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JOURNAL FUR ORNITHOLOGIE Band 101 1960 Nr. 3 Aus der Staatlichen Vogelschutzwarte fiir Baden-Wfirttemberg, Ludwigsburg Vergleizhende Studien fiber Brutbiologie und Verhalten der Kleiber Sirra whiteheadi Sharpe und Sitta canadensis L.'} Von Hans LShrl Herrn Prof Dr. Erwin Stresemann zum 70. Geburtstag gewidmet Einleitung Zur Gattung Sitta geh6rt eine holarktische Gruppe eng miteinander verwand- ler Arten, die man nach der zuerst beschriebenen Spezies als canadensis-Gruppe bezeiehnet. Sie hat eine sehr disjunkte Verbreitung, und einige hierher gehSrige Fonnen bewohnen, wohl als Relikte aus dem Sp~t-Terti~r, weir abgesehieden von allen anderen ein eng begrenztes Gebiet. Sic sind Nahrungs-Spezialisten, die sich, soweit bekannt, in der kalten Jahreszeit von den Samen bestimmter Koni- ferenarten n~hren. In Korsika lebt Sitta whiteheadi, ihr ~ihnlieh sind die ost- und sfidost-asiati- s(~en Arten Sitta villosa und Sitta leucop:sis in West- und Nord-China, in Y/innan Sitta yunnanensis, sowie die kleinasiatisehe Art sirra kriiperi, vor den anderen ausgezeiehnet durch ein rostfarbenes Brustband. Das grSl3te zusammen- hiingende Verbreitungsgebiet hat die nordamerikanisehe Form Sitta canadensis. Man hat auf versehiedenste Weise versueht, einerseits die Kliiftung, anderer- seits aber aueh die Einheitliehkeit der canadensis-Gruppe dureh die wissen- sehaftliehe Benennung der Formen auszudrticken. HAI~TERT (1910/22) hat sie allesamt zu einer Spezies, sirra canadensis, zusammengefal}t und ihnen den Rang von Subspezies erteilt. KLEINSenMIDT(1933) stellte S. whiteheadi, S. vil- losa und canadensis zu einem ,,Formenkreis" zusammen. Die ZugehiSrigkeit von kriiperi und yunnanensis ersehien ihm fraglieh. DE~aENT~EV (1951--1954) hat sieh an HARTERTS Nomenklatur gehalten. VAUalE (1959) dagegen zerlegt diese Gruppe in 6 Arten: yunnanensis, leucopsis, villosa, kriiperi, whiteheadi und canadensis, zum Teil dabei beeinflugt durch meine brieflichen und miindliehen Mitteilungen. Das Urteil der Systematiker konnte sieh bisher fast nur auf den Vergleieh yon Biilgen stiitzen; fiber die Lebensweise der meisten dieser Formen wuBte man nut sehr wenig. *) Mit Unterstiitzung der Deutseherl Forschungsgemeinsehaft

Vergleichende Studien über Brutbiologie und Verhalten der KleiberSitta whiteheadi Sharpe undSitta canadensis L

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JOURNAL FUR

ORNITHOLOGIE

Band 101 1960 Nr . 3

Aus der Staatlichen Vogelschutzwarte fiir Baden-Wfirttemberg, Ludwigsburg

Vergleizhende Studien fiber Brutbiologie und Verhalten der Kleiber Sirra w h i t e h e a d i Sharpe und S i t t a c a n a d e n s i s L . ' }

Von Hans LShrl

Herrn Prof Dr. Erwin Stresemann zum 70. Geburtstag gewidmet

Einleitung Zur Gattung Sitta geh6rt eine holarktische Gruppe eng miteinander verwand-

ler Arten, die man nach der zuerst beschriebenen Spezies als canadensis-Gruppe bezeiehnet. Sie hat eine sehr disjunkte Verbreitung, und einige hierher gehSrige Fonnen bewohnen, wohl als Relikte aus dem Sp~t-Terti~r, weir abgesehieden von allen anderen ein eng begrenztes Gebiet. Sic sind Nahrungs-Spezialisten, die sich, soweit bekannt, in der kalten Jahreszeit von den Samen bestimmter Koni- ferenarten n~hren.

In Korsika lebt Sitta whiteheadi, ihr ~ihnlieh sind die ost- und sfidost-asiati- s(~en Arten Sitta villosa und Sitta leucop:sis in West- und Nord-China, in Y/innan Sitta yunnanensis, sowie die kleinasiatisehe Art sirra kriiperi, vor den anderen ausgezeiehnet durch ein rostfarbenes Brustband. Das grSl3te zusammen- hiingende Verbreitungsgebiet hat die nordamerikanisehe Form Sitta canadensis.

Man hat auf versehiedenste Weise versueht, einerseits die Kliiftung, anderer- seits aber aueh die Einheitliehkeit der canadensis-Gruppe dureh die wissen- sehaftliehe Benennung der Formen auszudrticken. HAI~TERT (1910/22) hat sie allesamt zu einer Spezies, sirra canadensis, zusammengefal}t und ihnen den Rang von Subspezies erteilt. KLEINSenMIDT (1933) stellte S. whiteheadi, S. vil- losa und canadensis zu einem ,,Formenkreis" zusammen. Die ZugehiSrigkeit von kriiperi und yunnanensis ersehien ihm fraglieh. DE~aENT~EV (1951--1954) hat sieh an HARTERTS Nomenklatur gehalten. VAUalE (1959) dagegen zerlegt diese Gruppe in 6 Arten: yunnanensis, leucopsis, villosa, kriiperi, whiteheadi und canadensis, zum Teil dabei beeinflugt durch meine brieflichen und miindliehen Mitteilungen.

Das Urteil der Systematiker konnte sieh bisher fast nur auf den Vergleieh yon Biilgen stiitzen; fiber die Lebensweise der meisten dieser Formen wuBte man nut sehr wenig.

*) Mit Unterstiitzung der Deutseherl Forschungsgemeinsehaft

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Das hat reich zu genaueren Verhaltensstudien an zwei AngehSrigen de r cana- densis-Gruppe verlockt und mich veranlal]t, sie nicht nur im Freien, sondern aueh in Gefangenschaft zu studieren, um mSglichst viele Vergleiehspunkte zu ge- winnen. Ieh begann mit Sitta whiteheadi; nachdem ich deren Verhalten genau kennen gelernt hatte, beschi~ftigte ich mich mit sirra canadensis.

Meine Reisen nach Korsika erfuhren die wohlwolIende Unterstiitzung der Herren Prof. J. BERLIOZ, Paris und M. J. GroAN, Versailles. Die Firma Lufft, Stuttgart stellte fiir die Arbeiten auf Korsika freundlieherweise eincn ausgezeichneten HShenmesser zur Verfii- gung.

Der Initiative von Prof. ERNST MAYR verdanke ieh es, dab ich eine Einladung naeh den USA erhielt, wo ich durch die Massachusetts Audubon-Society und Prof. WILLIAM DRURY jr. groflzfigig unterstfitzt wurde. Prof. MAYRS Landsitz in New Hampshire wurde zum Ausgangspunkt meiner Freiland-Untersuchungen an Sirra canadensis.

Herrn Prof. E. STRESEMANN danke ich fiir die kritische Durehsicht dieser Abhandlung. Die Anfertigung der Klangspektrogramme verdanke ich Herrn Dr. THIELCKE, Freiburg.

Die Aufzucht und Haltung der V5gel in der Wohnung w~ire ohne die dauernde Ffirsorge meiner Frau nicht mSglich gewesen.

M e t h o d e

Beide Kleiberarten habe ieh wghrend der Brutzeit im Freiland beobachtet. Nach Korsika fiihrten reich drei Reisen: bei der ersten (vom 6 .4 . - -23 .4 . 1956) begleiteten mich meine Frau und Dr. RUDOLF BSHRINGER. Am 3. 6. 1956 war ich allein auf der Insel, um JungvSgel zur Aufzucht zu holen. Erggnzende Beobach- tungen fiihrten wir vom 19.--24.5. 1959 auf Korsika durch. Wir haben sirra whiteheadi auf dieser Insel an 17 Tagen rund 127 Stunden lang beobachtet, die Erkundungsgiinge nicht mitgerechnet.

Sitta canadensis konnte ich bei Wilton im Staat New Hampshire, UJSA, vom 17 .4 . - -21 .5 . 1957 an 21 Tagen rund 66,5 Stunden lang am Nest und in Nest- n~ihe studieren.

VSgel beider Arten haben wir jung aufgezogen und jahrelang im Zimmer, teil- weise auch im Flugkgfig gehalten. Die beigefiigten Aufnahmen stammen durch- weg von diesen zahmen ZimmervSgeln. Dasselbe gilt fiir die Klangspektro- gramme mit Ausnahme der Abb. B 3.

M o r p h o l o g i s e h e K e n n z e i c h e n

HARTERT (1910) hat beide Formen (.die amerikanische in einer FuBnote) aus- ffihrlich beschrieben. Die Abbildung yon Sitta whiteheadi in PETERSON (1954) ist falsch; als Vorlage hat dem Maler anscheinend Sitta canadenzis gedient; da- her hat er die Unterseite rStlich getSnt, sie ist aber bei S. whiteheadi ,,schmutzig- gr~ulich-rahmfarben" (HARTERT) bzw. ,,triib-weil~lich-rahmfarben" (KLEIN- SCHMIDT). Beide Arten unterseheiden sich ferner d~durch, dab der schwarze Augenstreif bei S. whiteheadi nicht so auff~illig ist wie bei S. canadensis und der Schnabel bei jener wesentlich l~nger als bei dieser.

Der Gr5Benunterschied zwischen S. whiteheadi und S. canadensis wlrd in keiner Beschreibung erw~ihnt. S. canadensis hat relativ l~ngere Fliigel als

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Abb. 1. Korsische KJeiber, re.&ts (5, links 9.

S. whiteheadi. Lebende VSgel beider Arten haben zwar ungefiihr die gleiehe Flfigelli~nge, aber ihre K6rpergrSBe ist verschieden. Das geht k la r aus dem Ge- wieht hervor. Meine gekiifigten sirra whiteheadi wogen im Herbs t von 12,1 bis 12,5 g, im Winter und Fr i ih jahr yon 13,2--13,5 g. Sie waren dabei niemals fet t und durf ten stets frei im Zimmer umherfliegen. Sitta canade~sis dagegen wog zwischen 10,35 und l l , 1 g.

I. S l t t a w h i t e h e a d i S h a r p e , K o r s i s c h e r K l e i b e r Bewegungsweisen

Verschiedene Beobachter, von WttITEHEAD (1885) bis zu SPITZENBERGER und STEINER (1959), habcn betont, daf.~ sieh Sitta whiteheadi wesentlich meisenar t iger benehme als sirra europaea, an den Enden yon Zweigspitzen oder an Kiefern- zapfen h~nge und wenig an den Stgmmen kletterc. Meine ersten Eindriieke im

Freien waren nicht anders. So fiel mir auf, dab die VSgel, wenn sie naeh oben strebten, nieht wie S. europaea klet terten, sondern von Asts tummel zu As ts tum- mel flatterten. Die Kiefernzapfen, denen sie die Samen entnahmen, wurden stets fliegend erreicht, lmmer sah ich die VSgel am Stature hiiufiger abw~irts- als auf- wgrts klet tern -- au('h beirn AufwSrtskle t tern hingen sie schrgger als S. europaea,

und im allgemeinen ging es in einem Winkel yon etwa 45 ° nach unten. Steileres Abw~irtsklettern bremsten sie oft mit den Fiigeln ab. Es fiel mi r ~ber dabei auf, dab ihnen die Kiefernr inde wenig l l a l t bot und h~iufig wghrend der Klet ter- bewegung abblat ter te .

Es lag nahe, daraus zu folgern, daub dieser Kleiber eine geringe Klet terfShig- keit besitze. Auch iSPITZENBERGER und STEINER ver t ra ten diese Ans i&t , denn sie schreiben: ,,Der Vogel k le t te r t selten am Stamm der B5ume, bevorzugt es, die mehr oder minder waagrechten Aste zu untersuchen . . . auch scheint er rela.tiv l~ingere Beine zu besi tzen als S. europaea, zeigt sich im Gesamteindruek bedeu-

tend meisenar t iger ."

1"

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Nach ,der Aufzucht der jungen Korsischen Kleiber ergab sich jedoch, dab s ie keineswegs schlechter, sondern eher besser kletterten als S. europaea. Sobald der Vogel Baumstiimme mit fester Borke erh~lt, klettert er ausgezeichnet und aus- giebig. Im Flugk~fig, der mit vielen Stiimmen ausgestattet ist, benimmt er sich durchaus kleiberartig, und ein Vergleich mit Meisen kiime einem nicht mehr in den Sinn. S. whiteheadi fliegt wesentlich h~ufiger auf als S. europaea und liebt es, sieh kopfiiber nach unten anzuhiingen. Besonders auffallend ist, dab der Vogel zum Putzen des Gefieders einen horizontalen Ast bevorzugt, an dem er sieh nach unten h~ngt, wobei sich die Federn lockern. In dieser Lage kratzt er sich aueh noch mit einem FuI3 am Kopf, hiingt dabei also nur an einem Bein. Die im Zimmer frei fliegenden Korsenkleiber beniitzen zum Putzen gem eine St ehlampe, ,die an der Unterseite einen seidenen Bezug hat, an dem sie sich ganz besonders bequem anh~ngen kSnnen. ,Derart,iges sah ich nie bei S. europaea, die zwar auch nach unten h~ingend klettern kann, eine solehe Stellung aber nicht be- vorzugt.

Die Technik des Kletterns gleieht derjenigen von S. europaea (LSHRL 1958). Wie diese Art, so h~ngt auch S. whiteheadi, wenn Gefahr droht, abflugbereit nach aul3en, doch erstarrt sie bei Raubvogelalarm nicht so auffallend wie europaea. Bei ernster oder eingebildeter Bedrohung sucht der Korsisehe Kleiber unter Aus- stol3en des Warnrufes einen geschiitzten Ort auf. Wenn meine am Fensterrahmen hiingenden Korsenkleiber plStzlich einen Sperber sahen, flogen sie blitzschnell in eine Deckung -- nnter einen Stnhl, Tisch oder, wie dies einmal beim ~ ge- schah, an die Unterseite meines Armes, als ich lesend auf dem Stuhl sal3. Dieses Verhalten beniitzte ich zu einem Experiment: Der Vogel hing vSllig unbeweglieh, worauf ich ihm die ,Deckung entzog, niimlich das ,Sehatten spendende Buch ent- fernte und den Arm hochhob. Sofort suchte der Vogel aufs nene Deckung unter meinem Oberarm. Hier durfte ich mit der anderen Hand sein Rfickengefieder beriihren, was er sonst nicht zuliel]. Nun schfittelte ich ihn giinzlich ab, in der Annahme, auf diese Weise die Erstarrung 15sen zu kSnnen. Er flog jedoch unter den Tisch und hiingte sich am inneren Rand des Tischtuchs an, wo er weitere Minuten bewegungslos verblieb.

Der Vorgang zeigt, dab die Blockierung der Bewegungen nach dem Anblick eines Raubvogels nieht einmalig ist, d. h. daI3 sie nach einer erzwungenen Orts- veriinderung nicht gelSst wird, sondern erneut eintritt. Die Erstarrung entspricht offenbar einem hohen Erregungsgrad, der umso l~nger anh~lt, je wirkungsvoller die AuslSsung erfolgte.

Ebenso wie S. europaea legen Korsische Kleiber tagsfiber regelm/il]ig Ruhe- pausen ein, wobei sie minutenlang still sitzen und anschliel]end h/~ufig Gefieder- pflege treiben. Das Kopfkratzen erfolgt meist in normaler Weise ,,hintenherum". Doch habe ich schon kurz erwiihnt (LSHRL 1~58), dab S. whiteheadi gelegent~ich unvermittelt ,,vorneherum" kratzen kann -- und zwar sowohl der junge wie der Altvogel --, wenn etwas am Unterschnabel h~ngt.

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Mein Versueh, dieses fiir einen Singvogel aul~ergewShnliche ,Gebaren experi- mentell auszulSsen, ist leider mil]lungen. Am Unterschnabel angeklebte Stiickchen eines Leukoplast-Pflasters ha.t der Versuchs~ogel stets ohne diese Kratzmethode zu beseitigen vermoeht. Das Protokoll veto 12. 1. 1958 lautet:

Heute abend klebe ich dem Korsen-~ ein Stiiekchen Leukoplast an die Spitze des Untersehnabels. Er wischt sehr intensiv, sucht dabei sofort die rauhesten Stcllen auf, und als er nach endlosem Wischen noch keinerlei Erfolg bemcrkt, bcniitzt er enge Spalten und benimmt sich durchaus ,,einsichtig": er zieht n~imlieh jetzt den Sehnabel aus dem Spa.It heraus, stark gegen die Unterlage gcpreBt. Trotzdem bleibt das Pflgsterchen hartnii('kig hiingcn. Aber cs wird offenkundig la.ngsam nach unten geschoben. Bei den Versuchel~ gergt er mehrma.ls - - ob zufifllig oder absichtlich, bleibt dahingestellt - - an seine Ffil]e und zieht den Sehnabel an den Krallen vorbei. Leider beniitzt er hie die FiiBe, um damit zu kratzen.

Soziales Verhalten Die Korsischen Kleiber sind sozialer als S. europaea. Obwohl n u r wenige Be-

obaehtungen aus dem Winterha lb jahr vorlicgen IS. 250), kann man annehmen, daB sie in dieser Zeit, wohl vermischt mit Tannenmeisen, umherstreifen. Ob dies nur JungvSgel tun, oder ob aueh Brutpaare ihr Terr i tor ium verlassen, ist un-

geklgrt.

Wi t trafen noeh am 10.4. 1956 im Restoniea-Tal mindestens drei Kleiber an, die zusammen mit Tannenmeisen naeh Nahrung suchten und sieh nicht belgstigten, obwohl sich in derselben Zeit Reviernachbarn sehon Kiimpfe lieferten. Offenbar war dies ein (]bergang zwisehen dem sozialen Zusammenleben und der Revieeverteidi- gung. Auch WttITEIIEAD beriehtet, dab er (off enkundig in groBer iIShe) am 10. oder 11. Mai 1884 noeh einen Flug yon Kleibern antraf, yon dem er drei erlegte.

In der eigentli(hen Brutzeit findet man stets das PaRr beisammen. Dieses hglt nieht ganz so eng zusammen wie bei S. europaea. Freilich ersehwert es die Ver- gcsellschaftung mit Tannenmeisen dem Beobaehter, die Kleiber unter den dauernd bin- und herfliegenden KleinvSgeln im Auge zu behalten. Da in den Friihjahrs- woehen iiberall Bgche veto ,gebirge Korsikas herniederstiirzen, deteR Rauschen alle Vogelrufe weitgehend vers,chluekt, mag die St immfiihlung der Ehepar tner bei S. whiteheadi hSufiger verloren gehen als bei S. europaea.

Im Gegensatz zu Sitta pygn~aea und Sirra pusilla (NORRIS, 1958) pflegt bci S. whiteheadi das PaRr nicht gemeinsam in der HShle zu n~iehtigen. Offenbar sind jene Arten sozialer. Auch haben wir in der Briitezeit keine Anzeichen von Dreier- gemeinschaften gefunden (vgl. NORRIS).

Das soziale Verhalten von S. whiteheadi fSllt besonders bei aufgezogenen VS- geln auf. Solange sic nieht selbstSndig sind, haben sie, wie Grt~smiicken, Laub- sSnger oder Sehwanzmeisen, das Bestreben, zusammengeriickt zu sitzen (Abb. 11). S. euroT~.aea dagegen wehrt schon in diesem Alter jede AnnSherung ab:

Als sieh 1957 ein sozial veranlagter Jungvogel einer anderen Art einem jungen M~nn- chen von S. europaea, das noch nicht selbstSndig fressen konnte, wiederholt zu niihern suchte, wurde er yon diesem angegriffen, so dab beide yon ihrem Sitz herunterfielen.

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Nach dem Selbstgndigwerden iibertragen die zahmen Korsischen Kleiber ihr AnschluBbedfirfnis auch auf den Menschen und bleiben vollkommen zahm, im Gegensatz zu allen solit~ir lebenden, unter denselben Bedingungen handaufgezoge- nen Vogelarten.

Vorkommen und Biotop Der erst 1884 entde&te Korsische Kleiber lebt ausschlieglich in den schwer zu-

g~ingliehen Gebirgsw~ildern Korsikas. Sein Vorkommen beschr/inkt sieh dort auf die Bestgnde der Laricio-Kiefer (Lgrchen-Kiefer), einer Form, die heute yon

Abb. 2. Biotop yon Sirra whiteheadi bt~i Vizzavona.

manchen Systematikern als Rasse der Schwarzkiefer betrachtet wird und oberhalb yon etwa 700 m w~ichst. In dichten Pinus laricio-Best~nden fehlt dieser Kleiber ganz oder er ist darin sehr selten. Er bevorzugt aufgelockerte Bewaldung, wie sie vor allem dort zu finden ist, wo Felsbl5cke einen dichten BaumsehluI] verhindern. In den unteren Berglagen, in denen die langnadeligen und groBzapfigen Strand~ f5hren (Pinus maritima) wachsen, fehlt er zur Brutzeit v511ig. Nur im Winter- halbjahr scheinen die Kleiber (mi~destens teilweise) niedrigere Lagen und auch ~ndere Biotope aufzusuchen. PAYN (1927) hat den Korsenkleiber im Winter bei Piana nahe der Westkiiste gefunden, und am 18. 1. 1930 auf Korkeichen ,,bei Corte" (wahrscheinlich sfid-5stlich dieser St~dt im Tavignanotal). ~Die Angabe HART~RTS, die BruthShlen befii, nden sich in Kiefern- und L~rchenst~mmen, beruht auf der irrtiimlichen Auslegung der Bezeichnung ,,L~rchen-Kiefer". L~rchen gibt es auf Korsika nicht.

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Zur Frage der Bindung des Korsischen Kleibers an die Kiefer kann ich folgendes bei- tragen: Ira Dezember 1956 stellte ich einem isoliert gehaltenen ~ einen Kiefernwipfel yon der GrSl]e eines etwa 2 Meter hohen Weihnachtsbaumes ins Zimmer. Dieser Vogel flog tiiglich stundenlang frei im Zimmer, ffirchtete jedoch wochenlang den Baum, obwohl er ihn vom K~fig aus dauernd sehen konnte, und obwohl er in vielen Vorversuchen Kiefernzapfen kennengelcrnt hatte. Als er, auf meinem Armel sitzend, yon mir dem Sta.mm des B~umchens geniihert wurde, hfipfte er ffir wenige Sekunden hiniiber, sprang dann aber sofort wieder auf meinen Arm zuriick. Ahnliches zeigt sich allj~hrlich bei seinen beiden Geschwistern, wenn der Weihnachtsbaum im Zimmer steht: Obwohl die Korsen- kleiber alle Einrichtungsgegenst:~nde des Zimmers, auch wenn sie ihnen neu sind, ohne weiteres befliegen und untersuchen, meiden sie hartn~ckig den Nadelbaum, w~hrend sie ein neu eingebrachtes Stammstfick sofort anfliegen und daran herumkle t te rn . .

Dic Bindung diescr Kleiberart an die ~iul~eren Zweige der Kiefern hiingt wohl im wesentlichen mit dem Sitz der nahrungsspcndenden Z~pfen zusammen und dfirfte erlernt sein.

Das Revier Zun~chst schien es aussichtslos, ein Bi ld von der Hiiuf igkei t der A r t zu e rha l -

ten. Solange man keine Laute von ihnen hSrt , ist es sehr schwierig, die K le ibe r

fes tzus te l len , da sic zusammen mi t Tannenme i sen in den K r o n e n der K ie fe rn

nach N a h r u n g suchen und n u t beim Uberf l iegen grS~ere r Wal,dlticken am F l u g b i l d yon die~c'~n un te r sche idbar sind.

Abb. 3. Bioto,p von Sitta whiteheadi im Rcstonica-Tal. Die Abbildung zeigt ungefShr das Rcvier eines Paares. Dcr Brutbaum lag in dcr

Mitte des Bildes.

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Wir gingen daher am ersten Morgen (6. April 1956) darauf arts, uns unbe- kannte Laute festzustellen. Nachdem wir das R~itschen und den Gesang gehSrt hatten, gelang es mir gleich, den TriIlergesang aaniihernd genau zu imitieren.

Wir fuhren dann zur Erkundung in das leichter erreichbare Restoniea-Tal, wo mein Pfeifen schon nach wenigen Sekunden beantwortet wurde. Innerhalb einiger Minuten fanden sich zwei Rivalen ein und k~mpften sogleieh miteinander. Die Anloek-Methode wurde dann mit wechselndem Erfolg t~glich angewandt, wobei wir die GrSBe einiger Reviere grob festlegen konnten. Ich sch~tzte sie auf ± 10 bis 15 Hektar. Der Wald bedeckt 20 °/0 der Gesamtfl~che der Insel (175 000 Hek- tar). Vom Waldbestand entfallen 25 0/~ (43 750 Hektar) auf die Laricio-Kiefer. Wenn meine Sch~,tzung tier durchschnittliehen ReviergrSBe mit 10 bis 15 Hektar zutrifft, dfirften rund 3 000 Paare der Sitta whiteheadi auf Korsika leben.

Zwei BruthShlen waren 300--400 m voneinander entfernt. Die Grenzen der Territorien wurden teilweise durch S'chluehten oder Grate gebildet: Zu ernstlichen Revierk~mpfen kam es in solchen Fiillen nur in den wenigen Verbindungsstreifen, z.B. auf der Talsohle. 1956 stand unser Zelt zuf~llig an einer solchen Grenze. Hier konnten wir feststellen, dab sie ziemlich stabil blieb: die Paare trafen sich t~glich, aber viel seltener als bei S. europaea, auf den Grenzb~umen und be- k~mpften sich dort. Ob solche Revierk~mpfe aueh nach dem Brutbeginn vorkom- men, ist fraglich; denn die Korsischen Kleiber sin,d dann sehr schweigsam.

Das Re-~ier dient wie bei S. europaea als Nistort und als Nahrungsspeicher. Das Paar versteckt dort Wochen hindurch mit groBem Eifer Kiefernsamen.

S. whiteheadi k~mpft viel seltener als S. europaea und markiert die Revier- grenzen nicht so lebhaft wie dieser durch Gesang oder durch Rufe. Das Revier ist so groin, dab ein Eindringling gewiB oft unbemerkt bleibt. Die Kampfbereit- schaft wechselt mit der Witterung. An ka]ten Tagen sahen und hSrten wir die Kleiber kaum; sie reagierten dann auf mein heransforderndes Pfeifen fiber- haupt nicht.

Ein bevorstehender Rivalenkampf wird durch ein eigenartiges Flfigelzucken angekfindigt. In den von mir beobachteten F~llen niiherten sich die ~ c~ einander unter leisem Trillern. Dieses Trillern glich normalen Gesangsstrophen, war aber nur wenige Meter weit hSrbar. Dabei wurde der Schnabel wie beim eigentlichen Gesang nach oben gerichtet. Waren sich die Rivalen noch n~her gekommen, so begann das auch bei S. europaea als /Jbersprunghandlung fibliche Picken und R.~ndelSsen. Das taten sie in dieser ~Situation anch in der Zeit des ,Sammelns, w~hrend weIcher sie niemals unter der Rinde nach Nahrung suchten. Dazw~schen h5rte man yon den K~mpfern rauhe Riitschlaute, bei denen man meinen konnte, einen in der Ferne rufenden Eichelhiiher zu vernehmen; aber diese Rachenlaute rcichten nur wenige Meter weit. Dann stfirzten die Rivalen aufeinander los, wichen sich aus und suchten sich wieder zu packen, was ihnen freilieh in unserer Gegenwart nie gelang. Der Unterlegene zeigte immer h~ufiger die ~Drohstellung. Sie weicht v o n d e r anderer Kleiberarten wesentlich ab. Die drohende S, whiteheadi str~ubt

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das Kleingefieder auf Ober- und Untersei te so s tark, dab sie fast zur Kugel wird. W/ihrend der K/impfe h6rte ich einen typischen Drohlaut , der vom Angre i fer oder vom Angegriffenen stammen kann und zur Einsehiichterung dient, wie sich sp/iter- hin bei meinen im Zimmer Freifl iegenden ergab.

K//mpfende Korsenkle iber stellen mi tun te r den Sehwanz hoch, spreizen ihn aber nur ganz selten, lhm fehlt ja auch das auffMlende Fa rbmus t e r von S. europaea.

Abb. 4. Sitta whiteheadi, leichtes Drohcn des Q.

Abb. 5. Sitta whiteheadi, w)llendet:s Drohcn des @.

W/thrend ihre ~ ~ k~tmpften, hielten si(~ die ~9 oft auf denselben B//umen, abe t in deren oberen Regionen auf. Nur einmM niiherte sich ein Q den K//mpfern und nahm dabei gleichfalls eine extreme Drohste l lung ein. Das hatte zur Folge, dab es von seinem eigenen d angegriffen und in das Revier gejagt wurde, wonach dieses zum Rivalen zuriickkehrte. Mir war solches Verhal ten schon von S. euro-

paea bekannt . Andere Vogelarten greift der Korsische Kleiber nicht sehon an der Revier-

grenze, sondern erst im n/iheren Umkreis seiner BruthShle an. Vor allem ver-

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jagt er dort Bauml£ufer und Meisen (auch Parus ma]or), wenn sie sich am und nahe beim Brutbaum zu schaffen macllen.

Solange die BruthShle noch nicht belegt war, begnfigte sich das 4 damit, Spechte und Eichelh£her mit dem Blick aufmerksam zu verfolgen. Als aber Junge im Nest waren, griff es einen in der N£he eingefallenen Specht mit Rammst58en an. Der ,,Ramm-Laut", .den ich dabei hSrte, schien mir dem von S. europaea zu ihneln. Wenn ich die BruthShle untersuchte, wurde ich vom ~ aus respektvoller Entfernung erregt beobachtet.

Nahrung P f l a n z l i c h e N a h r u n g . -- In der Zeit vom 6.--22.4. 1956 n~ihrten

sich die Kleiber fast ausschliel]lich von den Samen der Laricio-Kiefer. Nur selten sahen wir sie an anderen Stellen als aa Kiefernzapfen ihre Nahrung suchen, die dort in versteckten Kiefernsamen bestanden haben mag. Nur ein einziges Mal in dieser Zeit sahen wir einen Kleiber ein fliegendes Insekt erbeuten.

Beim Bearbeiten der Kiefernzapfen gingen sie in folgender Weise vor: Wenn sie einen offenen, h~ngenden Zapfen ersp~ht batten, so h~ngten sie sich daran und legten einen S amen frei, dessen Fliigel sie meist schon im Samenlager ent- fernten. Gelang ihnen das nicht, dann zogen sie den Samen heraus, legten ihn auf eine feste Unterlage und bearbeiteten ihn dort mit dem Schnabel. Einen geringen Prozentsatz der entflfigelten Samen fraBen sie sofort, nachdem sie diese ,,Beute" auf ein Widerlager gelegt und dort aufgeklopft hatten. Ein solches Widerlager, meist auf der Oberseite eines dicken, horizontalen Aststfickes gelegen, wurde manchmal in mehrfacher Folge aufgesucht.

Bei ihrer ,Suche nach reifen Zapfen sah ich die Kleiber oft in Gesellschaft von Tannenmeisen, die das gleiche Ziel verfolgten, aber, wenn sie einen solchen Zapfen unter den vielen schon leeren entdeckt und begonnea hatten, ihn auszu- beuten, von den Kleibern verjagt wurden.

S a m m e l n v o n V o r r ~ t e n . -- Weitaus der grS~te Teil aller Samen wurde von .den Kleibern nicht gleich gefressen, sondern versteckt. Dabei ver-

f u h r e n sie anders als die (ebenfalls Vorr~te sammelnden) Tannenmeisen: Diese verbargen den Samen stets an der Spitze tier Zweige, vor allem in ,dichten Nadel- biischeln. ,Die Korsenkleiber dagegen flogen stets den Kiefernstamm oder die Basis dicker Aste an, wo sie den Samen fast stets hinter der Rinde vers~teckten.

Be i dem Bemiihen, ihn dort mit wuchtigen Schnabelhieben festzukeilen, brach zuweilen ein Rindenstfick ab. Wie bei S. europaea wurde dann der Same nach MSglichkeit ,dem Blick entzogen. Das geschah dutch Bedecken mit kleinen Rinden- oder Flechtenstiickchen, die der Kleiber aus der unmittelbaren Umgebung des Versteckes abriB. Manchmal geniigte dafiir ein einziger solcher Fetzen, oft aber waren ihrer zwei, zuweilen sogar ihrer drei zum vSlligen Verbergen nStig. Wenn aber der Kleiber am Versteckplatz keine tauglichen Stoffe fand, so unterlieB er das Zudecken des Samens.

Bei meinen zahmen, im Zimmer gehaltenen Korsika-Kleibern konnte ich sp~ter den Vorgang des Versteckens noch genauer beobachten: Hat der Vogel einen

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Samen festgekeilt , so schaut er sich die Si tuat ion genau an. Wenn noch ein Stiiek des Samens aus dem Versteek herausragt , sueht er es zuzudeeken. Finder er nichts hierf i i r geeignetes, so zieht er den Samen wieder heraus und wiihlt ein anderes Versteek. Groge Sorgfal t verwendet er auf den Versehlug des dureh das Einkei len des Samens ents tandenen Spaltes. Ein abgespreiztes Rindenstiick h/immert oder biegt er wieder fest gegen den Stature oder Ast. Ja er pr i i f t sogar, ob man den versteekten Bissen etwa von hinten sehen kann; ist das der Fall , dann entfernt er ihn wieder.

In meinem Zimmer haben die Korsisehen Kleiber die E r f ah rung gemacht, dab es dor t an Zudeek-Material fehlt. Sie bevorzugten daher zum Versteeken des Samens solche Hohlr/iume, an denen er ohne weiteres unsichtbar wurde: z .B . Biicherriicken, h in ter denen er in die Tiefe f/tilt, oder Ritzen von Polsterm6beln, die, wenn der lange Sehnabel des Vogels den Samen tief eingefi ihrt hat, sieh von selbst schliegen, oder auch Sofakissen, deren Nahts te l len den Sehnabel durch- lassen (Abb. 6).

Abb. 6. Pinicnkerne und andere Samen, die in einem einzigen Sofakissen versteckt waren.

Das Versteeken der Nahrung ist eine Tr iebhandlung ohne finale Komponente. Meine Zimmergenossen zogen hie eine Folgerung aus der Tatsa&e, dab gerade ihre bel iebtesten Versted~e wie Fal len wirkten, aus denen sie die Nahrung nicht wieder hervorholen konnten. Sie benii tzten sogar die Fa l ten des Vorgan~s, zwi- sehen denen der Samen zu Boden fiel, wo sie ihn abermals , ,entdeckten" und dann wiederum versteekten. Pinienkerne versenkten sie gem in die Tasehen oder zwi- sehen die Roekaufschlgge meines Anzugs.

Trotzdem steht die biologisehe Wi&t igke i t der Vers teekhandlung auger Frage. Zweifellos finden die Kleiber in Notzeiten von den vielen Samen, die sie ver- steckt hatten, eine ausreiehende Anzahl wieder. Sie sind auf diese Vorrgte vor allem an feuchten Tagen angewiesen, da s i& dann die Zapfen der Laric io-Kie fer

zu schliegen pflegen. So war es z .B . am 6. Apr i l 1956; in der vorhergehenden Naeht hat te es gesehneit, und alle Biiume waren nag.

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Die Frequenz der Versteckhandlung haben wir nur durch Stichproben prfifen kSnnen, da die VSgel auf Korsika hiiufig den Platz wechselten und unserem Ge- sJchtskreis entschwanden.

Am 19.4. 1956 versteckte ein ~ in 43A Minuten 12mal, ein andermal in 11/2 Minuten 5mal je einen Kiefernsamen.

Wahrscheinlich verbergen die Korsenkleiber ihre Bissen mitunter auch im Boden, denn meine im F]ugk~fig gehaltenen taten dies und suchten zuweilen deft. Laubbl~tter oder Holzstiickchen, die den Boden bedeckten, ergriffen sie dabei mit dem Schnabel und s chleuderten sie zur Seite. Lose Erde warfen sie durch eine Wischbewegung beiseite, die wie Schnabelputzen aussah. Mit einer solchen Sehna- belbewegung legen auch KriihenvSgel verstecktes Futter frei.

Wenn ich in den Kiifig der Kleiber frische, mit griinen Algen o der Flechten iiberzogene Aste einbringe, so werden sie von den Kleibern regelm~l]ig bepickt. Sie fressen also wohl aueh solche kleinen Brocken.

Alsi Samenfresser hat der Korsische Kleiber einen grol3en Bedaff an Magen- steinen (kleine Steinchen, grober Sand). Wenn ich nach einigen Woehen den Sand im K~ifig erneuere, fressen sie minutenlang davon.

T i e r i s e h e N a h r u n g. -- ,Sowohl im Freien als aueh in GefaagenschaL n~ihren sich die Korsenkleiber bis in den April hinein vorwiegend von S~imereien. Um den Beginn des Mai zieht auf den Bergen Korsikas der Friihlung ein und weckt ein reiches Insektenleben. Aueh meine K~ifig-Kleiber stellen sich erst zu dieser Zeit auf Ameisenpuppen um. Am liebsten aber fressen sie Fliegen und Spinnen, grfine R~iupchen und Wespenlarven. Nicht nur sitzende, sondern auch fliegende Dipteren fangen sie geschickt. Aus einer Zimmerecke wird eine kleine Spinne im Riittelflug zielsicher abgenommen; im Riittelflug werden auch kleine schwarze Flecken oder Vertiefungen der Ziinmerw~inde untersucht. Alles, was klein und sehwarz ist, interessiert meine Kleiber.

WHITEHEAD fand im Magen der von ihm im Mai erlegten Korsenkleiber viele kleine K~fer und andere Insekten. Im April 1956 sahen wit nur einmal einen Korsenkleiber ein Fluginsekt fangen. Am 3. Juni 1956 dagegen trug ein Paar S. whiteheadi w~hrend einstiindiger Beobachtung fast ausschliel]lich fliegende In- sekten zu Neste, die es nach Fliegenschn~ipperart in der Luft gefangen hatte, und nur ein einziges Mal eine Raupe. Das c~ schnappte dabei sogar mehrere Insekten hintereinander im Fluge und hielt sie alle zugleich im Schnabel lest. Beim Ab- flug aus der BruthShle s chol] es manchmal direkt auf ein nahe vorbeifliegendes Insvkt los. Sein 9 war viel weniger gesehickt. In dieser Gewandtheit als Flug- j~iger iibertrifft S, whiteheadi bei weitem S. europaea.

Zum Ersatz tier im Handel fehlenden Kiefernsamen erhielten unsere zahmen Korsischen Kleiber yon August bis Anfang Mai als Nahrungsgrundlage die in Reformh~iusern erh~ltlichen Pinienkerne, manchmal auch die Samen der Zirbel- kiefer und gelegentlich Fiehtensamen, mit Zusatz einiger HanfkSrner. Die teuren Pinienkerne pflegten sie zu verstecken, sCatt sie zu fressen; das ~nderte sich erst,

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als wir ,sie ihnen grob gemahlen darboten, denn solcher Nul3sehrot reizte ihren Verstecktrieb nur wenig. Gelegentlich fiigten wir ihm auch gemahlene El3kasta- nien, Haselniisse u. a. in geringer Menge bei.

Im Sommerha |b jahr erhal ten die Kle iber im wesentlichen frische Ameisenpup- pen und zusiitzlich Spinnen sowie alle erhalt l ichen Insekten wie Seidenraupen, Zfinslerraupen, Fliegen und Kafer. Sogar s ta rk rieehende Mar ienkafer fressen sie jederzei t . In manehen Jahren konnten wir zur Herbs tze i t lebende Wespenla rven in ausreiehender Zahl ausgraben.

Dem Tr inkwasser setzen wir etwa einmal w5chentlieh einige Tropfen des Vi taminprgpara tes Protovi t hinzu. Diese Fl i iss igkei t t ranken die Kleiber von Anfang an sehr gern, ja bisweilen zogen sie sie dem klaren Tr inkwasser deut-

lieh vor. In f re ier Natur magen die Korsenkle iber ihren Wasse rbeda r f oft aus Regen-

t ropfen de&en. Meine zahmen V5gel sammelten solehe Trap f&en gelegentl i&.

Die. BruthShle DaB der Korsische Kleiber seine Bruthahle selbst zimmert, ha t sehon WHITE-

hEAD aus deren Beschaffenheit geschlossen. Vor uns ha t ihn aber offenbar noeh niemand bei dieser Ti/tigkeit beobaehtet. Wi r verfolgten das Verhal ten in vier

Fallen. Die H5hle befindet sieh stets in abgestorbenen Lar ie io-Kiefern , racist in solehen,

deren Wipfel abgebrochen ist; das v o n d e r Brudls te l le her e indr ingende Regen- wasser bewirkt , dab der Stamm vall ig morseh wird. Solehe Baume enthal ten einen relat iv widers tandsfahigen , ,Kern", umgeben von leiehter verrotten,dem Splintholz. Die einzige von mir naher untersuchte I lahle befand sieh unmi t t e lba r h in ter der Rinde im ,Splintholz, war naeh auBen hin nur durch die Rinde ve rde&t und liefi sieh mit dem blogen Finger 5ffnen. Aueh eine zweite, yon BiJHR1NGER untersuchte (noch nieht vall ig fertiggestellte) Hahle lag im Splintholz.

Der S tandor t a l ler yon uns gefundenen Bru thah len lag zwisehen 760 und 880 m. Wi r haben jedoch Kleiber aueh noeh in fiber l l 0 0 m Hahe, offenkundig im Brut - revier, beobaehtet; und im For~t d 'Ai tone dfirften sic his zur oberen Grenze der Larieio-Kiefer , also bis etwa 1300 m, brfiten.

W i r entdeekten Kleiberhahlen nicht nur in sehr s ta rken Stammen, sondern aueh in solehen, deren Durchmesser an der Basis nur 20--25 cm betrug. Sie lagen stets haher als 5 m fiber dem Waldboden . Niemals fanden wir Spuren yon Kleiberhahlen in den massenhaf t vorhandenen niedr igen Stumpen.

Sirra canadensis schmiert Harz rund um ihre Bruthahle oder an deren Unter-

seite. Sitta whiteheadi tut d a s n i e h t. An der Bru thahle kannen d und ~ arbei ten; eine feste Regel gibt es nieht.

1956 war an einer Hahle nur das d -- mit ger inger Ausdaue r -- beschiiftigt. Es warf am 21 .4 . vonni t tags aehtmal h in te re inander Holzmulm heraus , w~ihrend das 9 nur kurz erschien und interessier t nach dem Flugloeh schaute. Nachmit tags kam das d f iberhaupt nicht. BOHRINGER sah bei diesem Paar , wie das d dem auch noch eine andere, iiltere Hahle in einiger Ent fe rnung ,,zeigte".

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Abb. 7. Brutba,um yon Silta wl~iteheadi, im ltintcrgrund das Rcstoniea-Tal.

in anderen F:~illen war das ~ akt iver und arbeitcte eifrigst in ot tenbar vom Buntspeeht s tammenden AnfSngen weiter, w:~ihren,d das d in der N/ihe sang. Aueh 1959 maehte uns ein singendes d auf da.s allein arbei tende ~ aufmerksam.

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Wahrseheinlich benutzt der Korsische Kleiber geeignete BruthShlen mehrmals. Darauf deutete eine BruthShle bin, die 1956 schon am 12.4. in fiber 800 In fertig war, obwohl es vorher meistens kalt war. Das Paar arbeitete vom 12. - -23 .4 . nur gelegentlich bei warmem Wetter an der HShle herum.

Die BruthShle vom Mai 1959 war dem Auss~ehen des Holzes naeb friseh. Unter- halb der HShle befand sich eine Spechtschmiede, in der noeh einzelne Kiefern- z~pfehen steckten. Wahrscheinlich bildete bier ein Speehtloch den Anfang fiir die KleiberhShle.

Einen wenn aueh noch unzureichenden Beweis dafiir, dab S. whiteheadi aueh ohne vorhandene H6hlenanfiinge zimmern kann und den Eingang selbst herstellt, lieferte mein zahmes d in der Freivoli~re. Die angebotenen fertigen BruthShlen einschlie[~lieh einer KleinspechthShle wurden nieht angenommen. Dagegen ver- suchte das ~ hartn~ekig, immer wieder an derselben Stelle Rinde loszusehlagen. Es splitterte dabei sehr geschickt kleinste Rindenstfiekehen ab, durch seitliehen Aufschlag yon der Splitterstelle her. Das Stammst[ick war jedoch viel zu hart , und ein den natfirlichen Bedfirfnissen entsprechendes Stfick war nicht zu be- schaffen. Die Itiimmerstelle zeigte deutlieh, dal3 die Rinde sofort im Umfang des sphteren Eingangsloehs abgemei{3elt wird.

SCHIEBEL (in FRIEDRICH 1923) beriehtet als Ausnahme yon einer KleiberhShle mit weitem Eingang in einer alten Bu~he am Rand eines Kiefernbestandes,.

Nestbau Die Nester kSnnen offenbar aus recht verschiedenartigen Stoffen gebaut wer-

den. WtIITEtIFAD fand seine Nester hauptsS~ehlich aus der Rinde der Baumhcide erbaut, wozu noch Moos kam sowie einige Federn und Haare. Das einzige von mir lmtersuehte Nest bestand aus vielen morsehen Holzstii&chen, sehr viel Bast und wenigen t taaren und Federn.

Eigenartig war, dab in dieses Nest haufig diirre, vom Boden aufgenommene Kiefernnadeln sowie Stiickdlen von Kiefernrinde eingetragen worden waren. Diese Bestandteile wurden aber in den folgenden Tagen immer wieder hinaus- geworfen oder ~eggetragen, und am En.de fand sieh tiberhaupt niehts Derartiges mehr im Nest.

Am Nestbau beteiligten sieh -- wie beim Zimmern der HShle -- beide Partner. Vom 12.--23.4. war leider nie intensives Bauen zu sehen.

Am 12.4. trugen ~ und d wShrend einer Stunde seehsmal Nestmaterial ein und klopften etwas in der IlShle. 6 Tage sp//ter ba t t en sie an einem kalten Tag iiberhaupt nieht; das 9 kam lediglieh zum S.ehlafen in die HShle.

Am 19.4. beobachteten wir 12 Stunden lang durehgehend: Vor 8 h erfolgte niehts. Nur das d verjagte eine Tannenmeise und einen Baumiiiufer. Zwisehen 8 und 9 h trugen beide friiher eingetragenes Nistmaterial aus der Hahle. Das d sang gelegentlich (einmal sogar 14 Strophen in 1,5 Min.), w~ihrend das (~ ge,gen Mittag wieder Material aus dem Flugloeh warf und in der HShle klopfte. Am friihen Naehmittag trug das 9 mehrmals Nistmaterial ein; ansehlieBend warf das

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(~ einen Teil davon wieder heraus. Dann verschwanden beide und kamen nicht mehr zur HShle.

Am folgenden Tag waren sie etwas aktiver. Das ~ sang vor tier BruthShle und trug gelegentlich NistmaterJal ein, beide zitterten wiederholt meisenartig mit den Flfigeln. Das (~ sehlfipfte anges.ichts des unt~itigen 9 wiederholt aus und cin, was ganz nach Zeigehandlung aussah. Mehrmals grill es im Gleit- oder ritualisierten Zickzaekflug (s. S. europaea, LSHRL 1958) TannenmeJsen an. Vor dem 9, das mit Nistmaterial erschien, s,chliipfte das (~ eiligst in die HShle, often- kundig ein ,Zeigen". Das 9 baute ansehliel]end wiederholt und gab einmal dem (~ das Nistmaterial in die HShle, folgte aber selbst naeh. Am Naehmittag baute alas Paar nur noeh einmal I~ Stunde lang.

Kopulation Leider habe ieh nie eine Kopulation beobaehtet, sondern lediglieh bei meinen

zabmen Tieren Ans~tze dazu gesehen. Es l~Bt sieh daraus folgern, dab bei den . . . . . . . . . . Korsenkleibern beide Gesehleehter

fiber das vor allem bei Meisen fibliehe Fliigelzittern verfiigen, und dab aueh bei dieser Art in der Paa- rungszeit ein Balzffittern des 9 dutch das ~ vorkommt (s. Abb. 8). Erst- mals sah ich dies am 1. 3. 1957, als ieh fri,sche Fliegen gebraeht hatte und das c~ mit einer Fliege zielbe- wuBt das 9 aufsuehte und sie ihm iibergab.

W~hrend bei S. europaea eine starre, meehaniseh wirkende und immer gleiehf5rmige Pendelbewegung mit hoehgehaltenem Kopf als Paa-

Abb. 8. Balzfiittern des 9 dutch das (~. Zu be- rungseinleitung dient, wirkt dasPen- aehten sind die dabei stets geschlossenen Augen. delnbeimKorsisehen Kleiberweniger

starr. Es ist vom Flfigelzittern be- gleitet, und das (~ h~lt den Kopf mal nach oben, mal naeh unten, die Flanke.n- federn, obwohl nieht auffallend gef~rbt, hervorgekehrt. Dabei h5rt man Laute, .die denen anderer Kleiberarten in dieser Situation ~hnlieh sind.

Das Briiten Erst 1959 kamen wir in der Zeit des Briitens n~ch Korsika. Unsere Beobach-

tungen (vom 19. und 20. Mai) besehr~inken sieh auf ein einziges Paar. Es brfitete nur das 9, das gelegentlich vom ~ geffittert wurde. Das 5 brachte nur dann Futter, wenn es sein 9 abholte. Dieses begab sich, naeh, dem es das Futter fiber- nommen hatte, nicht gleich wieder in das H5hleninnere, sondern flog mit dem (~ weg. ()fters geschah alas Abholen aueh ohne Futterfibergabe.

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Am 19 .5 . beobachteten wir 4 Stunden lang. Das ~ bri i tete 186 Min. (77,5 %) und machte 54 Min. (22,5 %) Pause. Die l~ngste Brii tezeit be t rug 55 Min., die kiirzeste 15 Min.; die l~ngste Pause dauerte 20 Min., die ki irzeste 8 Min. Das verlieB die HShle nur, wenn es abgeholt wurde. Bei der Riickkehr flog das d fast immer vorans und h~ngte sich an der HShle an. Sobald ihm das ~ folgte, flog er von dort weg auf einen Aststummel. Dieses Verhal ten geht wahrseheinlich auf die Tendenz zuriiek, die HShle dem ~ zu ,,zeigen".

Am 20 .5 . waren wahrseheinlieh die ersten Jungen geschliipft. W i r wagten nicht, an dem morschen Bru tbaum hinaufzuklet tern , um in die BruthShle zu schauen, und belie6en es dabei, die Vorg~inge am Nest mit dem Fernglas 31/2 S tunden lang zu beobachten.

Das Verh~ltnis der Brutpausen zur Briitezeit war gleich geblieben, n~imlich 22,8 : 77,2 %, aber es wurden wesentlich mehr Pausen eingelegt und die Zeit des Brii te~s bzw. Huderns entsprechend verkiirzt . Die l~ingste Brii tezeit be t rug 35 Min., die kiirzeste 10 Min.; die Pausen schwankten zwischen 11 und 1 Min. Das ~ verschwand mehrmals mit dem i iberbrachten Fu t t e r in der HShle, doch kamen beide Pa r tne r wiederholt auch ohne Fu t t e r vom Ausflug zuriick. Das d schaute einigemale Tie pri i fend in die HShle. Das er inner te uns an das Verhal ten von S. europaea am Schliipftag.

Briitezeit Im Brutgebiet des Korsischen Kleibers zieht der Fr i ih l ing sp~t ein. Schnee-

fSlle kommen noch im Apr i l vor, und Ende Mai 1959 fanden wir bis herunte r zu etwa 1600 m noch eine fast geschlossene S(hneedeeke vor. Daher br i i te t Sitta

whiteheadi sp~iter als S. europaea caesia. 1956 flogen die yon mir aus Kors ika gebraehten JungvSgel am 13. Juni aus. Sie waren 51ter als die Jungen der be- nachbarten Paare.

In der 1959 gefundenen BruthShle waren die Jungen am 19 .5 . noeh nicht ge- schliipft, wiihrend die Reviernaehbarn noeh immer mit dem Zimmern ihrer Brut- hShle besch~ftigt waren.

WHITEHEAD sah am 16. Mai 1884 ein Piirchen bauen. Am 20. Mai fand er in zwei BruthShlen je 5 frisehe Eier. Nach STEINER (in litt.) sah D. F(]RNKRANZ noch am 13. 8. im Restonica-Tal, rund 900 m hoeh, vier Jungkle iber , die gefi i t tert wurden. Vielleicht macht S. whiteheadi zwei Bruten. Sicher ist das indessen nieht. lm letzteren Fal l kSnnte e s sich auch um ein Naehgelege gehandelt haben. Es wevden nSmlich zweifellos viele Kle iberbruten durch Spechte zerstSrt. Das kann man daraus schlie6en, da6 die Korsenkle iber in groBe Erregung geraten, wenn sich ein Buntspeeht in de r NS.he ihrer BruthShle zeigt.

Brutpflege, Entwicklung und Verhalten der Jungen Bevor ieh am 3 .6 . 1956 die Jungen eines Paares zur Aufzueht aus dem Nest

nahm, verfolgte ich eine Stunde lang die Anfliige der Eltern. Zwisehen 11.10 h und 12.10 h wurde 31real gefiittert, wobei fast aussehlieglieh aus der Luft ge- sehnappte Insekten verf i i t ter t wurden. Das d , ein gesehiekter Fiugji iger Is. ,S. 256),

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Abb. 9. Sitta whiteheadi 7 Tage vor dem Aus- fliegen.

Abb. 10. Sitta whitehcadi fliigge.

ffitterte 21mal, das 9 nur 10mal, obwohl es nur ein einziges Mal, und zwar 3 Min. lang, zum Hudern in der HShle blieb.

Der Kot wurde, wie bei S. europaea, stets auf einem Ast abgelegt und manch- mal weit weggetragen. Einmal flog das d damit fiber eine Schlucht an den jen- seitigen Abhang.

Bei den drei Jungen waren die Federscheiden noch nicht geplatzt. Am ngchsten Morgen (4. Juni) war dies bei Kopf- und Rfickengefieder geschehen; ich konnte

nun sehen, da~ es ein (mit schwarzer Kopfplatte) und 2 9~ waren.

Im Lauf des 4. Juni be- gannen auch die Hand- schwingen ihre Hfille zu sprengen. Sehon am 6.6. waren die Jungen schwerer als Altv5gel, sie wogen 13,9--14,35 g (vgh S. euro-

paea, LSHRL 1958).

l0 Tage nach dem Auf- platzen der Federscheiden

Abb. 11. Geschwister 5 Tage nach dem Ausfliegen. waren die Jungen fliiggc. Bei S. europaea platzea die

Federseheiden am 14. Tag, und naeh weiteren 10 Tagen ist der Vogel flfigge. Ieh folgere daraus, dal3 die Dauer der Nestlingszeit bei S. whi teheadi mehr als 20 Tage betri/gt und wie bei anderen Kleibern zwisehen 22 und 24 Tagen liegt.

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Schon als Nestl inge klopften die Jungen in der kiinstliehen HShle. Am 13 .6 . flogen zwei davon aus, am 14. das dri t te. Sie fraf~en relat iv wenig. Da sie nie- reals zu hungern brauchten, liel3en sie den S tandor t l au t nur selten hSren, meist am fri ihen Morgen. Fas t immer saBen sie di,cht beisammen auf einem Zweig (Abb. l l ) .

Als Fut ter erhiel ten sie frische Ameisenpuppen, Seidenraupen sowie Raupen eines auf Brennesseln lebenden Zfinslers, ab un,d zu aneh einen Mehlwunn und wiederholt Wespenlarven.

Solange sie im Nest waren, hSrte man von ihnen nur hohe Laute. Diese s ind wie bei S. europaea auf die ersten neun Tage besehriinkt.

In der kiinstlichen BruthShle waren die Jungen sehr empfindlieh gegen Ge- r/iusehe. Aueh ersehraken sie jedesmal, wenn wir die KunsthShle zur F i i t te rung 6ffneten. Durch kurzes Zungensehnalzen konnte ich sic stets zum Sperren be- wegen, nieht ~ber durch M~iuseln.

,Sehon am 6. Tag nach dem Ausfliegen nahmen die Jungen selbst~indig Ameisen- puppen in solcher Menge auf, dab es nieht mehr nStig gewesen wSre, sie mit der Pinzette zu fii t tern. W i t fuhren abet damit fort, um sie mSgliehst lange an uns zu binden.

Ers t 13 Tage naeh dem Austliegen zeigten die Jungen ein ausgesproe.henes Neu- gierverhal ten. Am Tag darauf war es so s ta rk geworden, dal3 wir Zweige und Ast - stiicke einbrachten, die sic sofort eifr ig beklet ter ten und beklopften. Sic un te r - suehten nun alle Ilitzen und trugen Nahrungsst i icke ein, die sic selbst / indig fragen.

Abb. 12 und 13. Neugierverhahen wm Sitta whiteheadi.

Zwei Woehen naeh dem Ausfliegen duldete das junge d die Ann~iherung sei- her Schwestern n i&t mehr. Es wurde manchmal aggressiv, stieg Drohlau te aus und brachte den Jugendgesang, der aus vielen EinzeltSnen bes tand und keinerlei

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.~.hnlichkeit mit dem Gesang eines ad. ~ hatte. In diesem Stadium begann es auch mit Intentionsbewegungen der Balz, ,,pendelte" artgem~iB und fiepte entsprechend dazu. Zu gleicher Zeit begann das Verstecken. Das auf dem Boden des Kafigs liegende Zeitungspapier war der begehrteste Versteckplatz.

.Schon bei den ersten Fliigen im Zimmer hSrte man von den Jungen die norma- len Stimmfiihlungslaute; regelm~iBig erklangen diese, nachdem die Geschwister selbst~indig geworden waren. Ferner brachten alle JungvSgel schon kurz nach Beginn des Neugierverhaltens den auf Erregung hindeutenden R/itschlaut. Auf alle unvermittelt ertSnenden Fremdlaute reagierten sie mit Stillsitzen.

Als si.ch das ~ von den Geschwistern zu isolieren begann, wurde ~s auch den Pflegern gegeniiber zuriickhaltender. Es kam jetzt nur noch auf die Hand, wenn sie gaaaz nahe an seinen Sitzplatz gehalten wurde, wiihrend .die ~?~? sich wie bisher verhielten. Nur als Kletterbaum beniitzte das ~ seinen Pfleger auch weiterhin gem, vor allem dessen Riicken. ,Diese Vorliebe blieb zeitlebens bestehen. Die menschliche Kleidung eignet sich besonders gut zum Klettern und bietet eine Menge idealer Versteckpl~tze.

Schon bevor die Jungen richtig fliegen konnten, lernten sie die Fensterscheiben kennen und meiden. Bei ihren bald danach einsetzenden ,,Fluchtfliigen im Leer- lauf" prallten sie manchmal an das Fensterglas, aber bevor sie anstieBen, hatten sie den Flug stets stark abgebremst.

Sobald die 3 Jungen nicht mehr gemeinsam schliefen, verlangte es sie darLach, an einem geschiitzten und umschlossenen Ort zu n~ich~tigen. ~Sie entschieden sich zun~hst ffir eine Nische, die aus dem oberen Rand des gefalteten Vorhangs und der dariiberliegenden Vorhangschiene gebildet wurde. Spiiter hiingte ich offene PapprShren in den K~ifig, die sofort benutzt wurden.

Mitte August begann die Jugendmau~ser. Sie endete kurz nazh Mitte Septembar und leitete eine unsoziale Phase ein. Als das (~ einmal ffir kurze Zeit aus dem K~fig entfernt worden war, mil~handelte das eine ~ seine Schwester dermaBen, dal3 sie bewul3tlos auf dem Boden lag und nur rnit Mfihe gerettet werden konnte. Von da ab hielt ich die beiden ~ getrennt.

Dieses Gefangenschaftsverhalten gestattet keinen Riickschlul3 auf das Verhalten

im Freien. [Fortsetzung (Sirra canadensis, V~rgleich) folgt]