle Mose Ordnung in das verlotterte und uùt fremdeDl Slut ~

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m;scn.te jüdische Volk zu bringen. Esra sei darauf nach J . 1· ch h .. erusa_

lem gerelst, habe a le MIS e en fur ungesetzlich erkHirt den nichtjüdischen Teil der Ehen aus dem Land getrieb unEd

d eQ r

habe es unterTo esstrafe gestellt, wenn einJude sich ml·t . . ... emem

NichtJuden geschlecn.tltch emlasse. Dleser Schriftgelehrte und Politiker Esra sei ~er Begründ.er des »Laubhüttenfestes« gewe­sen und habe gewlssermaBen m umgekehrter Wei se den Nürn­berger Gesetzen Adolf Hitlers vorgegriffen. Esra habe ein politisch kluges Werk vollbracht, dem die liberalenJ uden spa ter leider nicht mehr gefolgt seien. Auch Luther habe in seiner Vor­rede zur übersetzung dieses Werkes den Leser des Alten Testa­ments aufgefordert, daB derjenige, der die vier Bücher des Esra nicht liebe, »an ihnen vorbeibHittem solle«. Anscheinendhatten gar zu viele Deutsche dem Ratschlag Luthers Folge geleistet, sonst konnte sich namlich heute niemand in Deutschland dar­über aufregen, wenn Hitler die gleiche VorsichtsmaBnahme treffe wie vor 2400 J ahren jener Esra.

Goebbels erklarte weiter, daB die Juden aufgrund der Wei­sung Esras und Nehemias spater die TaImud-Gesetze erhalten hatten. Diese hatten sie absichtlich und vorsatzlich zu Feinden der Gojim gemacht. Dadurch sei erst der »selbstverstandlich antwortende Antisemitismus« entstanden, den die Juden wie eine Mauer um ihre Burg brauchten. »Thora« sei hebraisch und heille »die Lehre«. Diese Lehre sei von Moses erdacht, aIs Ge­setz niedergelegt und in jener Mauer gegen alles Nichtjüdische deutlich geworden.

»Diese Mauer des Antisemitismus hat das J udentum über die Jahrtausende hm am Leben erhaIten.« Ihr Blut ware sonst na­türlich Iangst resorbiert worden, und es gabe keine Juden mehr, da sie seit undenklichen Zeiten in fremden Landem Iebten. Ohne das Mosaïsche Gesetz, das ihnen die Vermischung verbot, würde es heute keine Judenfrage geben.

»Nun hat aber der Führer von Moses gelemt. Er entschlog sich, in dem gleichen Geist, in dem Moses einmal handelte, Gesetze für Deutschland zu verkünden und einem Antisemitis­mus Einhalt zu gebieten, der seit 2000 Jahren den Juden nur nützt. Er hat darum den Antisemitismus gesetzmaBig 50 ver­ankert, daB nicht die Juden var den Nichtjuden, sondem die Nichtjuden var den Juden geschützt werden.«

Es sei aber noch eine andere Erkenntnis in Hitler wachgewor­den, fuhr Goebbels fort, namlich die, d~ der Geist Moses noch in anderer Weise hochst lehrreich sei. Die Lehre, die Moses verbreitete, gel te auch rur das Leben anderer Volker. Und zwar rur die Deutschen in der Forrn, d~ jeder einzelne Deutsche im Ausland nicht nur aIs Deutscher, sondem auch aIs National­sozialist gewertet und damit gehaBt werde. Auf diese Weise gewënne jeder einzelne Deutsche ein persënliches Interesse daran, an dem Sieg des Nationalsozialismus rnitzuarbeiten. Es würde dann der Zustand eintreten, d~, wenn der Krieg etwa verlorenginge, jeder Deutsche in den Augen derJuden und ihrer Freunde ein Verbrecher sei und d~ dann auch jeder Deutsche die Rechnung bezahlen müsse. Der H~ gegen den Deutschen im Ausland würde 50 zu einem starken Schild und eine starke Waffe des Nationalsozialismus. D~ Alfred Kerr auf den Dich­ter Gerhart Hauptmann einen Huch von seinem jüdischen Gatt herabgefleht habe, nach welchem der Dichter "bei lebendigem Leibe verfaulen« salle, habe Hauptmann in eine Treue zu den NationaIsozialisten gezwungen, die er vielleicht gar nicht gehabt hatte, wenn dieser Zwang nicht über ihm gelegenhatte-meinte Goebbels. Das Schicksal der Juden sei dem Schlcksal der Deut­schen ahnlich und darum m~ten die Deutschen auch von Moses und von den Juden das lemen, was ihnen infolge ihrer Senti­mentalitat fehle.

Goebbels wollte also zu dieser Zeit Filme haben, die sich gegen einenJuden richteten und nicht gegen alleJuden. Ersagte das in voller Klarheit. »Ich mag sie alle nicht - aber sie sind nun einmal da und ihre Gefahrlichkeit und Last wird gemindert werden, wenn sie wieder einen eigenen Staat haben. Ein sol cher Staat ist in Madagaskar geplant.«

lm Jahre 1939 ahnte man von den zukünftigen Masse~ver­brechen an den Juden nichts. Goebbels war damals davon uber­zeugt, daB der Krieg in spatestens einem J ahr siegreich beendet

sein würde.

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Der Film» Jud Siill« wird besetzt

Um dem Goebbels-Befehl doch noch zu entgehen, meldete ich mien mit Billigung meiner Frau kriegsfreiwillig. Da ich aus­gebildeter Soldat vom Ersten Weltkrieg her war, meldete ich mich »an die Front«. lch war überzeugt, daR Goebbels dieser Handlungsweise nichts entgegenzusetzen vermochte.

Goebbels lieR mich kornmen und fuhr mich an, diese Kriegs_ freiwilligenmeldung sei nichts wei ter aIs eine Sabotage seines Befehls. Er habe mit dem Führer darüber gesprochen, daR ich und die meisten Schauspieler ihre Mitarbeit an diesem Film ablehnten. Er sei mit dem Führer übereingekornmen, die Grenze klarzumachen, wo die individuaHstischen Wünsche von Künst­lem aufhorten. Er drückte mir einen schriftlichen »kriegsdienst­lienen Befehl«, der von ihm selbst unterzeichnet war, in die Hand. Er maente mir auch klar, daR Herr KrauR wie Herr Jan­nings den gleichen Befehl erhalten würden, falls sie sich etwa weigem sollten, ihre Rollen zu übernehmen. Er sagte auch ganz unrniRverstandlich, daR wir als Deserteure behandelt werden würden, Falls wir seinen Befehl verweigerten, und daR Deser­teure im Kriege erschossen würden. Er denke nicht daran, mit sich spaRen zu lassen. Ich solle mir des Ernstes der Situation bewuRt sein.

Dann forderte er mich auf, die Freiwilligenmeldung zucück­zuziehen und unverzüglim mit der Bearbeitung des Drehbuches zu begirmen, Besetzungsvorsenlage zu machen. Falls ein Senau­spieler es wagen würde, eine Rolle abzulehnen, weil er sien »das Gedankengut des Nationalsozialismus nient zu eigen maenen will«, wollte er Bericht haben. »Verstehen Sie mich rich­tig, Herr Harlan, der Nationalsozialismus steht im Karnpf gegen seine Feinde. Die Feinde des Nationalsozialismus werden ge­schlagen werden, wo sie aueh stehen! Und wer uns in die sem Kampf um Deutschland in den Weg tritt - ist ein toter Mann!«

lm war irn Bilde. leh versuehte noeh zaghaft, wenigstenS meine Frau zu retten. Aber er drehte mir den Rücken und ging zurück an seinen Tism: »lhrer Frau wird eine Amme gestellt, wenn sie das Kind nahren will.« lm schrie lauter, ais im es wollte: »Sie braucht keine Amme. Sie nahrt es selbst, Herr Minister.«

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Goebbels setzte sim an seinen Tism, sah mim gar nüht mehr an und machte nur noch eine wegwerfende Handbewegung: "Ihre Frau kann die Aufnahmen unterbreenen, wann sie will. Sie haben vollig freie Hand, als Vater und Ehemann das zu tun, was Sie rur notig halten. Wie sahe es aus, wenn die Frau, die bisher aile ihre Filme mit ihrem Mann gemeinsam gemamt hat, plotzlich aus der Reihe tanz~n würde *. « .

Er stand argerlich vom TIsch auf, ohne mIen anzusehen, und schaute dur ch das groRe Fenster auf den weiten Wilhelmsplatz. Sein Adjutant gab mir ein Zeienen, ien hatte zu gehen. Also

ging ich. In den nachsten Tagen wurden Anschlage an den smwarzen

Tafeln im Propagandaministerium und in den Filmateliers ge­mach t, auf welchen zu les en stand, daR jede Freiwilligenmel­dung an die Front mit Desertion bezeimnet .und en~spremend geahndet würde, falls eine solme Meldung ID Verbmdung zu einer Befehlsverweigerung stünde.

lch "L't . Alfred Braun zum Mitarbeiter. Braun war Waru e mIT hin .. rt

damaIs aus der Türkei zuriickgeko~en, wo' er emI:~_ war. Die Nationalsozialisten hatten ihn als bek~ten R . funksprecher gleich im J ahre 1933 ins KZ Oraruenburg . ell-

E g dort mit dem Sohn des ehemahgen Relms-gesperrt. r sa füh d L ten rasidenten Friedrich Ebert und mit anderen .. ren en eu

p . . N -'- .. en Monaten war er ent­der Berliner Offentlichkelt. au. errug . -'--'-, . tmit Frau undKind DeutsU1-lassen worden und hatte suueurugs . d d b

land verlassen, ehe sich die Behorden etwa WIe er an ers e-

sannen. 0 chland zuriick Er Ais der Krieg ausbram, kam er nam euts .

wollte kein Deserteur sein. .. die ich mit Goebbels über In einem der namsten Gesprame, .' rechnet

f . m warum lm IJUl" ausge die Besetzung hatte, ragte er mI '.. d di drei »Sklarek-einen Mann zur Mitarbeit geholt hatte, _.~~" e 'mt was

habe lm ww>te gar ru , P feile« am Revers getragen .: . m fOie drei Skla-Sklarek-Pfeile waren. Goebbels klarte mI D~u cl . pfeile ,.der

d -'- V bremer gewesen. le rel reks seien jü isu.e er . ald kr ti men Kampfgruppe, Eisernen Front«, einer SOZI emo a 5

. Pedro soli hiingen« nlmt mi!gesplelt. • Kristina Soderbaum ha! ln »

101

Page 51: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

standen wahrend des Aufst~egs ~er n ationalsozialistischen Be­wegung oft im Kampfe rrut semer SA. lch antwortete, daB Alfred Braun meines Wissens kein Sozialdemokrat, sondern eher ein Nationalist sei. Wahrscheinlich sei er im Zentnun gewesen. Das müsse man nach seinen AuJSerungen jedenfalls annehmen. Goebbels meinte daraufhin ironisch: »Ach, ein Frommer! Sehen Sie mal an! Also gut - behalten Sie Ihren Christen !«

Nun ging ich zu Jannings ins Hotel »Kaiserhof«, um den mir erteilten Befehl auszuführen. Wenn er in Berlin war, wohnte Jannings mit seiner Frau und seiner Tochter Ruth immer in diesem Hotel. Er hatte keine Ahnung davon, daB Goebbels bereits von einem »kriegsdienstlichen Befehl ,( an ihn gespro­chen hatte. Jannings bat mich' im Namen der Freundschaft, die uns verband, dafür Sorge zu tragen, daB er von dem schreck­lichen Angebot, den »Jud SüB« spielen zu müssen, loskomme. Er sei als »Frauenverführer« auch viel zu ait.

lch konnte Jannings nur mit einem »Dreh« helfen. Wenn auch der aufgeweckte Goebbels durch W orte kaum hereinzu­legen war, denn W orte beherrschte er ja selbst wie kaum ein anderer, 50 gelang es mir hier doch eirunal. lch erkHi.rte ihm nJ.mlich, daB zwar die Besetzung mit Emil J annings vom Namen her nicht zu überbieten sei. Sie ware aber dennoch falsch. Denn Heinrich George, der den GroBherzog von Württemberg, und Eugen Klopfer, der den Landtagskonsulenten Sturm spielte, seien beide Schwergewichtler. Deshalb sei ein dritter Schwer­gewichtler in einem Film im gleichen Sinne eine falsche Beset­zung, ais wenn man in einer Oper drei Basse in den Haupt­rollen hatte und der Bariton vollkommen fehle.

lch muB diesen Un sinn sehr überzeugend vorgebracht hab en, denn durch diese Scheinlogik lieB Goebbels sich von seinem Gedanken abbringen. Er sagte kurzerhand: »AIso gut, dann bringen Sie mir einen Bariton.« MiBtrauisch lachelnd fragte er: »Was rur einen Tenor haben Sie denn?« Ich antwortete eben­Falls lachend: »Na, den Liebhaber. Der Liebhaber ist immer der Tenor. Den spielt Malte Jager.« Goebbels dachte kurz nach: »Malte Jager? Sieht der nicht aus wie Schiller? Malte Jager ist gut.«

Dann kam Goebbels auf Willy Forst. Er konnte zwar »den

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halbseidenen austriakismen Kellner«, wie er Willy Forstnannte, 'cht rie chen. »lch hielt ihn aum eher rur einen Tenor, um in

~rer 5prache zu reden«, meinte er. »Aber Forst konnte aU5-'chnet sein Er konnte endlich mal sim seIbst spieIen. lch gezel . ...

habe ihn friiher immer rur emen Juden gehaIten.« lrgend jemand muBte ihn auf »Forst« gebracht haben. lch

kann nicht bestreiten, daB Forst eine sehr gute Besetzung ge-W'a're lch soUte sofort mit Forst teIefonieren. wesen .

lch rief Forst in Wien an. Der Iehnte natürlich ab. Und zwar in einer so briisken Form, daB ich Goebbels die Absage ~er-

ch . en m"f)te Deshalb sagte ich ihm, daB ich groBe Zwelfel s welg lID. .'

hatte, ob die RoUe mit Forst richtig besetzt sel. Goebbels gmg

h ch ell darauf ein: »Es ist richtig. Dieser Operettenfatzke se r s n "f)' d" . ..L

. k f"L l'ch 5üB-Oppenheirner mlID eme amorusUie Wlr t zu unge <iHr 1 . .

Personlichkeit sein. Darum wollte im ja Jannmgs haben.« Nun verfieI er wieder auf Marian, der so schlemte Probeau.f-

ahm li f t hatte Da er ihm in der Rolle des Jago m n en ge e er . . »Othello« im Deutschen Theater gefallen hatte, befahl erbbmIr

el,

fn h . t Marian zu mamen. Goe s eine neue Probeau a me ID! d al D d P b fnahmen aus wie er te es-sagte' »Er sah in en ro eau I

. . daB im mim nimt foppen asse. sauer 5agen Sie Herm Manan, d R II d

. . 1 M 'an in er 0 e es lch will den groBartigen Smausple er an J ud SiiB sehen.«

Werner KrauJ5

. b Falls erklart daB er gar nimt Werner KrauB hatte mIr e en . 1 di 'G bbels zuliebe

daran denke, unter lauter Smausple ~rn, edeno~abbiner Liiw dem Antisemitismus »ihren Zucker gaben«, d . e

.. k . on ihm verlangen, enn sem zu spielen. Das konne em.er v d R . e kleine Nebenrolle Stellung ais Schauspieler sel 50, a er em

nimt zu spielen braume. ft b . K .. f) niemals verges-d· Z mmenkun el ralID

lch werde lese usa .' Haus in Dahlem. .. b ds Wir saBen m semem

sen. Es war spa ta en. . kl . umifizierte Mensmen-E h 1 . Smrank Zwel eme,m rote aus emem aht war und die langes smwarzes

kiipfe, denen der Mund. ZUg~ii fe auS 5üdamerika mitgebramt Haar hatten. Er hatte dlese P f'. V n dem einen Kopf - es waren Trophaen von KOPdJagemd' m

O anderen Kopf, daB

lb t ei un von e sagte er, daR er es se s s ,

10"5

Page 52: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

es oebbels sei. Nun lieB er die beiden Këpfe sich auf gespen_ stische Weise miteinander unterhalten.

Die Kopfe in seinen Hiinden wirkten beangstigend abstoBend auf mich. KrauB merkte das. Er schilderte mir genau, auf welche Weise diese Kopfe in heiBem Sand verkleinert wurden, nach­dem das Knochengerüst des Schiidels und der Kiefer entfemt worden waren. Es machte ihm SpaB, daB es mich ein wenig schüttelte. Aber er meinte, daiS es sehr gut sei, sich mit dem Grausigen zu beschaftigen, wenn man solche »kriegsdienstliche Befehle« zu erwarten habe. Unaufhërlich arbeitete in ihm der Gedanke: Wie kann ich den Goebbels mit seinem kriegsdienst_ lichen Befehl übertolpeln.

Er schweifte ab und spielte mir mit den Totenkopfen jenen Abend vor, an dem er den Wallenstein und ich den Max Pic­colomini gespielt hatte. lch hatte immer - wie man in der Theatersprache sagt - eine »miichtige Rëhre«. Es war von jeher eine besondere Eigenart von KrauB, sich irgend etwas auszu­denken, was den Partner auf der Bühne zum Lachen brachte oder ihn erschreckte. 50 hatte er an jenem Abend, an dem wir beide in der schwarzen Rüstung der Pappenheimer auf der »Jessner­Treppe« standen, versucht, mit seinem Stahlhandschuh nach dem meinen zu greifen. Wiihrend er nun seine erschüttemde Ansprache an den ihn verlassenden Max Piccolomini hielt, die mit den Worten beginnt: »Max, bleibe bei mir ... geh nicht von mir ... Es kann nicht sein, ich mag's und will's nicht glau­ben, daiS mich der Max verlassen kann ... « - knackte er eine NuE in meiner Hand und blinzelte mich keB an. Der Eisenhand­schuh lieR sich schwer bewegen. lch dachte nur daran, was wer­den wird, wenn er 10slliBt. lch hielt krampfhaft die zerknackte NuE in der Hand und spielte 50 die ganze Szene zu Ende. Aber das war nur der Anfang seiner Versuche, mich zu erschrecken. Zum Ende des dritten Aktes hat hinter der Bühne der »Pappen­heimer Marsch« zu erklingen, der Max Piccolomini in die 5chlacht ruft, in der er fallen wird. Wiihrend sonst einige we­nige Trompeten dies en Marsch in einiger Entfemung bliesen, hatte KrauE sich von der 5taatsoper, an der an diesem Tage we­nig Blech gebraucht wurde, eine groBe Menge von Trompeten, Posaunen und Tuben besorgt, die plëtzlich mit ohrenbetauben­dem Larm den Marsch hinter der Bühne spielten. lch konnte

lange sehr laut sprechen, ohne heiser zu werden. Bevor der Marsch begann, sagte KrauE leise zu mir: »Na, nun werden wir horen, ob du heiser wirst.«

Max Piccolomini hat zu dieser Musik seine berühmte »Ab­schiedsstretta« zu sprechen : »Blast, blast - oh, waren es die schwed'schen Homer, und ging's von hier gerade ins. Feld des Todes ... « Es ist ein sehr langer Ausbruch, der den dritten Akt a bschlieBt. lm ersten Schrecken wuBte ich nicht, was ich tun

soUte. Dann lief ich einfach die »Jessner-Treppe« hinunter, ob-ohl ich eigentlich ob en zu stehen hatte, bis dicht an die Rampe,

:olte tief Luft und schrie mit einer Besessenheit wie nie zuvor in meinem Leben die Todesahnung des Abschieds in das Pu-

blikum. .... _ uR Meine Verzweiflung - mem Kampf nut dem Larm m.

Eindruck auf das Publikum gemacht haben, als nahme es bere~ts teil an der Schlacht. VieUeicht hielt auch mamner im appla.udie­renden Publikum für eine Meisterleistung - was nur schrelende Angst war, den AktschluE zu verpatzen. .

Von alledem lieB KrauE seinen schrecklichen toten Ko~f ~ur reden, um abzulenken und sich etwas auszudenken. Plot~ch fragte er: »Stimmt da s, daiS der Goebbels .Doppelrolle~ ~:!: Ieiden kann?« (50 nannten es die 5chauspleler, ~enn :; d l 'ch 5tti"ck zwei verschiedene Personen von eID un em-

g el en ch b l'·tigte ihm daB selben Schauspieler verkorpert werden.) 1 ~ a h b ' Iche Goebbels eine klare Anweisung herausgege .en

d aufe~ s~

1 KrauB sagte nur ara .» un, »5tarmatzchen« zu unter assen. alI J d . dem b 1 daiS' ch entweder e u en ID

dann sagen Sie Goeb es, 1 . 'üdische Volk oder Film spiele oder gar keinen. Ich splele das J

nicht.« . KrauB überbrachte, war AIs ich Goebbels diese Antwort von Ich Mlitzchen«

. KrauB daiS er 50 e" ich genauso überzeugt wle '1 würde Er schaute d ihm 'chl'gen Film nicht zu assen .

in em ' 50 WI ~ n ud 5üB auch spielen? Wie will mich an: »Fuchs! Will er de J J d 5"" ist J'a HaIb-

h 7 Ich antwortete: » u w> er denn das mac en « E . t der Sohn eines hohen jude. Das habe ich KrauB gesMagt. t r ISGoebbels fragte zurüdc::

. '''d' chen ut er.« Adeligen und e~ner JU 15 aB das überhaupt geht7« lch: "Man »Ja, glauben Sie denn, d __ Il ~;n,..;chten. Aber ich

ht man mw> es 50 ~~. muR sehen, ob es ge - . .. « Goebbels sehr leise und weie ja, dae Sie 50 etwas rucht mogen.

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Page 53: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

sehr scharf nachdenkend: » Vielleicht ist das sehr interessant. Ich verspreche mir sogar etwas davon. Das jüdische VoIk: Wer­ner Kraug!! Also gut: ich bin damit einverstanden.«

Kra~ war entsetzt. Er hatte sich in seiner eigenen Schlinge gefangen. Für die künstlerische Wirkung des Films war diese Entscheidung von groger Bedeutung. lch hatte neben ihm KIiipfer und George, Albert Florath und Theodor Loos und schli~lich auch Ferdinand Marian. lch war also von der Elite der griigten deutschen Schauspieler umgeben. Auf diese Weise konnte ich hoffen, das biisartige Thema wenigstens auf eine künstlerische Basis zu heben und seine Biisartigkeit zu mildem.

Ferdinand Marian

Nun m~te ich auf Marian zugehen. Ich besuchte ihn in seiner Wohnung und eroffnete ihm Goebbels' BeschluK Marian war überzeugt davon, sich durch die schlechte Probeaufnahme einen endgültigen Ausweg geschaffen zu hab en. Er hatte in seiner Wohnung den ersten Marm seiner Frau, einen Juden -er hieg Gellner und war Regisseur und Schauspieler gewesen -aufgenommen, um ihn vor Verfolgung zu schützen . .

Neben seiner grolSartigen Begabung war er ein »versoffener Hallodri « , wie er sich selbst narmte. Er erkliirte mir in seiner Wohnung sehr selbstsicher, daB er mir beweisen werde, da1S man nicht m~, wenn man soll, und ich solle nur dem Minister viillig klar und ohne jede Umschweife sagen, dalS diese RoHe nicht seine Rolle sei.

lch machte das telefonisch, und Goebbels bestellte mich mit Marian zusammen zu sich ins Propagandaministerium.

lch hatte Marian gewarnt, Goebbels, wenn er yom Schreib­tisch her auf ihn zugehe, auf die Beine zu schauen. Man pflegte an der Türe stehenzubleiben weil Goebbels seinen Glisten entgegengehen und sie dort e~pfangen wollte. Wer ihm dabei auf die verkrüppelten Beine sah, begab sich von vornherein in Gefahr.

Nun spielte sich die Szene Eolgenderma1Sen ab: Marian traute der Situation nicht 50 recht und fürchtete wohl, dodt hinunter auf die Beine zu schauen. Er loste sich jedenfalls auS

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der Gruppe, die an der Türe stehengeblieben war, und ging sehr schnell auf den aufstehenden Goebbels zu. Er schüttelte ihm herzlich die Hand, strahlte ihn an und zeigte seine schiinen grog en weigen Ziihne.. ...

Dieser Auftritt vonManan war berelts emAngnff aufGoeb­bels. Das mochte Goebbels gar nicht. Wenn einer angriff, m~te er es sein. Wir, die wir Goebbels karmten, ~ten, daR nun eine Explosion kurz bevorstand. Marian dagegen war ahnungslos und sonnig. Goebbels pflegte sonst seine Giiste um einen run­

den Tisch zu versammeln. Aber an den Tisch war er j.a ~un nicht gekommen, weil Marian bereits bei ihm am Schrelbtisch stand. Goebbels stützte sich auf den Schreibtisch und tr~t ~~er

iiher an Marian heran. Er sprach liichelnd und freundlich uber n schlechtgemachte weille Schliifen, die Mari~ in ir~endeinem Film getragen hatte. Ich glaube, es war der Film nut d~m an­züglichen Titel »Morgen werde. ich .ver~aftet«. Werugst~ns spielte Goebbels unmigverstiindlich nut diesem ~o~: M~an

. um das zu durchschauen. M.it der PrazlSlon emes war zu nalV, . uf ·f . F·lmmaskenbildners machte Goebbels Manan dara el ngen 1 ahn Film

aufmerksam, daR er vor kurzer Zeit den oben erw ten h h b d daR es sche~lich ausgesehen habe, Wle Ma-gese en a e un chmi

rian sich seine SchHifen mit irgendeiner »weillen 5 er~ v:;­klebt habe. Marian gab Goebbels recht, er habe »G~wn- e .«

genommen obwohl er selbst inuner sage, daR das rucht gut sel. Auf das Wort »Gown« ging Goebbels bissig ein. Dann ~agte

ih daB Emil Jannings ror ihn ein Vorbild sein soli te. enn er m, B kl b der irgendwelchen sich dieser Schauspieler einen art e e 0 . Stunden

ch d F· seur morgens zwel Haaransatz, dann brau e .er n ukl b 50 würde der dazu, um Haar für Haar emzeln anz e en. twachse Eindruck erweckt, aIs ob das Ha~r le.~~dig ~::rd~::r.« .D~ Marian lachte verlegen: »Dasr's:~~ :~stehen, Herr Marian, mug man eben morgens seh ch II Sagen Sie mir pri-

X f·· U orma en wo en. wenn Sie mir ein ur v lien Sie den Jud SUS

A fI ··chte· Warum wo zise - ohne aile us u .

nicht spielen?« bl.ck f die Frage nicht gefaBt. . d· m Augen 1 au Marian war m le se 1 ihm dicht vor dem .. ck weil Goebbe 5 ZU • b-

Er wich etwas zuru , .. 1 Bonvivants und Ue Gesicht stand: »Herr Minister, ~ch.~ple e Dieser Jud SUS !st

ch ·cht mehr die )ungsten. haber, wenn au ru

1~

Page 54: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

eine ganz unsympathische Charakterrolle. 50 will mich . rnem Filmpublikum nicht sehen.«

Goebbels ging ihm nach, und Marian mui5te am Schreibtisch_ rand stehenbleiben. Er sagte leise: »Sehen Sie mal an! lhr Pu­blikum will Sie nicht 50 sehen? Wer besetzt Sie denn mit lhren Rollen? Ihr Publikum oder ich?!« Marian schüttelte nur den Kopf. Was sollte er auch antworten. Goebbels: »lch habe Sie neulich als Jago im Deutschen Theater gesehen . Sie waren aus­gezeichnet. War das ein sympathischer Bonvivant?«

Marian war bereits durch die leise Art von Goebbels ganz demoralisiert. Scham, Wut und Ausweglosigkeit bestimmten seinen Ausdruck, ais er sagte: »Das ist ja Shakespeare, Herr Minister.« Und plotzlich schrie ihn Goebbels ganz nah an seinem Gesicht überlaut an: "Und ich bin Josef Goebbels!! Die Schauspieler wollen jede HiIfe von uns. Erst die Nationalsozia­listen haben euren Stand überhaupt salonfah ig gemacht. Wir lassen euch mehr verdienen ais unsere groBten Wissenschaftler. - Und kaum wollen wir einmal etwas von einem Schauspieler, dann denkt er - wenn ich den Jud Siill spiele, dann kann ich nicht mehr nach Hollywood. Dann wird mich das Juden­geschmeif5 da drüben nicht mehr engagieren!« Marian wollte etwas sagen. Aber Goebbels schrie: »Sie haben das Recht ver­loren, mir in diesem Zirnmer zu sagen, daiS Sie die Rolle an­nehmen. Sagen Sie es drauBen einem Herrn meines Amtes!« Und dann schrie er dreimal: "Raus! Raus! Raus!« Marians Gesicht war ganz naiS von dem Geifer Goebbels'. Es war eine der impertinentesten Szenen, die ich je von diesem Manne gesehen habe.

Marian flüchtete zur Türe h inaus. Wir bekamen einen Wink mit ihm zu gehen. Die Tür zum Ministerzirnmer schloB sich hinter uns. Marian warf sich drauBen auf einen der vielen gelb­seidenen Sessel. Er wischte sich mit dem Taschentuch das Ge­sicht ab und machte dabei ein Gerausch unbeschreiblichen Ekels. SchlieiSlich schrie er den neben ihm stehenden Leiter des Mini­steramtes an: "Sagen Sie dem Herm Minister, ich mach's!« Dann sprang er die Treppe des schonen Schinkel-Baus, deren Gelander mit den goldenen Preugen-Adlem verziert waren, hinunter und schrie fortwahrend wie ein Verrückter: "Ich mach' s, ich mach' s !"

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Wie mir der Musiker Hans Otto Borgmann, der im gleichen Wie Marian wohnte und mit ihm sehr befreundet war, Ha use " . ch.il

"hlt hat und wie es genauso spater Frau Byck-Manan s -erza h t Marian zu Hause angekommen, ein halbe Flasche derte, a , di Kognak auf einen Zug ausg.etrunken und . dann begonnen, e Wohnung zu demolieren, die Fensterscherben zu zerschla~~, um schlieglich nach einstündigem Rasen und Fluchen vollig betrunken zusammenzusinken.

lch selbst mugte noch im Ministeramt warten. Goebbe~ hatte dnet lch erhielt den Befehl, innerhalb der nachsten das ange or . . d K uB

Woche eine brauchbare Probeaufnahme von Manan un ra zu liefem, und das tat ich dann auch.

Natürlich gefielen Goebbels die Aufnahmen, denn KrauB und . n Scha . 1er Ihr Gegenwehr war auch Marian waren Ja grol>e usple.

gebrochen, und nun wollten sie gut sein.

» Jud Sü1.S« in der Geschichte und im Film

.. Iche esdùchtlichen Grundlagen die Gestalt Dm zu prufen, we g . lichst im Meyerschen

des Siill Oppenheimer hatte, sah lch zun b d Jahre 'k d ar in der Ausga e aus em KonversationsleXl on, un zw . d Hitl chen Antisemi-

1899, nach. lm Jame 1899 gab es Ja en ers

tismus noch nicht. Ich las: ... er württembergischer »SûSS-Oppenheimer, Joseph, beruchti~ H 'delberg widmete

. J d eboren 1692 m el , Finanzminister, em u e, g d ch schiedene Geld-sich dem Handelsstand und trat 1732 ur ver Württemberg

H Karl Alexander von geschafte mit dem erzog .. ek' des Münzwesens d ihm rst die Du hon in Verbindung, er zue h . Finanzrat und Kabi-

übertrug und ihn endlich zurn Ge elffien 5 aile Stellen mit h b AI sol cher besetzte . ..

nettsminister er O. s .. Gulden falsches Geld pra-. li 15 11 Mtlhonen k uft semen Kreaturen, e . dT baksIDonopol, ver a e

gen, errichtete ein Salz-, Wem- un . a Menge Juden ins Land um groge Surnmen Privilegien, zog e~~ Art Durch dies alles und drückte das Volk mit Abgabe~ch er

d nadt dem Tode des

. HaE auf SI un Gericht zog er den allgememen haftet var ein .. wurde er ver, d Herzogs am 12. Marz 1737 .. em Staatsgewan am

brecher m sem gestellt und aIs Staatsver d Kiifig aufgehiingt.« . . ID beson eren 4. Februar 1738 III ellle

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Der Rechtsphilosoph Rudolf Stammler, geboren im Jahre 1856, der in dem gleühen Lexikon als »der bedeutendste Rechts­philosoph neukantischer Richtung der Gegenwart« bezeichnet wird, hat seine Untersuchungen über das Urteil, das gegen Jud SüB gefallt wurde, in einem Buch niedergelegt. Er hat nach den Verbrechen und dem Charakter des Siill Oppenheimer geurteilt, daR die Todesstrafe vollig zu recht über SüB ver­hangt wurde.

Wenn im Februar 1963 im Fernsehen der merkwürdige Ver­such gemacht wurde, den Charakter des Siill Oppenheimer zu »retten«, dann war das kein sehr kluges Unterfangen. Es hait keiner emsthaften Geschichtsprüfung stand. Wenn man aber nachzuweisen sucht, daR in dem Film die geschichtliche Figur verfalscht wurde - dann hat man recht. Nur geschah dies mit genau den entgegengesetzten Mitteln, als heute behauptet wird.

lch las Wilhelm Hauffs Novelle »Jud Siill« und wuBte nun eindeutig, daR ich mich auf dem gefahrlichsten Pflaster befand, auf das ein Drehbuchautor geraten kann, wenn er nicht bereit ist, zum Diener einer Sache zu werden, der zu dienen Unehre und Gefahr mit sich bringen muBte.

50 wurde mir klar, daB ich die historischen Verbrechen, wie es der Diebstahl, der Âmterverkauf, die GeldHilschung usw. waren und durch die SüB-Oppenheimer zum vielfachen Millio­nar wurde, in meinem Film nimt verwenden durfte, sondern daR im einen Kampf zwismen Judentum und Antisemiten darzu­stellen versumen muBte. Der Anführer Siill Oppenheimer, der reime Jude SüB, muBte durm die Hingabe an seine Berufung verarmen. Und 50 gesmah es denn aum im Film.

DaR SüB am S<hluB gehenkt wurde, war eine geschichtlime Tatsame, der im versumte, das Zeimen eines groBen Unrechts beizugeben, und das, obwohl er gesmichtlich zu recht gehenkt wurde.

Auf welche Weise im den S<hluB drehen würde, wuBte im zunachst nom nimt. Goebbels war mit meinen Veranderungen ~st einverstanden. Ais im allerdings das Luther-Zitat, das un er6ten Orehbuc:h ein groges Gewimt hatte, weglieg, wonam Luther in einer Schri& angeordnet haben soUte samtlime Syna­agogen in Schutt und Asme zu legen, lieB e: mim rufen. lm

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. dU· n ja sehr daE dieser übertre1ben e nSID. kr·rte Goebbels,. G d bedeute dieses Zltat das

er a .. fb r sel lm run e b ch leicht nachpru a. ·Iln cht ( die er doch selbst vera s eue.

. die "Knsta a (, . 1 sagt gleiche Wle h daE Luther 50 etwas ruema 5 ge

kl··rte rond eraus, rch er a

haben konne. .ch f rueses Gespriich natürlich vorbe-

bbels hatte SI au chanl ihm den Goe fahl durch seine Spre age,

reitet. Liichelnd be be~ gen Der Foliant hielS: "Die Lügen 1· t Luther« zu nn . . 1 .

"Fo lan en M tin Luther « Es war eID a tes, ID J d * Von Dr. ar us· Il

der u en . B ch d d·e Stelle, die er mir zeigen wo te, Leder gebundenes u ,un 1.

d h ein Lesezeichen marklert. war urhlc di Anordnung alle Synagogen zu verbrennen,

Jawo - ese, amk. . d ·t ch einigen anderen zusiitzlichen Graus elten ID

stan rru no di U d mit d· B ch Goebbels schIoB daher ·ese nterre ung lesem u . k d kann es ein

den Worten: »Wenn Luther das sagen ann, ann Veit Harlan auch. Oder halten Sie sich für sittlich hochstehen­der ais Luther? Ubrigens werden ja in dem Film keine Syn-agogen verbrannt.« .. .

Damit muBte also dieser graBliche Satz, der natürlich sym­bolisch gemeint war, denn Luther hat keine Synagogen ver­brannt, stehenbleiben.

lch muBte irnrner neue Anderungen machen, und die Ande­rungen wurden wieder veriindert. Streckenweise war der he­angstigende »grüne Ministerstift«, mit dem Goebbels »selbstc schrieb, in den korrigierten Drehbuchseiten zu sehen. Worte, die von Goebbels selbst stammten, waren zu übernehmen. Der »grüne Stift« war der absolu te BefehI.

SchlieBlich verlangte er von mir, daR ich »Schiicht-Szenenc, die er im Warschauer Ghetto hatte aufnehmen lassen, und ZWar in KIeidungen, die das Moderne nicht verrieten, in den Film hineinnehmen soli te.

Diesen Gedanken konnte ich ihm ausreden. In den von G~ebbels bezeichneten Szenen wurde stehenden Kühen und Kalbern di· ch· dl . , e ln s 1er en oser Relhe aufgestellt waren, und ~um an den Hinterbeinen aufgehiingten Hammeln die Kehlen

ur.chschnitten, 50 daR das Blut in entsetzlimer Weise herum-SPrt tzte und d· T· 1

le lere angsam verendeten. Irgendein ScheusaJ" • R·..L . lU1hg ~Vo d J·d n en ü en und ihren LUgene.

Page 56: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

ein fetter Ker!, setzte sich auch noch lachend auf eines der sterbenden Tiere, bis es unter ihm zusammenbrach.

Goebbels hatte befohlen, daE ich mir diese etwa 1500 Meter langen Szenen in der Filmvorführung des Propagandaministe_ riums ansehen sollte. lch muBte mir eine Flasche Kognak brin­gen lassen, um die Vorführung überhaupt überstehen zu kan­nen. Die meiste Zeit über schloB ich die Augen. lch fragte dann Goebbels, ob er die Szenen selbst gesehen hatte. Er sagte gleichgültig: »Ja, so ein Stückchen davon. Schan ist das ja wirklich nicht. Aber das soli es auch nicht sein.« lch sagte zu Goebbels : »Alles ScheulSliche mulS in der Kunst schan darge­stellt werden. Sonst hart die Kunst auf, Kunst zu sein. Sie hat sich nach den Gesetzen der Asthetik zu richten. Sie kannen auch keinen echten Kaiserschnitt im Film zeigen. Die Leute würden scharenweise das Kino verlassen, wenn solche Szenen erscheinen. Der graBte Schauspieler mit der alIergraBten Da­monie und auch der graBte Regisseur kannen in einem Film, in dem die se grausige Realitat gezeigt wird, nicht zur Geltung kornrnen. Das Publikum würde sich erbrechen.« Goebbels sah das sofort ein, und ich war die Szenen los.

Er brachte übrigens spa ter diese Schachtszenen in dem Film »Der ewige Jude« unter. Der Chef der »Antikornintern-Zen­trale« hatte diesen »Kulturfilm«, der irn eroberten Polen auf­genornrnen worden war, auf Befehl des Propagandaministers gemacht.

Die SchluBszene des Films »Jud SM«, in welcher Oppen­heimer gehenkt wird, hatte eine Wirkung, vor der, als wir sie drehten, aile erschraken, auch Marian selbst. Die meisten Mit­arbeiter sagten mir voraus, daIS Goebbels diese Szene niernals durchlassen würde, weil der Fluch Oppenheirners über seine Morder in seiner alttestamentarismen Wumt beangstigend und erschütternd wirkte. Nur im wuBte, daB in dem an den Propagandaminister abgelieferten Drehbuch, das ich genehmigt von Goebbels zurückbekornrnen hatte, der Flum, der spater in ~llen Drehbüchern enthalten war, nom nimt stand. lm Dreh-

uch, das Goebbels abgenornrnen hatte, stand nur : "SM Ilucht.«

Das war nicht einrnal Berechnung von mir gewesen. lch fand den historisch echten Text erst spater, und zwar in einem Bum

mit dem Titel »Die groBen Diebe der Weltgeschichte~. In dieser sarnm1ung stand auch die Geschichte des Juden Sii/S-Oppen-

h · er der an einem riesenhaften Galgen auf dern Marktplatz elm , K"{: D

. Stuttgart gehenkt wurde, und zwar in einem ang. er

Kl~ ' fi war extra erfunden worden, um dem Juden eine beson-ag d dru

dere Quai zu bereiten. Er wurde namlich an Han en un -Ben gefesselt, mit der Schlinge um den Hals, in dem Kafig stehend, hoch hinaufgezogen, ohne zu wissen, zu wei cher Stunde der Boden des Kafigs von unten durch einen Seilzug geaffnet werden würde. 50 starb Sii/S-Oppenheimer viele Stun­

den lang. Diese Grausamkeit gab aber aum dem Juden, der wahrerId

seiner Gefangnishaft zum religiasen Judentum zurückgefunden hatte, Gelegenheit, sich mit machtiger Stirnrne von oben herab an die Zuschauer dies es grausigen Schauspiels zu wenden. Der Fluch SM-Oppenheimers hatte foIgenden Wortlaut:

»lhr Wüteriche, Baalsdiener und Sodomsrichter! Verdorren sollen eure Glieder wie die Weiden am wasserlosen Kidron. Verwesung solIt ihr tragen am lebendigen Karper, vereitem sollen eurer Kinder - und Kindeskinder Gebeine. Jeder Tag solI euch J arnrner bringen und der Schrnerz euch den SclùaE aus den Augen scheuchen. Bose Nachbam sollen euch den Frieden storen, eure Erstgeburten eum Smande machen, eure Andenken verflucht sein und eure Stadt vom Feuer des Him­mels zerstOrt werden: Darum, daIS ihr nimt mit gleicher Rute bestraft die, die gIeich gesündigt haben! Eurem Hunger soIl kein Brot, eurem Durst kein TrarIk werden, eure Rechte saIl kein Ohr, eure Saaten fremde Heirnser, eure Mühe keinen Lohn, eure Hande keinen dankbaren Erben finden und euren Gott 5011 liistern eure eigene Zungel!«

In dem von mir inszenierten Film wird aIso ein Jude gezeigt, der seine eigenen Millionen opfert, um seine Stammesgenossen nach Stuttgart zurückführen zu konnen, über welcher 5tadt dem Gesetz nach »der Judenbann« lag. Dieser Jude betreibt mit dem Rabbinat zusammen systematisch die Bekampfung des Antisemitismus. Er entfesselt schlieBlich eine Revolution gegen die Antisemlten. Solche erfundenen heroischen Taten, die cler mt Verbred1er süB-Oppenheimer nicht begangen hat, .md ~~ wohl dazu geelgnet, sich zu vergegenwirtigen, wu es

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hieS in der Hitler-Zeit derartige Absichten Sü.!S-Oppenheimers in ein Drehbuch hineinzupraktizieren.

Selbstverstiindlich begeht Oppenheimer in dem Film auch Untaten. Der historische Dieb jedoch, der Betrüger, der Âmter­verkaufer und Geldfalscher, der sich auf gemeine W eise be­reichert - ist er in meinem Film nicht.

Selbstverstiindlich hat der Film in den antisemitischen Rol­len einen starken antisemitischen Ausdruck, der natürlich, da das ja ein nationalsozialistisches Thema war, ebensowenig weggelassen werden konnte wie in einem kommunistischen Propagandafilm die Verurteilung des Kapitalismus. In diesem Sinne spiegelte der Film die Zeit wider, in der er gemacht wurde. Der von mir inszenierte Film war aber nicht 50 ange­legt, daB er die Menschen auf die Seite der Antisemiten rief.

Die groge und unentschuldbare Sünde des Jud SiliS in dem von mir inszenierten Film ist die Tatsache, daB er sich die Frau, die er liebt und die er heiraten will, die ihm aber nicht gegeben wird, weil er Jude ist, mit Gewalt nimmt. Es ist die einzige Sünde des Juden. Sie ist keinesfalls mit den niedrigen Untaten zu vergleichen, die der geschichtliche J ud SiliS in zahl­losen Fallen durch seine Sexualverbrechen begangen hat. Der geschichtliche Jud SiliS zog die verheiratete Adelswelt durch einen Schlamm sondergleichen, ohne das Motiv gekrankter Ehre zu seinen Gunsten gehabt zu haben, wie es in der Dar­stellung Ferdinand Marians hervortritt. Es muE betont werden, daR in dem Film SiliS Oppenheimer den Vater Dorotheas um die Hand seiner T ochter bittet. Statt einer Antwort reiBt der Vater die Fenster auf, damit die Luft des Zimmers nicht von dem Juden verpestet werde. Diese Szene lieB es spater begreif­lich erscheinen, warum SiliS Oppenheimer sich rur die ihm da­mit angetane Schmach 50 tierisch racht. Aus seiner Liebe wurde HaB - und dieser HaB antwortet dem antisemitischen HaB.

Ais ich die Szene der Brautwerbung in die Bearbeitung hin­einschrieb, die ein Kernstück des ersten Drehbuchs war und auf die Goebbels groBen Wert legte, dachte ich an die unwiderleg­bare Beredsamkeit des Shylock, der im III. Akt sagt:

»lch bin ein Jude. Hat nicht ein Jude Augen? Hat nicht ein Jude Hiinde, GliedmaBen, Werkzeuge, Sinne, Neigungen, Lei­denschaften? Mit derselben Speise genahrt, mit denselben

Waffen verletzt, denselben Krankheiten unterworfen, mit den­selben Mitteln geheilt, gewarmt und gekiiltet von eben dem Winter und Sommer ais ein Christ? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rachen? . . . Wenn ein Jude einen Christen beleidigt, was ist seine Demut? Rache! Wenn ein Christ einen Juden beJeidigt, was muB seine Geduld sein nach christlichem Vorbild? Nu, Rache ! Die Bosheit, die ihr mich lehrt, will ich ausüben, und es muE schlimm hergehen, oder ich will es meinen Meistem zuvortun. «

Die Arbeit an »Jud SiliS« fing mit den Probeaufnahmen an, die ich mit KrauE und Marian zu machen hatte. Wir hatten ausgemacht, weil wir ja im Atelier beobachtet wurden, daB das von mir leise gesprochene Wort »Stürmer« fur Marian und KrauE das Stichwort sein sollte, das die Schauspieler darnpft, wenn sie in ihrer komodiantischen Freude am Spiel zu stark »mauschelten« oder Bewegungen mamten, die in ihrer Akzen­tuierung antisemitisme Wirkungen hervorrufen konnten. 50 hielten wir es wahrend der Probeaufnahmen und aum spa ter den ganzen Film hindurch. .

Wir hatten beschlossen, den Antisemitismus von den Anti­semiten spielen zu lassen, also von den Nazis, und ihn nimt in die jüdischen Gestalten zu legen.

Die Juden in» Jud Sü1S«

In den Synagogenszenen griff im in die Dars.tellung ais ~e­gisseur nicht ein einziges Mal ein. Ein Rabbmer untenYles Werner KrauE in allem, was dem Ritus entsPrimecht. KrauB selbalst

m . R bb' ganz t ru gest -war sehr darauf beda t, semen a mer ten Der Gottesdienst war ein »massidismer« Gottesdienst, d "ch b d Pentateum« auf den» Talmud« bezieht. lm er Si ne en em» verstand davon gar nimts, und darum lieB im diesen Ritus allein von den J uden gestal ten. .. .

Ob h t waren die Aktionen der Gegenwehr vom Judisch­er aup d di Anti' 'te ihren

R l' .. · her bestimmt - wahren 'e senu n e IglOsen 1 RI .. ··.. b d

K f d· Juden mit keiner ei e iglOsltat ver an en, amp gegen le ... . auch nicht mit der mristlimen. Darauf sah lm sorgEiltig.

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Page 58: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Um die Synagogenszene ganz echt darstellen zu lassen, Euhr

ien zunaenst mit meinem Mitarbeiter Alfred Braun und mit meinem Aufnahmeleiter Carstensen nach Lublin in Polen. lch

erklùte dort in Gegenwart emes Rabbiners sehr genau, was ien aufnehmen wollte, was das Thema des Films sei und daR

sien jeder im klaren sein müsse, daR Goebbels keinen philo­semitisenen Film machen würde.

Es meldeten sich eine groRe Zahl jüdischer Bürger aus Lublin, die sehr daran interessiert waren, aus Lublin fortzukommen, weil sie glaubten, in Berlin sicherer zu sein. Da ich nur 150

Personen brauenen konnte, versprach mir ein Rabbiner der dortigen T almud-Schule, die betreffenden Leute auszusuchen. Er senenkte mir - als ich mich verabschiedete - eine echte alte Thora-Rolle, eine sehr lange Pergamentrolle, die mit groRer Genauigkeit mit der Hand geschrieben die Synagogen-Rolle darstellt, aus der die Gesetze Mose aus dem "Pentateuch« ver­lesen werden.

Naen Berlin zurückgekommen, erkHirte Goebbels mir, d~ mein Vorhaben nur verrückt zu nennen sei. Es sei vollig aus­geschlossen, jemals die Erlaubnis dafür zu erhalten, Juden naen Berlin zu transportieren. Er befahl mir darum, nach Lublin zu fahren und die Aufnahmen an Ort und Stelle zu machen, wenn sie wirklich unentbehrlich für den Film sei en.

Wir beschlossen dann, mit einigen Senauspielem naen Prag zu fahren, weil das naher war, und bauten dort den lnnenraum der berühmten gotischen Altschul-Synagoge im Prager Baran­dow-Atelier nach. Die Darsteller rur diese Szene stammten zum groRten Teil aus Berlin. Sie waren nach 1933 nach Prag geflüchtet. lch hatte ein hohes Tageshonorar ausgesetzt, und darum meldeten sich wiederum viel mehr, ais ich brauchen konnte. Rabbiner und Kantoren der Altschul-Synagoge steIlten sim zur Verrugung. lch muR es hier feststellen, daR natiirlim niemand zur Mitarbeit gezwungen wurde oder aum nur ge­zwungen zu werden braumte.

Ehe wir bei der Ufa in Berlin ins Atelier gingen, wurden uns vom Propagandaministerium mehrere Filme gezeigt, die von der "Habima« hergestellt worden waren. Die »Habima« ist ein altes jüdismes Theater, das einstmals in Moskau von dem Regisseur Wamtangoff gegründet wurde, der ein Smüler des

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groBten russischen Regisseurs Stanislawski war. lm Geiste Stanislawskis wurde in jiddischer Spraene gespielt. Wir sahen auBer einigen Filmen, wie z. B. "Der Jidel mit der Fidel~, auen den sehr eindrucksvollen Film" Der Dybuck«.

Sowohl Marian als auen Werner KrauB sahen sim mit mir

zusammen diese von der Reiensregierung natiirlien verbotenen Filme mit Genehmigung von Goebbels an. Die Vorführungen durften allerdings nur im Propagandaministerium durmge­führt werden. Der kleine Zusmauerraum war stets überfüllt, weil sich die Mitglieder dieses Ministeriums in den Bann dieser unheirnlichen Filme gezogen fühlten. Es kamen auch Leute von der Reichskanzlei herüber. Da wir uns die Filme mehrmals an­sahen - namentlich KrauB war ganz besessen von der Darstel­lung und hat sie spater auf seine Rollen sehr deutlich übertra­gen, erging ein Verbot der Reichskanzlei, diese Vorführungen fortzusetzen.

KrauB übemahm das Spukhafte und verarbeitete es mit sei­ner damonischen Suggestionskraft, mit der er das Publikum in aller Welt mitzureillen verstand. Der anfangliche Millmut von KrauB und Marian, der aus Zorn und Scham gemischt war, wich langsam. Jeder glaubte, dem schandlichen Auftrag da­durch etwas abhandeln zu konnen, daR er den oder die Juden 50 groRartig oder kleinbürgerlich komisch spielte, wie jeder der beiden das mit seinem Talent zu erspielen vermochte.

"Das Schwein« war der Herzog. Und die Antisemiten ver­traten eben die Ansichten des Nationalsozialismus. Jeder Zu­schauer konnte selbst entscheiden, wer in diesem Film unrecht tat und wer nicht.

Wolfgang Liebeneiner wurde im Jahre 19~9 ~om Pras~den­ten des Schwurgerichts gefragt, ob er den Film m .der Hi~er­Zeit ais antisemitisch empfunden habe. Es wurde ihm gleJch­zeitig gesagt, daB sehr viele Zeugen - auch jüdis~e Zeug~ -das Antisemitische nicht 50 stark empfunden hatten, Wle er dem Film vorgeworfen wird. Liebeneiner antwortete·: .

»Wenn ein verschworener Antimilitarist, wie ich es z. B. bm, . . F·I auf e,·nem Kasernenhof oder sonstwo Soldaten ln elnem lm. sieht, die schnurgerade ausgerichtet sind und sien beim Exl!l'-

• Zitiert nach dem Stenogramm.

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zieren 50 bewegen, als scien etwa 2 00 50ldaten nur ein ein­ziger, und wenn sie in gerader Unie marschieren, ohne nur Un geringsten das Grade der Reihe zu vedindern, sich auf den Bauch werfen, ais hatten aile zusammen nur einen Bauch, dann wird er sagen: Es ist doch zum Kotzen, daB es hier gar keine einzelnen Individu en mehr gibt, sondern nur einen Block Men­schen. Einen begeisterten Militaristen hingegen wird bei 501-cher 5zene das Herz hoher schlagen und der PreuBenstolz wird seine Brnst blahen.

50 ahnlich verhalt es sich bei dem Film Jud 5iiB. Wer die verschiedener. Volker, die auf der Erde verstreut sind, in ihren Eigenarten liebt, der konnte durch die Darstellung von Werner KrauB oder von Marian niemals antisernitische Empfindungen bekommen. Er war irn Gegenteil froh, zu sehen, auf welch vortreffliche Weise die Juden echt gespielt wurden. 50 hat es mich z. B. sehr interessiert, den jüdischen Gottesdienst in dem Film zu sehen, der in seiner Echtheit cine groBe Wirkung auf mich ausübte.

Wer aber Antisemit war und sein wollte, konnte seinen Antisemitismus in dieser Darstellung bestatigt finden. solche Leute haben gewiB dem Antisemitismus in diesem Film ihren Beifall gezollt. Eine werbende Kraft rur den Antisemitismus habe ich jedoch in dem Film nicht feststellen konnen, obwohl oder vielleimt aum weil bekannt war, daB er eine solche wer­bende Kraft haben sollte und daIS die Nationalsozialisten sich selbst natiirlich in den Antisemiten verkorpert sahen. Wer dem Nationalsozialismus zu schmeimeln gewillt war, wird sim also im Lippenbekenntnis gewill auf die seite der Antisemiten gestellt haben. Aber daB fühlende Mensmen nicht Mitleid mit den Juden hatten, die aus einer Stadt ausgewiesen wurden, nur weil sie J uden waren, kann ich mir nimt remt vorstellen. Mir ist nur bekannt, daIS fast alle Mensmen, welme Juden mit dem Judenstern am Arro auf der StralSe sahen, eher Mitleid emp­fanden aIs das Bedürfnis, Mensmen mit solmen Zeichen auch noch zu treten. GewiB gab es Letztere in besmiimender Masse. Gesehen habe im aUerdings solme Szenen nlemals. lm Gegen­teil erlebte ich immer wieder, daB die Menschen auf der StraBe diesen Juden vielleicht vorsichtig, aber doch betont freundlich entgegentraten, um dem Schamgefühl seinen Tribut zu bezah-

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len. Eine ah nlime Wirkung hat der Film auf mich gemacht und auf viele Menschen, die im gesprochen habe. Meines Wissens ist damais niernand auf die Idee gekommen, den schauspielem oder dern Regisseur einen Vorwurf daraus zu machen, daB sie schlielSlich Goebbels gehorchten. Wie es ist, wenn man heute den Film sieht und welche Empfindungen man hat, wenn man heute an diese Zeit erinnert wird und die Antisemiten Worte sagen hort, die damais an der Tagesordnung waren, kann ich nicht beurteilen, weil ich den Film nimt wieder gesehen habe.«

Heinrich George

Mein Freund Heinrim George war schon, bevor wir mit den Dreharbeiten begannen, biise mit mir. Er sprach waruend un­serer Filmarbeit auBer den wenigen Worten, die fur eine Zu­sammenarbeit unerlaBlich sind, kein Wort mehr mit mir. Ich war rur ihn »gestorben«, denn er schob es mir zu, daIS der »Herzog« ein biises, unappetitliches Wesen war, und er war auch deswegen zu Goebbels gegangen, um diese Rolle loszu­werden. Er brachte bei Goebbels vor, daIS er schon den »nega­tiven Herzog« in dem »Schiller-Film« hatte spielen müssen, um als Schattenfigur gegen die Lichtfigur S<hillers zu st~hen. Er habe, um diese Scharte auszuwetzen, ~ seinem Schiller­Theater den GroBen Kurfürsten in »Der pnnz von Homburg«

. It H fiT' l'ch schimpfte daIS er es satt habe, Scheusale zu gesple. e , . ' d spielen, und daB nicht der Jud SüB in dem Film der Min er-wertige sei, sondem eben der Herzog.

Heinrich ha t mir seine A useinandersetzung bei Goebbels spà:ter selbst geschildert. Zuerst scheint Goebbels gegla~bt zu haben daB die Eitelkeit Georges, der immer »derSympathlschec

. 'Ut der Grund der Ablehnung war. Aber das entsprach sem wo e, d Film Georges künstlerischem Wesen nicht. Er wollte aus em . heraus. George hat auch erklart, daIS er sich seinen B~ rucht abnehmen lassen wolle, den er mit der Allonge:Pe~cke zu-

'cht t gen kiinne Er hrauche den Bart rurdieRollen,

ds~mme.n ni 'nemra

Schl1ler-Theater spielte. Natürlich waren das le er ln sel h" alles nur hilflose Ausreden, die Goebbels nur ver ar:eten. George wollte vielleicht mit dem »Heroischen« des National-

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sozialismus einiges zu tun haben - ihm imponierte auf kind­liche Weise die ungeheure Macht -, aber auf keinen FaU mit dem Antisemitismus. In seinem Zimmer hing wahrend d .. er ganzen nationalsozialistischen Ara ein grolSes Bild von Elisa-beth Bergner an einem vorrangigen Platz.

DaIS Heinrich aus dem Film heraus wollte, horte schlieBlich Goebbels heraus. Er wuBte auch, daIS George mit seiner Mei­nung über seine Rolle recht hatte. Goebbels hatte ja das Dreh­buch gelesen. Er befahl Heinrich George mit unwidersprech­barem Nachdruck, die Rolle 50 zu spielen, wie er - Goebbels _ das Drehbuch abgenommen habe. Und der Riese Heinrich George wurde klein und machtlos vor dem machtigen Zwerg.

In der Verbitterung, klein gemacht worden zu sein, drehte Heinrich die ersten drei Wochen. Es war eine scheuBliche Situ­ation rur mich als Regisseur. Das Ekel, das er mir gegenüber sein wollte, war er nun ganz und gar in seiner Rolle. Er war wie ein wütender Bernhardiner, der sich gerade noch beherrscht, nicht zuzubeiBen.

Ich habe den AnlalS vergessen, der es ihm wahrend der Arbeit deutlich machte, daIS diese Feindschaft unter uns Freun­den albern und dumm war. Jedenfalls fing Heinrich platzlich laut an zu lachen, umarmte mich, küBte mich auf beide Wan­gen und sagte: "Ach, Veit, wir sind schon zwei Arschlacher!!« Ich antwortete ihm glücklich: "Sei gefalligst auf deine eigenen Kosten bescheiden, Heinrich.« Damit war derStreit zu Ende.

Wahrend der Herstellung mulSten laufend die gedrehten Szenen, die "Muster«, taglich ins Propagandaministerium ge­schickt werden. Es gab selten Beanstandungen. Muster, die mir zu gefahrlich erschienen, wurden nicht mitgeschickt. Es war klar, daIS Goebbels sich aus den kleinen Teilen, die er zu sehen bekam, kein Bild des Ganzen machen konnte. Er bemerkte zunachst nur die brillante Darstellung und lobte sie mehr­facho

SchlieBlich kam der erste Einwand von Goebbels. Es gefiel ihm nid1t, daIS KrauB sich in keiner seiner RoUen eine gebo­gene jüdische Nase mit Nasenkitt geklebt hatte. Ich wurde deswegen vom Ministeramt angerufen und verteidigte midi. sofort darnit, daIS idl. Probeaufnahmen von allen RoUen von KrauB gemadl.t hatte, in denen er ebenfaUs seine Nase nie-

·1:1.0

mals veriindert habe. Das stimmte zwar nicht, denn zu dieser Zeit waren die meisten jüdischen Rollen noch gar nimt ge­schrieben, vielmehr nur der Rabbiner Law und der Sekretar Lewi.

!ch bekam den Befehl, daIS KrauB sich in der Rolle des Lewi auf jeden FaU eine Hakennase zu kleben habe. Ais mir von irgendeinem der kleinen Beamten von Goebbels dieser BefehI übermittelt wurde, erkIarte ich sofort, daIS dann mehrere Sze­nen wiederholt werden mülSten. Dieser Wunsdl. des Ministers würde ein teurer SpalS werden. KrauB ging selbst ans Telefon und sprach mit dem Ministeramt. Er erkIarte kurz und bündig, daIS er gar nicht daran denke, die Beweglimkeit und die Aus­drucksfahigkeit seines Gesichtes dadurch einzuschranken, daR er sich "Karnevalsnasen« aufsetze. Er wurde wegen dies es Aus­drucks zu Goebbels bestellt. KrauB bat Goebbels, er mage sich doch die nachsten Muster ansehen, in denen er vier verschie­dene Juden dargestellt habe. Damit würde sidl. der Wunsch des Ministers von selbst erledigen. Und 50 war es dann audl.. Es wurde nie mehr von den Kittnasen gesprochen.

In dem Film spielten mehrere Leute mit, die jüdisch verhei­ratet waren - z. B. mein Freund Hans Meyer-Hanno, dessen jüdische Ehefrau die bekannte Pianistin Irene Saager ist.

Ich war mit Meyer-Hanno sehr befreundet, 50 daIS idl. mich irn J ahre 1934 an den damaligen Kultusmin.ister Rust wandte, weil die halbjüdischenKinder von Meyer-Hanno aus derSchule genommen werden sollten. IdI. konnte erreichen, daIS der Fa­milie dieses Schicksal erspart blieb. Meyer-Hanno war ein wütender und offenherziger Kommunist. Er haB te die National­sozialisten und den Antisemitismus wie die Pest.

Goebbels exploruert

Ais der Film fertig war und dem Propagandaministerium zur Abnahme vorgelegt wurde, waren der Regisseur und die Sd1.au­spieler nicht dabei, um n.i!ht etwaige kritisdl.e AuBerungen der Zuschauer zu unterbinden. Viele hundert Personen saRen in dem groBen Vorführraum, ais Goebbels die »Musterkopiec di~ ses für ihn 50 wichtigen Films zum erstenmal vorführte.

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ach der Vorführung wurde ich in meiner Wohnu ng an­

gerufen. Ich bekam ~en Befehl, sofort ins Propagandaministe-rium zu kommen. Mir selbst war offengestanden ziemlich kl daR Goebels an dem Film einiges auszusetzen haben wür~r, Die Art des Anrufes lielS mich 5chlimmstes ahnen. Und d:~ 5chlimmste folgte dann auch.

Goebbels hatte sich in den sogenannten» Thronsaal« begeben. Etwa hundert Zuschauer (oder mehr) waren ihm gefolgt. Es waren meist uniformierte 55-Leu te oder SoIdaten. In diesen Kreis wurde ich gebracht.

lch habe damais gar nicht alles prazise aufnehmen konnen , denn Goebbels verlor zeitweilig die Beherrschung über sich. Er war malSlos emport. Er betonte von vornherein, daR ich »ein gewisses Pardon« genosse, weil ich unfahig sei, »politisch zu denken«. DaIS ilh aber übersehen haben soli te, daIS ich dieses Thema in einer ganz anderen Wei se dargestellt hatte, ais er es mir befohlen habe, glaube er mir einfach nicht. Er übertrieb malSlos und behauptete, ich hatte aus dem »Scheusal« SüB einen »Romeo« gemacht.

Natürlich grill er den SchlllE des Films ganz besonders an -und darauf war ich innerlich vorbereitet.

Seit dem Auftrag, diesen Film zu machen, war eine lange, geschimtlich inhaltsreiche Zeit vergangen. Norwegen und Dane­mark waren besetzt und der Frankreich-Feldzug war in sechs Wochen siegreich beendet worden. Es hieB, es werde nun in der namsten Zeit gegen England gehen. Der Luftkrieg gegen Eng­land hatte bereits begonnen und ein Sieg nach dem anderen wurde ais »Sondermeldung« mit Fanfaren und posaunen durch das Radio gedonnert. Unter den Nationalsozialisten haUe sich nam diesen Blitzsiegen, die niemand vorausgesehen haue, ein Siegestaumel breitgemacht. Seine Ansichten über einen »anti­semitismen Film« - so wie Goebbels sie im J ahre 1939 noch ver­trat - hatten sich grundsatzlich gewandelt.

lm wuBte nicht, daIS mein Cutter und Trauzeuge" Friedrich Karl von Puttkammer, der die Musterkopie in das Propaganda­ministerium brachte, bereits meine Frau angerufen hatte. Er war im Vorführsaal anwesend gewesen, aIs Goebbels zu toben

• Bei der Eh. mit Kristina Stiderbaum.

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anfing. Wahrend meiner Abwesenheit muB Goebbels 50 schre~­liche Dinge über mich gesagt haben, daB Puttkammer meine Frau darauf vorbereitete, daIS im vielleicht überhaupt nicht mehr aus dem Propagandaministerium zurückkame. Die Stim­mung sei schJimmer ais katastrophal.

In dieser Stimmung schien Goebbels aber noch etwas anderes wichtig zu sein. Wahrscheinlich hatten Leute den Film mit an­gesehen, die Hitler Bericht über die Vorführung erstatten wür­den. Goebbels hatte die Auswirkung der Umarbeitung des allerersten Drehbuches nicht richtig berechnet. Das muBte er anlaBlich der Vorführung erschreckt feststellen. Er gebrauchte daher die griibsten, ja allergriibsten Worte gegen mich, um vor den über hundert Zuschauern ganz klar zu machen, daIS ich allein schuld sei an der » Verwasserung des Themas«.

Er entwarf auf auBerst schmissige Weise - darin war er ja Meister - einen Plan, nach welchem der Film zu iindern sei. Die Szenen des »sauselnden Romeo Marian«, die vom Uicheln Kristina Siiderbaums »zurückgesauselt« würden, miillten selbst­verstandlich aus dem Film verschwinden. Er erfand eine Menge phantasiereicher Szenen, die übrigens niemals nachgedreht wurden, weil sie gar nicht in den Film hineingepaBt hatten. Dann entwarf er einen neuen SchluB.

Zwar hat spater Goebbels den SchluB nochmals veriindert. Aber die Hiillenapotheose, die er in diesem Augenblick mir und den Zuschauern schilderte, hatte er in dem Film gar nicht an­bringen kiinnen. Seine Worte waren alle nur ror den Augen­blick gesprochen. !ch warf einmal dazwischen, daB ich den Film genau nach dem Text gedreht hatte, den er abgenommen hatte aber diese Bemerkung machte ihn nur noch wütender. AIs dann eine Pause entstand, weil seine Phantasie erschëipft war, fragte er mich, warum ich nicht antworte, ich sei doch sonst nicht auf den Mund gefallen.

lch zuckte mit den Schultern und sagte, daB ich im Augen­blick gar nicht imstande sei, aufzunehmen, was er gesagt habe. Mich tdifen seine Vorwürfe ganz unvorbereitet und unerwartet. lch betonte mehrfach, daB er ja das Drehbuch gekannt habe und daB ich es nicht verandert hatte. Das war zwar nicht wahr, aber da er mir das von ihm zuletzt geanderte Drehbuch zurück­gegeben hatte, konnte er das gar nicht mehr prüfen. lch sagte

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noch "Die Tatsache, daIS Marian wie ein Liebhaber . k

lh d ch M· "h d . WJ.r t, hat

nen 0 an an wa ren semer ersten Auseinande b

rsetzung selbst gesagt. « A er ich wulSte: Je mehr ich recht hatt

.. .. ~~so schlechter fur Goebbels und um 50 verhangnisvoller rur mich Darum stammelte ich noch ein paar mehr oder weniger hilflo .

Worte und bat ihn schliefSlich, mich von der überarbeitung di:~ ses Films zu entbinden. Ich betonte, daR ich das, was ich mit Hingabe und Liebe gestaltet hatte, nicht selbst plèitzlich für idiotisch und schlecht halten kèinne. Und daR ich, der Regisseur, der an seine Arbeit glaube, der Ungeeignetste und der Befan­gens te sei, den Film 50 anzusehen, wie er das tate. Es war mehr ein »wa-wa-wa«, das ich 50 hinbrabbelte, denn mir fiel nichts Vemünftiges ein, und das um 50 weniger, ais mich ein paar Hundert Augen gespannt anstarrten - zum Teil sogar mit un­verhohlenem Mitgefühl, denn niemand wuBte, wie diese ab­scheuliche Szene enden würde.

Goebbels registrierte schnell, daB er durch meinen lahmen Widerspruch keinen Zündstoff rur einen effektvollen SchluB seines Auftritts geliefert bekam. Er sagte noch ein paar veracht­liche Worte, aber sie wirkten nicht mehr. Da er das wohl selbst merkte, legte er pléitzlich die Platte leiser Resignation auf und flüsterte: »Vielleicht haben Sie recht, Herr Harlan, wahrschein­lich haben wir uns von Anfang an gründlich millverstanden und darum ist es wirklich besser, wenn ein anderer den Film andert. Sie konnen gehen.«

Mit einem 50 schnellen AbschluB hatte ich nun wieder nicht gerechnet. lch sah ihn noch einmal, wahrscheinlich ziem1üh dumm und verblüfft, an, und dann ging ich. Es war eine Art SpieBrutenIaufen, ais ich mehr oder weniger verdattert durch die Gasse hindurchlief, die mir die Zuschauer machten.

Es war keineswegs der Ausdruck eines »groBen Mutes« ge­wesen, Goebbels abzuschlagen, die befohlenen Ânderungen zU rnachen. Es war mehr Hilflosigkeit und andererseits auch die UnHihigkeit, seine Wünsche überhaupt zu erfüllen. Was Goeb­bels als »normal« empfand, hatte ich nur ais Karikatur oder Ubertreibung darstellen konnen. Hatte er mir nun in dieser Situation wieder eine seiner stets bereitgehaltenen Pistolen auf di~ B~st gesetzt, dann ist es durmaus nom die Frage, ob ich Wle em Held gesagt hatte: »lm ziehe jede Konsequenz und

bleibe bei meiner Absage, den Film in Ihrem Sinne zu andem.« Es war Gnade des Schicksals, daB er mich nicht zwingen wollte.

Ais ich unten auf dem Wilhelrnplatz in mein Auto stieg, kam ich zur Besinnung. lch fuhr sehr langsam durch die StraBen und dadlte über die Foigen dieser Auseinandersetzung nach. lch war Fest davon überzeugt, daB der Film verboten würde. Die Figu­ren waren viel zu prazise gezeichnet, als daB noch geandert werden konnte, was Goebbels geandert haben wollte. Er hatte auch den Marktplatz in Stuttgart noch eirunal wiederaufbauen lassen müssen, um den SchluB zu andem.

»Jud Siill« wird geiindert

Goebbels begnügte sich darm damit, verschiedene Szenen herausschneiden zu lassen, in denen ihm der Jude zu syrnpa­thisch war. Namentlich fiel eine wesentliche Szene, die zwischen Marian und Kristina spielte. Dorothea Sturm hatte ein groBe Sympathie für SüB Oppenheimer, obwohl sie einem anderen jungen Marm versprochen war. Erst nachdem der Va ter seine Tochter von dem Juden in Harte getrennt hatte, anderte sicll das. Diese »lnstinktlosigkeit«, mit der Dorothea niclltsahnend ihr Herz dem Juden zuwendet, hatte Goebbels besonders ge­

brandmarkt. Goebbels lieB sich aucll von seinen Mitarbeitern anhand des

Drehbuchs Vorsclliage macllen, an welchen Stellen man dem Text nachtraglich eine antisemitiscllere Wirkung aufsyncllroni­sieren konnte. Dann lieB er den gesamten Text des Fluches wegnehmen. Marian muBte in einem Synchronisationsra~ irgend etwas Erbarmliches winseln und um Gnade bltten, wah­rend er in seinem Kang hochgezogen wurde. Einige der GroS­aufnahmen in denen er den FlUch deutlich sichtbar sprach' wurden he:ausgeschnitten und dafür Aufnahmen eingesdmit­ten in denen SüB in seinem Kafig nur aus der Feme zu sehen wa;. Die ganze Szene wurde auch wesentlicll gekürzt. Es wur­den dann ohne mich einige Nahaufnahmen gemacht, in denen Marian in GroBaufnahme im Kafig gezeigt wurde. Eugen Klop­fer muBte eine Proklamation verlesen, die eine Ausweisung der Juden aus Stuttgart zom lnhalt hatte.

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Der Film bekam durch diese Veranderung wohl einen hetze­rischen Charakter, den er vorher - trotz des in ihm verUetenen Antisemitismus - nich t hatte. Und gewiB habe ich die von Goebbels geanderte Form - die spa ter in den Kinos lief - über­haupt nicht zu verantworten. Aber Goebbels lieS nicht nach­drehen, wie etwa dem Juden Lewi oder anderen jüdischen Ge­stalten, die KrauB darstell te oder die von den vielen Kompar­sen dargestellt wurden, etwas Bosartiges geschah. Er hatte zwar in seiner Wut geschrien, daB er Pogromszenen nachdrehen lassen würde, wie sie im ersten Mollerschen Drehbuch enthal­ten waren. Er hatte solche Szenen auch ohne groSe AtelierauI­bauten im Freien drehen konnen. Sie hatten wenig Zeit und nicht viel Geld gekostet. Menschen mit Peitsmen und Schüssen über Felder jagen zu lassen, wie er androhte, waren Szenen gewesen, zu denen er gar keinen künstlerischen Leiter gebraucht hiitte. Warurn hat er also selbst diese Zusatze nicht gemacht?! Er hatte das eben nue in seiner Wut vor den anderen heraus­gebrüllt. Soviel Verstand hatte er doch, um ru sehen, daR solche Szenen erst nach dem eigentlichen Filmsch1uB gebracht werden konnten, das heiBt also nach dem Tod des "Jud SiiB« und nach dem Ausweisungsbefehl. Solche Sch1uBszenen aber hatten den Fûm in seinem dramaturgismen Aufbau und Ablauf wesentlich

gemindert. Verbieten konnte er den Film nicht. Es war smon eine viel ru

groge Reklame rur ihn gemacht worden. Goebbels erkliirte ihn dann aum nam den » Verbessenmgen«, auI die er bei jeder Gelegenheit stolz verwies, fur "staatspolitism wertvoll«. Bei der Uraufruhrung im Ufa-Palast in Berlin sag im in der Mittel­loge neben ihm, und er drückte mir - vor dem gesamten ap­plaudierenden Publikum - dankbar die Hand. Nun war im -der vor kurzem nom .ein politismer Idiot« war, wieder der Regisseur, dem Goebbels dankbar war .

Die Vorreklame, die rur den Film .Jud SiiB" gemamt wurde, hatte damaIs unter den Juden und aum unter anderen Feinden des Nationalsozialismus mehr Angst erzeugt, aIs spa ter die Wirkung des Films.

Diese Vorreklame hatte mein Freund, der Pressechef der Terra, Dr. Knauff, gemamt bzw. mamen lassen. Das Gesimt

Page 64: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

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, Dm T~~ ~~ Jud 5üss

Eln Veit - Hor!on - Film

mil Ferdinand Mar)cn, Krist,na S6derbaum. H. lnrkh George, Werner (rouss, Eugen 1(\6pfer. Albert Rorctt.

Splelleilung Veit Horion

Achtungl Feind hort mitl' mit Re"' D&ltgen, IOnIen Heiberg, lotte KodI, Micnoel Sohnen, Chnstian Kayuler. Emst Waldow

SpieUeitung: Arthur Morio Robenalt

Rosen in Tirol mit Hans Moser, Man. HOT. II, Johannes H...-s. Hons Hoh, Theo llng. n,loo 5\ezolt, TheodorOon.oo-

Splelloltung: GelO \Ion Bolvary

Die schwedisc:he Nachtigall

mil JlseW.rner. Karlludwig Dtehl. Joodll ," GottJChafk, Ariben W6ach .... Hans teibell. Emn Heu

SpieUeilung: Peler Paul Brouer

Dreimol Hochzeit Ein W •• n·film im V.rlerh der rerro

mi1 Willy Frr1Id1, Mon_ HOT.n, Tho lIngen, Hedwig Blaiblre". Theod04" Oanegger

Spie llf.llung , G ezo von Bolvory

Auf Wiederaehen, Franziakal

mit MarionM Hop~. Ho,," S6hnker, Fritz: Odemo" RtJdoll F.,MU, H.tmann SPMlmonl, H.rbert HlibMr

SpI.II.,lung , Helmut K6lJtner

des SüB - also Marians Gesicnt - erschien grün gemaIt mit gel ben Augen auf riesenhaften Plakaten. Die SchriIt war hebraischen Schriftzeicnen angeahnelt. Es erschien aucn eine Fülle von Zeichnungen und Fotografien mit hetzeriscnen, anti­semitischen Unterscnriften.

Der Mann, der diese Reklame gemacht hatte, war alles andere ais ein Nationalsozialis t. Er war ais aufrecnter Kritiker schon einmal von Hermann Gering ins KZ gesteckt worden, weil er sich erlaubt hatte, in einer Kritik über die italieniscne Siingerin Dusolina Gianini, die an der Staatsoper aIs "Carmen« gastierte, zu schreiben, sie sei »wohl eine Dame, aber niemaIs eine Car­men«. Dusolina Gianini war bei Hermann Gering zu Gast und wohnte in dessen PrunkschloB in Karinhall. AIs Goring die Kritik las, lieB er »den unverscnlimten Kritiker« rur eine Weile einsperren.

Nach diesem Vorfall war Dr. Knauff fur keine Zeitung mehr ais Kritiker tragbar. Er wurde darum ais Pressecnef der Terra engagiert.

Knauff machte seine Arbeit fur dies en Filin 50 gut, wie Goeb­bels es wollte. Er konnte also damit rechnen, ais pflicnterfüllen­der Befehlsempfiinger der Nationalsozialisten angesehen zu werden. Ais er aber eines Nacnts in einem Luftscnutzbunker mit seinem Freund, dem bekannten Zeichner O. E. Plauen, etwas zu Jaut über die Widerwartigkeit des Antisemitismus gespro­chen hatte, wurden er und Plauen verhaftet. Und dann wurden Knauff und Plauen zum Tode verurteilt.

Der Film » J ud 5üB« hatte in der Presse einen Monstererfolg. Aber der Monstererfolg war in der Pressebejubelung des Anti­semitismus begründet. Fraglos kam der Antisemitismus in zahl­losen Kritiken viel starker zum Ausdruck ais im Filin.

Zu dieser Zeit gab namlich das Propagandaministerium durch seine Presses telle eine »Grüne Zeitung« * heraus. In ihr waren die » Wünsche des Herrn Ministers« enthalten, die in den Kri­tiken berücksichtigt werden muBten. In dieser Zeitung wurde genau angeordnet, was die Kritiker hervorzuheben hatten und was unter den Tisch fallen soli te. 50 kam mir z. B. eine solche

• Gemeint sind die oTagesparolen« und .Presse-Rundschrelben« des Propagandaministeriums, die von aIIen Redakteuren beachlel werden muBten.

Page 65: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

vert.ner V

Ich ersuch. 'l'orsorge zu treUen. ~ 41. ge_a • W14 PoU •• l im Lauf. des 'fintera du Yilm nJud Bü.B" ou seh6ll belr.oJllllt.

Himmler 30. 9· 1940 Filmbesuch »J ud 5üB« für 55 und Polizei

»Grüne Zeitung« vor die Augen, in der die Kritiker den Auftrag bekamen, den Film »Der gro15e Kéinig« nicht etwa 50 zu be­sprechen, dal5 Kristina 5éiderbaum und Gustav Fréihlich aIs Liebespaar oder gar als »5tars« herausgestellt würden. Diesen Gestalten sei vielmehr nur wenig Aufmerksarnkeit zu schenken. Nur die Gestalt des Kéinigs müsse hervorgehoben und mit dem Wesen und Amt des Führers verglichen werden.

Die gesamte Presse verfuhr nach solchen Befehlen; es blieb fur amn gar nichts anderes übrig, aIs das zu tun.

»Agnes Bernauer« und »Der graISe K6nig«

lnzwischen hatte ich schon mehrere Monate an dem Dreh­buch für »Agnes Bernauer« gearbeitet.

lch schickte nun sowohl ein Exposé wie ein sehr langes Bilder­Treatment, das im Grunde ein Drehbuch war, im November 1 940 an das Propagandaministerium, und zwar an den Reichs­filmintendanten Dr. Hippler.

lch erhielt meine Arbeiten mit folgendem Brief zurück:

130

Dit. •• "Z "IP'UI

l<I/W................... Il 1 .vn pu ._ ...........

Herm Veit Herlan

., 8

... UM.d+Ft""'B' __ Atz~ ~ ........ -

Berlin - Charlottonburg 9 Tannenbergallee 28

Sehr geehrter Herr Harlan,

als Anlage Uberreiche ioh Ihno. die beiden TorgilDc.

"Agnes Bernauer".

Ioh telle Ihnen mit, daB !br. l'til.chste ubeit ein anderee '.rhema Z'UlIl Inhal t haben 8011 und aa sich fUr Sie 8IIp:t'ehl_ wUrde, s10h von Ihrer Begeisterung, Agnes Dernauer ale Regisseur ru gestal tan, langsam aber raUIe&! ru llSeeD. ~er88 in einer mttndlichen Bespreehung, su der 1eh Ihn~ jederze1t zur Vertugung atehe.

Ul~ besten GrUBan und Heil Hitler!

Anlago

Hippler an Harlan 2. u. 1940

Betr.: Vorgange >tAgnes 8ernauer«

Page 66: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

l ch rief H ippler sofort an. Da ich gut nùt ihm stand k ich sehr frei nùt ihm reden. lch fragte ihn darum ob Onnte

.. ck d . . . lch 1 k ,er ver-ru t gewor en SeI, nur eme so e a onische Antwort auf . A b 't b f " d"ch 1 elne r el zu ge en, ur le 1 monate ang Geschichtsforsch

getrieben und die ich im Einvemehmen nùt Goebbels gescr:~ ben hatte.

Hippler antwortete nùr, daB ihm gar nichts anderes übri _

bliebe, aIs lakonisch zu sein. Er wüBte w ohl, daiS Goebbels m~r bei dem Auft rag »Jud Sü!5" versprochen h a tte, danach »Agnes Bemauer« machen zu dürfen. Er wüBte aber auch, was Goebbels nunmehr nùt mir vorhabe, dürfe es aber noch nicht sagen. Goebbels h abe es sich vorbehalten, mir den Auftrag selbst zu übertragen.

D as geschah euuge Tage spater. Ich bekam den Auftrag, einen Film über Friedrich den GroiSen zu machen. Das Thema »Agnes Bemauer« hatte ich viel »zu katholisch " aufgefai5t, weil ich h atte anklingen lassen, daiS das »Sakrament der Ehe« durch den Fall »Agnes Bem auer« in Bayern kirchengesetzlich wurde. Er wolle jetzt vielmehr einen Film haben, der die Zeit­spanne »des Siebenjahrigen Krieges« erfasse. lch solle mich an keine dichterische Vorlage, sondem nur an die Geschichte halten.

lch erklarte, auf jeden Fall eine Liebesgeschichte zu brauchen, damit ich der offiziellen Historie die notwendige lntimitat geben konne. "Warum brauchen Sie eine Liebesgeschichte?« fragte er mich argerlich. lch führte mm vor Augen, daiS weder Schiller noch Goethe, ja nicht einmal die alten Griechen ihre geschicht­lichen Dichtwerke zum Ruhm führen konnten, ohne den Gott Eros mitwalten zu lassen. lch sprach von "Wallenstein«, vom »Egmont«, von der " Antigone«. lch ereiferte mich und erklarte ihm, daB ich ja kein Dichter sei, dem solche erhabenen Geschich­ten einfallen, um sie zur Geschichte hinzuzurugen.

Goebbels lachte mich an: »Es wird lhnen schon etwas ein­fallen, wenn Sie rur lhre Kristina eine gute Rolle brauchen. lch will Ihren Entwurf bald haben. Es eilt.«

lch las zunachst einmal das Buch »Die Geschichte des preu­Bischen Konigs Friedrichs II.<(, das der englische Schriftsteller Thomas Carlyle geschrieben hat. Bei Carlyle habe ich das meiste gefunden, was ich spater in dem Film verwandte.

ldt las audt Thomas Manns "Friedridt und die grolSe Koali-

tion«, das mir Goebbels - trotz seiner Feindschaft gegen diesen Dichter - ausdrücklich zu lesen empfahl.

lch las auch franzosische Darstellungen, die von Voltaire be­einRuiS t waren, und das, was Friedrich der GroiSe selbst über die Zeit seiner Regierung aufgezeichnet hatte.

lch ging vor das Reiterstandbild Friedrichs des GrolSen, das einst Christian Rauch geschaffen hatte. Es stand in Berlin »Un­ter den Linden«.

Zum Arger aller Militaristen reitet der Alte Fritz auf die­sem Denkmal ohne Sporen. lch sah am Sockel des Denkmals den Philosophen lmanuel Kant, der dem Konig den Rücken zu­kehrt, weil Friedrich II. sich niemals um seine Existenz geküm­mert hat, obwohl er doch neben Johann Sebastian Bach sein gewaltigster Zeitgenosse war.

lch beschlolS, den Konig von jeder Art Denkmalssockel her­unterzunehrnen und ihn menschlich zu gestaIten. lch lielS ihn darum im Pots damer ldiom sprechen, das heillt, er berlinerte, wenn er deutsch sprach. Hin und wieder sprach er ein gutes Franzosisch. Durch die deutschen Antworten war die Verstiind­Iichkeit der Szenen auch fur ein Publikum gewahrIeistet, das kein Franziisisch verstand.

Um die übliche »Fridericus-Rex«-Serie, in der Otto Gebühr seit Jahrzehnten den »Jungen« und den »Alten Fritz« verkiir­perte, nicht noch zu vermehren, besetzte idt die Rolle mit Wer­ner KrauB. Goebbels war einverstanden. ldt soli te allerdings vorher Probeaufnahmen von Werner KrauB machen.

KraulS, der eine Zahnprothese trug, naIun, uneitel wie dieser grolSe Mann war, die Ziihne heraus, so daB seine Lippen nach innen fielen. Nachdem er den Dreispitz auf den Kopf gesetzt hatte und sich gebückt auf seinen Stock stützte, sah er leib­haftig aus - wie der Kiinig. Seine groBen runden hellblauen Augen und sein stechender Blick erinnerten in gespenstischer Weise an die Bilder von Knobelsdorff und Pesnes und an die Zeichnungen von Adolf von Menzel. Goebbels war hingerissen. Er sprang auf, nachdem er die Probeaufnahmen gesehen hatte und sagte: »Das wird eine Sensation, wie sie überhaupt noch nicht da war.« Werner KraulS erhielt einen sehr hochdotierten Vertrag von der Tobis und - wurde dann ausgezahlt, denn er durfte die Rolle nicht spielen.

Page 67: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Es war für mich eine traurige Stunde aIs G bb 1 ' oe es m' .

unverhohlenem Bedauern erklarte, Hitler habe d' B Ir mit le esetzun

mit Werner KrauB verboten. Er hatte sie al, T b g b h

» reue ruch gegenüber Qtto Ge ü r bezeiehnet. Hitler habe beh " G b "h h"tt' . Z't d n auptet e u r a e m emer el en »grOl!)en Kënig« ges ielt. ' d· 1" hG " d h P , ln der les aus po !tise en run en »se r unpopular« gewesen .

DaB Gebühr stets sehr popular in dieser Rolle war und du:~ sie seinen Namen berührnt gemacht hatte, wuBte zwar jeder und wer es noch nicht wuBte, der konnte den Beweis in eine: Kritik von Alfred Kerr finden. Der nannte niirnlich einmal den Schauspieler Alexander Granach, der bei Erwin Piscator den »Lenin« gespielt hatte, den »Gebühr des roten Mannes«. Aber gegen den Befehl Hitlers war nichts zu mach en.

Otto Gebühr wurde dann mein Freund. Er war auch sehr gut in der Rolle. Aber das, was Werner KrauB in seiner einmaligen Genialitat, noch dazu angesichts der merkwürdigenAhnlichkeit mit dem »Alten Fritz«, gestaltet hatte, ware vielleicht zu einem ungewëhrùichen Filmkunstwerk geworden. Der gute Otto Ge­bühr wu.Bte das selbst - und er sprach auch immer wieder davon. Wiederholt sagte er, es tate ihm leid, daE mir der Kraug »von Hitler geklaut« worden ware.

Für Kristina fanden mein Mitarbeiter Alfred Braun und ien in einer Anekdote, nach der eine Müllerstochter den Kënig nicht erkannte, der dadurch Wahrheiten von ihr erfuhr, die ihm sonst verborgen geblieben wii.ren, eine gute Rolle.

Wir verheirateten diese Müllerstochter mit einem Waent­meister, der, nach einer anderen Anekdote, wegen UngehorsaJ1l ans Rad gebunden und schwer bestraft wurde und der spa ter aIs Soldat fiel.

Den Wachtmeister lieg ich von Gustav Frëhlich spielen, ob­wohl mir bekannt war, d~ Goebbels ihn aus den bereits er­wahnten privaten Griinden h~te. Goebbels war von dieser Besetzung naturgemag hëchst unangenehm berührt. Aber er war nach anfanglichem Widerspruch zu schlau, die Besetzung endgültig zu verbieten, weû allzu deutlich geworden ware, warum er das getan hatte. lch muB gestehen, daB es mir einige

Freude bereitete, mit dieser Besetzung vor Goebbels zu erschei­nen. Da ich auf einen Film »Oberwachtrneister Schwenke« ver­wei sen konnte, den Professor Carl Froelich inszeniert hatte, in

dem Gustav Frëhlien in einer sehr ahnlienen Rolle einen Bom­benerfolg gehabt hatte, konnte er künstlerisen nients mehr gegen die Besetzung einwenden.

Für den Film »Der groge Konig« wurde mir alles zur Ver­fügung gestell t, was ien für notwendig hielt. len bekam fünf­tausend pferde, aIs ich sie brauente, und ien durfte mit eenten Soldaten Schlachten jeden Ausmages drehen. Auf Geld kam es nicht an. Der General Daluege stellte mir nahezu die gesamte Berliner Polizei zur Verfügung.

AIs der Film fertig war, waren in der Tobis alle begeistert. Es war ein »Kolossal-Gemalde« im Stil des Malers Anton von Werner. Aber es beinhaltete auen viele Kammerspielszenen, durch die der Film meine personliene Handschrift behielt. EmU Jannings hatte ich ihn zuerst gezeigt. Er und die Herren der Tobis fanden den Film »gewaltig«. Dann muBte er hinüber­geschickt werden in das Propagandaministerium.

»Der groJSe K6nig« wird verboten, dann geandert

Etwas vollig Unerwartetes gesenah: Der Film wurde verboten. Diesmal allerdings ohne jede scharfe Kritik und ohne bose Worte fur mich. Demandowsky teilte mir das Verbot mit. Nient etwa ien, sondern J annings und Demandowsky wurden ins Propagandaministerium gerufen, um die Anordnungen ent­gegenzunehmen, wie der Film urnzusdmeiden sei. Die Liebes­geschichte sei zu breit geworden, sagte Goebbels, er hatte das schon vorausgesehen. Es m~ten darum mindestens 200 Meter "Kristina Soderbaum und Gustav Frohlich« aus dem Film ent­fernt werden. Die Geschichte m~te mehr auf die Gestalt Fried­richs konzentriert werden. Jannings und Demandowsky ver­lieBen diese Unterredung, ohne genau begriffen zu haben, was sie eigentlich zu tun hatten. J annings muE mehrfach danach gefragt haben. Er hat aber nur unprazise Antworten bekommen.

Jannings war verargert: »Ich mache das nicht!« schimpfte er. "Ich bin doch nicht verrückt 1 Er sagt einem ja gar nicht genau, was er will. Der Film ist ausgezeichnet! Ich sause ab zum Wolf­gangsee!«

b Di B b 't des Films überlieB er Und er sauste a. e ear el ung

Page 68: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Demandowsky. Dieser stand Goebb 1 " E f) e s personlich h

r wu~te wohl von den Verbotsgrund ' . se r nahe smeinlich hat er den Film gar nicht an en '~hmlgeS mehr . Wahr'

. . geru rt. -1lt mu sprach Goebbels überhaupt nicht üb

lm hatte ais Musik fur diesen Film f' d' er das Verbot.

d h ur le preu€ischen T

pen as Tema des »Hohenfriedberger M ch rup_ d fü· ... . ars es« ausg "hl

un r die osterrelchischen Truppen das b "hm . eWa t E d dl Ri · eru te Lied »Prinz

ugen, er e e tter«. Die Osterreicher hatt 'f)

d. en wel~e Unifor-

men, le Preu€en dunkle. Auf diese Weise bek 'ch' . . am 1 ln die

sonst stets verwlrrenden Schlachten eine ganz b t' ... . H es lmmte Prazl-

sIOn. ans Otto Borgmann hatte die Musik gesch . b B . . ne en. erelts an .der Musik konnte das Publikum feststellen, wer der An-grelf~nde war. Die preu€ischen Truppen griffen zudem stets von links nach rechts, die osterreichischen stets von rechts nach links an.

Auf einem offiziellen Empfang bei Goebbels hoffte ich, etwas über das Verbot des Films zu horen. lch horte von ihm aber nur,daE er sich über dieVerwendung des Motivs »PrinzEugen« sehr geargert habe. Es beweise aufs neue meine »politische lnstinktlosigkeit«. Erstens sei der Führer selbst dsterreicher gewesen, zweitens seien jetzt die dsterreicher Deutsche und drittens habe der Führer, um diesem grogen Feldherrn und Po­litiker eine Ehre zu erweisen, ein deutsches Schlachtschiff auf den Namen »Prïnz Eugen« getauft. Es sei daher vollig unmog­lich, daE dieses Volkslied, das jedermann kenne, ais ein Kampf­motiv gegen Friedrich den Grogen benutzt werde. Das war alles, was ich erfuhr.

ln dieser Zeit der UnUitigkeit verhandelte ich mit dem Pro­duktionschef der Ufa, Otto Heinz Jahn. Solange Goebbels nicht mit mir sprach und solange der »Groge Konig« nicht fertig und abgenommen war, konnte ich ihn auch nicht bitten, mich bei der Ufa das Thema »Die goldene Stadt« machen zU lassen, das zu verfilmen ich ganz besessen war. lm mugte aIso warten.

Nach Monaten lieB er mich plotzlich rofen: »Nun denken Sie aber noch einmal smarf nach, Herr Harlan. Was ist an Ihrem Film politisch indiskutabel?« lch wugte es wirklim nicht. Goeb­bels schüttelte den Kopf, aIs wollte er sagen: Mit soviet Dumm­heit habe ich nicht gerechnet. Die anderen waren aJ1erdings genauso dumm wie ich. Es wuEte namlich niemand. Schlieglich

rückte er mit der Sprache heraus: "Sie sind gar nicht schuld daran. Ais Sie den Film begannen, hatten wir noch keinen Krieg mit RuBland. Und ais Sie ihn beendeten, war er noch nieht ausgebrochen. Ieh aber wuBte,dag er kommt. Esistnatür­lich vollkommen ausgeschlossen, daB der russische General Tschernitschew - dag ausgeremnet ein russischer General es is t, dem Friedrich der Groge den Sieg des Siebenjahrigen Krie­ges zu verdanken ha t.«

Ich fragte einigermagen verblüfft: » Wie 5011 ich denn das andern, Herr Minister? Es steht ja in jedem Schulbuch, daB Friedrich die groge Schlacht bei Schweidnitz, die den Sieben­jahrigen Krieg im Jahre 1762 abschlog, nicht gewonnen hatte, wenn der General Tschernitschew nicht entgegen der Order der Zarin Katharina II. Gewehr bei FuE stehen geblieben ware, ohne den dsterreichern zu Hilfe zu kommen.«

Goebbels ironisierte diesen ),Geschichtsunterrieht«, den ich ihm erteilte: »Dann wird von heute ab jederSchuibuberEahren, daB Tschernitschew aus privater Infamie gegen die Zarin nicht in die Schlacht eingriff und daB der Sieg Friedrichs des Grogen ausschlieglich auf der geniaIen Strategie des preuEischen Konigs beruhte. Und auf seiner Fahigkeit, schwere SchIage hinzuneh­men. Und daB es eben darauf ankommt, die !etzte SchIacht zu gewinnen. Der Sehulbub wird lernen, in Tschernitschew keinen Freund und Helden zu sehen, sondern einen Verrater. Ich hoffe, Sie haben mich verstanden!«

Ich hatte ihn verstanden. Ich ging mit dieser Bereicherung neuartiger Geschichtsauffassung zu Paul Wegener. Der hatte namlich den Tschernitschew gespielt. Da ich Wegeners Einstel­lung zu den Nationalsozialisten kannte - er hielt in keiner Weise damit hinter dem Berg -, glaubte ich, daB er mir eine glatte Absage erteilen würde, eine solche GeschichtsfaJschung mitzumachen.

Aber Wegener lachte nur drohnend los. Dann legte er mir seine groge Pranke auf die Schulter und sagte in einer Mjschung aus ostpreugischem und berliJùschem Djalekt: »Ist doch scheill­egal, Harlan, ist doch wurscht, was die hinkende Mkkymaus von uns will! Schreib man itnmer ordentlich lange Szenen, daB viele Aufnahmetage dabei herauskommen. Mein Vertrag ist abgelaufen. Das sind 2000 Mark pro Tag. Sag dem Goebbels,

137

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lch ~piele, was er will - aber blechen muB 'u er.« nd W cpielte widerspruchslos und vergnügt dl'e G ch'ch egener

es 1 tsfhl ch 'nd die Tobis muBte blechen. 5 ung.

Das war natürUch Resignation. Kurz vorhe h "ch h .... ratte Wegene

SI se r erregt nut nur daruber auseinanderg t r d

· 11 ese zt, weil ich le Ro e von Otto Gebühr überal! da nachs ch '.

__ n b l' yn rorusleren mw>te, wo er er me rte oder Franzësisch sprach lch .. n . mw:.te auch die Szenen wegnehmen, in denen sich der Kënig di ch" e ges warz-ten Enger an der Uniform neben dem Schwarzen-Adl 0 d . _. er- r en remlgte, nachdem er eme Prise Schnupftabak genommen hatte. Es hatte mir nichts genützt, Goebbels eine Stelle in einem Ge­schichtsbuch zu zeigen, in der diese Eigenart genau beschrieben

wurde. Durch die Fülle dieser Veranderungen verlor der Film einen groBen Teil seiner Originalitat. DaB der " Alte Fritz« berHnerte, schien Goebbels eine »distanzlose Unverschamtheit« zu sein und eine »Proletarisierung seines adeligen Wesens«. DaB prelillische Offiziere damais wirklich 50 sprachen, wuBte er natürlich genauso wie ich.

Der Film wurde vor den Nachaufnahmen und vor den neuen Schnitten in der Filmvorführung von Goebbels in Schwanen­werder einigen Herren vorgeführt. lch erkHirte mich wieder rur auJSerstande, den Tschemitschew in der gewiinschten Form umzuschreiben. Die groBartigen Schriftsteller und Dichter Ger­hard Menzel und Hans Rehberg wurden zu dieser Vorführung befohlen. Sie sollten die entsprechenden Szenen schreiben und sollten dem Film auJSerdem nom einige »Lichter« aufsetzen, damit der »Sarkasmus des Konigs" starker zum Ausdrud<. komme. Da der Film mit dem Einzug der Sieger in Berlin schloB, in dem der Konig seine Staatskarosse leer mitfahren lieB, wah­rend er sim allein in der Potsdamer Kirche ein Tedeum von Graun anhorte, wollte Goebbels diesen zwar historismen, aber geflihrlichen »KirchenschluJS" durch moglimst viele unmristliche

Bemerkungen Friedrims »entzaubern« - wie er sich ausdrüd<.te. lch glaube, er haBte die Christen nom mehr ais die Juden. AuE aile Fane waren sie ihm unverstandlicher.

Die von Gerhard Menzel geschriebenen 5zenen fanden den Beifa1l von Goebbels. Die 5zenen von Rehberg fanden keinen BeHa1l. Rehberg hatte selbst ein gutes Theaterstück »Der 5ie­benjahrige Krieg« geschrieben, in dem Gustaf Grundgens am

Staatstheater den »Friedrich« gespielt hatte. Er fand es schmach­voU, solche Geschichtsklitterung vorzunehmen. Er lehnte zwar nicht ab, smrieb aber etwai, von dem er wuJSte, daB ei unbrauch­bar war und lieB sich hoch daHir bezahlen.

Menzel hatte unter anderern eine Szene gesdu-ieben, in welcher der Reitergeneral von Ziethen den Konig über den Tod eines jungen Prinzen, eines Neffen Friedrichs, den er sehr ge­liebt hatte, trostet. Ziethen sagte zurn Konig: »Wen Gott lieb hat, den ruft er friih heim. « Der Konig antwortete darauE lake­nisch: »Na, dann werde ich tausend Jahre alt!« Ausgerechnet diese Forrnulierung benutzte Goebbels, urn zu erkHiren, was er rur eine »wahrhaft künstlerische 5prache« halte, die irn Film viel zuwenig Verwendung fiinde.

Nachdern die Stürrne über diesen Filmhinweggegangen waren, wurde er auf die Biennale nach Venedig geschickt, wo ich als Regisseur rur den besten auslandischen Film den »Mussolini­Pokal« erhielt. lch habe den Pokal nie ru sehen bekommen.

5tatt des sen erhielt ich jenen kolossalen Goldring, auf dem die Worte »Film der Nation« in did<.en Buchstaben aufgeschrnie­det sind. Es hieB bei der Obergabe : »Es ist der Pour le mérite des deutschen Films.«

Goebbels im Familienkreis

Ich wollte endlich von der Tobis weg, weil mir der Produk­tionschef von Demandowsky in keiner einzigen meiner vielen schwierigen 5ituationen echte Hilfe geleistet hatte. Vor alle~ nicht, wenn es darum ging, Goebbels in irgendeiner Entschel­dung umzustimmen. kit benutzte daher eine Einladung. bei Goebbels, an der viele 5chauspieler teilnahmen, ,hm memen Wunsch, bei der Ufa abschlieBen zu dürfen, vorzutragen.

Otto Heinz J ahn, der Produktionschef der Ufa, war ebenfalls eingeladen. 50 machten wir uns denn gemeinsam au~ den Weg und fühlten bei dem »5chi rrnherrn des deutschen Fllms« vor, ob er mein künftiges Engagement bei der UEa eventuell billigen würde. Aber wir kamen mit unserem VorstoB an diesem Ta~e ni<ht weit, denn es s<hob sich ein Unwetter innerhalb der Fanu-lie Goebbels dazwischen.

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lch sehc mich n o ch h eu te an einem g n .

T · ~.. . ro.,en welBg d k ISUl m lfgendemem Raum des H au ses vo G bb e ec ten . D .. n oe els i L

sltzen. er Mmlster u nd seine Familie sn . n anke M d

a.,en mit am T" ch ag a Goebbels, die k leine Helga Goebb 1 IS ,

Q d b K ·· e s, auch Harald uan t, n e en nstina und mir H einz Ott J h .. d 0 a n und n ch

elnlge an ere. Goebbels sprach von den Aus .cht 0 SI en auf .

baldigen 5 ieg. emen

Harald Quandt * - dam aIs etwa 15 oder 16 J h al d h

a re t - war er 50 n von Frau M agda Goebb els den sl·e· ·h , ln 1 rer ersten

Ehe d.em GroBindustriellen Q uandt geboren hatte. Ich hatte den E~ndruck, daIS er zwar sein e M utter und seine Geschwister sehr hebte, daIS aber zwischen ihm und seinem 5tiefvater eine 5pannung bestand.

Dieser Harald sagte plotzlich zu seinem machtigen » Vater« _ 50 nannte er fun -: »Das ist doch alles Unsinn. Der Krieg mit den Russen dauert noch mindestens zwei Jahre.« Goebbels fuhr wie eine Kerze hoch und schrie ihn an. Er vergalS sich in seinem Zorn 50 sehr, daIS er Dinge sagte, die er bei einiger Uberlegung bestimmt nicht gesagt hatte. Man erfuhr anlaBlich dies es Streits, daIS Goebbels schon im J ahre 1941 den Krieg rur verloren gehalten habe und daIS Deutschland zu »einem einzigen rau­chenden Trümmerhaufen« werden würde - »wenn RuBland nicht innerhalb des Jahres 1942 endgültig zusammenbricht«. Auch erfuhren wir, daB Goebbels es »schon immer für einen Wahnsinn gehalten« habe, in den Fehler zu verfallen, wieder eine zweite Front heraufzubeschworen, wie das »bereits Kaiser Wilhelm getan hatte«. Das waren handfeste Bemerkungen über Hitlers Fehlentschlüsse. J eder andere ware nach solchen Worten wegen »Defaitismus« augenblicklich eingesperrt worden. Frau Magda drückte ihrem Mann mehrfach die Hand. Sie war sehr besorgt. SchlieBlich saBen ja Leute am Tisch, rur die eine solche Offenheit ganz und gar nicht paBte.

Ais Harald Quandt bei seiner Meinung blieb, nahm das Ge­spram 50 heftige Formen an, daB Magda ihre ganze Kraft auf­bieten muBte, um ihren »Liebling« oder "Liebsten« - wie sie Goebbels nannte - zurückzuhalten.

Magda Goebbels lieB dann in einem spateren Gesprach rner-

• Lebt heute al. Dipl.-Ing. in Bad Hornburg.

ken, daB sie hoffte, wir würden die Nervositat ihres über­arbeiteten Mannes verstehen und nicht alles auf die Goldwaage legen. Das war der Nationalsozialismus! Auch die Frau eines der Machtigsten muBte sich vor Foigen fürchten, wenn dieser einmal seine wahre Meinung auBerte.

leh kam also an diesem Tage mit meinen eigenen Wünschen nich t sehr weit. Aber schlieBlich gelang es mir mit Hilfe des neuen Reiehsfilmintendanten Dr. Hippler, der mit dem Pro­duktionschef der Ufa, Otto Heinz Jahn, befreundet war, spiiter doch noch von Goebbels die Erlaubnis zu erwirken, von der Tobis wegzugehen und einen mehrjiihrigen Vertrag mit der Ufa abzusehlieBen.

Der FaU » Joachim Gottschalk «

Ich muBte, wie üblich, meinen Plan, nach dem ich »Die gol­dene Stadt« drehen woU te, beim Reichsfilmintendanten im Propagandarninisterium einreichen. Dieser Plan enthielt sowohl ein dreiseitiges Exposé und die Besetzung der RoUen ais auch meine Absicht, den Film in der neuen Agfaeolor-Erfindung ais Farbfilm zu drehen.

Die Antwort war ein striktes Verbot, den Film in Farbe zu drehen, und auBerdem war Joachim Gottschalk, der den »Leid­wein« spielen sollte, von der Liste gestrichen worden.

lch wuBte, daIS Goebbels den Marika-Rokk-Film »Frauen sind doch bessere Diplomaten« deshalb verboten hatte, weil er ihm aIs ers ter Agfacolor-Film farblich nicht gut genug war. Der Film wurde zwar spliter ein groBer Erfolg, aber Goebbels fand seine Farben »abscheulich bunt und unnatiirlich«. Er sagte, das Gras sei braun, die Menschen siihen aus wie Puppen und die amerikanischen Farbfilme, die mit gekaperten Sc:hiffen »er­obert« wurden, seien tausendmal besser. Unter anderen Fa.rb­filmen ha tte er uns den Film »Vom Winde verweht« gezelgt. Goebbels hatte nach der Vorführung an die Zuschauer eine Rede gehalten, in der er behauptete, daB der deutsch~ Farb~m im Gegensatz zum amerikanischen Technicolor-Film »eille Schande« sei.

Ich war Fest entschlossen, meinen Farbfilmplan durchzuset-

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zen. Au h hielt ich es für leich t, für Gottschalk die S . ni. zu erhalten. lch wurde zu Goebbels n h L ptelerlaub_

ac anke h' bestellt und fuhr mit meiner Frau h l'n D t Inaus-

. . or traf 'ch Professor Carl Froeltch, den Prasidenten der Reichsfi~a auch Goebbels hatte ihn zu diesem Gesprach wegen G nuner; stellt. ottschalk be-

Mein Kollege Carl Froelich war eigentlich imm h'lf b . . er 1 s erelt und darum wunderte es mlch, dé& er im Anfang des G .. ' . d ' l 'ch K b hl esprachs ln le gel e . er e sc ug wie Goebbels. Er fand den Farbfilm noch so unfertig, dag es leichtsinnig sei, einen zweiten Farbfilm z~ dre~~n, ehe das Material nicht wirklich gut sei. Wie Froelich mir spater sagte, hatte er dem Farbfilmplan nur deshalb so heftig widersprochen, um mir in der wichtigeren Sache besser helfen zu k iinnen.

lch gab Goebbels mit seiner Kritik an dem Farbfilmmaterial recht. 50 liebenswürdig der Riikk-Film auch war, das MateriaI war noch nicht gut genug. lch erkHirte ihm, dé& die Erfinder und Chemiker der Agfa-W erke diesen Mangel selbst erkannt hatten und dé& man jetzt dabei sei, ein Material zu entwickeln, rur das man viel weniger Licht im Atelier brauche, und das sich bei Probeaufnahmen bereits gliinzend bewahrt habe.

Wenn man sachlich mit Goebbels diskutierte und von einer Sache mehr verstehen durfte, ais er verstehen konnte, dann durfte man auch - wie der Berliner sagt - ziernlich keB werden. Ja, es durften sogar Ausdrücke wie »Quatsch« oder: »Das kôn­nen Sie ja gar nicht beurteûen, Herr Minister« fallen. Goebbels war in solchen Augenblicken zu stolz, um »übelzunehmen«.

Zum Schl~ sagte ich zu Goebbels: »Ich verpfiinde Ihnen meinen Kopf dafür, Herr Minister, daB >Die goldene Stadt<, in Farbe gedreht, ein Bombenerfolg wird.«

Goebbels sagte lakonisch: »Was fange ich mit Ihrem Kopf an, Herr Harlan?« Aber er lamte und darnit hatte ich ihn , bezwungen. Er gab mir die Erlaubnis, die Farbe zu verwenden.

Nun kam der zweite Teil: Joachim Gottschalk. Gottschalk war in einer sehr miBlimen Lage. Er hatte eine jüdische Frau. Goebbels hatte mehrfach geii~ert, daB dieser gute Smauspie-1er, der bei Klôpfer an der Volksbühne engagiert war, sim von der Jüdin trennen solle. Aber Gottschalk lieB sim nimt dazu bewegen. Er war deshalb vom Filmen schon eine Zeitlang auS-

geschlossen. Gottsmalk hatte mir vorausgesagt, daR ich mit ihm kein Glück bei Goebbels haben würde. Aber da ich sowohl Alfred Braun aIs auch manchen anderen Schauspieler, die bei Goebbels »persona ingrata« waren, durchgesetzt hatte, ja, da ich sogar Gustav Frëhlich mit einer groBen Rolle in "Der groge Kënig« hatte durchboxen kënnen, obwohl Goebbels ihn wie die Pest haB te, glaubte ich auch dies maI, mit meinem Angriff auf Goebbels' Entscheidung durchzukommen. Gottschalk spielte groBe Rollen an der Volksbühne; meiner Meinung nach konnte Goebbels um 50 weniger gegen ihn vorbringen, aIs auch viele andere Schauspieler, die wie Paul Henckels, Paul Bildt, Otto Wernicke, Meyer-Hanno u. a. jüdische Frauen hatten, in meinen Filmen beschaftigt worden waren.

AIs ich von Gottschalk zu sprechen anfing, bremste mich Goebbels sofort veriirgert und kam wieder auf den Film »Die goldene Stadt« zurück. Er war plëtzlich gegen die Verfilmung des Themas » Die goldene Stadt«. Er meinte, ich solle politische Filme drehen und nicht Filme, die man im Frieden machen kenne.

lch machte ihm daraufhin klar, daR der Film »Die goldene Stadt« insofem auch ein politischer Film sei, aIs er »die Land­flucht« behandele. Das Miidchen liiuft ja vom Dorfe weg und geht dann in der Stadt Prag zugrunde. Da Goebbels in seinen Reden immer wieder »die LandfIucht« behandelt hatte, redmete ich damit, seine Sympathie rur dieses Thema des Films zu ge­winnen. lch erinnerte ihn darum an einige Reden, die ich über dieses Thema von ihm gehert hatte. Er lieB sich von mir schil­dem, auf welche Weise ich diesen LandfIuchtgedanken in den Vordergrund des Filmes stellen wolle. Deshalb trieb ich auf die mir eigene hammernde Art den politischen Gedanken in der Geschichte nach vorne. lch hatte es bei ihm gelernt, wie man eine an sich unpolitische Sache auf wirkungsvolle Weise »auf Politik drillen« konnte. lch kopierte ibn also, und er,der wuBte, was Schlagworte waren, verRel den Sdùagworten selbst. Jeder, der den Film gesehen hat, wird bestatigen, daB der LandBucht­gedanke in ibm überhaupt nicht enthalten ist. Aber Goebbels, dem die ZweckmiiBigkeit stets 50 vordringlich erschien, daB er alles Sinnvolle darüber vergaB, war mit meinen Ausführungen zufrieden. Natürlich würde er spater enttauscht sein, wenn er vergeblich nach der .politischen Aussage« Ausschau hielt. Ich

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nahm aber dieses Risiko auf mich, um das Thema nicht lU

verlieren. Dadurch, daiS er von der »Goldenen Stadt« nun nicht wei ter

sprach, sondern das Thema "Gottschalk« ansdùug, wurde mir klar, daiS "Die goldene Stadt« von ihm »genehmigt« war.

Wir saiSen auf der Terrasse vor sein em Haus, auf der man auf elektrischem Wege die Fenster in den Boden versenken konnte. Der »groge« Goebbels spielte immer wieder mit seinem neuen spielzeug.

Er schweifte dabei von Gottschalk ab und leigte uns ein Bild von Bismarck, das, von Lenbach gemalt, über seinem Karnin hing. lch habe verges sen, was er über dieses Bild sagte, denn ich wuBte, daiS er nun »maikaferte«. D ieser Ausdruck starnmt von Goebbels selbst. Er meinte darnit die Bewegung dies es Tieres, wenn es mit seinen harten Deckflügeln langsarn und immer mem zu atmen scheint, ehe es sie ausbreitet, um abzu­fliegen. Er pflegte mich ofters mit diesem W ort lU irritieren, wenn ich eine Pause mach te, um eine prekare Frage vorsichtig zu beantworten.

Es entsprach ganz der Art von Goebbels, aus seinem Gesprach über Bismarck erschreckend plotzlich auf das Thema Gottschalk zurückzukornmen. Er tat dies, ohne auch nur den Ton zu wech­sein, und verstand es auf diese Weise, seine Zuhorer immer wieder wie "Ochsen vors s cheunentor« zu stellen.

Was sich dann ereignete, war einfach unfaEbar. In Gegen­wart meiner Frau und Professor Carl Froelichs gebrauchte Goebbels Ausdrücke über die sexuelle Horigkeit primitiver D~ts~er, die »raffinierten Jüdinnen« zum Opfer gefallen se~en, die jeder Beschreibung spotteten. Er erklarte, Gottschalk sel vor seinem schauspielerberuf ein einfacher Handelsmatrose ~.~~esen und daher den »ausgedachtesten sexuallisten« seiner Ju~schen Frau waFfenlos ausgeliefert. sowohl Froelich wie mir trieben die hemmung 1 A d "ck d ch d' 5ch " . s os en us ru e, ie er gebrau te, le

arnrote ms Gesicht M ' F h ' d . eme rau atte slch abgewan t. Carl Froelich d G tt ch Ik al p ' . . ,er 0 s a sehr gem mochte und der s

B arteEI~Itghed und Prasident der Reichsfilmkarnmer stets gro-en lnB.uB auf Go bb 1 h

J'ov' 1 B l' e es atte, versuchte zunachst auf seine la e er mer Art d' G grl'ff f d' ,le rausamkeit des Goebbelsschen An-s au le Ehe G tt ch lk

OSa s wieder aus der Welt zu schaffen.

AIs es aber statt besser sdùimmer wurde, s<hrie er - eigentlich auS Hilflosigkei t - schlieBlich Goebbels an.

Eine beangstigende Pause entstand. Es war das erstemal, daE ich 50 etwas erlebte. Der ruhige und besonnene Froelich hatte voll ig die Haltung verloren.

Goebbels war aufgestanden und ging hin und her. Froelich entschuldigte sich für seine Heftigkeit, aber das machte alles nur schlirnrner. Es ging Würde von dem Zorn Froelichs aus _ das war unübersehbar - , und das irritierte Goebbels.

»Es ist ja gar kein Grund zur Aufregung, Herr Professor Froelich«, sag te Goebbels. »Wenn Herr Harlan ihn in dieser Rolle besetzen will,darm kann er dasuntereinerVoraussetzung tun !« Dann wandte er sich an mich: "Haben Sie schon mit Gottschalk über die Besetzung der Rolle des Leidwein gespro­chen?« lch bestatigte das, denn ich muBte ja wissen, ob Gott­schalk überhaupt Zeit hatte. »Dann sagen Sie ihrn, er solI sich von seiner Frau trennen. Seine Frau kann sofort in die schweiz reisen. lch werde veranlassen, daE man ihr so schneU wie mog­lich einen PaE gibt. lch schatze Gottschalk selbst ais schauspie-1er. sagen Sie ihm das. Wenn er allerdings mit seiner Jüdin zusarnmen ein Feind des Nationalsozialismus sein will, dann kann er nicht erwarten, daE der Nationalsozialismus seine Feinde protegiert. « lch wandte ein: »Gottschalk hat einen sohn, der bei der Hitlerjugend ist, und einen Bruder, der einen hohe­ren 55-Rang bekleidet. « Goebbels antwortete kurz und hart: »Sein Sohn gehort nicht in die Hitlerjugend, und sein Bruder is t mit keiner Jüdin verheiratet. Er solI seine Chonte hin­schicken, wo der Pfeffer wiichst! Sind Sie nun zumeden, Herr Froelich?! «

Wir wuBten zwar nicht, ob Gottschalk zufrieden sein würde. Vielleicht aber war es ihm willkornmen, seine gefahrdete Frau in Sicherheit bringen zu konnen. lch fragte daher Goebbels, ob ich seine Bedingung ais »Zusage des Ministers« an Gottschalk weitergeben dürfe. lch bekam die Erlaubnis.

In dem letzten Gesprach, das ich mit Gottschalk führte, wu er sehr skeptisch, ob Goebbels auch halten würde, was er ver­sprochen hatte. Er interessierte sich sehr fur das Buch .Die goI­dene Stadt«, und er wollte auch einmal einen deutschen Farb­film sehen. lch lud ihn ein, in die Ufa zu kommen, wo ich ihm

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Proben zeigen wollte. Aber bald darauf erhielt im den Besmeid, daIS die Besetzung mit Gottsmalk definitiv verboten worden sei. Die Rolle wurde mit Paul Klinger besetzt. Gottsmalk hat mir eins aulSerordentlich klargemamt: 50 sehr er die Nationalsozia­listen verabscheute, 50 simer schien ihm zu sein, daIS sie den Krieg gewinnen und ihren Nationalsozialismus überall in Europa verbreiten würden. Da er bestirnmt nicht die Absimt hatte, sich endgültig von seiner Frau zu t rennen, wird ihm die Augenblickslosung, die sim ihm bot, weniger Hoffnung gemacht haben als anderen Menschen, die sicher waren, daIS die Grau­samkeit des Antisemitismus irgendwann ihr Ende haben mu/Ste.

lch erfuhr dann nom, daR es Gottsmalk auch verboten wurde, auf eine »Wehrmamtstournee •• zu gehen. Diese Wehrmachts­toumeen wurden von Hans Hinkel arrangiert. 5mlieISlich 5011

noch eine Unterredung zwismen Hinkel und Gottschalk in der SchlüterstraRe in der Reimskulturkammer stattgefunden haben. lm Anschlu/S daran vergiftete sim Gottschalk mit seiner Frau und seinem Sohn mit Gas. Das gesmah im November 1941.

Die Beerdigung der drei Toten wurde zu einer Demonstra­tion. Jeder Schauspieler, der mitgegangen war, wurde auf Be­fehl von Goebbels photographiert "'.

Wir waren damais bereits in Prag und drehten den Film »Die goldene Stadt«. Dort erhielt ich auch die erschütternde Nach­richt. Mich beherrschte die schrecklime Empfindung: Durch meinen VorstolS bei Goebbels sei diese Tragodie ausgelost worden. Vielleicht hatte Gottschalk noch jahrelang am Theater weiterspielen konnen, wenn ich damaIs das Gespram mit Goeb­bels nicht 50 auf die Spitze getrieben hatte.

Mit diesem tragischen Vorspiel also begann der Film, der eine 50 groge Bedeutung rur Kristinas und auch mein Leben haben soUte.

• E. gingen ·t · B .. Wolfgang Lie~n·· ng'tte

d Horney, René OeItgen, Gustav Knuth,

e'ner un Ruth Hellberg.

»Die goldene Stadt« nach Richard Billinger Durchbruch des deutschen Farbfilms

Bei der Vorbereitung für den neuen deutsmen Agfacolor­Film half mir ein Mann, mit dem im mim heute noch. freund­schaftlich verbunden fühle. Er war einer der leitenden Herren der IG-Farben, Eduard 5monicke. Viele Jahre lang war er mein bester Mitkampfer um die Verbesserung des deutsmen Farb­fi lms, denn von nun ab mamte im nur noch Farbfilme.

Die Au/Senaufnahmen fanden in Prag statt. lm hatte mir den jungen, bis dahin unbekannten 5mauspieler Kurt Meise!, der diese Rolle smon in dem Theaterstück Rimard Billingers "Der Gigant •• im 5taatstheater gespielt hatte, für den Film geholt. lch engagierte aum die pramtige Annie Rosar, die wohl ihren ersten grof5en Filmerfolg in der »Goldenen 5tadtc hatte. Paul Klinger spielte die Rolle, die Gottsch.alk zugedamt war. Eugen Klopfer spielte den Bauern, den Vater Annusch.kas, und Liese­lotte 5chreiner, die zum erstenmal in einem Film zu sehen war, spielte die Magd. Auch Rudolf Prad<: kannte damals noch. nie­mand. lch holte ihn fur den Knecnt, der sich in Annusch.ka ver­liebt. Bis in die kleinste Rolle war der Film mit ersten 5ch.au­spielern besetzt. 50 spielte Hans Hermann 5maufuB eine drol­lige Rolle, und die Hauptrolle in der »Goldenen 5tadt« spielte meine Kristina.

Es war gar nicht einfach, das Drehbuch aus dem vollendet gebauten Theaterstück herzustellen. Der Dichter Richard Bil­linger wollte mir eigentlich helfen. Aber er fand mehr Ver­gnügen an den priichtigen Knodeln und dem dazugehorigen Sa&lleisch, das eine bohmische Kochin in meiner Wohnung in Berlin-Charlottenburg wohl zuzubereiten verstand. Er war aIs Didüer seines 5tüd<:es auch viel zu befangen, um für das Dreh­huch wirklich brauchbare Ratschliige geben zu konnen.

Mit besonderer Zartlichkeit denke ich an meine ZusammeD­arbeit mit Frieda Richard, jener alten Schauspielerin. die Max Reinhardt entded<:t hatte. Es war eine wunderschëine Arbeit -ein hannonischer Zusammenklang. »Die Moldau« vonSJDetana wiihlte ich ais durchgehendes musika1isches Motiv für di BI

Film, auch entlieh ich von diesem Komponisten eini&e Melodie aus der Oper »Die verkaufte Braute. Die Musiit luit in awi. p

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Filmen stets zur Dramaturgie geh6rt, was bei diesem Film besonders zutage trat. Denn »Melodien sind Abstraktionen der Wirklidù<eit« und heben in diesem Sinne das »bloE Foto­grafierte«.

Wenn der »Goldenen Stadt« ein ungew6hnlicher Erfolg be­scrueden war, dann hatte das mehrere Gründe. Der Hauptgrund liegt natürlich in der Dichtung Rich.ard Billingers. Ein zweiter und wesentlicher Grund liegt in der Musik Smetanas. Ein dritter Grund liegt in der Sensation, die der erste deutsche Farbfilm ausloste. Denn der Film »Frauen sind doch bessere Diplomaten« wurde von Goebbels erst freigegeben, nach.dem das Ansehen des Agfacolor-Verfahrens durch. »Die goldene Stadt« gefestigt worden war. Der vierte Grund lag in einem geradezu beispiel­haften Ensemblespiel und, wie ich. zu sagen wage, in der Dar­stellungskraft und der Personlidù<eit Kristinas.

Der Produktionschef der Ufa, Hans Heinz Jahn, rief nach. der ersten Vorführung, die ich für ihn allein veranstaltete, alle »Herren der Ufa« zusammen, urn den Film noch einmal vor­führen ru lassen, bevor er bei Goebbels abgeliefert wurde. Wir emteten schon damais in dem Vorführungsraurn der Ufa einen einmaligen Applaus.

Dann nahm Hans Heinz Jahn mit stolzgeschwellter Brust den Film, um ihn Goebbels irn Propagandarninisteriurn vorzu­führen. Nie war ich 50 sicher wie damais, auch vor Goebbels einen trfolg zu haben. Aber es sollte wieder einmal anders kommen. Goebbels emporte sich erneut über meine »politische lnstinktlosigkeit« und wurde bose.

lm hatte namlim, entgegen dem Ausgang des Stückes "Der Gigant«, die Annusdtka nimt irn Moor versinken lassen. Es sdüen mir ein homst unmoderner und unreligioser Gedanke zu sein, daB ein Madmen, das ein Kind tragt, nur weil der Vater des Kindes sie verlassen hat und weil ihr eigener Vater sie enterbt, sim das Leben nimmt.

. Aber Goebbels war anderer Ansicht. lch muBte sofort bei ,hm ersmeinen. Auf seine drastisme Art stellte er mir vor daB di ,

~ses "Bauernhürmen« nun einen Sohn zur Welt bringen wurde, der, »mit der Kreissage auf dem Kopf« ein ekelhaftes "dTsthethenbalg« werden und ais zukünftiger Érbe des Hofes

en Bauern spiel 00 d d 1 en Wur e. er er seiner Natur nach niema s

sein k6nne. 50 ange tan er von der Darstellung Eugen Kl6pfers der einen ,>echten deutsch.en Bauern,( verk6rperte, 50 an­war,

etan war er auch. von der Gestalt des "Prager Louis", den ~eisel spielte. - Der aber mach.e gerade in seinern Spiel deut­Iich, was für ein verabsch.euungswürdiges Wesen 50 ein Tsch.eche

. Und das Kind eines solchen solle nun Erbe des Hofes wer­sel. den! Was ich mir eigentlich dabei gedach.t hatte!

Der Reichsfilmintendant Dr. Hippler war begeistert von dern Film und Fest entschlossen, mir bei Goebbels zu helfen. 5chon of ter hatte er mit einem Mut, den nur wenige Mitglieder des Propagandaministeriums vor Goebbels aufbrachten, Goebbels widersprochen. Aber Goebbels lieE ihn dies mal kaurn zu Worte kommen. Er stach ihn f6rmlich mit seinen Augen, wenn er ihn zornig anschaute, bis Hipplerendlich aufreizend fragte: » Warum sehen Sie mich eigentlich immer 50 b6se an, Herr Minister?! Als lhr Reichsfilmintendant wollen Sie mich doch nicht etwa in meiner wahren Meinung einschüchtern!«

lch mach te mich wieder einmal auf einen furchtbaren Donner gefaBt. Aber der blieb aus. Es war eben 50, daB eine wirklich mutig vorgetragene Gegenrede oder besch.amende Wahrheit Goebbels zwar argerte, daB aber gerade dann sein Bestreben überwog, sich auf keinen FaIl kleinlich. zu zeigen. Hippler hatte kurz vorher schon einmal leise, aber doch. 50, daB Goebbels es horen muBte, das Wortchen "Kase« fallen lassen. Goebbels sagte nun nach einer ebenso spannenden wie furch.terregenden Pause: "Antworten Sie selbst, Herr Harlan. Wie ich. weÏB, hat lhr Dichter Billinger die gleich.e Ansch.auung wie ich.. In seinem Stück stirbt das verführte Madch.en genauso wie in Hebbels Tragodie ,Maria Magdalena(. Sie haben mir erzlihlt, Sie wollten einen Film gegen die LandRucht machen. Was haben Sie getan? Sie haben einen widerlichen tschechischen Stiidter zum Bauern eines Erbhofes erhoben. Wollen Sie auf diese Art die Landflucht bekampfen?«

Ich antwortete: "Aus meinem Film geht doch deutlich hervor, dag Annuschka schlieBlich den Bauemknecht heiraten wird und nicht den tschechischen Stadter. Der hat sie ja verlassen .•

Da schrie Goebbels mich plotzlich an: "Und das Kind7/ Du Kind wird doch der Erbe! Er ist doch. der Atteste. Er wird sei­nem Vater ahnlich sein! Wo wird in dem Fûm gesagt, dd cler

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künftige Ehemann, der bereits gehornt in seine Ehe geht, den Sohn seines Vorgangers enterben wird7!«

Nicht aus gewollter Frechheit, als vielmehr aus VerblüHung sagte ich : »Herr Minister, Sie wissen ja noch gar nimt, ob's ein überschlug sich in seinem Zorn, Er verbat sim entrüstet meinen J unge oder ein Madchen wird,«

Diese lapidare Feststellung war 50 zwingend, daB Goebbels initiert vor mir 5tehenblieb. Hippler milite lamen. Goebbels

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"unangebrachten Humor«. Er wandte sich emport ab und beEahl mir, den Fûm »im Sinne Billingers zu andem«, wenn ich schon nicht ihn, den Minister Goebbels, verstehen wolle.

Goebbels schmig mich zwar nicht hinaus, aber Hippler nahm eine stramme Haltung an, klappte die Hacken zusammen und gab mir einen Wink, mit ihm hinauszugehen. Draugen ange­kommen, krümmte sich Hippler vor Lachen. Mir war allerdings nicht zum Lachen zumute.

Also: Annuschka mugte sterben. lch legte die Veranderung zuniichst in einem Drehbuchvorschlag vor, in dem Annuschka zum SchluJS befehlsgemaB starb. Aber Goebbels wollte eine politisch deutliche AuJSerung der Annuschka haben. Sie solI te sagen: »lch habe meine Heimat zuwenig geliebt und mue des­halb sterben.« Und diesen Satz schrieb er in meinen Verande­rungsvorschlag hinein. lch habe diesen fürchterlichen Satz etwas abgewandelt in die Schlueszene, in der Annuschka mit ihrer toten Mutter spricht, aufnehmen müssen. Aber die Szene, in der Annuschka am GrabkreuzAbschied von der Welt nimmt, wird von Kristina so erschütternd gespielt, dae der »politische Dreh«, auf den Goebbels so grogen Wert legte, von keinem Zuschauer wahrgenommen wird.

Ais der Film abgeliefert wurde, war Goebbels zufrieden. Er begriindete »die hohe Qualitat« mit den von ihm veranlaiSten Veranderungen. Die Nachaufnahmen kosteten etwa einhundert­amtzigtausend Mark.

Auf der Biennale in Venedig hatte der Film einen rauschen­den Erfolg. Kristina ging in dem buntbestickten blauen Bauern­kleid, das mit roten und goldenen Rosen übersat war in die Premiere. Sie ging dann aueh. in diesem Kleid durch di~ Lagu-nenstadt die man ' d R ' '" d

' ID er el1aJ.ssance-Zelt »dle silberne Sta t« gvenannl . t hat. Steter Jubel begleitete sie. Kristina bekam den » 0 Pl-Pokal« für di b d li' . . ,

'" e este ars te ensme Lelstung m emem europatsmen Film lm b k fü' . > P . d P . e am r die beste Regieleistung den > reis es "'d d d M rasi enten er internationalen Filmkammer« da ich en» ussolini-Pokal« ch '

hatte il' s on hatte. lch unterstreiche das »schon «, we nur der M 1" P k

hiitte "b '..1. usso lnl- 0 al, den ich von Goebbels u errelmt bekomm .. Wurde Gena b k en mussen, niemals ausgehiindigt . uso eamwd . mals zu seh ..1. • e er meme Frau den Volpi-Pokal je-en, nou, lm »den P . d

reis es Prasidenten«.

AIs Produktionschef abgesetzt, aber zum Professor ernannt

In dieser Zeit maente ien eine weitere hoenst unangenehme Erfahrung mit Goebbels: Der Generaldirektor der DEa, Dr. Lud­wig Klitzsen, hatte mien naen einer Rückspraene mit Hugenberg zum ProduktionseneE der Dfa emannt"', weil der Produktions­chef Otto Heinz Jahn ais Chef an die neugegründete "Berolina­Film« gehen soli te. Dr. Klitzsen hatte Goebbels nient urn Erlaub­nis gefragt, weil er naen der hohen Auszeichnung, die mir zuteil geworden war, und naen meinen von Goebbels gerührnten ErfoIgen der Meinung war, dae seme Auffassung, ien würde die Ufa ais Produktionsenef am besten leiten, von Goebbels geteilt werden würde. Dr. Klitzsen wollte wohI auen ein fait accompli schaffen, denn er litt unter der irnmer weiter fort­schreitenden Entmachtung ais Generaldirektor. Die Dfa war ja mit der Finanzhilfe Hugenbergs sein eigenstes Lebenswerk.

Dr. Klitzsch muiS eine aueerst unangenehme Auseinander­setzung mit Goebbels gehabt haben, bevor ien dann ins Pro­pagandaministerium befohIen wurde. Goebbels nahm mir das Amt des Produktionschefs kurzerhand wieder ab. AIs ien Dr. Klitzsch spiiter einmal fragte, was eigentlien bei Goebbels vorgegangen sei, winkte er nur müde ab und sagte leise: »Las­sen Sie mich mit dem Ker! zufrieden, mir dreht sien der Magen um.«

Goebbels erkIiirte mir, es sei volIig ausgesdùossen, daB im den Posten eines Produktionschefs der Ufa behalten konne. lm sei ein QueruIant. IntelIigent, wie Goebbels war, raumte er mir zwar ein, dae am Widersprum sich meine künstlerisme Be­gabung entzünde - bei ihm sei das 50 iihnlich gewesen _ und daiS ich daher Wildheit und Widerspruch brauche, um mich zu ~ntfalten. Er vergaiS aber nicht, zu betonen, dae ich aus eigener Arfahrung wissen müsse, wie gut er Widersprüche künstlerischer .. 2 vertragen konne. Leutselig sagte er, ich solIe bleiben, was lu, . d d sel, enn es sei volIig ausgesdtlossen, daiS die bedeutendste

eutseh.e Filmfirrna von einem Geist wie dem meinen gesteuert Werde leh. ck . d '..1. ..1. . zu te mit en Seh.ultern - was sollte IUt auU1 sagen . • A

m 7. Januar 7943.

1"

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Goebbels drückte mir dann sogar sein M itgefühl für meine »verstandliche Enttauschung« aus. Er m achte die Voreiligkeit von Dr. Klitzsch darnr verantwortlich und würzte seine »Raus­schmigrede~ mit einer Fülle von Schmeicheleien über meinen Wert ais Regisseur.

!dl will hier bekennen, daR ich über diese brutale Absage sehr enttauscht war. Es war stets mein Ideal gewesen, junge Regisseure, 5chauspieler und Autoren an den geeigneten Platz zu stellen. Es gibt leider keine Regisseurschulen, die nach meiner Meinung notwendiger gebrauch t würden als Schauspiel­schulen. Die Regisseure sollen die Schauspieler zu hohen Lei­stungen führen und brauchen desh alb eine viel sorgfaltigere 5chulung und Ausbildung aIs die Schauspieler.

Wenn dann mein Kollege Wolfgang Liebeneiner diesen Posten bekam, dann gewiB nicht deshalb, weil er dem National­sozialismus nahergestanden hatte als ich.. Liebeneiner war Thomas-Mann-Verehrer und das genaue Gegenteil eines Na­tionalsozialisten. Die Gründe, die Goebbels hatte, ihn für diesen Posten zu bestimmen, lagen wohl im Wesen von Lieben­einer, der ausgeglichener und umganglicher ist als ich.

Diese Umganglichkeit vergaR Liebeneiner allerdings, aIs er sich fur den mit dem Todesurteil bedrohten Pressemann der Ufa, Düwell, mit einem ungewi:ihnlichen Mut einsetzte.

Der »Fall Düwell« ging bis zu Freisler " . lch. war an Lieben­einers Seite ebenfalls mit von dieser »traurigen Partie«. Wir ernteten einen harten, allerdings nur sch.riftlich.en Rüffel dieses bësartigen Komëdianten-Richters Freisler. Der vi:illig unschul­dige Düwell aber, der in der Ufa-Kantine lediglich das Wort hatte fallen lassen: »Mir ist es wurscht, unter wem ich Filme ~~e - unter Adolf oder unter Josef«, wurde hingerichtet. Tonchterweise hatte Düwell zugegeben daR er mit Josef nicht Goebbels, sondem Stalin gemeint hatte:

P Nach der Hinrichtung Düwells steIlte Liebeneiner seinen osten ais Prad kt" .J..

t t d u IOnSUlef der Ufa zur Verrngung - und zwar a er asaufein W· d· k.

du th "'- e else, le Goebbels sofort ais Obstru tlon r Scnaute Lakonl·s"'-· d .d_

. Ul Wles er as Rüd<trittsgesuch. ZUTU""· • Pra'ident des Volk . handlungSführun sgenchtshofs, berüchtigt für seine infame Ver' g.

50 blieb Liebeneiner noch eine Weile auf diesem Posten, um

den ich ihn nun nich.t mehr .. beneidete. . .... ... Als jedoch spa ter das funfundzwanzlg)mnge Jubllaum der

Vfa gefeiert wurde, wurden Wolfgang Liebeneiner und ich. durch ein persi:inlich.es Schreiben von Hitler zu Professoren er-

t " Generaldirektor Klitzsch. bekam die »Goethe-Medaille«. nann . Geheimrat Hugenberg, der Begründer der Vfa, der im ersten Kabine tt HitJers Minister gewesen war, sich aber ais Deutsch.­nationaler mit Hitler verfeindet hatte, wurde mit einem hohen Orden ausgezeichnet.

Zu die sem Jubilaum hatte Erich. Kastner den »Münchhausen,,· Film geschrieben. Hans Albers spielte neben Ferdinand Marian die Hauptrolle. Die Regie führte Joseph von Baky. Dieser Film machte das Jubilaum zu einem pompi:isen Fest.

Die ]ubilaumsfeier fand im Ufa-Palast am Zoo statt. Meine Frau und ich bekamen Platze, die auseinanderlagen. Sie saB in der ersten Reihe auf dem Balkon, und ich. soIlte unten in der ersten Reihe des Parketts Platz nehrnen. lch. wünsch.te die Kar­ten umzutauschen - das wurde mir aber hi:iflich. verwehrt. Die Karteneinteilung habe das Ministeriurn vorgenornrnen.

lch muR te also in der ersten Reihe neben Geheimrat Hugen­berg sitzen. Zu meiner Rechten saR die NSDAP-GrèiBe Robert Ley, dessen Verbundenheit mit der deutsch.en Kultur sich. unter anderem darin ausdrückte, daR er seine Toch.ter "Lore« genannt hatte. Ley war, wie meist, angetrunken. Er sch.üttelte mir schwankend ZUT Gratulation die Hand. Da ich keine Ahnung hatte, womr er mir gratulierte, laIlte er ein paar Worte der Entschuldigung, daR er Goebbels vorgegriffen habe. lch wuBte dadurch, daR hier irgend etwas vor sich gehen soli te. Goebbels stieg auf die Bühne und sprach über die Geschichte und die Internationalitat der Ufa. Dann sprach er über den griiBten Erfolg, den die Ufa jemals gehabt hatte, meinen Film "Oie gol­dene Stadt«. AIs Schi:ipfer dieses Ufa-Films überreichte er mir die Emennungsurkunde, die mich zum Professor machte.

DaB ich damais sehr stoIz auf diese Auszeichnung war, denn mr diesen Film hatte ich ja meinen »Kopf verpfindetc, wird mir wahl niemand emstlich übeInehmen.

• Am 4. Marz 1943.

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\'\'ir trafen uns danach in der Villa von Professor C 1 F . b d d' ar rOe_ hch. Hans Al ers war a, er Regisseur von Baky, Wolf

liebeneiner, und schlielSlich kam auch Goebbels. lm Mittel ~~g des Gesprachs stand sehr lange Erich Kastner GoebbelP t

. s War sehr angetan von ihm. Wenn ich nicht irre, hatte Goebbels zu-nachst Schwierigkeiten in der Reichskanzlei, den Dichter aIs Filmautor durchzusetzen. Kastner hatte immerhin das Gedicht über den ersten Weltkrieg geschrieben » Wenn wir den Krieg gewonnen hatten - zurn Glück gewannen wir fun nicht«. Aber Goebbels hatte mehr von Kastner gelesen und erklarte: »Es ist sehr tOridlt, solche Leute wie Kastner auszuschalten. lhren Esprit hat die deutsche Kunst sehr notwendig, und gerade an Esprit fehlt es dem Deutschen so leicht. lch habe Schwierig­keiten wegen Kastner gehabt - es ist gut, daB ich sie überwin­den konnte.«

Goebbels hatte diese Schwierigkeiten gar nicht »überwun­den«. Hippler, der fur das Engagement Kastners seinen ganzen EinHuR gel tend gemacht hatte, sollte spa ter nom teuer dafür bezahlen.

Der SA-Film

Wenige Tage nam der Emennung zum Professor bekam im einen Anruf von einem Herm Smulz, dem Leiter des Baran­dow-Ateliers in Prag, der mir auftrug, im solle mim sofort _ alles muRte immer »sofort« sein _ beim Stabsmef der SA, Lutze ", melden. Der Stabsmef residiere in der Reimskanzlei, Eingang VoBstraRe, und wiinsme, mit mir über eine wichtige Same zu spremen.

Seit 1937 hatte situ dieses Gebaude sehr verandert. Die GroBenmaRe der Raume und der Figuren waren ins Gigantische gewamsen. Zum erstenmal ging ich durch die breite, marrnome Wandelhalle der neuenReimskanzlei. über einer dermamtigen Türen prangte, aIs saBe der Sonnenkonig Ludwig XIV. da­hinter, ein riesiges Wappen. Auf dem Wappen war, ahnlim wie Albremt Dürer sein A. D. zu zeimnen pflegte, ein .. A. H «

zu lesen. Die Wame, die uns begleitete, sah mit Ehrfurmt auf

• Nachfolger

von Rohm, der 1934 auf Hitler. Befehl erschossen wurde.

. se Türe und erklarte uns, daR im Augenblick der Führer die "f} d-f} br G "1 b . ihm "nI'ch in diesem Raum sal>e, aI> me ere enera e el perso 1 • • •

.. und sogar ein katho\ischer BlSchof. Dann wurden wu ID waren . . Eckzimmer geführt, das an der Ecke WilhelmplatzNol5-

eIn_ f} 1 g Hier residierte in pramtiger ordensübersater Uni-straDe a . .. fo rm, mitGold und EimenIaub ges~~ckt, der.~ta~schef Lu.tze.

D Stabschef war auRerordentlim Iiebenswurdig. Er bench-er habe meinen »GroBen Konig« gesehen und auch »Die tete, er 'ch 15

goldene Stadt«. Er wolle nun einen Film ha~en~ den 1 50 gro aufziehen soli te, wie ich den Film um Fnedrich den GroBen gestaltet hatte. In dem Film sollte~ di~ Geburt der SA, ~es H t-Wessel-Liedes« und smlieBlich die Waffen-SA gefelert

» ors f} K'" t d 1-'- sollte ebenso, wie ich es im "Grol>en orug« ge an wer en. Ul . G chicht d

hatte eine Liebesgesmichte erfinden und die es e es Held~n Horst Wessel geschichtsgetreu zum F~darnen.~ des St­Gedankens machen. Er habe diesen Plan nut de~ Führer e-

ch D Führer sei von dieser Idee sehr emgenommen. spro en. er finanzi Il Art ais auen Er versprach mir jede Hilfe, sowohl . e er r mir daR ich durch die Mitwirkung der SA. Dann verslenerte e ,

ch f · mas si ven Dank rechnen neben meiner Gage au au emen konne der »nicht von Pappe« sei. D

' clin ch »nient von Pappe«. as Der Auftrag war aller . gs a.u te banale Melodie, die

Horst-Wessel-Lied * selbst Ist eme al f ih Bank . . "denen abends au rer in meiner Jugend die Dlenstma . talen Text sangen.

-,-. d 'nem sentimen var dem Haus naUl Irgen el . 1 W ener smon ein-.. d f} 't d 5chausple er eg Lutze erzahlte, al> nu em d ei der aber seiner

1 Film emaent wor en s , mal ein Horst-Wesse - g G bb 1 zunaenst verboten nh . n von oe e s Unvollkomme elt wege ft vurde*' Das vater-

W tmar« umgetau > . und dann in »Hans es.. Film dem Helden der deut-landisme Denkmal, das mIt dlesel1m . k1a"glich daneben ge­

d soteseJ· schen Jugend gesetzt wer e~ 'einte er daB ien wüBte, -'- b h"tte beWlesen, 50 m, d' lungen«. lUI a er a . lch ware der einzige, der Je

was »heroisenes Dcnken« sel. k" e 50 wie ien die Moldau 1 wetzen onn. Smarte von dama 5 auS

.. wurde 1930 ermordert, ~ahrscheiJ.'-• Horst Wessel, ein SA-Fuh~~~~m Streit zwischen ZuhaItem. Sem

lich im Zusammenhang mIt t chlandlied« Nationalhymne. d lied wurde neben dem ·d~eums Film sdlfieben Paul Wegener un

b ch . u !ese +. Das Dreh u 7.

Hanns Heinz Ewers .

1~7

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»meisterhaft« in der »Goldenen Stadt« verwendet hatte, 50

soUte ich es jetzt mit dem Horst-Wessel-Lied tun. Es mügte natürlich ein Farbfilm werden.

lch hatte gehart - und zwar von Heinrich Hoffmann, der es ja wissen mugte - , dag die Farbe der SA-Uniform zu Anfang der »nationalen Bewegung« ganz zufallig von Hitler gewahlt wurde, weil er einen gewaItigen Posten verfarbten Tuches gesmenkt bekommen hatte. Schon die Farbe dieses Tuches, die zur Grundfarbe des Filmes hatte werden müssen, erfüllte mich mit Schrecken. D~ Lutze den Geist der SA 50 dargestellt sehen wollte, wie im den Geist Friedrichs des Grogen dargestellt hatte, war eine Aufgabe, die vallig unerfüllbar war. Ganz abgesehen von dem »Wert« des »Horst-Wessel-Liedes«.

lm entsdùog mich, zu Hippler ru gehen und ihn um Hilfe zu bitten. Er ersmrak einigerm~en, dag der Stabschef - anschei­nend aum nom mit Billigung Hitlers - einem Filmregisseur sowohl einen künsÙerischen Auftrag ais auch die Finanzierung anbot. Solche Beauftragungen fielen grundsatzlich und allein in das Ressort des Propagandaministeriums. Er erinnerte sich mit Smrecken daran, dag Leni Riefenstahl einstmals von HiÙer selbst sowohl den Auftrag ais auch die Finanzierung für den Film »Tiefland« erhaIten hatte. Wortlim sagte er, daE »Leni nun seit Jahren dreht, ohne daR man etwas zu sehen bekommt und ohne daR Goebbels sich einmischen darf«. Hippler besorgte mir daher sdùeunigst einen Termin bei Goebbels.

Goebbels tat meine Besorgnisse, diesen Film machen zu müssen, mit einer argerlichen Handbewegung ab. Er hatte andere Aufgaben für mich, und ich solle mich nicht mehr um dieses Filmprojekt kümrnern. Wie er dies en »Lieblingsgedanken des Führers« - wie Lutze sich gea~ert hatte - abgebogen hat, weilS ich nicht. lch horte jedenfalls nichts mehr davon.

»Immensee« und »Opfergang«

Der Film :Die goldene Stadt« hatte wegen der vielen Farb-filmversuche ,die ich vorher machen lassen m~te . H , elne er-'. Bi. dahin. war der deul.che Farbfilm an der man elnd nlS der .pezlellen Bedingungen des Farbfilms gescheif t en Kennt­er .

stellungssumme von :1,8 Millionen gekostet. Heute ware das nicht viel, damais war das sehr viel Geld. Meine Vorschlage waren »Immensee« nach Theodor Storm, "Opfergang .. nach Rudolf Binding, und »Pole Poppenspaler«, ebenfalls nach Theo­dor Storm. In allen diesen Filmen soUte Kristina die Hauptrolle spielen. Sie sollte auch immer die gleichen Hauptpartner haben. !ch hatte ais ihre Partner Carl Raddatz und Paul Klinger aus­gesucht. Die Augenaufnahmen aller drei Filme solIten in Sdùes­wig-Hoistein gedreht werden. Ebenso sollten die meisten ande­ren Schauspieler in allen drei Filmen beschaftigt werden. Die lnnenbauten im Atelier wolIte ich ais Wande stehen lassen, nach Beendigung der jeweiligen Aufnahmen die Dekorationen ummaIen und ummablieren lassen, um am nachsten Tag dort den zweiten bzw. dritten Film spielen zu lassen. »Die Herstel­lungsgruppe Veit Harlan« in der Ufa hatte gemeinsam mit dem Produktionsleiter Erich Holder und den Aufnahmeleitem er­rechnet, dag in diesem FaIl drei Filme für den Preis von zwei Filmen hergestellt werden konnten.

Goebbels fand den Plan gut und meinte, d~ er ,,5chule machen« würde. Es war ein pdizises Programm aufgestellt wor­den, das von den Kaufleuten gegengezeichnet war.

Aber bald wurde ich wieder zu Goebbels geruEen *. Er las mir den Brief eines bekannten 5chauspielers var. Hatte dieser Schauspieler, der auch noch der Partei angehorte, gewuBt, daB Goebbels mir seinen schiindlichen BrieE vorIesen würde, dann hatte er ihn wahrscheinlich nicht geschrieben. In dem Brief wurde ich zwar ais der »beste 5chauspielerführer« gepriesen, doch wurde heftige Beschwerde darüber geführt, daB id! mid! nur um Kristina 50derbaums Karriere kümmere und dadurch die anderen Schauspielerinnen, z. B. seine eigene Frau, aus der Produktion meiner Filme vollig ausgeschlossen waren. Goebbels las mir noch andere, ahnIich lautende Briefe var, in d~ sid! Schauspieler und Schauspielerinnen in g1eicher W~ ~ Georg Jacoby beschwerten, der stets nur mi~ Marika ROkk Filme mache und über Heinz Rühmann, der keme andere Part-­nerin anerk~nne als seine Frau Herta Feiler. In diesen Brielen wurden auch Regisseure erwahnt, die Verhiiltnisse mit Sc:hau-

• Am '4. April '94~·

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spielerinnen hatten und deshalb nur Schauspielerinnen beschaf_ tigten, die mit ihnen »schlafen gingen«. Kurzum: Durch die vielen Briefe aus Kollegenkreisen war eine wahre Verschwo_ rung gegen die »Familienfilmerei«, wie Goebbels es nannte zustande gekommen. Er erklarte mir dann, daB ich nur eine~ der drei Filme mit Kristina machen dürfe. !ch antwortete ihm: »Dann fallt das ganze System ein, nach dem ich die Filme ge­plant habe. Die mannlichen Partner sind ja auch immer die­selben.« Goebbels lachte mich aus: »Ach, das System ist an lhre Frau gebunden? Sehen Sie mal an! Die mlinnlichenPartner konnen Sie ja behalten. AuJ5erdem wünsche ich, daB auch andere Regisseure Gelegenheit bekommen, die Hauptrollen in ihren Filmen mit lhrer Frau zu besetzen.«

lch wurde sehr nervos und sagte ihrn, daB das schon deshalb gar nicht ginge, weil die drei Filme durcheinander gedreht wer­den sollten. Damit sei meine Frau ohnehin die ganze Zeit be­schaftigt. Sie würde also lediglich für zwei Filme lahrngelegt und trotzdem das gleiche Geld bekommen. Das ware doch ziemlich sinn!os. SchlieBlich sei Kristina ja auch eine wertvolle Zugbesetzung.

Aber Goebbels lieB sich nicht von seiner Idee abbringen. Er befahl mir, es 50 einzurichten, daB Kristina in der gleichen Zeit einen anderen Film machen konne.

Jetzt ging ich aufs Ganze. lch erklarte ihm, daB ich ais »Ehe­mann« nicht wolle, daB meine Frau unter anderen Regisseuren spiele. Goebbels sah mich verblüfft an. lch sah es ihm an, daB er sich entschloB, mich zu demütigen und »zur Raison zu brin­gen«. Aber ich hatte das ebenso schnell erkannt und beschloB, mich selbst zu demütigen. Ais er mich in verletzendem Ton frag.te, ob ich etwa eifersüch tig sei, antwortete ich ihm an gr iffs­l~shg: »Ja, Herr Minister, ich bin eifersüchtig - sehr sogar. Ltebe ohne Eifersucht ist ein Vorne ohne Hinten. Au15erdem ist die Eifersucht meine Privatsache. lch hatte nicht über sie ge­sprochen, wenn Sie mich nicht 50 direkt gefragt hatten Herr lvlinister.« '

~as konnte er noch darauf antworten? Er meinte, daIS mein MifStrauen gegen meine Frau eigentlich nichts Ehrendes über sIe a~ssage. lch antwortete, daIS ich doch vielmehr nichts Ehren­des uber mich selbst aussage und daIS er das wohl auch 50

160

meine. Goebbels kannte meinen Stolz. Er wuJ5te also ganz ge-

U daB ich ganz freiwillig und wahrscheinlich unehrlich die na , Basis dieses Stolzes verlassen hatte.

lch spieite aiso meinen »Othello« weiter und erklâ'rte, daB ich ebenso sinnIos handeln konnte wie jene Figur Shakespeares und daB es gut sei, sich und seine Schwachen selbst zu ken-

nen. Goebbels lachte. Er dehnte das Gespriich über diesen wunden

Punkt genüBlich aus. Er schien verges sen zu haben, womit es eigentlich angefangen hatte. Darum pendelte er zwischen drol­ligen Bemerkungen und bosartigen Spitzen hin und her .. Zum SchluB fand er zum Ausgangspunkt zurück und behauptete, er lieBe sich kein X fur ein U vormachen. Er werde, ohne mich zu fragen, anordnen, in welchen Filmen meine Frau in ZukunIt zu spielen habe.

Ebenso entschieden antwortete ich ihrn darauf, daB schon Bismarck gesagt habe, als der Kaiser ihn besuehte, um sieh Friedrichsruh anzusehen und dabei auf einen Raum stieB, der ihm verschlossen blieb: >>>Die Macht Ew. Majestiit endet an der Schwelle der SchIafzimmerrur meiner Frau.< Meine Ehe ist mein Privatissimum. Wie ich personlich zu meiner Frau stehe, ist meine Sache und ich brauche diese Sache vor niemanden zu verteidigen. leh würde sie jedenfalls veranlassen, aufzuhoren, Schauspielerin zu sein, wenn es ihr etwa in den Sinn kommen sollte, sich von anderen Regisseuren führen zu lassen.« Das war eine unmilSverstiindliche Drohung, die sieh nur seheinbar gegen Kristina richtete. Dagegen konnte Goebbels nieht an­kommen. Gerade diese Macht hatte er nieht.

lch erkIarte Goebbels dann, daIS ich den dritten Film Eallen­lassen würde - nii.mlich » Pole Poppenspaler« - und daB im unter den obwaltenden Umstiinden nur zwei Filme mamen würde. Damit hatte ich den Wünschen des Herm Ministers mein Opfer gebracht. Die Rolle der Elisabeth in "Immensee« sei a ber Kristina ebenso auE den Leib geschrieben wie die Rolle der J oy in »OpEergang«. In dieser Rolle hatte sie sehr viel ru reiten und da Kristina in ihrer Jugend Turnierreiterin gewesen sei und es bis zur vollendeten Schulreiterin gebramt habe, bitte ich ihr 5zenen geschrieben, die gar keine andere Sdtauspielerin spielen konne.

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Jetzt wurde er zornig und fragte mich offen, ob ich ein In­teresse an seinem Zorn hatte, was ich natiirlich vemeinte. Er erklarte: »Die Rolle der Joy wird mit einer anderen Schau­spielerin besetzt. Das ist mein letztes Wort.« Dann erklarte er weiter, d<ill es »Krampf« sei, eine blonde Frau mit einem Wesen zu besetzen, das einen franzosischen Namen habe. Auch Bin­ding habe eine Schwarzhaarige in ihr gesehen. Ich antwortete ihm, d<ill diese Dame in dem Film "J oy« heiEe und nicht »J oie<,. Beides heille »die Freude«. Aber »Joy« sei ein englischer Name. Aus diesem Grunde sei die Dame blond.

Es war aussichtslos. Zunachst schickte er Margot Hielscher zu mir - jene Schauspielerin mit dem faszinierenden Gesicht, die vormals Modeschopferin gewesen war und in der Ufa viele Schauspielerinnen »angezogen« hatte. Goebbels lieE mir mit­tellen, daE sowohl das Aussehen von Fraulein Hielscher als auch ihr Wesen sich ausgezeichnet mit der Phantasie Bindings verbiinden. Er hatte die Novelle noch einmal genau gelesen und ich solle gut vorbereitete Probeaufnahmen mit Fraulein Hiel­scher mach en.

Margot Hielscher kam zu mir in mein Haus in der Tannen­bergallee. Sie interessierte sich natürlich für diese Rolle sehr. AIs ich sie nach ihrer Reitkunst fragte, erkliirte sie mir, wohl reiten zu konnen, aber nicht besonders gut - man konne ja für schwierige Reitaufnahmen ein Double nehmen.

An dieser Stelle mlill ich sagen, daE ich ein Feind von Doubles bin. Kristina hat in den gefahrlichen Passagen aller ihrer Filme niemals ein Double gebraucht, sondern grundsatzlich alles selbst dargestellt.

lch gab Margot Hielscher eine Szene aus Wedekinds »Erd­geist«. Sie solle diese Szenen lernen, damit ich mit ihr an Hand dieses Textes die ProbeauEnahmen machen konne. lhr Partner in der Probeaufnahme würde Carl Raddatz sein. Natürlich hiitte ich auch eine Szene aus dem beinahe Eertigen Drehbuch nehmen kèinnen, aber sa hiitte ich nicht konzentriert feststellen kèinnen, was die Darstellerin der » Joy« für die Rolle mitbringen mlillte.

Nach kurzer Zeit kam Margot Hielscher zu mir und gab mir den »Erdgeist« zurück. Sie hiitte die Novelle von Binding ge­lesen und sahe ein, daB das nicht ihre Rolle sei.

Mir wurden dann noch einige andere 5chauspielerinnen

prasentiert. Auch eine D~e, die in meinem Zimmer die wert­voIle Uhr mit den Sternzelchen stehen sah, die mir einst von der Uhrmacherinnung als Ehrung rur den Film "Das unsterb­liche Herz« geschenkt wurde. Die ungewohnlich hübsche junge Dame schrie entzückt auf: »Genau dieselbe Uhr steht im Schlafzimmer von Goebbels! «

Endlich bat ich meinen stets hilfreichen Chef Wolfgang Liebeneiner, rur mich zu Goebbels zu gehen und ihn zu he­wegen, mich die Rolle mit Kristina besetzen zu lassen. Ich kiime seit Monaten mit meiner Arbeit nicht mehr vom Fleck. Ich brauchte aber den Sommer für meine Alillenaufnahmen. Der gesamte Drehplan ware damit bedroht. Liebeneiner zuckte die Achseln und sagte lachelnd : »Ich spring doch nicht aus dem 6. Stock, lieber Harlan. Da müssen Sie schon selbst hingehen.«

Ich ging zu HippIer, der seine besondere Tedmik hatte, in solchen Fallen zu helfen. Hippler stand zwar schon dicht vor dem »Abgesagtwerden« und war in hOchste Ungnade gefallen. Er war geradezu allergisch gegen Goebbels geworden, und audt die Tatsache, daE er sich in seiner Ausweglosigkeit zu betauben suchte, war nicht geeignet, seine Beziehungen zu Goebbels wie­

der zu ki tten. Wie ich spa ter erfuhr, ist Hippler mit dem Ausdruck der

Resignation vor Goebbels erschienen. Er wuBte, weldte Mittel erfolgversprechend waren, um Goebbels ru einer Umkehr zu bewegen. Er stellte ihm dar, wie groge Mühe idt mir gegeben hiitte, seinem Befehl zu gehorchen, aber es bliebe nun nidtts wei ter übrig, als auch den Filin "Opfergang« abzublasen und nur noch den Filin "lmmensee« zu drehen.

Goebbels hatte damais groge Kriegssorgen. Das wuBteHipp-1er. Sein Interesse an seinem Verbot gegen Kristina hatte damit

. tsdt ·denden nachgelassen. Diesen Mangel an Interesse un en el

Moment auszunutzen und "die Unwidttigkeitc zum Th~ zu machen das hat Hippler stets meisterhaft verstanden. SdtlieB­lich solI Goebbels gesagt haben: .Soll er seine ~stin.a nehmer:;

d 1 S· ,·dt zufn·eden « 50 bekam Kristina Ihre .Joy un assen ,e m . • _ in der sie einen 50 groSen Erfolg haben soilte ..

Meine Hoffnung, mit den zwei Filmen endlidt beginnen zu

• Kristina S/Sderbaumo Tasebum am 16. '1.194%: .Im cIarf di.loy spielen III.

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konnen, erwies sich jedoch wieder einmal aIs trügerisch. Noch ehe Kristina ihre Rolle endlich zurückerhielt, erschallte noch einmal von Goebbels ein neues »Oas Ganze halt!« Goebbels hatte mit »besonderer Aufmerksamkeit« das Orehbuch von »Opfergang« gelesen und verbot es in der vorliegenden Form zu verfilmen.

Er lieR mich kommen und erklarte, daR es »volkserzieherisch indiskutabel« sei, wenn ich in dem Film eine ehebrecherische Be­ziehung zeige, die gewissermaRen das Wohlwollen des Oichters Binding genieRe. Er stellte mir vor Augen, daR gerade meine Filme hinaus an die Front geschickt würden und daR ein solcher Film unter den Soldaten geradezu Verheerungen anrichten konnte. Und zwar um so schlimmere, wenn z. B. eine so beliebte Frau, wie Kristina, die für die Soldaten »ein Idol« bedeute, die Rolle spiele. Hier ahnte ich zum erstenmal, daR Goebbels in der Besetzung vielleicht doch noch mit sich reden las sen würde. Denn jetzt gebrauchte er den Namen »Kristina« - sie hieR bei niemandem »Frau Soderbaum«, auch bei den Beleuchtern nicht­als Waffe gegen das Thema.

Goebbels erklarte uns, daR »zig tausend« Soldaten an der Front desertierten, weû sie von der Angst geplagt seien, ihre Frauen betrogen sie zu Hause. Wenn nun ein Film, in dem der Betrug glorifiziert würde, var den Soldaten erschiene, würden die Angstphantasien anfaIliger Menschen nur noch genahrt.

Aus dieser politischen Erwagung hatte ich folgende Konse­quenzen zu ziehen: Sterben müsse die an dem Ehebruch schul­dige Frau und nicht der Ehemann. Die Ehe müsse vielmehr erhalten bleiben. Das ware übrigens nicht nur für die Front, sondem aum fur die Heimat im volkserzieherischen 5inne bes­ser. lm war an der Grenze meiner Widerspruchsméiglichkeit angelangt, also gab ich nach.

Bei der Umarbeitung des Schlusses stellte sich jedoch heraus, daB im nahezu den ganzen Film mit meinem Freunde Alfred Braun umsmr 'b () '. .

..l.. el en mu",te, wetl Wlr das TodesmotIv der Joy su.on in den Anf d H dl 5

..l.. ang er an ung verankern muBten. 0 mau.ten wir aus de N II B' d' d ) d r ove e m mgs und aus der Gestalt er oy as S<hicksal ' d ih L b emer to geweihten Frau, die das letzte J ahr res e ens d ah und sim lb en n en Tod VOr Augen, in einem dionysischen

se st verbrennenden Glückstaumel durchJebt. 164

. untereinander 50 wesensfremden Filme .. Op fer-Diese zwel .. dr h

d Immensee« zu glelcher Zelt zu e en, war - vom g« un » d Th h gan . h _ gar n icht 50 einfach. O ie bei en emen at-

MUSlschen er dr h . . d chiedene Melodie. Trotzdem e ten Wlr an etne grun vers .

ten T »Opfergang«, am niichsten Tag »Immensee«. Wlr etnem ag 1" "glich t . uns dabei nach den Aufnahmep atzen, um mo s nchteten .. O · ·· tlich L dschaft . h' nd herreisen zu mussen. le zar e an werug tn- u ch di

H 1 t . 'schen Schweiz ihre groRen Seen und au e der 0 s elru , . ch die Kulisse lm AnschluB an diese AuBenaufnah-Mars waren . f hren wir nach Italien und drehten dort auf dem Forum

men U . al . R um vor der Basilika des Maxentius, vor dem P atin oman , . und var der Peterskirche einige Aufnahmen rur den Film

»!mmensee<<.

Erlebnisse wiihrend der Dreharbeiten

AIs ich mit meiner Frau das lnnere der Peterskirche besuchte, hatte ich eine Begegnung, die ich niemals verges sen werde. Wahrend ich in die Betrachtung der herrlichen »Pieta« des Michelangelo versunken war, sprach mich ein Pries ter an, ob ich der Regisseur Veit Harlan sei, der drauBen vor der Peters­kirche gedreht hatte. Ais ich das bejahte, stellte sich der Priester vor und sagte: »Mein Name ist Kaas. lch bin von Seiner Heiligkeit, Papst Pius XII. zum Oomherrn ernarmt worden. Ich méichte lhnen etwas zeigen, was bisher nur sehr wenige Men­schen gesehen haben. «

1 .Exzelle~z Kaas führte uns zu den Ausgrabungen, die er eLtete. Ole Ausgrabungen fanden unter der Peterskirche statt. Er erzahIte uns davon, daB Papst Pius XII. ihn zuniichst beauf­tragt habe, nach Riiurnen zu suchen die der Erbauer der Peters­kirche, Donato Bramante, vielleich; noch innerhalb des groBen K~llergeschosses angelegt hatte, wo jetzt die Papste begraben selen. Es werde namlich nicht lange dauem, bis kein Platz mehr v~~handen sein würde, urn den kommenden Piipsten die Grab­statte zu geben, die ihrer würdig sei. AnliiBlich dieser Suche sei er nun auf uralte Raume gestoBen, doch wiihrend man weiter--suchte hab . , e man etne »Nekropole« entdeckt.

Der P "I f" ra at uhrte uns dann an die Stelle, wo die Ausgrabuq

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dei Grabes Sankt Peters bevorstand. Der Pralat hatte erfahren daB wir ein neues Farbfilmmaterial besaBen. Er erklarte mir' daR er mir jede Unterstützung zuteil werden lassen konn ' e, wenn wir die einzelnen Phasen der Ausgrabung drehten. Wir würden jede Menge Licht zur Verfügung gesteIlt bekornmen und jede Menge Arbeiter. Er selbst leite die Ausgrabungen gemeinsam mit Archaologen.

Der Vatikan wünsche aIs Gegendienst lediglich fünf bis zehn Farbkopien und moglichst ein zweites Negativ. Dieses Negativ wolle er keinesfaIls geschaftlich auswerten, sondern in den Archiven verwahren. Die denkwürdige Offnung des Grabes Sankt Peters solle, wie die übrigen Ausgrabungen, fur irnmer im Bilde festgehalten werden.

Kurz nachdem wir ins Atelier nach Babelsberg zurückgekehrt waren, kam der Kabarettist Werner Finck, mit dem ich im

»Choral von Leuthen« unter der Regie von Prof. Carl Froelich schon einmal als Schauspieler gefilmt hatte, in grauer Uniform mit einer ganzen Kompanie Soldaten vor die Ateliertiire und b~t, e~gelassen zu werden. Er wollte seinenKarneraden zeigen, wle eme Filmaufnahme gemacht wird. F~ck in Uniform war an sich schon eine komische Figur. Die

Art, m der er mit seinen Kameraden umging war alles andere ais rnil·t·· . .l.. ' 1 anSU1.

Bevor nun di .. .l.. Aufn hm e naUlste a e vonstatten ging bat ich ~ Ruhe. Die Kamera schnurrte, und ein Arbeiter hielt, in der Miue der Szene steh d . S .l.. en ,eme ynUlronklappe vor die Kamera. ~f der Synchronklappe kann man die Nummer der Szene ~ lesen. und. durch hartes Zusarnmensdùagen des Klappen-

Hil~ zfes e~Zelchen auf der LichUonspur hinterlassen mit dessen e spater der Ton.l.. d. ' k synUlron an le Szene angesetzt werden arm.

Ais nun der M . d nah b. ann mIt er Klappe vorne stand und die Auf-

undmneef egmv ~en soUte, sprang Find< plëtzlich vor die Karnera :>, ett ich b .

»Geh doch ' . ewundere dlesen Mann.« Ich rief Finck zu: weg, Wlr drehen 1 F" _L sagen _ ich b .« mU<. sagte: ~ Ich muB es dir aber

ewundere d· M haltenl. lesen ann: er kann die Klappe

Ein drahnendes Gellich t b er rach los. Alle Smauspieler, die

166

d die Arbeiter freuten sich diebisch über die kesse Soldaten un . fnahm

h. t·sche Bemerkung. lch unterbrach zwar dieAu e

ka baret s 1 d Bild ber . Finck und seine Bemerkung waren auf em

sofort - a . .. hen und im Ton zu horen.

zUBs~ herrschte 50 viel Kameradschaft, daB Bild und Ton el uns lb tverstandlich sofort aus den Apparaturen herausge­ganz se 5

. sen und vernichtet wurden. riS p .

Trotzdem kam die Sache ins roITU. Goebbels war bose, d~ wir das Material vernichtet hatten.

lch sagte ihm, daB jede Entwicklung von Ton und Bild viel Geld koste. Es hatte doch keinen Sinn, fur 50 etwas Geld aus­zugeben. Goebbels aber meinte: Wenn im Atelier 50 etwas vor Soldaten, var der gesamten Belegschaft und var den Sdtau­spielern passiere, dann bestünde immerhin die Gefahr, daB eine »Atrnosphare der Anarchie« entstehe. Es ware ganz falsch, 50

etwas karneradschaftlich zu vertuschen. Der »Defaitismus« von Finck sei gefahrlich - und zwar gerade deshalb, weil er ihn mit einem »stotternden Witz« hervorbringe.

lch gebrauchte in meiner Antwort das Schulwort »petzen« und verteidigte mich darnit, d~ es mir nie gelegen habe. lch ging 50 weit zu behaupten, d~ er selbst auch gelacht hatte, wenn es sich nicht gerade um Finck gehandelt hatte. Es war dann nicht wei ter schlimm, und ich wurde ohne Groll entlassen.

Noch wahrend ich die Filme »Irnrnensee« und »Opfergang« schnitt, wolIte Goebbels von mir wissen was ich ais nachsten Film plane. lch hatte mehrere J ahre an e~em» Beethoven«-Film und an einem Film »Goethe« gearbeitet. Namentlich den erste­r~n hatte ich 50 weit vorwartsgetrieben, d~ bereits ein aus-führliches E ' 1 . xpose var ag. Goebbels war mit diesem Plan sehr emverstand d ·ch f Th en, un 1 war roh, sicher sein zu kënnen, welches

ema mein nachster Film haben würde.

IGboebbels kam sogar auf die Idee, ich salle den Beethoven

se st spiel M· " () en. eme zum Widerspruch neigende Natur mein ~U",eres . T ' D ,mem emperarnent - aIles das würde sich Eür die

arstellu B h d ng eet avens ausgezeidtnet eignen Id!. kënnte auch en »Sm . 1 . An . mu auchtopf« behalten, den id!. ais Frisur ausgibe. Na~e;:n I:·Iaaren sehe man bereits, was für eine ungebirdJae

sel. Das passe ausgezeimnet zu Beethoven.

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Ich redete Goebbels diese Besetzung aus. lch wies ihn auf meine kleinen flinken Augen hin, die, wie er bemerkt haben müsse, in schwierigen Situationen unablassig nach einem Aus­weg suchten und ihn auch fanden. Beethoven sei eine schwere, dumpfe und eine der UnbilI des Lebens ausgelieferte Natur gewesen. Atillerdem konnte ich nicht zugleich Regie führen und die Hauptrolle spielen. Kein anderer konne den Beethoven spielen als Werner KrauB. Mit der schauspielerischen Damonie von Kratill konne sich die meine nicht messen. SchlieBlich gab sich Goebbels damit zufrieden.

AIs ich den Film »Immensee« abgeliefert hatte, wurde er von Goebbels als »deutsches Vo\kslied« mit superlativischen Worten gelobt. Es wurde kein einziger Schnitt und keine einzige Ver­anderung befohlen. Er war unter samÙichen Filmen, die ich im Kriege zu drehen hatte, der einzige, der sowohl in Besetzung als auch im Drehbuch genau 50 blieb, wie ich ibn geplant und durchgeführt hatte. AIs ich dann einige Tage spater auch den Film »Opfergang« ablieferte, wurde er vom Propagandamini­sterium 50 fort gestoppt.

lch muBte wieder zu Goebbels. Der Film »Opfergang« sei gut, aber der SchluB sei »indiskutabler Quatsch«. »lmmer wenn die Regisseure nicht wissen, wie sie ein Thema beenden soli en, dann kommt der dumme Deus ex machina, und man verliert sich ins unkontroIlierbar T ranszendentale!« sagte er argerlich. Kristinas Darstellungskunst lobte er ausdrücklich und zwar hauptsiichlich wohl deswegen, weil es ibm schon' selbst zum HaIse heraushing, mit mir solche unerquickIichen Auseinander­setzungen in Permanenz zu haben. . lch war offengestanden auch ziemlich am Ende. Darum er-lUnerte ich ibn ganz stu . An dn d di F r an seme or ung, nach er e rau zu sterben habe d d- D ·ch d Moglich. ' un "'" 1 rarnaturgisch gar keine andere k kelt hatte, ais auf diese Weise zu einem SchluB zu

?chrnrnen, der natür!ich zu der Dichtung Bindings im Grunde fil t passe.

»Sehen Sie 1 ·ch· an lhr M .. ma an - 1 bm also der Trotte!! lch bin schuid

em archenschl B lch sie ist· u.« antwortete: »Nein, die Phanta-melne.« »Sie habe . d ch .

Ehebrech . n)a 0 wleder einen Mythos aus der enn gemacht S· h b . . le a en sie mit einem Heiligenschein

168

kl ·· t und sie am SchluB ais gebrochene Rose gezeigt, die ver ar d am Strand Iiegt, um vom sanften Meer abgeholt zu wer en", . .. rte er den von mir gedrehten SchluB. Er gebrauchte Iro!USle uch mehrmals das W ort »Todeserotik«. Aber er sprach anders

al nst Eine tiefe Resignation schien ihn erfaBt zu haben. Er as 50 • hatte etwa5 Uns tetes und Unbestirnmtes in seinem Wesen. lch kannte das gar nicht an ihm. Es war alles müde, was er sagte.

Leise und müde *. SchlieBlich sagte er : "Sie brauchen nichts zu andern, Herr

Harlan, der Film ist unrettbar! «

Bombennamte in Berlin

In dieser Zeit verlor ich in zwei Bombennachten nacheinander meine Cutterin Frau Christa Loose und meinen Chefcutter, Freund und Trauzeugen, Friedrich Karl von Puttkamer.

lch werde die Nacht nie vergessen, in wei cher ich mit meiner Frau im Automobil die damalige Ost-West-Achse, die heute wieder »Kaiserdarnm« heillt, hinunterfuhr, um nachzuprüfen, ob unser KaIli von Puttkamer von dem h611ischen Bomben­angriff verschont geblieben war.

Auf beiden Seiten der Ost-West-Achse brannten die Hauser lichterloh. Die unheimliche Hitze erzeugte einen Feuersturm, der brennende Holzstücke - ja ganze brennende Fensterkreuze -.Wi~ flammende Todeszeichen durch die Luft fliegen lieB. AIs Wlr biS zum »Knie« vorgedrungen waren begann das Eckhaus arnK· , b rue zu wanken. lch schaltete rasch den Rückwwsgang ein,

a er schon stü t d Eckh rz e as aus wenige Meter vor uns donnernd zzuhlsam~en. Es sprühte und blitzte. über den Himmel huschten a relche Sch . f

Bo b .. emwer er, die FIugzeuge suchten, brennende m er sturzten · d· S d d· D m le ta t, le Zerst6rung wütete maBlos

am ;r .ungeheure lodernde Haufen des eingestürzten Ha~ Dnsern;: versperrte uns den Eingang in die HardenbergstraBe.

uto war eine Z . tl . . eingehüllt w. el ang m emen Rauch- und Funkensturm dieser l-Ioile .Ir sahen nichts mehr. Wir zweiEelten, ob wir aus

Jemals wieder herauskommen würden. I.an&sam • Da. W E ar nde 19 43·

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rückwartsfahrend, fürchtete ich, daB unsere Reifen jeden Augenblick platzen kënnten, weil wir ü~er. brennendes Holz und aufgeweichten Asphalt fuhren. Allmahhch kamen wir aus

der Rauchwolke heraus. Um uns herum liefen schreiende Menschen mit Kofferchen,

teilweise in Nachthemden. Sie hatten Hunde bei sich und eini­gen Hausrat in der Hand. Das Auto herumzudrehen dauerte furchtbare Sekunden, die an unseren Nerven rissen. Aber schlieBlich kamen wir aus der klebrigen heillen Masse heraus. Wir fuhren nun auf den breiten Kaiserdarnm zurück, wo die F1ammen beinahe von einer StraBenseite auf die andere schlu­gen.

Wir muBten in die Joachirnsthaler StraBe. Dort wohnte Kalli von Puttkamer. Aber durch keine einzige QuerstraBe, die dort­hin führte, kamen wir durch. überall brannte es.

SchlieBlim fuhren wir bis zum Westkreuz hinauf. Von da kamen wir zum Kurfürstendamm. Dort brannte es zwar aum, aber man konnte streckenweise nom fahren. 50 kamen wir schlieJSlim auf Umwegen über den Hohenzollerndarnm zum Haus unseres Freundes in der Joachirnsthaler StraBe und fan­den nur nom einen riesigen Trümmerhaufen.

Das Nebenhaus stand nom, brannte aber ebenfalls. Niemand mamte Anstalten zu losmen. Viele Menschen standen hoff­nungslos verzweifelt mit Stühlen, Sofas, Standuhren, Koch­topfen, Hunden, Vogeln, Katzen auf der Straf5e und schauten tatenlos in das maBlose Zerstorungswerk. Da erklangen von neuem die Sirenen. Nom wahrend des zweiten Angriffs rasten wir nam Hause. Um uns herum nelen die Bomben.

Wahrend der Namt erreichte ich bei einer Namrichtenzentrale der Marine, die in der Tannenbergallee von einem Admirai befehligt wurde, daB mir am frühen Morgen ein Raupenbagger geliehen wurde. Wir rückten mit 20 Matrosen die mir der Admirai mitgab, ab. Sie sollten helfen die Tr~er des Hau­ses in der J oamimsthaler StraBe wegz~raumen, weil Hoffnung be~.tand, daB Karl von Puttkamer nom unter dem groBen T~erhaufen im Luttschutzkeller war.

D,ese Aktion d b h . . b wur e a er se r schnell von der Pohzel ver-o~e~ Es dürfe nur dort geholfen werden wo nom eine be­

grun ete Hoffnung sei. In diesem Haus sei' alles bis unten hin

170

e lüht. AufSerdem bestand die Gefahr, d~ der madüige ausg g . H chheben der Steinmassen die StraBendecke B ger belln 0 1 . di

ag .. ck .. de und daB dadurch die Wasser eItungen, e . dru en wur . hr

elU . di chen elektrischen Verbindungen und die Gasro e untenr s f · d .. .. den Der Bagger wurde 50 ort an emer an eren zerstort wur . Stene eingesetzt.

1 . u··ckfuhren brannte es noch überall. In der oberen As Wlr zur , . . . Kantstraf5e war ein Kino. Dort hef der Film "Die gold~e Stadt«. Auf einem groBen Plakat in übergroBe das Geslcht

Kristinas. Wir sahen es verbrennen. . Ohne daB an dem Film "Opfergang« auch nur em Meter

verandert worden war, wurde er ein garues Jahr spater zu­

gelassen.

Schweden, Hamsun, Narvik

lm Jahre 1943 erhielten Kristina und ich vom »Internationa­len Klubben« * in Stockholm und von der Universitat in Uppsala eine Einladung. lnsbesondere soUte ich anlaBlich der smwedischen Uraufführung unseres Films "Die goldene 5tadt" in Stockholm und auch in Uppsala über meine kommenden Filme sprechen.

.. Auf Wunsch der Professoren und 5tudenten sprach ich zu­~achst irn »Auditorium Maximum« der Universitat in Uppsala u.ber die beiden Filmplane »Beethoven« unà »Goethe«. lch hatte eme starke Resonanz. Sowohl meiner Frau als auch mir wurde ::ch ~ie Verleihung »der weillen Mütze« das» Ehrenstudenten-

« .. m Uppsala feierlich zuerkannt. Spa ter sprach . ch ch·

Stockh 1 1 au lID »Intemationalen K1ubbenc in o m. Darm wurd Ehr. Stockh 1 . e uns zu en lID Grand-Hotel in

Dom em Essen gegeben.

t 1 er freundliche deutsche Gesandte Thomson sandte em· e e egrafische Adres

daB ich .ch se an Goebbels, in wei cher zu lesen wu ml aIs t Ab' Sc:hweden . "gu er m assadeur« rur Oeutsdùand in

S erWlesen habe. owohl in U 1

dern Fil ppsa a ais auch in Stockholm wurd ·el rn »Jud SM e VI von

• Intern . « gesprochen, ebenso wie vorher in Züric:h. hOlll\s ahonaler Klub d

. er obersten GeseIlsdtaftskreise Stock-

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Die meisten meiner Zuhorer schienen in Privatvorführun e oder in Deutschland dies en Film gesehen zu haben. Sven He~i~ hatte ihn sich zweimal angesehen, und zwar in meiner Gegen_ wart. Und man muiS wis~en, daiS Sven Hedin" jüdische, Blut hatte.

AIs ich nach Berlin zuruckgekommen war, bekam ich nicht nur eine kalte Dusche für diesen Erfolg, sondern mein Glücks­gefühl wurde in noch weit starkerem MaiS abgekühlt.

Goebbels hatte die Bemerkung über den »guten Ambassa-deur« nicht nur in dem Telegramm gelesen, sondern auch in den Zeitungen. Die positiven Berichte hatten ihn verargert. Er meinte, meine Aufgabe sei es, für Filme zu sprechen und nicht »für Deutschland«. Schon daiS ich den Filmtitel »Seid umschlun­gen Mil!ionen« für meinen Beethoven-Film in Uppsala genannt hatte, sei politisch anmaiSend gewesen. Ein sol cher Titel passe nicht in die Kriegszeit.

Mich traf der Zorn von Goebbels auch noch in anderer Wei se. Wieder einmal vollig unerwartet. Es war mit ihm klar abge­sprochen worden, daiS ich als nachsten Film »Beethoven« machen würde. lch hatte ihm alIerdings nicht gesagt, daiS ich anIaiSlich der schwedischen Uraufführung von »Die goldene Stadt« vor der schwedischen Offentlichkeit sprechen würde. Diesen Vor­~rag hielt er offenbar für eine unerlaubte politische Einmischung ': Ausland. Er argerte sich auch, daiS ich Werner KrauiS aIs

en Darsteller des Beethoven genannt hatte, denn er sei mit dieser Besetzung ganz d 'ch' d

. un gar ru t emverstanden. Woher leser Umschwung kam weiE ich 'cht D ,ru .

er einzige T rost in dieser deprimierenden Zeit war daB Goebbels mir e' d h '

II ln an eres se r wertvolles Thema in Aussicht

ste te ** Er erinn t . ch d hatt S· er e rru aran, daiS er Knut Hamsun zugesagt e,» egen der Erde II fil h b ch 1 f' « 50 e ver mt werden. Das erste Dre -

u ag ertig vor lch h tt b und G bb 1 h' a e es ereits vor J ahren geschrieben oe e 5 atte es gelesen.

Hamsun war in dies Jah . Fen WI'e G bb 1 em r mIt Goebbels zusammengetrof-

. oe e 5 er "hlt h sdten 50 tl'ef b za e, atte Haumsun sich mit den Deut-ver unden f'hl Goebbels sidt . ge u t und namentlich mit Hitler, daB

• s ln superlativischen Lobspruchen und Freund-venH d' ... e ln son eine "'d' dt

lm September 1.944. lU 16 e GroBmutter gehabt haben.

1.72

schaftsbezeugungen für Hamsun eTg~~g. Er sagt~, dag HaIm.tWtl

. her erschüttert habe - er zahlte aIle selIle WerY~ ihn von Je der Ede'

Schnürchen her und betonte, daiS .. Segen r" .sem a~Btes »sein seherisches Stück« sei. "Schicken Sie mir ~ gro, 1 h 'ch '11 "b rüf' ~ D hbuch noch einma er, 1 WI es genau u erp en, "CO "",en....,· i~ehabe Hamsun versprochen, daiS ein groiSer Hamsun-Fili:l ' ­Deutschland gemacht wird.«

Ich muB gestehen, daiS ich »Segen der Erdeq genauso glr.'..e veralmt hatte wie »Beethoven«. Ich war daher über ~ Wendung nicht 50 unglücklich. Es war nur eine Gef,,::. •. Hamsuns Buch, das er schon im Jahre 1917 geschrieben ",,=re: Eine jüdische Figur, der Aron, spielte in dem Romzn :c=e wichtige Rolle. Hamsun hat die »Juden und die Yankees materialistische Ausbeuter und als Feinde des Segens:z Erde« dargestellt, natürlich nicht auf gemeine antiseI:li -=-= Weise. Aber in der Hitler-Zeit wurde ja ein solther .Z"-.i."'"

anders gesehen aIs im Jahre 1917. Es war mir \\ich-' :- es<'

Gestalt und alles, was einen antisemitischen Anklang ~ Roman hatte, zu unterdrücken.

Ich arbeitete also das Drehbuch für »Segen der Erd gab der Rolle des Aron einen anderen amen \ ~ ~ Jüdische ganz entfiel. Goebbels muR dieses Bu gefallen hab en. Die Weglassung des antisemitiis_,d1€71 \.x-.,;u:::~ kens schien er gar nicht bemerkt zu haben

Ab . er schon vor der Ablieferung des Drehb'u.:l:le,;

Befehl von Hitler, der anordnete, ich s Ile den Fil machen.

Kristina Soderbaum contr.\ '

In diese Z . t fi 1 . E d ei e eme Episod dil \

r e« n ch . ' Omit »Na 'k es sant . rVI « l'tW,IS 111 tlln h. Il B . Ggenug ISt, festgehalt('1l rll \V1'r 1 Il

el oebbels . . in sein H war Clnl' gn\R"rt (.1' "11 'h

em ause 50 cl ,) gandam" .' Il l'rn, 1 tri \1 III. ~ lIustenum st.IU. 1. w r Il ) 1

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Oe bels (ïI Weht« vor 1 li II! d .. " 1,,,,..,110: ni ,h

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\'iele Berühmtheiten und sehr vie1e Schauspieler eingeladen. Unter anderem auch der General der Waffen-SS Sepp Dietrich der die »Leibstandarte Adolf Hitler« befehligte. Ferner de; bekannte Rundfunkkommentator Hans Fritzsche und der Reichs6lmintendant Dr. Hippler.

lch safS mit Kristina an einem Tisch mit einigen Schauspie­lem, ais wir bernerkten, daB Goebbels nebenan mit einigen 5chauspielerinnen über uns sprach. Wie sich heraussteIIte, hat­ten sich die Kolleginnen ans chein end für Kristinas Alter inter­essiert. Goebbels rief vergnügt und angriffslustig zu uns her­über : »Frau 50derbaum, Sie sind ja noch jung. Man darf Sie ja wohl noch fragen: Wie aIt sind Sie eigentlich?« Kristina schaute Goebbels eine Weile an und schwieg.

»Ach, Sie wollen es nicht sagen, Frau Soderbaum? Zwingen will ich Sie natürlich nicht.« Kristina antwortete: »lch darf es gar nicht sagen, Herr Minister. Es steht ausdrücklich in meinem Vertrag, daB es mir verboten ist, mein Alter zu nennen,« Goebbels fragte: »50, steht denn ein solcher Unsinn in Ihrem Vertrag?« Kristina antwortete : »Es steht in allen Vertragen -im Vordruck.« Goebbels antwortete: »lch bin lhr Chef, und ich gebe lhnen ausdrücklich die Erlaubnis, diesen Passus des Vertrages, den ich gar nicht kenne, zu brechen.«

Es wurde bereits gelacht. Kristina sagte in das Lachen hinein: »In jeder Garderobe der

Ufa hangt eine gedruckte Anordnung, auf der steht, daJ5 jede Umlinderung des Vertrages der schriftlichen Bestatigung durch die Direktion bedarf, um wirksarn zu sein.« Eine Darne piepste: »Da hat sie recht, das steht in jeder Garderobe.«

Goebbels liefS nicht nach und fragte sie, ob sie nicht glaube, daB er die Macht dazu habe, ihr Alter zu erfahren. Kristina sagte: »Doch, am PafSarnt. Aber hier im Augenblick nicht,« Goebbels, immer belustigter, fragte sie darauf: »Haben Sie denn wirklich 50 viel Grund, rhr Alter zu verbergen oder wollen Sie sich al -'-. . gar ter mamen?« Kristina sagte: »In zwanzig Jahren Willich es heute nicht gesagt ha ben.«

d_~as ~elachter hatte aufgehort. SchliefSlich sagte Goebbels, """ er sIe auf ke' r 11 .

Ab b · men ra zwmgen werde, ihr Alter zu sagen. er 0 Sie denn . kl·..1.. d . ein ..1.... wu lUI er Meinung sei, dafS sie ihn richtig sUlatze, wenn sie ih di 1 m e Antwort einfach verweigere

. . . hachster Erregung. Sie sagte: »Vielleicht muE Knshna war ln ch 'ch lch '11 . 'ch d Macht beugen - das weiB ich no ru t. W1 lch ml er 'ch ch fühl

lh n noch nicht sagen, denn Sie werden nu s on en es ne d' S' . b tim ich die Grenze erreicht habe, te le nur es -Jassen, wenn

men.« hr D' er letzte Satz war nicht klar gesprochen. Er war me

gest~~:ert. Jedenfalls war das Wort »die Grenze« das Stichwo~ für Goebbels, der nun laut lachend fragte: »Wo glauben Sie

d d -n dl'e Grenze meiner Macht liegt?« Kristina sagte: ,.lch enn, <ID nd 'ch

meine meine Grenze, Herr Minister! « Goebbels: » U 1

meine!« Jetzt sagte Kristina aus einer geradezu hallischen Ein­gebung: »Wenn Sie die Macht haben, Herr ~ster, )Gat~ borgs Tidningen<, die auf rotem Papier gedruckt wlrd, auf weiB erscheinen zu lassen, dann werde ich Ihnen sagen, wie ait ich

bin.« Jetzt schaltete sich der Rundfunksprecher Hans Fritzsche ein.

Er wollte seinem Chef lielfen, den Humor wieder herzustellen. Aber kaum hatte er begonnen, unterbrach sie ihn: »Herr Fritzsche, Sie sprechen dienstags und freitags. Heute ist Mitt­woch!«

Goebbels mufSte lachen. Er rief: »Bravo, Frau Saderbaum, bravo. Seh' einer die Schweden an!« Und nun lachte der ganze Raum befreit.

Die Gefahr war vorbei. lch glaube nicht, daB Goebbels Kri­stina ihre Antworten übelgenommen hat. Schlagfertigkeit im­ponierte ihm irnmer, sogar wenn sie auf seine Kosten ging. Am Abend verabschiedete Goebbels sich besonders haflich von der »schwedischen Monarchistin«.

Der Narvik-Film

Es existierte irgendein halbfertiges Drehbuch für den Film »Narvik« - ich glaube, es war von Felix Lützkendorff" Goeb­bels ging auf dieses Drehbuch gar nicht ein. Er schild~rte mir fO.lgende Szene, die er im Zen trum des Films zu sehen wünschte. DIe M t d . a rosen er gesunkenen Torpedoboote, die noch halb

• LB' aut nef von Harlan an Goebbels vom 2. 4. 1941 .

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aus dem Wasser der Fjorde vor Narvik herausragten, hatten aus ihren Booten aIle Gerâte ausgebaut - 50 auch aIle Radioteile. Sie hatten sich Radioapparate daraus gefertigt, die sie in die verschneiten nachtlichen Berge in die Umgebung von Narvik mitgenommen hatten. Dort standen sie auf Posten, um etwai­gen Angriffen begegnen zu konnen. Die nun folgende Szene sollte zu einer Zeit spielen, in der sich »die ewige Nacht« über die Berge Narviks gesenkt hatte. Die Matrosen sollten ein Konzert durch ihre Apparate empfangen, das Furtwangler in Salzburg dirigierte. Das Konzert sollte mit dem Horst-Wessel­Lied und dem Deutschlandlied beginnen, um dann von der 9. Symphonie von Beethoven abgelost zu werden. Das groEe Musikfest von Salzburg sollte also in der nordischen Nacht von Narvik erklingen. Zu dieser Musik sollte nun eine ganze Reihe verschiedener Szenen spielen, und jede dieser Szenen sollte unter das Gesetz des Beethovenschen Gedankens gestellt wer­den.

Goebbels meinte, daE ich auf diese Weise nun doch noch zu meinem Beethoven kame. Er war geradezu fanatisiert von der Idee, in der ewigen Nacht Norwegens »Freude schoner Gotterfunken« erklingen zu horen. AIs besonderes »Bonbon« bekam ich zu wissen, daE der groEe General Dietl, der Sieger von Narvik, mich selbst beraten und in dem Film auf Wunsch des Führers auch selbst die Rolle des General Dietl spielen werde.

Noch bevor ich Goebbels' Gedanken ganz erfaEt hatte, war mir bereits klar geworden, daE ich wieder einmal in der Falle eines heroischen Filmspektakels gefangen war.

Ich beteiligte mich zunachst nicht an Goebbels' Begeisterung und erklarte ihm, daE ich das »riesenhafte AusmaE des Auf­trages« erst verarbeiten müsse. !ch würde ihm Bescheid sagen, auf welche Weise ich seinen Auftrag zu erfüllen gedachte. Zu­nachst erklarte ich, nach Narvik fliegen zu müssen, um mir den Schauplatz anzusehen und mit General Dietl zu sprechen. Ich bekam sofort einen von Goebbels personlich unterzeichneten »kriegsdienstlichen Befehl«, nach Narvik zu fliegen - ich durfte sogar meine Frau und meinen Mitarbeiter Carstensen mitneh­men. Er telefonierte augenblicklich mit einem Müller in Oslo, bereitete ihn auf mein Kommen vor und ordnete an, daE mir jegliche Hilfe zu leisten sei.

Link s oben: Veit Harlans Mutter Adele 1934. R ech ts: Veit Harlans Vater Walter 1927, mit der Unterschrift: »Einen unrasierten Alten / siehst du liicheln unter Falten«. Unten: Veit Harlans Elternhaus .

Page 89: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Links oben: Veit Harlan aIs kleines Kind. Rechts: Veit Harlan a is junger Mann. Unt en : Die Familie Harlan ; Veit rechts a ùfSen.

I l,,/, s oben: Veit Harlan (n'lit Ruth Alhu) in »Zaungaste«. Rechts: VI' il Harlan (mit Lucie Mannheim) in »Jugend « von Max HaIhe. 11111(' 11 : 2 wei tere Rollenfotos von Veit Harlan .

Page 90: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Ob en: Veit HarIan, ? und Fri tz Kortner. Unten: Renate Müller in »StOrungen« von Hans Meise!. ( 1""11: Veit Harlan in dem Spielfilm »Stradivari«, Unten: Lothar

f\ 111 (he l, Emmy Sonnemann (spiitere Frau Giiring) und Veit Harlan III '" hlage ter« von Hanns Johst.

Page 91: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Oben: Veit Harlan und Kristina Soderbaum wahrend einer pause fUr »Die goldene Stadt« . Unten: Veit Harlan b ei der Regie

für »Das unsterbliche Herz«.

1 i /lb obel1: Veit Harlan spielt Lil Dagover für »Die Kreutzersonate« . ' l 'll' Liebesszen e vor. Rechts: Veit Harlan 1942 mit dem Drehbuch Il ,,' »Narvik «. Unten: Veit Harlan arrangiert mit Emil Jannings eine " I t'ne für »Verwehte Spuren«,

Page 92: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Links ohen: Frits van Dongen und Kristina Soderbaum in dem Harlan-Film »Die Reise nach Tilsit« . Rechts: Kristina Soderbaum und Paul Wegener in dem Harlan-Film »Das unsterbliche Herz «. Unten: Kristina Soderbaum und Herrmann Braun in dem Harlan­Film »Jugend«.

O hen: Kristina Soderbaum und Paul Klinger in dem Harlan-Film »Die goldene Stadt«. Unten: Kristina Soderbaum und Otto Gebühr in dem Harlan-Film »Der gro15e Konig«.

Page 93: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

O hen: Kriegsszene aus dem H arlan-Film »Kolberg«. Unten : Jose f Goebbels ernennt Veit Harla n und Wolfgang Liebeneiner (von lin ks

nach r echts) zu Professo ren .

1 illks ohen: W erner KrauB ais Rabbi Loew in dem Harla n-Fi lm " Iud SOB «. R echts : Ferdinand Marian a is Jud SüB in der Hinrich ­IlIngsszene. Unten : Kristina Soderb aum und Ferdinand M aria n in

.1\ ' 1" VC l"ge walti gungsszene .

Page 94: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Links oben: Die Polizei verhaftet Anti-HarJan-Demonstranten wah­rend der Aufführung des Harlan-Filmes " Sterne über Colombo« in Berlin. Rechts: Veit Harlan wahrend des Wiederaufnahmeverfahrens vor dem Hamburger Schwurgericht mit seinen Verteidigern Wand­schneider und Zippe!. Ul1t en: Veit Harlan diskutiert in Offentlichen Veranstaltungen an Hochschulen mit Studenten.

O [Jen: Demonstrationen gegen den Harlan-Film »Unsterbliche Ge­l i('b te« in Salzburg. Unten: Veit Harlan und Kristina Soderbaum \IIlIll ittelbar nach dem ersten Freispruch vor dem Hamburger Schwur­)', l'I' icht 1949.

Page 95: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Oben: Veit Harlan mit seiner zweiten Frau Hilde Kiirber und 2 Kin­dern 1933. Unten: Veit Harlan mit se iner dritten Frau Kristina

5iiderbaum und Christian 1941.

O !J en: Veit Harlan hinter seinem 5cnreibtisch. Unten: Veit Harlan

mi t seinem 50hn Thomas kurz vor seinem Tod.

Page 96: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Veit Harlan auf dem Sterbebett.

Die Offiziere in Narvik erkHi.rten mir sofort, daf5 mein Vor­haben zwar hochinteressant sei, daf5 sie es aber für undurch­führbar hielten. Der FaU von Narvik sei für die EngHi.nder nicht nur eine verlorene Schlacht, sondem ein grof5er Prestige­verlust. Jedwede grof5ere Filmaufnahme sei daher geHihrlichen Storungen durch die »Home-Fleet« und anderen milWirischen Aktionen der Englander ausgesetzt.

Ich fuhr also nach Oslo zurück. Dort horten wir von Herm Müller, daf5 die Englander bereits über das Radio gemeldet hatten, der Filmregisseur Veit Harlan würde die Schlacht um Narvik filmen und sie würden dafür sorgen, daf5 er ein auf5er­ordentlich blutiges Bild vor die Kamera bekame.

Es war namlich bereits nach London gemeldet worden, daf5 ich hundert Flugzeuge angefordert hatte, die viele hundert Fall­schirmjager abwerfen sollten, und auf5erdem mehrere Schiffe.

In Oslo sprach ich einen der hohen Offiziere, der mir kurzer­hand argerlich erklarte, meine Wünsche aIs Filmregisseur seien vollig unerfüllbar.

Ich wandte nun die Technik an, meine Forderungen für diesen Film immer hoher zu schrauben. Indem ich den Wahnsinn immer wahnsinniger mach te, hatte ich eine gewisse Hoffnung, daf5 der Film »sterben« würde. Keiner von den Militars konnte kontrollieren, was ich wirklich für einen erfolgversprechenden Film an militarischem Material und an Menschen notwendig brauchte. Auch Goebbels konnte das nicht. Ich stellte mich auf den Standpunkt, daf5 es keinesfalls meine Aufgabe sei und keinesfalls »im Sinne des Führers«, die Ungeheuerlichkeit des Sieges und der Gefahren zu verkleinem. Wenn der Krieg um »Narvik« gezeigt werden sollte, dann müf5te ich ihn so zeigen dürfen, wie ich das aIs Regi~seur für notwendig hielt. Ich ver­langte also vier Torpedoboote, wenigstens ein Schlachtschiff, hundert Transportflugzeuge, aus denen in mehreren Anflügen fünftausend Fallschirmjager abspringen sollten und auf5erdem sechs Stukas, die in die Schlacht um Narvik eingreifen müf5ten.

Das mit solcher Emphase vom Führer selbst befohlene Film­vorhaben entschlummerte.

Der Film »Narvik« war tot, und der Plan »Segen der Erde« Jebte wieder auf. Was konnte mir besseres passieren!

177

Page 97: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Kristina Soderbaum wird wieder Schwedin

Goebbels jedoch - obwohl er selbst behauptet hatte, mit . V sprechen an Hamsun gebunden zu sein, sprach semem er .... '

nachdem der »Führerbefehl« fur Narvik zuruckgezogen war, 'cht mehr mit derselben Begeisterung von dern Filmplan. Das

~eBe nicht, daIS er fallengelassen sei - ich soUe vielmehr an dem Film weiterarbeiten, denn es sei ja schon viel Zeit verlorenge­gangen. Aber eigentlich woUe er einen politischen Film haben.

Zum erstenmal hOrte ich mit Schrecken von dem Film, der die Presse der letzten hundert J ahre in Deutschland zum Thema haben soli te. »Die siebente GroBmacht« soUte er heiBen. Goeb­bels war ja ais Journalist in diesem Milieu zu Hause. Ihn faszi­nierte dieser Gedanke. Er richtete ihn aber nicht 50 sehr auf die Presse, ais auf ein rein antisemitisches Gift. Es war daher ganz logis ch, daIS aum der Film »Der Kaufmann von Venedig« genannt wurde, selbst »Soll und Haben« von Gustav Freytag wurde gestreift. Natiirlich soli te die jüdische Figur in diesem Roman vergrobert werden. Antisemitismus auf der ganzen Linie war nun die Parole.

Goebbels wollte wissen, ob Kristina sich nicht für die Rolle der Portia interessiere. Er nannte auch eine Rolle aus Frey­tags Roman. AIs er mich fragte, ob Kristina »etwa wieder ein Kind« bekomme, war die Bissigkeit unüberhorbar. Er wuBte ja, daIS sie in »Segen der Erde« die weibliche Hauptrolle spielen würde. Es war also ein WarnschuB, der soviel heillen sollte, wie: »Wenn ein antisemitismer Film gemacht wird, hat Ihre Frau zu spielen!«

Uns war klar, daIS etwas gesmehen muBte, damit sim wenig­stens rur Kristina ein Fall »Jud SüB« nimt wiederholte.

Der smwedisme Botschafter Dr. Rickert war mit seinern Personal und seinen Amtsriiumen aus dem standig bombar­dierten Berlin nach Cottbus evakuiert worden. Der Minister empfing uns sehr freundlich aber unserer Bitte, uns zu helfen, konnte er nicht entspreche~: »Kristina ist durm die Ehe rn~t Ihnen Deutsche geworden, und 50 gut ich verstehe, daB Sie keinen zweiten antisemitischen Film machen rnochte, habe ich gar keine Vollmaehten, einer ehemaligen Schwedin in diesern hoehpolitisehen Sinne zu helfen.«

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I1Phtaranit Abeoll'rf!'t. v:QôII 2. 8. (l.4riet &.8.)

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Herm .1nleter1aldirektor Slnkel ---------------------------------ItItr. t Ra1e. ~11t1;1na ~ttd.rb.UJD: nach. Schnd ••.

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Dr. Heinrichsdorff an Hinkel 5· 8. 1~4-4 " 'h Kind Reisegenehmigung für K. S., jedodl ",dlt fur 1 r .

179

Page 98: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

50 kamen wir auf den Gedanken, ein Gesueh an den KOni aufzusetzen, Kristina wieder zur Schwedin zu machen. Da de~ Vater meiner Frau, Prof. Henrik Soderbaum, Chef der Wissen_ schaftsakademie in Stockholm gewe~en war, der die Verteilung der Nobelpreise vomahrn, hatte er m emer guten personliehen Beziehung zu dern alten Kënig Gustav V. gestanden.

Auf diese Beziehung bauend stellten Kristina und ich ge­meinsam den Antrag, Kristina wieder zur Schwedin zu maehen und ihr einen entsprechenden PaB auszusteIIen. Der hilfreiehe Minister Dr. Rickert schaffte es tatsaehlieh, daB dies nam Monaten schlielSlim geschah. Da die Renaturalisierung »ge­heim« bleiben mulSte, urn nimt sofort einen Eklat heraufzube­schwëren, mulSte Minister Rickert diese Aktion in Verbindung mit einer Reise nach Schweden durchfiihren. Dadurm nahm die Erledigung eine langere Zeit in Anspruch.

Es mulS 50 im ersten Viertel des J ahres 1944 gewesen sein, daIS wir den Antrag steilten. DaB er genehrnigt werden würde, wurde uns rasm und mit Sicherheit zugesagt. Aber erst im Ok­tober bekarnen wir ein 5chreiben, das die Einbürgerung Kri­stinas aum dokurnentarism vollzog.

Von etwa MarzlApril 1944 ab war Kristina auf das Ver­sprechen verpflimtet, das wir der sehwedischen Regierung ge­geben hatten, keinen antisernitisehen Film mehr zu mamen. Ab Oktober stand sie nun auch nicht mehr unter der arntliehen Befehlsgewalt von Goebbels. Selbstverstandlich hielten wir das geheim, weil wir ja hofften, daIS kein antisernitischer Film an uns herangetragen werden würde. Denn daB es einen folgen­smweren Skandal gegeben hatte, wenn die Renaturalisierung offenbar geworden ware, kann man sich vorstellen.

» Kolberg«

. lch drückte mich in dieser Zeit, soweit das mëglich war, vor Jeder Einladung bei Goebbels. leh war entweder krank oder aulSerhalb von Berlin. Zum erstenrnal horte ich in der UEa -~d .zwar 50 ganz nebenbei _ daIS der Film »Kolberg« wïeder m Simt sei. Dieser Film hatte schon einmal irn J ahre 1.940 odet 1941 ZUr Diskussion gestanden.

180

Ais ich nun bei Frowein un· Prop d . agan arnmist . fragte, ob das etwa das Ende des »Se b d enum nach-

gen« e eute bekarn ·ch die Antwort, daIS Goebbels noch gar nicht f ' 1

Il. est entschlossen sei

leh 50 e nur welter »5egen« vorbereiten. . Um mit dem Drehen anfangen zu kënne kl.. . . d".eh h·· n, er acte Ich Fra-

wem, al> 1 sowo 1 rur den Film »Segen d E d ais .. . er r e. auch rur den Film »Kolberg« grolSzügige Ernteaufnahmen b ch di . h d h k·· d rau e, e IC 50 re en onnte, aIS die Erntearbe·t hl . 1 er sowo W1e norwegisehe Bauem von heute als aueh wie deutsche Bauern aus dem J ahre 1807 aussehen würden. leh bekarn daraufhin von Goebbels die Erlaubnis, mit dern Drehen dieser Aufnahmen zu beginnen.

Gerade ais ieh mit dem Orehen der Ernteaufnahmen ferti war, traf der entseheidende Befehl ein - und zwar bekarn il den Befehl von Hitler, wie Goebbels ausdriiddich betonte _ , den Film »Kolberg« zu drehen *. »Segen der Erde« sollte ich nach dem Kriege drehen.

»Kolberg« war zwar kein diehteriseh hochwertiger, aber es war wenigstens auch keiner von den antisernitischen Stoffen. lch daehte sofort an das Theaterstiick von Paul Heyse •• , das ich allerdings nieht genau kannte.

Goebbels behauptete kurzerhand, Heyse sei Jude gewesen, und ich dürfe mieh keinesfalls auf sein Theaterstiick stützen. Er sagte grirnrnig, daIS es eine Sehande für die Stadt sei, daB dieses Stiickes wegen ein Jude Ehrenbürger von Kolberg se­worden sei. »Nicht gedaeht soll er werden!« - diesen jüdischen Fluch stielS Goebbels aus.

leh bekarn den Befehl, mieh bei der Abfassung des Dreh­buches genau an die Gesehiehte Nettelbecks, Gneisenaus und die Gesehehnisse von 1807 zu halten. leh sollte eine Liebes­geschichte dazu erfinden, wie ieh das rur den Film . Der groBe Kënig« getan hatte.

Goebbels sah in der Figur des Nettelbeck sieh selbst. Er sprach das auch aus. Nettelbeck war ein Bürger und hatte ais über­haupt der Stadt ein Bürgerheer zusarnmengetrommelt. ln die-

* Tagebu~eintragung Kristina Siiderbaums am s· 10.19J!h.~ bekarnen die entsetzliche Nachridlt, da8 Veit ,KoIbers' ma ~en mulS. Hic incipit tragiidJa. Was soli werden717«

»Colberg«, 1.868.

Page 99: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

sem Bürgerheer sah Goebbels eine Art SA. Er wollte betont wiisen, daB zumindest im FaU Kolberg Nettelbeck der eigent_ lime Held war und nimt etwa der groge Gneisenau. Die Ge _ nersmaft zwismen dem Bürgergeneral Nettelbeck und de~ zum Militar gehorenden Offizier Gneisenau 5011 te ich mit aIlem Respekt vor Gneisenau deutlim herausschalen. Es sollte klar erkennbar werden, daR der groge Mann im Kampf um Kolberg der Bürger Nettelbeck war und die Siege seiner Bürgerwehr ge­horten. Damit wollte Goebbels die standige Rivalitat zwismen Waffen-ss und Waffen-sA auf der einen seite und dem übrigen Militiir auf der anderen zugunsten des Bürgerheeres darstellen lassen. Heinrim George hatte die rechte Figur rur einen solmen Nettelbeck.

Es ist also vollig falsm, wie spa ter behauptet wurde, Goeb­bels habe diesen Film im Jahre 1943 befohlen, weil er zu dieser Zeit smon vorausgesehen habe, daR einmal der Volkssturm aufgerufen werden würde. Da Goebbels bereits im Jahre 1941 das Thema »Kolberg« verfilmt sehen wollte, kann um 50 weni­ger die Rede davon sein, daB dieser Film eine Propaganda fur den »Volkssturmgedanken« sein sollte. Goebbels wollte viel­mehr zeigen, daR der» Widerstand bis zum Aul.Sersten« gegen den fremden Eroberer Napoleon yom Volk ausging und nicht vom Militar. Am Ende des Films sollte natürlich die typism nationaIsozialistisme »Versmmelzung« deutlich gemacht wer­den, nam der jeder PreuBe, ob Zivilist oder Uniformierter, ein Soldat zu sein hatte.

Gleidlzeitig legte Hitler Wert darauf, daB Napoleon aIs eine »verehrungswürdige Ersmeinung« dargestellt werde, weil Napoleon, der zur Zeit Kolbergs darauf abzielte, ganz Europa zu regieren, eine Gestalt sei, der »der Führer héichste Amtung zollt •. Goebbels bezog sim auf Friedrich Nietzsme, um "das Knechtische~ des deutschen Volkes hervorzuheben, von dem es belastet gewesen sei, bevor Adolf Hitler an die Mamt kam. Auf der einen seite sei es die »Lehenstreue«, die von den Deut­schen gem zur schau getragen werde, auf der anderen seite a~er aum eine »knechtische servilitat«. Die Deutsmen hiitten d,e leidige An hnh ' F -'- u-gewo elt, remdes zu bewundem, na<nz ahmen und ihr eigenes volkisches lch aufzugeben. 50 hiitte Luther den Verfall der katholischen Kirche aufgehalten, wonlit

182

~ ~idI ... i iftn fil' !)oIt~ ..0 1>r0f! a t.a

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P,11m lm D1endte I1nae,.er pieU,. 1r1.,~ ..... t.

Goebbels 1.6.1943 Auftrag an Harlan, den »Kolberg«-Film herzuslellen

er nur Unglück über Deutschland gebracht habe. Die Kirme zu wandeln heiBe, ),das abgewirtsmaftete und die Mensmen schwachende Christentum herstellen«. Die Deutsmen hiitten einen Genius wie Napoleon daran gehindert, ein einiges Europa zu schaffen, womit der ganze ), leidige NationaIitatenspuk« ein Ende gehabt hatte. Nun müsse Europa eben lemen, deutsm zu sein!

Goebbels erkliirte zum smluB dies es langen Gespriimes, daB

Page 100: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

er sich diesmal von den Militars keinen strich durch die Rech-un werde machen lassen. Es sei der ausdrückliche Befehl des

~üh;ers, daR fur diesen Film das Militar in jeder notwendigen Menge eingesetzt werden dürfe; auch daR mir jegliches Material zur Verfugung stehen solle. Der Film müsse »ein Kolossal­gemalde« werden. Falls diesem »kriegsdienstlichen Befehl« nicht Folge geleistet werde, hatte ich mich sofort an ihn zu

wenden. Es fi el mir nicht weiter schwer, das Drehbuch zu »Kolberg«

zu schreiben *. lch erfand eine Liebesgeschichte zwischen dem durch die Geschichte berühmt gewordenen Reiteroffizier schill und der mit Nettelbeck verwandten Bauerntochter. lch erinnerte rnich an die Anekdote: Ein Bauernmadmen hatte eine Ausein­andersetzung mit der Konigin Luise, bei der sie aus Ehrfurcht stumm blieb. Den Hauptteil bildeten drei gewaltige schlachten.

Der Film durfte kosten, was er wollte. Und er kostete auch etwa achteinhalb Millionen Mark. Das war ungefahr das Acht­fache von dem, was ein guter Film damals zu kosten pflegte.

Mit den auBergewohnIichen Vollmachten von Goebbels aus­gestattet, konnte ich fur meine riesenhaften Bauten soviel Holz requirieren, wie im wollte, obwohi Holz damaIs eine Mangel­ware war. lch konnte mir überhaupt jedes Material verschaffen. Und darüber hinaus Soldat en in beliebiger Zahl von ihrem Dienst und ihrer Ausbildung wegholen. Goebbels wollte ge­waltige Schlamten sehen. Er wollte den »groBten Film aller Zeiten« machen, der die Massenfilme der Amerikaner in den Schatten stellen sollte. lch bekam sogar rur eine szene die emte deutsche Kaiserkrone des Romischen Reiches, die Karl der GroBe getragen hatte; auch ein Zepter und den Reichsapfel. Zwanzig Detektive bewachten das kostbare Gut.

Den Nettelbeck spielte Heinrich George. Den Oberst Luka­dou, den ersten Kommandanten der Festung Kolberg, spielte Paul Wegener. Gneisenau wurde von dem groBten jungen Schauspieler verkorpert, den die Deutsmen besaBen, Horst Caspar. Gustav Diegl spielte den Schill, Otto Wernicke den Bauem und Kristina Soderbaum des sen Tomter. Kurt Meisel spielte eine wesentliche Rolle und war gleichzeitig mein Assi-

• Ab 5· "10. "1943. Erster Drehtag war der 28. 10. "1943. Aus dem Tagebuch K. 5. (Auftrag zu »Kolberg«)

5· 10. "19H

Page 101: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

stent Auch Paul Bildt und Paul Henckels spielten eben • . .. 50 mit wie mein Freund Meyer-Hanno, d~r wiihrend der Herstellun dieses Filmes verhaftet wurde. DIe Hauptlast der in d' g lesem Film besonders schwierigen Regieassis tenz lag auf Wolf a schleif, ohne den ich die riesigen Schlachtenbilder kaum ~a~: erstellen konnen.

Die Mole des Hafens der Ostsee-Stadt Kolberg lieB ich durch die Ausschüttung zahlloser mit Salz gefüllter Güterwagen in eine s chneelandschaft verwandeln. Geld spielte ja keine Rolle. Auch lieB ich die Stadt Kolberg zu einem Teil in GroB-Glienicke bei Berlin aufbauen, um sie dort sch!ieBlich mit den Kanonen Napoleons zu beschieBen und abzubrennen.

ln der Stadt und Festung Kolberg wie auch in den kleinen, der Festung vorgelagerten Forts, die ich sowohl von einem schiff von der Ostsee her ais auch von einem Fesselballon aus der Luft aufnahm, lieB ich von verschiedenen Standpunkten durch sechs Kameras den beginnenden Untergang der stadt aufnehmen.

Etwa dreiBig Pyrotechniker entwickelten an vielen stellen der Stadt grolSe schwarze und weiBe Rauchwolken. Sie schossen Scheingranaten in die Luft, deren Blitze sich wirkungsvoll gegen den schwarzen und weilSen Rauch abhoben. Rund um Kolberg herum lielS ich die in der Geschichte berühmt gewordenen lnun­dation, die Nettelbeck veranstaltet hatte, wiederholen. Das heiBt, ich lielS den kleinen FluB Persante durch KanaIe, die gegraben wurden, in die Niederungen, die um Kolberg herum­liegen, 50 einflielSen, daIS die ganze stadt vom Wasser einge­schlossen zu sein schien. 50 war Kolberg vorubergehend zu einer uneinnehmbaren Festung gemacht worden.

Wahrend des GrolSangriffs der Franzosen auf Kolberg stand ich selbst mit einer Kamera auf einem schiff in der Ost­see, von wo aus ich auf drahtlosem Wege die Anordnungen an die einzelnen Aufnahmestellen gab. 50 wulSte jeder einzelne, wann er anfangen soUte zu drehen.

Zunachst m~te ich mit dem Sturm der Franzosen auf die Festung warten, bis sich die Rauchwolken etwas verzogen hatten. lm Anfang war von Kolberg vor lauter Rauch überhaupt nimts mehr zu sehen.

DaB ausgeremnet an diesem Tage ein Fahrradrennen durdt

186

die Stadt Kolberg führte, hatte ich vorher nicht gewuBt. Die armen Radfahrer iahen die Hand vor Augen rticht, und alle Kolberger husteten und fluchten. Erst ais der Rauch sich ein we­nig verzogen hatte, lielS ich die Granaten zünden, und die ver­schiedenen Kameras begannen nacheinander zu laufen.

lch brauchte zu diesen Aufnahmen tagelang viele soldaten. Nun waren in Kolberg Matrosen, die einen Lehrgang zu ab­solvieren hatten, der sie mit einem neuen Verfahren bekannt mach te, mit dessen Hilfe die Ortung von U-Booten durch den Feind erschwert würde. soviel ich horte, wurden über die V-Boote Netze gezogen, wodurch die Radar- oder Ultraschall­gerate irritiert wurden.

Ais ich die Matrosen angefordert hatte, kam ein hoher Marineoffizier und erklarte mir, daIS es vollig unmoglich sei, die Matrosen für den Film abzusteUen. Da ich von woanders her keine soldaten bekommen konnte, berief ich mich auf meine Vollmacht und bat ihn, sich selbst mit Berlin in Verbin­dung zu setzen. lch verstünde natürlich seine Ablehnung, konne sie aber rticht annehmen. Eine stunde spa ter kam der Offizier zuruck. Er zuckte mit den Achseln und meinte lakonisch: "sie haben gesiegt, Herr Professor!"

lm ganzen hatte ich zehntausend Uniformen anfertigen lassen. ln den groBten schlachten bekamen die wei ter hinten stehenden soldaten Klosettpapierrollen, die sie sich quer über die Urtiform roll en mufSten, um das weiBe Leder vorzutauschen, das die damaligen franzosischen soldaten von der linken Schul­ter bis zur rechten Hüfte trugen. An diesem Lederband hingen das Bajonett, der Sabel oder die Patronentasche. lch bekam für den Film sechstausend Pferde gestellt, mehrere Eisenbahnzüge und - es war kaum auszudenken - im ganzen 187 000 solda­te~. Die Organisation dieser gewaltigen Aufmarsche lag in den Handen des Produktionsleiters Sperber.

lch habe mich wahrend der Aufnahrnen immer wieder mit den Offizieren über das Opfer unterhalten, das vom Militar ddem Film gebracht wurde. Die meisten waren froh, keiner war

arauf erp'cht .. l'ch ch k Ab . l ,mog 1 st 5 neU an die Front zu ommen.

h er memand verstand, warum ein Film solche Wichtigkeit ab en 5011 te.

Es War das Jahr 1944. Stalingrad war langst gefallen und die

Page 102: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Gefahr eines totaI verIorenen Krieges ruckte irnrner unh . h D·· M ch euo_ liener an uns eran. le Jungen ens en waren VOn ih

Feldem weggeholt worden. Sie hatten die Emte im Stich Iren

ge as­sen weil Soldaten gebraucht wurden - und nun mtillte . , n~

sien monatelang beim Film herumtreiben ; einige Offiziere ten offen: "beim Kaspertheater«.

sag_

Die viertausend angeforderten Matrosen erschienen aIso ganz bravo Sie wurden ais franzosische Soldaten sehr zu ihrem Unwillen von ihren eigenen Offizieren in das Wasser der Inun­dation getrieben. Irgendein Honorar bekamen sie damr nicht. Soldaten zu bezahlen war verboten.

Unter der WasserfHiche waren groEe Spren gladungen ein­gebaut, 50 daB zehn und zwanzig Meter hohe Fontanen hoch­senossen, wenn sie platzten. Die Sprengungen wurden durch elektrisene Drahte vom Aufnahmeplatz aus gezündet. Zündun­gen erfolgten natiirlich nur dort, wo im Augenblick kein Soldat war. Die Soldaten mtillten zum Teil fallen und im Wasser liegen bleiben. Wir hatten auch Artisten, die sich für eine sehr hohe Gage gepanzert über eine solche Sprengladung stellten. lm Augenblick der Zündung sprangen bzw. flogen sie hoch und stürzten dann ins Wasser zuruck.

Ich hatte auch Artisten engagiert, die bei den Sturmangriffen der Kavallerie im rasenden GaIopp vom pferde stürzten. Sie taten so, ais seien sie getroffen, und lieEen die übrigen pferde über sien hinweggaIoppieren. Soviel ich weill, ist keiner der Gestiirzten getreten worden; Pferde sind kIug.

Die Kavallerie wurde von Schill * angeführt. Da Gustav DieBI ein prachtiger Reiter war, der auf seinem Schimmel eine tadellose Figur machte, und da ich hinter ihm die besten Reiter der WeIt, namIich die Kosaken des General Wlassow, die ais Russen auf deutscher Seite kampften, reiten lieE, bekant icn priichtige Bilder vor die Kamera.

. Es waren mitunter über hundert Sprengungen, die wahrend emes solchen Angriffs ausgelost werden muBten. Bei den Pro­ben waren stets Fahnchen an die Stellen gesteckt worden, wo Sprengladungen eingegraben waren. Auf diese Weise wuBte

• Ferdinand von Sdtill b Kries gegen Napoleon E e!lann 1809 auf eigene Faust den . füsiliert. . r wurde lm Kampf ersmossen, elf seiner Offizlere

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. nau wo sie lagen, und 5 0 konnten die Nicht-. d Reiter ge , ah Je er di Stellen meiden. Auf den Fm nchen standen Z -

tisten ese ch eih nf 1 di ar d g die Reiter wuBten, in wei er R . e 0 ge e len, 50 a gezündet werden würden. über Stellen, die eine 5prengungen ch hin ' t Z hl hatten, konnten aIso die Reiter no wegrel en, ho~e . a nt n daE dort die Zündungen erst spater ausgelost weil sie WUD e , di F~L-ch

d .. den Bei der Aufnahme wurden dann e aIln en

wer en wur . . . ah . und nur die Stocke blieben stehen. Die Reiter s en

abgefflssen Stocke aber die Kamera sah sie nicht. Auf diese die emen, .. . h Weise entstand eine Kavallerieschlacht, Wle Sie gewill vor er

d spater in keinem Film gezeigt wurde. un Natürlich fand ich auch in diesem Film Gelegenheit zu Kammerspielszenen. 50 sind in dem Film »Kolberg« Szenen, wie die zwischen der Bauerin (Kristina Soderbaum) und der Konigin Luise (Irene von Meyendorff) , zwischen Gneisenau (Horst Caspar) und Nettelbeck (Heinrich George), Lukadou (Paul Wegener) und Schill (Gustav DieEI), für deren künst­lerischen Wert ich sehr geme die Verantwortung trage.

Ich habe rnich ehrlich bemüht, die Grausarnkeit und Last des Krieges in einem AusmaE darzustellen, wie sie ein Krieg im Jahre 1807 noch gar nicht gehabt hab en konnte, weil man die technischen Mittel zu einer 50 ungeheuerlichen Vemichtung und für den Mord noch gar nicht besaE. lm übrigen ist ge­schichtsbekannt, daE die siegreiche Verteidigung Kolbergs da­mit endete, daE die Stadt schlieElich ihre Tore doch noch den Franzosen offnen muBte, weil der Krieg verIoren WaI. Am Bei­spi el der Stadt Kolberg hatte man aIso die Sinnlosigkeit eines bis zur letzten Konsequenz geführten Krieges eher zeigen konnen als etwa das Sinnvolle, das 50 wahnwitzige Opfer zu rechtfertigen vermochte.

Um aber die Wirkung des "Schandfriedens von Tilsit« nicht ais SchJtill des Films hinnehmen zu müssen, war Goebbels eine » ~ahmenhandlung« mr den Film eingefaIlen, die im Jahre1813 splelte, nach der Schlacht bei Leipzig, ais Napoleon geschlagen War und aus PreuEen vertrieben wurde. l' In dieser Rahmenhandlung marschierten viele tausend Zivi­~~~en, militarisch geordnet - unter dem Kampflied Theodor

d.orners »Der Kampf bricht aus, der Sturm bricht 105« -, dunh le b .

relten StraEen eines kleinen Stadtchens und füllten mit

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Ihren Reihen sowohl den Fahrweg als auch die zwei B" steige 50 aus, daiS die Marschkolonnen links und redJ.~ger-

Il di H" .. d tr·ft 5 s der StraJ:>e 'e auserwan e s el en. 0 entstand der z . .. Wlngende Eindruck, aIs quollen aus allen StraiSen und Gassen und üb alle Pliitze Strome von PreuBen, um den Eroberer Napol ~r .. eon ln ihren Fluten zu ersaufen.

Die Musik zu diesem Lied schrieb der Musiker N b or ert Schulte, der damals durch das Soldatenlied »Vor der Laterne vor dem groBen Tor« beriihrnt geworden war. Das Lied »De; Sturm bricht 105« hatte eine zündende W ucht.

Der Aufruf zum Befreiungskrieg wurde 1813 von Kiini Friedrich Wilhelm III. verkündet. Gneisenau hatte den ziigern~ den Kiinig zu diesem Aufruf veranlaiSt. Der »Kolberg«-Film fing deshalb mit dem Jame 1813 an, und zwar mit der Szene , in der Gneisenau das Heldentum der Bürger von Kolberg dem Kiinig ais »das Beispiel« vors tell te, nach dem sich das ganze PreuBen richten müsse. Auf diese Weise bekam der Aufruf zum endgültigen Befreiungskampf eine Vorgeschichte. Gneise­nau steIlte dem Kiinig den Heldenkampf Kolbergs aus dem Jabre 1807 noch einmal vor Augen. Und dann rollt der Film »Kolberg« ab. Durm dies en dramaturgischen Trick brauchte der Film auch nicht mit dem Untergang Kolbergs und damit mit einem verlorenen Krieg zu sdtlieBen. Er schlog vielmehr mit jener berühmten Ansprame Friedrich Wilhelm III. »An mein Volk«, die zu dem groBen Freiheitskrieg aufrief, von dem jeder Deutsche wuJSte, daB er zum Sturz Napoleons und zum end­gültigen Siege geführt hatte.

Auf diese raffinierte Weise war es dem Propagandagenie G~ebbels gelungen, aus einem verlorenen Krieg um Kolberg »eme gewonnene letzte Sdtlacht« zu machen.

lch erinnere mich sehr genau daran dag er mich wahrend d~r Herstellung des Films zweimal dara~f anspram, ob im nimt eme » Leonidas-Szene« in den Film aufnehmen kiinnte. Ihm lag viel an einer solchen Szene »aus symbolischen Gründen«. Er w~lltde »im Kleide der Schlacht um Kolberg« dargestellt wissen, wle amals der K" . . d d . H orug ID en Thermopylen vor Sparta sim un sem eer opferte um d "t E d " 1'.L n p, ,en spa eren n sieg zu erIDog IUle . ut sagte Goebbel d-" k ' ' ged h

' s, d.l!> pra hsch aIle Schlachtszenen bereIts re t selen und d G f" as e uge meines Themas viel zu Fest urn-

ch .. l 'ch a"re seinen Wunsch auf , 1 dag es no mog 1 w , 'ssen sel, a 5

fi O" Weise zu erfül len, .. prazlse l' () 'ch immer wieder die Muster vorführen -

bbels leI> SI al d Goe d Schlachten Er rief mich mehrrn 5 an un

ntlich von en ' , d ck f ih name . d B die Szenen einen grog en Em ru au n

icherte mir, a ilm ' vers hO' t und daiS er sehr gespannt auf den F Sel. gemacht at en

d' Z 't noch wahrend ich an »Kolberg« drehte, er-

In leser el, " .. G bbels mir dag ich zwischen den Filmthemen »Dle

klarte oe ' d 5 11 ' b t GroBmacht« »Der Kaufmann von Venedig« un ,. 0

Sie en e' 'ch 'ch b" uf d Haben« zu wahlen hatte und daiS 1 rru elZelten a ::einen nachsten Film vorbereiten solle, weil »sofort im An­schlug« an den Film »Kolberg« einer dieser drei Filme begonnen

werden müsse, Das Damokles-Schwert hing also über uns, Natürlich sagte

ich ihm zu dieser Zeit noch nichts davon, daiS Kristina als Schwedin gar nicht mehr in einem antisernitischen Film drehen dürfe, Die schwedische Regierung konnte kein Verbot ausspre­chen, sie konnte aber durch die Gewahrung der schwedischen Staatsangehorigkeit vor unzumutbaren Aufgaben schützen.

Vor diesem Bekenntnis wollte ich rnich 50 lange wie moglich drücken - und es war ja noch nicht aller Tage Abend. Jeden­falls entschied ich mich sofort für »Kaufmann von Venedig«. Goebbels lachte: »Das habe ich vorher gewuJSt,« Aber warum I~ mich für den »Kaufmann« entschieden hatte, wuJSte er eben rucht :

R Zunachst war das Stüek Shakespeares von künstlerismem

bang und mit den anderen Stoffen unvergleichbar. AufSerdem

a er Ist es eine K "d' 1 . , U d ' omo le, m Grunde Ist es sogar ein Lustspiel

n wo Viel 1 h 'd . konnt 'ch ge,ae t wlr ,und zwar im Geiste Shakespeares da

e ru t Viel wirkl' h B" ' griiBte W le oses passieren, Goebbels legte ja n ert darauf 50 w 't . .. lich bleiben E 11 ' el wle mog Shakespeare treu zu

Films f~tor wOfi te sogar eine groge Marmortafel im Anfang des g gra ert sehen in di 't Id elt werden 11 d : ,e nu go enen Lettem eingemei-

ten Dichters :~Ie~e, ~ ln dlesem Stück die Meinung des grog.. das Judentu 'dZeüen, der zudem noch Englander war über

m nie ergelegt worden sei. '

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»Kolberg« wird geandert

Als der Film »Kolberg« abgeliefert wurde - das war Ende November 1944 - brach zum letztenmal ein Bombardeme von Flüchen und Beleidigungen über mich herein. Goebbe7: war gar zu enttauscht. Er behauptete, daB ich ihm Eine Trumpf_ karte aus der Hand geschlagen hatte.

Mit einem Sarkasmus sondergleichen verurteilte er die Greuelszenen, die vie!en Leichen und die Flucht der Einwohner vor dem Feuer der brennenden Stadt Kolberg. Das alles sei sadistisch dargesteUt. Er befahl, diese Szenen herauszuschnei_ den. DaB Eine Frau ein Kind gebare, wahrend das Haus über ihr brennt und im Zusammenstürzen die Mutter und das Neu­geborene unter sich begrabt, bezeichnete er ais geschmacklose Ubertreibung. Ebenso hatte ich herauszuschneiden, daB die Menschen die Türen aus den Hausern brachen, um Sarge rur die zahllosen T oten anzufertigen, da in Kolberg keine Bretter mehr aufzutreiben waren, und auch daB die Brunnen und Wasserleitungen in Kolberg durch die Leichen der vielen Toten vergiftet waren, 50 daB es niemand mehr zu trinken wagte; sogar Eine der drei groBen Schlachten muBte faUen. Das an­dauernde Toten und Getotetwerden falle den Zuschauem auf die Nerven. Das würde rur einen pazifistischen Film passen, aber nicht für »das Heldenlied von Kolberg«. Er donnerte: »Pazifisten werden irnrner von denen regiert, die keine sind!« Der Film führe in die Resignation, aber nicht in »die Entschlos­senheit zum Siege - koste Er, was er wolle!«

lch kann nicht sagen, wie es zu einern »ausdrüdclimen Befehl des Führers« karn und wann Hitler den Film gesehen hat. Jedenfalls muBte ich der »Anordnung« Hitlers, »die Kaders., in denen die franzosische Armee auf die PreuBen zumarsdtier­ten, herauszuschneiden, Folge leisten. lm hatte niimlim der Geschichte getreu die franzosischen Truppen in Quadraten, die aus je hundert Mann bestanden, über das weite Feld auftnat­schieren lassen und hatte durm Zeimen, die im vom Fessel­ballon aus gab, die in bestirnmte Nurnmern aufgeteilten I<adetf duu veranlaBt, hin und wieder aus dern Quadrat ein schr"­~drat, das schlieBlich zu einer langen Zeûe wurde, zu bUIIlIIIIo : Diese Lini . e entwuxelte sim dann wieder zurn Quadrat zwiid'-;

. A t der Versmiebung des Zielpunktes sollen die h dlese r d' .-,-

Dure der preuBen auBerstand gesetzt wor en sem, slcner Kanonen d schieBen. Abgesehen von dieser interessan-

f diese Ka ers zu . d V aU .' h Bewegung ergaben die verschie enen er-

ilitanse en lch ten m . "chtiges Bild Man sah etwa hundert 50 er ch · b ngen em pra .

5 le u f' h ukommen die sich in der Eben beschriebenen Kaders au sie z , . . di G

schnell bewegten, wahrend zWlsmen ihnen e ranaten Forro Nachdem sich die Quadrate versmoben hatten, einschlugen. Id . ' t d

d · Zündungen 50 daB die 50 aten )ensel 5 er erfolgten Je , . '

1 d gen standen. Wieder lieBen sich emzelne Arhsten, 5preng a un die unter der Uniform gepanzert waren, durch Sprengungen

d· L ft schleudem Durm den mit hochgeschleuderten Sand in le u· . und durch verschiedenfarbigen Qualm und Rauch, den ~e~e Granaten erzeugten, entstand ein Bild, wie es wohl noch rue m einem Film gezeigt worden war. Auf diese Weise konnte ich das übliche »Ausschwarrnen« der preuBischen und russischen Truppen in einen deutlich sichtbaren Gegensatz zu der Be­wegung der franzosischen Forrnationen stellen.

Zwar blieben spa ter noch einige Bilder mit Kaders in dem Film enthalten, aber die GroBartigkeit der Bewegung fiel "dem Befehl des Führers« und darnit der Schere zum Opfer. Schnipp - schnapp - schnipp - schnapp - 50 wurden nach und nach für zwei MiIlionen Mark Szenen aus dem Film herausgeschnit­ten und fortgeworfen. Es war rur zwei Millionen Mark das Grauen eines totalen Krieges.

lch versuchte zu retten, was zu retten war. Aber Goebbels bemerkte doch, daB ich die dritte Schlacht, werm auch ohne die Kaderbewegungen, in dem Film gelassen hatte. Es wurde Tag und Nacht gearbeitet. lmmer wieder sah er sich den Film an, ~nd schli~Blich wurde der Produktionsmef der Ufa, mein lieber

oll.ege llebeneiner, angewiesen, den »politisch unverstiindigen Reglsseur« zu unterstützen. Er soUte den Film in dem 5inne zusarnmen h'd . D' sc nel en, wle Goebbels es woIlte. ber le let~te Unterredung über den Schnitt fand am 2;. Dezem­W .~944 statt. Das heiBt, jeder von uns wurde von seinem zahelll nachtsfest weggerufen. lm von Guben, wohin ich mit

osen Sch 'd '..l.. nel ehsUlen evakuiert worden war um den Film • A '

m 22. Dezembe bl 'bt H' 1 mit ist die 1 t H r el lt ers Ardennen-Offensive stecken.. Da-

e zte offnung auf einen deutschen Steg zunichte.

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nimt in dem bombengefahrdeten Berlin fertigmachen zu m" us-

sen. Vor allem muE te der SchluE von »Kolberg« umgeandert

\Verden. AIs namlich die Franzosen das Feuer au f Kolberg ein­

gestellt hatten und Nettelbeck und Gneisenau sicher waren, dal5 die Schlamt um Kolberg beendet sei, liel5 ich die Soldaten und die Bürgerwehr in groRen Kolonnen aus ihren Schutzwillen

und aus den Trümmern hervorkommen. Sie vereinigten sich in dem imIDer starker aufbrausenden Choral »Ein ' feste Burg

ist unser Gott. « Goebbels erklarte, daR der Choral »von N iemoIIer« sei. Bis­

sig erlaubte ich mir einzuwerfen, daR er »von Luther« sei. Goebbels erklarte, daR dieser Choral stets var den Sendungen Englands gesendet würde, wenn die »politisch religiosen Quatschereien« des Pastors NiemoIIer, der im KZ sage, von dort nam Deutschland ausgestrahlt würden. lch erklarte: »leh

hiire keine auslandischen Sender. lch kann d as nicht WÎssen *.« Er befahl mir, ungerührt, das »Niederlandische Dankgebet« an die SteIIe von »Ein' feste Burg ist unser Gott« zu setzen. lm erwiderte Goebbels, daR »das niederlandische Dankgebet« fünfzig oder sechzig Jahre nach der Schlacht um Kolberg ge­sdlrieben worden, also ein Anachronismus sei. »Quatseh!« -war die Antwort von Goebbels. »Wer weill das schon?« Dar­aufhin kam das »Niederlandische D ankgebet« an den Schlul5 des Films.

Der Film erlebte bereits am 30. Januar 1945 seine Urauffüh­rung in der Atlantikfestung La Rochelle und am 31. Januar 1945 gleichzeitig im Ufa-Theater am Alexanderplatz und in dem Ufa-Theater in derTauentzienstraRe in Berlin. Die meisten Uraufführungstheater waren bereits in Schutt und Asche ge­fallen.

Horst Caspar, Fritz Kühne und Meyer-Hanna

50 etwa im November wurde ich in die Reichskulturkamrner

zu Hans Hinkel bestellt, der mir eriiffnete, daR meine Aus-• Das Abh" f bot Oren eindlicher Sender war damaIs bei Todesstrafe ver-en.

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rede, ich hatte mit Horst Caspar och' S eh ru h · n eme zene rur ~Kolber «

na zu e en, rucht mehr gelte D Ch f g h b d · . » er e . , das war Hitler

a e le Anordnung gegeben »die Held d d ' Il 'eh ,en es eutschen Films.

50 ten ru t nur dauernd rur hohe G . Film eh '. agen lID sterben son-

der.n au »endhch emmal richtig an die Front«. Mit den Helden memte er Horst Caspar und noeh ein d Sch . en an eren auspleler leh erlaubte mir, Hinkel zu antworten' D k . .

. . . » as ann Ja wohl mcht ihr Ernst sein.« Hinkel antwortete' M" 'ch .» emer lst es nt t sondern der des Chefs.« '

Caspar 5011 in einer Weise, die ihn gerade noch »wehrwür­dig« mach te, "jüdisches Blut« gehabt haben. Hitler hatte für die nachsten Tage einen Rapport von Hinkel verlangt, der ihn darüber orientieren sollte, was aus seiner Anordnung geworden sei. Hitler hatte sich »Rohschnittmuster« aus dem damais noch unfertigen Film»Kolberg« angesehen. lrgend jemand hatte ihm gesagt, daR ausgerechnet der Gneisenau des Films jüdisches Blut habe.

Hinkel wul5te, daR Horst Caspar einen Einberufungsbefeh! in Wien bekommen hatte, den ich dureh meine Vollmacht für den Film »Kolberg« auEer Kraft setzte. Nun lief ja noch der Befehl, den »Kaufmann von Venedig« zu machen. lch erkIarte darum HinkeI, daR ich in dem nachstbefohlenen Film den »Bas­sanio« mit Caspar besetzt und Goebbels diese Besetzung unter­zeichnet hatte. Weiter erkIarte ich, daR ich meine SchIuBauf­nahmen für »Kolberg« mit Caspar noch gar nicht hatte machen konnen, weU am 5chluE noch fortwahrend herumgeandert würde. Die 5chIuEaufnahme sei aber eine Oberblendung. lch erkIarte ihm, daR die Farbfilmentwicklung noch nicht 50 weit sei, überblendungen auf chemischem Wege zu machen, wie das bei Schwarz-Weig-Filmen ginge. Darum konne ich die SchluB­aufnahme erst dann machen, wenn ich wü{5te, welmes die da­vorliegende Aufnahme sei, weil in der Kamera überblendet·

werden müsse. Hinkel war unbeeindruckt. lch hatte die 5chluBaufnahme 50-

• Bei der Oberblendung .in der Kamera« ist es erfo~derlidt, daB die beiden überblendenden Szenen unmittelbar n.adtem~der a'j; genornmen werden. Der Film der ersten 5zene wlfd zurü~f"~ und darauf auch die zweite 5zene aufgenommen, 50 daB bel e ze­nen anscheinend ineinander übergehen.

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fort zu machen und ihm innerhalb einer Woche zu melden, daIS Caspar seine Rolle als Gneisenau definitiv beendet h abe.

lch stand ganz gut mit Hinkel. Darurn gab ich nicht 50 schneU auf. lch hatte Erfahrungen mit ihm gemacht, aus denen zu er­kennen war, daIS er ein Herz hatte. lch verwies darurn noch ein­mal auf den »Kaufmann von Venedig« und stellte fes t, daIS ich einen 50 verantwortungsvollen Film nicht machen kënne, wenn mir die besten schauspieJer weggenommen würden, um schleu­mgst »beispielhaft ru fallen«.

Hinkel kniff eines seiner Augurenaugen zu und Hichelte »das Uicheln der Eingeweihten«: »Eine schëne scheiJSe, lieber Har­lan. Manchmal hat man scheuBliche Auftrage. Aber Dienst ist Dienst und Schnaps ist s chnaps.«

lch antwortete: »Wenn D ienst D ienst ist, dann ist es doch mein Dienst, den )Kaufmann von Venedig< 50 gut wie mëglich zu drehen.« Hinkel fragte mich: »5011 ich etwa dem Führer sagen, Sie kënnen den Film ohne Caspar nicht drehen? Was glauben Sie wohl, was er mir antwortet ?«

lch erinnerte jetzt Hinkel, daIS Goebbels mir einmal strikt verboten hatte, Soldat zu werden, weil kein anderer aIs ich den » Jud sü/S« drehen kënne. lch kënne aber meinerseits einen 50 verantwortungsvollen Film nicht drehen, wenn mir die ersten schauspieler weggenommen würden. lch k annte keinen schau­spieler, der Horst Caspar in der Fahigkeit glich, klassische Texte 50 zu sprechen, daIS sie gegenwartig wirken und foto­grafierbar werden.

Hinkel schaute zum Fenster hinaus und schien sich etwas zu überlegen. s chIiel5lich sagte er: » Wenn Sie wirklich einen kriegsdienstlichen Befehl haben, dal5 Caspar den Bassanio spie­len soU, dann kënnte das vielleicht ein bil5chen anders aus­sehen.« Da »der kriegsdienstliche Befehl« ja auch für meine Frau galt und fur Werner Kraul5 und da Goebbels die übrige Besetzung genehmigt hatte, konnte ich ruhig behaupten, dal5 Caspar unter einem solchen Befehl stehe. Wenn es auch nicht 50 ganz prazise stimmte.

Hinkel sagte schliel5lich stockend : »W ir wollen mal darauf h~ffen, daIS der Chef Horst Caspar vergil5t . . . Er ist ja schon ':'Ieder drüben im Führerhauptquartier ... Wenn er mich wirk­lich noch einmal darauf ansprechen sollte . . . dann würde im

ihm sagen, dal5 ich mch t gegen die Order von Goebbel stoBen wollte.« s ver-

Hitler muB es tatsachlich vergessen haben 0 C d 'ch . . enn aspar wur e ru t emgezogen.

Es gehërt~ fraglos Mut dazu, einen solchen Befehl Bitlers zu umge~en . Hlnkel. hatte ~ir auch in anderen Fillen geholfen _ Z. B. lffi Falle Fneda Richard, jener grol5artigen alten Schau­spielerin, deren halbjüdische Tochter irgendwo in der Nahe von Paris irn KZ sal5 und um Hilfe schrie. Ich weill, daB er sich viel Mühe gegeben ha t, dieser Tochter ebenso zu helfen, wie er auch alles tat, um meinen Oberbeleuchter Fritz Kühne zu retten.

Fritz Kühne hatte eine jüdische Frau. Er war der Chefbeleuch­ter der Dfa. Er beleudltete »Die goldene Stadt«, »Immensee«, »Opfergang«, »Kolberg« und war auch immer bei den AuBen­aufnahmen dabei. Beirn Farbfilm wird selbst in der Sonne noch zusatzliches Licht gebraucht, um stërende Gesichtsschatten auf­zuhellen. Jahrelang wurde Kühne immer wieder bedroht, daIS seine Frau in irgendein Lager abtransportiert werden würde. lmmer wieder war ich deswegen bei Hinkel, und immer wieder haIf er, da/S diesem Marm die Furcht genommen wurde.

Schliel5lich bekam Kühne einen Stellungsbefehl der »Orga­nisation Todt«. Er soIlte sich am 9. November 1944 melden. lch ging mit dem "Stellungsbefehl« wieder zu Hinkel, um die Einberufung Kühnes zu verhindern. Ich mach te Hinkel k1ar, daB ich diesen Mann unbedingt brauchte, da die meisten guten Beleuchter bereits eingezogen worden seien.

lch fragte dann mehrfach bei Hinkel nach, ob der Stellungs­befehl aufgehoben worden sei. Die mündliche Bestatigung bekam ich zwar, aber Kühne glaubte mcht daran. Er konnte ja auch nichts mit ihr anfangen. Erst am 4. November spatabends erfuhr ich am Telefon von Hinkel, daB die schriftliche Bestati-gung endlich gekommen sei. . .

!ch holte mir das Schreiben sofort und Euhr dann nut metner Frau nach Potsdam, wo Kühne wohnte. Die Nachbam hatt~ die Türen bereits gewaltsam geëffnet. Fritz Kühn~ lag .DUt seiner Frau Lom tot irn BeU. Zu beider FüBen lag etn k1emer Dackel. Nachdem die Fenster aufgerissen worden waren, hatten die Nachbarn einen Brief entded<t, der auE der Bettded<e Iag.

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""--... _-_._-- -_._----

Loni und Fritz Kühne 5. 11. 1 944 Dankbrief an Harlan

An der Beisetzung der Farnilie Küh ahrn . ne n en meme Frau

und Kurt Meisel teil. sonst folgte niem d d 5" . an en argen. Ole Herren der U fa wagten es nicht zu dieser B d' h ' eer Igung zu ge en lch selbst konn te nicht gehen, weil ich einen schweren Nach~ aufnahmedreh tag für »Kolberg« hatte Auf d 5" 1 . .. . en argen agen zwel Kranze der Ufa. Auf den schleifen dieser Krwe waren groSe Hakenkreuze.

Hans Meyer-Hanno war mitten aus den Dreharbeiten zu »Kolberg« heraus pliitzlich verhaftet worden. Seine jüdische Frau Irene saager wandte sich sofort an mich. lch ging bis zu einer Volksgerichtshofstelle in Potsdam. Dort saS Meyer-Hanno im Gefiingnis und sollte nach Leipzig abtransportiert werden. Seine Frau Irene brachte mich hin. Sie selbst durfte ais Jüdin den Gerichtshof nicht einmaI betreten. Sie wartete unten auf der StraBe auf mich. lch trat vor den Richter, der sich meinen Ausführungen über Hanno, soweit er konnte, auch zuganglich zeigte. Zu einem getreuen Gefolgsmann Hitlers konnte ich Meyer-Hanno natürlich nicht umfalschen. Dazu lag zuviel MateriaI gegen ihn vor. lch konnte ihn immerhin vor der schlimmsten Strafe bewahren. Die beiden Kameraden von Meyer-Hanno wurden gehenkt. Er bekam dreiJahre Gefangnis. Aber letzten Endes half es ihm doch nichts. Er end ete unter den Kanonen der anruckenden Russen, die gekommen waren, die Gefangnisse zu iiffnen und die Hitler-Gegner zu befreien.

»Der Kaufmann von Venedig« nach Shakespeare

Zunachst muS ich die Umwege aufzeichnen, über die Goeb­bels mich zum »Kaufmann« gehen lieS.

Fraglos hatte er es am liebsten gesehen, wenn ich den Filin .L h" Er rzlihlt mir daB »Die sie ben te GroSmacht« gemaUlt atte. e e ,

er diesen Film in eigener Person absdùieBen walle. Und zwar wollte er sich seinen alten schwarzen Ledermantel, der einen

Ehrenplatz in seinem Schrank habe, noch einma1 anziehen ~ die Rede wiederholen, die er damais gehaIten hatte, ais er

Zeitung »Der Angriff« gründete. ch darIlber Er meinte, es sei ihm ganz gleidtgültig, wu 1

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diichte. Seine Person sei seine Pers on und niemand würde an­nehmen, daB er Schauspieler geworden sei oder gar ein anderer

ais Josef Goebbels. Er schûderte mir, wie ich die »alte jüdische Presse« mit Theo­

dor Wolff, Georg Bernhardt, Alfred Kerr - kurz mit allen bekannten jüdischen Zeitungsbesitzern und Feuilletonisten zu einer spannenden Geschichte »der Presseversumpfung in Deutschland« machen kënnte. Erstaunlicherweise soUte ich Theodor Wolff, den Chef des Zeitungshauses Mosse, ais eine relativ sympathlsche Figur gegen die Niedertracht der anderen jüdischen Zeitungsverleger steUen und dabei das Interview, das Mussolini Theodor Wolff gewahrt hatte, ausschlachten.

Die »Kriegserklarung der Juden gegen Deutschand« woUte er mir im Original übergeben. Ich soUte sie ins Zentrum des Films steUen. Demnach hatten also die Juden Deutschland den Tod angesagt und nicht etwa die Nationalsozialisten den Juden. Die Sonne des YB, das hieB »Vëlkischer Beobachter«, soUte in groBer Apotheose aufgehen.

Allerdings hatte er keine durchgehende Handlung. Er fragte mich, ob ich ihm nicht einen Vorschlag machen kënne. Er sagte etwas von einer »Cavalcade der deutschen Presse« - dieses Wort »Cavalcade« * hatte er aus einem amerikanischen Film. Er druckste herum. Der schlaue Goebbels, der doch über UU­stein und über Mosse Bescheid wissen muBte, hatte keine ein­zige Handlung im Kopf, die er mir hatte vorschlagen kënnen. Natiirlich fiel mir zu die sem Film, mit dem mir das Schlimmste drohte, beim besten Willen ebenfaUs keine Handlung ein. Wenn Goebbels »Land« gesehen hatte, ware ich dieser Kata­strophe nie entgangen. Indem ich »5011 und Haben« heftig bei­seite schob und auf den »Kaufmann von Venedig» losging, rettete ich mich in eine bessere Situation.

Nun hatte Goebbels für die Geschichte des Shakespeareschen Stückes eine zusatzliche Geschichte zur Hand, die er in einem »Geschichtsbuch« gefunden hatte. Er gab es mir in die Hand und erzahlte mir den Inhalt. Der Inhalt war die Entstehungs­geschichte der zwei Theaterstiicke »Der Kaufmann von Vene-

~ Ein amerikanismer Dokumentarfilm über das Leben in GroB­ntanmen nam dem Buren-Krieg. Regisseur war Frank Lloyd.

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dig« von Shakespeare und .De J d Goebbels sagte: "Ein Marrane

r _u de v~n .Malta« von Marlowe.

licher Ker!, 50 wurden die geta ft aSJ

deiBt auf spanisch haB-u en u en di h' l'ch J d

blieben, in Spanien offiziell genannt 'tN e etm 1 U en Wolff, hatte den Versuch unternornrne::Ual amL .ebn LoPdez, sP.~~

. El ' b h ' s el arzt er KoOl-gm Isa et von England seine k" . l'ch P . . orug 1 e atientin umzu-bnngen. Er woUte sich dafur rachen d- Il f d" .

f .. . . ' <1J> au aus ruckhchen Be ehl der Korugm die aus Portugal und S' d . paruen vor en Po-gromen fhehenden J uden die bereits Frank'ch d H Il . ' rel un o and durchguert hatten, mcht über den Kanal nach E 1 d' . . ng an welter-fhehen durften. Engl~.nd. war fur J uden gesperrt. Die Konigin soUte durch Lopez fur lhre antisemitische Haltung mit dem T ode bestraft werden.«

Dieses »Geschichtsbuch« war ein handfester Schméiker und besaB aUe Attribute der »Hintertreppe«, des »Grausligen. und der »Spokenkiekerei« . Was Goebbels an diesem Buch ge6el, war der hemmungslose Antisemitismus.

Man las in diesem Buch, daB die Kéinigin Elisabeth jenen Lopez nicht nur enthaupten lieB, sondem daB sie auch seinen Kopf zur allgemeinen Warnung auf einem SpieB am Tower habe aufstellen lassen. Dann habe sie die Schriftsteller Marlowe und Shakespeare zu sich gerufen und sie veranlaBt, je ein Theaterstück gegen die »Abscheulichkeit des Judentums. zu schreiben.

»Der Jude von Malta« findet amSchluB des verlorengegange­nen Stiickes von Marlowe ein grausiges Ende. Man band an je einen seiner Arme und Beine ein Pferd und trieb dann die vier Tiere auseinander, 50 daB der Jude in vier Teile zerrissen wurde. Goebbels kam auf die Idee, diesen Vorgang zwar nicht zu zeigen, ihn aber doch textlich zu verwerten. Es sollte erziihlt werden, daB die Freunde des Kaufmarms dem Shylock ein g1ei­ches Ende bereitet hatten.

Ich machte Josef Goebbels sofort darauf aufmerksam, daS sich der méirderische SchluB des »Juden von Malta« Eür den SchluB der Koméidie in keiner Weise eigne. Das Stück sdùieBe ja ganz versohnlich und Shakespeare habe sich gewiB unter dem Shylock eher einen .bosen Clown« vorgestellt, ais die Inkarnation des Bosen.

Ich schrieb ein Drehbuch. Goebbels las fIS und verwarf es.

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Er nannte es »Theater!« lch bat nun den mir befreundeten ehemaligen Kritiker Herbert lhering, der im Besetzungsbüro der Tobis tatig war, mir bei einer Neubearbeitung der Schlegel_ Tieckschen Obersetzung zu helfen. lhering brachte mich mit einem Herm Reisinger zusammen, der wesentliche Textver_ besserungen schrieb, und ich reichte das zweite Drehbuch ein. lch Heferte dann noch ein drittes Drehbuch ab, in dem ich das Humorige ganz besonders betonte.

Es war mir klar geworden, daB Goebbels das Theaterstück von Shakespeare nicht genau im Kopf geh abt hatte, ais er den Befehl gab, es zu verfilmen. Nachtraglich muS er es dann doch gelesen haben. Auf die sem Weg entdeckte er, daB der Diener Lanzelot Gobbo behauptet, Jessica sei nicht von Shylock gezeugt worden, sondern Shylocks Frau habe ihren Mann mi t einem Venezianer betrogen !

Es war recht rabulistisch, was Goebbels dann vom StapellieB, denn daB Lanzelot Gobbo in seinem drolligen HaB diese und andere Gemeinheiten gegen seinen ehemaligen Herrn Shylock ausspricht, bedeutet bei Shakespeare keinesfalls, daJS der kleine Gauner Lanzelot darnit etwa die Wahrheit sagt. Das Gegenteil ist klar. Goebbels aber war richtig froh, daJS die Jessica, die bekannÙich von den Venezianern aus dem Haus des Juden geraubt und schlieBlich von Lorenzo geheiratet wird, wenig­stens ais HaIbjüdin dargestellt werden konnte. Darnit sei die »Rassenschande" in etwa zu ertragen. lch beschloB, diese Goeb­belssche Shakespeare-FaIschung nicht in mein Drehbuch aufzu­nehmen, sondern fand einen anderen W eg.

lch hatte in meinem Drehbuch Shakespeare selbst auftreten lassen, und zwar ais den Kaufmann Antonio. Auf diese Idee brachte mich der Literaturhistoriker Frank Harris, der nach­wies, daJS Shakespeare sich in dieser Rolle selbst dargestellt hat. lch habe den Dichter den dichterischen ProzeB seines Stückes sichtbar und Mrbar durchführen lassen. Nun lieB ich -da Goebbels das Jüdische an Jessica storte - an einer Stelle des dritten Drehbuchs Shakespeare zu Jessica sagen : »Du bist nicht das Kind des Shylock, sondem du bist mein Kind denn ich h . ' abe d,ch geschaffen, ich, der Dichter Shakespeare! «

Goebbels fragte verargert, ob ich ihn veralbern wolle. Dieser Satz konnte mit einem groBen Gelachter aus dem publikum

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beantwortet werden. Ich antwo t t 'h r e e , m ' -He M " Stück ist doch viel eher ein Lu t . 1 l' . rr ,mster, das .. s sp,e a seme KomOdi d

kemesfalls em ernstes Schauspiel W e un denn nicht lachen dürfen! . . arum sollen die Leute

Das, was ich vorschlug, konnte Goebbels' B ' fall 'ch fi ch uB · d ' e, mtnden.

1 w te la, aB er kem Lustspiel haben w lIt Ab . d k 'ch d 0 e. er w'e an ers onnte, en Stoff umbringen? G bb 1 II . . oe e s wo te abso-

lut die Darstellung des Grausigen sehen E . k ' L . . . s se, em ustsp,el zu. nennen, »wenn em Jude einem Schuldner bei lebendigem Lel~e dasHerz herausschneiden« wolle. lch antwortete: -Erwill es la nur - er tut es ja nich!. « Er beendete unseren Dialo in­dem er ironisch erklarte, von diesem . intellektuellen lit:;ari­schen Tiefsinn« nichts mem horen zu wollen.

Es saBen etwa zehn Menschen in seinem Zimmer, ais er auBerte, er wolle gar nicht den genauen Text von Shakespeare hab en. Dieser Text gehore in die Hochrenaissance und sei un­filmisch. Ich antwortete: »Wenn er schon in die Vergangenheit gehoren soll, Herr Minister, dann gehort er in die Biedermeier­Zeit, denn der deutsche Text ist von Schlegel und Tieck.« Goeb­bels erwiderte, daJS kein Schauspieler diesen Text in einem Sirme sprechen konne, der mit dem »Wesen der Fotografie« und des Films vereinbar ware. »Sie haben oft von diesem Wesen der Fotografie in der Sprache des Films gesprochen. Warum rücken Sie also plotzlich von Ihrer eigenen Memung ab., wandte ich ein. »J annings hat bereits in seinem >Zerbrochenen Krug' bewie­sen, daB sich eine hochkünstlerische Dichtersprache fur den Film nicht eignet. Ich will nicht, daB der gleiche Fehler wiederholt wird. lch habe es J annings vorher gesagt - aber er war genauso eigensinnig wie Sie!« schloB Goebbels.

Plotzlich kam er auf den Einfall, ich salle ibm eine besonders schone Stelle aufschlagen. Er wolle uns den Text vorlesen. lch schlug ihm den berühmten »Gnadensatz der Portia« auf und zeigte ihm die Stelle, in der Portia sagt: »50 muB derJudeGnad ergehen lassen.« Nun las Goebbels den Text weiter: Shylock: Wodurch genotigt muB ich7 Sagt mir das! Portia: Die Art der Gnade weiB von keinem Zwang.

Sie traufelt wie des Himmels milder Regen Zur Erde unter ihr; zwiefach gesegnet: Sie segnet den, der gibt, und den, der nimmt.

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Am miichtigsten in Miichtgen, zieret sie Den Fürsten auf dem Thron mehr ais die Krone. Das Zepter zeigt die weltliche Gewalt, Das Attribut der Würd und Majestiit, Worin die Furcht und Scheu der Kéinge sitzt. Doch Gnad ist über diese Zeptennacht, Sie thronet in dem Herzen der Monarchen, Sie ist ein Attribut der Gottheit selbst, Und irdsche Macht kommt géittlicher am niichsten Wenn Gnade bei dem Recht steht.

,

Er las la ut und bewuJh unkünstlerisch. Dann sah er sich im Kreise um und fragte mich: » N a, Herr Harlan, Sie sind doch ein 50 erfahrener Regisseur. Glauben Sie etwa selbst, daR lhre Frau als Portia einen sol chen Satz 50 sprechen kann, daR er realistisch und dem fotografierbaren Leben entnommen wirkt, wie er im Film wirken muR?«

Meine »Berliner Smnauze« war wieder einmal schneller als mein Verstand: »lch würde Sie nie engagieren, Herr Minister.«

Das ging ihm zu weit: »Niemand kann mir abstreiten, daB ich empfanglich für Humor bin. Das heillt aber nicht, daR man mit mir dumme Witze machen darf. Gehen Sie nach Hause und über­setzen Sie das Drehbuch in eine übliche FiIrnsprache. Welches VersmaR Sie auch auswiihIen würden - es ware immer falsch!«

Jetzt konterte ich: »Herr Minister, dann dürfen wir aber auch nicht mehr behaupten, in dem Film spreche Shakespeare!« Goebbels wehrte veriirgert ab: »Das Stück bleibt irnrner noch von Shakespeare!« lch antwortete: »Nein, Herr Minister. Shakespeare hat zwei Geschichten aus der Novellensammlung Il Pecorone des Giovanni Fiorentino genommen, niimlich die Novelle über den Juden Shylock und die andere Novelle über die drei Kiistchen der Prinzessin. Er hat die zwei Novellen mit­einander zu einem Stück verwoben. Die Geschichte selbst ist nicht von Shakespeare, sondern lediglich der dichterische und philosophische Text. Wenn ich diesen Text nicht nehmen darf, dann kéinnte man nicht einmal sagen, daB der Film >Der Kauf­mann von Venedig< Frei nam Shakespeare gestaltet sei, son­dem homstens Frei nam Fiorentino.« Goebbels sagte nur noch nervos: »Glauben Sie, daB im so viel Zeit für einen Film übrig habe? !«

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ln diesem Augenblick wurde er 't H'lf ' mIle emes Trick d

er stets anwandte, wenn er eine Unt d hn s, en erre ung 0 e' kl

Konsequenz beenden wollte von e;~ H d eme are , '~,em erm es Miruster-

amts daran ermnert, daB er einen 'dtti' B " Wl gen esudt erwarte

Und wlr waren wleder mal drauBen Ent chi d ' .. ' s e en wargarnidtts Fur Horst Caspar war das sehr wertvoll Z h ' , ' war at er von mir

memals etwas von dem absdteulidten Gespradt erfah d 'ch 't H' k 1 füh' h ren, as 1 ml m e ge rt atte, dom muBte im sel'td ru'..L . em rUlten, Cas par rucht mehr halten zu konnen, ldt rührte daher an dieses Thema überhaupt nidtt, fragte audt nidtt mehr zurück, sondem beschiiftigte mim nur nom mit den letzten Phasen des Films »Kolberg«, Caspar sagte im audt nidtts davon, daB der .Kauf­mann« anscheinend »gestorben« war, Idt hatte das audt gar nicht sagen dürfen, denn »abgeblasen« werden durEte der Film nur durch Goebbels selbst.

Am Tag der Premiere des »Kolberg«-Films, in der Horst Caspar neben den anderen Sdtauspielem ganz besonders ge­feiert wurde, schrieb er mir einen Brief.

!ch glaube, daR aIle, die Horst Caspar karmten, erkIiiren wür­den, daB es keinen reineren und edIeren Charakter unter den Schauspielern gab als den seinen, Er hatte sidt daraufverlassen, von mir nicht an einem Film beteiligt zu werden, der die Min­derwertigkeit des Antisernitismus zu steigem gecignet war, Er, dem selbst jüdisches Slut in den Adern BoB, gibt in diesem Brief ein Zeugnis da von, daB man keine verbremerisdte oder opportunistische Veranlagung haben muBte, um in einem 501-

chen Film wie dem gefiihrlidten »Der Kaufmann von Venedig. unter mir zu arbeiten, Dieser Brief wirft keinen 5dtatten auf Horst Caspar, sondern gibt denen von seinem hellen Ucht ab, die mit ihrn zusammen im 5chatten von Goebbels standen,

b nh " B lin warde in ciner Wiihrend unserer A wese elt m er Nacht unser Haus von Bomben zerstërt', Ali unsere Habe, die

d tlich uch meine Pa-dort war, viele wertvoIIe Sil er, narnen a . .. t piere, die Drehbümer und Aufzeichnungen und meme sam -l'ch d FI um Op fer gefallen, 1 en Urkunden, waren en arnmen z

• Am 12. Dezember 1944,

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~ i.-rlt ~J~~-~-~~~~~--' ~.

~­~ca ~

Horst Cas par 31. 1. 1945 Oankbrief an Harlan

206

Die letzte Unterredung mit Goebbels

Wir zogen, ais wir von Guben "ckk Zuru amen' . 1

stehendes Haus in der Tannenb all d ' .m em eer-ch 'b h b erg ee, as kelIle Fenster

s el en me r esaR Zu dieser Zeit hatt . dt dt. -merkwürdige Begegnung mit Goebb ls e 1 au meme letzte

e . AIs ich Mitte Februar 1945' Goebb 1 " " . e s 1Il elIlem groBeren

Krels von Leuten zum letztenmal sah, rezitierte er plotzUdt leise den Satz aus dem Film .Opfergang«· . Siehst d d R . d . u en egen-bogen I~ er Luf! ... die Brü<ke ... die hinüberruhrt ... Wer weiJ5, wle bald wir sie beschreiten müssen ...• ldt wuJ5te nidtt was er mit dieser Wiederholung sagen wollte. '

AIs ich mich, um vor dem üblidten FUegeralarm zu Hause zu sein, von ihm verabschieden wollte, lieJ5 er midt nidtt fortgehen. Er hatte noch mit mir zu reden. Spat in der Nadtt - die meisten waren schon gegangen - zog er midt in eine Sitze<ke und fing an, über "Opfergang« zu phantasieren. Er spradt über die Art, in der ich Tod und Ewigkeit in dem Film auf symbolisdte Weise verflochten hatte.

Er betonte, daIS er jetzt eine andere Einstellung zu dem Film­schlu/5 von »Opfergang« habe als ein Jahr zuvor und daB es ihm ein Bedürfnis sei, mir das zu sagen .• Die Todesnahe ist doch zwingend dargestellt und 50 versohnlidt, daB man den Blick nicht abzuwenden braudtt, wie man das wohl sonst tut, wenn man den Tod zu sehen glaubt oder wenn man in die Sonne schaut.«

Er erzahlte mir von seinem Adjutanten Hanusmke, der etwa ein oder zwei Jahre früher gefallen war: .Hanusmke hatte mir genau die gleiche Bank rur meinen Park in Lanke gebaut, wie

Sie sie in lhrem Film ) lmmensee< gebraumt haben. Die Bank - Sie erinnern sich -, an der aum das Grab des kleinen Vogels lag. Hanuschke hat diese Bank aus Birkenholz sehr geliebt und sie rur seinen Minister namgebaut, weil er das, was er am meisten liebte, immer mir gegeben hat. Er war treu und \iebte mich wirklich Von vielen kann idt das nimt sagen.. Und nun redete Goebb'els erstaunlim weiter: .Hanusdtke wird an cler HimmelslÜr stehen, wenn im hinaufkomme, um, wie er es

• Am 17. Februar 1945 in Goebbels' WohnWl8.

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imIDer getan hatte, zu sagen. ,Herr Minister, es ist alles lhrem Befehl gemaB geordnet. (<<

Diese AbsurdWit, dag Goebbels so redete, ais woUte er damit ausdrücken, "in den Himmel zu kommen«, war ein General_ angriff auf mein Aufnahmevermogen. lch sah deutlich, dag er mich nicht etwa foppen woU te, denn seine sonst 50 kraftig blitzenden und sprühenden Augen hatten einen schwachen Glanz. Was war das fur ein Goebbels?

lch erinnerte mich, wie Goebbels noch wenige J ahre ZUVor in Gegenwart vieler Schauspieler seine eigene alte Mutter darnit hanselte, d~ sie auf eine superkindliche Weise katholisch sei. 50, wie es ihr Sohn als nationalsozialistischer Propagandamini_ ster eigentlich verbieten müsse.

Es war bei Tisch, als Goebbels seine antikatholischen Plan­keleien seiner Mutter mit lachelnder Zartlichkeit entgegen­schleuderte. lch werde nie die Augen vergessen, mit denen sie ihren Josef anschaute. Sie hatte offensichtlich Mitleid mit ihm und machte eine zaghafte Bewegung mit der Hand, aus der man entnehmen konnte, d~ sie ganz heimlich und undeutlich ein Kreuz vor der Brust schlug. VieUeicht kannte ihr "Jupp« diese Bewegung. Jedenfalls schien er in diesem Augenblick einzusehen, d~ er sich vergaloppiert hatte. Man ho rte nur noch das Klappern von Messern und Gabeln auf den Tellern. Er hatte mit der ganzen Hemmungslosigkeit seines fixen Denkens aus dieser Situation nicht hinausgefunden, wenn seine Mutter ihm nicht spontan die Hand hinübergereicht und ihn angelachelt hatte.

Der Goebbels dieser Nacht war ein anderer, ais ich ihn bis dahin kannte. ln sich zusammengesunken sag er auf seinem Sofa und lieg mich nur unwillig gehen. Warum hatte er mir das alles erziihlt? Was wollte er von mir? D~ ich mich mit ihm auf ein solches Gesprach einlassen würde, konnte er nicht an­nehmen. Er war mir selbst in seinem Zorn angenehmer gewesen

aIs jetzt - wo er 50 unnatürlich und gefahrlich zahm war. Goebbels in seinem Zorn zu sehen, konnte ein gigantisches

Smauspiel sein. Dieser Mann hatte Charme. Vielleicht nicht inuner. Aber er hatte gerade in Situationen Charme, in den en andere Leute keine Spur von Charme mehr zu haben pRegen. Goebbels verkërperte den Teufel nimt 50 sehr durch seinen

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hinkenden F~ ais vielmehr durch . "bt . cl semen Charm M' ihm u e er eme gera ezu zwingende G e. It bli tze sprühten und die zielSI'ch eWpalt a~, wenn die Geistes-

ere omtierun . kens, den er, urn mit Nietzsche ch g emes Gedan-

zu spre en -mit d H mer« zu denken schien aus ihm h b' em am-, eraus ram.

Das Kriegsende

Anfang Marz 1945 wurde es in Guben zu gefah l'ch D' R .. k ' h ri. le

ussen ruc te.n unmer na er. Berlin bekam jede Nacht furcht-bare Luftangnffe. AIso wollten wir auch dort kI . unseren emen Sohn nimt lassen. Er soli te in die Heirnat seiner Mutter, nach Smweden, urn aus der inuner mehr wadtsenden Gefahr her­auszukommen.

Kristina wollte ihn zu ihren Verwandten begleiten und zu­rückkommen. Sie dachte nicht daran, mich allein zu lassen. Kristina m~te ebenso wie die anderen Schwedinnen sdtriftlich um die Ausreisebewilligung einkommen. Alle schwedischen Frauen bekamen diese Bewilligung. Für Kristina jedoch erlieB Goebbels ein striktes Vorbot. Sie habe Deutsdùands Grenzen nicht zu überschreiten.

Was war geSchehen? Hatte Goebbels irgendwie davon Wind bekommen, d~ Kristina Schwedin geworden war7 Wollte er uns auf diese Weise zwingen, es einzugestehen7 Denn mit ihrem schwedischen P~ hatte ihr ja die Po\izei die Ausreise gar nicht verweigern kiinnen.

Wir gingen nicht in diese Falle. Kristina blieb, und unsere Kinderschwester bekam die Erlaubnis, unser Kind nach Schwe­den zu begleiten *.

Wir zogen nach Hamburg. Dort wohnten wir bei schwedi­schen Freunden von Kristina.

In der Hamburger Rabenstrage wohnten allerdings gefahr­liche Leute. Dort war eine Art .Braunes Haus«, und dorthin

• A b K" S"d rbaum in ihr Tagebudl: m 23. April 1944 schrie nshna 0 e. . . Bglldl-.Erfuhr durch WI'lhelm dall die Gestapo mlf Jede Au~.re,setm..L' den k ' daB . dl miu. en Suu,

eit nach Schweden verweigert. Wie gut, .' U dlamtheU habe bei Veit zu bleiben. Auf aile nille ist es eU\e nyers . lch werde es mir merken .•

Page 113: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

wurden wir eines Tages bestellt. Man rientete infame Fragen an uns. Der» Untersuenungsrienter« hieB Standartenführer Her­ford. Fotomontagebilder wurden uns vorgelegt, auf denen Kristina zwischen englisenen Offizieren zu sehen war. Die Fal­schung war deutlich sientbar. Die Unterschrift hieB: »Die schwedische Schauspielerin plaudert in Senweden an Engliinder deutsche militarisene Geheimnisse aus.« Solene Bilder hatten die Englander über Hamburg abgeworfen.

Ich fragte zurück: »Was fur militarisene Geheimnisse sol! meine Frau eigentlich wissen? Wer hat denn behauptet, daB sie in Schweden ist?« Darauf erfolgte die sehr eindringliche Frage: »War Ihre Frau etwa nient im letzten Monat in Senweden?« »Wie soli sie denn dorthin gekommen sein?« fragte ich. »Wir wissen es nient«, war die Antwort.

Man sti:iberte in Kristinas Handtasene herum. Auen ich wurde untersucht. Was man mit uns vorhatte, blieb offen. Jedenfalls muBten wir mehrfach und immer wieder in die RabenstraBe und uns i:ifter prüfen lassen, ob wir noch da sei en und was wir eigentlich in Hamburg maenten.

Artikel über Artikel aus dem In- und Ausland wurden uns vorgelegt. Auch wurden uns Briefe vorgelesen. Alles richtete sich weniger gegen mien als gegen meine Frau. Das Benehmen der schwarzgekleideten Herren wurde immer ungezogener. Man sagte uns schlieBlien, daB man sien auf »eine Information« des Propagandaministeriums stütze. Als ien naen dem Inhalt der »Information« fragte, bekam ien keine Antwort.

Die in der RabenstraBe gaben keine Ruhe - bis eines Nachts das Haus von einem Volitreffer radikal ausradiert wurde und mit ihm die schwarzen Herren und das ganze torichte Material gegen uns.

Damals war die Atombombe auf Hiroshima noch nient gefal­len. Das geschah erst am 8. August 1945. Aber da in Deutsm­land immer wieder von der »Wunderwaffe« geredet wurde, versuchte ich, dem Wesen dieserWaffe nachzugehen und erfuhr sehr viel Interessantes - auch von Peenemünde. lch wollte deshalb noch einmal nach Berlin zurückfahren, um mit Goeb­bels über dieses Filmvorhaben zu sprechen. Mit eventuellen Fragen an mich, die so ahnlich sein konnten wie die in der RabenstraBe, ware ich schon fertig geworden. Goebbels war der

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einzige, durch den ich das Material für einen solchen Film be­kommen konnte. Nur er hatte die Macht, Anweisungen zu ge­ben, wo und inwieweit ich sie bekommen kOnnte, denn daB dieser Film eines Tages einmal gemacht werden müBte, schien mir vollig klar zu sein. (Er ist übrigens bis heute nicht gemacht worden.)

Der Damon Goebbels, dessen furchtbarer Schatten unser per_

sonliches Leben noch heute verdunkelt, hat mich jedoch nicht mehr sehen wollen. Seine Absage war kurz und hart. Eigentlich paBte sie nicht zu der letzten Unterhaltung, die er mit mir über »Opfergang« geführt hatte.

Schikanen

Und dann kam der Tag, an dem die Englander Hamburg besetzten. Hitler war tot, Goebbels war toto

Der ers te unter den groBen Künstlern, der maBlos und un­gerecnt beleidigt und angegriffen wurde, war Gerhart Haupt­mann. Er hatte weder mit Goebbels oder mit sonst einem Nationalsozialisten jemals etwas zu tun gehabt. Er war als Deutscher Deutschland treu geblieben und muSte nun dafür manchen Schimpf hinnehmen.

Ich war nicht 50 kindlich, mir nimt stets darüber im klaren gewesen zu sein, daB mich und viele meiner Kollegen eine scharfe Prüfung erwartete, wenn der Krieg einmal aus sein würde.

Wer in der Nahe von Goebbels stand, hatte sim immer vor Augen halten müssen: Eines Tages wirst du dim verant­worten müssen.

Wir warteten also auf eine Untersumung meines Falles. Sie muS te klaren, was notwendig zu klaren war. Aber eine solme Untersuchung kam jahrelang nimt. Zunamst tobte die Rame. Die Pressefreiheit wurde dazu benutzt, um Lüge auf Lüge zu türmen, von denen man dann spater, als die Wahrheit heraus­kam, nicht mehr loskam.

Am Telefon wurde mir gedroht, im würde in dem Augen­blick erschossen werden, in dem im aus meiner Haustüre auE die StraBe trate. Einer der Anrufer war ein frumtbarer Sduift.-

zt1

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1

<tl'Iler. Er rief oft an und rief diese Drohung nieht nur mir, sondern aueh meiner Frau kreisehend ins Ohr. SehlieBlieh blieb mir niehts anderes übrig, ais ihn bei der Staatsanwaltsehaft in Hamburg anzuzeigen. Die Oberstaatsanwaltsehaft in Hamburg nannte diese AuBerung »verstandlieh«. Meine Besehwerde wurde gar nieht angenommen.

Aber das alles war nur der Anfang. Immer wieder wurde ieh aus irgendwelehen unsinnigen Gründen kurzfristig ins Gefang­nis gesteckt. Kristina holte mieh stets wieder heraus. Man hatte ja niehts, was man mir emsthaft vorwerfen konnte.

Bevor unser Sohn am 5· Februar 1946 geboren wurde, hatten wir - namentlieh Kristina, die ja das Kind erwartete - bestia­lisehe Erlebnisse. Neben den Todesdrohungen, die sieh hauften, bekamen wir Totenkranze ins Haus gesehickt, auf deren Schlei­fen mein Name stand, und einige andere Liebenswürdigkeiten. lmmer wieder wurde meine Frau angerufen, sie solle meinen Leichnam aus dem Leiehensehauhaus oder sonstwo abholen. SchlieBlich wurden wir von den Behorden aus Hamburg aus­gewiesen. Wohin - sagte uns niemand. Lediglieh die Sehwan­gersehaft meiner Frau verhinderte dann die gewaltsame Aus­führung dieser Anordnung.

leh dagegen landete in verschiedenen Gefangnissen. lrgendein Grund fand sieh immer, rnieh auf der StraBe zu verhaften und mit Gewehrkolben fi einen Jeep zu treiben. In den Gefang­nissen selbst ging es mir gar nieht 50 schleeht. Die deutsehen Gefangnisbeamten kannten meine Filme und behandelten mieh mit groBer Zuvorkommenheit. lch kam meist in gekaehelte Zellen, die hygienischer waren, weil die qualenden kleinen Tierehen dort nieht zu Hause waren. Wenn in der Naeht die Englander weg waren, holten mir die Beamten meine Pfeife und Büeher aus meiner Wohnung. Es dauerte niemals lange, bis mieh meine Frau wieder freibekam.

Ehe es morgens zu irgendeiner richterlichen Haftprüfungs­verhandlung ging, saB ieh mit verschiedenen Sehy..'arzhandlem und anderen kleinen Gaunem zusammen. Die Sehwarzhandler hatten an den merkwürdigsten Stellen ihres Leibes Fleiseh- und Fettkarten versteckt und verteilten sie groBzügig an uns. Ich las den Leuten - wir muBten oft Stunden warten _ irgend etwas vor oder erzahlte aus dem Filmleben. Es war auszuhalten.

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Kam es dann zum Termin, stand man vor der Wahl, die Wahrheit zu sagen oder vielleicht besser zu lügen. Die Haft­gründe waren bei mir meist folgende: Man hatte mich vor der Sperrstunde auf der StraBe durch lange Gespraehe und Unter­suchungen gewaltsam festgehalten und rnieh dann verhaftet, weil ich die Sperrstunde überschritten hatte. Einmal hatte man mieh sogar schon naehmittags auf die Waehe gebraeht, mich dort sitzen lassen und erst fünf Minuten vor Eintritt der Sperr­stunde entlassen. Mir fuhr dann ein Jeep naeh, und man ver­haftete mieh kurz naeh Eintritt der Sperrstunde. Das tat man natürlich nur, weil man Veit Harlan bestrafen wollte. Einmal habe ieh diese Wahrheit vor Gerieht gesagt, aber ieh wurde nur angebri.illt. Spa ter gab ich dann bereitwilligst zu, die Sperr­stunde überschritten zu haben.

Bei solehen Untersuchungen wurden manchmal Erklarungen unter Eid abgegeben. Den Eid durften natürlich nur die in eng­lischer Uniforrn befindlichen Soldaten ablegen.

Einmal wurde unsere Wohnung durchstobert, obwohl der Besitzer der Wohnung Sehwede war und drauBen an der Türe das sehwedische Zeichen hatte. Man »beschlagnahmte« neben Filmkopien und zahllosen Schmalfilmen auch Kameras und meinen Vorführungsapparat. Einen geringen Teil davon bekam ieh spater wieder - der wesentliehe Teil wurde zurückbehalten.

Entnazifizierung und Anklage

leh versuehte nun mit groBer Energie meine Entnazifizierung zu betreiben. leh kannte den zweiten Bürgerrneister der Stadt Hamburg. Er half mir auch. Aber es dauerte trotzdem noch drei Jahre, bis das Entnazifizierungsverfahren anlief.

ln der Zwisehenzeit wurde unser Sohn Caspar geboren. lm Jahre 1948 wurde ich von einer »Sonderentnazi6zierungs­

kOmmission« nach siebenmonatiger Verhandlung in die Gruppe 5" eingestuft. Daraufhin brach der Sturm erst rimtig

~ Un ter Kategorie 5 fallen »Personen, die auf Grund ein~r Prflfung ihres Falles aIs unbelastet erklart oder entlastet worden smdc. (Ver­ordnung Nr. 79 Amtsbl. d. Mil.-Reg. Nr. 16, 1947, S. 4ll H.)

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gcgen mich los. Dieser »Freispruch« war auch zu emporend. Man zeigte mich beiffi Staatsanwalt in Hamburg an.

In den Jahren 1:947/48 inszenierte ich dann mit Kristina den BühnenreilSer »Gaslicht«. Es war ein grolSer Erfolg. Dann kam »Wie es euch geHillt«. Da Kristina der Erfolg auch bei Shake­speare treu blieb, wurden wir aufgefordert, mit dem englischen Stück »Augen der Liebe« auf eine Tournee durch Nord- und Süddeutsdùand zu gehen. Es wurde ein Monstergeschaft. Wir verdienten die neue gute D-Mark. Das Publikum war begeistert, Kristina zu sehen. Und wenn auch mein Name nicht auf dem Zettel stand, 50 wulSten doch aile, wer das Stück inszeniert hatte. Anfanglich begleitete ich die Tournee. In Koln bekam ich jedoch einen Herzinfarkt und war nicht mehr kraftig genug, diese Reisen wei ter mitzumachen.

Kurz vor meinem Infarkt war in Koln ein Journalist zu mir gekommen. Er drückte mir beide Hande und sagte : »Spiel und Regie sind meisterhaft - ich habe aber Anweisung von meiner Zeitung, an der Vorstellung kein gutes Haar zu lassen. Wun­dem Sie sich also nicht, wenn Sie morgen einen furchtbaren VerrilS lesen. Diese Anweisung haben übrigens aile Journa­listen. Es tut mir herzlich leid !« Es existierte fur mich also wieder eine »grüne Zeitung« ".

Dann kam die Zeit, in der ich nicht mehr bei den Vorstellun­gen blieb. Die Auffiihrungen wurden oft durch wüste Radau­szenen aufgehetzter Zuschauer unterbroch.en. Es stand in den Zeitungen, daB ich unter der Anklage des »Verbrechens gegen die Mensdùich.keit« stand. Hin und wieder gab es zehn Minu­ten lang Larm im Zusch.auerraum und Sch.lagereien. Kristina blieb dann ruhig stehen und wartete ab. SchlielSlich siegtendoch. immer die gutwilligen Leute irn Publikum. Mehrfach. wurde durch die Polizei festgestellt, daIS die Randalierer bezahlte Leute waren - teûs Auslander, die überhaupt nicht wulSten, gegen was sie eigentlich. Larm mach.ten.

In Bayreuth mu!5ten einmal amerikanisch.e Panzer das Thea­ter a~riegeln, weû Stortrupps aus Nürnberg auf Lastwagen herbetgesch.afft wurden. Die Amerikaner schützten die Vor­stellung und brach.ten Kristina dann irn panzerwagen ins Hote!.

• Siehe Seite 12.9.

Der Portier des Hotels hatte sich 50 auEgeregt, daB er cinem Herzschlag erlag.

lch bereitete mich in dieser Zeit mit mciner Sekretlirin Lu Schlage auE den ProzelS vor. Beinahe taglich mu!5te ich zu den Voruntersuchungen. Meine Frau wurde durch all diese AuE­regungen 50 krank, daB sie in Bad Oeynhausen waruend einer Vorstellung zusammenbrach und in cine Klinik transportiert werden mulSte. Die Tournee fand darnit mr Ende.

In der Voruntersuchung saB ich viele Monate lang immer wieder im Zimmer des Oberstaatsanwalts Kramer und mu!5te zum Teil vollig an der Sach.e vorbeigehende Fragen über mich ergehen lassen. Man wollte nach.weisen, daB ich ein J uden­hasser sei, daIS ich. ein Busenfreund von Goebbels war und daB ich verantwortlich. fur die Entstehung des Films "J ud Sü!5« ware. Die Umwege, die man dabei ging, um diese monstrose Unwahr­heit krampfhaft zur Wahrheit und zum Gegenstand einer Anklage gegen mich. werden zu lassen, waren oft wunderlich.

Der Oberstaatsanwalt Dr. Kramer wamte mich. freundlim, daB ich meine Sich.erheit, die im vor ihm zur Smau trüge, vor Gerich.t gewill verlieren würde. Mit einer solmen Anklage vor Gericht zu stehen, sei nervenzer!rümmernd. Er meinte: .Die starksten Eichen stürzen dort und zerbremen wie Streimhéilzer ... Da ich nicht »aus Holz« war, war im nimt 50 angstlim. Die Offentlich.keit furch.tete ich. überhaupt nich.t. lch. kannte sie ja sehr gut von meinem BeruE her. Wenn ich. etwas furdltete, dann war es das unheimliche »Kontrollratsgesetz Nr.1:o«·. Aum meine grolSartigen Anwalte Dr. Zippel und Dr. Wandschneider wamten vor jedem Optimismus.

• Harlan wurde angeklagt, im Sinne des KontroUratsgesetzes Nr. 10, Artikel II 1c1d ein Verbrechen gegen die Menschlidù<eit und Be­leidigung begangen zu haben. Artikel II 1c1d lautet: c) Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Gewalttaten und Vergehen

einschlieBlich der folgenden, den obigen Tatbestand jedoch nicht erschopfenden Beispiele: Mord, Ausrottung, Versklavung, Zwangsverschleppung. FreI­heitsberaubung, Folterung, Vergewaltigung und andere an der Zivilbevolkerung begangene unmenschliche Handlungen; Ver­folgung aus politischen, rassischen oder religiosen Gründen. ohne Rücksicht darauf ob sie das nationale Recht des Landes. in dem die Handlung begangen worden ist, verletzen.

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Ais ich nach zahllosen Verhandlungen den Oberstaatsanwalt einmal fragte, was er sich von seiner Anklage gegen mich eigent_ lich verspreche, und erklarte, er wfude es doch niemals fertig_ bringen, mich in den Augen der Menschen zum Verbrecher zu machen, hërte ich aus seiner Antwort folgendes heraus:

» Wenn man eine Million einklagen will, dann ist das eine sehr teure und risikovolle Sache. Der kluge Mann wird einen Teilbetrag - etwa 10000 Mark - einklagen. Das ist nicht 50

teuer. Gewinnt er die 10 000 Mark, dann faIlt ihm der Rest risikolos zu.

50 ahnlich ist es mit Ihnen. Sie sind die 10 000 Mark. Wenn Sie verurteilt werden, kommt die gesamte deutsche Filmindu­strie von Goebbels dran. Dann haben wir ein ,Musterurteil<.«

Der erste SchwurgerichtsprozeI5

lm ProzeB sagten alle Filmschaffenden die subjektive Wahr­heit. Auch meine beiden Gegner unter ihnen - wenigstens der eine - und zwar der Zeuge Gustav FrëhIich. Er, mit dem ich seit 1919 befreundet war, mit dem und dessen Frau Gitta Alpar ich viel gemeinsam erlebt habe - wie oft waren wir mit ihnen und Richard Tauber freundschaftlich zusammen gewesen -, er, der sich von ihr trennte und den ich gegen Goebbels' Wil­len fur meinen Film » Der groBe Kënig« durchgesetzt hatte, stellte sich ais mein Feind vor. Er konnte nichts Sachliches gegen mich vorbringen. Er schilde rte aber den Richtern und den tausend Zuschauern, daB ich »von kleiner Statur« sei und stets die beneidet hatte, die groB, schlank und auffallig gut gewach­sen waren (womit er anscheinend sich selbst meinte). Dann erkllirte er, daB ich durch das Erscheinen der Nazis eine mach-

d) '" 2. Ohne Rüd<sicht auf seine Staatsangeh6rigkeit, oder die Eigen­

schaft, m der er handelte, wird eines Verbrechens nach MaBgabe von Ziff. IC beschuldigt, wer a) ais Tater oder b) ais ~ehilfe bei der Begehung eines solchen Verbrechens mit­

gewlfkt oder es befohlen oder begünstigt oder ~ du.'ch s.eine Zustimmung daran teilgenommen hat oder ) nut semer Planung oder Ausführung in Zusammenhang ge­

-tanden hat ...

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tige Stellung bekommen hatte, die mich über alle Bessergewach­senen erhob. Da hatte ich erreicht, was ich normalerweise niemals hatte erreichen kënnen. Darum hatte ich auch 50 gut mit Goebbels gestanden.

Alle im GerichtssaaI argerten sich über diese Aussage merk­bar. Sogar die Englander. Ais FrëhIich den Zeugenstand ver­lieB, wurde er übrigens von den Englandem festgenommen. Sie behaupteten, er trage einen Mantel aus »englischen Militar­bestanden«. Sein Mantel wurde konfisziert, und die Englander gingen mit Frëhlich ab.

Der Regisseur Erich Engel war mir durch seine Aussage erheblich gefahrlicher ais Frëhlich. lch durfte früher unter seiner Regie bedeutende Theatererfolge erringen und schatzte ihn künstlerisch wie geistig sehr hoch. Engel wurde in Berlin im Schwurgerichtssaal in Moabit vernommen. Er war am Deut­schen Theater bei Brecht engagiert. lch hielt Engel fur einen guten Zeugen für mich, denn ich hatte ihn seinerzeit, ais ich den Auftrag fur »J ud SüB« erhielt, zu mir nach Hause gebeten. Er war es, der mir riet, den Herzog mit mëglichst viel 5ünden zu belasten, um dadurch den J uden zu entlasten. lch handelte nach seinem Rat. Wir schieden damais ais Freunde, und zwar ais Duzfreunde, die wir im Jahre 1939 schon fünfzehn Jahre lang gewesen waren - und die wir auch bis zum Ende des Krieges bleiben 5011 ten.

Engel bestritt zwar denInhaltunsererUnterhaItunginmeiner Wohnung nicht. Er erklarte aber, mir damais schon nicht se­glaubt zu haben. Ais ich ihn fragte, warum er mir damaIs das nicht gesagt hatte, zuckte er mit den Achseln. Wir waren mit Francesko von Mendelssohn und Fritz Kortner alle zusammen 50 gute Freunde gewesen - er brauchte also keine Bedenken zu haben, mir einen freundschaftlichen Vorwurf zu mamen oder die Freundschaft aufzukündigen, Falls er es fur beredttigt hielt.

Engel siezte rnich plëtzlich vor Gerimt. Sogar über sejnrn toten Freund Ferdinand Marian sagte er ganz überfliissi&er­weise abfallige Dinge aus, die im nur deshalb wiederhole, weil ich ihre vëllige Unwahrheit festgestellt habe. MarIan habe sWt einen anderen Namen zugelegt, weil sein editer Nune durdI eine Wechselfalsmung und durdt andere kriminelle ~ gen in der Offentlichkeit unbraumbar geworden seL ..

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gar nicht ntitig, 50 etwas ZU sagen. Marian war tot. lch wellS nicht, warum er seinen toten Freund verleumdete. Marian selbst hat Engel immer ror seinen guten Freund gehalten, ihn hoch verehrt und geliebt, besonders seit er mit ihm den Jago in .,Othello« im Deutschen Theater einstudiert hatte. Es war Marians grtilSter Erfolg.

Der Schauspieler Hans Hermann SchaufuJ$ und seine Frau verloren dieser Aussage von Engel wegen vor Gericht vallig die Fassung. Sie warfen Engel vor, seine jüdische Freundin Sonja Okuhn im Stich gelassen zu hab en, 50 dalS sie schlielSlich abtransportiert und in einem Lager umgekornmen sei. lch weilS allerdings nicht, ob Engel Sonja Okuhn, der ich auch sehr nahe stand, überhaupt hatte helfen kannen, da er ja nicht mit ihr verheiratet war.

Das ers te Gerichtsverfahren vor dem Schwurgericht in Ham­burg begann am 3. Marz 1949 und endete am 29. April.

Da im kurz vorher einen Herzinfarkt erlitten hatte, wies der Herzspezialist Professor Uhlenbruck aus KaIn darauf hin, dalS er annehme, im konne ein solmes Verfahren nicht durchstehen. Es müsse auf unbestirnmte Zeit verschoben werden. Das war ein furmtbarer Gedanke ror mich. lch brauchte dieses Verfah­ren und den SmlulSstrich unter die VOTWÜrfe, die mir fortwm­rend gemacht wurden. lm setzte es also durch, dalS das Ver­fahren in Gang kam und nahm die Verantwortung für meine Gesundheit auf mim. Dom bekam im die Erlaubnis, ais An­geklagter an einem Tism sitzen und im 5itzen antworten zu dürfen. lm habe allerdings fast nur im 5tehen geantwortet und gespromen.

DasVerfahren hob mit unerbittlimerGrausamkeit an. Nahe­zu die gesamte Elite des deutsmen Films wurde vernommen. Da nur knapp tausend 5itzplatze lm grolSen 5chwurgerichtssaal waren, wurden die EinlalSkarten zu hohen Preisen auf dem 5mwarzmarkt gehandelt.

50 hart und unerbittlich der Vorsitzende des Gerichts, der Prasident Dr. Tyrolf, war, 50 sehr bemühte er sich, unparteiism zu sein. Er war, wenn er sim einmal wegen ungerechtfertigter An ·ff..1." d gn e SUlutzen vor mim stellen mulSte am nachsten Tag in der Zeitung der» Verbrecher in der schwa:zen Robe«.

J ournalisten aus allen tandem waren anwesend. J eden Tag wurde auf der Hauptseite unserer Zeitungen berichtet. Der Pro­zelS drohte hin und wieder in ein 5pektakel auszuarten. Dr. Ty­rolf hat in solchen Augenblicken hart zugegriffen. lch bewun­der te ihn oft, wie er es verstand, die Würde des Gerichts wieder­herzustellen, wenn sie von Zeugen oder Randalierem strapa­ziert wurde. Auch ich selbst verlor oft die notwendige Ruhe und Besonnenheit.

Die Aussage von Gründgens

Die Schauspieler, die sich vor ihren Aussagen hatten drücken konnen, benahmen sich mannlich und hochherzig. Es war keinesfalls angenehm für sie, günstig wirkende Wahrheiten über mich auszusagen. Jeder sagte die Wahrheit - auch wenn sie geeignet war, ihm selbst zu schaden. 50 denke ich z. B. an den grolSen 5chauspieler und Regisseur Gustaf Gründgens, der dem Gericht vor Augen rohrte, auf welche Weise er selbst die Rolle des »Jud 5ülS« losgeworden war. Es sei mir unmaglim gewesen, die gleiche Waffe, die er gebraumen konnte, dagegen anzusetzen. 5eine Waffe hieB: Hermann Garing.

Gründgens schilderte mit grolSer Genauigkeit, auf welche Weise er »5taatsrat« geworden war. Er war von den National­sozialisten 50 angeekelt gewesen, dalS eT in die 5mweiz nach Basel f1oh. Dort rief ihn bei seinem Freund Bernoulli Goring an. Er mach te Griindgens klar, dalS Hitler die 5taatstheater Josef Goebbels übergeben würde, wenn er, der Reimsmarsdtall Goring, es nicht smaffe, Griindgens wieder zurück nam Berlin zu holen. Dadurch würden sâmtlime Smauspieler des 5taats­theaters, die mit jüdischen Frauen verheiratet seien - und das waren viele -, und aum andere 5mauspieler, die anderweitig belastet waren, in grolSe Gefahr kommen. Goring garantierte Gründgens, es werde ihm nimts gesmehen, wenn er sim sdtnell entsmlielSen würde, zuriickzukehren. Er solle nur mitteilen, mit welchem Zug er von Basel nam Deutschland fahren würde. Er würde dann von der Grenze ab von Gorings Leuten beschützt und begleitet werden.

Es war Griindgens klar, dalS er seine 5mauspieler nimt an Goebbels ausliefem durfte. Darum kehrte er sdtweren Herzens

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aus der 5mweiz nam Deutsmland zurück. AIs der Zug in B . am Potsdamer Bahnhof einlief, war der Perron von 5S a~rhn sperrt. Gründgens ging in Begleitung eines OHiziers g ~e­wegs an der S5 vorbei aus dem Bahnhof und stieg un:

a :-

G" . W d'h d' k M' n ln onngs agen, er 1 n Ire t zum msterprasid " " . enten

bramte. Dort wurde Grundgens von Gonng zurn pretillischen 5taatsrat emannt. Es stand in der Verfassung, daB nur d pretillisme Ministerprasident das Recht hatte, pretillische 5taat:~ rate zu emennen. Von diesern Augenblick ab stand Gründ ens - auch nach nationalsozialistischer Auffassung - unter g der alleinigen Befehlsgewalt von Goring. Er mugte sich allerdin s davor hüten, sich in den Machtbereich von Goebbels zu b:­geben.

Gründgens war wohl sehr bestilizt, aIs er eben dies durch die Annahrne der Hauptrolle in dem Film »Friedemann Bach« tat. Goebbels nützte diese Gelegenheit sofort aus, Gründgens durm seinen 5taatssekretar zwingen zu lassen, in dem Film »Ohm Krüger« den Chamberlain zu spielen. Aus dieser Klernme konnte ihm selbst der mamtige Goring nicht mehr heraus­helfen. Goring hatte nur im Bereim der 5taatstheater, nicht aber im Bereim des Ufa-Gelii.ndes, Macht über seinen 5taatsrat und Generalintendanten.

50 spielte Gründgens, wenn auch ausdrücklich ohne jedes Entgelt, diese Rolle in dem ihrn widerlichen Propagandafilm. Er betonte dem Richter gegenüber : »5ehen Sie: Auch ich mtillte rnim beugen. Veit Harlan hatte damais keinen Goring - der es ihm einfam verbot, in dem Film > J ud 5üB, rnitzuarbeiten, wie Goring es auf meine Veranlassung hin mir verboten hatte. Goring erklarte: ,Mein Generalintendant Gustaf Gründgens hat keine Zeit. <<<

über den Film » Jud 5üB« befragt, antwortete Gustaf Gründ­gens vor Gerimt folgendes":

»Wenn im nimt der erste, sondern der sechste oder siebte gewesen ware, ware es aum rur mich vielleicht schwieriger gewesen, diesen Auftrag abzulehnen.« (Es war ja bekannt ge:-'0rden, daB Hitler sich inzwismen personlich hinter die knegsdienstlimen Befehle gestellt hatte.) »Von Marian z. B. bin

• Nam dt· er s enographlSmen Niedersmrif! zitiert.

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im überzeugt, daIS es ihm unmoglim war, diesen Auftrag abzu­lehnen. Wir aIle wulSten, wie unglücklim er über diesen Auf­trag war. In dem Augenblick narnlim, in dern es Goebbels merkte, dag wir 5mauspieler grundsatzlim uns an diesern Film nimt beteiligen woIlten, wurde es rur ihn zu einer Prestige­frage. lch habe in dem Film ,Ohm Krüger< die Rolle des Cham­berlain gespielt. Der Auftrag, diese Rolle zu übemehmen, wurde mir von Goebbels' 5taatssekretar überbramt. lm habe diese Rolle gespielt, weil ich damaIs keinerlei Moglimkeit hatte, meine angebliche Verhinderung zu begründen. lm mtillte die Rolle spielen, obwohl ich über die Art und Weise, in weI mer man an mim herangetreten war, 50 erbittert war, daB im von dieser Zeit an kein Filmatelier mehr betreten habe. lm war emport, weil man meine Fahigkeiten als Künstler fur un­künstlerische, namIich rur Propagandazwecke millbraumen

wollte. Ais bekannt wurde, daB Veit Harlan den Film ,Jud 5ü!S<

drehte, und auch spater, als der Film ,Jud 5ü!S< lief, wurde in unseren Kreisen, denen bekannt war, daB Harlan auf Befehl von Goebbels tatig geworden war, diese Tatsame als eine Ver­smarfung des Druckes von seiten des Propagandarninisteriums auf uns KÜfistler empfunden. Wir hatten zurn erstenmal das Gefühl, daIS künftig jeder einzelne KÜfistler Gefahr lief, auf diese Weise vom Propagandarninisteriurn direkt unter Druck gesetzt zu werden. In der Tat ging das spater 50 weit, daB Künstler und KÜfistlerinnen für einzelne Filmvorhaben durm das Propagandaministeriurn ,kriegsdienstverpflimtet( wur­den.

Wenn Harlan den Auftrag des Ministers Goebbels, an der Herstellung des ,Jud-5üB<-Filmes rnitzuwirken, abgelehnt halte oder beharrlich bei dieser Weigerung geblieben ware, dann ist es rur mich gar keine Frage, daIS er sim nimt einfam in ein bürgerliches Leben hatte zurückziehen konnen. Das ware ein solcher Affront gegen Goebbels gewesen, der auch unzweifel­haft in der Offentlichkeit bekannt geworden ware, daB Goe~ bels hatte reagieren müssen. Zusarnrnenfassend muB ich meiner Meinung dahingehend Ausdruck geben, daIS Harlan bei beharr­limer Weigerung unter Berücksimtigung der Umstinde und des Zeitpunktes, zu welmem ihm der Auftrag von Goebbels

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('rtell! \-"urde, emsthaft für seinen Leib und Leben besor th .. . .. ·ch d ··lt· gatte <em mussen, wenn er SI en gu Ig geweigert hatte.« Soweit die Aussage von Gustaf Gründgens. AIle Zeugen vrorden entweder vereidigt oder m~ten _ .

das Gericht vorher ank~digte - mit nachtraglicher Vereidi~e rechnen. Daher sagten die Zeugen sehr vorsichtig aus. g

Wer war der Urheber von» Jud Süf5«?

Einen ganz besonderen Raum nahm die Prüfung ein, wer nun eigentlich der Urheber des Planes »J ud Siill" gewesen sei und wer das Thema in die Terra bzw. in das Propagandaministerium gebracht hatte.

Da es erwiesen war, daE die Bauten des Films bereits stan­den und nach dem Drehbuch von Wolfgang Eberhard MoIler unter der Regie Dr. Brauers bereits gedreht werden soli te, aIs ich zum Regisseur bestimmt wurde, schien es mir offenkundig zu sein, daR ich gar nicht der Urheber des Film sein konnte. Aber das Gericht wolite es ganz genau wissen.

In dieser Situation trat ein neuer, unerwarteter Zeuge au€, und zwar der Schauspieler Berthold Ebbecke. Er behauptete zu wissen, daR der Autor Ludwig Metzger schon im Jahre 19Z1

einen Film »Jud Siill« geschrieben hatte. Da Metzger aus Würt­temberg stammte, kannte er die Figur des SüR Oppenheimer schon vom Schulunterricht her. Er hatte gelemt, daR man im Württemberg des 18. Jahrhunderts sogar von den Kanzeln gebetet hatte: »Gott erlose uns von dem übel und von dem Juden Siill.« Ebbecke behauptete, daE sein Freund Metzger sein Tonfi.lmdrehbuch »Jud Siill« im Jahre 1938 Teichs ange­boten habe und daR Teichs ihm versprochen hatte, mit dent Produktionschef, der damals noch Alfred Greven hieR, darüber zu sprechen und ihm dann Bescheid zu sagen.

Greven erkliirte darauf vor Gericht: »Eines Tages, im Jahre 1938, erschien mein Chefdrarnaturg

Alf Teichs bei mir und schlug mir vor, den Film >Jud SüR< tU

~achen. Er halte ihn für einen groRartigen Stoff. Darauf habe Ich. damais Teichs geantwortet: >Dieser Film kornrnt nicht in mem Prograrnm' H T ·ch b . < err el s a er untemahm stlindig neue

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VorstoRe bei mir - er lief mir geradezu die Türen ein. Meine al te Sekretiirin wird Ihnen das bezeugen kënnen. Meine strikte Antwort war und blieb : >Horen Sie auf, ich will von dem Film nichts wissen .< Herr Teichs hat seit jenen Tagen damals gegen mich intrigiert und gearbeitet. Am 1. Februar 1939 wurde ich darauf zu Dr. Winkler" besteIlt, der mir eroffnete, daB ich auf Befehl des Propagandarninisteriums die Ufa zu übernehmen hiitte. Mein Nachfolger ais Produktionschef bei der Terra wurde Dr. Paul Brauer. Herm Brauer traf ich wenige Tage nach der Obergabe der Produktionsgeschiifte in einem kleinen Berliner Res taurant, wo er mir begeistert berichtete, daR er selbst die Regie des > J ud Siill< übemehrne.

Bedenken Sie, Herr Priisident! Da hat sich der Produktions­chef selbst zum Regisseur gemacht! Machen wollte also diesen Film Herr Dr. Brauer, und er war spiiter sehr bose, daR er ihn nicht machen durfte. Geistiger Urheber U dieses Films aber ist mein ehemaliger Chefdrarnaturg Alf Teichs.c

Ahnlich sagten auch andere Zeugen aus. Natürlich wehrte sich Alf Teichs gegen die se niederschmettemden Aussagen.

Goebbels hatte vor seiner Verbannung nach Rhodos allen Firmen befohlen, antisemitische Stoffe vorzubereiten. Der 5toff » J ud Siill« wurde jedoch zuniichst unter dem Staatssekretlir Gutterer vorbereitet, der wahrend Goebbels' "Verbannungc im Jahre 1939 kommissarischer Propagandarninister war.

Dieser ehemalige Staatssekretar wurde vor Gericht gerufen. Natürlich hiitte er die Aussage verweigem konnen, weil sie ihn

selbst zu belasten geeignet war. Zuniichst schilderte er, wie unter seiner Leitung der FlIm

» J ud Siill" langsarn als Drehbuch entstanden war und wie auch die ers te Besetzung zustande kam. Zu der Zeit war Dr. Brauer Regisseur des Films. Gutterer hatte die Leitung des »Promis«

• Dr. h. c. Max Winkler, ehemaliger Postsekretar, war seit x919 der geheime Finanzberater von 13 deutschen Reichskanzlem. Er verstaatlichte die deutsche Presse den deutschen Film und verwal­tete polnische und tschechische Vermogen. Er soUte im ~Wilhelm­straBenprozeB« in Nürnberg angeklagt werden, doch v~chtete ~ Hauptanklliger mangel. ausreichenden Belastungsmaterials clara . •• Geistiger Urheber eines Filmstoffs ist nicht der Dramaturs.~ sei denn, er ist gleichzeitig auch der Autor. Der Dramaturs lit stenfalls der sachkundige Beurteiler eines Filmstoffs .

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bis zur Rückkehr von Goebbels. Spa ter hatte er dann durm Goebbels von meinem rasanten Protest gegen meine Besetzung als Regisseur und auch von dem grogen Krach, den es im Zim­mer von Goebbels gab, gehor~. lch zitiere die Zeugenaussage von Gutterer über die Folgen dleses Krachs:

»Nach dieser Unterredung (mit Harlan) rief Goebbels seine nachsten Mitarbeiter zusammen und berichtete ihnen, dag der Regisseur Veit Harlan sich zu drücken versuche und sich frei­willig an die Front gemeldet habe. Goebbels schrie und tobte. Er befahl, sofort ein Rundschreiben herauszugeben, mit einem Hinweis auf den emporenden Versuch, den Harlan untemom­men habe. In diesem Rundschreiben wurde jedem verboten , seine Einbeziehung zur Wehrmacht zu betreiben, die Goebbels als eine >Frontflucht< bezeichnete. Jeder von uns sei Soldat , sagte er, und die Propaganda sei genauso eine Kriegswaffe wie die Luftwaffe oder die Artillerie. Er werde jede Meldung an die Front als Verweigerung eines kriegsdienstlichen Befehls auf­fassen und sie dementsprechend nach Kriegsgesetzen bestrafen lassen. Dieses Rundschreiben wurde aIIen Referenten und Ab­teilungsleitem des Hauses mit Goebbels' personIicher Unter­schrift zugeführt. Es ging auch an die weitverzweigten Rund­funkstellen, Parteifilmstellen.«

Vorsitzender: »Was hatte Goebbels gemacht, wenn jemand diesen > kriegsdienstlichen Befehl < verweigert hatte?«

Zeuge Gutterer: »Goebbels hatte 1940 (er meinte Ende 1939) seine starke Position wiedererlangt, und dazu einen immer starker werdenden Einfl~ auf Hitler. Er hatte somit alle Moglichkeiten in der Hand, Harlan zu bestrafen. Er hatte Har­lan ohne Frage vor ein Kriegsgericht stellen lassen. Goebbels konnte Harlan sowieso nicht leiden. Ich bin über den Grund hierfiir nie orientiert worden. Es m~ mit dem FaIl Baarova im Zusammenhang gestanden haben. Er sprach oft zu uns über seine Abneigung gegenüber Harlan und machte Bemerkungen in der Tonart, d~ man bei einem Mann wie Harlan verdammt aufpassen müsse und das Drehbuch genau vergleichen müsse. Dieser Harlan versuche immer, die Dinge abzuschwachen. Er s~ kein Nationalsozialist und daher unzuverlassig in jeder Be­~ehung. Wenn er nicht ein 50 guter Regisseur ware, würde er liingst auf ihn verzichtet haben.«

Vorsitzender: »Hat das Propagandaministerium etwas mit der spateren Totung der Juden zu tun gehabt? Sie haben nach dem Gesetz das Recht, die Aussage zu verweigem!"

Zeuge Gutterer: »Das brauche ich nicht. Das Propaganda­ministerium hat nichts damit zu tun gehabt.«

Vorsitzender : »Hat Goebbels 1940 noch nicbts von der ,End­losung< der Judenfrage ge~t?«

Zeuge Gutterer: »Nein, das hat er bestimmt nicht gewugt .• Vorsitzender: »Nach der Ansicht des NÜIDberger Gericbts

ist der Plan erst 1941 entstanden. Aber bei lhnen ist nie über dies en Plan gesprochen worden? «

Zeuge Gutterer: »Nein - nie *!«

Weitere Aussagen

Eine der erschütterndsten Aussagen machte die Witwe meines Freundes Marian, Frau Byk-Marian.

Frau Marian stand deutlich unter einem Druck. Wie sie meinen Anwalten und mir spater erklarte, gab es Leute, die sie zu einer falschen Aussage zwingen wollten. Es sei ange­merkt, d~ Frau Byk-Marian in der Nacht nach ihrer ersten Aussage in die Alster gestogen wurde und ertrankt werden soli te. Sie ware auch unweigerlich ertrunken, hatte sie nicht ein berühmter Kabarettist im letzten Augenblick gerettet. An­scheinend sollte ihre zweite Aussage verhindert werden.

lhr ers ter Mann, der Theaterregisseur Gellner, war - wenn ich nicht irre - zur Zeit des »Jud S~« noch in ihrem Haus ver­borgen, weil er Jude war. Dr. Brauer wollte ihren zweitenMann zwingen, die Rolle des Jud S~ zu spielen, indem er drohte, zu Goebbels zu gehen und das »Geheimnis Gellner« zu verraten. Natürlich wirkten diese Erklarungen wie eine Explosion, denn Dr. Brauer war ja im Saal.

Zunachst ging die Aussage Frau Marians reibungslos 1/01'

sich. Dann wurde unterbrochen, weil Frau Marian nidtt mebr ordentlich aussagte. Sie schien gehetzt zu sein und in eine EDae gejagt. Sie schaute sich andauemd zum Publikum um. Sdth" • Der Inhalt des letzten Teils dieser Aussage ist nadl deIIl heatli"~:. Stand der Forschung fragwürdig.

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lien braente sie alles durcheinander, 5 0 daR ihre Vernehmun am naensten Tage fortgeführt werden soli te. lhre weitere »Ver~ nehmungsfahigkeit« wurde angezweifelt.

lm Gerientssaal verabschiedete sie sich von meinenAnwalten und mir mit den Worten: "Wenn ich morgen die W ahrheit sage, dann werde ich umgebracht, lieber Harlan - das weill ich genau. Aber ich werde die Wahrheit sagen. Mir liegt nicht mehr 50 viel an diesern Scheillleben.«

Am nachsten Tage sagte Frau Marian dann die W ahrheit. Man fand sie wenige Tage darauf vergiftet in ihrern Bett. Es hieS Selbstrnord.

Vor dern Gericht übergab Frau Marian die Erklarung ihres Mannes, die er vor seinem Tod, den ich nicht für einen Unfall , sondem fur einen Selbstrnord halte, geschrieben hat. Sie unter­strien, daR alles stirnrne, wie es in dern Bericht stünde, und daR sie es zum groRen Teil miterlebt habe. lhr Mann sei auf grau­samste Weise gezwungen, diese Rolle zu spielen.

Kun vor ihrern Tod schrieb Frau Marian dann noch einen Brief an ihre Freunde, den ich den Lesern nicht vorenthalten will :

»Von rneiner Zeugenschaft im PrazeR bin ich unbefriedigt, denn ich habe das sichere Gefühl, es sind energische Bestrebun­gen irn Gange, sich dieses Op fer (namIich Harlan) nicht ent­gehen zu lassen. Die Zeitungen schreiben auch nur irn Revol­verblattchenton, anstatt etwas >voll Nachdrud« zu erwahnen, was, um mit Hamlet zu sprechen, >den N arnen Tat verdiente<. Zu gem hatte ich vor Gericht noch festgestellt, daR ich acht­hundert Kilorneter weit hergekornmen war zur Zeugenaussage, >wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit< gegen einen Mann, der rneines Wissens nichts getan hat, als unter den un­vermeidlichen Gegebenheiten aufrichtig rnenschlich und künst­lerisen gehandelt zu haben ... «

Das war das letzte, was wir von Frau Marian horten.

Auch rneine Frau war von der Staatsanwaltschaft aIs Zeuge geladen. Schon frühmorgens um acht Uhr klingelte das Telefon. Der Oberstaatsanwalt Dr. Krarner wollte wissen, ob meine Frau auch bestirnmt zur Zeugenaussage kornrnen werde. »Natür­lien, sie ist doen geladen, Herr Oberstaatsanwalt«, war meine

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Antwort. Der Oberstaatsanwalt senien von meiner Antwort sonderbar bemedigt. Warum, sollte ich einige Stunden spater erfahren.

Meine Frau wurde darauf aufmerksam gemacht, daB sie die Aussage verweigern konne, aber Kristina erklarte, daS sie dazu keine Veranlassung habe. Sie erzahlte alles getreulien - in gro­Rer Breite, naiv wie ein Kind. AIs ihre Aussage beendet war, bat der O berstaatsanwalt sie, noen zu bleiben.

Nun erschien ein Herr, den ich vorher niemals gesehen hatte. Er sagte, er sei in der fraglichen Zeit der Stenograf von Goeb­bels gewesen und habe an vielen Reisen des Ministers teil­genornmen. Er sei auen mit ihm in Venedig gewesen.

Da er keine richtige Aussage ZUT Saene zustande braente, wurde der Vorsitzende ungeduldig : "}a, was wollen Sie denn eigentlich aussagen? Sie rnüssen doch etwas Bestirnmtes Un Auge haben. « Aber der Stenograf druckste noch herum.

»Wissen Sie es, Herr Oberstaatsanwalt, was der Zeuge aus­sagen will? Er ist ja wohl ein Zeuge der Staatsanwaltsdtaft., fragte der Vorsitzende. Da horte man endlien ziemlich leise den Stenografen: »lch will aussagen, daS Frau SOderbaum VOT

Herm Goebbels in Venedig nackt ins Wasser gesprungen ist.. Das Publikum fing an zu rurnoren. Der Vorsitzende: .Sie

sollen das aussagen?? ... « Aber weiter kam der Vorsitzende nicht. lch sprang auf und wollte diesern Kerl an den Hals sprin­gen. Meine beiden Anwalte sprangen dazwischen und bie\ten rnich fest. Der Vorsitzende schrie mich an: .Bleiben Sie auf Ihrern Platz und verhalten Sie sim ruhig. lm muS Sie sonst in Strafe nehrnen. « Der uniforrnierte Gerimtsbeamte hatte mich inzwismen fest gepackt, und der Oberstaatsanwalt &ah empOrt um sich. Der Zuschauerraum wurde zum Hexenkessel. Meiœ Frau war nam vome zum Rimtertisch gegangen und &ah mkb lachelnd an. lm smrie: »50 will man die Ehre einer wbesthol­tenen Frau mit Dreck bewerfen, urn die ganze Famille UP'~ lim zu rnachen. Feine Methoden sind das, um den Adn '-. mus in Deutsmland zur Strecke zu bringen.. Der Vorsil_~';':\ forderte mim noch einrnal zornig auf, ruhig zu sem. XIIldifll@ib aber sagte lamelnd: »Reg dim doch nidttauf,denUDù .... dom hier niernand.«

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Dcr Vorsitzende war in sehr groBer Erregung. Er fragte nlcine Frau, was sie dazu zu sagen hatte. Kristina lachte: "Was soll ich auf eine 50 unverschamte Dummheit sagen!«

Der Vorsitzende wies den Herm Stenografen mit Schim f und Schande aus dem Gerichtssaal. "Nein - Sie haben au~h nicht mehr das Recht, sich vor Frau Soderbaum oder vor dem Gericht zu entschuldigen!!« schlolS der Vorsitzende zittemd vor

Zorn die Vernehmung.

Der grolSe Charakterschauspieler Paul Henckels, selbst Halb­jude und mit der jüdischen Schauspielerin Thea Grodschnisky verheiratet, aulSerte sich vor Gericht ais Zeuge ahnlich wie Wolfgang Liebeneiner. Er schilderte den Eindruck, den der Film auf ihn, der doch unter dem Antisemitismus in einer ganz personlichen Gefahr stand, wahrend der Zeit gemacht hatte, fiir die er gedreht worden war. Seine Zeugenaussage begann

mit den Worten: "AIs der Film , Jud SüI5< fertiggestellt war, habe ich ihn mir

mit meiner Frau in einem kleinen Nachspielkino angesehen, weil wir damals selbst darüber urteilen wollten, was an die sem Film dran war. Wir gingen in der Erwartung hin, einen fürch­terlichen und tollen Angriff auf das jüdische Volk zu erleben. lm Verlauf der Filmvorführung stellten wir fest, daIS dem nicht 50 war. Bei aller nicht wegzuleugnenden Tendenz des ,Jud SülS< hat Harlan es verstanden, diesen Film 50 zu gestal ten, daIS die Hauptfigur des' Jud SüI5< viele menschliche Sympathien auf sich konzentrieren mulSte. Marian hat zweifellos un ter der bekann­ten Suggestionskraft des Regisseurs Harlan die Rolle des J ud SüIS 50 sympathisch wie moglich dargestellt. Es fiel viel Licht auf die Figur des Juden, wahrend die Gegenseite - der würt­tembergische Herzog -, von Heinrich George aIs ein hochfürst­liches Schwein dargestellt, alles andere aIs sympathisch wirkte. Meines Erachtens hat Harlan aus dem nun einrnal tendenziosen

Stoff ein Kunstwerk zu schaffen versucht.« Nach langerer Vernehmung schloB Paul Henckels seine Aus­

sage: "lch bin fest davon überzeugt, daIS Harlan die Arbeit an dem

Film J d S"Q 'ch h" kb , u w:.< nt t atte ablehnen konnen oh ne sich den ar grolSten Schwierigkeiten und Folgen auszus~tzen, die im einzel-

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nen nicht absehbar waren. Goebbels schatzte auf der einen Seite seine künstlerische Potenz sehr, auf der anderen Seite hatte er sich nach meiner festen überzeugung ebenso wenig gescheut, Harlan auf irgendeine Weise seine furchtbare Macht fühlen zu lassen. «

Zu der gleichen Ansicht kam Willy Forst, den ich seinerzeit von der Rolle des "J ud SüE,( durch ein geschicktes Manover befreit hatte.

»!ch bin der überzeugung, daIS Harlan dem Befeh! des Mini­sters Goebbels, den Film , J ud SülS< fertigzustellen, in keiner Weise ausweichen konnte, wenn er nicht sein Leben oder seine Freiheit ernsthaft in Gefahr bringen wollte.«

Willy Forst sprach davon, auf welche Wei se ich ihn von der Rolle befreit hatte und schloS:

»Wenn Goebbels mich z. B. nach dem Gesprach von Harlan nach Berlin hatte kornrnen lassen, mir dort personlich erkliirt hatte, daS ich die Rolle des ,Jud SüI5< spielen müsse, 50 glaube ich, daIS auch ich mich seinem Befeh! hatte fügen müssen.«

Alle Aussagen deckten sich mehr oder weniger. Der ehe­malige Reichsfilmintendant Dr. Hippler meinte, »dalS Goebbels nur darauf gewartet hatte, daIS ihm einmal ein Filmschaffender ein definitives Nein ins Gesicht sagte. Er hatte dann vor den Augen aller ein Exempel statuiert. Darum gibt es auch keinen einzigen Filmschaffenden, der jemals bis zur letzten Konsequenz dies es Nein gesagt hatte.« Er zitierte einen wütendenAusspruch von Goebbels, den er einmal gebraucht hatte: "Ich werde den Filmleuten Korsettstangen einziehen, damit sie parieren. Bei einer Weigerung werden sie hier im Hof des Ministeriums hin­gerichtet.« Das gleiche sagte auch der Zeuge von Allworden aus, der ein Amt in der Reichsfilmkarnrner hatte.

Mir scheint aber über diese vorhergehenden Aussagen hm­aus die Aussage eines alten jüdischen Mannes noch wesentlicher zu sein.

Der Zeuge Dr. Leopold, Vorsitzender des Vereins .. Oie von Theresienstadt«, der von der Gestapo blindgeschlagen WOl'­

den war und bis zum bitteren Kriegsende durdl mehrere Kon­zentrationslager geschleift wurde, hatte den Film ,.Jud Sfiic

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vor seiner Verhaftung zweimal gesehen und sagte fol d gen es

aus: "ln meiner ganzen langjahrigen KZ-Zeit is t von allem d . an e-

ren gesprochen worden, nur rucht von dem Film ,Jud Süfk lch habe diesen Film 1:940 in Berlin gesehen und ihn nicht schlimrn empfunden wie den Roman, der von dem jüdisch:~ Schriftsteller Lion Feuchtwanger geschrieben wurde. Auf keinen F~I war in dem Film eine Tendenz, . die das Volk in Rage bnngen konnte. lch lehne, genau Wle der mir verbundene Oberrabbiner Dr. Baeck, eine Kollektivschuld des deutschen Volkes ab. lch habe die Judenverfolgung erlebt, ich will keine Christenverfolgung. lch war deutscher Staatsangehariger und freue mich, d~ ich es heute wieder bin. lch spreche hier ais Jude und hachstens noch als Vorsitzender meines Vereins. Wir haben keine Lust, Rache mit Rache zu vergelten .«

Gerichtsvorsitzender : "Wir, Herr Dr. Leopold, müssen ab­~rteil~n . Davon kommen wir nicht weg, 50 edel lhre Einstellung lst. SIe sagen also, Sie haben durch den Film , J ud Siill< keine

Nachteile empfunden?« Zeuge Dr. Leopold: "Nein! Wir haben doch taglich etwas

Furchtbares erlebt. Es war viel schlirnmer, wenn platzlich zwei­hundert Mann verhaftet wurden. Oder als wir den Stern tragen muRten. Diese MafSnahme der Regierung hatte beirn publikum das Gegenteil ausgelast: Die Leute sind auf der StrafSe stehen­geblieben und haben gesagt: Man mufS sich schamen, ein Deut­scher zu sein, wenn 50 etwas in unserem Lande maglich ist. Das deutsche Volk war nicht antisemitisch in seiner Gesamtheit. Dann waren wir, die überlebenden, auch nicht aus dem KZ ~a~ Deutschland zurückgekommen. lch habe hier gesagt, daB lch lm KZ war. Von den vielen Einzelheiten habe ich gar nichts gesagt. lch habe Zwischenfalle erlebt, die furchtbar waren, z. B. ais ich abgeholt wurde, um erschossen zu werden. DaB 50 etwas ne.rvos . macht, kann ich wohl sagen. Aber ebenso geniere ich rruch rucht zu sagen, d~ der Film ,Jud SüfS< nicht den gering­sten EinfluR auf das Geschehen hatte.«

Gerichtsvorsitzender: "Es wird dem Angeklagten aber zurn V~.~rf gemacht, dafS viele MafSnahmen gegen die Juden nicht ~oglich gewesen waren, wenn das Volk durch diesen Film rucht stumm gemacht worden ware.«

23°

Zeuge Dr. Leopold : "Wcr das sagt, hat die Verhaltnisse nicht

gekannt.« Gerichtsvorsitzender: "War das Publikum ruhig, als Sie den

Film sahen? « Zeuge Dr. Leopold: »Ja, vollkommen ruhig, keine Spur von

Leuten, die sich aufgeregt haben. AIs sie rausgingen, sagten einige: ,Das grafSte Schwein war der Herzog!< Warurn soli ich etwas anderes sagen aIs das, was wirklich war? Jedenfalls war ich erstaunt, dafS in dem Film weniger Antisemitisches enthalten war, als in der Historie steht.«

Ais letzte Zeugenaussage 5011 der danische Dolmetscher Ed­gar Dierks zu Worte kommen. Er hatte der Uraufführung des Films in Kopenhagen beigewohnt und schilderte die fragliche Premieren vOfstell ung folgenderm~en:

» Das Theater war ausverkautt. Es war zu drei Vierteln mit danischem publikum besetzt und zu einem Viertel mit deutschen Soldaten. Aus verschiedenen AuRerungen in meiner Nahe sit­zender Danen, die sich vor Beginn des Filmes unterhielten, ent­nahm ich, d~ sie ein übles antisemitisches Stück zu sehen erwarteten, auf das sie mit pfiffen und Starungen zu reagieren beabsichtigten. Es ist dann nichts dergleichen erfolgt. Ganz offensich tlich ha tte der Film eine andere Wirkung, als sie vor­her von den Danen erwartet worden war. Es erfolgte nicht ein einziger Zwischenruf oder Pliff und schon gar nicht das übliche hahnische Gelachter, das bei der Vorführung jeder deutschen Wochenschau in diinischen Lichtspielhausem sofort einzusetzen pflegte, wenn etwa ein deutsches Flugzeug ein feindliches ab­schog oder irgendwelche sonstigen deutschen Erfolge an der Front gezeigt wurden. Das Publikum verhielt sich die ganze Zeit über vollkommen ruhig. Nach SchluR der Vorstellung war unschwer zu erkennen, d~ der Film eine gToge Wirkung aus­geübt hatte. Beim Hinausgehen aus dem Lichtspielhaus entnahm ich aus vielen AuRerungen in meiner Umgebung, d~ das danische Publikum besonders von der Darstellung des Juden SüfS tief beeindruckt war und diese Gestalt aIs sympathisch dar-

gestellt empfand.«

231.

Page 124: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Tumulte im Gericht

Da der ProzeB eindeutig die Schuld, die man mir aufladen \Vollte, ais eine Schuld anderer offenbar werden lieB, hatten sich meine Gegner eine besondere Sensation ausgedacht, mit der sie dem ProzeB eine entscheidend neue Wendung geben wollte n. Sie planten einen handfesten antisemitischen Skandal, um in Deutschland und im Ausland Emporung gegen die Führung des Prozesses und mich hervorzurufen.

Die Journalistin Karena Niehoff, die bei dem Autor des ersten »Jud-SüB«-Drehbuches Metzger im Jahre 1939 Sekre­tarin war, erschien ais Zeugin. Sie hatte die Stirn zu behaupten, daR das ers te Drehbuch ihres Freundes Metzger und die Arbeit von Moller weniger antisernitisch gewesen seien ais das von mir redigierte Drehbum. Spa ter behauptete sie allerdings plotz­lich, sie habe keines der beiden Bücher gelesen. Das ers te Dreh­buch stand nimt mehr zur Verfügung, aber es hat keinen unter den fünfzig Zeugen gegeben, die, soweit sie beide Drehbücher kannten, nicht mit Vehemenz das Gegenteil behaupteten. Aus einem von Brauer veroffentlichten Artikel, in dem der 1nhalt des ersten Drehbuches erzahlt wurde, ging auch deutlich genug hervor, daR das erste D rehbuch einen klaren »Pogrom-Film« zurn Ziel hatte.

Da Karena Niehoff Halbjüdin ist, ergaben sich aus der Be­ziehung, die sie zu Metzger in der Hitler-Zeit gehabt hatte, einige komische Bemerkungen und Situationen, die vom Ge­rieht aus gar nieht 50 gemeint waren. Niemand im Gerichtssaal daehte daran, dieser Beziehung eine 1ntimitat zu untersehieben. Lediglich dureh die Antworten von Karena Niehoff wurden die Fragen des Vorsitzenden in ein kornisches Licht gerückt, und zwar 50 stark, daR im Publikum laut gelacht wurde.

Ais einige schrnissig formulierte Abwehrbemerkungen von Karena Niehoff das Publikum wieder einmal zum lauten Lamen veranlaRten, rief der Oberstaatsanwalt Dr. Kramer aus:

» Es ist unertraglieh, unter die sem Druck verhandeln zu müs­sen. Es sitzt hier nur nazistisches Publikum im Raum!! «

Natürlich knallte dem Oberstaatsanwalt aus dem publikum eine emporte Antwort entgegen _ darunter aum ein lautes »Frechh.ei t! ! «

Ais dann der Journalist Giordano, ein Vertreter der kommu­nis tisehen Presse, in den Saal sehrie: .Es sitzen hier nur Anti­semiten im Saal! Das sage ieh ais ehemaliger rassiseh Verfolg­ter. Es ist ja zum Kotzen! « ging ein regelrechter Tumult im Publikurn 105.

Der Geriehtsvorsitzende klopfte energiseh auf den Tiseh und rief : »leh lasse den Saal raumen und unterbreehe die Verhand­lung !«

Kaum hatte der Vorsitzende das ausgesproehen, da braeh wie auf Kommando ein ohrenbetaubendes Johlen und Pfeifen aus, das aueh noch spa ter auf dem Geriehtskorridor weiterging. Es wurde eine Menge kleiner Hakenkreuzehen aus hartem Silber­papier im Geriehtssaal verstreut. Auf dem Korridor fielen wüste antisemitische Ausdrücke, unter denen das Wort »Judensau" noeh zu den sanften gehorte.

Die Polizei versuehte, im Geriehtsgebaude die feindliehen Parteien notdürftig auseinanderzuhalten. Sie wartete auf das inzwisehen herbeigerufene überfallkornrnando. leh beobaehtete alles sehr genau und bat meinen Freund Hans Domnick, mit dem ich spa ter meinen ersten Nachkriegsfilm drehte, sieh genau die Personen zu merken, die antisemitisehe Bemerkungen maeh­ten und sie der Polizei zur Anzeige zu bringen. Hans Domnick notierte aueh prazise die antisemitisehen und die nazistischen Ausrufe, die im Gerichtssaal und dralillen auf dem Korridor fielen. Ais dann das überfallkornrnando kam, wurden die Leute festgenommen, ihre Namen festgestellt und auE Anweisung des Prasidenten wieder entlassen.

leh erklarte dem Gerieht sofort: »leh oder etwa Freunde von mir haben mit dem abscheuliehen Skandal niehts ru tun. Es steht wohl eindeutig Fest, daR die antisemitisehen Auswürfe mir vor der tlffentliehkeit sehaden sollen."

Am naehsten Tag ging dann genau das durm die Zeitungen des 1n- und Auslandes, was die Unruhestifter für ihr jlinunel'­liches Ziel brauchten. Die Hauptübersmriften lauteten: .Anti­semitischerTumult umHarlan!« »DenAnfangen wehrenlc .Sie wittern schon wieder Morgenluft« »Gerneine neofasdùstische J udenhetze im Harlan-ProzeB!« und ahnlimes rnehr. 50 llIS man es in New York, in London, Paris, Wien, Berlin. in ta ...... wichtigen und unwichtigen Blattem und Blli.ttmen.

Page 125: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Die Parteizeitung des Hamburger Bürgenneisters Brauer d , as SPD-Organ »Hamburger Echo«, schrieb unter der überschrift: »\,\'aren es die Komparsen des Herrn Harlan?!« unter anderem

folgendes: "Diese skandalasen Vorgange werfen ein grelles Licht auf

jene Kreise, die skrupellos in echter Nazi-Manier das Ansehen des deutschen Volkes in der Welt erneut aufs Spiel setzen. Was haIt Harlan von dieser Gesellschaft, die für ihn in die Bresche springt? Oder war es gar eine eigene Regiearbeit?! «

Ein Sturm der Entrüstung brach los. Die Abscheu gegen mich kannte keine Grenzen. Selbst Bundeskanzler Adenauer drückte sein tiefes Bedauern über die antisemitischen Tumulte aus, die »rur Harlan« wahrend des Prozesses var sich gingen.

Die Sache wurde indessen untersucht und der ehrenhafte Oberbürgermeister Brauer aus Harnburg lieB anschlieBend fol­gende Presseerklarung in die Zeitungen setzen.

"In meiner Eigenschaft ais Polizeiherr Harnburgs mws ich mein Schweigen im Hinblick auf die Vorkommnisse im Harlan­ProzelS brechen, nachdem der Bundeskanzler und das gesamte Ausland Stellung dazu genornmen haben. Es handelt sich bei dem >antisemitischen Skandal im Harian-ProzeB( um den ge­glücktesten raffiniertesten Trickfilrn, den uns die Kornmuni­sten jemals vorgeführt haben. Die Rollen waren genau verteilt. Jeder Agent und jeder Provokateur stand auf seinem Platz, um das zu diesem Zweck notwendige antisemitische Stichwort zu geben. Die Vorgange standen in engstem Zusammenhang mit anderen provozierenden Vorfallen, die von der kommu­nistischen Partei in Harnburg inszeniert ward en sind.

Hamburger! LaBt Euch nicht von Provokateuren miBbrau­chen, denn auch bei den Kundgebungen auf dem Korridor var dem Schwurgerichtssaal wurde festgestellt, daB die Zeugin Niehoff die Zuharer mit dem Schimpfwort >Nazi-Schwein< titu­lierte, bevor dann die ebenso bedauerliche Beschimpfung ,Ju­densau( fiel. Aber: Die Frau, die dieses Wort sagte, ist - ich drücke mich sehr vorsichtig aus: in der Umgebung einer ost­lichen Vertretung zu ~uchen! An der graBen ,antisemitischen Demonstration< ist kein Wort wahr. lch sage das in voiler Ver­antwortung, denn ich habe kein Recht mehr es zu verschweigen. Es ist notwendig festzustellen, was des Pud~ls Kern ist.«

2'54

lch wurde im ersten ProzeB auf Kosten der Staatskasse frei­gesprochen. Meine persanliche Schuld oder meine persanliche Beziehung zum NationalsozialiSffius wurde gar nicht weiter untersucht, weil das Gericht nach fünfrnaliger Vorführung des Films und nach der Verwertung von über hundert Zeugen­aussagen zu der überzeugung gelangt war, daB der Film selbst kein »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« darstelle. Der Film wurde freigesprochen und ich nur deshalb, weil der Film eben nicht aIs Verbrechen angesehen wurde. Der Freispruch war hachst unangenehm. Er lieB, was meine Person betrifft, alles offen.

Der Oberstaatsanwalt legte Revision ein *. Das Oberste Gericht in Kain prüfte das Revisionsgesuch des

Oberstaatsanwalts und entschied, daB dem Antrag zu folgen sei. Es erklarte, daB der Film» Jud SüB« - gleichgültig, welche effektive Wirkung er gehabt haben mochten - entgegen den zahllosen Zeugenaussagen ais »Verbrechen gegen die Mensch­lichkeit« festgestellt werde und daB das Schwurgericht der zweiten lnstanz diese Feststellung des Obersten Gerichtes für die kommende neue Vemehmung als GrundIage zu übemeh­men habe. Das Oberste Gericht bezog sich in der Begrundung seines Urteils ausdrücklich auch auf das Ansehen Deutschlands im Ausland, das erneut geschadigt werden würde, wenn man diesen Film nich tais verbrecherisch bezeichnen würde.

lmmerhin hat dann der groBe Rechtsgelehrte Prof. Dr. Her­bert Kraus aus Gattingen, der im Nürnberger ProzeS gegen »die Hauptschuldigen« dem lntemationalen Gerichtshof mit seinem umfassenden Wissen halE, ein Rechtsgutachten über die dama lige Anschauung des Obersten Gerichts in Kain ab­gegeben, welches nachweist, daE die Haltung dieses Urtells von Kain unrechtrnalSig ist.

* Eine Revision kann sich z. B. auf die Verletzung eines geltenden Gesetzes stützen. Wird der Revisionsantrag anerkannt, so muB

h das

Schwurgericht erneut über den Gegenstand des Prozes,es ver an­deln.

Page 126: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Der zweite Schwurgericht5prozefS

Es wurde also eine zweite Instanz anberaumt, die wiederum sechs Wochen dauerte. Diesmal sollte mein personliches Ver­halten untersucht werden und nicht mehr der Film.

Wir waren schon wahrend der ersten Verhandlung nach Berlin geflogen und hatten Sitzungen in Moabit. Wir fuhren auch nach München, wo der Schriftsteller Walter Kiaulehn vernommen wurde, der über den Schrifts teller Wolfgang Eber­hard Moller, der das Drehbuch zum »Jud SüE« geschrieben hatte, etwas Wesentliches auszusagen hatte. Wolfgang Eber­hard Moller hatte namlich drauBen im Felde in einer sehr hoff­nungslosen soldatischen Situation seinem Kameraden Walter Kiaulehn mitgeteilt, daE er glücklich sei, daR Veit Harlan sein Drehbuch verandert und aus einem bosartig antisemitischen »Jud SiiE« eine Art »Rathenau-Figur« gemacht habe.

Wir fuhren aueh in das Zuchthaus nach Landsberg. Ais wir dort zur Vernehmung geführt wurden, erschien der inhaftierte Gruppenführer Mummenthey. Er hatte von meinem ProzeR in der Zeitung gelesen und hatte sich zu Wort gemeldet.

Ich glaubte, das Gesicht Mummentheys wiederzuerkennen. Etwa im Jahre 1.943 war er zu mir in mein Haus in der Tannen­bergallee in Berlin gekommen, weil er für seinen obersten Chef, den Obergruppenführer PohI *, ein Geschenk haben wollte. Mummenthey hatte irgendwo in einem Interview ge­lesen, daR ieh einen OriginalbefehI von Friedrich dem GroRen besaB. Er bot mir sehr viel Geld dafÜI an, wenn ich ihm dieses historische Dokument überlassen würde. Es sollte ein Geburts­tagsgeschenk des Stabes an den Obergruppenführer werden, der den Konig sehr verehrte. Ieh hatte nicht die Absicht, dieses Dokument zu verkaufen - schon gar nicht für den Obergrup­penführer Pohl-, und sagte dies in aller Offenheit.

Der Gruppenführer Mummenthey sprach dann über die Ge­schichtsfalschung im Film "Der groRe Konig«. leh setzte ihm die Schamlosigkeit auseinander, mit welcher zugunsten irgend­eines Propagandazwecks im Film die Geschichte 50 verandert wurde wie das gerade paRte. Nunmehr wollte der ehemalige

• Oswald Pohl, 55-0bergruppenführer und General der Waffen-55. Chef des 5S-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes.

Gruppenfüh rer aussagen, daB ich mich mit aller Deutlic:hkeit und mit einem auBergewohnlic:hen Mut, den er sonst nic:ht kannte, gegen den Nationalsozialismus und gegen Goebbels geauBert hatte.

Das Verfahren ging also von neuem los. Ais ic:h den Ge­richtssaal wieder betrat, blitzten die Kameras der Reporter. Jeder Richter saR an seiner Stelle. Auch der Oberstaatsanwalt Dr. Kramer. Rechts saB die Presse, links saB der Nebenklager, dessen Klienten sich schon in den ersten Tagen des ersten Pro­zesses von dem ProzeB zurückgezogen hatten. Sie, die im KZ gesessen hatten, hatten damaIs den Film zu sehen bekommen und erkHirten sich durch den Film für beleidigt. Auf solche Weise wurden sie zu Nebenklagern gemac:ht. Sie hatten eine wahre Not erlebt, die sie in diesem ProzeB, wie sie mir sagten, eher persifliert aIs angeklagt sahen. Sie horten sic:h einige Tage die ers ten Vernehmungen an, dann hatten sie genug von dem ProzeB. Zwei von ihnen besuchten mich zu Hause, und zwar mit ihren Frauen und Kindern. Alle fünf wollten nic:ht langer Nebenklager sein.

Meine Anwiilte waren diesmal sehr pessimistisch. Der Staatsanwalt hatte in der ersten Instanz zwei Jahre

Gefangnis und hunderttausend Mark Geldstrafe gefordert. Mit einer ahnlichen Strafe miiEte ich nun rechnen - meinten die Eingeweihten. .

Der wesentlichste Teil der Vernehmung begann darmt, d~ der Vorsitzende auf einen groRen Berg Briefe hinwies, der vor ihm auf dem Richtertisch lag, und erklarte, daR man mit Hilfe bestimmter Leute in den Besitz zahlreicher Briefe gekommen sei. Es waren Briefe, die ich an die Reidtsfilmkammer, an die

d "t' oder Reichschrifttumskammer, an das Propagan arrurus enurn an Goebbels selbst geschrieben hatte. d

Der Vorsitzende fragte mich, was ich selbst zu diesern. Fun zu sagen hatte. !ch erklarte damais, daR in bezug auE natJ~nal-

. l' . . . k' B 'ef mehr stehen konne sozla lstlsche Bekenntmsse m emem n ." ais hochstens die Unterschrift »Heil Hitler«, denn ldt hatte

. 1 . l' t' -'-en Inhalts an Be-niemals Briefe wirklidt natlOna sozla 15 ISUI

horden Privatpersonen oder gar an Goebbels gesdtrieben ... ' . al ·dttig Natür-Diese Aussage bestatigte der Vorsltzende 5 n . W

. ·dttige en-lich standen in den Briefen hin und Wlecler VOrsl

Page 127: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

dungen - denn ich war ja kein Selbstmorder -, aber es war eb ein einziger nationalsozialistisches oder gar antisemitisch en

Bekenntnis in ihnen zu finden. Auch nicht der Ausdruck m ~s nes Willens, den Film »J ud SülS« zu machen Proteste el-. . gegen die Beauftragung standen dagegen m den Briefen.

Nun mulSten in den kommenden Wochen sehr viele Ze ugen die schon irn ersten ProzelS aufgetreten waren, noch einrnal er~ scheinen. Einige, wie z. B. der Schauspieler Eugen Klopfer und

Frau Mari~, ,:aren to.~. ~.ber ~lIe anderen erschienen und ga­ben mit pemhcher PraZlSlon Ihre Erklarungen ab, denn sie wurden 50 lange ausgefragt, bis sie wirklich nichts mehr wul5-ten.

Dieser ProzelS dauerte gualvolle sechs Wochen, in dem sich taglich die gleiche Marter wiederhol te.

Es gab auch Zeugen, die gegen mich aussagten. Das waren aber Leute, die gar nichts über mich und meine Tatigkeit wul5-ten - sie machten nur ihrem begreiflichen HalS gegen ihre ehe­maligen Peiniger LuEt, indern sie ihrem Abscheu über den Film und über mich Ausdruck gaben. lnwieweit ich selbst schuld oder ein tatiger Antisemit war, konnten sie nicht wissen. Darurn hatten diese Aussagen irn Grunde mit mir gar nichts zu tun.

Was keiner - aulSer mir - vorher angenommen hatte, trat sch!ielSlich ein: lch wurde auf Kosten der Staatskasse - dies­mal beweiskraftig - freigesprochen. Der Film wurde - der Forderung des Obersten Gerichts entsprechend - aIs "Verbre­chen« bezeichnet.

Nachkriegsfilme und Krawalle

Nachtraglich bin ich mir gar nicht sicher, ob ich mich freuen solI, vollig straflos ausgegangen zu sein. lch bekam namlim von denjenigen, die geeignete Machtmittel dazu besalSen, eine Strafe ganz besonderer Art. Man machte uns namlich das, was wir am meisten lieben und worur wir leben : die künstlerische Arbeit - vollkornrnen unrnoglich.

W~enlang stand Tag rur Tag in irgendeiner Zeitung ir­gendeme erfundene Gemeinheit über mich _ und bei entsmei­denden Anlassen, z. B. bei Aufführungen meiner Filme _ tobte

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sim das, was sich in Deutschland "Pressefreiheit« nennt, in grausarns ter Weise an mir aus. Meine Nerven reichten ja noch aus, es zu ertragen. Aber meine Frau brach irnrner wieder unter der Wucht der Angriffe vollig zusarnrnen und wurde schwer­

krank. Wir hatten kein Geld aus der Hitler-Zeit hinüberretten kën­

nen, denn wir waren an unseren Filmen nicht beteiligt gewe­sen. Also mulSte im Geld verdienen. lch wollte meiner Frau, die mir ihreJugend, ihrTalent und ihre unbeschreiblicheSchën­heit geschenkt ha tte, wieder ein würdiges Leben verschaffen. GewilS war es ein Fehler, dalS ich Arbeiten annahrn, die künst­lerisch unwürdig waren. Würdige bekam ich aber nicht. Doch hoffte ich, auf diese Weise wenigstens in den Film zurückzu­kommen.

lch karn auch sch!iel5lich zurück in die Fihnindustrie. Mit dem ersten Film hatte ich grolSes Glück. Dieses Glück hieS: Hans Domnick. Mit ihm machten wir unseren ersten Nachkriegsfilm "Die unsterbliche Geliebte«.

Wenn auch die Presse auf mich losdrosch und 50 über mich schrieb, ais ob ich ein vollkommen talentloser Lürnrnel ware, wenn auch kein Superlativ ausreichte, meine und Kristinas künstlerische Niveaulosigkeit ar!Zuprangem, sa hatte doch das Filmtheaterpublikum eine ganz andere AuHassung von diesem Film. Es wurde auch versucht, einen Boykott zu inszenieren. Er wurde aber durch zwei lnstar!Zen der Hamburgismen Ge­richte verboten, weil ein »Freigesprochener« solcher Ungeredt­tigkeit nicht ausgesetzt werden darf·. Meine vëllige Sdtuld­losigkeit wurde von den Landgerichten emeut betont.

Gerade der grolSe Publikurnserfolg des Films »Die unsterb­liche Geliebte« war für rnich gefahrlich. Politisme Organisa­tionen - und namentlich Studenten - machten MassenUIIlZÜge, um zu verhindern dalS mein Film aufgeführt wurde. Mein , . damaliger Rechtsanwalt Dr. Hans Latemser führte zwar ln

mehreren Stadten Prozesse und gewann sie natürlich aum, aber die Krawalle hauften sich doch. Sowohl in der UniversWitsstadt Gottingen wie in Freiburg und in anderen Stadten schlug~ sim die aufgehetzten Menschen auf der StralSe die Këpfe blutig.

• 1958 enlschied das Bundesverfassungsgericht, da8 der Boykott rechlmaBig war.

239

Page 128: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Ich unternahm in dieser Zei t eine Vortragsreise durch di grogten deutschen Universitatsstadte und sprach oft vor viele: tausend Studenten. In Marburg z. B. hatte ein Kinobesitzer sein Kino zur Verfügung gestellt, das etwa tausendvierhundert Leute fassen konnte. Zum Entsetzen des Besitzers war es mit zweitausend Menschen besetzt. AIs ich vor die Rampe trat also direkt vor die erste Reihe des Publikums, empfing rnich ein ohrenbetaubender Lann. Die Zweitausend schrien und brüllten. Neben mir stand ein freundlicher Berliner Chauffeur , den mir die Finna für die Fahrt durch die Stadte mitgegeben hatte. Er meinte: »lch glaube, wir hauen lieber ab, Herr Har­lan, das wird hier nischt! «

Ich war anderer Meinung. lch wartete. Und aIs nach etwa zehn Minuten der Lann ein wenig abebbte, rief ich, 50 laut ich konnte, in den SaaI: »lch warte 50 lange, bis Sie heiser sind, meine Herren. Wer mich nicht horen will, kann ja gehen. « Darauf setzte der Lann tobend neu ein. Der freundliche Chauf­feur, der fiir mich fürchtete, meinte: » Die Menschen werden sich auf Sie stiirzen, Herr Harlan.« lch antwortete ihm: »Zwei­tausend Studenten schIagen nicht auf einen einzigen.« lch war­tete also wei ter. AIs es dann nach einer Viertelstunde leiser wurde, begann ich mit pfeifender Stimme meinen Vortrag. Aber ich konnte sehr baId leise weitersprechen, denn die Stu­denten begannen zuzuhëren. lch sprach etwa drei Stunden.

Ais ich in tiefer Nacht geendet hatte, stand der Vorsitzende des AStA auf und fragte die Anwesenden, wer von ihnen darur sei, dag nach diesem Vortrag Veit Harlan weiter Filme machen dürfe. Er bat die Betreffenden, die Anne zu heben. Es sclùenen aile zu sein. Dann machte er die Gegenprobe. lch glaube, d~ sich etwa runf bis sieben Arme erhoben.

Der Vorsitzende des AStA verlangte am Schlug im Namen seiner Organisation, dag ich den gleichen Vortrag am Sender in Frankfurt halten solle. Es waren dann Millionen Zuhéirer, von denen einige, falls ich irgendwo etwas Fehlerhaftes be­hauptet hatte, sich sehr schnell mit ihrem Wissen einschalten konnten. Sowohl die Studenten wie auch ich stellten einen ent­sprechenden Antrag an den Frankfurter Sender. Der Studen­tenantrag wurde auch in den Zeitungen abgedruckt. Aber der Sender in Frankfurt reagierte überhaupt nicht.

Ais ich nun ais zweiten Film das Drehbuen nach einem Theaterstück von Richard Billinger inszenieren durfte., hatte ich eine groge künstlerische Karte in der Hand, die ien ganz grog auszuspielen gedachte.

Aber die Studentenkrawalle hatten den Firmenenef nervos gemacht. Obwohl samtliche Schauspieler fiir den Film bereits engagiert, die Kostüme fertig waren und wir bei den AuBen­aufnahmen in Seeshaupt in Oberbayem s~en, ersenien plotz­lich ein Herr des Verleihs und unterbrach unsere Arbeit auf vierzehn Tage. Der Film m~te umgesenrieben werden.

An einem grog en dichterischen Gedanken wurden nun syste­matisch Zerstorungen vorgenommen, die sowohl den Dienter ais auch den Regisseur und die Schauspieler schadigten. Ganz ge~ aber auch das Geschaft. Durch die Krawalle war meine Macht, die se Veranderungen zu verhindem, 50 eingeschriinkt worden, dag ich froh sein m~te, d~ man mien nient einfaen vor die Tür setzte, was spa ter sch!ieglich auch noch gesenah.

50 gut wie aile Filme bekamen in dieser Zeit entweder vom Bund und den Landem oder von einer Stadt Subventionen, die man »Bürgschaften« nannte. Nur Filme von mir bekamen diese Subventionen nicht, weil Veit Harlan solener Subventio­nen »nicht würdig« war. Es bedeutete also fiir einen Produzen­ten ein grog es Risiko, wenn er überhaupt mit mir Filme zu machen wagte.

Damais und spater, wenn ich etwas Ungewohnliches, was mir künstlerisch notwendig zu sein sclùen, durchsetzen wollte, hieS es stets: » Einen Film mi t Ihnen zu machen, ist ohnehin ein Problem rur uns. Ist es Ihre Million, mit der dieser Film ge­macht wird, oder unsere 7 Für mein Geld aber will ien das ge­macht haben, was ich für richtig halte.« Ien muBte also dank­bar sein, un ter solchen Umstanden überhaupt Auftrage zu bekommen.

Schlieglich erklarten einige Herren der Stadt Münenen, daB der betreffende Verleih, bei dem ich arbeitete, mien zu entlas­sen habe, sonst würde die Stadt auch für die anderen FÙlne des Verleihs keine Subventionen mehr geben. Die Folge clavon war, dag meine Frau und ien entlassen wurden.

• »Hanna Ammon«, erster Drehtag am 16. August 1951•

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Es dauerte zwei Jahre, bis ich wieder einen Film machen

konnte. Ich führte einen Proze15 gegen die Stadt, der schliel5Jich mit

einem Vergleich endete. Dieser Vergleich kam einem Gewinn des Prozesses gleich. Ich hatte auch auf ein Urteil drangen und einen sehr hohen sechsstelligen Schadensersatz von der Stadt München verlangen konnen, aber mir lag daran, Frieden zu haben. Die Stadt München erklarte in dem Vergleich, den Inhalt meines Hamburger Schwurgerichtsurteils »nicht ge­kannt« zu haben, auch daIS sie sich niemals gegen mich aus­gesprochen hatte, wenn sie ihn gekannt hatte. Sie gab die Ga­rantie, mir in Zukunft bei der Arbeit keinen Stein mehr in den Weg zu legen. Die Kosten des Prozesses trug die Stadt.

Aber Frieden bekam ich damit trotzdem keinen, und auch für künftige Filme keine Subventionen. Der vorteilhafte Ver­gleich vor Gericht gab mir bei den Zeitungen gewisserma15en den Rest. Die Presse schaumte: »Harlan wirft man lieber ein paar hunderttausend Mark in den Rachen, aIs daIS man ihn noch filmen lalSt« (Mündmer Abendzeitung) .

Zwei J ahre spater kam eine Firma, die erklarte, ich dürfe keinen weltanschaulichen und überhaupt keinen ernsten Film machen, das sei zu gefahrlich für Veit Harlan. Wenn ich aber einen Lustspielfilm machen wolle, dann ware diese Firma be­reit, einen dritten Film mit uns zu starten.

Ich nahm das Angebot an. Weil mir nichts anderes übrig­blieb. Wir mu!Sten ja leben. In einer Zeit, in der pausenIos in den Zeitungen stand, daIS »Strome von BIut von Veit Harlans Handen flie15en« und in der andere Ehrabschneidereien und VerunglimpfungenKristina und mir das Leben zurHolle mach­ten, sollte ich aIso einen Lustspielfilm schreiben. Die Firma, von der ich das Angebot erhielt, machte den Film dann gar nicht. Eine vomehrne Géittinger Firma machte ihn. Den Ver­lust, den sie an diesem Film hatte hat diese Firma wahrhaftig , nicht zu verantworten. Daran sind die Verh1iltnisse bzw. ich schuld. lch hatte in dieser Zeit niemals ein leichtes Lustspiel annehrnen dürfen, denn den frechen Witz, den ich noch bel »Krach im Hinterhaus« hatte, besa15 ich langst nicht mehr.

lch glaube trotzdem, daIS der Film in seiner Drehbuchform

durchaus gut gelungen war. Aber bei der Arbeit gab es in

Géittingen, wo wir den Film drehten, wiederum StralSenkra­walle. Wir wurden taglich mit 50 viel Dreck zugedeckt, 50 viel Lüge und Verleumdung beherrschte unser Leben, daIS weder Kristina noch ich in der Lage waren, unter den obwaltenden Umstanden einen »Ieichten fréihlichen Film« zu machen.

Ich versuchte schlielSlich, den Film loszuwerden und bat mei­nen Freund Geza von Bolvary, der ein guter Lustspielregisseur war, ihn für mich weiterzumachen. Aber Geza von Bolvary glaubte, das nicht tun zu dürfen. Er sagte ab.

!ch wu/5te, daIS dem Film »Die blaue Stunde« kein Erfolg beschieden sein konnte, und schlolS darum einen Vertrag bei einer anderen Firma ab, die uns verpB.i.chtete, zwei Zirkusfilme in Indien zu drehen.

Ich hatte diese Filme angenommen, weil Kristina in ihnen wenigstens beweisen konnte, daIS sie eine grolSartige Schul­reiterin ist - denn auf dem Rücken der Pferde war Kristina aufgewachsen. Der Hauptgrund des schnellen Vertragsab­schlusses war aber folgender: Einmal raus aus Deutschland!

In Ceylon aIlerdings stellte sich nach und nach heraus, daIS ich unter véillig minderwertigen Bedingungen Minderwertiges leisten sollte. Ich hatte weder das Geld, noch war ich »politisch frei«, noch hatte ich etwa EinBu/5 auf die Presse oder auf einen ma15geblichen Kulturkreis, mich gegen die kommenden Zumu­tungen aufzulehnen.

AIs wir nach München zurückkamen, brach das Chaos aus. Eigentlich sollte der Film abgebrochen werden. Ich hatte nam­lich die Halfte der Au/5enaufnahmen überhaupt noch nicht drehen kéinnen. Es steckten aber schon weit über zwei Millio­nen Mark in dem Film und darum beschlo/5 die Firma, den Film doch zu Ende zu machen. Finanziell hat sie darnit das Richtige getan. Künstlerisch war es fur mich ein furchtbarer Schlag.

Ich war aber nicht begütert genug, um rnich mit meiner Fa­milie zur Ruhe setzen zu kéinnen, und wollte daher nicht auf­geben. Viele meiner gutgesinnten Kollegen kamen zu mir und sahen aIs Fachleute deutlich den Strick, der mir um den Hals gelegt wurde - deutlicher, aIs ihn das Publikum zu sehen ver­mag. Aber keiner konnte sich offen fur mich einsetzen, weil er sonst 50 fort die Presse gegen sich gehabt hatte. Einige Kriti­ker sagten es mir ganz offen ins Gesicht: »5ie konnen zappeln,

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wie Sie wollen, wir lassen Sie nicht mehr hochkommen. Ih Freispruch ist für uns ein stück Papier.« r

Ich versuchte es trotzdem und nahm nach heftigsten Kam _ fen um einen niveauvollen stoff schlieRlich den Film »Verr~t an Deutschland« an. Die Umstande, unter denen dieser stoff um den spion sorge vorbereitet und durchgeführt wurde waren entsetzlich. Ich hatte einen ProzeR anstrengen müssen' um von diesem stoff loszukommen. Was mir zugemutet wurde: war ein klarer Vertragsbruch. Ich klagte erst im AnschluB an den Film und gewann den ProzeR. Aber ich bekam keinen niveauvollen Film.

Dann machte ich noch einige »Filmchen "'«. Am liebsten von diesen letzten t5richten Filmen ist mir noch der Film » Das dritte Geschlecht«. 50, wie ich ihn gedreht hatte, wurde dieser Film allerdings von der Freiwilligen selbstkontrolle verbo­ten n. Dort wurde behauptet, daR er sich gegen den Paragra­phen 175 wende und daR er zur Aufführung nur zugelassen werden k5nne, wenn entscheidende Anderungen vorgenommen werden würden. Nicht nur, daR der Homosexuelle am SchJuB verhaftet werden muBte, was in der ersten Fassung nicht ge­schah, sondern auch alle Szenen, in denen Homosexuelle sym­pathisch waren und gerecht handelten, muBten rücksichtslos entfemt werden.

lch muB zu Ehren des Verleihers und Produzenten sagen, daR sie sich mit aller Hingabe gegen diese Veranderungen wehrten. Aber da unzweideutig gesagt wurde, daR der Film ganz verboten bliebe, wenn man die Anordnungen der Selbst­kontrolle nicht befolge, wollten natürlich weder der Verleih noch der Produzent das ganze Geld, das der Film gekostet hatte, verlieren. Es blieb ihnen aIso nichts übrig, ais gute Miene zum b5sen Spiel zu machen.

Die Folge der Veranderungen war, daR ich in vielen Zeitun­gen aIs ein Mann bezeichnet wurde, der »in der Nazi-Zeit J uden gehetzt habe und jetzt Homosexuelle hetze«.

• "Liebe kann wie Gift sein« und »lch werde Dich auf Handen tragen« . • ~ Die Nichtfreigabe eines Films zur offentlichen Aufführung war blS.zum 30. Sept. 1957 nur de facto, nicht aber de jure einem Verbot glelmzuachten. seit dem 3°.9. 1957 ist sie im Bereich der Jugend­schutznovelle auch de jure ein Verbot.

Ich habe qualvolle Stunden und Monate unter Goebbels und spa ter auf andere Weise in der Nadlkriegszeit durchlebt. Ich würde aber den Leser tausmen, wenn durch mein Buch der Eindruck vermittelt würde, aIs sei ich die ganze Zeit über ein unglücklicher Mensch gewesen. In der tragischen Hitler-Zeit, wahrend der ich das Alter erreichte, in dem der Künstler die voIle Hiihe seiner Schaffenskraft gewinnt, hat mich das Glück meines Berufes ott in unsagbarer Weise gesegnet. Mein Schick­sal, das mich meine Frau finden lieS, mit der ich gemeinsam meine gr5Sten Filme geschaffen habe, war ein auBerordentlich liebevolles Schicksal - dem ich aus tiefstem Herzen danke.

Page 131: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Nachwort

Veit Harlan, geboren am 22.9.1899 in Berlin, verstorben am 13· 4.1964 auf Capri, trat wenige Tage vor seinem Tod Yom evangelischen zum katholischen Glauben über. Diese letzte sei­ner Taten wurde ebenso wie viele seiner früheren von seinen Freunden miJ5verstanden und von seinen Feinden milldeutet.

Mit diesem EntschluB blieb Veit Harlan indessen nur seinem Charakter und seiner Weltanschauung treu, die yom 19. J ahr­hundert gepragt worden waren. Er, der sein ganzes Leben hin­durch ein ahnungsloser Sucher geblieben war, glaubte mit die­sem letzten Schritt eine neue Bahn betreten zu konnen, die ihn zu den letzten Antworten, um die er Jahrzehnte auf seine Weise gerungen hatte, führen konnte.

Kunst und Religion waren fur ihn verschwistert. Viele seiner Filme bauen sich auf religiosen Themen auf, in den meisten klingen religiose Probleme an. Der grolSe Traum seiner beiden letzten Lebensjahrzehnte war ein Fûm über Philipp II. von Spanien, den autokratischen Konig, der sich berufen fühlte, eine ideale Restauration der romisch-katholischen Universal­kirche heraufzuführen und den spanischen Absolutismus über den gesamten Erdkreis auszubreiten. Der Fûm soUte den Titel tragen: "Der katholische Konig«. Die Erfüllung dieses Traumes blieb Harlan ebenso versagt wie die künstlerische und poli­tische Rehabilitierung, um die er unaufhorlich kampfte.

Der Vater Walter Harlan

Wer Veit Harlan verstehen will, soUte sich zuerst seinem Vater zuwenden. Der Sohn beruft sich immer wieder auf das Beispiel des Vaters. 50 z. B. in einem Interview aus dem Anfang des Dritten Reiches:

Page 132: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

.Ich bin in der strengsten Tradition na tionaler und na­tionalster Gesinnung groB geworden. Mein Vater, der D ichter Walter Harlan, war in seiner Jugend Offizier, mein Onkel ist der bekannte Fliegerhauptmann Harlan; rechts und links in den Familien di en te man den drei graBen Begriffen : Gatt, Kënig und Vaterland "'.«

Diese Mitteilung umreiBt zugleich die geistige Atmosphare, in der das Kind Veit Harlan aufwuchs und n ach seinem eigenen Gestandnis weltanschaulich gepragt wurde.

In den Jahren 1908-1914 durfte der neun- bis fünfzehn­jahrige Knabe Veit auf Spaziergangen mitgehen, »in welchen mein Vater mit Adolf von Harnack, Walter Rathenau oder auch mit Josef Kainz und zahlreichen graBen W issenschaftlern und Künstlern wichtige, für mich unvergeBliche Unterh altungen führte«.

Der Sohn verfilmte zweirnal Bücher seines Vaters: »Maria, die Magd« und »Das unsterbliche Herz«. Es gibt auch noch einen unheimlichen Grund: D er Vater wird am 14.4.1931 auf einer Sitzung des Verbandes der Deutschen Bühnenschriftsteller und -kornponisten, die er leitet, ë ffentlich des Antisemitisrnus bezichtigt; er legt aus Protest gegen die se Verleumdung sofort sein Amt nieder, erleidet im gleichen Augenblick va r Erregung einen Herzanfall und stirbt.

Walter Harlan (1867 in Dresden geboren, 1 897 bis 1931 in Berlin) war Dramaturg am Lessing-Theater in Berlin, in kultu­rellen O rganisationen tatig und überdies ein fruchtbarer Schrift­steller. Kürschners Literaturkalender von 1930 verzeichnet allein 12 Tite!, ohne Anspruch auf Vollstandigkeit zu erheben :

Die Dichterbërse, Roman, 1899, Neuauflage 1908; Schule des Lustspiels, 1903;

Jahrmarkt in Pulsnitz, Lustspie!, 1904, Neuauflage 1927; Die Sünde an den Kindern, Roman, 1908, N euauflage 1926;

Familienszenen, Geschichten, 1912, Neuauflage 1 913; Catrejus Irrfahrt, Novelle, 1912 ;

.. Das In~erview erschien im »Volkischen Beobachter«, angeblich al.m 5· Mal 193~ . Dieses in beiden Schwurgerichtsurteilen veroffent­Hitte Datum lst offensichtlich falsch, da es trotz umfangreicher ~e~m~:.~tungen nicht gelang, das Original im Jabresband 1933 rimt"e'o lsmen B~obamte:. aufzufinden. Vermutlich hat dem Ge-

m falsm daherter Zeltungsaussmnitt vorgelegen.

D~s Nürn~ergisch Ei, Schauspiel, 1913, Neuauflage 1927; Glb uns Kmder und 100 Enkel, Lustspiel, 1915, Neuauflage 1929; Die vorsichtige Jungfrau, Lustspiel, 1918; Er schnarcht, ein seliger Schabernack, 1922 ; Das Frühstück in Genua, Lustspie!, 192 5; Braute in Bamberg, Schauspiel, 192 9. In dem Vorwort zur Neuauflage von Harlans Roman "Die

~ichterb.ëirse « schreibt ein gewisser K. E. K. : »Ein feinsinniger Asthet, m dem doch immer ein Teilchen dionysischen Boheme­turns steckt. Harlan ist gut umgetrieben worden im Leben, hat mit künstlerischem Auge in tausend Dinge hineingesehen, sie festgehalten und poetisch gemodelt. Und sa, wie der Gold­schmied ein gediegenes Geschmeide formt, sich eine Weltan­schauung erarbeitet und erkarnpft, die Frei und leicht und doch fest gefügt verklarend über den Dingen schwebt. Daher auch in Harlans spateren Arbeiten die Liebe zur Skizze, zum treffend geformten Aphorismus, zum witzigen und anmutigen Mo­rnentbildchen. Ihm ist die Kunst Selbstzweck.«

Diese Charakterisierung ist durchaus treffend. Walter Har­lan ist, auch wenn er gern alles auf sogenannte allgemeingül­tige Probleme bezog, zu zeitgebunden geblieben, ais daB er heute noch in den Literaturgeschichten einen gültigen Platz beanspruchen këinnte.

Seine Bücher scheinen aber an ganz anderer Stelle Anklang gefunden zu haben. 1929 verdammt Hans Severus Ziegler im nationalsozialistischen »Kampfbund für deutsche Literatur« die »undeutschen« Berliner Inszenierungen, in denen Veit Harlan ais Schauspieler mitwirkt, und fordert, man salle statt dessen Wildenbruch, Anzengruber, Schëinherr, Burte, Erler, Walter Harlan und Dietrich Eckart spielen.

Nun ist kein Mensch davor sicher, daB er nicht bei irgendeiner Gelegenheit in einen falschen Zusammenhang gestellt wird. Wer heute die Bücher Walter Harlans, soweit sie überhaupt noch zu erreichen sind, prüft, findet keinen Anhaltspunkt rur Antisemitismus oder Nationalsozialismus. Veit Harlan bezeich­nete gegenüber seiner dritten Frau, Kristina Sëiderbaum, einer Schwedin seinen Vater immer ais einen Deutschnationalen. , Der Vater war »ein begeisterter Naumann-Anhanger und stand

1.49

Page 133: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

zum Entsetzen seiner Brüder n iemals so weit rechts, wie sie das wünschten«. Mit andern Worten: Der Vater besalS - ahnlich wie sein Sohn - eine schwer deEinierbare W eltanschauung, ge­mischt aus patriotischen und religiosen Gefühlen, gepragt Von dem (spatestens im Ersten Weltkrieg ad absurdurn geführten) Geist des Bürgerturns im 19· J ahrhundert.

Wenn auch die zahlreichen Freunde des Hauses Harlan, wie Walter Rathenau, Julius Bab, Alexander Moissi, Max Pallen­berg, Maximilian Harden, Max Reinhard t und viele andere in der damaligen Zeit nicht unbedingt aIs N achweis für eine echte philosernitische Haltung des Vaters dienen konnen, 50 ist doch in diesem Zusarnrnenhang eine Bemerkung des vornational­sozialistischen Literaturrustorikers Adolf Bartels aufschlulSreich. Bartels schreibt in seiner Literaturgeschichte "D ie deutsche Dichtung der Gegenwart«, (Leipzig 1918), auf Seite 581 über Walter Harlan : »Er steht mit einem ? im Semikürschner. « Der »Sernikürschner« war ein antisemitisches Nachschlagewerk, das alle bekannten Personlichkeiten seiner Zeit n ach rassischen Gesichtspunkten zu ordnen und vor aIlem die jüdischen Ab­starnrnungsverhaltnisse aufzudecken vorgab . Wenn dort ein Name mit einem ? versehen wurde, dann h ielS dies, der Betref­fende lasse, obwohl rassisch Tatsachliches über ihn nichts be­kannt sei, aus seiner gesellschaftlichen H altung und seinen schriftstellerischen AulSerungen erkennen, daIS er »judenhorig« sei. In Wirklichkeit stand Walter Harlan aIs begeisterter An­hanger Friedrich N aumanns und Freund Adolf von Harnacks mit seinen staatspolitischen und religiosen Anschauungen ge­nau auf der Grenze zwischen diesen beiden Welten.

Bernhard Fürst von Bülow hat im 2. Bande seiner »Denk­würdigkeiten« (Berlin 1930) auf Seite 464 die »enorme poli­tische Torheit« des Friedrich Naumann eindeutig gekennzeidt­net.

Sie war allerdings weit über Naurnann hinaus ein charakte­ristisches Kennzeichen politisierender Professoren, mit denen si<n bereits Bismarck herumgeschlagen hatte und zu denen auBer Virchow vor allem Treitschke und Adolf von Harnack zahlten.

Heinridt von Treitsdtke, der 1896 verstorbene "Führer der politischen Geschidttssdtreibung«, Parteiganger Bismarcks und

Wegbereiter der imperialis tischen Politik, erdachte und verOf­fen tlichte in volliger politischer Instinktlosigkeit am 15. Novem­ber 1879 eine folgensdtwere und unglückselige Parole, mit de­ren Hilfe dann sechzig J ahre spa ter ein gewisser Adolf Hitler die Volker der Erde in einen Weltbrand hineintrieb, dessen Foigen bis zum heutigen Tage die Seelen ganzer Nationen vergiftet : »Die J uden sind unser Unglück!«

Wie wenig sich der Professor von Treitschke bewoBt wurde, was er mit dieser, der alIgemeinen Volksmeinung seiner Zeit unterstellten Formulierung tatsachlich gesagt hatte, geht aus dem heftigen sogenannten »Antisemitismusstreit« hervor, der sich auf die Veroffentlichung Treitschkes in dem angesehenen wissenschaftlichen Organ der PreulSischen J ahrbücher hin er­hob '.

Von solchen überzeugungen waren die meisten der politisie­renden Professoren und Pastoren beseelt, die urn die J ahrhun­dertwende für und gegen den Sozialismus, Antisemitismus und Kapitalismus eiferten und stritten.

Auch der von Veit Harlan zeitlebens vererute Freund seines elterlichen Hauses, der Hoftheologe WiIhelms II., Adolf von Harnack, gehorte zu diesen Geistem und zeichnete sich bei al­lem guten Will en und ehrlichen Bemühen durch eine vollige politische Ahnungslosigkeit und Fehlbeurteilung der geschicht­lichen Zukunft seines Vaterlandes aus.

Das Verhaltnis zu jüdischen Freunden und Kollegen beweist jedoch noch keine objektive oder gar philosemitische Einstel­lung gegenüber allen Juden. Vor 1933, bevor dem Antisemi­tismus durch die Massenrnorde eine neue ungeheure Dimen­sion zuwuchs, war - 50 schwierig dies heute zu verstehen sein mag - die Unterscheidung zwischen einem politisch aktiven Antisemitismus und einem gesellschaftlich latenten, der sich nur in einem allgemeinen, nichtartikulierten Unbehagen auBer­te, durchaus noch moglich. DamaIs lehnte der gebildete Deut­sche meistens einen aktiven Antisemitismus scharf ab, verschloB sich aber nicht gewissen gesellschaftlichen Nuancen. Seine jüdi­schen Freunde waren die Ausnahme, die den Regelfall seines Verhaltens bestatigten. In einem allzu harmlosen Sinn nahm er

• Siehe »Der Berliner Antisemitismusstreit«, Insel Verlag, Frank­furt/Main "965, Seite u.

Page 134: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

gewissermaBen ein Wort von Gêiring vorweg und bestirnrnte durch seine Freundschaften selbst, wer Jude war und wer nicht.

Letzten Endes ist es nicht mêiglich, über eine Prüfung seiner Umgebung Wal ter Harlan ins Herz zu sehen. Sicher trifft jc­doch auch auf ihn zu, was Kristina Sêiderbaum zurückblickend über seinen Sohn Veit Harlan sagt: »Er war immer 50 schreck_ lid! deutsch!«

Der Beginn der Laufbahn

Das also war die geistige Atmosphare, in der Veit Harlan aIs junger Mensch aufwuchs und seine Weltanschauung bildete. Diese Welt mit ihren widersprüchlichen und iIIusionaren poli­tischen Auffassungen, mit ihrer überzeugung von einer groBen nationaldeutschen Zukunft, mit ih rem technisch-wissenschaft­lichen Fortschrittsglauben, die samtlich durch die erste Welt­kriegskatastrophe und die nachfolgende DolchstoJSlegende schwer erschüttert und zerstêirt wurden. Dieser Weltkrieg macht es auch verstandlich, daB der junge Veit Harlan, nachdem er 1916 als Kriegsfreiwilliger in den Krieg gezogen und im J ahre 1918 schwer erkrankt und zutiefst angewidert aus dem Vêilker­morden heimgekehrt war, nur noch der Kunst, vor allem dem Theater, dienen wollte.

Politik interessierte ihn lange Zeit kaum noch. Einer Mode der Berliner Theaterwelt nach dem Kriege folgend, verkehrte er kurze Zeit in einem salonkommunistischen Zirkel von Kolle­gen; kurze Zeit war er, um dem Intendanten Leopold Jessner die Ausübung seines Arntes zu erleichtern, Mitglied der SPD. Er wurde auch nicht, wie es ihm Goebbels zweimal nahelegte, Anwarter oder Mitglied der NSDAP, obwohl er dadurch groBe wirtschaftliche Nachteile hatte. Seinem Empfinden nach blieb er bis zum Ende seines Lebens das, was er als Junge zU sein gelemt hatte, ein »guter Deutscher«, stolz auf die Kultur und die GroBe seines Vaterlandes, die zu fordern er mit seinen Mit­teln bemüht waL Goebbels nannte ihn wiederholt einen poli­tischen ldioten, der »unfahig sei, politisch zu denken«, w~s vollig zutrifft, wenn man berücksichtigt, daB Goebbels »poli­tisch« mit »nationalsozialistisch« verwechselte.

Veit Harlan war infolge seiner Charakteranlage und Vor-

bildung 50 wenig flihig, »nationalsozialistisch« zu denken, daB er im Jahre 1933 nicht imstande war, den Nationalsozialismus ais die schwere Bedrohung fur das Schicksal und den Bestand der deutschen Nation zu erkennen, und daB er lediglich an einen allgemeinen politischen Umschwung glaubte, der sich in einer Regeneration altbewahrter deutschnationaler Verhaltnis­se, wie sie im untergegangenen Kaiserreich geherrscht hatten, vollenden würde. Das war eine typische nationalpolitische Ulu­sion, die Harlan mit einigen Millionen ahnungsloser deutscher Bürger teilte.

Ohne eine ordentliche Schauspielschule durchlaufen zu ha­ben, wurde Veit Harlan im Alter von 20 Jahren an eine der bedeutendsten Bühnen Deutschlands als Schauspieler engagiert. Wlihrend er bereits spielte, erhielt er von Schauspielem wie Guido Herzberg, Friedrich Kayssler, Adele Sandrock Schau­spielunterricht und wurde von dem Theaterkritiker Julius B~b in die Dramaturgie eingeführt. Berlin war damals, neben Pans, die wei taus bedeutendste Theater- und Literaturstadt Europas. Für jeden Anfanger war es ein Glück, gerade dort .Iemen ~d die ersten künstlerischen Schritte tun zu kêinnen. Dleses Gluck steigerte aber auch Harlans ohnehin kraftig entwickeltes Selbst­bewuBtsein in bedenklichem MaBe.

Nach drei J ahren Berlin wechselte er zum traditionstrachti­gen Meininger Landestheater über, wo ilun sofort ~e gr~Bten RoUen auf die gewohnlich selbst begabte Schauspleler Jahre­lang V:arten müssen, anvertraut wurden. Als Schauspieler muS man sich Veit Harlan in erster Linie im Fach des Naturburschen vorsteUen. Er spielte in aIIen Stücken, die in dies en Jahren en vogue waren und auf die Programme gesetzt .~rden, .in den Inszenierungen k1assischer und modemster Stucke SOWie Ro~­le n, deren Urheber inzwischen langst wieder der VergessenheJt

anheimfielen. . Auch wurde er damaIs bereits aIs Filmschauspieler engaglert. Zwei Jahre nach seinem Engagement in ~eini.ngen kehrte

ch B 1· ru··ck wo er im Jahre 1924, mit funfundzwan-er na er m zu , .. ch zi Jahren, das Traumziel aller deutschen Schauspleler errel. -

g . E ement am PreuBischen Staatstheater. Auch hier te: em ngag Id J k De Rollen unter Regisseuren wie Leopo essner, =~er~~ d.

Jürgen Fehling und Erwin Piscator spielen. Er gewann an leser

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Page 135: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Bühne eine derartige 5icherheit und entwickelte eine 50 hohe Dynamik, dal5 er schon im J ahre 1934, kurz nachdem Gustaf G~ÜI1dgens Intendant des 5taatlichen 5chauspielhauses gewor­den war, trotz dessen Warnung seine Tatigkeit als 5chauspieler aufgab und »mit einer lacherlich kleinen Gage« aIs Regisseur an das Theater am 5chiffbauerdamm hinüberwechselte.

Dort inszeniert er u. a. das Berliner Volksstück » Krach im Hinterhaus«, das er nach einem aul5erordentlichen 5erienerfolg auch aIs Film machen darf. Der ebenso grol5e Erfolg des Films macht ihn mit einem 5chlag zum allseits gefragten Filmregis­seur, und 50 inszeniert er innerhalb von drei J ahren sieben grol5e 5pielfilme, davon je einen in Wien und Budapest.

Den ersten grol5en filmkÜI1stlerischen Erfolg, der noch dazu ein grol5er geschaftlicher Erfolg wird, hat Harlan 1937 mit dem UFA-5pielfilm » Die Kreutzersonate«, der nach der Erzahlung von Leo Tolstoi, aber mit einem Happy-End gedreht werden sollte.

50 erfolgreich Harlan auch vorher mit seinen Filmen gewesen ist, 50 kann er es doch keineswegs schon wagen, sich gegen diese Entscheidung der machtigsten europiiischen Filmgesellschaft und deren Verleihchefs zuungunsten eines Happy-End aufzu­lehnen. Er muE froh sein, dal5 ihm ein solcher Filmstoff über­haupt anvertraut worden ist, und rasoniert daher zunachst nur still vor sich hm. AIs aber der Generaldirektor der UFA, Ludwig Klitzsch, auf dem Ateliergelande auftaucht, fal5t Harlan die Gelegenheit beim 5chopf und erreicht tatsachlich, dal5 er vor eine Vorstandssitzung geladen wird, urn seine kÜI1stlerische Auffassung vor den Direktoren der UFA zu vertreten. Wider alles Erwarten setzt sich Harlan durch Geistesgegenwart und Elan durch. Das Happy-End wird gestrichen, der tragische 5chluE bleibt erhalten.

Dieser Triumph des jungen Filmregisseurs Veit Harlan über das gesamte Direktorium der UFA erregt in der FiImwelt un­geheures Aufsehen. Harlans 5eIbstbewul5tsein steigt weiter, er beginnt zu glauben, dal5 er auf seinem Gebiet alles durchsetzen wird, was er sich vorgenommen hat.

Veit Harlan aIs Regisseur und Filmautor

Alle seine 5pielfilme werden gute bis groJ5e geschaftliche Er­folge. Harlan wagt mehr und mehr die 5toffe und Bühnenstücke, die seinen Filmen zugrunde liegen, nach seinen Ideen urnzu­wandeln und strebt, oft gegen den Willen der Filmproduzen­ten, kÜI1stlerische Leistungen an.

Ein Filmregisseur, der laufend geschaftliche Erfolge erzielt, ist ein machtiger Mann. Er kann sich nicht nur leisten, mit sei­nen Darstellern, Kameraleuten, Beleuchtern, Filmarchitekten, Ton- und 5chnittmeistern nach Belieben urnzuspringen, zu brül­len, ja selbst sinnlos erscheinende Anordnungen zu treffen - er kann sogar dem Filmproduzenten und dem meist noch mach­tigeren Verleiher rücksichtslos über den Mund fahren und ihre WÜI1sche millachten. Harlan weiB sehr rasch seine Erfolge aus­zunutzen. Bei seinem wichtigsten Lehrrneister, Jürgen Fehling, hat er gelernt, wie 5chauspieler durch rigorose Beeinflussung und konzentrierte Harte dazu gebracht werden konnen, jeden eigenen Willen aufzugeben und widerstandslos alles -:: wie ~ar­lan es nennt - aus sich herausholen zu lassen, was kunstlensch

in ihnen steckt. 50 kommt es, daJ5 gerade die bedeutendsten Schauspiel~r

und Filmdarsteller gerne unter Harlan spielen, obwohl er em

»5chreibeutel« * war. . Der Wille eines Filrnregisseurs, der Filmkunst zu dienen,

stiel5 schon immer auf das Mil5trauen aller Filmproduze~ten und Filmverleiher. Allzuoft führte die ausgesprochene Abslch.t, Filmkunstwerke zu schaffen, zum geschaftlichen MiBerfolg. ~le Filmherstellung verschlingt stets ungeheure Summen, denen !ID

Falle des geschaftlichen MiJ5erfolges ein praktisch wertloser

Haufen von Filmrollen gegenübersteht. ... bi Veit Harlan aber versteht es, seine filmkunstlenschen ~ -

. Il Widerstande der Geldgeber erfolgrelch zu honen gegen a e behaupten.

F ··hl"ch in einem Brief an Harlan yom • Der Schauspieler Gustav ro 1 d-" Du ein jugendfreund

M . oBter Schmerz war, "'" , k 8. 6. 48 : » em gr .. Sch eibeutel und ein aufrichtig respe -und bewunderter witziger b ~ um Propagandeur von Halbmen­tierter Künstler, Dlch herga t s Z nd übergeschnappten judenfres­sehen, vcrrückten Chauvlnls en u sern,«

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Page 136: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

} e graBer Hui ans Erfolg ais Regisseur war um . .. . . ' 50 Inter

$anter wurde er fur das Propagandammlsterium, denn G b es_ 5ah im Film ein geeignetes Mittel, die Massen im S:e bels

. al . l' b . fi F"'h n des ahon sozla Ismus zu eem ussen. ur 1 n gab es kein li . ch Fil E' R . ch e un-po liS en me. m eglsseur mo te einen Revuefilm d

hen, er mochte ihn für vallig unpolitisch halten, es mochte da r~_ tatsachlich kein einziges politisch.es Wort fallen - von Goebb:~ wurde er dennoch nur genehmlgt, wenn dieser Film l'n .

seIn politisches Spiel paBte.

Die typischen Gestaltungselemente eines Harlan-Filmes , vor

allem seine massenpsychologische Eindruckskraft, die seinen Erfolg ausmachten, waren in ihrer Mehrheit derart, daIS Goeb­bels sie für seine Zwecke ausnutzen konnte. Harlan selber hatte aber die rückblickende Feststellung der Filmkritiker, daB sich in seinen Filmen und denen seiner Kollegen von Anfang an pra­faschistische und faschistische Elemente befanden, nicht ver­standen. Er und seine Kollegen dachten nicht politisch, sondern filmkünstlerisch und strebten damit ebensosehr die kunstasthe­tische Form wie deren massenpsychologische Wirkung an.

Eine Analyse der berühmten Filme und Filmplane Harlans zeigt, daIS er eine Vorliebe für die Verfilmung von Büchern und historischen Stoffen hatte. Seine Autoren sind: Storm (drei­mal), Binding, Billinger (zweimal), G. Hauptmann (zweimal), Shakespeare, Hebbel, Hamsun, Freytag, Sudermann, Halbe, Tolstoi, Walter Harlan (zweimal). Die meisten Autoren wer­den heute von der Literaturkritik mit einiger Distanz betrach­tet, kaum einer gehort der aufklarerischen Tradition der deut­smen Literatur an, alle gehorten jedoch zum traditionellen Bildungsgut des Bürgertums und waren meistens in den Schul­Iesebüchern vertreten.

Seine historischen Filmstoffe sind den verschiedensten Zei­ten entnommen, doch alle unter dem Gesichtspunkt, ob sich in ihnen etwas Beispielhaftes für die Gegenwart finden UiBt. Da HarJan Ietzten Endes in allen seinen Filmen von einem ~religiosen Gefühl« ausgeht, lalSt sich das Beispielhafte auch lInmer in seinen novellistischen Literaturvorlagen finden. Har­Ian ist kein Filmautor im heutigen Sinn er benutzt Historie und Literatur aIs Kutsche für seine Welt:nschauung. Vorlagen und Stoffe werden von ihm für den Film 50 zubereitet, daB

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der Zuschauer sich mit seinen Idealen und Werten identifizieren kann.

Am Beispiel der »Kreutzersonate« schildert Harlan, wie er mit Hilfe seiner Schauspieler versucht, sein Ideal zu verwirk­lichen. Er zwingt die Darsteller, auf jeden eigenen schauspiele­ris chen Ausdruck in Sprache und Geste zu verzichten, damit sie reine Darsteller, willenlose Werkzeuge in der Hand des Regisseurs sein konnen. Er formt sie nach seinem Bilde. Mit dieser Methode erzielte er zumindest in den Kammerspielsze­nen grolSe schauspielerische Leistungen.

An anderer Stelle beschreibt er, welches Ideal er bei seiner Arbeit mit den Schauspielern im Auge hatte: »Die Aufgabe, die ich mir als Filmregisseur gestellt habe, besteht zum groBen Teil darin, den Zuschauer verges sen zu lassen, daB er im Film­the a ter sitzt. Das Leben und die Natur sollen in Wahrhaftigkeit auf ihn zukommen. Für mich sind die besten K.ritiken über mei­nen Film ,Die goldene Stadt, diejenigen, in welchen geschrieben wurde, daB man vergaB, daB es Schauspieler waren, denen man zusah und zuhorte.« .

In die sem filmkünstlerischen Bestreben ist Harlan der Anti­pode Bert Brechts - auch in der Ausdrucksweise. Was Harla~ will, ist, dem Zuschauer die Illusion zu geben, der Film s.el

gegenwartig gemachte Wirklichkeit. Der Filmzuschauer so~ kem . II' P den Film verlieren. kri tischer Kopf sem, er 50 seme erson an

HarJans Filme appellieren dementsprechend ganz konsequent

vor allem an das Gefühl. ahm Da Stimmungen, in denen Gefühle wachsen, nur .aus~ 5-

wei se in Worten artikuliert werden dürfen, wenn Sl~ ruchtalso-d Il muB ein nicht welter an y-fort wieder zerstort wer en 50 en, chi d Aus-

sierbarer Urgrund geschaffen werden, d~ssen .v~rs e ene. d Walten des Schicksals slgnallsleren. 50 glbt es

formungen ~s ch viel Musik. Die Musik gehort noch in Harlans Fiimen au ch't ihren Konflikten. Der unmittelbar zur Welt ~e~ ~;n~ar~e~hinaUs im Meer, in den eigentliche Urgrund zelj L dschaft. das allzu stlidtische Le­ziehenden Wolknhen'f in

d er u: die moderne GroBstadt sind am

ben, der Fürste 0 0 fer a S 'mmt auch das Wasser die je-. 'hm ent ernt. 0 ru chaf weItesten von 1 f di 'ch von der Gemeins t ch 'eder au e 51

nigen Mens en .. WI . hneilies entspricht der Freitod durch ausgeschlossen fuhlen, 0

Page 137: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Ertranken dem Kodex der bürgerlichen Frau des 19. Jahrhun_ derts.

Auf solche besonderen Anforderungen waren die deutschen Schauspieler seit den groBen zwanziger Jahren vorbereitet. Harlan entdeckte und kreierte dazu noch einen neuen Star, die Schwedin Kristina Sëderbaurn, die seine dritte Frau wurde. Ab 1938 spielte sie in nahezu jedem seiner Filme die weibliche Hauptrolle. Für damalige Verhaltnisse waren Harlan-Filme kei­neswegs prüde, kamen aber den Versuchen entgegen, die Emanzipation der Frau wieder zurückzunehmen. 50 bleiben die beispielhafte Tat, das aktive Heldenturn meistens dem Mann vorbehalten, der Frau wird dagegen das nicht minder vorbild­lich gemeinte stille Opfer zugewiesen.

Harlans künstlerische Bedeutung aIs Regisseur spiegelt sich am ehesten in der Schauspielerführung und in der Dramaturgie novellistischer Szenen. Nach 1945 hatten seine Filme immer weniger Erfolg, weil sie einer jüngeren Generation, die nun wieder Gelegenheit hatte, mit der Produktion anderer Film­nationen zu vergleichen, allzu deutsch-sentimental erschienen. Seine Filme teilen darnit das Schicksal fast der gesamten deut­schen Filmproduktion. Goebbels dagegen waren die gefühls­beladenen, stimmungsvollen Harlan-Filme hoch willkommen. Er sorgte notfalis durch rigorose Befehle dafür, daB das Walten des Schicksals nicht zugunsten der Kirchen oder christlich-reli­gioser Oberzeugungen wirken konnte. Harlan selber ahnte zu­nachst ebensowenig wie Millionen Deutscher, wie gut er sich dank seiner Erziehung und Weltanschauung dazu eignete, ais boses Werkzeug ausgenutzt zu werden.

Veit Harlan und Josef Goebbels

Gieich bei der ersten Inszenierung in seiner neuen Funktion aIs Regisseur am 5chiffbauerdamm-Theater kam Veit Harlan in unfreiwillige Berührung mit dem Nationaisozialismus, urn den er sim bisher trotz der Machtübernahme und der Rëhm-Affiire 50 gut wie gar nimt gekümmert hatte, weil er, wie seine Freun­de und Feinde aus der damaligen Zeit übereinstimmend bestii­tigen, fanatism auf die Theater- und Filmregie konzentriert

war. Alles andere war ihm um 50 weniger Wichtig, als er die nationalsozialistische Vergewaltigung Deutschlands mit einer deutschnationalen Revolution, die er im groBen und ganzen durchaus gebilligt hatte, verwechselte.

Das Couplet, das Hermann Goring, den damaligen pre~i­schen Ministerprasidenten, in der ersten Theater-Inszenierung Harlans verulkte, muBte vor der Prerniere gestrichen werden, und Harlan erhielt einen Tadel. Aber weiter geschah nichts; für den Regisseur Harlan entpuppten sich die Nazis darnit zu­nachst ais ziemlich harrnlos. Dieser erste Eindruck scheint sich bei ihm fes tgesetzt und sein spateres Verhalten Goebbels ge­genüber mitbestirnmt zu haben. Wie wenig er sich auf seinem Wege urn die nationalsozialistische Ideologie und die rigorose Ausschaltung der Juden kürnmert, beweist die Tatsache, daB er eine Novelle seines Vaters, »Maria die Magd., noch im Jahre 1935/36 mit dem jüdismen Filmproduzenten Grünstein zu­samrnen verfilmt".

Der personlime und der geschaftliche Erfolg der »Kreutzer­sonate« weckt in Emil Jannings, der gerade den Film »Der Herr­scher« vorbereitet, den Wunsch, Veit Harlan als Regisseur zu gewinnen. In diesen Plan hatte sich jedoch bereits das Propa­gandarninisterium eingeschaltet. Es smeint, daB Goebbels zu­nachst annahm, Harlan würde den respektlosen und yom . al­ten Kintoppgeist« besessenen Emil Jannings" auf einen mo­dernen das heiBt nationalsozialistismen Weg führen .....

Die Tatsamen aber belehrten Goebbels bald eines anderen. Zwischen dem Aufpasser des Propagandaministeriums, Arnold Raether und Harlan ergeben sim bald wegen der befohlenen Hakenk~euzfahnen, des Hitlerg~es und anderer Nazi~­bole Differenzen, über die nur Goebbels perso~ch en~sdtetden kann. J annings und Harlan setzen sidt durm, die Nazlsymbole bleiben wegen der moglidten Beeintradttigun~ . d~r Auslands-

'1 d 'n einer personlidten Unter-verbreitung des FI ms weg, un 1

• Hierzu Axel Egge~remtl~ eine~ Bk~~~e:o~z~t:lt :'J :~ 1 936 arbeltete ln - nau. 1 M--'- di ma s, 1935- 1 . ' ' t ibm zusammen. Der Fi m . ana e

jiihrigem Arbelt8verto~ ~: der .nimtarisme< Smweizer Grün.tein, Magd< produzlerte!:.. ngd Ansmeln nam ausgezeidtnet verstand .• mit dem Harlan slu. em •• Selle 34-

• •• Selle 38.

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redung mit Goebbels gewinnt Harlan den Eindruck, aIs ob er durch seine Schlagfertigkeit sogar den allmachtigen Propaganda_ minister zu überwinden die Kraft habe.

Der nachste Film, den Harlan gestaltet, verstarkt diese Illu­sion in verhangnisvoller Weise. Rudolf HeB, damaIs aIs »Stell­vertreter des Führers« noch machtiger aIs Goebbels, überredet Hitler, Harlans Film »Jugend«, in dem sich zwei katholische Priester um die Erléisung einer Sel bstméirderin strei ten, verbie­ten zu lassen, weil der SchluJS »eine empéirende katholische Werbewirkung« habe und »verkappte Kirchenpropaganda« sei *. In dieser Auseinandersetzung teilt Goebbels Harlans Auf­fassung von der Unsinnigkeit dieses Vorwurfs, befiehlt aber trotzdem eine Anderung des Filmschlusses, die den Wünschen von HeB und Hitler gerecht wird.

Der Film »Jugend« hat wiederum einen überragenden Erfolg, die Tendenz des geanderten Schlusses geht dank der Ausstrah­lung des Filmes véillig unter. Harlan hat zwar nicht über Hitlers BefehI gesiegt, glaubt aber mit aktiver Beihilfe von Goebbels, der intelligent genug war, zu erkennen, daB die von ihm befoh­lenen Anderungen des Schlusses für die Wirkung des Werkes ohne jede Bedeutung sind, der nazistischen Auffassung einen Streich gespielt zu haben. Dieses Erlebnis scheint Harlan aber auch zugleich zurn erstenrnaI klargemacht zu haben, daB es zwischen seinen künstlerischen Auffassungen und den nazi­stischen Bestrebungen, die Kunst den staatspolitischen Tenden­zen unterzuordnen, keine Brücke gab. Eine rückschauende Be­merkung aus den hier nicht abgedruckten Reflexionen IaBt jedenfaIIs darauf schlieBen: »50 rückte uns der Nationalsozialis­mus mit seinen unabdingbaren Forderungen irnrner mehr auf die Haut, bis er uns schlieBlich ganz und gar in seiner GewaIt hatte. Man kéinnte hier einwenden: Wenn ihr das schon im Jahre 1937 gemerkt habt, warum habt ihr dann Deutschland nicht verlassen - wie Albert Bassermann das tat und Thomas Mann und viele andere? lch für meine Person kann darauf nur antworten: Mein Herz ist deutsch, ich bin hier zu Hause. Ich bleibe hier, solange man mich nicht mit Gewalt hinaustreibt.«

Jedenfalls wandte sich Harlan weiterhin bis zum Ausbruch

• Siehe Seite 61 und Seite 62 f.

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des Krieges betont unpolitismen Stoffen zu. D~m letzten ~Pe­dro 5011 hangen «, des sen Drehbum Goebbels ausnahm:weise einmal nicht gesehen hatte, lag sogar ein ausgespromen reli­giéises Thema zugrunde: »lm packte in diesen Film alles hinein \Vas ich aus religiéisen Grunden gerade in dieser leit zu sage~ wünschte.« Diese apostolisme Formulierung, daE er etwas .zu sagen wünschte«, statt etwa, daE es ihm gelang, ist bezeich­nend für Harlans Charakter. Alle von ihm 1938 und 1939 geschaffenen Filme: »Verwehte Spuren«, "Die Reise nach Til­sit«, »Das unsterbliche Herz« und ~Pedro 5011 hangen« zeigten keine staatspolitische Tendenz und waren, vielleicht eben des­ha lb, bis auf den letzten Film, samtlim überwaItigende Publi­kumserfolge im In- und Ausland. Diese Erfolge begrundeten Harlans RuE, der "Starregisseur des Dritten Reimes« zu sein.

lm Jahre 1939 glaubte Veit Harlan offenbar, 50 stark und einfluJSreich zu sein, daE er sim leisten konne, einen Film wie "Pedro soli hangen« zu smaffen, des sen Gehalt in deutlichem Gegensatz zu den staatspolitismen und ideologismen Tenden­zen des Nationalsozialismus stand. Es smeint jedom 50 zu sein, daE sich Harlan, der - \Vie Goebbels es ausdrückte - »bewuE­ten Verhéihnungen der nationalsozialistismen GrundsatzerkIa­rungen« und »unverschamten Kirmenpropaganda«, die er mit diesem Film begangen haben soli te, weder in der Planung des Films noch wiihrend seiner Gestaltung jemals wirklich bewuEt wurde. In einer hier nimt abgedruckten Stelle bemerkt Harlan dazu: »In seinem lornesausbruch über diesen Film stellte er [Goebbels] mir das leugnis fur einen Mut gegen den Natia­nalsozialismus au s, den im in diesem Fall gar nicht gehabt hatte.« (Einen Satz vorher gibt er ein Urteil über Goebbels ab, das Harlans véillige politische Blindheit und Abkapselung kenn­zeichnet: »Aber sosehr Goebbels fur einen Berliner Witz Sinn hatte, 50 smien er alles Christliche aIs seinen grimmigen Feind

zu betramten.«) .. Mag diese Ahnungslosigkeit in Naivitat oder Verdrang~g

begründet sein, jedenfalls gab Harlan den Kampf um ~em Werk trotz der eindeutigen Verdammung durch Goebbels rumt auf. Er wagte es, namdem der Film auf Goebbels' Befehl ve~­stümmelt worden war, sim mit schriftlim niedergelegten Belel-

d· d· d r-'- den damaligen Reichsfilmintendanten an Igungen, le u al

~61

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Goebbels weitergeleitet wurden, von dem Film zu distanzieren: "Der Film >Pedro sol! hangen< ist unter dem Motto geschnitten worden: >Es ist gleichgültig, ob wir dem Publikurn vollkomme_ nen Blodsinn vorsetzen. Wichtig ist nur, daIS wir Geld herein_ bekommen.< Der Schnitt dieses Films ist so idiotisch, daIS ich nicht naher darauf eingehen will ... Sie haben mit lhrer Hand­lungsweise den Beruf eines Regisseurs zu einem vol!kornmen subalternen Beruf gemacht ...

lch kann nicht verstehen, daIS ein solcher Volksbetrug ge­macht wird, indem man dem Publikurn vorgaukelt, es kame ein Veit-Harlan-Film, das Publikum sein Geld an der Kasse ablie­fert und dann nadÙler ein unverstandlicher, idiotischer Krüppel von Film gezeigt wird. Sie sind mit lhrer T aktik, daIS das Geld­verdienen das Ausschlaggebende in diesem Fall sei, wieder da angelangt, wo der NationaIsozialismus mit seiner >Sauberungs­aktion< angefangen hat ...

Jedenfalls bestehe ich. darauf, daIS von dem bloden Machwerk mein Name ais Regisseur und Drehbuchautor entfernt wird. Ebenso hat mein Name aus allen Ankündigungen, wie von den Plakaten, entfernt zu werden ..... «

Eine solche Sprache gegen MalSnahrnen, die im Auftrage von Goebbels durchgeführt worden waren, hatte jeden normalen Bürger ins KZ gebrach.t. Harlan aber setzte sich. noch. einrnaI durch. Sein Name wurde aus dem Film und auf allen Ankün­digungen entfernt.

Die zweideutige Haltung Veit Harlans

Veit Harlan war berühmt geworden. Diesen Ruf nutzte er in jeder Hinsicht aus. Er setzte, wenn er berufliche Ziele verfolgte, nicht nur bei seinen Kollegen, Darstellern, Produzenten und Verleihern ungeniert seinen Ruf ein, sondern lehnte sich auch energisch gegen Einengungen seines privaten Bereichs auf, wie sie der NationaIsozialismus mit sich brach.te. Verfiihrt durch die Erfolge, mit denen er sich immer wieder nationalsozialistischen Dienststellen gegenüber durchgesetzt hatte, und im Vertrauen

• Brie~ von Harlan an den Reichsfilmintendanten von Deman­dowsk. vom 9. 7. 1.941. (Abschrift bei den Gerichtsakten).

auf seine »Berliner schnauze« die l'hm sog b' G bb 1 ' ar el oe e s Ach-tung verschaffte, warf er sich zum Protekt . 1 P '. or vIe er ersonen auf, dIe yom Nahonalsozialismus entschieden abgelehnt, ja so­gar verfolgt wurden.

50 beschaftigte er in seinen Filmen ;~~er W1' d b" u....o. •• ~ . .u e er 1 IS lns

letzte .~~iegsjahr hinein, Menschen, die jüdisch »versipptc wa­ren, .! ud~nnen zu Frauen hatten, kommunistischer Neigungen verdachhgt wurden oder im KZ gesessen hatten. Er begründete sogar einen Hilfsfonds *. Er verbarg Verfolgte in seiner Woh­nung, unterstützte sie mit Geld und Lebensmitteln, wagte es, zugunsten vor dem Volksgerichtshof Freislers und anderwarts Verklagter, mit Richtem und staatsanwalten zu verhandeln , und zog sich dadurch im Propagandaministerium den Ruf zu, judenfreundlich zu sein. 50 bekundete es neben vielen anderen der Zeuge Reinhard W. Noadc im schwurgerichtsprozeS. AlI das tat Harlan mit der gIeichen überwaltigenden Naivitat des wirklichkeitsfemen T raumers, der er bis zu dem Augenblidc blieb, aIs er gezwungen wurde, eine auch für seine Begriffe ab­scheuliche Aufgabe zu übemehmen: den antisemitischen Film »Jud sM«.

Wie Harlan sich seIbst empfand, geht aus einer der im Ma­nuskript gestrichenen ReBexionen hervor: »Die Freiheit birgt ja nicht nur das Gefühl >in tyrannos<, sondem vielmehr ein humanistisches Empfinden und darüber hinaus eine religiose sehnsucht. Diese Empfinden liegen irunitten jener dnei groBen Forderungen, welche die Menschen an sich selbst stelIen müs­sen und auch an ihre UmweIt stellen dürfen. Sie heiSen in ihrem foIgerichtigen Nacheinander: >Wahrheit - Freiheit - Frieden<. Oh ne die Wahrheit gibt es keine Freiheit, und ohne die Frei­heit kann es niemals Frieden geben - weder einen politischen noch denjenigen Frieden, der die Erlosung in der Kunst aus­macht. Die >Erlosung< braucht das Thema eines deutschen Films weit mehr aIs etwa das >happy end<, welches meistens gequaIt und verlogen ist und eben >Kintopp<! Traumfabrik! ...

Deutsche Philosophen haben Werke über die Âsthetik ge­schrieben, deren Prinzipien unumstëBlich sind. 50 z. B. Nietz­sche in >Die Geburt der Tragëdie< oder Eduard Hartmann, der

• s. Gerichtsurteil über Veit Harlan vom 29, 4.1950, Seile 29 f .

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_cine Asthetik unter das Gesetz stellte: >Das 5chèine ist das Scheinen der Idee' . lm deutschen Film kümmert sich niemand mehr um diese unabdingbaren Gesetze, die keineswegs irgend­einer Mode unterworfen sind.«

50 unglaublich es klingt : Harlan meinte, in vielen seiner Filme seine künstlerische Arbeit tatsachlich und kompromiglos unter diese Maximen gestellt zu haben: »Obwohl zur Hitler­Zeit gerade den Begriffen der Freiheit sowohl im menschlichen wie auch im politischen 5inne ins Gesicht geschlagen wurde, stand en die Künstler doch noch immer auf jenem Breitengrad, auf welchem diese Begriffe galten. Sie galten auch dann, wenn man gezwungen war, ihnen zuwiderzuhandeln. Jeder war sich dann klar, daB man diese heiligsten Begriffe der Kunst ver­lieB."

Harlan wehrte süh jedesmal wie ein trotziges Kind, wenn ihm von einem Produzenten, Verleiher, Ministerialbeamten oder gar von Goebbels selbst zugernutet wurde, die se seine »heiligsten Begriffe der Kunst" zu verlassen, und er hatte sich 500ft durchgesetzt, daB er glaubte, sein Leben inmitten der steigenden nationalsozialistismen Flut nach seinen eigenen weltanschaulichen Grundsatzen führen zu kèinnen.

Er hatte dabei sowohI sim selbst aIs auch den Machthabern des Hitler-Reiches gegenüber ein vèillig reines Gewissen, denn seine Ablehnung eines ideologischen Bekenn tnisses paarte sich in ihm mit der traditionellen patriotischen Li~e zu Deutsch­land, der er unkritism und selbstherrlich bis zu seinem Tod huldigte. Ihm erschienen die nationalsozialistischen Verbrechen als eine verabsmeuungswürdige Privatangelegenheit derjeni­gen, denen die politische Macht und Verwaltung des gernein­sarnen Vaterlandes zur Zeit anvertraut war. W as Harlan dazu tun konnte, die Auswirkungen dieser Verbrechen zu rnildern, das hat er seiner Ansicht nach innerhalb seines Bereiches nam Kraften getan.

Ein paar Zitate rnëgen dieses Bild abrunden : »Mir selbst fehIt es an politischer Weitsicht und überhaupt an politischem Interesse, da rnein Herz und rnein Hirn auf ganz andere Dinge gerichtet sind ais auf die der Politik ...

• Manuskript Seite 318

»Das heute unrnodern gewordene Wort > Vaterlandsliebe, be­deutet mir sehr viel. Die Zei tlaufe kënnen ebensowenig daran andern, wie es damals Hitler iindern konnte ...

50, wie ich noch im Geiste meines Vaters, des Schriftstellers Dr. Walter Harlan, lebe, lebe ich aum im Geiste meines Vater­landes. Ob in der Vaterlandsliebe einer >reentsc steht oder sonstwo, ist vollkommen gleimgültig . . . Aber immer waren mir Begriffe heilig, die man heute glaubt zu den >alten Klamotten, werfen zu dürfen . .. "

»Wer aus diesen Zeilen meine >Begeis terung' herausspürt, die auch wahrend meiner Arbeit an >Kolberg' das Wesen meiner Kraft ausmachte, der mag ruhig seine Senultem zucken über meinen >Mangel an politisener Moral,. Ien habe solenem Vor­wurf nichts weiter entgegenzusetzen, als daB ien überhaupt nur mit Begeisterung arbeiten kann oder gar nidü . .. .. "

»Das hindert mich jedoen nient, eingesehen zu haben, daB es eben Krieg war und daB drauBen Millionen von Soldaten stan­den die mit ihrem Leben den Sieg zu erfeenten traenteten. Wer , sie auch immer politisch geführt haben mag : Sie haben immer für ihr Vaterland gekampft, wie aile anderen Soldaten der Erde auch **.«

Solche von Harlan ein Leben lang praktizierte nationalen Oberle~ngen und sein personlienes Verhalten von :1933 bis :1939 kënnen auch die Bewunderung und Anerkennun~: die ihm seitens vieler Andersdenkender, ja feindhen gegenuber­stehenden Personen jetzt und früher entgegengebraen~ wurd~n, verstiindlich machen. Aus den vorliegenden MemOiren WlId deutlich, in welchem Umfange sich sogar Goebbels, der mehr als einen Grund hatte, Harlan zu hassen, sien von Harlans Hal.tung

und nachtwandlerischer Freenheit immer wieder imporueren

lieB. ih h d' K mmu Am anderen Ende dieser langen Re' este t le 0 -

d M" 49 aus Ost-nistin Irene Meyer-Harmo, ie am 22. arZ:19 . _ Berlin kommend in der Beweisaufnahme des Senwurgenents verfahrens gegen Harlan folgendes aussagt :

Vorsitzender: Sie haben gesagt, Sie hatten :12 Jahre unter

• Manuskripl Seite 343 Hl ' dem zweiten Schwurgerichts-• • Aus dem SchluBwort ~~n ar an 10

prozeB in Hamburg (RevIsion).

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dcm Druck gestanden - C5 fiillt ja auf, daB Ihr Mann in dem Film» Jud siiE« mitgewirkt hat.

Meyer-Hal1l1a: Mein Mann hat in "Jud SüB« eine ganz kleine Rolle gespielt. Sie dürfen nicht verges sen, mein Mann hat ille­gal gearbeitet - gerade mit diesen Rollen wollte er sich nach aulSen ein gewisses Deckrnantelchen verschaffen. Er hat auch im »GroBen Konig« gespielt und in »Kolberg«.

Varsitzender: Es fiillt auf, daB er in »Jud SüB« mitspielte, obwohl seine Frau eine Jüdin war.

Meyer-Hanna: Andere in seiner Lage sind in die SS einge­treten, um sich zu tarnen. Harlan hat meinen Mann in jedem seiner Filme beschaftigt ...

Varsitzender: Was haben Sie denn von dem Film gedacht? Was sagte Ihr Mann, warum Harlan diesen Film macht?

Meyer-Hanna: Mein Mann meinte, Harlan mache diesen • Film, um Karriere zu machen. Denn wenn Harlan künstlerisch etwas werden kann, geht er über Leichen.

Varsitzender: Sie sagten, Harlan mochte Sie nicht gerne -mochte Ihr Mann Harlan?

Meyer-Hanna: Mein Mann mochte ihn. Mein Mann mochte Menschen, die moralisch nicht ganz einwandfrei waren. !ch verstand nicht, warum ...

Wandschneider: Wissen Sie noch, ob Harlan Ihnen seine Woh­nung zur Verfügung gestellt hat, falls Sie verfolgt würden?

Meyer-Hanna: Jawohl - nachdem Harlan nach Hamburg wollte, sagte er mir, er ginge nach Hamburg, und sollten irgend­welche J udenaktionen zu befürchten sein - sollte ich in seine Wohnung nach Westend gehen, und wir sollten uns dort ver­stecken, bis der Krieg zu Ende ware. lch und Frau Jeanette Noak. Das war Ende 1944.

W andschneider: War da nicht die Gefahr grog - wenn man 50 etwas machte - , durch die Gestapo liquidiert zu werden?

M eyer-Hanna: Sicher, die Gefahr war grog, V arsitzender: Harlan war also nicht feige? M eyer-Hanna : Nein, Harlan war nicht feige. W andschneider : Haben Sie ihn nicht für besonders coura­

giert empfunden?

Meyer-Ha nna: Jawohl - für sehr couragiert. lch habe mich wohl s<hle<ht ausgedrückt.

Der Staff des» Jud Süi5"

lm November 1939 wird Harlan - nach' . semer elgenen Dar-stellung - von P~ter Paul Brauer, den durch Goebbels personIim abgesetzten Regisseur des bereits bis zu Probeaufnahmen und Atelierbauten gediehenen Film » Jud siill«, telefonism davon un­terrichtet, daB er das Projekt zu übernehmen habe. Nam fiümti­ger Durmsich t des Drehbums greift Harlan seinerseits zum Telefon und lehnt es rundheraus ab, sim mit einem derartigen Drehbuch zu befassen, gesmweige denn, es zu inszenieren. Er wird jedoch an den Propagandaminister verwiesen. Harlan ist zwar wütend, aber durchaus zuversimtlim. Er glaubt, daB es ihm, wie meistens, gelingen wird, Goebbels von dem »drama­tisierten stürmer« wieder abzubringen. Er weiB, daB Goebbels selbst an dem Drehbum mitgearbeitet hat, er weill aber aum, daR Goebbels den J udenhasser Streimer nimt ausstehen kann, und traut sich zu, den streimer-Geist des Drehbums vor Goeb­bels 50 plastism herauszustellen, daB Goebbels ihn von der Inszenierung entbinden wird.

Die Geschichte des Jud SiiE Oppenheimer (1698 bis 1738) hatte bereits viele s<hriftsteller bes<haftigt. Am bekarmtesten wurden die Novelle von Wilhelm Hauff (1828) und der Roman von Lion Feuchtwanger (1925)' Es ist eine Infamie der WeIt­geschichte, daJ5 ausgeredmet ein Jude einem Staff in aller Welt Beachtung vers<haffte, der daraufhin eine Grundlage für den typischen antisemitischen Film liefem konnte. Auf diesem Ro­man beruhte die erste Verfilmung dieses stoffes, der 1933 mit Conrad Veidt in der Hauptrolle in England hergestellt wurde.

Der schnelle Aufstieg des siiE-Oppenheimer innerhalb von nur drei Jahren, sein tiefer sturz und die schreddiche Todesart, die wahrhaft fürstliche Korruption der Zeit ais Folge des Ab­solutismus, die Miitressenwirtschaft, die Unterstützung der Gegenreformation und wohl auch die antisemitische Massen­psychose machten das Leben des Jude",. SüJ5 zu einem anregen­den literarischen Stoff für viele europalsche Autoren. ~as da­von in den Vordergrund gerückt wird, hangt naturgemiB von dem Talent und den Absichten des jeweiligen Autors ab. Am vielschichtigsten ist wohl der Roman von Feuchtwanger, der auch heute noch gelesen zu werden verdient.

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ach heutigen Vorstellungen würde der historische Jud SülS zweifellos auch verurteilt werden, wenn auch n icht ganz aus den Gründen und zu der Strafe von :1738. MilSt man den histo­rischen Jud SülS jedoch an den Verhaltnissen des Spatbarock, 50 mülSte das Urteil über ihn durchaus milder ausfallen. Es ist deshalb nicht uninteressant zu prüfen, wie die verschiedenen Autoren die schreckliche Strafe begründen.

lm Mittelpunkt des Urteils stehen im allgemeinen die Kor­ruption, die Unterstützung der Gegenreformation und ein wahn­hafter Antisemitismus, der mitunter mit patriotischen Gefühlen oder staatspolitischen Notwendigkeiten verbramt wird. Wil­helm Hauff kommentiert die offentliche Hinrichtung in seiner Novelle 50: »Beides, die Art, wie dieser unglückliche Mann mit Württemberg verfahren konnte, und seine Strafe sind gleich auffallend und unbegreiflich zu einer Zeit, wo man schon langst die Anfiinge der Zivilisation und Aufkla rung hinter sich ge­lassen, wo die Blüte der franzosischen Literatur mit unwider­stehlicher Gewalt den gebildeten Teil Europas aufwarts riR«

Allen früheren literarischen wie filmischen Ver su chen gegen­über hat der Film »Jud SüB« von Veit Harlan tatsachlich eine ganz neue Grundauffassung zu bieten. Der Jude SüB wird von Harlan in einen volkspolitischen ldealisten verwandelt, der seine Reichtümer zu dem Versuch benützt, die rassistischen Fesseln des Gettos zu sprengen und seinen Glaubensgenossen die bürgerliche Freiheit zu verschaffen. Auch geschieht die Ver­gewaltigung des Madchens nicht aus tierischer Wollust, son­dern aus enttauschter Liebe. SülS hatte im Film bei dem Vater des Madchens um des sen Hand angehalten und war unter Be­schimpfung abgewiesen worden. Er racht sich dafür, indem er das geliebte Madchen durch seelischen Zwang und nicht etwa mit Brachialgewalt dazu bringt, sich ihm hinzugeben.

lm spateren Gerichtsurteil wird SüJS denn auch nicht wegen Korruption noch wegen Vergewaltigung, sondern allein wegen der mit der Vergewaltigung verbundenen Rassenschande ver­urteilt. Der entscheidende Satz der Urteilsbegründung am SchluiS des Films lautet: »50 sich aber ein Jude mit einer Christin fleischlich vermengt, soll er durch den St rang zu Tode gebracht werden.«

Objektivitat und Wirkung des Films)) Jud Sü15«

AIs sich Harlan nun mit Goebbels in Gegenwart des Reims­filmintendanten Fritz Hippler über das ursprüngliche Drehbum auseinandersetzt, gesmieht etwas für Harlan sehr ûberraschen­de~ : Goebbels gibt Harlan voll und ganz recht - und befjehlt ihm zugleich, das Drehbuch 50 umzuarbeiten, daB der FaU »Jud SüJS« objektiv und künstierisch einwandfrei dargestellt werde. Dieses Buch müsse Harlan verfilmen, weil er, Goebbels, gerade diesen Film dringend brauche *. Auch befjehlt er, daB die weibliche Hauptrolle des Films mit Harlans Frau, Kristina Soderbaum, zu besetzen sei.

Zum zweitenmal in seiner Laufbahn als Filmgestalter war Harlan von Goebbels in einem entscheidenden Kampf gesdùa­gen worden. Es war ihm vollkommen klar, was Goebbels in diesem Fall unter »Objektivitat« verstand. Anders sind die vie­len Versuche Harlans, dem Auftrag zu entkommen oder spater den Film nach seinem Geschmack umzumodeln, sinnlos und unverstiindlich. Nachdem viele seiner jüdischen Kollegen bereits emigriert waren oder unter Druck leben muiSten, einige Jahre nach den Nürnberger Rassengesetzen, ein Jahr nach der Kri­stallnacht, konnte niemand mehr darüber im Zweifel sein, wie dieser Film von Goebbels gemeint war.

AIs alle Versuche, seine Frau und sich selbst aus dem als entsetzlich und unwürdig empfundenen Auftrag auf legale Weise herauszukommen, scheitern, meldet sich Harlan frei~­Iig »an die Front«, d. h., er versucht, sich zur. Wehrmacht em­ziehen zu lassen. Solche Meldungen galten wahrend des Zwel­ten Weltkrieges in Deutsdùand ais absolut vorr~~I~ und wur­den haufig von Personen, die dem nationalsozlalistischen Re-

. "b fe 'lndlich eingestellt waren, ais letzter, stets glme gegenu er . k Ausweg aus politischen Schwierigkeiten benutzt, 50

Wlr samer " d Be' B

. . 1 von Werner Finck und Gustaf Grun gens. 1 zum elsple " -'-l'ch . . mt H 1 ber verfing diese Methode ungluQ<. 1 erwe~se ru .

G::::el:, der seinen begabtesten und berü~test~ F~~~~~ senbeeinflusser unter allen Umstanden in seme~ a .

'11 . kt von Hitler einen kriegsdlensthchen Be-behalten WI , erwlf

• Siehe Seite 93 Cf.

Page 143: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

fehL dag jede freiwillige Meldung zur Wehrmacht aller Goeb­bels im Bereich des Films unterstell ten Personen ais Desertion aufgefaf5t und, soweit sie auf einer Befehlsverweigerung be­ruhe, dementsprechend geahndet werden würde. Harlan selbst wurde von Goebbels angeschrien: »Harlan, ich. kann Sie zer­quetschen wie eine \'Vanze an der Wand"! Sie wissen doch, \Vas geschieht, wenn ein Soldat sich weigert, einen dienstlichen Befehl im Kriege auszuführen - Sie, Herr H arlan, sind auch Soldat, genau wie ich - auch wenn Sie keine UniEorm tragen! «

Wieder hat Harlan gegen Goebbels verloren. Was tun? Es ist Krieg, Polen ist niedergeworfen und zwi­

schen Deutschland und der Sowjetunion aufgeteilt. Der sowje­tisch-finnische Winterkrieg ist in vollem Gange, auf Hitler wurde am 8. November im Bürgerbraukeller in München ein Bombenanschlag verübt, die deutsche Gro!5offensive im W esten ist fertig vorbereitet, unter den Alllierten werden Friedens­angebote diskutiert und verworfen.

Alles, was Harlan nun noch übrigbleibt, wenn er der Her­stellung des Films » Jud Sü!5« entkommen will, ist entweder ein Fluchtversuch ins Ausland oder ein kriegsgerichtliches Ver­fahren wegen Desertion. Beides mu!5te für ihn nach damaliger allgemein bekannter nationalsozialistischer Praxis mit ernst­hafter Lebensgefahr für sich selbst und die Mitglieder seiner Familie verbunden sein.

Sein Gewissen fühlte er bis zu diesem Augenblick unbelastet. Er war zutiefst davon überzeugt, da!5 er auch. im national­sozialistischen Machtbereich stets aIs guter D eutscher und ehr­licher Künstler gelebt und gehandelt hatte. 50 glaubte er, der mahnenden Stimme seines Gewissens zum Trotz auch diesmal durch den vollen Einsatz seiner künstlerischen wie mensch­lichen Kraft die teuflischen Absich.ten Goebbels' überspielen

zu konnen. Sein Werk, in das er die sch.mutzigen antisemi­tischen Propagandaabsichten von Goebbels verwandeln würde, sollte - 50 glaubte er mit ganzer Kraft _ vor einer spateren leit ais echtes Kunstwerk ebenso bestehen konnen und da­durch gerechtfertigt sein, wie es Shakespeares »Kaufmann von Venedig« und Machiavellis ,,11 Principe«, die beide zur Recht-

• Beweisaufnahme im Sc:nwurgeric:ntsverfahren gegen Harlan aJll 3· 4· 50, Zeuge P. W. Mü ller und Sc:h.luBwort von Harlan.

fertigung staatspolitischer Grausamkeiten ge ch . b d . . 5 ne en wur en

schltef5hch beschieden war. '

Der Geist, in dem Harlan diese sich selbst gesetzte Auf he durchführte, und die menschliche Haltung dt·e e db . ga .. . ' r a et gegen-u ber Jedermann, einschlief5lich der nationalsozialistischen Machthaber, bewies, bewirkten tatsachlich, da!5 er juristisch von allen Verfehlungen und Gesetzesverletzungen einschlieBlich des nachtraglich geschaffenen Kontrollratsgesetzes Nr. 10. freige­sprochen wurde, wie es durch das Entnazifizierungsverfahren und die beiden Schwurgerichtsverhandlungen der Jahre 1949/50

geschah. Dieser Geist und diese Haltung vermochten aber nicht, Harlan vor dem Menschheitsgewissen zu entlasten.

Die Entscheidung, zu der er sich irn Jahre 1939 durchrang, Iieber die Bürde auf sich zu nehmen, eine verabscheute Propa­gandaaufgabe in ein Kunstwerk zu verwandeln, als den Weg des Martyrers zu gehen, blieb ais untilgbarer Makel mit seinem Namen verbunden. Daran konnten kein Freispruch durch die Gerichte, kein Rechtfertigungsversuch vor der Offentlichkeit und auch die Aufführung des Films »Jud SüB« in spateren Jah­ren mehr etwas Entscheidendes ii.ndem.

Wenn Harlan in einem Interview am 25. September 1940 in "Neues Badener Tageblatt« sagte: »Mir kommt es bei der Behandlung des Stoffes .Jud Sü!5< darauf an, nicht einen Ten­denzfilm zu drehen, sondem eine historische Tatsache. , 50 muB man ihm die gute Absicht glauben, obwohl es schwerfallt, bei einem erwachsenen Menschen 50 viel Naivitat und Blindheit vorauszusetzen. Wenn dagegen einige leit spa ter andere in den leitungen die Objektivitat des Filmes und die ~sto~ische Treue rühmen, 50 kann auch der Gutwillige heu te mcht emmal mem Ironie heraushiiren: Der »Viilkische Beobachter« am 26. ~ep-

b E·n Tendenzlilm? Nein - die Darstellung emes tem er 194°: » t · . d ch· . k Problems zwar das jeden heute angeht, dazu Je 0 em wu -licher Film in' allen seinen handlungsgemaBen Pha~en. Eme Hochleistung deutscher Filmkünstler, aus dem .Stirb chodafer

d rur das Volk ges -Werde< unseres Volkes genommen un

fe~~« Nr. 19 der Wochenzeitung »Das Reich«, 1940, auf Seite

• Siehe Seite 215. Anmerkung .

Page 144: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

, 8 : "Dieses groBe Filmwerk, das wohl am deutlichsten die ge­genwartige Wende der deutschen Filmkunst zum Idealfilm he­zeichnet, der aus einer politischen Totalsicht konzipiert ist, wird auch über die deutschen Grenzen hinaus um seiner historischen Objektivitat willen früher oder spater heachtet werden ... «

In »Le Parisien« yom 21. 2. 1941 : »Dieser Film ist kein Phan­tasieprodukt, sondem ganz den geschichtlichen T atsachen ent­sprechend, die dramatischer sind als jede Phantasie.«

In Frankreich hieB es in der Zeitschrift »Vedettes« yom 22. Marz 1944: »Der Regisseur Veit Harlan behandelte die hi­storischen Vorgange konzessionslos, 50 daIS die Getto-Szenen, die geheimen Zusammenkünfte, das Notzuchtverbrechen, die Martern, die Massenszenen durch ihre Heftigkeit sich zu tragi­scher GroBe hinaufsteigem.«

Und schlieBlich berichtet das Fachblatt »Film-Kurier« am 30. Mai und am 16. Juli 1941 aus Berlin :

»5eit einem Monat lauft der Veit-Harlan-Film der Terra >Jud 5üB< auch im unbesetzten Frankreich, und zwar in den Stadten Toulouse, Lyon und Marseille. Wie uns berichtet wird, ist es nicht zu den von allzu Vorsichtigen befürchteten Demonstra­tionen gegen den Film gekommen, vielmehr hat sich der Einsatz, besonders in Marseille, zu einem aulSerordentlichen Erfolg ent­wickelt. lm schonsten und groBten Lichtspielhaus von Marseille, Pathé-Palace, kam es immer wieder zu begeisterten AuBerungen des Publikums.«

»Ganz besondere Erwahnung verdient in diesem Zusammen­hang der 5iegeslauf des Films >Jud SülS<. Schon in Rumaruen und Ungam, also Landem, in denen das jüdische Element vor­herrschend war und ganz besonders den Filmmarkt beeinfluBte, war der Erfolg des Films aIs sensationell anzusprechen. Dem Pariser 5tart des Films sah man, da Frankreich lange Jahre volksfremde Volksfrontpolitik hinter sich hatte, mit besonde­rer Spannung entgegen. Hoffnungen, wie man sie nicht erwar­tet hatte, wurden erfüllt. Nach 8 Wochen Laufzeit im Pariser Colisée wechselte der Film auf die Zweitspieltheater über und hat heute sowoh! in der franzosischen Hauptstadt wie in der P ,

rovinz, die meisten Hausrekorde gebrochen.« Warum auch Goebbels Wert darauf legte daIS dem An-

sch' ch ' em na kein TendenzfiJm gedreht wurde, geht aus einer

vertraulichen Mitteilung des R'ch . el spropagandaministeriums

yom 27· AprIl 1940 hervor: »5011ten' "ch ' .. F'I "b J d rn na ster Zelt elillge 1 me u er u en herauskommen z B . Film . "

II . . ' . . ern >Jud 5üB< 50 50 en sie lllcht ais antisemitische Fil b'dm ' . me ezel et oder he-sprochen werden. Erne derartige Charakterisierun di Film . t d h lb 'ch 'ch' g eser e 15 es a ru t rI hg weil sie durch. di W' k f ' e Ir ung au das Pu:likum ihren Zweck von selbst erfüllen werden.« Der Reich.s-fü rer 55 Himmler befah! der gesamten 55 und Polizei, süh den FIlm anzusehen. (5iehe 5 130) Man darf ru'cht . verges sen, daIS 1940 die »Endlosung der J udenfrage« noch. nicht besclùos-sen war. Harlan besalS nich.t genügend Phantasie, die Tiitun von Millionen J uden vorauszusehen, die selbst heute noch da: Vorstellungsvermiigen vieler Mensch.en übersteigt.

In den Prozessen nach. 1945 gegen Harlan sind Zeugen auf­getreten, die bekundeten, sie hatten den Film nicht als anti­sernitisch empfunden oder jedenfalls nich.t als 50 antisemi­tisch, wie sie gefürch.tet hatten. In der 5ch.wurgerichtsverhand­lung sagt ein jüdisch.er Zeuge, Dr. Heinz Leopold, aus, der, in den Gefangnissen der Nazi-Zeit blindgesch.lagen, sclùieBlich. im KZ Theresienstadt überlebte. Er hat im J alu 1940 den Film »Jud 5üfS« in Berlin heimlich zweimal gesehen, leugnet entsdtieden seinen antisemitischen Charakter und erklart, daR die Behaup­tung, der Film sei antisemitisch, nur von jemandem erhoben werden kiinne, der den Film nich.t gesehen habe.

Erst kürzlich. bekundete Hans 5ch.olz ("Am grunen 5trand der 5pree«), daIS man zumindest damais die mildernden An­strengungen des Regisseurs herausgespürt habe.

Auf der andem 5eite sagen andere Zeugen aus, daIS die 55-Leute nach. der Vorführung des Filmes besonders grausam zu ihren Haftlingen gewesen sei en . .-

In den besetzten Ostgebieten wurde der Film manchmal der »arischen« Bevolkerung vorgeführt, wenn eine Deportation von Juden bevorstand. Die 5pitzel des 50 berichteten über eine deutlich.e antisemitisch.e Wirkung auE die Kinobesucher. Auch bezeugt mehr ais eine Filmkritik aus der N~zizeit en~egen der Anweisung Goebbels' die erzieherische Abslch.t des Films.

h . Smwurgerlmtsverfahren. Aussqen • Siehe: Beweisaufna me ImW~ter Paiser und Norbert WollheJm. der Zeugen Max Dumer, Febr.lMirz 19<W'

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lm ersten Schwurgerichtsverfahren gegen Harlan hatte der Anwalt der jüdischen Nebenklager schlielSlich fes tgestellt : »Es jst kein Verbrechen, das man mit Handen greifen kann. Aber ein geistiges, ein Gesinnungsverbrechen!« - »Die Zeit« schrieb am 28. April 1949 auf der ersten Seite unter der überschrift: »Veit Harlan nicht rehabilitiert«:

»Aber es wiire grundfalsch, hieraus zu folgern, d~ der frei­gesprochene Filmregisseur nun auch menschlich und moralisch sdmIdlos sei. Vielmehr verhaIt es sich ja gerade 50, daIS Veit Harlans SchuId zwar vorhanden, aber strafrechtlich nicht zu fassen ist ... Wer ihm heute zujubeIt, hat nicht begriffen, daIS moralische und kriminelle Sch.uId zwei verschiedene Dinge sind. Und wer heute gegen den Freispruch protestiert, hat diesen ebensowenig begriffen.«

In einem Brief der» Vereinigung der VerfoIgten des Nazi­Regimes« yom 15. Mai 1948 an Kristina Séiderbaum heilSt es:

»Wir sind keineswegs der Ansicht, daIS die Schuldigen von gestem in jeder Minute des Dritten Reiches aus schlechten Motiven handelten, aber Ursache und Wirkung entscheiden erst den Wert einer Handlung und eines Menschen. über die Handlung Ihres Gatten, Veit Harlan, haben wir niemals die Absicht gehabt zu rich.ten, sondern überlassen es den éiffent­lichen Gerichten. Wir bezweifeln nich.t, d~ jede anstandige Handlung Milderungsgründe erbringt. Sie andert aber nichts daran, d~ wir Ihren Gatten, Veit Harlan, als Regisseur und Mitautor des zum Verbrechen treibenden Filmes >Jud S~< und auch >Kolberg< ais zumindest mitverantwortlich für die auf­grund der dadurch erfolgenden ideologischen Beeinflussung entstehenden Verbrechen betrach.ten müssen.«

Und sch1ielSlich schreibt der früher in Berlin und spitter in New York amtierende Rabbiner Dr. Joachim Prinz am 22. Juli 1948 in einer Antwort an Veit Harlan: »Dieser Brief ist ein emster Versuch, Ihnen zu sagen, daIS es besser sein würde, wenn Sie im BewuBtsein Ihrer eigenen Unschuld, in Würde und innerer Gelassenheit warten würden was der ProzeS brin-. ' gen wud. Das Urteil der Welt hangt weder von Ihrem nom von meinem 5dticksal ab. Das Heil und Unheil aller MenscheJl hiingt von ihrem eigenen heiligen Willen ab, alles zu tun, dem mensdùimen, moralismen und geistigen Verfall (von

274

man in Deutschland 50 viel sieht und spürt) eine neue mensch­Iichere Welt entgegenzusetzen.«

Veit HarIan wurde trotz seiner Einstufung irn Entnazmzie­rungsverfahren in Gruppe 5" und zweier sch.wurgerichtlicher Freisprüche wegen erwiesener Unsch.uld geach.tet und verfolgt.

Einer der Anführer irn Streit um Harlan und seine Taten ist der ehemalige Leiter der Presses telle der Hansestadt Harnburg, Erich Lüth, der in seiner Autobiographie unter der Dberschrift: »Mein Kampf gegen Veit Harlan« erziihlt: "In einem offenen Brief bezeichnete ich Veit Harlan ais einen >der wichtigsten Exponenten méirderischer J udenhetze< . .. Das moralisch.e An­sehen Deutschlands in der Welt darf aber nicht von robusten GeIdverdienern erneut ruiniert werden. Denn Harlans Wie­derauftreten mulS kaum vernarbte Wunden wieder aufreiBen und abklingendes MiBtrauen zum schaden des deutsch.en Wie­deraufbaus furchtbar erneuern. Aus allen diesen Griinden, 50

hielS es in diesem offenen Brief, sei es nich.t nur das Recht, son­dern die Pflicht aller Anstandigen, sich. irn Karnpf gegen diesen unwürdigen Reprasentanten des deutschen Films über den Pro­test hinaus auch zum Boykott bereitzuhalten.«

In Géittingen, Frankfurt, Freiburg, Münster, Hannover, Mün­chen u. a. kommt es zu Demonstrationen vor vielen Kinos.

Harlan versucht sich zu wehren und untentimmt eine Vor­tragsreise, vor aIlem durch. die Stad te, in denen gegen seine Filme demonstriert worden ist. Oft setzt er sich in tumultuosen Diskussionen schlielSIich durch.. Der Makel auf seinem Narnen verschwindet indessen nicht, er verstiirkt sich sogar. Er wird Fortan weniger beschuldigt, ais schlech.thln verdarnmt. Es ent­stehen vorwiegend emotional betonte Fronten, Anhiinger und Gegner lassen sich irnmer wieder zu gesetzlich. anfechtbaren MalSnahmen und AulSerungen hinreiBen.

50 nennt ihn Erüh Lüth éiffentlich. einen "Propagandisten des Massenmordes«, erklart der »ArbeitsausschuB der Filmwùt­schaft« eine Beschaftigung Harlans in der deutschen Filmindu-

~1-rti~eI13 im »Gesetz zur Befreiung von Nationalsoziali&m.as and • 1 Itansmus« vom 8. 3. 1946, Berlin, lautet: "Entlastet lat· b'OIa

emd' formellen MitgUedschaft ... sich nicht nur passiv ·v::b.I .. son. ern nach dem MaB seiner Kriifte aktiv Wlderstancl die n~hona!sozialistische Gewaltherrsmaft gelelstet und .... APf>*ii telle erhtten hat.. ---- Na.,.

Page 146: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

stne für untragbar, organisieren der Deutsche Gewerkschafts_ l>und, der Akadernisch-Politische Club, der Landesrat für Frei­heit und Recht, die Lessing-Gesellschaft zur Fërderung der To­leranz, die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusarnmenarbeit und die Hochschule für politische Wissenschaften, samtlich in München, eine Protestkundgebung gegen die Aufführung neuer Harlan-Filme und fordem ein Berufsverbot rur Harlan. Er wird irn Rundfunk ais »psychologischer Wegbereiter grauenhaftester Verbrechen« bezeichnet, die Aufführung seiner nach dem Krie­ge hergestellten Filme wird durch Stadtratsbeschlüsse oder Bürgermeisterentscheidungen in München, Frankfurt, Braun­schweig, Lindau und Kassel vorübergehend verboten. ln Zürich bildet sich ein »Aktionskomitee gegen geplante Auffüh­rung von Veit-Harlan-Filmen«, in dem fast alle politischen Parteien und zahlreiche Kulturorganisationen vertreten sind, und das den Stadt- und Bezirksrat der Stadt Zürich noch 1963 veranlaEt, das Aufführungsverbot von Harlan-Filmen mit dem Satz zu begründen: »Die schweizerische Offentlichkeit lehnt das Wiederauftreten Veit Harlans ais Filmschaffenden nach wie vor ab *.«

Doch melden sich auch zahlreiche Verteidiger Harlans zu Wort. Schon nach der Urteilsverkündung, am 23. April 1949, war Harlan von jubelnden Zuschauem auf den Schultem aus dem Gerichtsgebaude getragen worden. Er bekommt Hunderte von Glückwunschbriefen, viele seiner Anhanger senden lange Ausführungen an die Redaktionen der Tagespresse, in denen sie eine nach ihrer überzeugung gerechte Beurteilung Harlans entwickeln, in Zürich gründet sich ein Fan-Klub zu seinen und Kristina Sëderbaums Gunsten. GroBe Mengen hektograpruer­ter Rundschreiben werden zu seiner Rechtfertigung verteilt. In seinem SdùuBwort am Ende der zweiten Schwurgerichtsver­handlung 1950 erklart Harlan : »Bedenken Sie einmal, was es heiBt, einen Film wie ,Jud SüB< unter der Gewalt von Goebbels drehen zu müssen. Sie haben von Herm Gutterer gehërt, daIS er in seinem Amt ais Staatssekretar die Texte in dem Dreh­~, welches Goebbels genehrnigt hatte, mit dem Film ver­gleHhen muBte.

~. ~~~~~~m 25 . 1.11)63. Bezirksrat Zürich. Verw.-Nr. 346 (62)

K" nnen Sie sich vors tellen, daIS 50 etwas in einem anderen L ; von einem Staatssekretiir gem acht wird ? Sie sehen also d~;, wie ungeheuerlich der Druck war, und Sie sehen wei ter

daran, wie milStrauisch Goebbels gegen mich selbst war. f . Trotzdem habe ich den Film 50 gemacht, daIS, ais er ertig

war, Goebbels vor Wut explodierte, wie sowohl der ehemalige Reichsfilmintendant wie auch der Reichsfilmdramaturg lhnen bestatigt hab en. Es war gar nicht 50 einfach, einen Befehl von Goebbels 50 auszuführen, daIS er vor Wut explodierte. Wenn er aber explodierte, dann wird er wohl einen Grund gehabt haben, der sich nicht allein auf den SchlulS bezog, sondern auf viele Szenen, die er h erausschnitt bzw. urnsynchronisieren

lieB.« Für den unbefangenen Beobachter, der die Hitlerzeit nicht

aus eigenem Erleben kennt, bleibt die Entwicklung des Falles Harlan angesichts anderer im Bereich der politischen Hetzpro­paganda als viel schwerwiegender ernpfundenen Verfehlungen der Nazizeit unerkliirbar - es sei denn, man sahe in ihm eine Art von Sündenbock, auf des sen Rücken zahllose Menschen ihre verdrangten Schuldgefühle zur eigenen Entlastung bewuBt oder unbewuBt abladen.

In der Berliner Zeitung »Der TagesspiegeI« hieB es am 3°.4. 1949 über Harlan: »Er selbst behauptet nicht, sich ganz un­schuldig gefühIt zu haben. Er gibt mit salopper Aufrichtigkeit zu, daB er nicht den Miirtyrerehrgeiz eines Niemëller gehabt habe und über einige Trübungen seines Gewissens hinwegge­gangen sei! 50 wollte er in zynischer Verkleinerung seines Ver­brechens über das Gestandnis, daIS es ihrn mindestens gediim­mert hatte, hinwegkommen. «

~uch Lion Feuchtwanger meldete sich zu Wort: "Sie haben, me me Herren, aus meinem Roman ,Jud Sü/3< mit Hinzufü v~n ein biBchen Tosca einen wüst antisemitischen Hetzfilm~ Smne Streichers und seines ,Stürmers< gemacht . . .

Man :,ird mit Aug und Ohr nachprüfen kënnen, wie Sie aIle d~zu belgetragen haben, die Geschichte eines Juden, von dem Sie al~e wuBten, daB er ein groBer Mann war, ins genaue Ge­gentell zu verkehren. Und Sie werden nimt die bescheidenste Ausrede haben; denn Sie sind sim alle klar darüber gewesen. daB von Anfang an hinter diesem Film nimt die Spur eiDes

Page 147: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

• ünstlerischen Willens stand, sondem nur eine Tendenz, deren Dummheit und Gemeinheit allen bewugt war. «

Harlan antwortete auf diesen Offenen Brief am 12.12.1947

an Feuchtwanger direkt: »Sie schreiben - Sie wollen uns >zwin­gen', daB wir uns den Film mit Ihnen zusammen ansehen. Das heillt zunachst, daB Sie den Film gar nicht kennen und trotz­dem über ihn schreiben und seine künstlerische Qualitatslosig_ keit und menschliche Minderwertigkeit einfach behaupten. Sie brauchen uns gar nicht zu >zwingen< - ich würde es auf das warmste begrüBen, wenn wir uns den Film ansehen konnten. Sie werden namlich in dem Film nicht den Verbrecher Jud SüB wiederfinden, der er in der Geschichte gewesen zu sein scheint. Der Jude handelt in diesem Film fast ausschlieglich rur das jü­dische Volk und nur im untergeordneten Sinne für sich. Das hat der wahre Jud SüB bestimmt nicht getan.«

Man konnte mehrere Bande allein mit den heftigen Reaktio­nen beider Seiten füllen. Rückblickend mochte man meinen, Harlan sei etwas zuviel Aufmerksamkeit widerfahren, beson­ders wenn man bedenkt, wie viele kriminelle Verbrecher aus jener Zeit ungeschoren blieben und gar spater wieder zu Amt und Würden kamen. Auf diesen Punkt wies besonders der frü­here israelitische AuBenminister, Frau Golda Meir, hin: »Har­lan war eine der vielen Schattenfiguren im Nazireich. Wir brauchen nicht die vielen Figuren zu verfolgen, sondem suchen die Verantwortlichen, welche die Figuren in Bewegung setzten!«

Der Filmregisseur Wolfgang Liebeneiner sagte in der Be­weisaufnahme des Schwurgerichtsverfahrens gegen Harlan im Marz 1949: »Harlan ist ein Mensch, der im personlichen Um­gang krasse Antipathie und Sympathie erweckt. Sein Tempera­ment zieht die Menschen an und stogt die Menschen ab. Bar­lan hat eigentlich irnmer nur glühende Bewunderer oder glü­hende Feinde. Ich kenne keinen zweiten Künstler, bei dem die Urteile 50 weit auseinandergehen.«

Dieses Urteil Liebeneiners konnte es verstandlich machen, warum sich Veit Harlans Personlichkeit aIs exemplarischer Fall für eine Abrechnung mit den Filmregisseuren und Filmgestal­tem der Nazizeit ganz besonders anbot.

Der Film »Jud SüB« war jedenfalls im Urteil der Weit zurn exemplarisdten antisemitisdten Film geworden, obwohl der

. Eland gedrehte Film »Jud SüJS«, mit Conrad Veidt f· · her m~ dFl r

U

d T .telrolle nach dem Urteil von Fachleuten, die bei e 1-

n erl , . Tdt 1 h haben einen wei taus deutlicheren antiseml 15 en me gese en , an! E. druck hinterlassen hat. Auch ein auf Ver assung von d:ebbels unter dem Titel »Der ewige Jude« hergestellter s~

ter »Dokumentarfilm«, dessen Antisemitismus aIles m genann . d· t den Schatten stellt, was jemals in Filmen gezelgt wur e, 15

heu te 50 gut wie verges sen. Nicht wenig zu der aIlgemeinen Verdammung von Harlans

Film hat wahl sein Titel beigetragen. Die Formulierung ,,~ud Süg« erfillit alle Voraussetzungen eines Leitbildes; der Titel hat sich tief im UnbewuBten festgesetzt, er ist 50 »treffend«, dag er praktisch die Besichtigung und Prüfung des Filmes über­flüssig macht. Beim Studium der ProzeJSakten fallt auf, daB der jüdische Zeuge Dr. Heirlz Leopold in seinem Brief an das Lan~­gericht Hamburg yom 3. April 1950 mit Ausnahme der ZWeI­

maligen Zitierung des Filmtitels »Jud Sü!S« stets von ,.dem Juden Süg«, »der Jude SM« spridtt, daB er aIso nadt Moglidt­keit die offensichtlich ais Beschimpfung empfundene Abkili­zung »Jud« vermeidet und die neutrale Bezeidtnung »Jude« vorzieht.

Der Ausdruck »Jud« war bereits im 19. Jahrhundert alIge­mein gebrauchlich, um jüdische Hausierer veradttlidt zu madten; durch die Novelle »Jud SM« von Wilhelm Hauff ging er in die Literatur ein. Die Konversationslexika foIgten nur zogernd. lm Brockhaus von 1837 wird das Wirken des »sdtlauen Judenc Joseph SM Oppenheimer zwar drastisch dargestellt, die Be­zeichnung »Jud« aber nicht gebraucht. Ebensowenig in der Ausgabe des Jahres 1886, die bereits ein wesentlidt sachlidteres Bild des »SM-Oppenheimer« gibt. Erst in der Ausgabe von 1895 findet sich zum erstenmal der Zusatz: »Jud SüJS genanntc, der dann in die foIgenden Ausgaben übemommen wird, wih­rend Meyers Konversationslexikon vom Jahre 1899 zwar die historisch faIsche Angabe macht, Joseph SüB-Oppenheimer sei württembergischer Finanzminister gewesen, den Ausdruck .. Jud SülS" aber noch vermeidet.

Wer immer also diese schimpfliche Kennzeidmung als Titel für eine künstlerische Arbeit wahIte, ohne durch sie eine aus­drückliche Glorifizierung des Betroffenen zu versuchen. der

Page 148: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

handelte antisemitisch. Da im Bereich der nationalsozialistisdlen 1achtherrschaft eine Glorifizierung, ja auch nur eine objektive

Behandlung mit dem Judentum verknüpfter Ereignisse und Probleme undenkbar war, dokumentierte der Schèipfe r eines solchen Werkes alIein schon durch die Verwendung des Titels »Jud SüE« vor der Weltmeinung eine antisemitische Absicht. Für die Gegner Harlans war es daher nimt erfo rderlich, auch nur den Inhalt des Films zu kennen, um ihn angesichts der weltbekannten Einstellung des nationalsozialist ischen Deutsch­lands zu den Juden bereits um dieses Titels willen mit allem Nachdruck zu verdammen. Harlans heftige Versuche, den Auf­trag von sich abzusmütteln, beweisen, daiS er die unglückselige Sdmld, in die er sim mit der übemallme dieses Auftrags ver­stricken würde, wohl gespürt hat. Seine Entscheidung, dem Martyrertum auszuweimen und mit der Kraft seines Künstler­tums die judenfeindlime Ideologie des Hitlerreiches durch ein gewaltiges Kunstwerk zu überwinden und damit vor der Nach­welt geremtfertigt zu sein, erwies sim als tragischer Irrtum.

Harlans weitere Filme

Harlan selbst blieb die Tragweite seiner Entscheidung vollig verborgen, er gab sein Bestes und ging aus der künstlerischen Arbeit an dem Film »Jud SüE« und den nachfolgenden Karnpfen mit Goebbels um die weitestmoglime Erhaltung der künstle­rismen Arbeit ungebrochen als reiner Tor hervor. Seine nam­folgenden Filmwerke, wie »Immensee«, »Opfergang« und "Die goldene Stadt«, smuf er im gleichen Geiste wie zuvor und stand die sich daran knüpfenden Karnpfe und Auseinandersetzungen mit Goebbels gleich tapfer und unerschrocken durm.

Wenn ihm, wie bei »Kolberg«, politische Propaganda zuge­mutet wurde, die er aus künstlerischen Gründen nicht billigen konnte, bestand er darauf, daiS ein anderer die künstlerisme Verantwortung übemahm. Weitere Filmplane Goebbels', die antisemitisme Tendenzen enthielten, wie "Die siebente GroB­mamt«, ,,5011 und Haben« und "Der Kaufmann von Venedig«, v~rsdùeppte er oder stellte, wenn er von der Sinnlosigkeit eines Rlmplanes angesimts des Kriegsverlaufs überzeugt war, 50

zao

exorbitante Forderungen, daB der Plan von selbst in sim zu­sammenfiel, 50 z. B. bei dem Plan »Narvik«, der lange Zeit eine filmische Lieblingsidee Hitlers war. Am 2. 4· 41 schrieb Harlan in einem Brief an Goebbels: »Im Film >Narvik, braume im mindestens vier, fünf Zerstorer, im braume mindestens ein Smlachtschiff, ich brauche zahllose Flugzeuge und FalIschirm­jiiger, ich muB glaubhaft einen Zerstorer a~f Land la~.fen l~.sen (natürlich würde ich das kascllieren, aber dieser Zerst.orer ~~te mir ja oben in Narvik gebaut werden). Ich hege die Befürm­tung, daB der kommende See- und Luftkrieg die genannten Wehrmachtsteile 50 in Anspruch nehmen wird, daB der Be­schaffung groBte Smwierigkeiten im Wege liegen.«

Nach »Jud SüE« bietet Harlan endlim das Bild eines Mannes, der begriffen hat, daB in seinem Vaterlande ein Umsturz erfolgt ist und der sich nun aufgerufen fühlt, das Seine zur notwen­digen neuen Ordnung beizutragen. Er handelt von da ab ganz ahnlich wie der von ihm verehrte Adolf von Harnack, der am 24.9. 1925 an seinen Freund Wilhelm Stapel, alIerdings unter weit günstigeren Verhaltnissen, geschrieben hatte: »Im stellte mim auf den Boden der Verfassung, weil im wirken und ver­suchen mtillte, im Vereine mit Anderen soviel Güter der Ver­gangenheit auf den neuen Boden zu verpflanzen, wie irgend

moglich. Dazu brauchte man eine freundlime Verhandlung mit Reim

und Staat und dies fort und fort. Armimedes konnte behaupten, daiS er die WeIt aus ihren

Angeln heben werde, wenn man ihm einen Standort atillerhalb der Welt ausfindig mamen konne - aber für das Vaterland kann man nicht wirken, wenn man lediglim einen kritischen Standpunkt auBerhalb einnimmt, d. h. nimts für die Gegen­wart, aber um eben diese handelt es sim, rur sie muE man tatkraftig Sorge tragen, denn der Ideologe wird kein Vater­land mehr vorfinden, das er nam seinem Plan formen kann, wenn er sim aus der Gegenwart zurückzieht.«

Veit Harlan hatte, wie er es verstand und 50 gut er es ver­stand, seiner Vaterlandsliebe und seinem Remtsempfinden in einer Wirklimkeit gedient, die ganz zu durmsmauen er weit entfernt gewesen war.

Page 149: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Zur Selbstbiographie

\ 'elt Harlan schrieb die hier vorliegende Selbstbiographie in den letzten Jahren seines Lebens, als ihn der gewohnte Film­erfolg verlassen hatte und wahrend er mit seiner langen schwe­ren Erkrankung rang.

Das Originalmanuskript war mehr als doppelt 50 lang ge­worden wie der hier abgedruckte Text. Schon zu seinen Lebzei­ten suchte Harlan nach einem erfahrenen Schriftsteller - wofür er sim selbst keineswegs hielt -, der ihm das Manuskript stili­stisch redigieren und kraftig kürzen soUte. Er wulSte, daIS nicht alles, was er sich ohne Hemmung »vom Herzen geschrieben« hatte, zur Veroffentlichung geeignet war.

Gekürzt wurden in erster Linie Harlans langatmige Refle­xionen. Einige typische Beispiele seiner Reflexionen finden sich im Vor- wie im Nachwort. Dagegen blieben im wesentlichen alle Fakten und auch die reine Handlung unangetastet. Hinzu­gefügt wurde nichts. Die Bearbeitung des hier abgedruckten Textes beschrankte sich auEerdem auf die Korrektur der Ortho­graphie, der Interpunktion und auf die Milderung der gramma­tischen und stilistischen Fehler an den Stellen, wo die Lektüre zu einem Ratsel zu werden drohte. Es war nicht beabsichtigt, aus Harlan einen schulmalSig korrekten SchriftsteUer zu machen.

Wer die Arbeit des Herausgebers im einzeInen prüfen oder das ungekürzte Manuskript studieren will, hat dazu in der Manuskriptabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek in Mün­chen Gelegenheit, der ein Exemplar übergeben wurde.

Aus juristischen, d. h. personlichkeitsrechtlichen Gründen mulSten einige wenige und geringfügige Retuschen vorgenom­men werden. Es ist im übrigen ein typisches Merkmal auch des Originalmanuskriptes dieser Selbstbiographie, daIS personlime

Feinde nicht oder nur am Rande erwahnt werden. Herausgeber und Vedag mochten nicht versaumen, Frau

Kristina Soderbaum für ihre Unterstützung und ihr Verstand­nis zu danken.

Filme von Veit Barlan

1935 Die Pompadur (Dialog-Regie) . P: Mondial Int. Film-in­dustrie Wien. D: Kathe v. Nagy und Leo Slezak. U : 24.

10.1935· 1935 Krach im Hinterhaus. P: ABC-Film. D : Henny Porten,

Rotraut Richter. U: 2.1.1936 1.936 Der müde Theodor . P : Majestic Film. D: WeilS Ferdl.

U: 13.3.1936 1936 Kater Lampe. P: RN-Filmprd (Robert Neppam). D : Al­

bert Lieven. U : 19. 2. 1936 1936 Maria die Magd. P: Minerva Tonfilm. D: Hilde Hilde­

brand, Hilde Korber. U: 2.10. 1936 1936 Alles für Veronica. P: Deutsch-Schweizerisme-Ungarische

Gemeinschaftsproduktion A. G. D: Theo Lingen, Hans Moser. U: 8. 12. 1936

1937 Mein Sohn der Herr Minister. P : Ufa. D: Hans Moser, Françoise Rosay. U: 6. 7· 1937

1937 Die Kreutzersonate. P: Georg Witt-Film. D: Li! Dagover, Peter Petersen, Albrecht Schoenhals. U : 11.11.1937

1937 Der Herrscher. P: Tobis-Magna-Film. D : Marianne Hoppe, Emil Jannings, Maria Koppenhofer. U: 17· 3· 1937

1938 Jugend. P: Tobis-Filmkunst. D: Elisabeth Flickenschild, Werner Hinz, Eugen Klopfer, Kristina Soderbaum. U: 12.4. 1938

1938 Verwehte Spuren. P: Majestic-Film. D: Frits van Dongen, Friedrich Kayssler, Kristina Soderbaum, U: 26.8.1938

1939 Die Reise nach Tilsit. P: Majestic-Film. D: Anna Dam­man, Frits van Dongen, Kristina Soderbaum. U: 31. 11. 1939

1939 Das unsterbliche Herz . P: Tobis-Filmkunst. D: Heinrich George, Kristina Soderbaum, Paul Wegener. U: 31.1. 1939

1939 Pedro soli hangen. P : Majestic Film. D: Heinrich George, Gustav Knuth, Maria Landrock. U: 11.7.1941

1940 Jud Süp. P: Terra-Film. Heinrich George, Eugen Klop­fer, Werner KraulS, Ferdinand Marian, Kristina SOder­baum. U: 24.11.1940

1942 Der grope Kéinig. P: Tobis-Filmkunst. D: Elisabeth Flik-

Page 150: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

enschildt, Gustav Frohlich, O tto Gebühr, Lola M" ristina Soderbaum, Paul Wegener. U : 3 . 3 . 1942 uthel

1042 Die goldene 5tadt. P. Ufa. D: Eugen Klopfer, Kur M . sel Rudolf Prack, Kristina Soderbaum. U · 24 11 t el-, .. ' . .1942

1043 Immensee. P: Ufa. D: Otto Gebuhr, Karl Raddatz K' stina Soderbaum. U: 17. 12. 1943 ' n-

1944 Opfergang. P: Ufa. D: Irene v. Meyendorff, Karl Rad­datz, Kristina Soderbaum. U: 8.12.1944

1945 Kolberg. P: Ufa. D: Horst Caspar, Heinrich George, Kri­stina Soderbaum. U: 30.1.1945

1950/51 Unsterbliche Geliebte. P: Domnick-Filmprod. D: Hans Holt, Kristina Soderbaum. U: 1. 2. 1951

1951 Hanna Ammon. P: Domnick-Filmprod. D: Hans Schom­berg, Kristina Soderbaum. U : 21. 12. 1951

1952.53 Die blaue Stunde. P : Komet-FiIm. D: Hans Nielsen, Kristina SOderbaum. U: 7.1. 1953

1953 Sterne über Colombo. P : Hans Albin-Film. D: Willy 'Birgel, Kristina Soderbaum. U: 7·1. 1954

1953 Die Gefangene des Maharadscha. P : Hans Albin-Film. D: Willy 'Birgel, Kristina Soderbaum. U: 5· 2. 1954

1954 Verrat an Deutschland. P: Divina-Film. D: Valery Inkij­inoff, Paul Müller, Kristina Soderbaum. U: 12.1. 1955

1957 Anders ais du und ich . P: Arca Filmprod. D: Paul Dahlke, Paula Wessely. U : 31. 10. 1957

1958 Liebe kann wie Gift sein. P: Arca Filmprod. D: Willy Birgel, Sabine Sesselmann. U : 23.7.1958

1958 Ich werde dich auf Hiinden tragen. P: Arca Filmprod. D: Hans Holt, Hilde Korber, Hans Nielsen, Kristina Soderbaum. U: 6.11.1958

Personenregister

Abel, Alfred 31

Adenauer, Konrad 234 Albers, Hans 155 f. Alexander der GroBe 97

Alpar, Gitta 85, 216 Alten, Jürgen von 88 Anzengruber, Ludwig 249 Archimedes 281 Arent, Benno von 38, 46 f. Artaxerxes 97

Baarova, Lyda 66 ff., 82 ff., 224

Bab, Julius 16, 21, 250, 253 Bach, Friedemann 220 Bach, J. Sebastian 16, 70 f., 133 Baeck, Leo 230 Baky, Joseph von 155 f. Bartels, Adolf 250 Bassermann, Albert 17 f., 26, 260 Beethoven, Ludwig van 12,

167 f., 177 ff., 176 Benesch, Eduard 84 Berber, Anita 18 Berger, Ludwig 22

Bergner, Elisabeth 120

Bernauer, Agnes 130 ff. Bernhardt, Georg 200

Bernoulli, Karl Albrecht 219 Bethge, Friedrich 40

Bildt, Paul 74, 143, 186 Billinger, Richard 69, 147 ff., 152,

241, 256 Binding, Rudolf '159, 162, 164,

'168, 256

Bismarck, Otto von 41, 43, 97,

144, '161, 250

Bohnen, Michael 69, 7'1 f., 74

Bolvary, Geza von 243 Borgmann, Hans Otto '109, 136

Bêittcher 30 Bouhler 46, 48, 50 Brahm, Otto 18 f. Bramante, Donato 165

Brauer, Max 234 Brauer, Peter Paul 90 ff., 222 f.,

225, 232, 267 Braun, Alfred '101 f., 116, 134,

143, 164 Braun, Hermann 59 Brausewetter, Hans ;2

Brecht, Berthold 217, 257

Breker, Arno 41 Brückner 2'1, 41 Biilow, Bernhard von 250 Burte, Hermann 249 Byck-Marian 109, 225 f., 238

Ca lderon de la Barca, Pedro ;1 Carlyle, Thomas 1;2 Carmi, Maria 80 Carstensen 116, 176 Caruso, Enrico 17 Casals, Pablo 23 Cisar, Gaius Julius 42,97 Caspar, Horst 186, :189, :194 ff.,

205 f. Chamberlain, Austen 220 f. Churchill, Winston 47

Page 151: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

émenceau, Georges :l1 f. orinth, Lovis 18 ourths-Mahler, Hedwig 20

Dagover, Lil 32 , 34

Daladier, Edouard 47 Daluege, Kurt 135 Dammann, Anna 66

Deltgen, René 146 Demandowsky, Ewald von 53,

60, 82, 87 ff., 135 f., 139, 262

Dierks, Edgar 231 DieBI, Gustav 186, 188 f.

Dietl, Eduard 176 Dietrich, Sepp 174 Dinter, Arthur 80 Domin, Friedrich 21 Domnick, Hans 233, 239 Dongen, Fritz van 66 Dürer, Albrecht 156 Durieux, Tilla 18 Dumer, Max 273 Düwell154

Ebbecke, Berthold 222 Ebert, Friedrich 101 Eckart, Dietrich 249 Eckersberg, Else 17 Eggebrecht, Axel 259 Elisabeth L, Konigin v. Engl. 201 Engel, Erich 22, 217 f. Erier, Otto 249 Esra 97 f. Eugen, Prinz von Osterreich 136 Ewers, Hanns Heinz 157

Fe~ling, Jürgen 21 f., 253, 255 Feiler, Herta 159 Fein, Maria 17 f. Feudttwanger, Lion 230 6 f , 2 7 .,

z77f. FiIId<, Wemer 166 f., 269 l1nk=zeller, Heli 32. ..

Fiorentiono, Giovanni 2°4

Fischer, Peter 70

Flickenschildt, Elisabeth 60 Flora th, Albert 106

Forst, Willy 55, 102 f., 229 Freisler, Roland 154, 263 Freud, Sigmund 97

Freytag, Gustav 178, 256 Frick, Wilhelm 27

Friedri<h II. von PreuBen

GroISe) 88, 130, 132 ff., 157 f ., 182, 216, 236, 266

Fried rich Wilhelm III. Preul5en 190

Fritzsche, Hans 174f.

(der

von

Froelich, Carl 55, 58, 134, 142, 144 f ., 156, 166

Frohlich, Gustav 85, 130, 134 f., 143, 216 f., 255

Frowein, Eberhard 88, 180 Funk, Walter 38 f. Furtwangler, Wilhelm 176

Gebühr, Otto 133 f., 138 Gellner 106, 225 George, Heinrich 55, 69, 72. ff.,

91, 102, 106, 119 f., 182, 184, 189,228

Germanowa 18 Gerson, Dora 22 f., 77 Gianini, Dusolina 129 Ginsberg, Ernst 22 Giordano 233 Gneisenau, August von

186,189 f., 194 ff. Goebbels, Helga 140 Goebbels, Josef 5 ff., 10, 12, 2,7 f.,

31, 34, 36 ff., 41, 44, 46, .s, 50 ff., 60 f., 63 ff., 75, 77, 80 ff., 114, 116 f., 119 ff., 11.7, 139' 132 ff., 148 f., 151 ff., ISeff., 167 f., 171 ff., 11\9 ff., 199ff 207 H., 1.15 H., 1.19, 1.2,1, 1.2'

227, 229, 237, 245, 252, 256, 258 ff ., 267, 269 f., 272 f., 276 f.,

279 ff. Goebbels, Magda 66, 68, 82 f.,

85,14° f. Goethe, Johann Wolfgang von

132,155, 167,171

Gold, Kathe 23 Goring, Emmy

s. Sonnemann, Emmy Goring, Hermann 7, 26 f., 30, 91,

129, 219 f., 252, 259 Gottschalk, Joachim 141 ff. Graf, Suse 31 Granach, Alexander 134 Graun, Karl Heinrich 138 Greven, Alfred 90, 222 Grillparzer, Franz 22 Grodtczinsky, Thea 228 Gründgens, Gustav 26 f., 29, 91,

138,219 f., 222, 254, 269 Grünstein 259 Gustav V. von Schweden 179 Gutterer, Leopold 86, 90 f.,

223 ff., 276

Hadamovsky, Eugen 44, 55 Halbe, Max 22, 55, 59 ff., 256 Hamsun, Knut 171 f., 178, 256 Hanuschke 207 Harbou, Thea von 36, 60 Harden, Maximilian 16, 250 Harlan, s. Bienert Harlan, Caspar 212 f. Harlan, Fritz Moritz 17 Harlan, Kristian 6, 9, 81,92, 181,

2°9 Harlan, Maria, s. Korber, Maria Harlan, Peter 16 Harlan, Susanne

s. Korber, Susanne Harlan, Thomas Christoph 6, 9,

81

Harlan, Walter 15 ff., 19, 21, 69, 74, 77 ff., 247 ff., 252, 256, 259, 265

Harnack, Adolf von 15, 248, 250 f., 281

Harris, Frank 202 Hartau, Ludwig 17 Hartmann, Eduard 263 Hauff, Wilhelm 91, 110, 267 f.,

279 Hauptmann, Carl 18 Hauptmann, Gerhart 15,18,35 f.,

41,52 ff., 68, 99, 211, 256

Hebbel, Friedrich 53, 149, 1.56

Hedin, Sven 172f. Heinrichsdorff 181 Hellberg, Ruth 146 Henckels, Paul 69, 74, 143, 186,

228 Henlein, Peter 15, 69, 71 Hermann (Arminius) 30 Herzberg, Guido 253 Herzfeld, Guido 21 HeB, Rudolf 61 ff., 2,60

Heyse, Paul 181 Hielscher, Margot 162 Hilpert, Heinz 21 Himmler, Heinrich 9, 84, 86, 130,

273 Hinkel, Hans 146, 180 f., 194 H.,

2°5 Hinz, Werner 6o, 63 Hippler, Fritz 87 f., 91., 130 ff.,

141, 149, 151 f., 156, 158, 163. 174, 229, 261, 269, 277

Hitler, Adolf 6 ff., 12, 27 f., 30 f •• 37, 40 ff., 56 ff., 61, 63 fo. 67 fo. 82 ff., 95 ff., 109, 114, 117. 123. 130, 134, 136, 140. 154 ffo. 172 ff., 176 ff., 181 fo. 184. 192 f .• 195 ff., 199, 211. 2191., 224, 232, 237. 239. 245, 251, 260, 264f .• 269fo, 277, 2801.

Page 152: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Hoffmann, Heinrim 56 f., 158

H· flim, Lucie 17 Hohst, Hanns 26 Holberg, Ludvig 53 Holder, Erim 159 Homberg, Hans 6 Hoppe, Marianne 49 Horney, Brigitte 146 Hugenberg, Alfred 153, 155 Hynitsm 81

Ibsen, Henrik 18 Ihering, Herbert 202

Jacoby, Georg 159 Jahn, Otto Heinz 136, 139 ff.,

148,153 Jannings, Emil 17, 34 ff., 55, 60,

94, 100, 102 f., 107, 135, 203,

259 Jannings (Frau von Emil) 102 Jannings, Ruth 102 Jessner, Leopold 22, 26, 104 f.,

252f·

Kaas, Ludwig 165 Kainz, Josef 15, 17, 248 Kâlmân, Emmerim 18 Kannenberg 56 Kant, Immanuel 133 Karl Alexander, Herzog von

Württemberg 109 Karl V. von DeutsrnIand 96 Karl der GroBe 96, 184 Kastner, Erim 87, 155 f. Katharina II. von RuBland 137 Katsmalow 18 KayBler, Friedrim 17, 21, 23, 253 Kerr, Alfred 20, 23, 77, 99, 134,

:z.oo Kiaulehn, Walter 236 Kiekebusm 71 f. KiIch, Erwin 2.1

Klimsm, Fritz 18, 49 f. Klinger, Paul 146 f., 159 Klitzsm, Ludwig 32 f., 153 ff.,

254 Klopfer, Eugen 60, 63, 91, 94,

102, 106, 125, 1.42, 1.47, 149.,

238

Knauff 127, 129 Knipper-Tsmemowa 18 Knobelsdorff, Georg Wenzeslaus

von 133 Knuth, Gustav 75 f., 146 Kolbe, Georg 18 Korber, Christa Susanne 6, 9, 81 Korber, Hilde 6, 23, 32, 66 f.,

83 f., 93 Korber, Maria Christiane 6, 9,

76,81 Koner, Hermine 17 f. Korner, Theodor 190 Kortner, Fritz 26, 77, 93, 217 Kramer 215, 226 f., 232, 235, 237 Kraus, Herbert 235 Kraus, Werner 12 f" 1.7, 22, 91 ,

94,100,103 ff., 109, 115, 117 f., 120 f., 127, 133 f., 168, 172, 196

Krismanowskaja 18 Krupp, Friedrim 35 Kühne, Friedrim 194, 197 ff. Kühne, Loui 197 ff.

Landrod<, Maria 75 Lasker-Smüler, Else 18 Laternser, Hans 239 Laubinger, Otto 26 Leander, Zarah 57, 59 Legal, Ernst 36, 69, 74 Lehmann, Hans 31, 55, 60 Lenbam, Franz von 144 Lenin, Wladimir 134 Leonidas 190 Leopold I. von Anhalt-Dessau

(Der alte Dessauer) 91, 103

Leopold, Heinz 229 ff. , 273, 279 Lessing, Gotthold Ephraim 276

Ley, Lore 155 Ley, Robert 155 Liebeneiner, Wolfgang 117, 146,

154 ff., 163, 193, 228, 278

Lieven, Albert 31 Lindemann, Gustav 27 Linke, Paul 46 Lloyd, Frank 200 Loos, Theodor 106 Loose, Christa 169 Lopez 201 Ludwig XIV. von Frankreim 156

Luise, Konigin v. PreuBen 184, 189 Lukadou 184, 189 Lüth, Erim 275 Luther, Martin 98, 110 f., 183,

194 Lutze, Viktor 95, 156 ff. Lützkendorff, Felix 175

Mamiavelli, Niccolo 270 Mad<, Max 20 f. Mann, Thomas 132 f., 154, 260 Mannheim, Lucie 22 Manstein (Fritz Erim v. Lewln­

ski) 10 Marian, Ferdinand 91, 103,

106 ff., 112, 114 f., 117 f., 123 ff., 129,155, 217 f., 221, 225, 228

Marlowe, Christopher 201 Massary, Fritzi 18 Meir, Golda 278 Meisel, Kurt 147, 149, 186, 199 MeiBner, Otto 31 Mendelssohn, Francesko von 23,

80,93, 217 Menzel, Adolf von 133 Menzel, Gerhard 138 f. Metzger, Ludwig 89 ff., 222, 232 Meydamm 32 f. Meyendorff, Irene von 189

Meyer-Hanno, Hans 121, 143,

186, 194, 199 Mimelangelo 165 Minetti, Bernhard 74 Moissi, Alexander 17 f., 20, 250 Moller, Eberhard Wolfgang 90 f.,

95,127, 222, 232, 236

Moser, Hans 32 Moskwin 18 Mosse, Rudolf 200 Mozart, Wolfgang Amadeus 49 Müller 176 f. Mummenthey 236 Münchhausen, Karl Friedrim 155 Murnau, Friedr. Wilhelm 23, 66

Mussolini Benito 7, 42, 56, 139,

152 ,200

Müthe!, Lothar 26

Napoleon Bonaparte 96 f., 182, 184, 186, 188 ff.

Naumann, Friedrim16, 249 f. Nehemia 98 Nettelbed<, Joachim 181 f., 184,

186, 189, 194 Niehoff, Karena 232, 234 Niemoller, Martin 194, 277 Nietzsme, Friedrim 48, 182, 209,

263 Noad<, Reinhard W. 263 Noak, Jeanette 266

olde, Emil 87 Novarro, Ramon 23

Okuhn, Sonja 218 Orlik, Emil 18 Orska, Maria 17 f. Ortner, Eugen 23 Otto, Hans 26

Paiser, Walter 273 Pallenberg, Max 17 If., 250 Parbel88

Page 153: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Paulsen, Harald 46

Pesne., Antoine 133

Petersen, Peter 32

Philipp II. von Spanien 247

Pilsudski, Josef 48

Piscator, Erwin 22, 134, 253

Pius XII. 165 Plauen, O. E. 1 29 Pohl, Oswald 236

Porten, Henny 31

Prack, Rudolf 147

Prinz, Joachim 274 puttkamer, Friedrich Karl von

122 f., 169 f.

Quandt, Harald 1 40

Raddatz, Carl 159, 162

Raether, Arnold 36f., 259

Rathenau, Walter 15, 46 f., 236,

248, 250

Rauch, Christian 88, 133 Rehberg, Hans 138 Reichmeister, von 88

Reinhardt, Max 17 ff., 80, 147,

25° Reisinger 202

Respighi, Ottorino 23

Richard, Frieda 147, 197 Richter, Rotraut 31

Rickert 178 f. Riefenstahl, Leni 158 Ritterfeld, Ernst 20

Rittner, Rudolf 17, 22

Rohm, Ernst 156, 258

Rokk, Marika 141 f., 159 Roosevelt, Franklin D. 48 Rosar, Annie 147 Rosay, Françoise ;2, 59 Rothe, Hans 64

RothadUld, Salomon 90 R\ihmann, Heinz 159 Ruat, Bernhard In

Saager, Irene 1 21 , 199, 265 f. Sachs, Hans 22, 69

Sandrock, Adele 21, 253

Schaljapin, Fjodor 17

Scharnhorst, Gerhard von 88

Schaub , Julius 41 , 57

SchaufuB, Hans Hermann 147, 218

Schellhorn 59

Schill, Ferdinand 188f.

von 184, 186 ,

Schiller, Friedrich von 102, 119,

132

Schinkel, Karl-Friedrich 88,108

Schirach, Baldur von 41

Schlage, Lu 215

Schlegel, Friedrich von 202 f. Schleif, W olfgang 186

Scholz, Hans 273

Schënhals, Albrecht 32

Schënherr, Karl 249

Schënicke, Eduard 147

Schreiner, Lieselotte 147

Schulte, Norbert 190

Schulz 156 Shakespeare, William 22, 53,

108, 161, 191, 199 ff., 214, 256,

27° Slevogt, Max 18 Smetana, Friedrich 147 f. Sëderbaum, Henrik 179 Sëderbaum, Kristina 5 f., 9, 22,

46, 48, 59 f., 63 f., 66 f., 69, 73 ff., 81, 84, 92, 94, 100 f., 122 f., 125, 130, 132, 134 f., 140,

144, 146 ff., 152, 159 ff., 168 f" 171 , 173 ff., 178 ff., 185 f., 189,

191 , 196, 199, 109 f., 212, ZI4-

226 ff., 239, 241 ff., 245, Z ... '

252, 258, 269, 274, 276, zaz Sokrates 81 Sonnemann, Emmy 26

Sophokles 33

Sorge 244 Spengler, Oswald 27

Sperber 187 Stalin, Josef 10 f., 47 f., 95 , 154

Stammler, Rudolf 110 Stan islawsky, Konstantin 18, 117

Stapel, Wilhelm 281

Steiner, Rudolf 15 Steinrück, Albert 18, 22

Storm, Theodor 159, 256

StoB, Veit 70 Streicher, Julius 64 f., 69 ff., 93,

267, 277 Streicher (Frau von Julius) 72

Strindberg, August 18

Stuart, Maria 18 Sudermann, Hermann 65, 256 Siill-Oppenheimer, Joseph 6, 89,

91,94 ff., 100, 102 f., 105, 107 ff., 112 ff., 118 f., 122, 125 ff., 129 f., 132, 171, 178, 196, 215, 217, 219 ff., 225, 228 ff., 235 f., 238,263, 266 ff., 276, 278 ff.

Tagore, Rabindranath 17 Tauber, Richard 216

Teichs, Alf 89 f., 222f.

Thomson 171 Tieck, Ludwig 202 f. Tiedtke, Jakob 46, 51, 74 ff. Todt, Fritz 197

Tolstoi, Leo ;2 f., 254, 256 Treitschke, Heinrich von 250 f. Tschechow, Anton 18

Tschermitschew 1;7 f. Tyrolf 218 f., 224 f., 227 f., 230 f.,

233, 265 f.

Uhlen, Gisela 59

Uhlenbruck 218 Ulbrich 26 Ullstein 200

Veidt, Conrad 96, 267, 279 Virchow, Rudolf 250 Vollmëller, Karl 80

Volpi, Conte 152

Voltaire, François Marie Arouet de 133

Wachsmuth-Harlan, Günter 15 f. Wachtangoff, Jewgeni 116

Wagner 94 Wallenstein 22, 104, 132 Wandschneider 215, 266

Wassmann, Hans 17, 19 Wedekind, Frank 21, 162

Wegener, Paul 17 f., 6g, 74,137 f., 157,186, 189

WeiB Ferdl 31 Werner, Anton von 135

Wernicke, Otto 90, 143, 186

Wessel, Horst 74, 157 f., 176

Wieman, Mathias 22

Wildenbruch, Ernst von 249 Wilhelm 1. 161 Wilhelm n. 20, 140, 251

Winkler, Max 223 Winterstein, Eduard von 31, 66,

74 Witt, Georg 32 Wlassow, Andrej 188 Wolff, Theodor 200 f. Wollheim, Norbert Z73

Ziegler, Hans Severus 2.49 Ziethen, Hans-Joachim 139 Zippel2:l5

Page 154: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Quellennachweis für die Faksimiles

Kristina Sëderbaum, Degerndorf/Obb.: Briefe von Caspar, Goebbels, Hippler, Kühne; Tagebuchseite; Theaterzettel für »Der Marquis von

Keith,,; Widmung Walter Harlans.

Joseph Wulf, Berlin: Anzeigen für »Jud SülS,,; Briefe von Heinrichs­dorff, Himmler, Hinkel und über »Die Goldene Stadt«. Auf sein Buch » Theater und Film im Dritten Reich, eine Dokumentationc , er­schienen im gleichen Verlag, sei in diesem Zusammenhang ausdrü!X­lich hingewiesen.

Quellennachweis für die Bildtafeln

Atlas-Film, Duisburg: 10 a; dpa, Frankfurt/Main: 11 a, 11 C-12 a, 13 b; Kristina Sëderbaum, Degerndorf/Obb.: 1 a-4 a, 7 C, 8 C, 11 b, 12C.

15 a-16; Süddeutscher Verlag, München: 5 a--7 a, 8 a-a b, 9 a-9 b, 13 a; Ullstein Berlin: 4 b, 7 b. 10 b, 12 b, 14 a-14 b

Page 155: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

Inhalt

Eltern und Geschwister 15 Theater in Berlin 17 Bühnenschauspieler und Theaterregisseur 22

Der Nationalsozialismus dringt vor 26

Der Beginn ais Regisseur 29 »Die Kreutzersonate« nach Tolstoi 32

»Der Herrscher« mit Emil J annings 34 Erste personliche Begegnung mit Hitler 40

Hitlers Suggestivkraft 46

Goebbels und Gerhart Hauptmann 52 Die eigene Produktionsfirma scheitert 55 »Jugend« nach Max Halbe 59 Julius Streicher und» Verwehte Spuren« 64 "Die Reise nach Tilsit« nach Sudermann 65 "Das unsterbliche Herz« und noch einmal Julius Streicher 6q

»Pedro 5011 hiingen« 75 Die Baarova-AfHire 82 Goebbels' Filmpolitik 86 Die Vorgeschichte von »Jud Siill« Sc}

War Moses ein Jude? 96

Der Film »Jud SüB« wird besetzt 100

Werner KrauB 1°3 Ferdinand Marian 106 »Jud SüB« in der Geschichte und im Film 109 Die Juden in »Jud SüB« 115 Heinrich George 119 Goebbels explodiert 111

»Jud SüB« wird geandert 1a, »Der groBe Kënig« wird verboten, dann geandert 13' Goebbels im Familienkreis 139 Der FaU» Joachim Gottsdtalk« 141

Page 156: Veit Harlan-Im Schatten Meiner Filme (1966)

»Die goldene Stadt« nach Richard Billinger Durchbruch des deutschen Farbfilms

Als Produktionschef abgesetzt, aber zum Professor erhob en 153 Der SA-Film 6 »Immensee« und »Opfergang« 15 Erlebnisse waruend der Dreharbeiten 158 165 Bombennachte in Berlin Schweden, Hamsun, Narvik Kristina Soderbaum contra Goebbels Der Narvik-Film Kristina Soderbaum wird wieder Schwedin

»Kolberg« »Kolberg« wird geandert Horst Caspar, Fritz Kühne und Meyer-Hanno »Der KaufmaIb"1. von Venedig« nach Shakespeare Die letzte Unterredung mit Goebbels Das Kriegsende Schikanen Entnazifizierung und Anklage Der erste SchwurgerichtsprozelS Die Aussage von Griindgens Wer war der Urheber von »Jud SüB«? Weitere Aussagen Tumulte irn Gericht Der zweite SchwurgerichtsprozelS Nachkriegsfilme und Krawalle Nachwort Der Vater Walter Harlan Der Beginn der Laufbahn Veit Harlan aIs Regisseur und Filmautor Veit Harlan und Josef Goebbels Die zweideutige Haltung Veit Harlans Der Stoff des» Jud SüB« Objektivitat und Wirkung des Films »Jud SülS« Harlans weitere Filme Zur Selbstbiographie Filme von Veit Harlan Register

169

175

180 192 194 199 2°7 209 211

213 216

21 9 222 225 232

236

238 247 247 252 255 258 262 267 269 280

282 28'5 285