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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 1 An Regierung von Oberbayern - Luftamt Südbayern - Herrn RD Peter Schrödinger 80534 München Ihr Zeichen 25-33-3721.1-MUC-5-07 Vom 18.10.2007 Unser Zeichen VE-MUC/PFV_3SLB Vom 18.12.2007 Verkehrsflughafen München; Antrag der Flughafen München GmbH auf Planfeststel- lung einer 3. Start- und Landebahn gemäß §§ 8 ff. LuftVG; Anhörungsverfahren hier: Einwendung und Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) Sehr geehrte Damen und Herren, wir bedanken uns für die Beteiligung als anerkannter Naturschutzverband an o.g. Verfahren und nehmen wie folgt Stellung. Die Unterlagen gingen bei uns am 23.10.2007 ein. Unsere Stellungnahme gilt auch als eine Einwendung im Sinne des Umweltrechtsbehelfge- setzes, der §§ 59 ff BNatSchG , der direkt anwendbaren EU-Richtlinie 2003/35 wegen man- gelhafter Umsetzung dieser Richtlinie durch das Umweltrechtsbehelfsgesetz sowie im Sinne unserer Betroffenheit als enteignungsbedrohter Grundstückseigentümer. Sämtliche in der Einwendungen genannten Rechtsverletzungen drittschutzfähiger Positionen von betroffenen Nachbarn dieses Flughafens tragen wir als unsere Einwendung vor. Auch Positionen des Klimaschutzes sind damit nach unserer Auffassung rüge- und klagefähig. Denn allein aus Gründen des Klimaschutzes und des mit dem Ausbau dieses Flughafen verbundenen zusätzlichen CO2 -Ausstoßes ist dieses Projekt nicht genehmigungsfähig. Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) lehnt das Vorhaben der FMG, im Wege der Planfeststellung nach §§ 8 ff. LuftVG, die Kapazitäten des Verkehrsflughafens München mit dem Bau einer 3. Start- und Landebahn, weiterer Vorfeldflächen und einem zusätzlichen (Satelliten-)Terminal zur Abfertigung erheblich zu erweitern, strikt und entschieden ab. Das Vorhaben ist nicht begründet, stellt einen erheblichen, vermeidbaren, nicht ausgleichbaren Eingriff in Natur und Landschaft dar und ist weder nach Bayerischem Naturschutzgesetz noch nach der UVP-Richtlinie genehmigungsfähig. Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) Fachabteilung München Pettenkoferstraße 10a/I 80336 München Tel.: 089/548298-63 [email protected] www.bund-naturschutz.de

Verkehrsflughafen München; Antrag der Flughafen München ... · den öffentlichen und privaten Belange sind objektiv gewichtiger als die rein wirtschaftlich ori-entierten, jedoch

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 1

An

Regierung von Oberbayern

- Luftamt Südbayern -

Herrn RD Peter Schrödinger

80534 München

Ihr Zeichen 25-33-3721.1-MUC-5-07

Vom 18.10.2007

Unser Zeichen VE-MUC/PFV_3SLB

Vom 18.12.2007

Verkehrsflughafen München; Antrag der Flughafen München GmbH auf Planfeststel-

lung einer 3. Start- und Landebahn gemäß §§ 8 ff. LuftVG; Anhörungsverfahren

hier: Einwendung und Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN)

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bedanken uns für die Beteiligung als anerkannter Naturschutzverband an o.g. Verfahren

und nehmen wie folgt Stellung. Die Unterlagen gingen bei uns am 23.10.2007 ein.

Unsere Stellungnahme gilt auch als eine Einwendung im Sinne des Umweltrechtsbehelfge-

setzes, der §§ 59 ff BNatSchG , der direkt anwendbaren EU-Richtlinie 2003/35 wegen man-

gelhafter Umsetzung dieser Richtlinie durch das Umweltrechtsbehelfsgesetz sowie im Sinne

unserer Betroffenheit als enteignungsbedrohter Grundstückseigentümer. Sämtliche in der

Einwendungen genannten Rechtsverletzungen drittschutzfähiger Positionen von betroffenen

Nachbarn dieses Flughafens tragen wir als unsere Einwendung vor. Auch Positionen des

Klimaschutzes sind damit nach unserer Auffassung rüge- und klagefähig. Denn allein aus

Gründen des Klimaschutzes und des mit dem Ausbau dieses Flughafen verbundenen

zusätzlichen CO2 -Ausstoßes ist dieses Projekt nicht genehmigungsfähig.

Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) lehnt das Vorhaben der FMG, im Wege der

Planfeststellung nach §§ 8 ff. LuftVG, die Kapazitäten des Verkehrsflughafens München mit

dem Bau einer 3. Start- und Landebahn, weiterer Vorfeldflächen und einem zusätzlichen

(Satelliten-)Terminal zur Abfertigung erheblich zu erweitern, strikt und entschieden ab. Das

Vorhaben ist nicht begründet, stellt einen erheblichen, vermeidbaren, nicht ausgleichbaren

Eingriff in Natur und Landschaft dar und ist weder nach Bayerischem Naturschutzgesetz

noch nach der UVP-Richtlinie genehmigungsfähig.

Bund Naturschutz in

Bayern e.V. (BN)

Fachabteilung München

Pettenkoferstraße 10a/I

80336 München

Tel.: 089/548298-63

[email protected]

www.bund-naturschutz.de

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Die Bedarfsbegründung ist als unbegründet und fehlerhaft zurückzuweisen.

Das Vorhaben ist aus Gründen der Daseinsvorsorge nicht erforderlich. Das Vorhaben bein-

haltet keinen überwiegenden Grund des zwingenden öffentlichen Interesses. Es dient den

rein wirtschaftlichen und realitätsfernen Wachstumswünschen und -hoffnungen der zwar pri-

vatrechtlich organisierten, aber zu 100 % in öffentlicher Hand befindlichen FMG – zu Lasten

der Belange von Mensch und Natur sowie der Gemeinden im Umland des Flughafens.

Es liegen Verfahrensfehler vor durch das Fehlen einer tatsächlichen ergebnisoffenen

Alternativenprüfung, insbesondere durch das Fehlen der Nullvariante als Alternative, sowie

durch die fehlerhafte Durchführung einer Ausnahmeprüfung in einem faktischen SPA-Gebiet.

Die vorgelegte Alternativenprüfung dient ganz offenkundig nur dem Zweck, den gewünsch-

ten Ausbau am gewählten Standort zu rechtfertigen.

Die vorliegende Umweltverträglichkeitsprüfung ist in der Erfassung unzureichend und

insbesondere in der Bewertung stark verharmlosend. Die Schutzgüter Mensch, Tiere,

Vegetation, Biologische Vielfalt, Wasser, Boden, Luft und Landschaft werden unterbewertet.

Sie sind in vielen Einzelpunkten und in der Gesamtbewertung als hoch bis sehr hoch durch

das Vorhaben belastet zu bewerten. Die Auswirkung auf den Klimawandel wird nicht

berücksichtigt, auch diese Belastung ist als sehr hoch zu bezeichnen. Eine Umweltverträg-

lichkeit des Vorhabens ist nicht gegeben, dem Vorhaben stehen gewichtige und schwere

Gründe der Umweltverträglichkeit entgegen. Es wird gegen das Gebot der Minimierung

verstoßen.

Dem Vorhaben stehen auch erhebliche Gründe der Sicherheit entgegen, da durch das

Vorhaben die Unfallgefahr für die direkte Umgebung erhöht wird. Durch die zunehmende

Zahl der Überflüge über das Kernkraftwerk IsarI und die damit verbundene erhöhte Gefahr

eines Atomunfalles erhöht sich diese Gefahr auch weit darüberhinaus.

Dem Vorhaben stehen Vorgaben des Europäischen Vogelschutzes sowie des Europäischen

Habitat- und Artenschutzes entgegen:

Die vorliegende artenschutzrechtliche Prüfung ist fehlerhaft, weil zu Unrecht die Voraus-

setzungen für die Erteilung einer Befreiung angenommen werden.

Die vorliegenden FFH-Verträglichkeitsprüfungen sind fehlerhaft, weil zu Unrecht für FFH-

Gebiete keine erhebliche Beeinträchtigung angenommen wird und weil zu Unrecht für das

faktische Vogelschutzgebiet eine Ausnahmeprüfung durchgeführt und erteilt wird.

Das Vorhaben verstößt auch gegen die Erfordernisse der Raumordnung und Landespla-

nung, wir verweisen hierzu auf unsere Stellungnahme und Einwendung vom 09.11.2006 im

Raumordnungsverfahren. Das Vorhaben kann zudem zentrale Auflagen der landesplaneri-

schen Beurteilung zum Schutz der Menschen und der Umwelt nicht erfüllen.

Das Vorhaben ist völlig überdimensioniert und daher in der konkreten Situation weder erfor-

derlich noch vernünftigerweise geboten. Die mit dem Vorhaben verbundenen erheblichen

Auswirkungen auf Mensch und Umwelt stehen mit einer vorausschauenden, nachhaltigen

und maßvollen Planung nicht in Einklang und verletzen uns in eigenen Rechten und ge-

schützten Belangen.

Dem geplanten Vorhaben fehlt die erforderliche Planrechtfertigung.

Eine Abwägung zugunsten des beantragten Vorhabens zulasten der zahlreichen erheblich

negativ betroffenen Belange wäre abwägungsfehlerhaft. Die gegen das Vorhaben sprechen-

den öffentlichen und privaten Belange sind objektiv gewichtiger als die rein wirtschaftlich ori-

entierten, jedoch nicht begründeten, Ausbauvorstellungen der FMG.

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Im übrigen liegt auch wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfah-

rens ein Verfahrensmangel vor.

Das Verfahren ist einzustellen.

Der verfehlten Wachstumsmanie des Münchner Flughafens muss endlich ein Ende gesetzt

werden. Das Vorhaben hätte ausschließlich eine Verschlechterung der Situation für Mensch

und Umwelt zur Folge, ohne dass das Umland in irgendeiner Form profitieren würde. Im Ge-

genteil: Letztlich werden den Umlandgemeinden durch das Vorhaben hohen Folgekosten

aufgebürdet. Die Belastungen für die Menschen und die Natur des Münchner Umlandes und

des Erdinger Mooses sind bereits heute grenzwertig und dürfen nicht weiter erhöht werden.

Auch mit der Notwendigkeit des Klimaschutzes ist ein weiteres Wachstums des Flugverkehrs

nicht zu vereinbaren.

Wir begründen dies im folgenden ausführlich.

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Die Begründung ist wie folgt gegliedert:

1. Verfahrensaspekte S. 9

1.1. Verfahrensablauf und Beteiligungsfristen

1.2. Raumordnung

1.2.1. Fehlende Berücksichtigung des europäischen Vogelschutzes

1.2.2. Weitere Fehler der landesplanerischen Beurteilung

1.2.3. Auflagen der landesplanerischen Beurteilung

1.3. Rechtliche Grundlagen

1.4. Inhalt der Planfeststellung

2. Fehlende Planrechtfertigung (Bedarfsbegründung, Alternativen-

prüfung) S. 13

2.1. Methodische Mängel an der Luftverkehrsprognose 2020

2.2. Fachlich fehlerhafte Bedarfsbegründung

2.2.1. Verspätungswert

2.2.2. Tatsächliche und prognostizierte Kapazität, Koordinationseckwerte

2.2.3. Low Cost Carrier-Aufkommen

2.2.4. Sitzladefaktor, Flugzeug-Mix

2.2.5. Beiladefracht

2.2.6. Transferaufkommen

2.2.7. Verlagerungseffekte

2.2.8. Vergleich mit anderen Flughäfen fehlerhaft

2.2.9. Klimaschutz-Maßnahmen

2.2.10. Veränderungen in den Ticketpreisen

2.2.11. Veränderungen bei weiteren Grundannahmen des Gutachtens

2.3. Fehlerhafte Bedarfsbegründung: Kein Bedarf für sonstige technische Planung

2.3.1. Überdimensionierte Vorfeldplanung

2.3.2. Kein Bedarf für Satelliten-Terminal (4. Terminal B1)

2.3.3. Gewählter Achsabstand nicht gerechtfertigt

2.3.4. Länge der 3. Start- und Landebahn unbegründet

2.4. Zusammenfassung: kein Allgemeinwohl, kein gewichtiger Belang

2.5. Fehlerhafte und unzureichende Alternativenplanung

2.5.1. Fehlende Nullvariante

2.5.2. Die 2. Stufe des Variantenvergleichs

2.5.3. Die 3. Stufe des Variantenvergleichs

2.5.4. Fehlerhafte Beurteilung des Aspektes Naturschutz

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2.5.5. Fehlerhafte Beurteilung der Lärmauswirkungen

2.5.6. Optimierungen verschaffen Bahnlage 5 b unzulässigen Vorteil

2.5.7. Mängel der Funktionsanalyse in Hinblick auf die Alternativenprüfung

3. Technische Planung S. 37

3.1. Mängel an der Konfigurationsanalyse

3.1.1. Fehlerhafte Grundannahmen

3.1.2. Aspekt der Betriebssicherheit

3.1.3. Stündliche Kapazität

3.1.4. Weitere Defizite der Konfigurationsanalyse

3.2. Weitere Anmerkungen zur technischen Planung

3.2.1. Funktionsnachweis der luftseitigen Verkehrsflüsse

3.2.2. Rollführung

3.3. Sicherheitsrisiken

3.3.1. Anlagensicherheit

3.3.2. Erhöhtes Risiko für Umland einschließlich Atomkraftwerk Oho

3.3.3. Vogelschlaggefahr

4. Umweltverträglichkeit (UVS) - Schutzgüter Mensch, Boden, Land-

wirtschaft, Wald, Wasser S. 43

4.1. Schutzgut Mensch

4.1.1. Lärmbelastung

4.1.1.1 Fehlerhafte Ermittlung der Fluglärmbelastung

4.1.1.2. Bewertung der Gesamtlärmbelastung

4.1.1.3. Bewertung der Lärmbelastung während der Bauphase

4.1.1.4. Belastung der Siedlungsbereiche

4.1.1.5. Kritik am lärmmedizinischen Gutachten

4.1.1.6. Kein Ausschluss weitergehender Schutzmaßnahmen durch FluglärmG n. F.

4.1.2. Schadstoffbelastung

4.1.2.1. Feinstaub (PM10

)

4.1.2.2. Stickstoffdioxid (NO2)

4.1.2.3. Ozon

4.1.2.4. Kohlendioxid, Schwefeldioxid, organische Stoffe

4.1.2.5. Arsen

4.1.2.6. Unzureichende Darstellung von Grenzwertüberschreitungen

4.1.3. Radarstrahlung

4.1.4. Auswirkung auf Wirtschafts-, Siedlungs- und Verkehrsstruktur

4.1.5. Auswirkung auf die Naherholung

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4.2. Schutzgut Wasser

4.2.1. Grundwasser

4.2.1.1. Grundwasserabsenkung

4.2.1.2. Grundwasserqualität

4.2.1.3. Minimierungsmaßnahmen

4.2.1.4. Erhebliche nicht ausgleichbare Auswirkung

4.2.2. Fließgewässer

4.2.2.1. Eingriff

4.2.2.2. Minimierungsmaßnahmen und Kompensation

4.2.2.3. Erhebliche, nicht ausgleichbare Auswirkung

4.2.3. Ökosystem Grundwasser

4.2.4. Wasserrahmenrichtlinie

4.3. Schutzgut Boden

4.3.1. Defizite in der Bewertung des Schutzgutes Boden

4.3.2. Bewertung der Konflikte mit dem Schutzgut Boden

4.3.2.1. Flächenverbrauch und –versiegelung

4.3.2.2. Veränderung des Wasserhaushaltes

4.3.2.3. Stoffeinträge, Problematik der Arsenbelastung

4.3.3. Weitere negative Auswirkungen auf die Böden

4.3.4. Folgewirkungen

4.3.5. Negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft

4.3.6. Fazit: Nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Boden

4.4. Schutzgut Landschaft

5. Umweltverträglichkeit (UVS) - Schutzgut Natur, (Tiere, Pflanzen,

Biologische Vielfalt) / Landschaftspflegerischer Begleitplan (LBP)

S. 85

5.1. Bestandsaufnahme

5.1.1. Bestandsaufnahme Flora und Vegetation

5.1.1.1. Fehlende Darstellungen

5.1.1.2. Bewertung der Ansalbung

5.1.1.3. Einstufung in Wertstufen, Bewertungskriterien

5.1.1.4. Bewertung der Wasserabhängigkeit

5.1.2. Bestandsaufnahme Fauna

5.1.2.1. Erfassung

5.1.2.2. Methodik der Bewertung der Räume

5.2. Bewertung der Eingriffe

5.2.1. Flächenverlust

5.2.2. Grundwasserabsenkung, Veränderung Gewässer

5.2.3. Stickstoffeintrag

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5.2.4. Defizite bezüglich nicht betrachteter Wirkungen

5.2.4.1. Fluglärm

5.2.4.2. Vogelschlag, Wirbelschleppenopfer

5.2.4.3. Kollisionsrisiko und Zerschneidungswirkung

5.2.4.4. Lichtimissionen für nachtaktive Fauna

5.2.4.5. Temperaturänderungen der Oberflächengewässer

5.2.4.6. Schadstoffeinträge

5.2.4.7. Kumulative Wirkungen

5.2.4.8. Auswirkungen auf Schutzgebiete

5.2.5. Biologische Vielfalt, streng/ besonders geschützte Arten

5.3. Maßnahmen

5.3.1. Minimierungsmaßnahmen

5.3.2. Ausgleichsmaßnahmen

5.3.2.1. Wert der bisherigen Ausgleichsflächen

5.3.2.2. Ungeeignete Ausgleichsflächen

5.3.3. Gesamtbewertung: Eingriff weder ausgleichbar noch ersetzbar

5.4. Keine Naturschutzrechtliche Befreiung möglich

6. Umweltverträglichkeit (UVS) – Schutzgüter Luft und Klima, Ge-

samtbewertung S. 114

6.1. Schutzgut Luft

6.2. Schutzgut Klima

6.2.1. Lokalklima

6.2.2. Klimawirksamkeit des Flugverkehrs

6.3. Gesamtbewertung der UVS und Umweltverträglichkeit

6.3.1. Wechselwirkungen

6.3.2. Gesamtbewertung der UVS

6.3.3. Fehlende Umweltverträglichkeit:

7. Europäisches Naturschutzrecht: Gebietsschutz S. 120

7.1. Wirkfaktoren

7.2. FFH-Gebiete

7.2.1. FFH-Gebiet „Moorreste im Freisinger und Erdinger Moos“

7.2.1.1. Methodik

7.2.1.2. Erhebliche Beeinträchtigung

7.2.1.3. Ausgleichsmaßnahmen: im FFH-Gebiet unzulässig

7.2.2. FFH-Gebiet „Isarauen von Unterföhring bis Landshut“

7.2.2.1. Methodik und Erfassung

7.2.2.2. Bewertung der Beeinträchtigung

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7.3. Vogelschutzgebiete: faktisches Vogelschutzgebiet „Nördliches Erdinger Moos“

7.3.1. Gefahr des Vogelschlages und daraus resultierende Konsequenzen

7.3.2. Methodik, Schutzzweck, Erhaltungs- und Entwicklungsziele

7.3.3. Erheblichkeit

7.3.4. Ausgleichsmaßnahmen

7.4. Unzureichende Abweichungsprüfung

7.4.1. Faktisches Vogelschutzgebiet

7.4.2. Unzureichende Alternativenprüfung

7.4.3. Zumutbare Alternativen, kein Vorliegen der zwingenden Gründe des überwiegenden

öffentlichen Interesses

7.5. Unzureichende Kohärenzmaßnahmen

7.5.1. Gesamtwert des Vogelschutzgebietes, Anforderung an Kohärenzausgleich

7.5.2. Defizite des vorgeschlagenen Kohärenzausgleichs

7.6. Zusammenfassung: unüberwindbare Hürden des europäischen Gebietsschutzes

8. Europäisches Naturschutzrecht: Artenschutz S. 148

8.1. Methodik der Erfassung

8.2. Verbotstatbestände

8.3. Unzureichende Minimierungsmaßnahmen

8.4. Fehlerhafte Ausnahmeprüfung

8.4.1. Ungeeignete Ausgleichsmaßnahmen

8.4.2. Verschlechterung des Erhaltungszustandes, kein Verbleiben im günstigen Erhaltungs-

zustand

8.4.2.1. Grundsätzliche Anmerkungen

8.4.2.2. Beispielhafte Darstellung der Verschlechterung des Erhaltungszustandes

8.4.3. Zumutbare Alternative, keine zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen In-

teresses

8.5. Zusammenfassung: unüberwindbare artenschutzrechtliche Verbotstatbestände

9. Betroffenheit als Grundstückseigentümer S. 162

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1. Verfahrensaspekte

1.1. Verfahrensablauf und Beteiligungsfristen

Die 47 Ordner des Planfeststellungsverfahrens gingen bei uns am 23.10.2007 ein. Die DVD

wurde uns einen Tag später zugestellt. Einschließlich des 18.12.2007 bedeutet das als Frist

für die Stellungnahme für den Bund Naturschutz genau 8 Wochen.

Wesentlicher Verfahrensbestandteil eines jeden Verwaltungsverfahrens und auch eines

Planfeststellungsverfahrens ist der Grundsatz des fairen Verfahrens. Er leitet sich aus den

Grundrechten in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ab und ist zwingendes Recht.

Der Grundsatz des fairen Verfahrens soll den Beteiligten im Verwaltungsverfahren die

Durchsetzung ihrer materiellen Rechte sichern. Er wird mit dem vorliegenden Verfahren da-

durch verletzt, dass die Planfeststellungsunterlagen einen kaum zu bewältigenden Umfang

haben (47 Leitz-Ordner mit zahlreichen Fachgutachten) und innerhalb eine sehr kurzen Aus-

legungs- und Einwendungsfrist behandelt werden müssen. Es ist nur mit extremen Aufwand

möglich, auch nur annähernd sämtliche Betroffenheiten zu erkennen, zu prüfen und hierzu

Stellung zu nehmen. Dies ist weder für die BürgerInnen und Kommunen noch für einen Na-

turschutzverband ohne extrem aufwändige Hilfe von außen möglich. Gerade für einen Natur-

schutzverband sind fast alle Aspekte der Auswirkung des Vorhabens relevant, nötig ist die

Einschaltung eigener und externer Fachleute für umfangreiche fachliche Bewertungen und

Überprüfungen sowie die Einholung sachverständiger Stellungnahmen. Dies ist innerhalb

von 8 Wochen weder leistbar noch zumutbar.

Die Kürze der Frist ist auch insofern fehlerhaft, weil die Naturschutzverbände ihre Kenntnisse

den Behörden zur Verfügung stellen sollen und zu Erkenntnisgewinnen beitragen sollen. Zu

einer ordnungsgemäßen Ermittlung und Abwägung der betroffenen Belange gehört auch,

dass dem BN zeitlich ausreichend Gelegenheit gegeben wird, sich vollständig zu äußern.

Es ist insbesondere auch vor dem Hintergrund nicht zumutbar, dass für das relativ große

Vorhaben eine längere Planungsphase und ein größerer Prüfungsumfang nötig war, d.h. die

Planung selbst sehr zeitaufwändig ist. Die FMG als Antragstellerin hat mehr als ein Jahr vor

Einreichung des Plans mit der Ausarbeitung der Unterlagen begonnen. Hierdurch entsteht

ein Ungleichgewicht, so dass die Beteiligten in diesem Verfahren von Anfang an strukturell

gegenüber dem Antragsteller benachteiligt sind. Die Eile der FMG, um in einem internationa-

len Wettbewerb möglichst der schnellste zu sein, darf keinesfalls zu einem Zeitdruck bezgl.

der Äußerungsfrist und damit verbundenen Erkenntnisdefiziten und letztlich einer Aushöh-

lung von Bürger- und Beteiligungsrechten führen.

Selbst Herr MdL Reinhold Bocklet (CSU) hat im Wirtschaftsausschuss des Bayerischen

Landtages bei der Behandlung der Petition zur Fristverlängerung am 29.11.2007 ausgeführt:

„Dass es zu Härten komme, sei wegen des Umfangs des Verfahrens nicht auszuschließen.

Der Beschluss des Bayerischen Landtags vom 18. Oktober 2007 stelle einen Kompromiss

dar.“ (86. WI, 29.11.2007). Dieser Beschluss (Drs. 15/9081) beinhaltet aber neben der Inter-

net-Darstellung nur dass dem Bürger die Möglichkeit kommuniziert werden solle „großzügig

von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, substantiierte Belange in mit fristwahrender Wir-

kung eingelegten Einwendungen nachträglich präzisieren zu können.“ Wo hier der Kompro-

miss sein soll, ist nicht zu erkennen, denn da facto heißt das nach wie vor, dass alles, was

nicht bis zum 18.12.07 „substantiiert“ eingewendet wurde, trotzdem der Präklusion unterliegt.

Es ist zudem durch den Zeitraum der Beteiligung (Ende Oktober bis Ende Dezember) prak-

tisch ausgeschlossen, die Ergebnisse der faunistischen oder vegetationskundlichen Fachbei-

träge selbst zu überprüfen (abgesehen von Durchzüglern und Wintergästen bei den Vögeln).

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Diese strukturelle Benachteiligung ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass die kurze Ein-

wendungsfrist in Art. 73 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG i. V. m. Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG vom Ge-

setzgeber selbst geregelt wurde. Dies kann jedoch nicht als Obergrenze gelten, wenn das

Vorhaben durch den Vorhabenträger derartig mit Unterlagen "überfrachtet" wird, dass eine

ernsthafte Auseinandersetzung mit den Betroffenheiten nicht mehr möglich ist.

Dies gilt erst Recht, wenn man die Folgen der Nichteinhaltung der Frist durch die Planbe-

troffenen bedenkt, da mit Ablauf der Einwendungsfrist alle Einwendungen ausgeschlossen

sind, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen (Art. 73 Abs. 4 Satz 3

BayVwVfG). Schaffen es die Beteiligten nicht, auf sämtliche für sie rechtsrelevante Betrof-

fenheiten einzugehen, sind sie insoweit mit ihren Rechten präkludiert. Eine solche Regelung

ist daher im vorliegenden Fall unverhältnismäßig und führt zu einer nicht gerechtfertigten Be-

schränkung der Rechtsschutzgarantie.

Wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und gegen den

Zweck der Beteiligung eines Naturschutzverbandes liegt ein Verfahrensmangel vor, so

dass das Planfeststellungsverfahren einzustellen ist.

1.2. Raumordnung

Wie wir in bereits in unserer Stellungnahme im Raumordnungsverfahren dargestellt haben,

verstößt das Vorhaben gegen Vorgaben der Raumordnung und Landesplanung.

Zudem ist die landesplanerische Beurteilung der Regierung von Oberbayern rechtswidrig.

Davon unabhängig werden auch zahlreiche Maßgaben der landesplanerischen Beurteilung

nicht eingehalten.

1.2.1. Fehlende Berücksichtigung des europäischen Vogelschutzes

Durch die Einbeziehung des faktischen Vogelschutzgebietes in das Planfeststellungsverfah-

ren haben sich erheblich veränderte Rahmenbedingungen ergeben, die auch aus Sicht der

Raumordnung von großem Belang sind. Diese besonderen Belange des europäischen Vo-

gelschutzes hätten beispielsweise auch in einer (fehlerhaft im Raumordnungsverfahren nicht

durchgeführten) Strategischen Umweltprüfung (SUP) besondere Berücksichtigung finden

müssen.

Die Anhörung zu diesem Vogelschutzgebiet wurde erst nach Abschluss des Raumordnungs-

verfahrens eingeleitet. Bis zur tatsächlichen Ausweisung ist von einem faktischen Vogel-

schutzgebiet auszugehen. In einem faktischen Vogelschutzgebiet sind keine Verschlechte-

rungen zulässig. Somit ist der Antrag der Planfeststellung in dieser Hinsicht hinfällig, da von

vorneherein nicht genehmigungsfähig.

Somit stellt sich aber auch die Frage, ob angesichts dieser neuen Erkenntnisse die landes-

planerische Beurteilung überhaupt noch Gültigkeit besitzen kann, da es zentrale Rahmenbe-

dingungen nicht in die Abwägung einbezogen hat. Dem Raumordnungsverfahren zu Grunde

lag ebenfalls schon die Bahnlage "5 b". Selbst wenn das faktische Vogelschutzgebiet schon

offiziell gemeldet wäre, hätte die landesplanerische Beurteilung in ihrer Abwägung begrün-

den müssen, warum für den Eingriff ins Vogelschutzgebiet keine Alternative bestanden hätte

(Alternativenprüfung). Dies ist nicht erfolgt.

Zum Vogelschutz hätte in jedem Fall schon in der landesplanerischen Beurteilung eine Prü-

fung stattfinden müssen und, da das Vorhaben dem Ziel widerspricht, das Raumordnungs-

verfahren eingestellt werden müssen. Das Vorgehen in der landesplanerischen Beurteilung,

diese Problematik auf das nachfolgende Planfeststellungsverfahren zu verschieben (vgl.

Maßgabe Nr. II 4.3 der landesplanerischen Beurteilung), ist rechtswidrig. Stattdessen hätte

eine eigene Problembewältigung bereits auf der Ebene der Raumordnung vorgenommen

werden müssen.

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Insofern ist die landesplanerische Beurteilung abwägungsfehlerhaft, rechtswidrig und

nicht mehr gültig. Die eingereichte Planung ist somit nicht fehlerfrei raumgeordnet!

Selbst wenn das Defizit ausschließlich ein fachliches Defizit wäre, wäre fraglich, ob dieses

formell innerhalb des Planfeststellungsverfahrens abgearbeitet werden kann, da die Belange

des Naturschutzes ein erheblicher Belang gerade auch in der Raumordnung sind.

1.2.2. Weitere Fehler der landesplanerischen Beurteilung

Im übrigen ist darauf zu verweisen, dass zahlreiche der von uns im Raumordnungsverfahren

vorgebrachten Einwände in der landesplanerischen Beurteilung der Regierung von Ober-

bayern gar nicht oder absolut unzureichend behandelt worden sind. Wir halten die von uns

vorgebrachten Einwendungen hierzu ausdrücklich aufrecht und machen sie vollinhaltlich zum

Gegenstand dieser Stellungnahme.

Ein weiteres Abwägungsdefizit besteht unseres Erachtens in der fehlenden Berücksichtung

der Einwendungen zahlreicher Kommunen und von 41.673 Bürgern (!). Die Kommunen hat-

ten ihre Ablehnung auch im sogenannten Nachbarschaftsbeirat (der nie die Notwendigkeit

einer 3. Bahn grundsätzlich in Frage stellen durfte) frühzeitig dargestellt. In der 11. Nachbar-

schaftsbeirats-Sitzung am 15.07.2006 fasste schließlich die breite Mehrheit der Mitglieder

des Nachbarschaftsbeirats den Beschluss, den Bau der nunmehr beantragten 3. Start- und

Landebahn abzulehnen. Es darf nicht ignoriert werden, dass die in der „Schutzgemeinschaft

Freising, Erding Nord und Umgebung e.V.““ zusammengeschlossenen Umland-Kommunen

das Vorhaben einhellig ablehnen.

1.2.3. Auflagen der landesplanerischen Beurteilung

Im übrigen ist auch an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass zahlreiche der Auflagen, die in

der landesplanerischen Beurteilung als Voraussetzung aufgeführt werden (vgl. UVS 1-17 ff)

durch die Planung des Planfeststellungsverfahrens nicht erfüllt werden können.

Wir verweisen hierzu auf unsere Ausführungen zu den einzelnen Schutzgütern der UVP

(s.u.). Dies betrifft insbesondere Vorgaben zum Naturschutz (Auflagen 4.1. und 4.2. – je-

doch: weder ist eine Beschränkung auf das unvermeidbare Maß erfolgt noch sind alle Ein-

griffe ausgleich- und ersetzbar), zum Wasserschutz (Auflage 6.1. – jedoch: schädliche Aus-

wirkungen auf Oberflächengewässer und Grundwasser sind nicht auszuschließen / Auflage

6.2. – jedoch: die Grundwasserabsenkung ist nicht auf das unbedingt notwendige Ausmaß

begrenzt bzw. außerhalb des Flughafens minimiert), zum Bodenschutz oder zum Schutzgut

des Menschen (diverse Auflagen, z.B. 5.1. – jedoch: die Immissionsbelastungen sind nicht

minimiert, es fehlt ein Konzept zur Lärmvermeidung bzw. –minimierung / ähnlich 5.2. oder

5.5.).

Die vorgelegten Antragsunterlagen lösen weder die durch das Vorhaben hervorgerufenen

Konflikte selbst, noch ist das Minimierungsgebot in zahlreichen Belangen erfüllt.

Dies widerspricht der Maßgabe der landesplanerischen Beurteilung.

1.3. Rechtliche Grundlagen

Obwohl die ursprüngliche luftrechtliche Genehmigung des Bayerischen Staatsministeriums

für Wirtschaft und Verkehr nach § 6 Abs. 1 Satz 1 LuftVG vom 09.05.1974 vier parallele

Start- und Landebahnen vorgesehen hatte (zwei Hauptbahnen mit einer Länge von 4.000 m

und einer Breite von 60 m sowie zwei Nebenbahnen mit einer Länge von 2.500 m und einer

Breite von 45 m), wurde diese Planung schon im Planfeststellungsbeschluss der Regierung

von Oberbayern vom 08.07.1979 auf ein Dreibahnsystem reduziert und im anschließenden

bestandskräftigen Planänderungsbeschluss vom 07.06.1984 schließlich auf das umgesetzte

unabhängige Zweibahnsystem festgelegt. Seit seiner Eröffnung am 17.05.1992 wird der Ver-

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 12

kehrsflughafen München mit einem unabhängigen Zweibahnsystem betrieben. Auch wenn

die insoweit bislang unveränderte luftrechtliche Genehmigung vom 09.05.1974 (zuletzt ge-

ändert durch Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 23.03.2001 – Nachtflugregelung)

mittlerweile seit nunmehr 23 Jahren nicht dem Ergebnis der Planfeststellung von 1984 ange-

passt wurde, ist explizit darauf hinzuweisen, wegen des Vorrangs der Planfeststellung nach

§ 6 Abs. 4 Satz 1 LuftVG auch genehmigungsrechtlich nur ein Betrieb mit zwei Start- und

Landebahnen zulässig ist. Fachplanungsrechtlich ist somit derzeit nur ein zweibahniger Be-

trieb zugelassen.

Mit dem heute bestehenden System können sämtliche betriebenen Luftfahrzeuge in Mün-

chen starten und landen.

1.4. Inhalt der Planfeststellung

Gegenstand der Planfeststellung ist

• die Errichtung einer neuen Start- und Landebahn,

• zusätzliche Rollwege zur Anbindung der neuen Start- und Landebahn an das bestehen-

de Start- und Landebahnsystem, die dem ICAO Code "F" entsprechen und eine Breite

von 30 m haben.

• Vorfeldflächenerweiterungen östlich des bestehenden Vorfelds. Die Vorfelderweiterung

ist dabei so dimensioniert, dass in der Spitzenstunde unter Ansatz des prognostizierten

Flugzeugmixes für alle Flugzeuge ein Standplatz zur Verfügung steht.

• Errichtung von weiteren Abfertigungseinrichtungen (Hochbauflächen). Hierzu soll ein

Satellitengebäude B 1 auf sieben Ebenen Räume zum Aufenthalt und die Beförderung

von Passagieren mit der notwendigen Passagiertrennung (Schengen/Non-

Schengen/Non-EU), einschließlich Kontrollbereichen sowie Gastronomie und Retailbe-

reichen und einer Anbindung des Personentransportsystems vorgesehen.

• Flächen für die Betriebsbereiche Allgemeine Luftfahrt (General Aviation), Fracht

und Flugzeugwartung, so u. a. im Bereich der heutigen Schneedeponie hochbauliche

Entwicklungsflächen für zwei Rampengerätestationen sowie Gepäcksortierung, Fracht-

zwischenlagerung usw.

Dagegen sind etliche Gutachten und Pläne nicht Gegenstand der Planfeststellung

(Antrag und Erläuterung S. 37 ff), darunter auch für die Beurteilung von Auswirkungen

wesentliche Gutachten wie das Vogelschlaggutachten. Dessen Aussagen tauchen

zwar an verschiedenen Stellen immer wieder auf, es ist jedoch unklar, ob die dort vor-

geschlagenen Maßnahmen zur Minimierung des Vogelschlages tatsächlich planfestge-

stellt werden sollen.

Dies gilt analog für weitere wichtige Gutachten.

Eine Festlegung wäre aber für eine tatsächliche rechtssichere Beurteilung der Auswirkungen

wesentlich.

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 13

2. Fehlende Planrechtfertigung (Bedarfsbegründung, Alternativen-

prüfung)

Die FMG schreibt in den Antragsunterlagen, dass der Ausbau zur „Sicherung der Wettbe-

werbsfähigkeit des Verkehrsflughafens München als europäischer Umsteigeflughafen (Hub-

Funktion) geboten“ ist. Ein Großteil des angestrebten Wachstums soll durch Umsteiger und

somit durch Zubringerflüge erzielt werden. Die Lufthansa (LH) will MUC als internationales

Drehkreuz ausbauen. Die mit kleineren Jets herbeigeflogenen Passagiere aus Norditalien,

Slowenien, Schweiz, Slowakei etc. soll in MUC in Großraumflugzeuge umsteigen und nach

Fernost, Nordamerika etc. weiterfliegen.

Bereits heute sind 10,4 Mio. Passagiere Umsteiger (34%), diese Zahl soll bis 2020 auf 25,5

Mio. (45%) gesteigert werden. Das Wachstum mit der 3. Bahn bedeutet also im wesentlichen

eine Erhöhung des Umsteigeranteils von 34% auf 45%, ohne 3. Bahn würde der Umsteiger-

anteil leicht sinken (30%). Die mit der 3. Bahn zusätzlich erzeugten Umsteiger-Passagiere

verlassen den Flughafen in der Regel nicht und bringen der Region gar nichts.

Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Prognosen für den Flughafen München

mit und ohne 3. Bahn nach dem Gutachten von Intraplan (2007, eigene Zusammenstel-

lung).

Im folgenden wird dargestellt, dass diese Prognosen als Planrechtfertigung nicht haltbar

und geeignet sind. Die Planrechtfertigung ist Voraussetzung für die Genehmigungsfähigkeit

eines Ausbaus nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG ist, ein Erfordernis jeder Fachplanung und ei-

ne Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen

in private oder gemeindliche Rechte verbunden ist. Voraussetzung ist danach, dass für das

beabsichtigte Vorhaben gemessen an den Zielsetzungen des jeweiligen Fachplanungsge-

setzes ein Bedarf besteht. Die geplante Maßnahme muss also unter diesem Blickwinkel ob-

jektiv erforderlich sein. Die Planrechtfertigung ist dann gegeben, wenn das Vorhaben ver-

nünftigerweise geboten ist und ein Bedarf besteht.

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Die Planrechtfertigung ist für das beantragte Vorhaben jedoch nicht gegeben:

• Das beantragte Vorhaben entspricht entgegen der Behauptung der Antragstellerin (vgl.

Antragsbegründung auf S. 153) keiner Bedarfslage, wie sie bei einer vorausschauenden

Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit zu erwarten wäre. Das Ge-

genteil ist der Fall (s.u. Kap. 2.1., 2.2., 2.3.).

• Ohne den geltend gemachten Bedarf werden mit dem Ausbauvorhaben auch keine öffent-

lichen Zwecke i. S. v. § 8 Abs. 1 LuftVG erfüllt (s.u. Kap. 2.4.).

• Es sind Alternativen vorhanden (Nullvariante, s.u. Kap. 2.5.)

Danach lässt sich ein dringlicher Bedarf, der geeignet wäre, die objektiv gewichtigen,

der Planung entgegenstehenden öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der

fachplanerischen Abwägung zu überwinden, nicht nachweisen.

Die Gründe für die Beantragung der 3. Start- und Landebahn sind weder stichhaltig

noch zwingend.

Bezogen darauf, dass die Prognose den beantragten Ausbau begründen soll, ist insgesamt

festzuhalten, dass:

• der Anteil des Umsteigeverkehrs deutlich überschätzt wird,

• die Ladefaktoren im Planungsfall und im Prognosenullfall ungewöhnlich niedrig sind,

• die Bewegungsaufkommen aller Verkehrssegmente deutlich überschätzt werden,

• für alle Aufkommen keine nachvollziehbaren Belege aufgeführt werden (z. B. im inner-

deutschen Verkehr Zuwächse unterstellt werden, die aufgrund des Ausbaus der Hochge-

schwindigkeitstrassen der Bahn und der zunehmenden Direktverkehre, sowohl am Flug-

hafen München als auch auf anderen deutschen Flughäfen, nicht vorkommen werden)

• das für 2020 prognostizierte Originäraufkommen den oberen Entwicklungspfad wieder-

gibt,

• aus der Region kein Bedarf für eine 3. Bahn besteht (Das Einzugsgebiet des Flughafens

München ist im Vergleich zu anderen großen Flughäfen relativ klein).

• die unterschiedlichen Verkehrszahlen der beiden Planungsfälle im Jahr 2010 jeder Logik

widersprechen.

Dies wird im folgenden ausführlich begründet.

Das Prognoseergebnis ist weder plausibel noch nachvollziehbar. Die vorliegende

Prognose ist auch in ihrer aktualisierten Form nicht geeignet, den Ausbaubedarf für

den Flughafen München zu begründen.

Der bis 2020 zu erwartende Verkehr kann ohne Erweiterung der flugbetrieblichen Anlagen

auf und mit den bestehenden Anlagen abgewickelt werden.

„Die Forderung der Lufthansa nach Errichtung einer Start- und Landebahn ist sachlich nicht

begründet“, so der damalige Verkehrsminister Otto Wiesheu auf eine mündliche Anfrage des

Landtagsabgeordneten Ch. Magerl vom 27.11.2003. An dieser Einschätzung hat sich bis

heute nichts geändert.

Die geplante Start- und Landebahn dient einzig und allein Lufthansa für den Ausbau

von MUC als internationales Drehkreuz im internationalen Wettbewerb. Damit entspricht

die geplante 3. Bahn nicht dem Gesellschaftervertrag der Flughafen München GmbH. Laut

Gesellschaftervertrag hat die FMG den Verkehrsbelangen Bayerns und der Landeshaupt-

stadt München zu dienen: „Die Flughafen München GmbH dient den Verkehrsbelangen

des Landes Bayern und der Stadt München im innerdeutschen und internationalen

Luftverkehr. Sie ist ausschließlich und unmittelbar zum Nutzen der Allgemeinheit tä-

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tig.“ Dafür sind die bestehenden Bahnen ausreichend. Angebliche Kapazitätsengpässe sind

hausgemacht und liegen einzig und allein an den rücksichtslosen Expansionsplänen der

FMG und einer völlig verfehlten Strategie der Unternehmensführung, die zu Lasten des

Flughafenumlandes geht.

Letztlich geht es um einen gnadenlosen internationalen Wettbewerb auf Kosten des Umlan-

des. Dies bestätigt auch Finanzminister und FMG-Aufsichtsratvorsitzender Kurt Faltlhauser:

„Nur mit einem zeitnahen Beginn des Planfeststellungsverfahrens kann der Flughafen Mün-

chen seine Chancen zur Weiterentwicklung wahren.“ Schließlich seien auch konkurrierende

Standorte dabei, ihre Kapazitäten auszubauen. (SZ Freising, 07./08.07.2007

Ziel des Antrages ist es somit, auf Kosten des Umlandes immer mehr Verkehr nach

München zu locken, um so einen Ausbau scheinbar zu rechtfertigen. Um dies zu errei-

chen, werden alle Möglichkeiten, die jetzige Kapazität des Flughafens zu verringern, ausge-

nutzt. Ein Großteil der prognostizierten Nachfrage entstünde überhaupt nur durch den Aus-

bau und einer entsprechenden Angebotserweiterung. Daraus folgt: Die dritte Start- und Lan-

debahn würde einen Bedarf decken, der ohne sie gar nicht erst entstünde. Eine Maßnahme,

die aus ihren eigenen Folgen die Begründung für ihre Notwendigkeit herleitet, ist

schlicht und ergreifend Unfug.

2.1. Methodische Mängel an der Luftverkehrsprognose 2020

Die Luftverkehrsprognose 2020 weist zahlreiche Mängel auf. Dies betrifft sowohl die Metho-

dik als auch die Ergebnisse. Die Defizite hinsichtlich der Ergebnisse werden in Punkt 2.2.

zusammen mit den allgemeinen Defiziten der Bedarfsbegründung dargestellt. Die folgenden

Ausführungen beziehen sich nur auf die methodischen Mängel.

In der Luftverkehrsprognose erfolgt keine nachvollziehbare Berechnung des Marktpoten-

tials. Da der Gutachter weder konkrete Eingangsdaten (Verkehrsmatrix, Passagierbefra-

gung, usw.) benennt, noch deren Einfluss auf das Prognoseergebnis nachvollziehbar erläu-

tert, kann das Prognoseergebnis ebenso richtig wie falsch sein; nachvollziehbar ist es jeden-

falls nicht. Die Prognoseergebnisse treten unvermittelt auf. Insgesamt erscheint die Progno-

se als "Black Box" und ist daher nicht geeignet, den Ausbau zu begründen.

Bei der Berechnung des Marktpotentials beschreibt der Prognosegutachter sein Modell abs-

trakt theoretisch, benennt die Einflussgrößen, ohne diese jedoch zu quantifizieren oder deren

Einfluss auf das Rechenergebnis offen zu legen. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass

der Prognosegutachter "Standardtexte" verwendet, um die "solitäre Lage" des Flughafens

München zu beschreiben.

Obwohl der Prognosegutachter erkennt, dass bestimmte Urlaubsgebiete neu entwickelt wer-

den und hohe Wachstumsraten aufweisen, andere Gebiete dagegen stark entwickelt sind

und nicht mehr so hohe Wachstumsraten zu erwarten sind, kommt der Planungsflugplan zu

dem Ergebnis, dass vom Flughafen München vorwiegend die bereits stark entwickelten Ur-

laubsgebiete, mit nicht mehr so hohen Wachstumsraten angeflogen werden sollen. Eine va-

lide Berechnung des Marktpotentials für den Flughafen München kann aus dieser Prognose

nicht entnommen werden.

Bei der Aktualisierung der Prognose fällt des Weiteren auf, dass sich nicht nur die Datenba-

sis verändert hat, sondern sich auch die Prognoseergebnisse verändert haben. Offensicht-

lich reagiert das Prognosemodell des Gutachters äußerst sensibel auf kurzfristige Verände-

rungen von Planungsdaten und -grundlagen, die sich aus dem Planungsbezugsjahr und der

neueren Passagierbefragung ergeben. Damit wird auch die Schwäche des Prognosemodells

manifest. Offensichtlich können im Prognosemodell keine zurückliegenden, langfristig stabi-

len Trends berücksichtigt werden oder in das Modell einfließen.

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Die in der vorliegenden Prognose angewandte Methodik ist komplex. Die Bestimmungsgrö-

ßen und Prognoseprämissen sind für das Ergebnis der Prognose von zentraler Bedeutung,

da sich Fehler in den Eingangsgrößen in den weiteren Prognosestufen fortsetzen können.

Dabei wird die Validität der vom Gutachter benannten Eingangsgrößen (Fluggastbefragun-

gen, unter anderem) der Prognose – wie oben kurz erwähnt – weder belegt noch werden sie

nachvollziehbar dargelegt. Eine Überprüfung der vom Gutachter benannten Quelle-Ziel-

Matrix 2005, die sich unter anderem auf die nur ihm vorliegende Fluggastbefragung bezieht

und entscheidenden Einfluss auf das Prognoseergebnis hat, ist nicht einmal ansatzweise

möglich.

Ebenso sind die Aussagen des Gutachters zum Gleichgewicht zwischen Angebot und Nach-

frage nicht nachvollziehbar. Zwar behauptet der Gutachter, dass er für den Prognosezeit-

raum Luftverkehrsangebote auch für die Konkurrenzflughäfen einstelle. Nachweise darüber

werden aber nicht erbracht. Gerade aber an diesem Punkt sind erhebliche Zweifel am

schließlich vorgelegten Prognoseergebnis anzumelden. Hat doch der Gutachter jede Frei-

heit, sein Netzmodell über Flugzeuggrößen, Anzahl der Flüge, Destinationen, Häufigkeit oder

einer Kombination aus allen Teilbereichen zu verändern. Da aber dieses Netzmodell einen

herausragenden Einfluss auf das Prognoseergebnis hat, müssen die Annahmen des Gutach-

ters in der Prognose dokumentiert sein. Da dies nicht der Fall ist, sind berechtigte Zweifel am

Prognoseergebnis angebracht.

Auch bei den weiteren Prognoseannahmen des Gutachters können berechtigte Zweifel an

der Validität der Ergebnisse getroffen werden. So ist die Hypothese der Bruttowertschöp-

fung als Indikator für die Einkommensentwicklung vor dem Hintergrund der zunehmenden

Spreizung der Einkommensentwicklung und der deutlich unterschiedlichen regionalen Ent-

wicklungen in Frage zu stellen. Dies trifft ebenso auf die Annahme der stabilen Luftverkehrs-

preise (Ticketpreise) zu. Zeigt doch die Entwicklung der letzten Jahre "stabile Luftverkehrs-

preise" nur auf dem Ticket an. Während die Luftverkehrspreise offiziell "stabil" blieben, wur-

den die Kosten zu Lasten der Nutzer umgeschichtet (Buchungsgebühren in den Reisebüros

und im Internet, Flugbenzinzuschläge, Zuschläge für Sicherheitsgebühren, Steuern, usw.).

Wird unterstellt, dass auch die durch den Luftverkehr verursachten Umweltkosten durch E-

missionshandel, Lärmzuschläge auf Flughafenentgelte usw. auf den Luftverkehr und damit

auf den Nutzer zukommen, ist die Annahme von stabilen Ticketpreisen nicht zu halten.

Nachweise seiner Annahmen zu den stabilen Luftverkehrspreisen liefert der Gutachter

nicht. Sensitivitätsuntersuchungen zu veränderten Ticketpreisen werden nicht eingestellt.

Zwar behauptet der Gutachter, sein Prognosemodell in iterativen Schritten zu kalibrieren,

Nachweise, Dokumentationen und verwendete reale Daten stellt er aber nicht ein. Damit sind

die Ergebnisse des Gutachters nicht nachvollziehbar und nicht überprüfbar.

Generell kann somit festgehalten werden, dass die vorliegende Prognose weder nach-

vollziehbar noch begründet ist und einen Ausbaubedarf für den Flughafen München

nicht begründen kann.

Im Rahmen seiner Bearbeitung für den Bundesverkehrswegeplan hat der Gutachter

Intraplan mit Forschungsmitteln des Bundesverkehrsministers das beschriebene Prognose-

modell entwickelt. Entwickelt mit der Maßgabe, dass die Ergebnisse für alle Wettbewerber

verfügbar sein müssen. Derzeit ist die Verkehrsmatrix des Jahres 1998 verfügbar. Der Gut-

achter verwendet aber offensichtlich eine Verkehrsmatrix von 2005, die nicht zugänglich ist.

Schließlich weist die vom Prognosegutachter verwendete Prognosetechnik und -methodik

erhebliche Defizite in Bezug auf Nachvollziehbarkeit der Eingangsdaten und Ergebnisse auf.

Dies wird auch offensichtlich bei der unterschiedlichen Entwicklung des vom Gutachter ermit-

telten Verkehrsaufkommens im Planungsfall und im so genannten Prognosenullfall. Da bis

2010 nicht damit gerechnet werden kann, dass die beantragte 3. Piste in Betrieb geht, muss

die Verkehrsentwicklung bis 2010 gleich verlaufen, da der Ausbau noch keinen Einfluss auf

das Verkehrsergebnis haben kann. Weshalb aber im Passagieraufkommen des Jahres 2010

ein Delta von rund 2 Mio. Passagieren pro Jahr und bei Umsteigeraufkommen der Anteil von

39 % auf 33 % sinken soll, wird nicht erläutert. Die "fehlenden" Kapazitäten in 2010 können

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jedenfalls nicht der Grund für das Delta zwischen Planungsfall und Prognosenullfall sein, es

müssen andere Gründe hierfür vorliegen; diese werden aber vom Gutachter nicht benannt.

Ebenso pauschal weist der Prognosegutachter auf die Konkurrenzsituationen, Allianzbildun-

gen, Preisentwicklungen, Wirtschaftswachstum, sozioökonomische und soziodemographi-

sche Entwicklungen, Ausbauten anderer Verkehrsträger und Wahlverhalten potentieller Pas-

sagiere hin. Nachvollziehbar sind die Einflüsse der einzelnen Bestimmungsgrößen auf das

Prognosemodell nicht.

Eine Überprüfung der Prognoseergebnisse ist nur bei Offenlage des vollständigen Progno-

semodells und aller Einflussgrößen möglich. Nachvollziehbar sind die Ergebnisse nicht.

2.2. Fachlich fehlerhafte Bedarfsbegründung

Die FMG beruft sich auf das „Flughafenkonzept der Bundesregierung vom August 2000“.

Dieses Flughafenkonzept enthält jedoch keine verbindliche Festlegung von Umweltzielen,

wirtschaftliche Impulse werden überschätzt und es fehlt ein flughafenspezifisches Gestal-

tungsszenario zur Ermittlung der Auswirkung von Verlagerungen der Kurzstreckenflüge auf

die Bahn, von Effizienzsteigerungen und politisch angestrebten Vermeidungsmaßnahmen

(Klimaschutz !). Das Flughafenkonzept ist zudem zudem keineswegs verbindlich.

Dem entspringt der sog. „Masterplan“ der Initiative „Luftverkehr für Deutschland“ in der sich

die Lufthansa, die FMG, die Fraport und die DFS zusammengeschlossen haben (unter der

Schirmherrschaft der Bundesregierung vertreten durch das Bundesverkehrsministerium). Der

Masterplan ist unter Ausschluss der Öffentlichkeit entstanden und von den politischen Gre-

mien allenfalls zur Kenntnis genommen worden. Diese Initiative verweist auf den Bundesver-

kehrswegeplan des Bundesverkehrsministeriums.

Andere beschlossene und verbindliche Konzepte und Strategien der Bundesregierung wie

insbesondere die „Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung“ (2002) oder die Verpflich-

tungen zum Klimaschutz oder die „Biodiversitätsstrategie“ finden dabei weder Erwähnung

noch Berücksichtigung.

Grundlage sind jeweils Gutachten von Intraplan Consult GmbH, für das beantragte Vorhaben

wurde eine aktualisierte Luftverkehrsprognose 2020 für den Flughafen München vom

26.07.2007 (Gutachten 01 in Ordner Nr. 39) erstellt.

Sinn und Zweck des Gutachtens war es nicht, zu untersuchen, ob eine dritte Start- und Lan-

debahn überhaupt irgendwann erforderlich sein könnte, sondern lediglich eine Begründung

des Vorhabens zu liefern. Hierzu liefert Intraplan angeblich „abgesicherte Prognosen zum

Luftverkehr“. Dass dies gerade nicht der Fall ist, wird im Folgenden nachgewiesen. Die von

Intraplan prognostizierten Zahlen beruhen in wesentlichen Teilen auf vollkommen un-

realistischen Annahmen. Die Antragsbegründung sowie die vorgelegte Bedarfsprog-

nose weisen zahlreiche inhaltliche und methodische Fehler auf. Daran haben auch die

geringfügigen Änderungen durch die Aktualisierung des Gutachtens (auf das Jahr 2006) im

Vergleich zum Raumordnungsverfahren nichts geändert, wir verweisen insoweit auf unsere

bereits im Raumordnungsverfahren vorgebrachten Einwände. Es wurde zudem der falsche

Bezugszeitraum des Jahres 2004 oder der Planungshorizont 2020 grundsätzlich nicht geän-

dert. Das Planungsbezugsjahr 2004 hätte für ein Planfeststellungsverfahren im Jahr 2008

bei allen eingestellten Gutachten, Planungen und Untersuchungen auf das Jahr 2006 aktua-

lisiert werden müssen, um belastbare Grundlagen zur Verfügung zu haben.

Im Ergebnis lässt sich die von der Antragstellerin behauptete Bedarfslage nicht dar-

stellen.

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Allen Annahmen zugrunde gelegt wurde die „Arbeitshypothese der Engpassfreiheit“, das

heißt, es wurden keine tatsächlichen oder künftig möglichen Kapazitätseinschränkungen un-

terstellt, die durch die heutige Konfiguration des Flughafens München mit zwei Start- und

Landebahnen bedingt sind. Dieses Vorgehen ist völlig unzulänglich. Ausgehend von einem

„Idealzustand“ und unter Einbeziehung der jeweils günstigsten aller vorhandenen

Prognoseparameter, die eher Wunschdenken als den realen Möglichkeiten entspre-

chen, bei gleichzeitiger Nichtbeachtung aller „Störfaktoren aus der Wirklichkeit“

kommen die Gutachter zu dem geforderten Ergebnis.

Eine derartig willkürliche Vorgehensweise ist grundsätzlich entschieden abzulehnen.

2.2.1. Verspätungswert

Von der FMG wird ein durchschnittlicher Verspätungswert von 4 Minuten/ Bewegung ge-

fordert (vgl. Antragsbegründung auf S. 132). Das Nichteinhalten und die Verursachung von

Verspätungen wird ausschließlich den steigenden Verkehrszahlen und nicht ausreichender

Flugsicherungskapazität zugeschrieben. Dies ist jedoch nicht haltbar: laut DFS-Statistik wa-

ren beispielsweise im Januar 2006 Verspätungen zu 91,6 % wetterbedingt (31109 Minuten)

und nur zu 4,6 % durch die Flughafenkapazität bedingt (1584 Minuten). Die Hauptfaktoren

von Verspätungen (Wetter und Notfälle) sind auch durch eine dritte Bahn nicht zu beeinflus-

sen. Dass es bei ungünstigen Witterungsbedingungen zu Verzögerungen kommt, ist eine

Tatsache an allen Flughäfen. Die Auswirkungen ungünstiger Witterungsbedingungen auf den

Luftverkehr sind auch mit weiteren Start- und Landebahnen nicht zu verhindern. Die Anfällig-

keiten des Luftverkehrs liegen in dem Element, in dem er sich bewegt. So erfordern winterli-

che Verhältnisse risikobewusstes Verhalten. Dies führt automatisch zu Kapazitätseinschrän-

kungen oder Verkehrsbehinderungen auf den Flughäfen als Kristallisationspunkte des Luft-

verkehrs.

Mit der 4-Minuten-Regel wird die planbare Auslastung des vorhandenen Zweibahnsystems

auf 80 % reduziert, um so einen ineffektiven und unwirtschaftlichen Ausbau des Flughafens

zu begründen. Kein privatwirtschaftlicher Betrieb würde sich eine solche ineffektive Auslas-

tung seines Betriebssystems leisten können. Es stellt sich somit die Frage, ob Unternehmen

in staatlicher Hand Argumente der Daseinsvorsorge für ineffektive und unwirtschaftliche Aus-

baumaßnahmen nur deshalb geltend machen können, weil sie im Fall der betrieblichen Ver-

luste einen durch Steuergelder finanzierten betrieblichen Verlust dauerhaft verkraften kön-

nen.

Dass die 4-Minuten-Regel im Übrigen unsinnig ist, weist die Pünktlichkeitsstatistik des Flug-

hafens München nach. Dort werden Flüge mit einer Verzögerung von weniger als 15 Minuten

in einer Rubrik aufgeführt, während Flüge mit mehr als 15 Minuten Verzögerung in einzelne

Zeitbereiche aufgegliedert werden: Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen: "Im

internationalen Luftverkehr gilt ein Flug als pünktlich, wenn er nicht mehr als fünfzehn Minu-

ten von der im Flugplan vorgegebenen Zeit abweicht."

Zur Erläuterung: Flugpläne, auch die Planungsflugpläne, werden in einem Zeitraster von 5-

Minuten erstellt. Damit wird deutlich, dass bei mehr als einer Flugbewegung pro Start- und

Landebahn während einer Flugplaneinheit (5 Minuten) in jedem Fall eine Verzögerung auf-

tritt. Dazu kommen noch die durch die Wirbelschleppen verursachten Staffelungsabstände.

Bei einem ungünstigen Flugzeugmix, "Light" folgt "Heavy", entspricht dies allein bei zwei An-

flugbewegungen laut Staffelungsmatrix der Gutachter 2,7 Minuten Verzögerung. Schon bei

drei aufeinander folgenden "Heavies" beträgt die Verzögerung 4,4 Minuten. Dieses von den

Gutachtern gewählte Kriterium ist deshalb nicht geeignet, die Kapazität einer Start- und Lan-

debahn, geschweige denn eines Mehr-Bahn-Systems unter realen Bedingungen, zu simulie-

ren oder zu ermitteln. Durch die derzeit erforderlichen Wirbelschleppenstaffelungen beträgt

die Mindeststaffelung zweier aufeinander folgenden Flugzeuge 1 Minute und damit die Ver-

zögerung ebenfalls eine Minute. Dieser Wert könnte nur unterschritten werden, wenn für je-

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des landende und jedes startende Flugzeug jeweils eine eigene Bahn zur Verfügung gestellt

würde. Dies wäre nicht nur unter ökonomischen, sondern auch praktischen Bedingungen un-

sinnig.

Diese von der FMG benannten sub-optimalen 4-Minuten pro Stunde werden in der Fachpla-

nung nur auf den typischen Spitzentag angewandt. Auf die Tatsache, dass das Verspä-

tungskriterium nicht für die Kapazitätsermittlung einer Stunde geeignet ist, weisen die Gut-

achter im Übrigen selbst hin, indem sie auf die Kriterien der Zivilen Luftfahrtbehörde der Ver-

einigten Staaten von Amerika (FAA-Kriterien) verweisen, nach denen ein Flughafen seine

praktische Kapazität erreicht, wenn das Verspätungsniveau nicht mehr als 4 bis 6 Minuten

beträgt. Mit der Vorgehensweise der FMG wird die Kapazität des bestehenden Pisten-

systems heruntergerechnet und damit die Notwendigkeit eines Ausbaus begründet.

Die in den Antrag eingestellte Luftverkehrsprognose schließlich soll die Begründung

für den Ausbau liefern.

Eine Engpasssituation ist entgegen der Behauptung der FMG auch für den Planungszeit-

raum bis 2020 nicht zu befürchten. Dies weisen sowohl die dem Antrag auf Planfeststellung

beigefügte Luftverkehrsprognose 2020 als auch die dem Antrag beigefügten Analysen des

Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) und die der Deutschen Flugsiche-

rung GmbH (DFS) nach.

Die von der DFS geltend gemachte und von der FMG übernommene Störanfälligkeit des be-

stehenden Zweibahnsystems ist ausschließlich dem Privatisierungsbestreben – geringe Per-

sonalkosten – der DFS geschuldet und nicht der tatsächlichen betrieblichen Situation.

Wir verweisen auch hierauf: „Am Münchner Flughafen wurde 2002 der beste Pünktlichkeits-

wert seit sieben Jahren verzeichnet. Im Jahr 1995 waren am neuen Airport 79,1 Prozent aller

Starts und Landungen pünktlich. Obwohl das Verkehrsaufkommen seit diesem Zeitraum um

rund 64 Prozent auf einen neuen Rekordwert bei Starts und Landungen angewachsen ist, ist

der Anteil der pünktlichen Flüge nicht zurückgegangen, sondern vielmehr auf die neue

Höchstmarke von 83,5 Prozent gestiegen. Bei der Anzahl der Flugbewegungen belegt der

Münchner Airport mittlerweile Platz 6 unter den großen europäischen Luftverkehrsdrehschei-

ben. Damit weist der Flughafen unter den drei größten deutschen Airports die höchste Pünkt-

lichkeitsrate auf. Dies ist zum einen auf das leistungsfähige Zweibahnsystem sowie die mo-

dernen technischen Einrichtungen am Münchner Flughafen zurückzuführen. Zum anderen

beruht die kontinuierliche Zunahme der Pünktlichkeit in den letzten Jahren auf einer guten

Zusammenarbeit zwischen der Deutsche Flugsicherung GmbH, den Fluggesellschaften so-

wie den Mitarbeitern des Bodenverkehrsdiensts der Flughafen München GmbH." (Quelle:

www.munich-airport.de).

Eine etwaige Verspätungsproblematik kann somit einen Ausbau am Flughafen Mün-

chen nicht begründen.

2.2.2. Tatsächliche und prognostizierte Kapazität, Koordinationseckwerte

Koordinationseckwert

Die von der FMG für das derzeit betriebene parallele Bahnsystem angegebene Kapazität

von 90 Fbw/h stellt den aktuellen Koordinationseckwert dar. Dieser gibt jedoch keinesfalls,

wie die TAAM-Simulation der DFS in den Antragsunterlagen belegt, die maximal planbare

Kapazität des bestehenden Bahnsystems wieder. Alleine eine zurückhaltende konservative

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 20

analytische Bewertung des bestehenden Bahnsystems zeigt einen möglichen Koordinati-

onseckwert von mindestens 98 Fbw/h und damit unter Berücksichtigung des Überschrei-

tungskoeffizienten einen möglichen Spitzenwert von 110 Fbw/h auf. Mit diesen Werten kann

aber mehr Verkehr unter guten Bedingungen und international akzeptierten Verzögerungen

abgewickelt werden, als es die wahrscheinliche Verkehrsentwicklung erfordert. Bei Berück-

sichtigung des Überschreitungskoeffizienten und der vom Prognosegutachter ermittelten 120

Fbw/h ergibt sich ein Koordinationseckwert von 104 Fbw/h im Jahr 2020 – ohne Ausbau!

Wir verweisen auch darauf, dass auch der ehemalige Hauptgeschäftsführer der FMG, Willi

Hermsen, 2000 im Haushaltsausschuss des bayerischen Landtags erklärt hatte: „nach deut-

schen Sicherheitsmaßstäben (seien) 97 Starts und Landungen pro Stunde“ möglich, nach

den in den USA angewendeten Verfahren sogar 120. Die Werte der USA seien nach Aus-

kunft des Wirtschaftsministeriums aufgrund „anderer Regelungen bei der Flugroutenfestle-

gung einschließlich der An- und Abflugverfahren und der dabei einzuhaltenden Sicherheits-

abstände“ in Europa nicht zu erreichen. Eine nähere Untersuchung, inwieweit die US-

Verfahren möglicherweise auch bei uns angewandt werden könnten, sei nicht sinnvoll.

Gleichzeitig schreibt das Ministerium allerdings, dass es „konkrete rechtliche Regelungen“

bei uns hinsichtlich der Kapazität nicht gebe.

Im Hinblick auf den geforderten Koordinationseckwert gibt eindeutig der Wunsch der FMG

die Richtung vor. So behauptet die FMG, dass aus Konkurrenzgründen ein Koordinations-

eckwert von 120 Fbw/h erforderlich sei. Danach wurden die entsprechenden Gutachten be-

auftragt, die den Nachweis für diesen Koordinationseckwert erbringen sollen. Valide Nach-

weise für die Erforderlichkeit dieser 120 Fbw/h im Planungszeitraum werden jedoch nicht er-

bracht.

Slotnachfrage

Die Antragstellerin behauptet, dass nachgefragte Slots wegen der derzeit auf 90 Fbw/h limi-

tierten Kapazität nicht zur Verfügung gestellt werden können und auch deshalb ein Ausbau

erforderlich sei (vgl. Antragsbegründung auf S. 122). Auch dem ist zu widersprechen: Die bei

allen voll-koordinierten Flughäfen in Deutschland feststellbare hohe Slotnachfrage kann al-

lein noch keinen Nachweis des tatsächlichen Bedarfs darstellen. Da alle Slots kostenlos zur

Verfügung gestellt und so von den Luftverkehrslinien vorsorglich mehr Slots beantragt als

benötigt werden, ist die Slotnachfrage kein Indikator für den Bedarf.

Kapazität

Der von der FMG gewünschte Ausbau lässt sich auch mit dem Argument, nur so könne die

heutige Kapazität aufrechterhalten werden, nicht begründen. Nachvollziehbar ist die Forde-

rung nach Schaffung einer Überkapazität zur Aufrechterhaltung der ungehinderten Ver-

kehrsabwicklung deshalb nicht, weil die FMG keine Redundanz für die geplante Kapazität

von 120 Fbw/h beantragt, sondern nur noch eine Redundanz von 75 % der geforderten Ka-

pazität. Notwendig ist die hohe Redundanz schon deshalb nicht, weil es sich bei Störungen

der Verkehrsabwicklung im Bahnsystem entweder um kurzfristige technische Sperrungen

oder um wetterbedingte Sperrungen handelt. Bei einer wetterbedingten Sperrung ist davon

auszugehen, dass die beantragte 3. Start- und Landebahn ebenfalls gesperrt werden müsste

und eine Redundanz somit nicht möglich ist. Eine Abweisung von Flügen wird trotz der 3.

unabhängigen Bahn in solchen Fällen unvermeidlich sein.

Prognosegutachter und FMG behauptet weiterhin, dass im Fall des Nichtausbaus (Progno-

senullfall) im Jahr 2020 am Flughafen München maximal 479.000 Flugbewegungen pro

Jahr und 42,8 Mio. Passagiere pro Jahr abgefertigt werden könnten. Tatsächlich liegt diese

Kapazität bei rund 550.000 jährlichen Flugbewegungen und erreicht damit 90 % der für 2020

im Planungsfall prognostizierten Flugbewegungen. Die TAAM-Simulation des Prognosenull-

falls der DFS belegt, dass deutlich mehr Flugbewegungen pro Jahr im bestehenden Bahn-

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system möglich sind. Auch die Behauptung der FMG, dass im Fall des Nichtausbaus

137.000 Flugbewegungen pro Jahr (oder 22 % der Nachfrage) abgewiesen werden müssten,

ist unbegründet. Die FMG verwechselt hier geplante Flugbewegungen mit planbaren Flug-

bewegungen. Anhand anerkannter analytischer Methoden (z. B. nach IATA) sind mit dem

bestehenden Bahnsystem unter Berücksichtigung des eingeschränkt möglichen Nachtflugbe-

triebs rund 560.000 jährlich planbare Flugbewegungen möglich.

Weiterhin ist die Frage zu stellen, was definitorisch der Prognosenullfall (Nichtausbaufall) ist.

Die FMG benutzt den Prognosenullfall ausschließlich dazu, die Deltaprognose der Projekt-

auswirkungen zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist die Frage zu stellen, ob dieser so

definierte Prognosenullfall mit dem Planungshorizont 2020 die richtige Bezugsgröße ist.

Richtigerweise stellt der IST-Fall die korrekte Bezugsgröße für die Deltaprognose dar, bes-

tenfalls kann noch das Verkehrsaufkommen zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der 3. Start-

und Landebahn für die Deltaprognose herangezogen werden.

Der Prognosegutachter gibt an, sowohl den Planfall als auch den Prognosenullfall im Jahr

2020 zu prognostizieren und kommt zum Ergebnis, dass im Prognosenullfall mit deutlichen

Abzugseffekten vom Flughafen München gerechnet werden müsse. Diese Abzugseffekte

können in der Prognose aber erst dann auftreten, wenn bis zu einem bestimmten Zeitpunkt

die Kapazitätserweiterung erfolgt ist. Bis zu diesem Zeitpunkt müssten die Szenarien iden-

tisch verlaufen. Sie tun es aber nicht.

Für den Prognosefall behauptet der Prognosegutachter, mit seinem Simulationsmodell ein

Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herstellen zu können. Im gesamten

Gutachten wird aber vergeblich nach der Auslastung und Größe der Flugzeuge im IST-Fall,

im Prognosenullfall oder im Planungsfall gesucht. Der Gutachter definiert keine Startgewich-

te für die untersuchten Fälle, er weist lediglich auf eine geringe, für einen Hub unterdurch-

schnittliche, Passagierzahl je Flugzeug hin. Schließlich kommt das Prognoseergebnis uner-

wartet, weil an keiner Stelle nachvollziehbar belegt. Sowohl ursprüngliche Prognose, als

auch "Aktualisierung" weisen jeweils einen Umsteigeranteil von 45 % am Gesamtaufkommen

aus. Offensichtlich ist dem Gutachter der geringe Sitzladefaktor der ursprünglichen Prognose

aufgefallen. In der Aktualisierung wurden nur die Passagierzahlen, nicht aber die Bewe-

gungszahlen angehoben. Die Flugbewegungszahlen wurden sogar um 3.000 Flugbewegun-

gen reduziert. Der durch diese "Aktualisierung" leicht angehobene Sitzladefaktor löst aber

nicht das grundsätzliche Problem der gesamten Prognose: Hohes Bewegungsaufkommen,

bei niedrigem bis unwirtschaftlichem Sitzladefaktor.

Transferverkehr, Umsteigeraufkommen

Auch der von der FMG behauptete sinkende Anteil des Transferverkehrs im Prognosenullfall

(vgl. Antragsbegründung auf S. 153) ist weder begründet noch nachvollziehbar. In diesem

Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der gleiche Prognosegutachter für den Flugha-

fen Frankfurt/Main seit 2002 behauptet, dass im Falle des Nichtausbaus ab 2006 der Um-

steigeranteil am Flughafen Frankfurt von 48 % bis 2015 auf 25 % deutlich sinken werde. Im

Gegensatz zu den Aussagen des Gutachters vermeldet der Flughafen Frankfurt seit 2006

monatlich steigende Transferanteile und liegt derzeit bei 54 %! Die Luftverkehrsprognose ist

nicht nur in diesem Teil nicht valide. Die von der FMG geltend gemachte Zunahme der

Transferverkehre ist nicht dem Standort München, sondern der zunehmend auftretenden

Engpasssituation am Flughafen Frankfurt/Main geschuldet. Ein eigenständiges Transferauf-

kommen von prognostizierten 45 % am Flughafen München (vgl. Antragsbegründung auf S.

154) ist unter realen Konkurrenzbedingungen nicht erkennbar. Außerdem lässt der in die Un-

terlagen eingestellte Planungsflugplan, selbst unter optimalen Bedingungen, das prognosti-

zierte Umsteigeraufkommen nicht zu. Insbesondere hohe Umsteigeranteile von und zu inter-

kontinentalen Verkehren sind im eingestellten Planungsflugplan nicht möglich. Nicht umsonst

gibt der Prognosegutachter in seiner Prognose, im Gegensatz zu seinen sonstigen Gutach-

ten, keine detaillierte Auskunft über dieses Verkehrsaufkommen.

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Unter Berücksichtigung einer wahrscheinlichen und realen Entwicklung des Umsteigerauf-

kommens in Deutschland und unter Berücksichtigung des bisherigen Verlaufs am Flughafen

München, wird der obere Entwicklungspfad des Umsteigeverkehrs am Flughafen München

im Planungsfall 2020 maximal 17.9 Mio. Passagiere pro Jahr betragen, und nicht 25.1 Mio.

wie von Intraplan angegeben. Der wahrscheinliche Entwicklungspfad des Umsteigeverkehrs

am Flughafen München wird zwischen 33 % und maximal 38 % des lokalen Verkehrsauf-

kommens liegen.

Während die Luftverkehrsprognose des Originärverkehrs mit rund 30 Mio. Passagieren pro

Jahr die obere Entwicklungslinie darstellen dürfte, ist die prognostizierte Entwicklungslinie

des Umsteigeverkehrs mit über 25 Mio. Passagieren pro Jahr außerhalb möglicher Entwick-

lungspfade. Die Gesamtentwicklung des Passagieraufkommens (Nachfrage) am Flughafen

München wird, unabhängig von kapazitiven Betrachtungen, zwischen 42 Mio. Passagieren

und 47 Mio. Passagieren im Jahr 2020 verlaufen.

Bewegungsaufkommen für 2020 deutlich zu hoch:

Bei einer nachvollziehbaren und der für einen Hub begründbaren Anzahl von 105 Passagie-

ren pro Flugbewegung, ist in 2020 nur mit einem Bewegungsaufkommen von 445.000 bis

500.000 Flugbewegungen zu rechnen. Selbst bei weiterhin angenommenen nur 95 Passa-

gieren pro Flugzeug ist in 2020 nur mit 485.000 bis 545.000 Flugbewegungen pro Jahr zu

rechnen. Diese Bewegungszahlen können mit dem bestehenden Pistensystem unter

planbaren Bedingungen zu international akzeptablen Verzögerungen abgewickelt wer-

den. Ein Ausbau ist dafür nicht erforderlich.

Es ist aber auch grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass das Hub-Konzept durch neuere

Entwicklungen (Zunahme Punkt-zu-Punkt-Verkehr) grundsätzlich geschwächt werden kann.

Die Prognosen über eine Zunahme von Direktflügen sind in dem Gutachten jedoch nicht be-

rücksichtig.

Letztlich muss auch auf die Funktionsanalyse der DFS hingewiesen werden: Insgesamt

weist die DFS nach, dass der Prognosenullfall kein Engpassszenario ist und die planbare

Kapazität des beantragten Vorhabens deutlich über dem geplanten Aufkommen liegt: Der

Flughafen München steht derzeit mit jährlich 411.335 Flugbewegungen auf Platz 21 in der

Welt. Zum Vergleich: Der Flughafen Frankfurt steht mit 3 Bahnen – einem abhängigen Prall-

elbahnsystem und einer konvergierenden Startbahn – und 489.406 Flugbewegungen im Jahr

an 12. Stelle. Rechnet man den Planungsfall im Jahr 2020, also die Möglichkeit täglich 1.958

Bewegungen auf drei Bahnen durchzuführen auf das Jahr hoch, hätte der Flughafen Mün-

chen die Möglichkeit mit einer Kapazität von 714.670 Bewegungen jährlich weltweit an die 3.

Stelle vorzustoßen.

Ginge man für das derzeitige 2-Bahn-System nur von einem Koordinationseckwert von 93

Flugbewegungen in der Stunde aus, könnten schon unter den heutigen Bedingungen

561.000 Flugbewegungen jährlich gegenüber 411.335 aktuellen Flugbewegungen abgewi-

ckelt werden. Das wäre ein Steigerungspotenzial von ca. 36 %!

2.2.3. Low Cost Carrier-Aufkommen

Im Intraplan-Gutachten wird eine weitere Expansion des Verkehrssegments Low Cost ange-

nommen. Ob und welches Aufkommen dieses Verkehrssegment derzeit und zukünftig am

Flughafen München hat oder haben wird, wird nicht geklärt. An keiner Stelle ihrer Antragsun-

terlagen beschäftigt sich die Antragstellerin mit dem bereits vorhandenen Low Cost-

Aufkommen auf dem Flughafen München. Dies wäre aber zwingend gewesen. Eine Analyse

des aktuellen Flugplans zeigt, dass derzeit schon rund 25 % des Passagieraufkommens und

rund 12 % des Bewegungsaufkommens durch Low Cost Carrier abgewickelt werden. Ohne

diesen Low Cost-Verkehr würde der SLF am Flughafen München sogar nur noch 63,3 %

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betragen, also im Durchschnitt lediglich 64 Passagiere pro Linien- oder Charterflug aufwei-

sen.

Das Low-Cost Carrier-Aufkommen ist eine entscheidende Größenordnung für den Anteil des

Umsteigeverkehrs am Gesamtaufkommen und hat entscheidenden Einfluss auf Flugzeug-

größe, Sitzladefaktor, Passagiere pro Flugzeug und Umsteigeverhalten. Die Luftverkehrs-

prognose hätte dieses Verkehrssegment auch erfassen und detailliert ausweisen müssen.

Da der Gutachter dies nicht klärt, sind Zweifel am Prognoseergebnis berechtigt.

Der Gutachter selbst sieht beim Low Cost-Verkehr offensichtlich nur marginale Abzugseffek-

te am Flughafen München durch andere Flughäfen, behauptet, dass dies nicht zu Ein-

schränkungen im Verkehrsaufkommen des Flughafens München führen werde. Weiter meint

er, dass der Low Cost-Verkehr kein eigenes Produkt zum Interkont-Verkehr entwickeln wer-

de. Auch hier irrt der Gutachter. Wie der Zusammenschluss von Air Berlin, LTU und Condor

belegt, wird es zukünftig ein durchgängiges Low Cost-Produkt im Regional- und im Interkont-

Verkehr geben. Damit unterschätzt die Prognose die "Kannibalisierungseffekte" für den

Linien- und Charterverkehr und ist damit nicht geeignet, einen Ausbau in München zu be-

gründen.

2.2.4. Sitzladefaktor, Flugzeug-Mix

Die FMG begründet die Notwendigkeit einer 3. Start- und Landebahn u. a. mit dem hohen

Auslastungsfaktor der Flugzeuge von 72,3 % im Jahr 2007 (vgl. Antragsbegründung auf

S. 120). Dies kann den geltend gemachten Bedarf jedoch nicht rechtfertigen: Entgegen der

Darstellung in der Antragsbegründung wird die hohe Auslastung nur behauptet, aber an kei-

ner Stelle nachgewiesen. Die auf der Webseite der FMG verfügbaren Daten und Fakten des

Jahres 2006 zeigen ein eindeutig anderes Bild, als es die FMG zu vermitteln versucht. Nach

diesen Daten und Fakten der FMG betrug der Sitzladefaktor (SLF) des Jahres 2006 nur 67,6

% bei durchschnittlich lediglich 110 angebotenen Sitzen pro Flugzeug. Noch schlechter fällt

die Analyse des Interkont-Verkehrs aus. Dort betrug der SLF nur 65 % bei lediglich 195 Pas-

sagieren und angebotenen 299 Sitzen pro Flugzeug. Diese Sitzladefaktoren weisen auf ein

zu hohes Bewegungsaufkommen oder auf den Einsatz zu großer Flugzeuge für das vorhan-

dene Passagieraufkommen hin. Die Notwendigkeit des beabsichtigten Ausbaus des Flugha-

fens kann damit jedoch nicht begründet werden.

Angesichts des tatsächlichen Sitzladefaktor (2006 bei 67,6 %) ist nicht nachvollziehbar, wa-

rum der Sitzladefaktor im Engpassszenario 2020 deutlich unterhalb des vorhandenen oder

sogar des vom Gutachter angegebenen liegen sollte.

Auch die Prognosen zum Sitzladefaktor für den Planungsfall sind fehlerhaft: Eine Auswer-

tung des Planungsflugplans des Planfalls 2020 im Gutachten von Intraplan zeigt für den Pla-

nungsfall einen Sitzladefaktor im Regionalverkehr (Europa und Deutschland) von 64,2 % und

im Interkont-Verkehr von nur 54,8 % und damit deutlich unterhalb der Wirtschaftlichkeits-

grenze. Bei durchschnittlich 97 Passagieren pro Flugzeug liegt der gesamte Sitzladefaktor

bei nur 61,7 %. Damit wird ein weiteres Mal deutlich, dass prognostizierte Bewegungszahlen

außerhalb möglicher Entwicklungspfade liegen und die Prognose für eine Ausbaubegrün-

dung nicht geeignet ist.

Auch im Engpassszenario des Prognosenullfalls fällt auf, dass mit nur 65,8 % Sitzladefaktor

ein für ein Engpassszenario ungewöhnlich niedriger Faktor erreicht wird. Damit wird auch

deutlich, dass das angegebene Engpassszenario kein Engpassszenario ist. Weder die an-

gegebenen Passagierzahlen noch die Bewegungszahlen entsprechen einem Engpassszena-

rio im bestehenden Pistensystem. Die vom Gutachter angegebene „Verdrängung“ von 14,1

Mio. Passagieren pro Jahr im Prognosenullfall kann und wird es nicht geben. Ungewöhnlich

ist auch, dass im Engpassszenario des Planungsflugplans die Passagierzahl pro Flug unter-

halb des engpassfreien Szenarios liegt. Damit belegt der Gutachter, dass er mit dem Prog-

nosenullfall kein Engpassszenario untersucht hat.

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Ungewöhnlich ist auch das Verkehrsaufkommen der Allgemeinen Luftfahrt im Jahr 2020

im Gutachten von Intraplan. Bis auf 5 tägliche Flugbewegungen der Flugzeugkategorie

"light", sind die anderen Flugzeuge der Kategorie "Medium" und sogar "Heavy" zuzuordnen.

Diese weisen eine jährliche Sitzplatzkapazität von rund 1.8 Mio. Sitzen auf. Wohin die derzeit

vorhandenen Flugzeuge der Allgemeinen Luftfahrt verdrängt werden, wird an keiner Stelle

erwähnt. Das durchschnittliche Sitzplatzangebot dieser Flugzeuge der GA beträgt 2020 rund

96 Sitze. Wie im Übrigen dieser für die allgemeine Luftfahrt ungewöhnliche Flugzeugmix be-

gründet wird, ist der Luftverkehrsprognose ebenfalls nicht zu entnehmen. Auch dieser Prog-

noseteil ist nach allem falsch und dient offenbar ausschließlich dem Zweck, das insgesamt

ungewöhnlich hohe Flugbewegungsaufkommen im Planungsfall zu begründen, und den

Prognosenullfall frühzeitig aus der Diskussion der Vorhabensalternativen auszuschließen.

2.2.5. Beiladefracht

Der Prognosegutachter vertritt die Auffassung, dass der Anteil der Beiladefracht von derzeit

72 % auf 57 % in 2020 sinken wird. Werden jedoch die vom Prognosegutachter eingestellten

Zahlen zur Fracht und den Frachtbewegungen mit dem Planungsflugplan des Planfalls ver-

glichen, ergeben sich erstaunliche Differenzen. Mit der Beiladefracht werden 0,79 Tonnen

pro Passagierflugbewegung und mit der Frachterfracht 27,3 Tonnen je Frachtflugbewegung

transportiert. Zur Verfügung gestellt oder angeboten werden mit dem Planungsflugplan aber

48,4 Tonnen je Frachtflugbewegung. Dies ergibt bei den Frachtflugzeugen einen durch-

schnittlichen Ladefaktor von nur 65,4 %.

Diese geringe Auslastung der Frachtflugzeuge ist unwirtschaftlich und wird zwangsläufig zu

einer deutlichen Reduzierung der prognostizierten Frachtflugbewegungen führen. Damit ist

ein weiterer Teil der für den Planfall prognostizierten Flugbewegungen als äußerst unwahr-

scheinlich anzusehen, und für den Nachweis der Gesamtflugbewegungen des Planfalls nicht

geeignet.

Nicht nachvollziehbar ist auch der Prognosenullfall im Frachtaufkommen. Der Gutachter be-

gründet dies mit dem im Prognosenullfall geringeren Aufkommen an Interkont-

Passagierverkehr. Die in den Planungsflugplan des Prognosenullfalls eingestellten Flugzeu-

ge stellen durchschnittlich 48 Tonnen pro Flugzeug zur Verfügung und weisen eine Zuladung

von nur noch 20 Tonnen, also eine Ladefaktor von nur noch 42 % auf. Auch die Zuladung bei

den Passagierflugzeugen geht von 0,79 auf 0,56 Tonnen je Flugbewegung zurück. Auch

dies macht deutlich, dass in der Prognose entweder zu viele Flugbewegungen oder zu ge-

ringe Frachtmengen unterstellt werden.

Sowohl Sitzladefaktoren (s.o.) als auch Ladefaktoren im Passagier- und im Frachtverkehr

der Prognose weisen in beiden Fällen auf eine erstaunlich niedrige Auslastung der Flug-

zeuge hin. Damit aber muss das Prognoseergebnis insgesamt in Frage gestellt werden.

2.2.6. Transferaufkommen

Nur auf den ersten Blick erscheint die überdurchschnittliche Zunahme des Transferverkehrs

am Standort München plausibel. Eine Analyse der von Intraplan erstellten Prognosen für die

"Luftverkehrsinitiative Deutschland" und für den Flughafen Frankfurt, sowie weitere vorlie-

gende Prognosen der Intraplan für andere Flughäfen, lassen jedoch begründete Zweifel an

der Validität der Prognose für dieses Verkehrssegment aufkommen.

Während weltweit etwa 20 % des Passagieraufkommens Umsteigeverkehr sind, betrug die-

ser Anteil in Deutschland im Jahr 2005 knapp 22 %. Da zwischenzeitlich Interkont-Verkehre

auch mit zweimotorigen Flugzeugen durchgeführt werden dürfen, nimmt der Anteil der Di-

rektverkehre im Interkont-Verkehr deutlich zu und führt dazu, dass frühere Zubringerflughä-

fen, wie Hamburg, Berlin oder Stuttgart, verstärkt eigene Interkont-Verbindungen aufbauen

und damit selbst zunehmenden Umsteigverkehr am Standort generieren werden. Anderer-

seits werden diese Flughäfen den beiden bisherigen Hub-Flughäfen in Deutschland (Frank-

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furt und München) in diesem Verkehrsegment Anteile, bei einem insgesamt stagnierendem

Anteil, abnehmen.

Damit der Prognosegutachter seine beiden Prognosen für Frankfurt und München weiterhin

halten kann, er gleichzeitig aber auch die Zunahme der Direktverkehre nicht bestreiten kann,

muss in seiner Prognose für die "Luftverkehrsinitiative Deutschland" der Umsteigeranteil auf

29 % anwachsen. Ein nicht nur ungewöhnlicher, sondern auch unwahrscheinlicher Anteil.

Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der zunehmenden Konkurrenz auf der arabischen

Halbinsel im Interkont-Interkont-Umsteigeverkehr (z. B. Dubai) und die zunehmenden Direkt-

verkehre durch den Low Cost-Verkehr in Europa (Regionalverkehr, s.o.), wird der Anteil

des Umsteigeverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen in Deutschland bestenfalls

stagnieren, aber keinesfalls zunehmen.

2.2.7. Verlagerungseffekte

Der Prognosegutachter weist nach, dass bis auf den Flughafen Hamburg, alle innerdeut-

schen Ziele in 2020 per Bahn in weniger als vier Stunden erreicht werden. Laut Bundesver-

kehrswegeplan und Flughafenkonzept der Bundesregierung sollen innerdeutsche Verkehre,

die mit diesen Bahnfahrtzeiten bedient werden können, auf die Bahn verlagert werden. Wie

der Gutachter unter Berücksichtigung dieser Vorgaben noch einen Zuwachs in beiden Pla-

nungsfällen im innerdeutschen Verkehr erkennen kann, bleibt ungeklärt. Nicht nur, aber

auch, ist das Prognoseergebnis in diesem Verkehrssegment offensichtlich zu hoch ange-

setzt.

2.2.8. Vergleich mit anderen Flughäfen fehlerhaft

Die Vergleichsbetrachtungen der FMG mit anderen Flughäfen sind nicht geeignet, den Be-

darf für eine 3. Start- und Landebahn am Flughafen München zu belegen. Zum Teil werden

Flughäfen innerhalb von Flughafensystemen mit einem Single-Standort und Flughafenstand-

orte mit Einzugsbereichen von mehr als 25 Millionen Einwohnern verglichen. Bei der theore-

tischen Kapazität des Flughafens Amsterdam wird verkannt, dass die zusätzlichen Bahnen

ausschließlich der Lärmverteilung (Querwindbahnen) dienen und nicht zur Kapazitätssteige-

rung errichtet wurden. An diesem positiven Beispiel des Flughafens Amsterdam scheint aber

die FMG nicht interessiert zu sein, da sie Querwindbahnsysteme, obwohl kapazitätserhö-

hend, mit vordergründigen Argumenten ausdrücklich ausschließt.

Die Koordinationseckwerte der von der FMG angeführten Flughäfen stehen vielmehr der

Aussage, dass angeblich nur mit einer 3. parallelen Start- und Landebahn der von der FMG

gesetzte Koordinierungseckwert von 120 Fbw/h bewältigt werden kann, entgegen:

• Der von der FMG angeführte Flughafen Amsterdam verfügt über insgesamt 6 Start- und

Landebahnen, davon sind zwei Bahnen parallel angelegt, die anderen Bahnen sind kon-

vergierende Pisten. Die Bahnlängen liegen zwischen 2.000 m und 3.500 m. Dieses Pis-

tensystem hat laut FMG eine koordinierbare Kapazität von 120 Fbw/h. Damit wird deut-

lich, dass die dem Gutachten folgenden Simulationen unter den Vorgaben leiden (s.u.)

und kein tatsächliches Abbild der Kapazität der untersuchten Varianten wiedergeben, wie

dies die DFS mit ihrer TAAM-Simulation eindrucksvoll belegt.

• Auch der von der FMG angeführte Flughafen Madrid mit einer koordinierbaren Kapazität

von 120 Fbw/h verfügt über 4 Start- und Landebahnen. Davon liegen jeweils 2 Bahnen

parallel zueinander und die beiden Pistensysteme befinden sich in konvergierender Lage

zueinander. Nach Auffassung und Simulation der DLR Gutachter könnten beide Flughä-

fen (Amsterdam und Madrid) keinen Koordinationseckwert von 120 Flugbewegungen pro

Stunde unter "zumutbaren" Bedingungen aufweisen. Die FMG nimmt in ihrem Antrags-

schreiben aber ausdrücklich unter dem Stichwort Konkurrenz und Kapazität Bezug auch

auf diese beiden Flughäfen.

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• Auch der Flughafen Frankfurt wird unter den von der FMG genannten Bedingungen,

laut Angaben der Fraport AG, nur über ein abhängiges Parallelbahnsystem, eine unab-

hängig zu betreibende 2.800 m lange Landebahn und eine in Abhängigkeit zu den drei

anderen Pisten konvergierende Startbahn verfügen, und will damit zwischenzeitlich einen

Koordinationseckwert von 126 Fbw/h erzielen. Nach Auffassung und Simulation der Gut-

achter für München könnte der Flughafen Frankfurt keinen Koordinationseckwert von 120

Fbw/h unter "zumutbaren" Bedingungen aufweisen.

Es ist kaum anzunehmen, dass sich die Flughäfen Madrid und Amsterdam mit einer geringe-

ren Betriebssicherheit als der Flughafen München zufrieden geben. Trotzdem gibt es auf

beiden Flughäfen bei identischem Koordinationseckwert nur jeweils zwei Pisten, die parallel

zueinander angeordnet sind. Noch negativer sähe es bei der Annahme der Simulationsbe-

dingungen des Gutachtens in München für den Flughafen Frankfurt aus. Wie die Gutachter

bei Kenntnis der Startbahn 18 am Flughafen Frankfurt zu dem Ergebnis kommen, dass es

bei Querwindbahnen in München zu Betriebseinschränkungen von bis zu 9,1 Prozent kom-

men könne, ist nur dann nachvollziehbar, wenn die Gutachter ein "gewünschtes" Ergebnis

präsentieren wollten. Der von den Gutachtern geltend gemachte Nutzungsausfall von 0,85

Prozent, wäre erstens zu vernachlässigen und zweitens käme es nicht dazu, weil ja zwei be-

reits vorhandene Pisten bei diesen Windverhältnissen weiterhin eine 99,991-prozentige

Windabdeckung garantieren, so die Gutachter. Damit wird deutlich, dass eine Querwind-

bahn, neben den Effekten der Lärmverteilung, zu einer Verbesserung der Betriebssicherheit

und nicht zu einer Minderung der Betriebssicherheit des Flughafens führt.

2.2.9. Klimaschutz-Maßnahmen

Es ist an dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, dass es durchaus möglich ist, dass ange-

sichts der Klimaerwärmung und der immer drastischeren Auswirkungen die Notwendigkeit

der Energieeinsparung und der Vermeidung der Emission von Treibhausgasen zu Ein-

schränkungen im Flugverkehr führen kann. Derartige Einschränkungen werden von den

Gutachtern in zu geringem Umfang in Erwägung gezogen. Wir verweisen hierzu nur exem-

plarisch auf Aussagen zur nachhaltigen Gestaltung des Verkehrs in der Nachhaltigkeitsstra-

tegie der Bundesregierung oder auf die Verpflichtungen der Bundesregierung für den Klima-

schutz (s.u. Kap. 6.2.)

2.2.10. Veränderungen in den Ticketpreisen

Kostensteigerungen bei den Flugtickets werden nicht in ausreichendem Umfang einkalku-

liert. In der Bedarfsprognose von Intraplan wird von auf der Basis von 2006 stabilen Ticket-

preisen bis 2020 ausgegangen. Das ist vollkommen unrealistisch aus folgenden Gründen:

• Der Ölpreis soll bis 2020, d.h. 14 Jahre stabil bleiben, es wird auch in der aktualisierten

Prognose von Intraplan (2007) von einem Rohölpreis von 40 Dollar/ Barrel ausgegangen,

nach der gewaltigen Steigung der Preise wird in den folgenden Jahren eine „Entspan-

nung“ erwartet. Es wird eine Reduzierung (!) der Treibstoffkosten um 6% erwartet. Das

ist vollkommen unrealistisch.

• Die begrenzten Ölvorkommen werden zu Engpässen und einer Steigerung des Preises

führen.

• Es wird davon ausgegangen, dass sich durch Klimaschutzmaßnahmen (Emissionshan-

del etc.) keine „einschneidenden Maßnahmen zur klimabedingten Beschränkung des

Luftverkehrs“ ergeben werden. Das ist nicht haltbar, ohne einschneidende Maßnahmen

sind die Klimaschutzziele Deutschlands und der EU nicht haltbar (s.o. Kap. 2.2.9).

• Die massiven Subventionen des Flugverkehrs am MUC (Marketingzuschuss, Befreiung

Kerosinsteuer etc., s.u.) werden so in der Zukunft nicht haltbar sein. Das wird erhebliche

Auswirkungen auf die Preise.

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Zur Kerosinsteuer ist zu erwähnen, dass er hierfür bereits Rechtsgutachten im Auftrag

des Umweltbundesamtes gibt zu „Möglichkeiten der Einführung einer Kerosinsteuer auf

innerdeutschen Flügen“ (2005).

Verteuerungen bei den Ticketpreisen werden Auswirkungen auf die Nachfrage und

den Bedarf haben.

Dass die Ticketpreise die Nachfrage bzw. den Bedarf beeinflussen, bestätigt auch das

Intraplan-Gutachten: „Bei einer näheren Analyse der Kosten- und Preisstrukturen zeigt sich

jedoch, dass der Ansatz real konstanter Flugpreise plausibler ist als die Annahme eines stei-

genden Flupreisniveaus, was in der Tat nachfragehemmend wirken würde.“ (eigene Un-

terstreichung).

In Tab. B2-10 des Gutachtens wird angenommen:

• Treibstoffkosten: 20% Anteil an den Gesamtkosten 20%, Kostenveränderung 2020 ge-

genüber 2006: minus 20%, Effizienzgewinn 1%/ Jahr, Kostenveränderung 2020 gegen-

über 2006 gesamt: minus 6%.

• Flugpersonal, eigenes Bodenpersonal, Administration, Service: 24% Anteil an den Ge-

samtkosten, Kostenveränderung 2020 gegenüber 2006: minus 1%/ Jahr, Kostenverände-

rung 2020 gegenüber 2006 gesamt: minus 3,5%.

• Bodendienste: 12% Anteil an den Gesamtkosten, Kostenveränderung 2020 gegenüber

2006: minus 5-20%, Kostenveränderung 2020 gegenüber 2006 gesamt: minus 0,6-2,4%.

Damit wird bei wesentlichen Kostenfaktoren für die Ticketpreise von sinkenden (!) Kosten

ausgegangen. Dies ist weder für die Treibstoffkosten (s.o.), noch für das Personal ange-

sichts weitgehend ausgeschöpfter Effzienzsteigerungen wahrscheinlich und nachvollziehbar.

2.2.11. Veränderungen bei weiteren Grundannahmen des Gutachtens

Verkehrserschließung: Nach wie vor wird auch von einer Realisierung einer Reihe von Ver-

kehrserschließungen ausgegangen, deren Realisierung jedoch keineswegs gesichert ist.

Dies gilt insbesondere für den Transrapid, der dem Flughafen zusätzliche Passagiere brin-

gen soll (Das Intraplan-Gutachten zur Transrapidplanung aus dem Jahr 2004 geht von ca.

1,6 Millionen zusätzlichen Fluggästen im Jahr 2020 aus). Dessen Finanzierung ist nach wie

vor unklar. Der Transrapid ist insgesamt umstrittener denn je.

„durch Verbesserung der landseitigen Erreichbarkeit des Flughafens München steigt die

Wahrscheinlichkeit der Wahl des Flughafens München insbesondere bei Flugreisen aus Ü-

berschneidungsbereichen mit konkurrierenden Verkehrsflughäfen.“ und: „in den Nachfrage-

segmenten mit einer Konkurrenzsituation zwischen dem Luftverkehr und dem SPFV sowie in

geringerer Größenordnung auch mit dem PKW erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Flug-

reisen zu Lasten der Landverkehrsmittel, wenn die Tür-zu-Tür-Reisezeit im Luftverkehr durch

Inbetriebnahme der MSB-Verbindung München HbF -Flughafen verkürzt wird.“ (S.39

Intraplan, 2004, Planfeststellung Transrapid, eigene Hervorhebung).

Wirtschaftswachstum: Intraplan geht bei seinen Annahmen von einem durchschnittlichen

Wirtschaftswachstum in Deutschland bis zum Jahr 2020 von 1,8 % pro Jahr aus. Dies ist

weder realistisch noch in der von Intraplan vorgenommenen Detailliertheit überhaupt prog-

nostizierbar.

Wir verweisen hierzu exemplarisch auf den Deutschlandreport 2030 der Prognos AG: „Mehr

als ein Wachstum von 1,4% pro Jahr sei langfristig nicht drin.“ (Handelsblatt, 02.04.2006).

Über diesen Report schreibt das Handelsblatt: „Wissenschaftlich fundiert gibt Prognos in

dem alle vier Jahre erscheinenden Standardwerk eine einzigartige, detaillierte Sicht auf die

Entwicklung Deutschlands bis zum Jahr 2030.“

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 28

Subventionierung des Flugverkehrs: „Der Luftverkehr belastet am höchsten und ist der

höchst subventionierteste Verkehrsträger“ (Professor Troge; Präsident des Umweltbundes-

amtes). Der Flugverkehr erhält folgende Subventionen:

• „Fuel-support“, Marketing-Zuschuss: Aus Marketinggründen werden Fernflüge von > 5

Stunden Flugzeit in MUC seit 1994 mit 12-25 € pro 1.000 Liter Kerosin bezuschusst (jähr-

lich wohl ca. 7,5 Mio. €). Die FMG wollte damit ihren Standortnachteil im Erdinger Moos

kompensieren und Fluglinien (von Frankfurt) nach München lenken. Diese Subventionie-

rung gibt es nur in MUC, sie wird derzeit von der EU-Kommission auf ihre Rechtmäßig-

keit geprüft. Der Treibstoff-Zuschuss ist mit dem Winterflugplan 2006 formal eingestellt,

es gibt aber ein neues Marketingkonzept, die Subventionen werden nun als „Marketing-

Zuschuss“ gezahlt, die Formel hierfür ist derzeit nicht nachvollziehbar.

• Die Befreiung von der Kerosinsteuer verursacht z.B. 2004 einen Steuerausfall von 5,8

Mrd. € in Deutschland.

• Die Mehrwertsteuerbefreiung auf Flugtickets im internationalen Flugverkehr schafft dem

Flugzeug z.B. gegenüber der Bahn völlig unbegründete und unnötige Vorteile und bedeu-

tet einen Verzicht auf Steuergelder.

• Die FMG wird mit Bau der 3. Bahn von ihrem zinslosen Gesellschafterdarlehen nichts

mehr zurückzahlen (derzeit: Zinseinbußen über 2 Mrd. €, z.Zt. Restschulden von 515

Mio. €, das ist mehr als das Eigenkapital der FMG). Zinsen fallen nur an, wenn die FMG

Gewinne macht. Die FMG hat zudem Schulden in Höhe von knapp 2 Mrd. € bei Banken.

• Geplante Verkehrserschließung Flughafen München einschließl. Transrapid: ca. 5 Mrd. €

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Subventionierung des Flugverkehrs angesichts der

dringend nötigen Erfüllung von Klimaschutzzielen oder auch wegen Unvereinbarkeit mit EU-

Regelungen zurückgeht.

2.3. Fehlerhafte Bedarfsbegründung: Kein Bedarf für sonstige tech-

nische Planung

Für die mit dem Antrag auf Planfeststellung einer 3. Start- und Landebahn verbundenen wei-

teren technischen Anlagen und Planungen besteht ebenfalls kein Bedarf.

2.3.1. Überdimensionierte Vorfeldplanung

Die Vorfeldplanung ist überdimensioniert. Beantragt wird die Erweiterung des Vorfeldes auf

insgesamt 240 Vorfeld- oder Parkpositionen. Selbst bei Berücksichtigung der nicht haltbaren

Prognoseergebnisse werden Kapazitäten beantragt, die keinen Niederschlag in den Auswir-

kungsbetrachtungen finden. Für die laut Vorgabe der FMG und "Nachweis" des Prognose-

gutachtens erforderlichen 120 Fbw/h würden nach der im ICAO "Airport Planning Manual

Part 1" angegebenen Berechnungsmethode, unter Berücksichtigung des prognostizierten

Flugzeugmixes und einer Dispositionsreserve von 25 %, maximal 203 Vorfeldpositionen be-

nötigt; derzeit vorhanden sind 165 Positionen.

Sowohl mit den zur Planfeststellung beantragten Vorfeldpositionen als auch mit dem beab-

sichtigten Ausbau der Terminals könnten unter planbaren Bedingungen 85 Millionen Pas-

sagiere pro Jahr und mehr als 770.000 Flugbewegungen pro Jahr abgewickelt werden.

In den Auswirkungsbetrachtungen werden diese Verkehrsaufkommen nicht berücksichtigt.

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Die beantragte Dimensionierung der Vorfelder nach den Flugzeugen der Code Letter "F" wi-

derspricht diametral dem in den Planungsflugplan eingestellten Flugzeugmix. Laut Planungs-

flugplan 2020 werden am Spitzentag maximal vier Flugzeugbewegungen dieses Flugzeug-

typs stattfinden. Die Dimensionierung aller Vorfeldpositionen, wie beantragt, ausschließlich

nach diesem Flugzeugtyp ist eine offensichtlich unbegründete Bevorratungsplanung und

deshalb zurückzuweisen.

2.3.2. Kein Bedarf für Satelliten-Terminal (4. Terminal)

Für das ebenfalls beantragte Satelliten-Terminal B1 (welches dann das 4. Terminal wäre)

besteht kein Bedarf. Für das Satelliten-Terminal besteht schon deshalb kein Bedarf, weil

das Terminal 1 nach der Eröffnung des Terminals 2 erhebliche Überkapazitäten aufweist und

nur unzureichend ausgelastet wird:

• Passagiere 2006: Terminal 1: 9,2 Mio. / Terminal 2: 19,3 Mio.

• Kapazität Passagiere: Terminal 1: 20 Mio. / Terminal 2: 25 Mio = gesamt: 45 Mio. (vgl.

Prognosenullfall: 42,8 Mio. Passagiere im Jahr 2020)

Die selbst für den Planungsfall im Jahr 2020 prognostizierten Fluggäste könnten noch durch

Vollauslastung des Terminals 1 abgewickelt werden. Die Lufthansa will Terminal 1 aber nicht

nutzen, weil sich die Umsteigezeiten verlängern würden. Damit werden enorme Kapazitäten

des Flughafens vernichtet. Diese unbegründete Einschränkung der Lufthansa auf Terminal 2

darf nicht länger toleriert werden, auch Terminal 1 muss wieder genutzt werden.

Dazu kommt noch die Kapazität des 3. Terminals (Satellit A1) von 17 Mio. Passagiere/ Jahr.

Die vorhandenen Terminalkapazitäten und die beantragte Erweiterung weisen darauf hin,

dass die FMG eine Verkehrsabwicklung von mehr als 85 Millionen Passagieren pro Jahr

plant, diese aber nicht in die Auswirkungsbetrachtungen einstellt:

Wird der von der IATA angegebene Flächenbedarf pro Passagier in der typischen Spitzen-

stunde für den Service Level B mit den vorhandenen und geplanten Terminalflächen vergli-

chen, ergeben sich Terminalkapazitäten von rund 85 Millionen Passagieren pro Jahr. In den

Auswirkungsbetrachtungen werden diese Zahlen vergeblich gesucht.

Schließlich weist die beantragte planbare Pistenkapazität in die gleiche Richtung. Mit dem

beantragten Pistensystem sind unter planbaren Bedingungen (Berücksichtungen von

Ausfallzeiten durch Witterung, Sperrung der Pisten aus Gründen der Sanierung/Revision,

etc.) rund 770.000 Flugbewegungen für 85 Millionen Passagiere pro Jahr möglich. In

den Auswirkungsbetrachtungen werden diese Zahlen ebenfalls vergeblich gesucht.

2.3.3. Gewählter Achsabstand nicht gerechtfertigt

Zur Lage und zum Achsenabstand der 3. Start- und Landebahn verweist die FMG auf ICAO-

Regelungen für einen unabhängigen Flugbetrieb. Dieser Verweis rechtfertigt den gewählten

Achsabstand bzw. die Lage der Bahn jedoch nicht: Bei Anwendung der ICAO-Regelungen

auf das bestehende Bahnsystem hätten die Schwellen 11.500 m auseinander liegen müs-

sen. Die Lage der beantragten 3. Start- und Landebahn kann mit ICAO-Regelungen daher

nicht begründet werden.

2.3.4. Länge der 3. Start- und Landebahn unbegründet

Es besteht auch kein Bedarf für die beantragte Länge der 3. Start- und Landebahn. Bei be-

reits zwei vorhandenen 4.000 m langen Bahnen kann die Notwendigkeit einer weiteren 4.000

m langen Bahn nicht ernsthaft begründet werden, zumal der Anteil der Flugzeuge, die maxi-

mal eine solche Piste benötigen, mit 12 % außerordentlich niedrig ist und dieser Verkehrsan-

teil ohne weiteres allein über eine Piste abgewickelt werden kann. Der Gutachter der FMG

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 30

unterstellt bei seiner Untersuchung hingegen, dass das gesamte Verkehrsaufkommen allein

über die neue 3. Start- und Landebahn abgewickelt werden müsste. Fachlich nicht nachvoll-

ziehbar werden die zwei vorhandenen Bahnen ausgeblendet. Aber auch darüber hinaus ver-

kennt der Gutachter der FMG folgendes:

a) Der Gutachter versucht nachzuweisen, dass eine 4.000 m lange Start- und Landebahn

beispielsweise für die Flugzeugtypen B757-300, B777-200 und A340-300 sowohl für den

Start als auch für die Landungen erforderlich sei. Laut Herstellerangaben benötigen diese

Flugzeuge bei der Höhenlage des Flughafens München und bei Berücksichtigung einer

Standardtemperatur plus 14 Grad Celsius 2.730 m bis 3.700 m Startbahnlänge. Diese Länge

wird schon von den zwei vorhandenen Bahnen vollständig abgedeckt. Dies gilt auch, wenn

man die Berechnung für die Länge der Start- und Landebahn nach den Empfehlungen der

ICAO Annex 14 berechnet. Legt man hierbei als Flughafenbezugstemperatur in München

22.8 Grad Celsius (- 10 Grad Celsius bei nasser Bahn, d. h. 13 Grad Celsius) zu Grunde, er-

gibt sich z. B. für einen Airbus A340-600 (unter Berücksichtigung der auxiliary power unit) bei

trockener Bahn eine erforderliche Länge zwischen 3.350 m und 3.396 m (Bahnen 26R und

08L) sowie bei nasser Bahn eine erforderliche Länge von 3.250 m und 3.290 m (Bahnen 26R

und 08L).

Die außerordentlichen und nicht gerechtfertigten Start- und Landebahnlängen des Gutach-

ters werden daher nur verständlich, wenn angenommen wird, dass der Gutachter eine "nas-

se" Piste mit einer "kontaminierten" Piste verwechselt und offensichtlich Pistenlängen für

kontaminierte Pisten errechnet. Die im Gutachten angegebenen Pistenlängen für die einzel-

nen Flugzeugtypen sind daher falsch.

b) Die weitere Behauptung des Gutachters, dass bei einer kürzeren Start- und Landebahn

mit Start- oder Landegewichtsbeschränkungen zu rechnen sei, ist in den Bereich der Speku-

lation zu verweisen. Erstens stehen am Standort München genügend lange Bahnen zur Ver-

fügung (2 x 4.000 m), zweitens benötigt ausschließlich die B777 bei einem maximalen Start-

gewicht eine Pistenlänge von maximal 3.700 m. Dieses Flugzeug hat aber laut Simulation

der DFS im Planungsfall 2020 einen Verkehrsanteil von 0,002 %. Auch eine B747-400 benö-

tigt unter ungünstigen Bedingungen (Höhenlage 600 m, STD + 17,2 Grad, MTOW) nur eine

Startbahnlänge von 3.700 m. Dabei wurde vom Gutachter auch nicht geklärt, wohin die Flug-

zeuge fliegen sollen, wenn er von Gewichtsbeschränkungen schreibt. Bei einer B747-400

liegt die Zuladekapazität je nach Entfernung zwischen 40 Tonnen und 67 Tonnen bzw. die

mögliche Flugstrecke je nach Zuladung zwischen 10.200 km oder 14.800 km.

Wird aber der Planungsflugplan zu Grunde gelegt, wird kein Ziel mit einer Entfernung von

mehr als 9.000 km Entfernung angeflogen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Langstrecken-

flugzeug für die maximale Flugstrecke mit dem maximalen Startgewicht in München starten

wird, ist nahe Null. Für diesen Fall stehen aber immer noch zwei 4.000 m Pisten zur Verfü-

gung. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine dieser Pisten oder gar beide vorhandenen 4.000 m

Pisten gesperrt sein sollten, dürfte im Prognosezeitraum außerhalb einer beachtenswerten

Wahrscheinlichkeit liegen.

c) Die vom Gutachter geltend gemachten Wartungsarbeiten werden niemals gleichzeitig auf

zwei Pisten durchgeführt. Eine vorhandene 4.000m Piste ist aber ohne Kapazitätsprobleme

in der Lage, den gesamten startenden "Heavy"-Verkehr jederzeit aufzunehmen. Eine

3. unabhängige 4.000 m lange Start- und Landebahn ist dafür nicht erforderlich.

d) Die vom Gutachter geltend gemachten Winterwetterlagen treffen die 3. Start- und Lande-

bahn ebenso wie die beiden vorhandenen Pisten (s.o.). Bei diesen Wetterlagen ist, unab-

hängig von der Anzahl der Pisten, mit einer Sperrung des Flughafens zu rechnen oder nur

einer eingeschränkten Verfügbarkeit – nach Räumung – der Pisten.

Die anderen vom Gutachter geltend gemachten Kriterien der Koordination, der Arbeitsbelas-

tung der Lotsen, der Bodenabfertigung und Gate-Verfügbarkeit spielen für die Frage der

Länge der 3. Start- und Landebahn aus fachlicher Sicht keine Rolle, so dass nach allem kein

Bedarf einer 3. Start- und Landebahn mit einer Länge von 4.000 m besteht.

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2.4. Zusammenfassung: kein Allgemeinwohl, kein gewichtiger Be-

lang

Es begegnet erheblichen Zweifeln, ob das beabsichtigte Vorhaben als Bestandteil der Ver-

kehrsinfrastruktur der Verkehrsnachfrage Rechnung trägt und insoweit tatsächlich öffentliche

Zwecke erfüllt. Angesichts des dargestellten fehlenden Bedarfs ist die beantragte 3. Start-

und Landebahn vernünftiger Weise nicht geboten, d. h. fachplanerisch nicht gerechtfer-

tigt.

Das Vorhaben dient ganz offensichtlich gerade nicht dem Allgemeinwohl, sondern den nicht

gerechtfertigten und völlig überdimensionierten Wachstumsinteressen der FMG. Vor diesem

Hintergrund ist eine Übereinstimmung mit den Zielen des Luftverkehrsgesetzes nicht er-

kennbar.

Vor dem Hintergrund der unstreitig erheblichen Auswirkungen des Erweiterungsvorhabens

auf zahlreiche Schutzgüter der Umwelt, das Umland, den mit dem Vorhaben verbundenen

Eingriffen in das Eigentum und die Gesundheit der Anwohner sowie in kommunale Rechte

und Belange, müssen an die fachplanerische Abwägung höchste Anforderungen an die Dar-

legung des Verkehrsbedarfs, der das Vorhaben rechtfertigen soll, gestellt werden.

Die Erweiterung des Flughafens muss sich gegenüber den von der Planung negativ betrof-

fenen Belangen als unverhältnismäßig erweisen, wenn der Verkehrsbedarf zu hoch ange-

setzt und überbewertet wird. Wie dargelegt sind für die vorgelegte Planung die Ergebnisse

der Luftverkehrsprognose nicht zutreffend, da die Prognose von zahlreichen unrichtigen

Grundlagen ausgeht, unzulässige Schlussfolgerungen gezogen werden und auf diese Weise

ein völlig überhöhter Bedarf ermittelt wird. Vorkehrungen zur Deckung eines ungesicher-

ten Bedarfs sind, anders als die Antragstellerin behauptet, gerade nicht dringlich. Die von

der Antragstellerin vorgelegten Bedarfsanalysen und -prognosen reichen nicht zur

Rechtfertigung der mit dem Vorhaben verbundenen Eingriffe aus. Es ist kein Bedarf

ersichtlich, der das Vorhaben rechtfertigen könnte.

Nach allem liegt somit keine Rechtfertigung für eine 3. Start- und Landebahn vor, da

der von der Antragstellerin unterstellte Bedarf nicht gegeben ist.

2.5. Fehlerhafte und unzureichende Alternativenplanung

Die Alternativenprüfung ist fehlerhaft und unzureichend. Hieran ändert sich auch nichts dar-

an, dass jedenfalls formal fünf Prüfungsschritte bei der Standortfindung durchgeführt worden

sein sollen.

Insbesondere ist das Fehlen der Nullvariante ein gravierendes Abwägungsdefizit. Aber auch

die Vorgaben und Annahmen, die der Alternativenprüfung zu Grunde liegen, sind fehlerhaft.

Die Defizite resultieren zum einen aus den Defiziten der Bedarfsprüfung (s.o. Kap. 2.1.-2.3.),

aber auch aus weiteren Defiziten, die im folgenden dargestellt werden sollen.

Mit der fehlerhaften Alternativenprüfung verstößt die Planung auch gegen das Mini-

mierungsgebot.

Letztlich ergibt sich als einzige zulässige Variante die Nullvariante.

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2.5.1. Fehlende Nullvariante

Besonders fehlerhaft und eklatant abwägungsfehlerhaft ist, dass die Nullvariante ohne

ernsthafte Prüfung ausgeschieden wurde, da sie ein anderes Projekt darstellen soll.

Durch den Gutachter Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) erfolgte nur

eine vergleichende Untersuchung von 31 denkbaren Bahnlagen (Kapazitätsanalyse), von

denen jedoch nur sechs das von der Antragstellerin vorgegebene Kapazitätsziel eines Koor-

dinationseckwertes von mindestens 120 Fbw/h erreichten (Bahnlagen 4b, 5a, 5b, 7, 8 und

22a). Das Ergebnis der Simulation wurde mit einer flugbetrieblichen Gesamtfunktionalitäts-

untersuchung verifiziert. Im Anschluss wurden die sechs Bahnlagen, die das Kapazitätsziel

erreicht hatten, einer Gesamtbewertung (Konfigurationsanalyse einschließlich einer Sonder-

betrachtung ergänzender Aspekte, deren Prüfung für das Verfahren als nicht zwingend er-

forderlich angesehen wurde) unterzogen.

Dies entspricht nicht den Anforderungen des Planungsrechts an eine Alternativenprüfung:

Das Abwägungsgebot, das Ausfluss des bei jeder planerischen Entscheidung zu beachten-

den, im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG/Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV verankerten Ver-

hältnismäßigkeitsprinzips ist, erfordert, dass alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativ-

lösungen berücksichtigt und einer vergleichenden Prüfung unterzogen werden müssen. Dies

bedeutet, dass sich aufdrängende Alternativlösungen nicht nur oberflächlich, anhand ausge-

wählter Vorgaben miteinander verglichen werden sollen, sondern die Prüfung der Varianten

unter Einbeziehung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange, d.h. auch der

Umweltverträglichkeit zu erfolgen hat. Daraus und angesichts der schwerwiegenden Belas-

tungen und Zerstörungen durch das Vorhaben für Mensch und Umwelt resultiert die Not-

wendigkeit der Prüfung der Nullvariante, für die Planung offen sein muss, und die Notwen-

digkeit einer tatsächlichen umfangreichen und ergebnisoffenen Alternativenprüfung. Eine

eingeschränkte Alternativenprüfung, insbesondere durch willkürliche Verengung des Unter-

suchungsgegenstands oder durch willkürliche Vorgaben, erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

Die Prüfung der Nullvariante ist auch deshalb gefordert, weil:

• Schon heute das unabhängige Zwei-Bahn-System in der Lage ist, bis zu über 100 Fbw/h

abzuwickeln (s.o. Kap. 2.1., 2.2.).

• Der Zugewinn an Kapazität durch eine 3. Start- und Landebahn demgegenüber gering

wäre (s.o. Kap. 2.1., 2.2.).

• kein Bedarf für die Abwicklung von mehr Flugbewegungen besteht (s.o. Kap. 2.1., 2.2.).

• die Kapazität vor allem von den vielen kleinen Flugmustern beschränkt wird, die den

Flughafen anfliegen (s.o. Kap. 2.1., 2.2.).

• Dem geringen Zugewinn an Kapazitäten durch eine 3. Start- und Landebahn eine massi-

ve Verlärmung ganzer Siedlungsstriche gegenübersteht, die auch Absiedlungen erforder-

lich machen wird. Die Neuausweisung der Bauschutzbereiche führt zu einer weiteren er-

heblichen Beschränkung der gemeindlichen Siedlungstätigkeit (s.u. Kap. 4)

• Die Sicherheitseinbußen einer 3. Start- und Landebahn erheblich sind (s.u. Kap. 3.2.)

• Die negativen Umweltauswirkungen einer 3. Bahn massiv sind (s.u. Kap. 4-8).

Zudem weist sowohl die Konfigurationsanalyse als auch die Funktionsanalyse entschei-

dende Fehler auf (s.u. Kap. 3).

Völlig unberücksichtigt geblieben ist ferner eine Verlagerung eines Teils des innerdeutschen

Verkehrsbedarfs auf die Schiene.

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2.5.2. Die 2. Stufe des Variantenvergleichs

Nachdem die meisten Varianten durch vordergründige und unzulässige Argumente auf der 1.

Stufe mit 31 Varianten ausgeschlossen wurden, verbleiben für die zweite Stufe 6 Varianten,

deren Bewertung, durch den Ausschluss des Bodenlärms, ebenso ergebnisorientiert durch-

geführt wurde, wie die der ersten Stufe (vgl. UVS 3-7). Dabei fällt auf, dass das Stichwort

Redundanz eingeführt und damit auch während der Sperrung einer Bahn weiterhin ein un-

abhängiges Zweibahnsystem zur Durchführung eines störungsfreien Flugbetriebs gefordert

wird. Zur Durchsetzung dieser Forderung hätten jedoch konsequenter Weise zwei (!) neue

unabhängige Pisten beantragt werden müssen. Nur dann – unter Ausschluss von Witte-

rungsbedingungen – könnte ein störungsfreier Flugverkehr gewährleistet werden. Da dies

aber nicht der Fall ist, ist davon auszugehen, dass die FMG in ihrem Betriebskonzept durch-

aus betriebs- oder witterungsbedingte Störungen unterstellt. Somit stellt sich nur noch die

Frage, wie viele Betriebsstörungen zumutbar und verhältnismäßig sind.

2.5.3. Die 3. Stufe des Variantenvergleichs

Bei den vorgegebenen Auswahlkriterien der Varianten, erstaunt dann auch nicht mehr die

ungleiche Gewichtung der für die 3. Stufe eingeführten Bewertungskriterien.

Dazu gehören u. a. so unsinnige Kriterien wie Rollwegesystem, ILS, Enteisung, Lage der be-

trieblichen Einrichtungen, usw. Dies sind Kriterien, die in einem abgeschichteten Planungs-

prozess erst nach Auswahl der Vorzugsvariante und nicht schon, wie offensichtlich hier ge-

schehen, vor der Standort-Auswahl erfolgen. In einem qualifizierten Planungsprozess ist es

bei der Größe der gesamten Anlage und der Berücksichtigung der wesentlichen Kriterien in

jeder dann ausgewählten Variante möglich, die dafür erforderlichen Betriebseinrichtungen so

anzulegen, dass ein flüssiger, ordnungsgemäßer und sicherer Flugbetrieb unter Beachtung

des Gebots größtmöglicher Minimierung schädlicher Umwelteinwirkungen gewährleistet wird.

Als Ausschlusskriterium von Varianten sind diese Kriterien jedoch ungeeignet.

Dass angeblich nur mit einer 3. parallelen Start- und Landebahn der von der FMG gesetzte

Koordinierungseckwert von 120 Fbw/h bewältigt werden kann, ist unzutreffend. Dem stehen

schon die Koordinationseckwerte der von der FMG angeführten Flughäfen entgegen (s.o.

Kap. 2.2.8). Es ist kaum anzunehmen, dass sich die Flughäfen Madrid und Amsterdam mit

einer geringeren Betriebssicherheit als der Flughafen München zufrieden geben. Es ist deut-

lich, dass eine Querwindbahn, neben den Effekten der Lärmverteilung, zu einer Verbesse-

rung der Betriebssicherheit und nicht zu einer Minderung der Betriebssicherheit des Flugha-

fens führt.

Damit kann das "Planungsziel" einer optimalen Windabdeckung durch eine weitere parallele

Piste am Flughafen München nicht erreicht werden. Das Planungsziel der optimalen Wind-

abdeckung erfordert eine konvergierende Piste.

Auch das von den Gutachtern gewählte Kriterium der 4-Minuten Regel ist nicht geeignet, die

Kapazität einer Start- und Landebahn, geschweige denn eines Mehr-Bahn-Systems unter

realen Bedingungen, zu simulieren oder zu ermitteln (s.o. 2.2.1.). Da die Variantenauswahl

aber unter der Berücksichtigung gerade dieses Kriteriums erfolgte, entspricht sie nicht den

Regeln der Technik. Die Variantenauswahl ist deshalb zurückzuweisen.

Es wird deutlich, dass sowohl die Variantenbewertung als auch die Kapazitätsanalyse der

einzelnen Varianten unter der Vorgabe willkürlicher Kriterien leiden und schließlich zu fal-

schen Ergebnissen kommen. Die vorgelegten Gutachten sind nicht geeignet, eine Varian-

tenauswahl zu treffen, geschweige denn den Bau einer 3. Start- und Landebahn zu begrün-

den.

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2.5.4. Fehlerhafte Beurteilung des Aspektes Naturschutz

Die Variantenprüfung ist auch in Bezug auf den Naturschutz unzutreffend (UVS 3-10).

Bei der Alternativenprüfung müsste im Hinblick auf den Europäischen Artenschutz, die FFH-

VP und die SPA-Verträglichkeitsprüfung zunächst ausschließlich die Betroffenheit der Arten

bzw. die Gebietsbetroffenheit behandelt werden. Der überragende Schutz, den das europäi-

sche Naturschutzrecht gewährt, kann nicht mit sonstigen naturschutzrechtlichen Kriterien

gleichgestellt werden. So hat das Kriterium "Natura 2000" nicht das gleiche Gewicht wie die

übrigen Kriterien, sondern dominiert den Variantenvergleich im Themenkomplex Natur-

schutz.

Die Variantenprüfung (UVS 3-10) ist in auch deshalb unzutreffend, weil dem Vergleich der

vollständige Umfang des im Meldeverfahren befindlichen Vogelschutzgebiets DE 7637471

"Nördliches Erdinger Moos" unterliegt. Der im Entwurf vorliegende Gebietsumgriff ist nicht

gerechtfertigt, so dass der Variantenvergleich unter falschen Annahmen stattfindet.

Wir verweisen hierzu auch auf unsere Ausführungen in Kap. 7.4.

2.5.5. Fehlerhafte Beurteilung der Lärmauswirkungen

Bei der Fluglärmbeurteilung in der Konfigurationsanalyse wurde offenbar für alle untersuch-

ten Bahnlagen soweit möglich identische Flugrouten und Flugroutenbelegungen zu Grunde

gelegt. Dies ist fehlerhaft: Wie aus den nicht schalltechnischen Konfigurationsparametern zu

entnehmen ist, kommt es in Abhängigkeit der Lage einer 3. Start- und Landebahn (insbe-

sondere des Abstands von der vorhandenen Nordbahn) zu Betriebsbeschränkungen bzw.

betrieblichen Rückwirkungen. Je nach Achsabstand bzw. Schwellenversatz müssten sich

deshalb unterschiedliche Bahnbelegungen und unterschiedliche Flugroutenbelegungen und

infolgedessen auch unterschiedliche Geräuschbelastungsszenarien ergeben.

Des Weiteren ist der Konfigurationsanalyse zu entnehmen, dass es Bahnlagen gibt, die deut-

lich geringere Neugeräuschbelastungen verursachen, ohne dass Nachteile bei der Betriebs-

abwicklung entstehen. Diese Bahnlagen wurden jedoch nicht untersucht. Dies belegt erneut

das gesteuerte und fehlerhafte Vorgehen: Die Auswahl der Bahnen erfolgte nicht auf Grund

der Vorgaben der Raumordnung, insbesondere einer größtmöglichen Schonung von Mensch

und Umwelt, sondern primär nach den rein betrieblichen Wünschen der FMG.

Hinsichtlich der Kriterien für den Achsabstand wurde der Größe der Enteisungsflächen ein zu

großes Gewicht beigemessen. Nur um großzügigere Enteisungsflächen zu erhalten, ist die

deutlich erhöhte Geräuschbelastung in der Nachbarschaft nicht zu rechfertigen. Soweit er-

sichtlich haben auch die bestehenden Bahnen nicht so großzügige Enteisungsflächen, wie

sie nun für die 3. Start- und Landebahn geplant sind.

Allein dieser Parameter "Größe der Enteisungsflächen" führt wegen des damit verbundenen

vergrößerten Achsabstandes zu einer erheblichen Geräuschmehrbelastung von Tausenden

von Personen im Einwirkungsbereich nördlich des Flughafens.

Allerdings ist dies vor dem Hintergrund der ICAO-Vorschriften nicht nachvollziehbar: Die

nach ICAO Annex 14 vorgesehenen Achsabstände zwischen parallelen Rollwegen garantie-

ren die Einrichtung von Enteisungsflächen. Die Enteisungsflächen bestimmen jedoch nicht

die Achsabstände.

Die Konfigurationsanalyse gewichtet insgesamt den Belang der Geräuschbelastung nicht in

angemessener Weise. In der Analyse haben Geräuschbelastungen über 65 dB(A) und über

70 dB(A) dasselbe Gewicht wie Geräuschbelastungen über 50 dB(A) oder 55 dB(A). Im Pe-

gelbereich über 65 dB(A) ist jedoch in jedem Fall die Gesundheitsgefährdung gegeben. Die-

ser Geräuschbelastungsbereich muss deshalb ein sehr viel größeres Gewicht erhalten.

Die Konfigurationsanalyse nimmt zwar einerseits den raumordnerischen Grundsatz eines

sparsamen Umgangs mit Grund und Boden nach Art. 2 Nr. 13 Satz 2 BayLplG für sich in An-

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spruch. Andererseits wird wegen des großzügigen Achsabstandes und der damit einherge-

henden weiträumigen Neuverlärmung dieser Grundsatz erheblich verletzt.

2.5.6. Optimierungen verschaffen Bahnlage 5 b unzulässigen Vorteil

Zudem verschaffen die zahllosen Optimierungen der Bahnlage 5 b dieser Variante einen un-

zulässigen Vorteil im Rahmen des Vergleichs. Richtigerweise hätten alle näher in Betracht

kommenden Varianten unter gleichen Bedingungen miteinander verglichen werden müssen.

Dies bedeutet, dass entweder alle Varianten für den Vergleich hätten optimiert werden müs-

sen oder keine. Anderenfalls wird einer Bahnlage immer ein unzulässiger Vorteil verschafft.

2.5.7. Mängel der Funktionsanalyse in Hinblick auf die Alternativenprü-

fung

Im Gegensatz zur Konfigurationsanalyse des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt

e.V. (DLR) simuliert die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) nicht nur eine Stunde, son-

dern den ganzen Tag. Erst mit einer Tagessimulation können Kapazitäten nach dem Stand

der Technik vollständig, umfassend und richtig ermittelt und analysiert werden.

a) Verspätungsproblematik

Die Verspätungsproblematik wird im Ergebnis auch von der Funktionsanalyse fehlerhaft be-

handelt. Der Hinweis der DFS auf die Verschärfung der Verspätungssituation durch witte-

rungsbedingte störende Faktoren ist unerheblich, da alle Simulationen unter der Annahme

von Witterungsbedingungen erfolgen, die den Flugregeln der ICAO Katagorie I entsprechen.

Dass das 4-Minuten-Kritierium als Tages- und nicht als Stundenkriterium maßgeblich ist

(s.o.), beweist die DFS dann in Tabelle 8. Dort werden für den Planfall 2020 eine durch-

schnittliche Verzögerung von 3 Minuten und 43 Sekunden und eine Verspätungsrate von 2,1

Prozent ermittelt. Zur Erinnerung: im Jahr 2006 wies der Flughafen München eine Verspä-

tungsrate von rund 20 Prozent auf.

Dass diese vorhandene Verspätungsrate durch aktive Maßnahmen der Luftverkehrsgesell-

schaften und des Flughafenbetreibers weitestgehend beseitigt werden können, belegen die

DFS-Gutachter mit ihrer Simulation zum Prognosenullfall, laut FMG und Prognosegutachter

ein Engpassszenario. In Tabelle 13 wird die durchschnittliche Verzögerung dieses Engpass-

szenarios mit gerade mal 3 Minuten und 50 Sekunden, oder einem Anteil von 3,5 Prozent

ermittelt. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass es sich beim Prognosenullfall nicht um

ein Engpassszenario handelt, sondern dieser noch über deutliche Kapazitätsreserven ver-

fügt.

Die DFS definiert den Handlungsbedarf bei einer Verspätungsrate von mehr als 10 Prozent.

Bei dieser Verspätungsrate ist aber nicht der Ausbau der Flugbetriebsanlagen gefordert,

sondern eine Fehleranalyse und Optimierung der Betriebsabläufe des bestehenden Flugbe-

triebssystems.

b) Unabhängiges Zwei-Bahn-System bei Sperrung einer Bahn

Auch die DFS behauptet, dass bei Sperrung einer Piste weiterhin ein unabhängiges Zwei-

Bahn-System zur Verfügung stehen müsse. Dies ist unzutreffend (s.o.), auch mit konvergie-

renden und sogar kreuzenden Pisten kann eine hohe Betriebssicherheit und eine kapazitäts-

gerechte Anlage erreicht werden. Der Flughafen London Heathrow weist ein unabhängiges

Parallelbahnsystem mit einer konvergierenden Piste auf. Der Flughafen Kopenhagen weist

ein abhängiges Parallelbahnsystem mit einer konvergierenden Piste, der Flughafen Brüssel

3 konvergierende Pisten, der Flughafen Zürich ebenfalls 3 konvergierende Pisten, der Flug-

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hafen Wien 2 konvergierende Pisten (eine Parallelebahn ist geplant) und der Flughafen Dub-

lin 4 konvergierende Pisten auf.

c) Prognosenullfall hat kein Engpassszenario zur Folge

Insgesamt weist die DFS nach, dass der Prognosenullfall kein Engpassszenario ist und die

planbare Kapazität des beantragten Vorhabens deutlich über dem geplanten Aufkommen

liegt (s.o. Kap. 2.2.2.).

d) Erforderliche Länge der 3. Start- und Landebahn

Wie schon dargestellt, ist jedenfalls die beantragte 4.000 m lange Start- und Landebahn

nicht erforderlich: Selbst wenn man für den Planungsfall im Jahr 2020 von einem Anteil von

12,6 % bei den "Heavy"-Flugzeugmustern am Gesamtverkehrsaufkommen ausginge (derzeit

sind es nur 9,2 %), benötigten 87,4 % aller Luftfahrzeuge unter Einbeziehung aller Sicher-

heitskriterien eine Start- und Landebahn von allenfalls 3.000 m Länge.

Wir verweisen hierzu auch auf unsere Ausführungen in Kap. 2.3.4.

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3. Technische Planung und Sicherheit

3.1. Mängel an der Konfigurationsanalyse

3.1.1. Fehlerhafte Grundannahmen

a) Unterschied nach ICAO zwischen "kontaminierter" und "nasser" Piste

Es fällt auf, dass die DLR Gutachter die im ICAO Annex 14 verwendeten englischen Begriffe

von "wet" und "water" offenbar falsch übersetzen und damit in ihrem Gutachten zu falschen

und nicht validen Ergebnissen kommen.

Die Begriffe werden im ICAO Annex 14 eindeutig definiert: Danach bedeutet "wet" "nass"

und "water" "Wasser". Unter einer nassen Bahn versteht man, dass es bei der zu berücksich-

tigenden Seitenwindkomponente keine Abschläge gegenüber der trockenen Bahn gibt. Und

unter "Wasser" versteht man im ICAO-Gebrauch "kontaminierte" Bahn (stehendes Wasser =

Aquaplaning). In diesem Fall aber ist nicht der Seitenwind die limitierende Größe, sondern

die Verantwortung des Piloten gefragt, ob er noch auf einer kontaminierten Bahn landen will

und kann. Der Grenzwert von 13 Knoten gilt nur für eine kontaminierte und nicht für eine

nasse Piste.

Zwar liegt die von den Gutachtern angegebene Einschränkung durch eine Rückenwindkom-

ponente gemäß ICAO bei 10 Knoten. Da jedoch am Flughafen Frankfurt eine Rückenwind-

komponente von 15 Knoten zugelassen wurde, gilt diese Ausnahme von den ICAO-

Regelungen und Empfehlungen auch für den Flughafen München. Bei den ICAO-

Regelungen und Empfehlungen ist zu beachten, dass national von den Vorgaben abgewi-

chen werden kann, solange die Abweichung gegenüber der ICAO notifiziert wird. Ist dies je-

doch der Fall, gelten die Abweichungen von den ICAO-Regelungen nicht nur für einen Flug-

hafen, sondern für alle Flughäfen eines Landes. Damit gelten die Abweichungen in Frankfurt

auch für den Flughafen München. Die Gutachter hätten also den höheren in Frankfurt zuläs-

sigen Wert bei ihren Variantenbetrachtungen zu Grunde legen müssen, da er für ganz

Deutschland zulässig ist.

b) Achsabstand und Schwellenversatz

Weiterhin erfolgt eine folgenschwere Fehlinterpretation der ICAO-Empfehlungen in Bezug

auf Achsabstand und Schwellenversatz. Die von den Gutachtern angeführte Regel kann da-

zu benutzt werden, bei abhängig zueinander liegenden Pisten durch einen entsprechenden

Schwellenversatz die Kapazität zu erhöhen und die Problematik der Wirbelschleppen zu

vermindern. Bei Bahnen mit einem Achsabstand von mehr als 1.035 m (so ICAO Annex 14)

handelt es sich um unabhängig voneinander zu betreibende Bahnen, sowohl im Lande- als

auch im Startbetrieb. Der Schwellenversatz nach der angeführten 5:1-Regel ist auf diese

Bahnen nicht anzuwenden. Es wäre sonst nachträglich festzustellen, dass schon das beste-

hende Pistensystem nicht unabhängig betrieben werden könnte, da der Schwellenversatz

des bestehenden Pistensystems dann 11.500 m betragen müsste.

Damit wird auch deutlich, dass die Variantenauswahl unter fehlerhaften Grund-Vorgaben er-

folgte.

3.1.2. Aspekt der Betriebssicherheit

Für den bestehenden Flughafen geben die Gutachter eine Betriebssicherheit von 99,991 %

an. Der Gutachter für die Berechnung der Pistenlänge weist nach, dass es 2006 in den

Hauptbetriebszeiten allein witterungsbedingt zu rund 58 Std. Betriebsunterbrechungen ge-

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kommen ist. Dies entspricht schon einem Nutzungsausfall von 0,01 %. Sowohl die Gutachter

der Konfigurationsanalyse als auch der Gutachter für die Pistenlänge führen aber zur Be-

gründung der Auswahl, der Lage und der Länge der nun beantragten 3. Start- und Lande-

bahn neben witterungsbedingten Ausfällen weitere Gründe an, die zur Sperrung des Flugha-

fens oder Teilen davon führen können. Dies ist widersprüchlich.

Allerdings ist zu diesen Ausfallzeiten anzumerken, dass sie weder hoch noch unvermeidbar

sind. Auch eine 3. unabhängige Start- und Landebahn wird zu keiner Verbesserung der Be-

triebssicherheit des Flughafens führen, da die witterungsbedingten Sperrungen die 3. Bahn

ebenso treffen und unvermeidbar sind; es sei denn, das Klima änderte sich kurzfristig und

dramatisch. Zudem wird eine weitere parallele Bahn die durch Seitenwind bedingten Ausfälle

des Parallelbahnsystems nicht ausgleichen können.

Die Gutachter behaupten zudem, dass die von der ICAO geforderte 95-prozentige Be-

triebssicherheit für den Flughafen München unannehmbar sei und behaupten, dass neben

den Ausfällen für Reparatur und Betriebsstörungen auch noch witterungsbedingte Schlie-

ßungen, wie Nebel, reduzierte Sichtweiten und Winterdienst, zu weiteren Ausfallszeiten füh-

ren würden.

Dem steht entgegen, dass wie schon ausgeführt schlechte Witterungsbedingungen nicht

einmal durch eine 4. Start- und Landebahn ausgeglichen werden könnten. Schlechte Witte-

rungsbedingungen stellen ein Problem für alle Start- und Landebahn dar, unabhängig von

ihrer Anzahl.

Auch die geltend gemachte Reduzierung der Staffelungswerte durch reduzierte Sichtbe-

dingungen oder niedrige Wolkenhöhe rechtfertigen keine zusätzliche Piste. Kapazitätsanaly-

sen und Kapazitätsberechnungen, auch die Slot-Vergabe, erfolgen unter den Bedingungen

für Flugverfahren nach Kategorie I. Geringere Sichtweiten oder niedrigere Wolkenuntergren-

zen führen in jedem Pistensystem zu Kapazitätsbeschränkungen und können keinen Ausbau

des Pistensystem begründen.

3.1.3. Stündliche Kapazität

Bei der Analyse der stündlichen Kapazität untersuchen die Gutachter nur noch parallele Pis-

ten. Dabei begehen sie weitere schwerwiegende Fehler.

Die Gutachter geben ein 4-Minuten-Verspätungskriterium als maximal akzeptable Verzöge-

rungszeit für eine Stunde an, mit der sie die Kapazitäten der verbliebenen Varianten überprü-

fen. Dem widersprechen die Feststellungen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrs-

flughäfen: „Im internationalen Luftverkehr gilt ein Flug als pünktlich, wenn er nicht mehr als

fünfzehn Minuten von der im Flugplan vorgegebenen Zeit abweicht."

Mit der von den Gutachtern für die simulierte Stunde unterstellten 4-Minuten-Verspätung

nutzen die Gutachter nur 80 % der optimal möglichen Kapazität des untersuchten Bahnsys-

tems. Wirtschaftlich und zukunftsorientiert ist diese Vorgehensweise nicht.

Zur Erläuterung: Flugpläne, auch die Planungsflugpläne, werden in einem Zeitraster von 5-

Minuten erstellt. Damit wird deutlich, dass bei mehr als einer Flugbewegung pro Start- und

Landebahn während einer Flugplaneinheit (5 Minuten) in jedem Fall eine Verzögerung auf-

tritt. Dazu kommen noch die durch die Wirbelschleppen verursachten Staffelungsabstände.

Bei einem ungünstigen Flugzeugmix, "Light" folgt "Heavy", entspricht dies allein bei zwei An-

flugbewegungen laut Staffelungsmatrix der Gutachter 2,7 Minuten Verzögerung. Schon bei

drei aufeinander folgenden "Heavies" beträgt die Verzögerung 4,4 Minuten. Dieses von den

Gutachtern gewählte Kriterium ist deshalb nicht geeignet, die Kapazität einer Start- und Lan-

debahn, geschweige denn eines Mehr-Bahn-Systems unter realen Bedingungen, zu simulie-

ren oder zu ermitteln. Da die Variantenauswahl aber unter der Berücksichtigung gerade die-

ses Kriteriums erfolgte, entspricht sie nicht den Regeln der Technik. Die Variantenauswahl

ist deshalb zurückzuweisen.

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Auf die Tatsache, dass das Verspätungskriterium nicht für die Kapazitätsermittlung einer

Stunde geeignet ist, weisen die Gutachter im Übrigen selbst hin, indem sie auf die Kriterien

der Zivilen Luftfahrtbehörde der Vereinigten Staaten von Amerika (FAA-Kriterien) verweisen,

nach denen ein Flughafen seine praktische Kapazität erreicht, wenn das Verspätungsniveau

nicht mehr als 4 bis 6 Minuten beträgt.

Durch die derzeit erforderlichen Wirbelschleppenstaffelungen beträgt die Mindeststaffelung

zweier aufeinander folgenden Flugzeuge 1 Minute und damit die Verzögerung ebenfalls eine

Minute. Dieser Wert könnte nur unterschritten werden, wenn für jedes landende und jedes

startende Flugzeug jeweils eine eigene Bahn zur Verfügung gestellt würde. Dies wäre nicht

nur unter ökonomischen, sondern auch praktischen Bedingungen unsinnig.

Es wird deutlich, dass sowohl die Variantenbewertung als auch die Kapazitätsanalyse der

einzelnen Varianten unter der Vorgabe willkürlicher Kriterien leiden und schließlich zu fal-

schen Ergebnissen kommen. Die vorgelegten Gutachten sind nicht geeignet, eine Varian-

tenauswahl zu treffen, geschweige denn den Bau einer 3. Start- und Landebahn zu begrün-

den.

3.1.4. Weitere Defizite der Konfigurationsanalyse

In der Konfigurationsanalyse wird bei „Untersuchte Zeiträume“ behauptet, dass die 3. Bahn

nachts nur in Ausnahmefällen genutzt werden soll (Punkt 4.3.3.2.). Nachdem es aber kein

Verbot oder eine zahlenmäßige Beschränkung gibt, ist die Behauptung, dass sich nur in der

Tageszeit maßgebliche Unterschiede zwischen den Bahnanlagen ergeben, nicht haltbar.

Bei der Ermittlung des Fluglärms wird der Rollverkehr am Boden nicht berücksichtigt (Punkt

4.4.3.2.). Durch die neue Bahn werden aber die Rollwege einerseits wesentlich verlängert,

andererseits werden LFZ beim queren der jetzigen Bahn 26/08 N bzw. der Anfluggrundlinie

dieser Bahn halten und danach wieder beschleunigen müssen. Dieses Beschleunigen wird

bis ins Stadtgebiet Freising zu hören sein und sollte als Lärmquelle berücksichtigt werden.

Im übrigen verweisen wir zur Vermeidung von Wiederholungen auf unsere Ausführungen in

den Kapiteln zur fehlerhaften Bedarfsprognose und Alternativenprüfung (s.o. Kap. 2.2. und

2.5.), da die Konfigurationsanalyse in Bezug auf die dort behandelten Aspekte eine wichtige

Voraussetzung ist.

3.2. Weitere Anmerkungen zur technischen Planung

3.2.1. Funktionsnachweis der luftseitigen Verkehrsflüsse

Schon in der Einleitung finden sich recht seltsam Formulierungen. Im ersten Satz geht es um

Kapazität, später um die Funktionalität der luftseitigen Verkehrsflüsse, dann um die Qualität

mit der das prognostizierte Verkehrsaufkommen abgewickelt werden kann.

Interessant ist hier, was alles nicht untersucht wird. Die Untersuchung beschränkt sich auf

die Bahnlage 5b. Andere bestehende oder geplante Bahnlagen werden nicht untersucht,

somit ist ein Vergleich nicht möglich. Des Weiteren umfasst die Untersuchung die Betriebs-

abläufe auf den Betriebsflächen des Flughafens, sowie des den Flughafen umgebenden

Luftraumes. Nicht in die Untersuchung eingeflossen sind die Auswirkungen auf die Betriebs-

abläufe bei der Vorfeldkontrolle, der Platzkontrolle sowie der An- und Abflugkontolle. Das

verwundert insofern, dass der Gutachter beim „Nachweis der erforderlichen Länge der Bahn“

(05) unter Punkt 2.3.2. „Sicht der Flugsicherung“, feststellt, dass mit einer 3. Start - und

Landebahn die Betriebsabläufe komplexer werden und mit einem dritten Platzlotsen zusätzli-

cher Koordinationsaufwand entsteht. Das hat eindeutig Einfluss auf die Kapazität und somit

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auch auf die Qualität, mit der das Verkehrsaufkommen abgewickelt werden kann. Dass dies

nicht Gegenstand der Untersuchung war, ist völlig unverständlich.

3.2.2. Rollführung

Die Abbildungen 9,10, 17 und 18 des Kapitels 3.2.5. zeigen eine Rollführung immer und

ausschließlich östlich der Schwelle der Bahn 26/08 N. Ein die Bahn 26/08 N mittig kreuzen-

der Rollweg wurde bei der Simulation nicht berücksichtigt. Dieser ist aber in den Übersichts-

plänen der Antragstellung (z.B. Plannummer LU0020: mittig kreuzender Rollweg als TWY Y1

eingezeichnet) enthalten! In der Zusammenfassung (Punkt 5.1.) wird jedoch von einer kreu-

zungsfreien Führung des rollenden Verkehrs ausgegangen. Hier bestehen Widersprüche.

3.3. Sicherheitsrisiken

Der Belang der Sicherheit ist unzureichend ermittelt und bewertet worden.

Erhebliche Sicherheitseinbußen können weder im Hinblick auf die Anlagen der 12. BImSchV,

Vogelschlag noch auf die Bevölkerung ausgeschlossen werden.

3.3.1. Anlagensicherheit

Die geplante 3. Bahn führt zu weiteren Sicherheitseinbußen im Hinblick auf sicherheitsrele-

vante Anlagen der 12. BImSchV, die sich sowohl auf dem Flughafengelände als auch im wei-

teren Untersuchungsraum befinden.

Entgegen der Auffassung der FMG (vgl. Antragsbegründung auf S. 186 f.) ist durch den Be-

trieb der beantragten 3. Start- und Landebahn mit Gefährdungen für sicherheitsrelevante An-

lagen, die der 12. BImSchV (Störfallverordnung) unterliegen, innerhalb eines Untersuchungs-

raums mit einem Radius von 10 km für die geplante 3. Start- und Landebahn zu rechnen.

Darüber hinaus entstehen neue Risiken für Anlagen außerhalb dieses Radius.

Auf dem Flughafengelände selbst befinden sich zwei Flüssiggastanks (Nordallee, 30.000 kg

Propangas; Nordallee 39, 35.000 kg Propangas), zwei Erdtanks (Nordallee 18 mit jeweils

36.400 kg 25%iger Ammoniaklösung), zwei Flachbodentanks der FMG (Nordallee 18 mit je-

weils 950.000 kg Heizöl) und ein Kerosinlager, betrieben durch die Skytanking ASIG GmbH

(Wartungsallee 19, 85356 Freising). Für sämtliche dieser Anlagen sowie für die außerhalb

des Flughafengeländes und innerhalb des Untersuchungsraums gelegenen Anlagen (Texas

Instruments, Haggertystraße 1, 85356 Freising, E.ON Kraftwerke GmbH, Leininger Str. 1,

85406 Zolling, und Flüssiggastank der Freisinger Stadtwerke Versorgungs GmbH, Milchstra-

ße 1, 85354 Freising) soll keine nennenswerte Risikoerhöhung bestehen. Dies ist jedoch im

Hinblick auf die dem Vorhaben verfolgte massive Kapazitätserweiterung des Verkehrsflugha-

fens nicht nachvollziehbar.

3.3.2. Erhöhte Risiken für Umland einschließlich des Atomkraftwerkes

Isar1 (Ohu)

Mit einer Konzentration des Luftverkehrs am Verkehrsflughafen München wird sich auch das

Unfallrisiko für die umliegenden Siedlungsgebiete erhöhen, v.a. im Norden, Osten und Wes-

ten des Flughafens München. Durch das zusätzliche Überfliegen weiter Siedlungsgebiete

steigt die Gefährdung der Bevölkerung und Umwelt durch Flugzeugabstürze. Die Gefahr ei-

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nes Absturzes erhöht sich auch durch die Zunahme des konfliktträchtigen Kreuzungsver-

kehrs, wenn die bisherige kreuzungsfreie Verkehrsführung (nämlich den Nordverkehr auf der

Nordbahn und den Südverkehr auf der Südbahn abzuwickeln) zur Kapazitätssteigerung bei

Inbetriebnahme einer 3. Start- und Landebahn aufgehoben werden muss.

Dies ist in den Unterlagen völlig unberücksichtigt. Es erfolgte keine Überprüfung der Über-

flugsituation und der Sicherheit der besiedelten Gebiete durch Einholung einer Luftsicher-

heitsanalyse. Es liegt auf der Hand, dass der Absturz eines Luftfahrzeugs gerade über be-

siedeltem Gebiet zu erheblichen Schäden führen kann. Diese Problematik hätte zwingend in

einer Luftsicherheitsanalyse untersucht werden müssen. Denn nur auf Grund einer Luftsi-

cherheitsanalyse kann der erforderliche Sicherheitsstandard bestimmt werden, um Sicher-

heitsrisiken (möglichst) auszuschließen. Dabei erfordert die Analyse eine Einschätzung aller

denkbaren Ereignisse und hierauf bezogener Ereigniswahrscheinlichkeiten.

Eine besondere Gefahr ergibt sich insbesondere durch die Zunahme der Überflüge über

das Kernkraftwerk Ohu (Isar1) nördlich von Landshut. Bereits heute werden die Atom-

kraftwerke Isar I und Isar II bei Landeanflügen sowohl bei West-, als auch bei Ostwind re-

gelmäßig überflogen. Die Grafiken, die sich jeder jederzeit von der Deutschen Flugsicherung

herunterladen kann ( www.dfs.de; STANLY_Track für den Flughafen München) zeigen die

Überflüge bei den Landungen deutlich.

Beispielsweise beträgt bei den Landungen von Osten, die an rund 60 – 70 % der Tage statt-

finden, die Überflughöhe zwischen 3000 und 8000 ft. über NN, also zwischen 450 m und

1950 m über dem Boden (Genauere Angaben sind nicht möglich, die Farbe gelb in den Gra-

fiken markiert den Bereich zwischen 450 m und 1350 m über dem Boden, die Farbe grün

den Bereich zwischen 1350 und 1950 m über dem Boden). Die Grafiken zeigen, dass es sich

dabei bereits jetzt um mehrere Dutzend Überflüge pro Tag handelt, die unmittelbar über den

Reaktoren oder in nächster Nähe abgewickelt werden. Dass Ohu selbst nicht mehr auf den

Karten zu sehen ist, liegt an dem von der DFS gewählten Ausschnitt, und ändert nichts an

den Überflügen.

Bei Starts in Richtung Osten führt eine Route in geringer Entfernung (ca. 20 km, entspricht

nur rund 2 bis 2,5 Flugminuten) an den Reaktoren vorbei. Auf dieser Flugroute werden heute

bereits einige Dutzend Flugbewegungen abgewickelt.

Die geplante 3. Start- und Landebahn am Flughafen München würde die Situation drama-

tisch verschlechtern. Die geplante Bahnlage 5b (1180/2100 Nord) mit einem Achsabstand

von 1.180m Richtung und einem Schwellenversatz von 2.100 m Richtung Osten liegt noch

näher an den beiden Atomkraftwerken als die existierenden Start- und Landebahnen. Zu-

sätzlich soll die Zahl der jährlichen Flugbewegungen gemäß Prognosegutachten von jetzt

rund 400.000 Bewegungen bis zum Jahr 2020 auf 607.000 Bewegungen steigen. Die Zahl

der Überflüge über die Atomkraftwerke würde also deutlich ansteigen, das Risiko eines fata-

len Absturzes ebenfalls.

Nach dem deutschen Atomkonsens soll das Kernkraftwerk voraussichtlich bis 2011 stillge-

legt werden. Da eine Übertragung von Restlaufzeiten nicht endgültig ausgeschlossen wer-

den kann, bzw. Stillstandzeiten auf die Laufzeit nicht angerechnet werden, muss davon aus-

gegangen werden, dass bei einer angestrebten Inbetriebnahme der 3. Start- und Landebahn

sowohl Isar I als auch Isar II noch in Betrieb sind.

Ausgelöst wurden die Diskussionen über die Sicherheit von Kernkraftwerken bei Flugzeug-

abstürzen durch den Absturz eines Mirage-Kampfflugzeugs 30. März 1988 nur 1,5 Flugse-

kunden vor dem Kraftwerkskomplex südöstlich von Ohu in einen Wald. Diese Diskussionen

verschärften sich noch nach den Terroranschlägen vom 11.09.2001. Im Jahr 2004 ergab ei-

ne bis heute geheim gehaltene Studie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS), dass die

Reaktorgebäude einem Anschlag mit einem Passagierjet nicht standhalten würden und dass

nach einem solchen Anschlag die Freisetzung hochradioaktiver Stoffe sehr wahrscheinlich

sei.

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Dazu hieß es in der Süddeutschen Zeitung vom 27.01.2004: „Isar I habe zudem ‚keine expli-

zite Auslegung gegen Flugzeugabsturz’. Unter der Rubrik ‚Erwartetes Ergebnis’ heißt es da-

zu: ‚Beherrschung fraglich’. Das gilt auch für den Fall, dass ein Triebwerk die vergleichswei-

se dünne Wand des Reaktorgebäudes durchschlägt und einen ‚übergreifenden Brand inner-

halb des Gebäudes’ auslöst. Eine besondere Schwachstelle ist auch das Dach des Kraft-

werks: Falls ein Wrackteil die Decke durchschlägt und ein Träger in das Brennelemente-

Becken stürzt, könnte es nach Einschätzung der GRS ‚zu einer begrenzten Freisetzung von

Radioaktivität aus dem Brennelemente-Becken kommen. Noch gravierender wäre es, wenn

das Becken zerstört würde: Eine ‚erhebliche Freisetzung’ von Radioaktivität wäre die Folge.

Der Atomwissenschaftler Klaus Traube befürchtet, dass eine Reaktor-Katastrophe in Isar 1,

keine zehn Kilometer vor Landshut, wesentlich schlimmere Folgen als das Unglück von

Tschernobyl haben könnte. Traube ist heute Atomexperte des Bundes für Umwelt und Na-

turschutz (BUND).“

Auch die Reaktorsicherheitskommission sieht dies ähnlich, wie der Freitag in seiner Ausgabe

vom 05.03.2004 berichtet: „Würde ein Flugzeugabsturz auf ein AKW gezielt herbeigeführt,

wäre die Beherrschung der Unfallfolgen bei fünf Kraftwerken - Obrigheim, Biblis A, Brunsbüt-

tel, Isar I und Philippsburg I - fraglich. Hinter dieser neutral gehaltenen Formulierung verber-

ge sich nichts anderes als die "massive Freisetzung von Radioaktivität", erklärte Michael Sai-

ler, der Chef der Reaktorsicherheitskommission (RSK), auf einer öffentlichen Veranstaltung

am 6. Februar in Berlin. Sailer: ‚Das heißt im Klartext: Tschernobyl’“.

3.3.3. Vogelschlaggefahr

Sowohl in der Antragstellung (S. 187 f.)., als auch im Gutachten zur biologischen Flugsicher-

heitssituation am Flughafen München (Vogelschlaggutachten, Ordner Nr. 43, Gutachten Nr.

13) werden die Gefährdungen durch Vogelschlag stark unterschätzt. Dies betrifft zum einen

die Bewertung des aktuellen Vogelschlagrisikos als auch die Bewertung der Zunahme des

Vogelschlagrisikos mit Bau einer 3. Bahn. Die Erhöhung der Vogelschlagrisiken ist keines-

wegs so gering wie angenommen. Wir verweisen hierzu auf unsere Ausführungen bei der

FFH-Verträglichkeitsprüfung (wo dies aus Sicht der Vereinbarkeit mit den Schutzzielen des

Vogelschutzgebietes von hoher Relevanz ist, s.u. Kap. 7.3.1.).

Die in den Unterlagen dargestellte Anzahl der Vogelschläge und die Entwicklung der Vogel-

schlagrate zeigen einen kontinuierlichen Anstieg der Vogelschläge seit 2003 (vgl. Vogel-

schlaggutachten auf Seite 24). Waren im Jahr 2003 knapp über 20 Vogelschläge zu ver-

zeichnen, waren es im Jahr 2005 bereits 40 im Jahr. Damit ist nahezu eine Verdopplung der

Vogelschlaganzahl aufgetreten, ohne dass in diesem Zeitraum eine Verdoppelung der Flug-

bewegungen stattgefunden hätte. Auch die Anzahl der Vogeltodfunde am Flughafen Mün-

chen betrug im Jahr 2003 noch 37, im Jahr 2005 bereits 148. Damit liegt auch bei den Vogel-

todfunden eine Vervielfachung um mehr als das Dreifache vor.

Die besondere Gefährdung der geplanten 3. Start- und Landebahn durch Vogelschlag wird

zudem dadurch unterstrichen, dass die meisten Zwischenfälle der 10 häufigsten Vogelarten

des Flughafens München auf der Nordbahn registriert wurden. Die Nordbahn weist 2,5 x so

viele Vogelschläge auf wie die Südbahn. Die geplante 3. Bahn würde durch ihre im Norden

anschließende Lage gerade in einem durch Vogelschlag besonders gefährdeten Bereich lie-

gen, weil hier die vogelreichen Gebiete liegen. Sofern das Vogelschlaggutachten zur Verrin-

gerung dieser Vogelschlaggefahr zahlreiche Maßnahmen vorschlägt, ist darauf hinzuweisen,

dass diese in einem unauflösbaren Konflikt mit den Schutz-, Erhaltungs- und Entwicklungs-

zielen des (faktischen) Vogelschutzgebietes "Nördliches Erdinger Moos" stehen (s.u. Kap.

7.3.).

Zusätzliche Sicherheitsrisiken können daher im Hinblick auf Vogelschlag nicht ausgeschlos-

sen werden.

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Teil 4: Umweltverträglichkeit (UVS) – Schutzgüter Mensch, Wasser,

Boden, Landschaft, Landwirtschaft, Wald

Bevor auf die einzelnen Schutzgüter eingegangen wird, muss auf die Methodik der UVS ein-

gegangen werden: Es ergibt sich nämlich bereits daraus, dass grundsätzlich (zusätzlich zu

den weiteren Defiziten bei den einzelnen Schutzgütern) sowohl die Eingriffsschwere als

auch der Ausgleichsbedarf systematisch massiv unterbewertet werden und dadurch

sowohl die Eingriffsbilanz als auch die Ausgleichsbilanz grob fehlerhaft und falsch sind.

Sie sind als Grundlage für eine Abwägung ungeeignet, der Ausgleich des Vorhabens ist nicht

nachgewiesen.

a) Wirkfaktoren (UVS Tabelle 4-1)

Wie im wesentlichen bei den einzelnen Schutzgütern im folgenden dargestellt, ist es ein gro-

ßer Fehler der UVS, dass bestimmte Wirkfaktoren gar nicht behandelt werden. Dies betrifft

beim Schutzgut Tiere und biologische Vielfalt z.B. den Wirkfaktor Fluglärmund Temperatur

der Gewässer (s.u. Kap. 5.2.4.), beim Schutzgut Menschen den Wirkfaktor Fuel Dumping

(s.u. Kap. 4.1.2.) oder beim Schutzgut Luft den Wirkfaktor Kohlendixiod-Ausstoß (s.u. Kap.

6.2.2.).

Die Aussage, dass manche Wirkfaktoren „nicht behandelbar“ und „nach dem allgemeinen

Kenntnisstand ... nicht direkt erfassbar“ seien (UVS 4-19), so das Grundwasser und der Bo-

den als Lebensraum, weisen wir zurück. Es gibt zu beiden Lebensräumen mittlerweile so

weitgehende Erkenntnisse, dass diese zwingend hätten einbezogen werden können. Wir

verweisen hierzu auf einschlägige Veröffentlichungen, darunter auch neuere als die in der

UVS zitierte grundlegende Veröffentlichung.

b) zeitlicher Bezugsraum (UVS 4-20)

Die zentrale Kritik unserer Stellungnahme im Raumordnungsverfahren wurde offensichtlich

so weit berücksichtigt, dass nunmehr nicht mehr pauschal nur die Differenz zwischen Prog-

nosenull- und Prognosefall als Wirkung des Vorhabens betrachtet wird. Jedoch wird nach

wie vor „für den Betrieb der Anlagen ... der Prognosenullfall 2020“ als Bezugsbasis ange-

nommen. Insgesamt ergibt sich eine nur schwer zu trennende Verquickung der Betrachtun-

gen mit unterschiedlicher zeitlicher Bezugsbasis. Wir weisen erneut darauf hin, dass wir ei-

nen zeitlichen Bezug zum Prognosenullfall als grobe Verharmlosung der Eingriffe für fehler-

haft und unzulässig halten.

c) Umweltqualitätsziele/ -standards (UVS 4-21):

Es ist nötig und richtig, dass die Eingriffe in Bezug zu Umweltqualitätszielen für die jeweiligen

Schutzgüter bewertet werden. Im Glossar wird der Begriff auch zutreffend wiedergegeben

(“bestimmte, sachlich, räumlich und zeitlich definierte Qualitäten von Ressourcen, Potenzia-

len oder Funktionen ....“, UVS 4-7 u.a.). In der Darstellung bei den einzelnen Schutzgütern

werden dann aber im wesentlich nur Gesetzestexte oder andere formale Verpflichtungen er-

wähnt, ohne dass quantitativ konkretisierte und tatsächlich zeitlich definierte Qualitätsziele

angegeben werden.

d) Bewertungsmatrix, Eingriffsempfindlichkeit (Tab. 4-2, UVS 4-22 ff):

Ein weiteres großes Defizit der UVS ist die Bewertungsmatrix, die systematisch zu einer Un-

terbewertung der Eingriffe führt. Auch wenn es grundsätzlich zulässig und sinnvoll ist, eine

abgestufte Eingriffsempfindlichkeit und eine abstufte Wertstufe anzunehmen, so wird in der

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 44

UVS durch die fachlich fehlerhafte Gleichsetzung von „Wertstufe“ und „Eingriffsempfindlich-

keit“ ein grober systematischer Fehler eingeführt, der zu einer systematischen Unterbewer-

tung der Eingriffe führt. Eine Eingriffsempfindlichkeit kann auch bei einer geringen Wertstufe

hoch sein. Das zeigt auch das in der UVS angeführte Beispiel selbst (UVS 4-23): es ist lo-

gisch, dass die Auswirkung auf einen Pflanzenstandort mit hoher Wertstufe/ Eingriffsemp-

findlichkeit bei einem Wirkfaktor mit sehr hoher Beeinträchtigungsintensität (Flächenverlust

durch Versiegelung) insgesamt als sehr hoch einzustufen ist. Nach der Logik des Systems

der UVS (Tab. 4-2) wäre aber die Auswirkung der Versiegelung auf einen Pflanzenstandort

mit sehr geringer Wertstufe nur als gering (und damit auch nicht in die Ausgleichsbilanz ein-

gehend!) anzunehmen – obwohl auch dieser Pflanzenstandort zu 100% verschwindet.

Es liegt auf der Hand, dass die Eingriffsempfindlichkeit bei vollständigem Verlust nicht „ge-

ring“ sein kann. Gerade beim Wirkfaktor Flächenversiegelung oder Umwandlung von Flä-

chen ist für jeden Standort eine hohe Eingriffsempfindlichkeit anzunehmen, da er zu 100%

verloren geht. Dies ist unabhängig von der Wertstufe und daher auch keineswegs mit der

Wertstufe gleichzusetzen. Gerade dieser Wirkfaktor ist bei dem Vorhaben der flächeninten-

sivste Wirkfaktor.

Dieses Beispiel genügt, um darzustellen, dass mit dieser fehlerhaften Methodik sowohl

die Eingriffsschwere als auch der Ausgleichsbedarf systematisch massiv unterbewer-

tet werden. Daraus ergibt sich zwingend, dass sowohl die Eingriffsbilanz als auch die Aus-

gleichsbilanz grob fehlerhaft und falsch und als Grundlage für eine Abwägung nicht geeignet

sind. Daraus ergibt sich ferner, dass (zusätzlich zu den weiteren Defiziten bei den einzelnen

Schutzgütern) auch grundsätzlich der Ausgleich des Vorhabens bei weitem nicht nachgewie-

sen ist.

4.1. Schutzgut Mensch

Das Vorhaben ist mit folgenden erheblichen Eingriffen in das Schutzgut Mensch

verbunden:

• Zunahme der Lärmbelastung durch den Flugverkehr mit entsprechender massiver

Gefährdung für die Gesundheit und Entwertung der Lebensqualität. Zusätzlich wird durch

die Zunahme des Verkehrs und des Bodenlärms die Lärmbelastung steigen.

• Zunahme der Belastung von Wohngebieten mit deutlich geringerer Überflughöhe als bis-

her (teilweise nur 70 m), welche nicht nur für Kinder eine grundsätzlich bedrohliche Si-

tuation darstellen kann.

• Zahlreiche Menschen (v.a. in Schwaigermoos) sind durch die Flächeninanspruchnahme

von der Absiedelung betroffen.

• Zunahme der Schadstoffbelastung durch zahlreiche gesundheitsrelevante Schadstoffe

aus dem Flugbetrieb.

• Erhöhte Lärm- und Schadstoffbelästigung während der Bauphase im Bereich der

Baustelle und den Baustellenzufahrtsstraßen.

• weitere Entwertung der nächtlichen Dunkelheit durch Zunahme der Lichtemission im

Süden Freisings, insbesondere unmittelbare Störungen durch nahe Lichtquellen in

Attaching und Eittingermoos.

• Entwertung der Naherholungsgebiete.

• Und letztlich auch Zunahme der Radarstrahlung und der elektromagnetischen Felder

im Bereich der geplanten 3. Bahn, deren negative Wirksamkeit auf den Menschen stark

umstritten ist, aber zumindest bisher auch nicht zweifelsfrei auszuschließen ist.

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 45

• und die negativen Folgewirkungen durch die negativen Auswirkungen auf Wirtschaft und

Siedlungsstruktur.

Im folgenden werden die Auswirkungen auf das Schutzgut Mensch durch die Lärmbelastung

(4.1.1.), durch die Schadstoffbelastung (4.1.2.), durch die Auswirkungen auf die Wirtschafts-

und Siedlungsstruktur (4.1.3.) und durch die Verringerung des Wertes der Erholungsgebiete

(4.1.4.) näher erläutert.

Wir weisen besonders darauf hin, dass wir angesichts der Kürze der zur Verfügung gestell-

ten Zeit für die Einwendung und des Umfangs der zu prüfenden Unterlagen nur ausgewählte

Aspekte näher betrachten.

Das Vorhaben bedeutet insgesamt eine sehr hohe Beeinträchtigung für das Schutzgut

Mensch in vielen einzelnen Wirkungsfaktoren und steht dem hohen Wert des Schutzgutes

Mensch daher diametral entgegen.

4.1.1. Lärmbelastung

Der Betrieb der beantragten 3. Start- und Landebahn wird zu einer erheblichen Neuverlär-

mung bislang von Fluglärm weitgehend unbelasteter Gebiete sowie zu einer Lärmzunahme

in schon heute vom Fluglärm schwer belasteten Gebieten führen. Dies ist nicht hinnehmbar.

Die Verlegung des Flughafens von Riem ins Erdinger Moos war mit der größeren Ent-

fernung von Siedlungsgebieten zum Schutz der Bevölkerung Münchens begründet –

nun rückt der Flughafen immer näher in die Stadt Freising. Erheblich mehr Menschen

als bisher werden mit der 3. Startbahn einem unzumutbaren unerträglichen Lärmpegel aus-

gesetzt sein: Die neue Rechtslage hat zwar zu einer veränderten Darstellung der Lärmbetrof-

fenheiten im Vergleich zum Raumordnungsverfahren geführt – an der tatsächlichen zusätzli-

chen Lärmbelastung hat sich aber dadurch nichts geändert. Nach den neuen Berechnungen

wären jetzt 250 Menschen zusätzlich von einem Dauerschallpegel von >70 dB(A) betroffen,

340 von 65-70 dB(A) und 2.900 von 65-60 dB(A). Die Betroffenheiten in der Zone > 50 dB(A)

werden zwar im Gegensatz zum Raumordnungsverfahren nicht mehr dargestellt. Nach

Schätzungen ist jedoch davon auszugehen, dass hier 30.000 Menschen zusätzlich belastet

werden. Bisher waren ca. 1.700 Menschen einem Lärmpegel von > 60 dB(A) ausgesetzt.

Hierbei handelt es sich zudem lediglich um Dauerschall-, d. h. gemittelte Pegel. Die stö-

renden Einzelschallereignisse liegen z. T. deutlich höher. Die Maximalwerte hätten in der

Darstellung im Verfahren stärkeres Gewicht erhalten müssen.

Ebenfalls stärkeres Gewicht müsste die Darstellung der Überflugsituation und Lärmbelastung

in Sondersituationen erhalten. Bereits heute werden sog. „Gewitter-Routen“ geflogen, auch

wenn weit und breit kein Gewitter oder eine vergleichbare Situation erkennbar ist. Der Über-

flug außerhalb der normalen Routen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Eine

wichtige Rolle würde bei dieser Betrachtung beispielsweise der 30°-Winkel bei Starts nach

Nordwesten über Vötting spielen.

Dabei ist weiterhin zu berücksichtigen, dass genaue Aussagen über die Betroffenheiten

mangels der erforderlichen Angaben (u. a. keine Festlegung der Flugrouten und des Flug-

zeugmixes sowie der Belegung der nördlichen Bahnen) noch gar nicht erfolgen können.

Flugrouten können sich außerdem auch danach immer wieder ändern (siehe Zunahme der

Belastung von Karlsfeld und Dachau Süd in den letzten Jahren).

Nachdem mit der Änderung der Nachtflugregelung für den Flughafen München im Jahr 2001

der nächtliche Flugbetrieb im Vergleich zu der nach dem 38. Änderungsplanfeststellungsbe-

schluss geltenden Nachtflugregelung massiv ausgedehnt worden ist, wird nunmehr auch die

schon heute nicht mehr erträgliche Taglärmbelastung gesteigert. In der Folge werden die

Menschen in den Siedlungsgebieten im Umland des Flughafens, insbesondere im Norden

und Osten des Flughafens, einem nahezu durchgängigen 24 Std.-Lärmteppich ausgesetzt.

Diese Belastungen sind nicht mehr erträglich. Es wird in das Recht der Bürger auf Gesund-

heit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eingegriffen.

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 46

Bezüglich der Beeinträchtigung der Kommunen in ihrer Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 2

Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV, verweisen wir auf die Einwendung der Stadt Freising,

deren Inhalt hierzu wir zum Inhalt unserer Einwendung machen.

Insgesamt ist festzustellen, dass das Schutzgut "Mensch" unzureichend untersucht und be-

wertet worden. Weder ist eine Neuverlärmung mit Beurteilungspegeln von 60 dB(A) und

mehr tagsüber grundsätzlich „unkritisch“ oder als „mittel“ zu bewerten, obwohl die Siedlungs-

tätigkeit in diesen hochbelasteten Bereichen eingestellt werden muss. Noch sind in der Beur-

teilung der UVS festgelegten Wirkstufen haltbar, bereits bei in der UVS als „gering“ bewerte-

ten Pegel von 55 dB(A) und darüber ist das Kriterium der wesentlichen Belästigung erfüllt

bzw. können Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden, bei Kindern

darunter. Zudem ist die Anzahl der durch erhebliche Belästigung betroffenen Personen um

ein Vielfaches höher als in der UVS angegeben.

Die Beeinträchtigung des Schutzgutes Mensch ist daher als „sehr hoch“ anzusehen.

Im folgenden werden die wesentlichsten Punkte näher erläutert.

4.1.1.1 Fehlerhafte Ermittlung der Fluglärmbelastung

Die Lärmauswirkungen aus lärmphysikalischer Sicht sind erheblich.

In der den Planfeststellungsunterlagen beigefügten schalltechnischen Untersuchung, Teil A,

Flugbetriebsbedingte Lärmbelastung, vom 06.08.2007 wird die Berechnung des Fluglärms

auf Basis der von der FMG übergebenen Datenerfassungssysteme (DES) ermittelt. Diese

Datenerfassungssysteme sind jedoch weder dem schalltechnischen Gutachten beigefügt

noch an anderer Stelle in den Planfeststellungsunterlagen auffindbar. Es können deshalb die

für die Fluglärmbelastung und Berechnung maßgeblichen Flugbewegungszahlen auf den

verschiedenen Flugrouten weder nachvollzogen noch auf Plausibilität überprüft werden.

Die für die Fluglärmberechnung maßgebliche Grundlage ist somit in den Planfeststellungsun-

terlagen nicht enthalten.

Bei der Ermittlung der flugbetriebsbedingten Lärmbelastung werden im schalltechnischen

Gutachten geeignete akustische Kenngrößen verwendet, die sich "überwiegend" auf das no-

vellierte Fluglärmgesetz (FluglärmG) vom Juni 2007 stützen. Bereits aus dieser einleitenden

Beschreibung im schalltechnischen Gutachten wird somit ersichtlich, dass die Ermittlung der

Fluglärmbelastung eben nicht nach dem im Juni 2007 in Kraft getretenen Fluglärmgesetz

ermittelt wurde, sondern nur "überwiegend" nach dem Fluglärmschutzgesetz. Insbesondere

stimmen die flugbetrieblichen Ausgangsdaten in Tabelle 4-2 der schalltechnischen Untersu-

chung nicht mit den Daten nach AzB (Entwurf Mai 2007) überein. Auf Grund der abweichen-

den Ausgangsdaten ist davon auszugehen, dass die Geräuschimmissionen zu niedrig be-

rechnet wurden. Eine gesetzeskonforme Berechnung der Fluglärmbelastung liegt nicht

vor. Die Geräuschberechnung wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Berechnung insgesamt ist auch nicht überprüfbar. Für die Geräuschbelastung im Umfeld

des Flughafens ist die Belegung der Flugrouten von ganz entscheidendem Einfluss. Die Be-

legung der Flugrouten ist jedoch nirgendwo ersichtlich:

• Lediglich in den Skizzen 1-1 und 2-1 und 3-1 im Anhang sind rudimentär Flugrouten dar-

gestellt, die Belegung der einzelnen Flugrouten jedoch nicht. Soweit grob zusammenge-

fasste Angaben zu den einzelnen Flugrichtungen angegeben sind, sind diese insgesamt

nicht plausibel: So sind z. B. in Skizze 2-1 für den Prognosenullfall 2020 südlich des

Flughafens insgesamt mehr Flugbahnen gezeichnet als in Skizze 3-1 des Planungsfalls

2020.

• Nicht nachvollziehbar ist ferner, weshalb gerade beim Vergleich der beiden Nordbahnen

immer vom gleichen Spurplan mit gleicher Flugspurbelegung ausgegangen wurde. Hier-

durch werden die betrieblichen Besonderheiten der unterschiedlichen Bahnlagen in den

berechneten Geräuschimmissionen nicht abgebildet.

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 47

• Dadurch steht die Ermittlung der Fluglärmbelastung im Widerspruch zu den neuen Be-

rechnungsvorschriften, die eine Berücksichtigung der tatsächlich geflogenen Flugbahnen,

d. h. eine möglichst realitätsnahe Betrachtungsweise verlangen. Zur Feststellung dieser

Flugbahnen sollen auch die Plots des Flugwegeaufzeichnungssystems FANOMOS ver-

wendet werden.

• Unplausibel ist ferner, dass im Planungsfall 2020 auch von der Südbahn noch Abflüge

nach Norden vorgenommen werden sollen.

Insgesamt stehen die skizzierten Flugrouten auch im Widerspruch zu den Flugrouten, die im

Raumordnungsverfahren angegeben wurden. Gemäß den Flugrouten, wie sie in den Unter-

lagen für das Raumordnungsverfahren enthalten sind, soll zwischen der Südbahn und den

beiden Nordbahnen kein sich kreuzender Verkehr stattfinden.

Schließlich fehlt eine Darstellung der Lärmbetroffenheiten von über 50 dB(A) tagsüber, die

noch den Unterlagen im Raumordnungsverfahren beigefügt war.

Zur besseren Erkennbarkeit der Lärmauswirkungen der 3. Start- und Landebahn wird eine

kartenmäßige Darstellung gefordert, in der alle Pegelzunahmen in 1 dB(A)-Stufen aus-

gehend von 45 dB(A) tagsüber und 35 dB(A) nachts dargestellt sind. Ohne eine derarti-

ge kartenmäßige Aufbereitung und Visualisierung der Neubelastung sind die Auswirkungen

in den Siedlungsbereichen nicht hinreichend erkennbar.

4.1.1.2. Bewertung der Gesamtlärmbelastung

Die Gesamtlärmbelastung in der schalltechnischen Untersuchung wird ebenfalls zurückge-

wiesen, da sie die zu erwartende tatsächliche Gesamtlärmbelastung nur unzureichend abbil-

det. In Teil E der schalltechnischen Untersuchung wird hierzu ein Bewertungsschema ange-

wendet, das sowohl tagsüber als auch nachts zu völlig unzureichenden Ergebnissen führt:

• Die Schwellenwerte von tagsüber 70 dB(A) und nachts 60 dB(A) liegen viel zu hoch.

Eine gesundheitsgefährdende Geräuschbelastung liegt nämlich deutlich früher vor (vgl.

unten Ziff. 2.1., lärmmedizinische Betrachtung.

• In der Nacht wäre zusätzlich folgender wirkungsverstärkender Effekt zu berücksichti-

gen gewesen:

Alle für die Überlagerung untersuchten Geräuschquellen sind dadurch gekennzeichnet,

dass ihr Geräuschpegel zu Beginn der Nacht und am Ende der Nacht deutlich höher ist

als in der Kernnacht, die z. B. bei Straßenverkehr zwischen 02.00 Uhr und 05.00 Uhr an-

zunehmen ist. Für einen Siedlungsbereich, der nachts im Zeitraum von 22.00 Uhr bis

06.00 Uhr mit einem Mittelungspegel von 60 dB(A) belastet ist, bedeutet dies, dass auf-

grund des typischen Zeitverlaufs während der Nacht der Geräuschpegel in den Rand-

stunden der Nacht ca. 3 dB(A) höher ist als in der Kernnacht.

Noch mehr gilt dies für den Fluglärm, da der Zeitraum von 00.00 Uhr bis 05.00 Uhr ver-

kehrsfreie Zeit ist (vgl. Änderungsgenehmigung der Regierung von Oberbayern vom

23.03.2001). In den Randstunden der Nacht tritt somit eine Geräuschbelastung ein, die

ca. 3 dB(A) - 5 dB(A) höher ist als der Mittelwert über die Gesamtnacht. Es ist deshalb

zum einen das Einschlafen erschwert bis unmöglich und zum anderen treten bereits ab

05.00 Uhr wieder Aufwachreaktionen ein. Der Erholungszeitraum der Nacht ist deshalb

von 8 Stunden auf 5 bis 6 Stunden verkürzt.

Die Beurteilung der Gesamtlärmbelastung wird aufgrund des völlig unzureichenden

Bewertungsschemas insgesamt zurückgewiesen. An allen Nachweispunkten GL_01 bis

GL_14 liegt eine gesundheitsgefährdende Geräuschbelastung tagsüber vor. Wesentlicher

Verursacher dieser gesundheitsgefährdenden Belastung ist der Fluglärm. Die Pläne

SAL_E_01 und SAL_E_02 geben ein verharmlosendes Bild der Geräuschbelastung wieder.

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4.1.1.3. Bewertung der Lärmbelastung während der Bauphase

Die Untersuchung und Beurteilung der baubedingten Lärmbelastung in Teil F der schalltech-

nischen Untersuchung wird zurückgewiesen.

Die Beurteilung von Baulärmgeräuschen erfolgt nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift

zum Schutz gegen Baulärm - Geräuschimmissionen. Nach dieser Beurteilungsvorschrift ist

der Beurteilungszeitraum der einzelne Tag oder die einzelne Nacht. Die vorliegende schall-

technische Untersuchung der Baustellengeräusche nimmt jedoch eine zeitliche Mittelung ü-

ber längere Arbeitsphasen vor. Verbunden mit dieser zeitlichen Mittelung ist auch eine räum-

liche Mittelung der Geräuschemissionen. Aufgrund dieser zeitlichen und räumlichen Mitte-

lung der Geräuschemissionen werden erheblich niedrigere Beurteilungspegel ermittelt als bei

einer richtlinienkonformen Beurteilung. Es ist deshalb aufgrund der schalltechnischen Unter-

suchung eine Beurteilung der baubedingten Lärmbelastungen nicht möglich.

Die Abbildungen SAL_F_02, SAL_F_04 und SAL_F_06 werden zurückgewiesen. Sie be-

schreiben nicht die tatsächlich zu erwartende Baulärmbelastung.

4.1.1.4. Belastung der Siedlungsbereiche

Die Fluglärmbelastung wird in nahezu allen Ortschaften im Umfeld des Flughafens zuneh-

men. Bezüglich der zunehmenden Lärmbelastung verweisen wir beispielhaft auf die Einwen-

dungen der Stadt Freising und der Gemeinden Berglern (Zunahme der Geräuschbelastung

ca. 14 dB(A) tagsüber und ca. 6 dB(A) nachts) und Wartenberg (Geräuschpegelzunahmen

zwischen 11 dB(A) und 17 dB(A) tagsüber), deren Einwendungen zur Lärmbelastung wir

vollinhaltlich zum Gegenstand unserer Einwendung machen. Die Beurteilung der Geräusch-

situationen wird zurückgewiesen. Die Definition und Zuordnung der Wirkstufen sind für die

Beurteilung völlig unzureichend. Beispielsweise würde nahezu der gesamte Siedlungsbe-

reich von Attaching mit der 3. Bahn tagsüber mit Geräuschpegeln von 60 dB(A) und mehr als

Mittelwert über den Tag belastet, langfristig müsste Attaching wegen der erheblichen Flug-

lärmbelastung abgesiedelt werden.

Gemäß der schalltechnischen Untersuchung und der Bewertung der Untersuchungsergeb-

nisse in der UVS soll auch nachts mit einer erheblichen Zunahme der Geräuschbelastung

zu rechnen sein (z.B. Attaching). Dieses Ergebnis widerspricht der Maßgabe der landespla-

nerischen Beurteilung, auf der 3. Start- und Landebahn nachts keinen Flugverkehr abzuwi-

ckeln. Auch für Berglern beträgt die Zunahme der Geräuschbelastung ca. 14 dB(A) tagsüber

und ca. 6 dB(A) nachts, obwohl nachts auf der 3. Start- und Landebahn kein Betrieb abgewi-

ckelt werden soll.

Die Darstellung der Veränderung der Belastungssituation tagsüber in Bild 8 (SAL_A_08) der

schalltechnischen Untersuchung verharmlost die erheblichen Pegelzunahmen. Die Karte

suggeriert beispielsweise für Lerchenfeld/ Freising Süd, dass am äußeren Rand des farbig

markierten Bereichs die Pegelzunahme nur 2 dB(A) beträgt und außerhalb des markierten

Bereiches die Pegelzunahme weniger als 2 dB(A) oder 0 dB(A) beträgt. Tatsächlich beträgt

jedoch die Pegelzunahme am Nordrand der gekennzeichneten Fläche ca. 8 dB(A).

Es ist damit zu rechnen, dass es durch das beantragte Vorhaben zu einer Überschreitung

der 62 dB(A)-Grenzlinie der luftrechtlichen Genehmigung für den Flughafen München

vom 09.05.1974 im Bereich Berglern kommt (vgl. Antragsbegründung auf s. 178 ff.). Nach

dieser immer noch wirksamen Bestimmung darf jedoch ein äquivalenter Dauerschallpegel

von 62 dB(A) in keinem Ort und an keinem Tag überschritten werden.

Ursache für die sehr hohe Neuverlärmung von Wartenberg oder Berglern ist das Ergebnis

der extremen Nordlage der 3. Startbahn. Der Achsabstand von mehr als 1.000 m wird des-

halb zurückgewiesen. Die geringen betrieblichen Vorteile rechtfertigen nicht die erheblich

Neuverlärmung sehr ausgedehnter Siedlungsbereiche.

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4.1.1.5. Kritik am lärmmedizinischen Gutachten

Die Beurteilung der Lärmauswirkungen aus lärmmedizinischer Sicht durch die Antrag-

stellerin (vgl. Antragsbegründung auf S. 176 f.) sowie durch das hierzu vorgelegte Gutachten

(Lärmmedizinisches Gutachten von Prof. Dr. Scheuch vom 10.08.2007 in Ordner 41 der An-

tragsunterlagen) ist fehlerhaft und offenbart Ermittlungs- und Bewertungsdefizite.

Die lärmmedizinische Beurteilung der Fluglärmbelastung ist anhand des aktuellen wissen-

schaftlichen Kenntnisstandes vorzunehmen. Der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand ist

unter Einbeziehung aller verfügbaren Studien zu ermitteln, die eine ausreichende Qualität

aufweisen. Die Qualitätsanforderungen sind aufzulisten, um die Studienauswahl transparent

zu machen. Dies leistet das vorgelegte lärmmedizinische Gutachten nicht. Aus diesem

Grund sind auch die vom Gutachter zum Schutz vor den Beeinträchtigungen durch Fluglärm

als ausreichend angesehene Immissionswerte zu hoch. Zur Kritik an den Beurteilungen des

Gutachters der FMG verweisen wir auch auf die einschlägige Fachliteratur

1

.

a) Epidemiologische Studien zwingend zu berücksichtigen

Um die Auswirkungen der Fluglärmbelastung im Wohnalltag richtig zu erfassen, sind zwin-

gend epidemiologische Studien heranzuziehen. Dies hat der Gutachter jedoch versäumt.

Vorrangiger Ausgangspunkt einer jeden aktuellen wissenschaftlichen Untersuchung zu den

gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm müssen epidemiologische Studien bilden.

Hierbei ist vor allem auf aktuelle epidemiologische Studien, die nach dem Jahr 2000 publi-

ziert wurden, abzustellen. Erst ab diesem Zeitpunkt standen adressbezogene Fluglärmpegel und

standardisierte Erhebungsverfahren zur Verfügung.

Aus diesen neueren Studien ergibt sich, dass ein Kausalzusammenhang zwischen Um-

weltlärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht. Insoweit besteht ein Ermittlungsdefizit,

da der Gutachter der FMG lediglich ältere Studien herangezogen hat und neueste Studien

gar nicht berücksichtigt hat. Die vom Gutachter herangezogenen experimentellen Studien

können Erkrankungsrisiken nicht adäquat erfassen.

b) Keine Einbeziehung von Studien zum Arbeitslärm

Entgegen dem Vorgehen im lärmmedizinischen Gutachten dürfen Arbeitslärmstudien zur

Ableitung von Richtwerten zum Schutz der Gesundheit in Wohnbereichen nicht herangezo-

gen werden.

Die Wohnung ist im Gegensatz zum Arbeitsplatz ein privater Raum, in dem sich nicht nur

gesunde arbeitsfähige Personen aufhalten, sondern auch Kinder und Ältere. Zudem erfolgt

die Belastung in Wohnbereichen auch zu Tageszeiten, die vorrangig der Erholung dienen.

Die Auswirkung einer Lärmbelastung im Wohnumfeld unterscheidet sich demzufolge erheb-

lich von der Auswirkung einer Lärmbelastung am Arbeitsplatz.

c) Dosisbezogene Studien erforderlich

Zusammenhangsstudien zwischen Fluglärmbelastung und Gesundheit müssen Dosis-

Wirkungsbeziehungen aufzeigen.

Dosis-Wirkungsbeziehungen werden einerseits benötigt, um den Beginn einer Risikoerhö-

hung zu ermitteln. Andererseits ist eine signifikante Dosis-Wirkungsbeziehung ein wichtiger

Bestandteil für den Kausalitätsnachweis. Aus diesem Grund sind auch bei der Ableitung von

1

zuletzt auch Guski/Schuemer, Fraport-Synopse weiter fraglich – Eine Stellungnahme zum Beitrag von Scheuch, Jansen und

Spreng, ZfL 2007, 236 ff.

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Richtwerten zum Schutz der Gesundheit Dosis-Wirkungskurven zu Grunde zu legen. Der

Beginn der Risikoerhöhung ist als wissenschaftlicher Richtwert anzusetzen.

Dosis-Wirkungskurven werden jedoch im Hinblick auf Risikoschwellen im lärmmedizini-

schen Gutachten nicht erkennbar ausgewertet.

Zudem verkennt das Gutachten, dass der Beginn der lärmbedingten Risikoerhöhung nicht

gleichzusetzen ist mit dem Schallpegel, bei dem erstmalig ein signifikantes Risiko ermittelt

wird. Eine Dosis-Wirkungsbeziehung kann durchaus signifikant sein, auch wenn die Ein-

zelrisiken keine Signifikanz aufweisen.

d) Fluglärm-Dauerschallpegel von höchstens 60 dB(A) außen am Tag führt bei gesun-

den Erwachsenen zu Gesundheitsbeeinträchtigungen

Eine Auswertung der aktuellen wissenschaftlichen Literatur zeigt, dass für gesunde Erwach-

sene Fluglärm-Dauerschallpegel von höchstens 60 dB(A) außen am Tag und 50 dB(A) au-

ßen in der Nacht als Beginn von Gesundheitsbeeinträchtigungen einzustufen sind. Ab diesen

Werten sind organische Erkrankungen und Funktionsstörungen – erkennbar an einer Do-

sis-Wirkungs-Relation – zu erwarten.

Die im lärmmedizinischen Gutachten angegebenen Dauerschallpegel entsprechen daher

nicht dem heutigen Kenntnisstand.

e) Präventivwert von 55 dB(A) außen aus lärmmedizinischer Sicht zwingend

In Analogie zu anderen Umweltnoxen muss zum Schutz der Gesundheit auch bei Fluglärm

ein Sicherheitsabstand zu den Richtwerten für Erwachsene eingehalten werden:

Empfindliche Gruppen, besonders chronisch Kranke und Ältere können schon unterhalb

des von Durchschnittsmenschen noch tolerierten Pegels betroffen sein. Ein präventivme-

dizinischer Wert von außen 55 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts ist daher für Fluglärm in der

Wohnumgebung einzuhalten.

Dass ab dem Beginn eines erhöhten Risikos für Erkrankungen wie z. B. Hypertonie eine Si-

cherheitsmarge einzuhalten ist, wird im lärmmedizinischen Gutachten nicht berücksichtigt.

Die Unterlagen weisen auch insoweit ein Ermittlungsdefizit auf.

f) Auswirkungen des Fluglärms auf Kinder

Völlig unzureichend wurden die Auswirkungen des Fluglärms auf Kinder ermittelt:

Ausgehend von der RANCH-Studie (Road Traffic and Aircraft Noise Exposure and

Children´s Cognition and Health study), die in England, Schweden, Spanien und den Nieder-

landen bei insgesamt 2.844 Schulkindern im Alter von 9 – 10 Jahren an 89 Schulen durchge-

führt wurde, ist festzustellen, dass schon bei einem äquivalenten Dauerschallpegel von 50

dB(A) bei Tag (außen) die geistigen Fähigkeiten von Kindern erheblich beeinträchtigt wer-

den. Dies betrifft insbesondere die Fähigkeit zum verständnisvollen Lesen (comprehensive

reading).

Bei einem Vergleich verschieden stark lärmbelasteter Schulen konnte zudem eine Entwick-

lungsverzögerung der meisten lärmbelasteten Kinder um mehrere Monate beschrieben wer-

den: Die Kinder blieben in ihren Leistungen hinter denen vergleichbarer Schüler zurück.

Vgl. auch Innovationsreport 24.07.2006: „Es wurde eine europaweite Studie zu den Auswir-

kungen von Lärmbelastung auf Kinder durchgeführt. Dazu gehörten auch ein Instrument zur

psychologischen Wiederherstellung und ein Bewertungsmodell zur Gesundheit der Kinder.

Kinder sind genau wie die erwachsene Bevölkerung durch die Lärmbelastung einem hohen

Risiko ausgesetzt. Der von Flugzeugen und dem Straßenverkehr verursachte Lärm hat

nachweislich negative Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Gesundheit bei Kindern.

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Dazu gehören Missstimmungen, stressbedingte physiologische Auswirkungen, eine vermin-

derte Wahrnehmungsfunktion, erhöhter Blutdruck und Schlafstörungen.“ Die Schäden treten

bereits ab Belastungswerten deutlich unter 60 dB(A) auf.

Für Kinder in Kindertageseinrichtungen und Schulen ist somit festzuhalten, dass bereits ab

einem äquivalenten Dauerschallpegel tags von 50 dB(A) mit erheblichen Beeinträchtigungen

zu rechnen ist.

Als gerade zynisch sind einige Aussagen in den Antragsunterlagen strikt zurückzuweisen.

Hierzu zählt insbesondere die Aussage des lärmmedizinischen Gutachtens (S. 88, Ordner

41): „Fasst man den gegenwärtigen Erkenntnisstand zusammen, so sind, basierend auf den

vorliegenden Studien, besondere Betrachtungen von Kindern und Jugendlichen in den

Wohnbereichen nicht erforderlich. Die zu erwartende Lärmbelastung in den Wohnbeeichen

ist wesentlich niedriger als in Schulen und Kindergärten durch den selbst erzeugten Lärm.“

(eigene Unterstreichung).

g) Zwingende Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse vor Ort

Eine lärmmedizinische Beurteilung darf darüber hinaus nicht im Allgemeinen bleiben, son-

dern muss die spezifische Situation vor Ort, hier am Münchener Flughafen, erfassen. Dies

leistet das lärmmedizinische Gutachten nicht.

Um die spezifischen Verhältnisse vor Ort zu ermitteln, sind daher vorrangig Studien aus dem

Umfeld des Verkehrsflughafens München auszuwerten oder aber Studien heranzuziehen,

die mit der Münchner Situation vergleichbar sind. Ob die im lärmmedizinischen Gutachten

herangezogenen, überwiegend älteren Untersuchungsergebnisse auf die spezifische Situati-

on in München übertragen werden können, wird im lärmmedizinischen Gutachten weder ge-

prüft noch thematisiert.

Eine erhebliche Belästigung liegt bei Fluglärm vor, wenn 25% der Betroffenen eine hochgra-

dige Belästigung (HA = Highly Annoyed) aufweisen. Der Dauerschallpegel, der diese Eigen-

schaft erfüllt, wird aus einer Dosis-Wirkungskurve ermittelt. Diese Dosis-

Wirkungskurve muss eine "zeitliche Vergleichbarkeit", eine "Vergleichbarkeit der Belastung",

sowie eine "Kulturelle Vergleichbarkeit" mit dem untersuchten Flughafen gewährleisten. Dies

ist im lärmmedizinischen Gutachten nicht der Fall. Die dort angegebenen Richtwerte beruhen

auf im Mittel 18 Jahre alten Studien. Zudem ist die damals untersuchte Situation mit dem

heutigen Flugbetrieb auf dem Verkehrsflughafen München nicht mehr vergleichbar.

h) Zusammenfassung

Im Umfeld des Verkehrsflughafens München ist nach Untersuchungen an vergleichbaren

Flughäfen von einer erheblichen Lärmbelästigung auszugehen, sofern der äquivalente Dau-

erschallpegel 55 dB(A) erreicht oder übersteigt. Dieser Wert ist der Planfeststellung aus

lärmmedizinischer Sicht zu Grunde zu legen. Für Kinder ist dieser Wert noch niedriger anzu-

setzen.

Während der Nachtzeit sind nochmals deutlich reduzierte Werte zu Grunde zu legen. Auch

wenn mit dem beantragten Plan die geltende Nachtflugregelung am Flughafen München

nicht angetastet werden soll, ist dies jedoch keinesfalls gesichert. Ein nächtlicher Flugbetrieb

ist auch auf der 3. Start- und Landebahn möglich.

In Bezug auf die Nachtzeit ist ohne Anordnung geeigneter Auflagen nicht sichergestellt, dass

der Nachtflugbetrieb auf einer etwaigen 3. Start- und Landebahn nur in Notfällen i. S. v. § 25

Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LuftVG zulässig ist.

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 52

4.1.1.6. Kein Ausschluss weitergehender Schutzmaßnahmen durch FluglärmG n. F.

Die in der Antragsbegründung zu Grunde gelegten Immissionswerte sind zu hoch, um einen

effektiven Schutz der Gesundheit vor Fluglärmbeeinträchtigungen zu gewährleisten. Es sind

deshalb deutlich reduzierte Immissionsrichtwerte anzusetzen. Dem steht auch das neu gere-

gelte Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm entgegen.

Durch die seit 07.06.2007 bestehende neue Rechtslage gelten für die Fachplanung Immissi-

onsgrenzwerte, die durch das Vorhaben zwingend einzuhalten sind. Die neue Rechtslage

führt jedoch nicht dazu, dass Maßnahmen, die für einen besseren Schutz erforderlich sind,

gesperrt wären. Insoweit kann entgegen der Auffassung der FMG auch nicht davon ausge-

gangen werden, dass die Frage der Beurteilung der Zumutbarkeit von Fluglärm in der Abwä-

gung durch das FluglärmG n. F. abschließend geregelt ist (vgl. Antragsbegründung auf S.

176).

Mit dem Gesetz zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flug-

plätzen vom 01.06.2007 (BGBl. I S. 986), das am 07.06.2007 in Kraft getreten ist, wurde u.

a. das Fluglärmschutzgesetz neu gefasst (Art. 1 des Gesetzes vom 01.06.2007) und das

Luftverkehrsgesetz geändert (Art. 2 des Gesetzes vom 01.06.2007). Die nach Art. 5 des Ge-

setzes vom 07.06.2007 erforderliche Bekanntmachung der Neufassung des Fluglärmschutz-

gesetzes erfolgte am 31.10.2007 (BGBl. I S. 2550).

§ 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG n. F. bestimmt nunmehr, dass zum Schutz der Allgemeinheit und

der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Fluglärm die jeweils anwend-

baren Werte des § 2 Abs. 2 FluglärmG n. F. zu beachten sind. Die Werte des § 2 Abs. 2

FluglärmG sind somit für die Behörde zwingend und können nicht etwa im Rahmen der

fachplanerischen Abwägung überwunden werden

2

. Damit sind in Deutschland erstmals diffe-

renzierte Zumutbarkeitsgrenzen für Fluglärm normativ festgelegt. Die jahrzehntelange unbe-

friedigende gesetzgeberische Lücke ist somit geschlossen worden.

Allerdings lässt sich weder § 13 FluglärmG n. F. noch § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG n. F. ent-

nehmen, dass damit abschließend über die Frage der Beurteilung der Zumutbarkeit von

Fluglärm in der fachplanerischen Abwägung entschieden wäre. Denn die Grenzwerte in § 2

Abs. 2 FluglärmG n. F. setzen der Behörde nur eine äußere Schranke, schließen jedoch wei-

tergehenden Lärmschutz nicht aus. Im Gegenteil: Stellt sich heraus, dass weitergehender

Lärmschutz erforderlich ist, ist die zuständige Behörde verpflichtet, entsprechende Maßnah-

men ergreifen. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem Beschluss des Bundesverwaltungs-

gerichts vom 16.07.2007 (– 4 B 71.06 –, Juris-Datenbank), wie die Antragstellerin meint (vgl.

Antragsbegründung auf S. 176). Das Gericht hat hier nichts über einen weitergehenden

Lärmschutz im Planfeststellungsverfahren nach §§ 8 ff. LuftVG gesagt. Die Annahme, wei-

tergehender Lärmschutz sei nicht erforderlich, widerspricht auch der gesetzgeberischen Mo-

tivation. Dieser Auffassung hat sich zwischenzeitlich auch das Bundesverwaltungsgericht

angeschlossen. So sieht das Gericht keine Anhaltspunkte dafür, dass die Neuregelungen im

Fluglärmgesetz es der zuständigen Behörde bei der Festsetzung von Lärmschutzbereichen

verwehren, diese Lärmgrenzwerte zu unterschreiten (etwa zum Schutz bestimmter Gruppen

besonders schutzwürdiger Lärmbetroffener oder Einrichtungen)

3

. § 13 FluglärmG n. F. besei-

tigt nach allem nur Unklarheiten darüber, ob die Grenzwerte überhaupt eine Bedeutung für

die planerische Abwägung und Entscheidung im Rahmen der Flughafenplanfeststellung (und

nicht nur für die Festsetzung von Entschädigungen) haben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass

die Regelungen auch als "abschließend" betrachtet werden müssten und somit weitergehen-

de Maßnahmen für einen effektiven Schutz ausgeschlossen sind. Bei zutreffender Ausle-

gung ergibt sich somit, dass die für den passiven Schallschutz und für Entschädigungen

festgesetzten Werte in § 2 Abs. 2 FluglärmG n. F. weitergehende Maßnahmen – und damit

auch niedrigere Grenzwerte – in der Planfeststellung nicht ausschließen.

2

Wysk, Rechtliche Aspekte des neuen Fluglärmgesetzes, ZfL 2007, 243, 248

3

BVerwG, Beschl. v. 13.09.2007 – 4 A 1008.07 –, Juris-Datenbank, Rdnr. 30 -

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Dies bedeutet für das Schutzniveau im beantragten Plan Folgendes:

• Für einen effektiven Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm sind die aktuellsten lärmmedi-

zinischen Erkenntnisse zur Beurteilung von Fluglärmbelastungen heranzuziehen.

• Wie aufgezeigt hat es das vorgelegte lärmmedizinische Gutachten versäumt, die aktuel-

len Erkenntnisse und epidemiologischen Untersuchungen nach 2000 auszuwerten und

zu berücksichtigen. Aufgrund seiner unzureichenden Ermittlungen kommt der Gutachter

der FMG in seinem lärmmedizinischen Gutachten zu dem Ergebnis, dass 1.) die vom

Fluglärmgesetz festgelegten Schutzbereiche für den Tag und die Nacht einen ausrei-

chenden Schutz der Anwohner um den Flughafen München im Planungsfall gewährleis-

ten und 2.) Schulen, Kindergärten, Altenpflegeheime und Krankenhäuser keines über das

Fluglärmgesetz hinausgehenden Schutzes bedürfen.

• Bei zutreffender Betrachtung ergibt sich hingegen, dass weitere aktive Schallschutzmaß-

nahmen, insbesondere durch Betriebsbeschränkungen, zwingend erforderlich sind: Die

Werte in § 2 Abs. 2 FluglärmG n. F. beruhen weitgehend auf dem wissenschaftlichen

Erkenntnistand der Jahre 1999/2000, als der erste Entwurf für die Novelle erarbeitet

wurde. Der Schutz des FluglärmG n. F. liegt daher teilweise sogar unterhalb des von der

jüngeren Rechtsprechung geforderten Niveaus nach der alten Rechtslage. Anwohner,

insbesondere auch Kinder und ältere Menschen, bedürfen jedoch, wie neueste Erkennt-

nisse zeigen, eines Schutzes, der Werte unterhalb eines äquivalenten Dauerschallpegels

von 55 dB(A) bzw. 50 dB(A) (Kinder) tags sicherstellen. Nur wenn diese aus präventiv-

medizinischer Sicht zwingenden Werte eingehalten werden, kann eine Gesundheitsbe-

einträchtigung der Bevölkerung ausgeschlossen werden.

Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die neuesten Erkenntnisse der Lärm-

wirkungsforschung Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der Werte in § 2 Abs. 2 FluglärmG

n. F. bestehen.

4.1.2. Schadstoffbelastung, lufthygienisches Gutachten

Entgegen der Darstellung in den Antragsunterlagen zur Planfeststellung hat das Vorhaben

erhebliche negative Auswirkungen auf die Lufthygiene im Flughafenumland. Dies be-

trifft sowohl die Bau- als auch die Betriebsphase. Im Ergebnis wurde der Belang der Auswir-

kungen auf die Lufthygiene schon fehlerhaft und unzureichend ermittelt und infolgedessen

falsch bewertet.

Ein grundlegendes Defizit ist die Beschränkung auf die Betrachtung nur wenige Stoffe, näm-

lich Nox, NO2, Kohlenwasserstoffe/ Benzol, SO2, CO, PM10. „Die ausgewählten Schadstof-

fe ... stellen aus lufthygienischer Sicht eine ausreichende Beurteilungsgrundlage dar. Andere

Schadstoffe sind im vorliegenden Fall ... entweder emissionsseitig vernachlässigbar oder es

sind Stoffe mit lufthygienisch untergeordneter Bedeutung“ (S. 22 LUF).

Dadurch werden nicht alle relevanten Schadstoffe ausreichend gewürdigt. Beim Feinstaub

wird nicht einmal der PM2,5- Feinstaub bewertet („nur qualitativ“), auch nicht limitierte

Schadstoffe wie die Deposition von Ruß im direkten Umland des Flughafens unter den Ein-

flugschneisen wird nicht bewertet. Bei der Verbrennung von Kerosin entstehen zudem zahl-

reiche verschiedene organisch-chemische Stoffe, wie Aldehyde, Benzol, Benzapyren, Naph-

thalin, Ethylbenzol, Phenol u.v.a. Im Rahmen des Ausbaus des Frankfurter Flughafens wur-

den die organisch-chemischen Emissionen von Triebwerken auf ihre Toxizität geprüft. „Mit

Hilfe der an ein Massenspektrometer gekoppelten Kapillargaschromatographie wurden mit

ausreichend niedriger Nachweisgrenze ca. 350 verschiedene Verbindungen in sehr unter-

schiedlichen Konzentrationen identifiziert.“

4

. Davon wurden „68 Verbindungen sicher identifi-

4

WIEBEN, M., H. KRUSE, 1999: „Toxikologische Bewertung von organisch-chemischen Triebwerksemissionen (zivile Luftfahrt)“,

Kiel. S. 16 und S. 71

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ziert.“ Die hohe gesundheitliche Relevanz des Emissionen ist insbesondere durch den hohen

Gehalt an Produkten der unvollständigen Verbrennung des Treibstoffes bedingt. Gerade

beim Start eines Flugzeuges wird überproportional viel Treibstoff in Relation zum gesamten

Flug benötigt. Beim Landen ist die Schadstoffbelastung durch die unvollständige Verbren-

nung des Kerosin erhöht. Dadurch werden die Luftschadstoff-Immissionen gerade im Umfeld

von Flughäfen höher (höhere Luftverschmutzung).

Zu den Verbindungen zählen auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe

(PAKs), von denen eine Reihe krebserregend wirken, z.B. Benzapyren. Für diese

Substanzen gibt es wie auch für Benzol keinen „no effect level“, d.h. auch geringste

Mengen sind gesundheitsschädlich. Neben den mannigfaltigen Kohlenwasserstoffen wer-

den dem Kerosin zudem Additive wie Stabilisatoren beigemischt, deren Zunahme bzw. ge-

sundheitsschädliche Auswirkung ebenfalls zu prüfen ist. Die allgemeine Betrachtung insbe-

sondere der organischen Stoffe durch allgemeine Betrachtung der „Kohlenwasserstoffe" und

Benzol wird der unterschiedlichen Gefährlichkeit der verschiedenen Stoffe bei weitem auch

nicht annähernd gerecht. Die Betrachtung von Schwermetallen wie Blei fehlt völlig. Zu be-

achten ist bei der Vielzahl der Stoffe zudem, dass es zu Kombinationswirkungen in Orga-

nismen und zu Anreicherungen kommt. Es ist aus toxikologischer Sicht daher absolut unzu-

lässig, angesichts der Zunahme dieser Emissionen von einer „unkritischen Erhöhung“ der

Gesundheitsbelastung beim Ausbau zu sprechen.

Neben der sehr stark eingeschränkten Stoffauswahl ist ein weiteres grundlegendes Defizit,

dass im Gutachten an keiner Stelle erwähnt wird, welchen Einfluss die Schadstoffe auf die

Menschen haben. Bekanntermaßen gibt es konzentrationsabhängige (deterministische) und

nicht konzentrationsabhängige (stochastische) Schäden durch exogene Noxen, die zu Krebs

führen können. Beispiele gestiegener Krebsraten im Umfeld des Flughafens lassen sich an-

führen (s.u.). Auch der Anstieg von chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen, Asthma

bronchiale und koronaren Herzerkrankungen ist anzuführen. Die Zusammenhänge zwischen

der Entstehung von Krankheiten/ insbesondere Krebs und den Schadstoffen aus dem

Flugverkehr sind noch sehr wenig untersucht. Untersuchungen für Offenbach (1999) haben

jedoch gezeigt, dass in Offenbach im Vergleich zum Landesdurchschnitt jährlich 33% mehr

Frauen und 12% mehr Männer an Lungenkrebs sterben. Ähnliche Zahlen gelten für Blut-

hochdruck. Die Lebenserwartung liegt in Offenbach signifikant unter dem Landesdurch-

schnitt. Ursache hierfür sind insbesondere die Additive (Halogene, Chrom- und Calziumsal-

ze, Borsäureester, Glycerin, Phenole, Phosphorsäure, Halogene usw.). Die Chicago-Studie

zeigt, dass die Luftschadstoffe des Flugverkehrs das Krebsrisiko im Umfeld auf das Hundert-

fache des US-Zielwertes von 1:1 Million erhöhen. Vom erhöhten Risiko sind 98 Gemeinden

betroffen, die höchsten Risiken gibt es in den flughafennahen Gemeinden und im Norden

und Osten des Flughafens entsprechend der vorherrschenden Windrichtungen. Eine weitere

Studie zu Luftproben aus der Umgebung des Flughafens hat insbesondere in Leeseite zum

Flughafens erhöhte Werte an Aldehyden, insbesondere des als kanzerogen verdächtigen

Formaldehyd gefunden. Wir verweisen auch weitere Veröffentlichungen.

Diese Zusammenhänge werden in den Planfeststellungsunterlagen überhaupt nicht berück-

sichtigt, es werden weder Minimierungsmaßnahmen noch Schutzmaßnahmen angegeben.

Unzulässig ist in diesem Zusammenhang auch die Betrachtung von Gesamt- oder Mittelwer-

ten. Gerade (kurzfristige) hohe Werte/ Grenzwertüberschreitungen bergen erhebliche ge-

sundheitliche Gefahren. Auch die Einschränkung des Untersuchungsgebietes auf ein Raster

von 20x20 km ist unzureichend, es wird daraus beispielsweise nicht einmal der volle Umfang

der NO2-Emissionen erkennbar

5

. Es fehlt auch eine Darstellung, bis in welche Höhen die

Emissionen berücksichtigt wurden. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das lufthygienische

Gutachten auch in Hinblick auf die meteorologischen Daten unzureichend ist, da die Auswahl

der „DWD-Station Erdinger Moos“ im Osten des Flughafens nicht ausreicht. Im Westen des

Flughafens könnten sich ganz andere Strömungsverhältnisse ergeben. Außerdem ist die

5

vgl. Ausbreitungsmodell zur Berechnung der Konzentrationsverhältnisse am Frankfurter Flughafen: 60x60 km², aufgespannt

bis in eine Höhe von 3000 m

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Auswahl des Jahres 1995 nicht repräsentativ (vgl. S. 73 lufthygienische Untersuchung). Es

hätte zumindest ein längerer Zeitraum in die Hochrechnungen miteinbezogen werden müs-

sen.

Grundsätzlich ist auch zu kritisieren, dass in die Bewertung offensichtlich nur die Differenz

zwischen Prognosefall und Prognosenullfall und nicht mit dem Istzustand eingegangen ist.

Aus den einzelnen Darstellungen wird ersichtlicht, dass die Zunahme der Belastung im Ver-

gleich zum Istzustand vielfach deutlich höher ist als im Vergleich zum Prognosenullfall (z.B.

zur Stickstoffbelastung LUF S. 90-94). Mit zunehmendem Luftverkehr und damit auch mit der

Vergrößerung des Flughafens nehmen die Schadstoffe linear zu (vgl. LUF S. 53)

Entsprechend dieser Defizite ist ein weiteres Defizit, dass für die Vielzahl der nicht behandel-

ten gesundheitsrelevanten Stoffe auch keine Untersuchung der Vorbelastung der Region

durchgeführt wurde. Jede weitere Zunahme der Belastung ist somit abzulehnen, sie hat

bereits jetzt ein enormes Ausmaß angenommen. Durch den Ausbau würde nicht einmal eine

Grenze der Zusatzbelastung von 1% der Umweltstandards eingehalten (z.B. Benzol: Vorsor-

gewert 2,5 µg/m³, Zusatzbelastung an einigen Messstellen um bis zu 0,3 µg/m³, z.B. IO5,

ebenso NO2, NOx, s.u., vgl. Tab. Tab. 30, 32 LUF A).

Die vorgeschlagenen Minimierungsmaßnahmen sind unzureichend, teilweise unrealis-

tisch (z.B. Feuchthalten der Oberflächen zur Minimierung des Staubaustrages).

Insgesamt kann die Schlussfolgerung der UVS, dass die negative Auswirkung durch

die Zunahme der Schadstoffbelastung nur als “gering“ (NO2) bzw. „sehr gering“

(restliche Schadstoffe) bewertet wird (Antragsunterlagen S. 213), nicht nachvollzogen

werden. Es ist vielmehr eine hohe negative Auswirkung anzunehmen.

Wir stellen im folgenden nur exemplarisch für wenige Stoffgruppen die Erheblichkeit

der Auswirkung dar.

4.1.2.1. Feinstaub (PM10

)

Die Belastung des Flughafenumlands durch Staubimmissionen, wobei die Belastungen

durch PM10

-Feinstaub und durch Arsen im Vordergrund der Betrachtung stehen, ist im Hin-

blick auf die Gesamtbelastungen sowohl in der Betriebsphase als auch in der Bauphase als

kritisch anzusehen. Von einer zukünftig angeblich verringerten Hintergrundbelastung kann

keine Rede sein. Im Übrigen ist die Planung deshalb rechtswidrig, weil die durch das Vorha-

ben hervorgerufenen Konflikte nicht durch den Plan selbst bewältigt, sondern zu Unrecht auf

andere Planungsträger abgewälzt werden.

a) Hohe Feinstaub-Belastungen

Die Prognose in der lufthygienischen Untersuchung für die PM10

-Belastung (Ordner Nr. 42

der Antragsunterlagen) und die darauf beruhende Belastungsbewertung in der Antragsbe-

gründung verkennen die tatsächliche zukünftige Belastung im Flughafenumland:

Keine Berücksichtigung verschärfter Grenzwerte ab 01.01.2010: In Verkürzung der er-

forderlichen langfristigen Betrachtungsweise berücksichtigt die von der Antragstellerin vorge-

legte Prognose lediglich die Einhaltung der PM10

-Grenzwerte für die Stufe 1 (ab 01.01.2005

bis 31.12.2009), nicht jedoch für die im Prognosezeitraum maßgebliche Stufe 2 (ab

01.01.2010). Dies wäre jedoch zwingend gewesen: Ab 01.01.2010 gilt nicht mehr der aktuel-

le Jahresgrenzwert von 40 µg/m

3

bzw. der 24-Stunden-Grenzwert von 50 µg/m

3

(bei maximal

35 Überschreitungen pro Jahr), sondern der Jahresgrenzwert von 20 µg/m

3

sowie der 24-

Stunden-Grenzwert von 50 µg/m

3

bei maximal sieben Überschreitungen pro Jahr. Auch

wenn bislang lediglich Stufe 1 durch § 4 der 22. BImSchV in nationales Recht umgesetzt

wurde, muss die Planfeststellung als auf die Zukunft gerichtete Planung, mit einem weit über

das Jahr 2010 hinausgehenden Prognosehorizont, auch die dann einzuhaltenden Grenzwer-

te der Richtlinie 1999/30/EG des Rates vom 22.04.1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid,

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Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft einhalten. In Bezug auf die

verschärften Grenzwerte ab 01.01.2010 liegt folglich ein Ermittlungsausfall vor.

Keine quantitative Berücksichtigung des Feinstaubes PM2,5 und noch kleinerer Parti-

kel: In der EU soll wegen der wesentlich stärkeren Gesundheitsrelevant in den nächsten

Jahren ein Grenzwert für PM2.5 eingeführt werden. Gerade Flugtriebwerke emittieren sehr

hohe Konzentrationen an ultrafeinen, lungengängigen Partikeln im Bereich 10 – 100 nm, die

einen verschwindend kleinen Bruchteil an PM10 bzw. PM2.5 ausmachen, aber gesundheit-

lich sehr viel relevanter weil wirksamer sind. Diese Partikel sind zudem mit einer Vielzahl

organischer Verbindungen belastet. Die WHO hat für diese kleineren Partikel eine verstärkte

Betrachtung mit strengen Grenzwerten gefordert (PM2,5: 10 µg/m³ (Jahr), 25 µg/m³ (Tag).

Jede Erhöhung der PM2,5-Belastung um 10 µg/m³ führt zu einer höheren Sterberate um 6%.

Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer strikten Vermeidung zunehmender Belastungen.

Überschreitungen der Grenzwerte während der Bauphase: Schon während der Baupha-

se kommt es allerdings zu Überschreitungen der aktuell geltenden Grenzwerte für PM10

ge-

mäß § 4 der 22. BImSchV. Für die Bauphase wird ein Zeitraum von 93 Monaten (ca. 7 bis 8

Jahre) angesetzt. In dieser Zeit werden vor allem während der Baumonate 13 bis 24 an den

zur Stadt Freising gehörenden Immissionsorten IO 6, IO B1 und IO B2 in Attaching sowie IO

7 in Freising-Süd die Grenzwerte überschritten. An den in Attaching gelegenen Immissions-

orten IO 6, IO B1 und IO B2 kommt es sogar zu erheblichen Überschreitungen des über ein

Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes von 40 µg/m

3

: An diesen Immissionsorten

wird in dem vorgenannten Zeitraum eine Belastung von 41,3 µg/m

3

, 49,6 µg/m

3

und 49,7

µg/m

3

prognostiziert. Berücksichtigt man die von den Baustellenfahrzeugen (insbesondere

den Lkw) verursachten Schadstoffemissionen, muss davon ausgegangen werden, dass es

insbesondere in den umliegenden Gemeinden mit erhöhten Immissionen während der Bau-

phase durch den baustellenspezifischen Verkehr zu noch größeren Belastungen kommt. Es

wird während der Bauphase aber nicht nur zu Überschreitungen des Jahresmittelwertes

kommen. Nach der lufthygienischen Untersuchung in Ordner Nr. 42 ergibt sich, dass bei den

Jahresmittelwerten über 30 µg/m

3

mit mehr als 35 Überschreitungen/Jahr des 24-Stunden-

Grenzwertes von 50 µg/m

3

zu rechnen ist. Demnach muss neben den Immissionsorten IO 6

sowie IO B1 und IO B2 auch am Immissionsort IO 7 Freising-Süd im 13. bis 24. Baumonat

mit mehr als 35 Überschreitungen/Jahr gerechnet werden, da hier ein Jahresmittelwert von

31,4 µg/m

3

berechnet wurde. Einen sehr hohen Anteil bilden hierbei die Feinstaubexpositio-

nen durch die umfangreichen Bautätigkeiten.

Minimierungsmaßnahmen nicht ausreichend: Die in Kapitel LUF Teil B - Bauphase - auf

den Seiten 14 ff. beschriebenen Maßnahmen zur Staubminderung sind nicht ausreichend,

um einen effektiven Schutz zu gewährleisten.

In der lufthygienischen Untersuchung fehlt letztlich jeder Nachweis darüber, inwieweit die

Staubexpositionen durch die beschriebenen Maßnahmen verringert werden könnten.

b) Hohe Hintergrundbelastung

Die prognostizierte Hintergrundbelastung ist zu niedrig, wodurch die tatsächlichen Belastun-

gen durch Luftschadstoffe in der Zukunft verkannt werden.

Bei allen Berechnungen wurden als Hintergrundbelastungen die PM10

-Jahresmittelwerte aus

dem Jahr 2004 herangezogen. Für den Prognose-Null-Fall und den Planungsfall im Jahr

2020 wird sogar mit niedrigeren Hintergrundbelastungen gerechnet. Dabei geht der Gutach-

ter zu Unrecht davon aus, dass sich die Hintergrundbelastungen bis 2020 gegenüber 2004

verringern werden. Begründet wird diese Aussage in Kapitel LUF Teil A - Betriebsphase - auf

Seite 19 folgendermaßen: „Allerdings wird es die Aufgabe der staatlichen Luftreinhaltepolitik

der nächsten Jahre sein, durch emissionsmindernde Maßnahmen vor allem beim Kfz-

Verkehr als dem Hauptverursacher der heutigen und prognostizierten Immissionsbelastung

die anspruchsvollen Zielvorgaben der 22. BImSchV innerhalb der gesetzten Fristen zu errei-

chen. Aufgrund solcher Maßnahmen ist zu erwarten, dass die Hintergrundbelastung im Jahr

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2020 tendenziell niedriger als 2004 liegen wird […]". Keine Feststellungen enthalten die Un-

terlagen jedoch zu der Frage, um welche konkreten Maßnahmen es sich hierbei handeln

soll.

Auch auf S. 83 wird ohne weiteren Nachweis behauptet, dass sich die Immissionen durch

den Straßenverkehr durch weiterentwickelte Motorentechnologien verringern werden. Zudem

sollen sich im Jahr 2020 angeblich niedrigere Verkehrszahlen auf "bestimmten Straßenab-

schnitten" ergeben, so dass angeblich mit einer niedrigeren Hintergrundbelastung gerechnet

werden könne. Abgesehen einmal davon, dass schon jeder Hinweis darauf fehlt, welche

Straßenabschnitte konkret gemeint sind, ist dies auch nicht plausibel. Denn es ist mit einem

weiteren Anstieg des Kfz-Verkehrs zu rechnen. Dies gilt in Bezug auf den Flughafen erst

recht, weil der Flughafen landseitig nur sehr unzureichend mit öffentlichen Verkehrsmitteln

angeschlossen ist. An dieser Situation wird sich jedoch auf absehbare Zeit nichts ändern:

Zum einen wurde in den Betrachtungen zu den Luftschadstoff-Immissionen vorausgesetzt,

dass bis zur Inbetriebnahme der 3. Start- und Landebahn bereits der Transrapid, der Erdin-

ger Ringschluss und die Neufahrner Gegenkurve bestehen und wesentlich zur Entlastung

des Kfz-Verkehrs beitragen würden. Die Realisierung dieser Maßnahmen ist jedoch keines-

falls gesichert. Zum anderen ist damit zu rechnen, dass der Kfz-Verkehr im Flughafenumland

nicht ab-, sondern weiter zunimmt.

Eine Zunahme des Kfz-Verkehrs ergibt sich daraus, dass viele Beschäftigte des Flughafens

nicht im direkten Umland wohnen, da der Wohnraum hier sehr teuer ist. Folglich wird ein

Großteil der Arbeitnehmer mit dem Kfz zum Flughafen fahren (im Jahr 2006 fuhren von

37.300 Beschäftigten 76 % mit dem eigenen Pkw zum Flughafen, vgl. Untersuchung des

landseitigen Verkehrs in Ordner Nr. 40 der Antragsunterlagen auf S. 16). Es muss damit ge-

rechnet werden, dass dieser Anteil weiter ansteigen wird, da die FMG eine erhebliche Zu-

nahme von Jobs am Flughafen München prognostiziert. Überdies kommt ein nicht unerhebli-

cher Anteil der Fluggäste mit dem Pkw zum Flughafen (Im Jahr 2005 kamen 44 % der Flug-

gäste mit dem eigenen Pkw, 11 % mit dem Taxi, 7 % mit dem Bus und 6 % mit dem Mietwa-

gen zum Flughafen. Dies entspricht 68 % aller Fluggäste. Lediglich 32 % benutzen die S-

Bahn, vgl. Untersuchung des landseitigen Verkehrs in Ordner Nr. 40 der Antragsunteralgen

auf S. 17).

Überdies ist festzustellen, dass sich die FMG mit der Behauptung des angeblich abnehmen-

den Kfz-Verkehrs selbst widerspricht: Auf S. 184 der Antragsbegründung geht die FMG unter

Berufung auf das Gutachten zur Untersuchung des landseitigen Verkehrs von TRANSVER

GmbH davon aus, dass im Planungsfall mit einem Anstieg der Kfz-Fahrten auf 109.600 Kfz

pro Tag zu rechnen sein soll. Dies stelle eine Zunahme des flughafenbezogenen Quell-

/Zielverkehrs um etwa 13.300 Kfz-Fahrten pro Tag – etwa 14 % im Vergleich zum Prognose-

nullfall im Jahr 2020 – dar. Auf S. 185 der Antragsbegründung stellt die FMG sodann zu-

sammenfassend fest, dass sogar „unabhängig vom Ausbauvorhaben – bis zum Prognoseho-

rizont 2020 infolge der allgemeinen Verkehrsentwicklung und der unterstellten Flughafen-

entwicklung mit einem weiter steigenden Verkehrsaufkommen […] zu rechnen ist."

Von einer abnehmenden Hintergrundbelastung wegen einer angeblichen Verringerung des

Kfz-Aufkommens im Flughafen-Umland kann nach alledem keine Rede sein.

Nach allem ist deshalb entgegen der Auffassung der Antragstellerin von einer hohen und

steigenden Hintergrundbelastung auszugehen.

c) Fehlende eigene Konfliktbewältigung

Der Planung fehlt es um die erforderliche eigene Konfliktbewältigung. Stattdessen sollen

Konflikte auf nachfolgende Planungsträger abgewälzt werden. Diese Vorgehensweise ist un-

zulässig.

Denn die bloße Hoffnung der FMG, die Luftreinhaltung werde sich für den Planungsfall im

Jahr 2020 durch weitere begleitende Maßnahmen und Entwicklungen in den Griff bekommen

lassen, reicht für eine hinreichend eigene Konfliktbewältigung auch nach der jüngsten Recht-

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sprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht aus. Dem Grundsatz der Problembewälti-

gung ist zumindest dann nicht mehr erfüllt, wenn die Behörde das Vorhaben zulässt, ob-

gleich absehbar ist, dass seine Verwirklichung die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung

der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhaltung in einer mit der Funktion des Vorhabens

zu vereinbarenden Weise zu sichern. Dies ist insbesondere der Fall, wenn besondere Um-

stände vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Konfliktbewältigung nicht in Be-

tracht kommt. Derartige Umstände können sich insbesondere aus ungewöhnlichen örtlichen

Gegebenheiten (zentrale Verkehrsknotenpunkte, starke Schadstoffvorbelastung zahlreicher

Emittenten usw.) ergeben. Dies ist hier der Fall. So liegt der Flughafen in der Nähe zweier

Autobahnen (A 92 und A 9) sowie diverser Bundes- und Staatsstraßen. Das Straßenver-

kehrsaufkommen ist hoch. Aufgrund der umfangreichen Betroffenheit wird es einzelnen Ge-

meinden im Wege der Luftreinhalteaktionsplanung kaum möglich sein, die hohe Feinstaub-

belastung effektiv zu bekämpfen. Ohne entsprechende Regelungen im Planfeststellungsbe-

schluss ist die Planung daher rechtswidrig.

Dies ergibt sich erst Recht aus dem Wortlaut der Vorschrift der 22. BImSchV selbst. Die Fra-

ge der Einhaltung der Grenzwerte darf in keinem Fall offen gelassen werden, sondern die

Immissionswerte müssen zwingend eingehalten werden (vgl. auch SACHVERSTÄNDIGENRAT

FÜR UMWELTFRAGEN, Sondergutachten "Umwelt und Straßenverkehr", 2005).

Die vorliegende Planung ist somit ohne den Nachweis der konkreten Möglichkeit einer alter-

nativen Immissionsminderung sowie entsprechender Maßnahmen und Kompetenzen

rechtswidrig.

4.1.2.2. Stickstoffdioxid (NO2)

Aus dem Gutachten LUF Teil A (Betrieb) ergibt sich, dass die Gesamtbelastung für den Pla-

nungsfall im Jahr 2020 an den Immissionsorten mit einer Bandbreite von 27 bis 41 µg/m

3

NO2 liegt. Überschreitungen des Immissionsgrenzwertes von 40 µg/m

3

für NO2, der ab

dem Jahr 2010 einzuhalten ist (§ 3 Abs. 4 der 22. BImSchV), werden insbesondere an den

flughafennahen Immissionsorten IO 5 Brandau und IO 7 Freising-Süd erwartet. Das Gutach-

ten geht jedoch lediglich von geringfügigen bis marginalen Zusatzbelastungen durch den Be-

trieb der 3. Startbahn aus. Die Überschreitung des Grenzwertes wird für wenig bedenklich

gehalten, da die Abschätzung auf „konservativen“ Annahmen basiert und von deutlich redu-

zierten Emissionen von NOx durch Kraftfahrzeuge und andere Quellen im Umland und auf

dem Flughafen aufgrund der Weiterentwicklung der Luftreinhaltetechnologie ausgegangen

wird. Daneben wird auch bereits die Veränderung des Modal-Split mit einberechnet, der sich

aus einer Verringerung des Anteils des Pkw-Verkehrs durch Transrapid und Erdinger Ring-

schluss zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs ergibt. Dies sind aber alles reine Spekulati-

onen. Soweit sich der Gutachter hierauf beruft, reicht dies zur Konfliktbewältigung in der

Planfeststellung nicht aus (s.o.). Die Entwicklung effizienterer Flugzeugtriebwerke führt sogar

durch die Erhöhung der Verbrennungstemperaturen zu einer Erhöhung ihrer NOx-

Emissionen.

Zudem verkennt der Gutachter, dass es sich bei der Vorgabe von 40 µg/m

3

NO2 nicht um

einen "Immissionswert" oder eine "Zielvorgabe", sondern um einen zwingend zum Schutz

der menschlichen Gesundheit einzuhaltenden Immissionsgrenzwert handelt (vgl. § 3 Abs. 4

der 22. BImSchV). Immissionsgrenzwerte geben einen Wert an, der einzuhalten ist und nicht

überschritten werden darf (vgl. § 1 Nr. 3 der 22. BImSchV).

Stickoxide greifen die natürliche Ozonschicht an. Beim Menschen führen Stickoxide zu A-

temwegserkrankungen.

In London wurde die Erweiterung des Flughafens Heathrow um eine dritte Start- und Lande-

bahn zurückgestellt, weil die Einhaltung der NO2-Grenzwerte durch diese Maßnahme nicht

mehr zu garantieren ist. Dies ist auch in München der Fall!

Es wird auch deutlich, dass die zusätzliche Stickstoffdeposition einen keineswegs geringen

Anteil an der Hintergrundbelastung hat. Die Hintergrundbelastung wird nach der UVS mit 30

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 59

µg/m³ bzw. 8 kg N/ ha und Jahr angenommen. Die Belastung in der Nähe des Flughafens

macht bereits aktuell bis zu 163% der Hintergrundbelastung aus. Mit dem Bau der geplanten

3. Bahn würde die durch den Flughafen hervorgerufene Stickstoffdeposition nach Angabe

der UVS bei im Vergleich zum Istzustand 2004 zusätzlich ca. 2-4 kg N/ha und Jahr liegen,

d.h. bis zu 50 % der Hintergrundbelastung (UVS 12-25, LUF S. 90 ff). Wie angesichts

dessen die Schlussfolgerung gezogen wird, dass “die Gesamtbelastung dort nach wie vor

zum großen Teil durch die Hintergrundbelastung geprägt wird” (UVS 12-25) ist nicht

nachvollziehbar.

Für Attaching würde die Zunahme (2004 auf Prognosefall) 13,1 µg/m³ NO2 (und 28,3 µg/m³

NOx) bedeuten bei einer künftigen Gesamtbelastung von 38,1 µg/m³ NO2 (und 58,3 µg/m³

NOx). Die flughafeninduzierte Zunahme würde somit 34% (48%) der Gesantbelastung

ausmachen.

Für Pulling würde die Zunahme (2004 auf Prognosfall) 10,1 µg/m³ NO2 (und 16,6 µg/m³

NOx) bedeuten bei einer künftigen Gesamtbelastung von 35,1 µg/m³ NO2 (und 46,6 µg/m³

NOx). Die flughafeninduzierte Zunahme würde somit 28% (35%) der Gesamtbelastung

ausmachen.

Allein diese beiden Beispiele verdeutlichen den hohen Anteil der durch den Ausbau

bedingten Zunahme bei den Stickoxiden. Eine Reduzierung der Betrachtung auf die

Differenz zwischen Prognosenullfall und Prognosefall (in Attaching: +4 µg/m³ NO2 bzw. +8,1

µg/m³ NOx / in Pulling +2,3 µg/m³ NO2 bzw. +3,5 µg/m³ NOx) ist verharmlosend.

Sogar für das relativ weit entfernte Trinkwasserschutzgebiet im Freisinger Moos ergibt sich

im Planungsfall eine 10-20 µg/m³ höhere NO2-Belastung (bei einer Hintergrundbelastung

von 20-35) und entsprechend eine zusätzliche Stickstoff-Deposition von 2-5 kg N/ha, Jahr.

Zur Wirkung der Stickstoff-Deposition auf die biologischen Schutzgüter Fauna und

Vegetation verweisen wir auf die dortigen Ausführungen (Kap. 5.2.3.).

4.1.2.3. Ozon

Bei der Schadstoffauswirkungs-Betrachtung völlig unberücksichtigt geblieben sind mögliche

Zunahmen der Ozon-Belastungen in Bodennähe, welche bei höheren Konzentrationen zu

gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Schädigungen an Pflanzen führen können. Aus-

wirkungen auf den Menschen sind z. B. Reizungen der Schleimhäute, der Atemwegsorgane

sowie Befindlichkeitsstörungen, wie Augentränen, Kopfschmerzen und Konzentrations-

schwäche. Bei Pflanzen kann sich Ozon negativ auswirken, da es zur Verfärbung der Blätter,

zu Waldschäden und auch zu Beeinträchtigungen des Pflanzenwachstums und somit unter

anderem zur Verringerung von Ernteerträgen bei Nutzpflanzen führen kann. Gebildet wird

das bodennahe Ozon unter dem Einfluss intensiver Sonneneinstrahlung und unter Beteili-

gung von Stickoxiden (NOx) und Kohlenwasserstoffen. Die lufthygienische Untersuchung be-

rücksichtigt dieses nicht direkt emittierte Ozon nicht. Stickoxide werden insbesondere bei der

Verbrennung von Kraftstoffen freigesetzt und tragen somit zum Anstieg des Ozongehaltes in

Bodennähe bei.

Rechtlicher Bewertungsmaßstab für Ozon ist die 33. BImSchV. In § 2 der 33. BImSchV

sind Zielwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit und zum Schutz der Vegetation

festgelegt. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit gelten folgende Grenzwerte: 120

µg/m

3

als höchster 8-Stunden-Mittelwert der Ozonkonzentration in der Luft während eines

Tages bei 25 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr ab 01.01.2010 sind Zielwert

zum Schutz der menschlichen Gesundheit (§ 2 Abs. 1 der 33. BImSchV). Langfristiger Ziel-

wert zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor bodennahem Ozon sind 120 µg/m

3

als

höchster 8-Stunden-Mittelwert der Ozonkonzentration in der Luft während eines Tages (§ 2

Abs. 3 der 33. BImSchV). Die Informationsschwelle für bodennahes Ozon beträgt 180 µg/m

3

als 1-Stunden-Mittelwert der Ozonkonzentration in der Luft (§ 2 Abs. 5 der 33. BImSchV), die

Alarmschwelle für bodennahes Ozon beträgt 240 µg/m

3

als 1-Stunden-Mittelwert der Ozon-

konzentration in der Luft (§ 2 Abs. 6 der 33. BImSchV).

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Die Zusammenfassung der in den Immissionsberichten der FMG veröffentlichten Halbstun-

den-Mittelwerte für Ozon im Zeitraum 2002 bis 2006 zeigt, dass der Zielwert vor allem in

den Sommermonaten zum Teil erheblich überschritten wird. Die bei steigender Tempe-

ratur und Sonneneinstrahlung zunehmende Ozonkonzentration in Bodennähe wird durch die

Abgase – auch vom Flughafen München – verstärkt.

• In den Monaten Mai bis September 2003 wurden Halbstunden-Mittelwerten zwischen 202

µg/m

3

und 254 µg/m

3

gemessen. Der VDI-Richtwert wurde in diesem Zeitraum zwischen

128 und 574 Mal überschritten!

• Im Jahr 2004 wurden in den Monaten Mai bis September Werte zwischen 158 µg/m

3

und

183 µg/m

3

gemessen. Die Überschreitungshäufigkeit betrug 31 bis 64 Mal!

• Im Jahr 2005 wurden Überschreitungen vor allem in den Monaten Februar bis September

festgestellt. Hier bewegen sich die Halbstunden-Mittelwerte zwischen 123 µg/m

3

und 183

µg/m

3

. Der Halbstunden-Richtwert wurde zwischen 3 und 184 Mal (!) überschritten.

• Im Jahr 2006 wurde der Halbstunden-Richtwert im Zeitraum April bis August zwischen 1

und 123 Mal überschritten. Die maximalen Halbstunden-Werte betrugen 120 µg/m

3

bis

193 µg/m

3

.

Ferner liegen für 2007 die Immissionsberichte für die Monate Januar bis August vor. Die Mo-

natsmittelwerte für Ozon bewegen sich demnach zwischen 24 µg/m

3

und 64 µg/m

3

. Dies ent-

spricht im Mittel 48 µg/m

3

. Die höchsten ½-Stundenmittelwerte betrugen in diesem Zeitraum

64 µg/m

3

(Februar 2007) bis 183 (Juli 2007). Der VDI-Halbstunden-Richtwert (120 µg/m

3

)

wurde dabei im April 37 Mal, im Mai 44 Mal, im Juni 38 Mal und im August 25 Mal überschrit-

ten. Für Juli (183 µg/m

3

) enthalten die Berichte keine Angaben zu den Überschreitungshäu-

figkeiten.

Aufgrund dieser Ergebnisse ist im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zwingend eine

Betrachtung der zu erwartenden Ozonsituation für den Prognosenull- und den Planungsfall

2020 darzustellen. Ohne entsprechende Ermittlungen lägen ein Ermittlungsausfall und damit

ein Abwägungsdefizit vor.

4.1.2.4. Kohlendioxid, Schwefeldioxid, organische Stoffe

Unzureichend ist ferner die Belastung durch Kohlenstoffdioxid ermittelt worden. Bei der

Verbrennung von Kerosin werden vor allem Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf freigesetzt.

Kohlenstoffdioxid ist als "Treibhausgas" bekannt. Es trägt maßgeblich zur Erderwärmung und

zum Klimawandel bei, da es in der Atmosphäre zur Absorption von Wärmeenergie führt, wel-

che von der Erdoberfläche reflektiert wird. Wasserdampf (Kondensstreifen) regt in den höhe-

ren Schichten der Atmosphäre eine unnatürliche Wolkenbildung an, sodass die reflektierte

Wärmemenge nicht abgestrahlt werden kann (s.u. Kap. 6.2.).

Schwefeldioxide führen zu einer Versauerung der Luft und können dadurch den so genann-

ten "sauren Regen" hervorrufen. Die Schadstoffe bleiben zum Teil bis zu einem Jahr in der

höheren Luftschicht, bevor es zu einem Absinken kommt. Der Anteil der toxischen Luft-

schadstoffe beträgt ca. 0,04 % an der Gesamtemission.

Bezüglich der gravierenden Defizite bei der Erfassung und Bewertung der höchst gesund-

heitsrelevanten organisch-chemischen Emissionen des Flugverkehrs verweisen wir auf die

einleitende Kritik am lufthygienischen Gutachten (s.o. Kap. 4.1.2. Einleitung).

Auch wenn die Triebwerke moderner Flugzeuge in Bezug auf den Schadstoffausstoß weiter

optimiert werden sollten, werden diese Einsparungen durch die kontinuierliche Zunahme der

Flugbewegungen kompensiert, sodass die Belastungen im Ergebnis trotzdem zunehmen

werden.

Im Gegensatz zu der Darstellung in den Antragsunterlagen stellt auch der Treibstoff-

Schnellausstoß eine erhebliche Belastung dar. Der Vorgang des Treibstoff-

Schnellausstoßes wird in Ordner Nr. 42 der Antragsunterlagen im Kapitel LUF Teil A – Be-

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triebsphase – auf S. 103 beschrieben. Danach sollen je Vorgang "maximal einige 10 Ton-

nen" abgelassen werden, wodurch laut Gutachten angeblich "[…] keine relevante Beein-

trächtigung der lufthygienischen Situation" zu erwarten sein soll. Eine sichtbare Kerosinabla-

gerung in der Umgebung des Flughafens soll vor diesem Hintergrund ausgeschlossen wer-

den können. Dies widerspricht den Beobachtungen und Erfahrungen in der Bevölkerung.

4.1.2.5. Arsen

Durch die baubedingten Erdbewegungen und Staubeinträge erhöht sich auch die Gefahr der

Arsenbelastung.für die Menschen im Umfeld. Zudem erhöht sich das Risiko einer

Arsenbelastung der tertiären Grundwasserschichten. Dieses Risiko wird in der UVS zu

gering bewertet. Die Tatsache, dass die UVS die Umlagerung arsenhaltigen Bodens bei

einer geordneten Ablagerung nicht als nachteilige Umweltauswirkung betrachtet (10-64 UVS)

halten wir für fehlerhaft. Wir verweisen hierzu auf unsere Ausführungen in Punkt 4.2.1.2. und

4.3.2.3..

4.1.2.6. Unzureichende Darstellung von Grenzwertüberschreitungen

Die vorhabensbedingt auftretenden Grenzwertüberschreitungen sind in den Planfeststel-

lungsunterlagen grundsätzlich unzureichend dargestellt. In den Anhängen A und B der Luft-

hygienischen Untersuchung (Ordner Nr. 42, Gutachten 10) sind die prognostizierten Immis-

sionsbelastungen für die einzelnen Luftschadstoffe flächenhaft dargestellt. Nicht dargestellt

sind jedoch die Bereiche, in denen es infolge des beantragten Vorhabens zu Grenzwertüber-

schreitungen kommen kann. So soll z. B. der Grenzwert für NO2 ab 01.01.2010 40 µg/m

3

betragen. Dieser Grenzwert lässt sich jedoch der Skalierung der Karten im Anhang nicht

entnehmen. Diese ist vielmehr aufgeteilt in > 1,0 µg/m

3 /

> 2,0 µg/m

3

usw. bis > 20,0 µg/m

3

und als nächstes Stufe > 50,0 µg/m

3

, dann > 100,0 µg/m

3

usw.

Des Weiteren ist nicht nachvollziehbar, weshalb für die Darstellung der Luftschadstoffe NO2,

NOX, HC und SO

2 die gleiche Skalierung gewählt wurde, obwohl sich die berechneten Im-

missionswerte und die jeweiligen Grenzwerte in unterschiedlichen Größenordnungen bewe-

gen.

Bereiche, in denen Grenzwerte erreicht bzw. überschritten werden, sind nur für die Schad-

stoffe SO2 und Benzol zu erkennen, da lediglich für diese Schadstoffe die zugehörigen Jah-

resmittelgrenzwerte in der Skalierung angegeben sind.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass durch dieses Vorgehen etwaig zu erwartende Grenz-

wertüberschreitungen verdeckt werden sollen.

Letztlich muss auch darauf hingewiesen werden, dass gerade Extremsituationen wie der

Sommer 2003 zur Überschreitung von Grenzwerten führen. Angesichts der

Klimaveränderung werden derartige Extremsituationen nach Aussagen der Klimaforscher

häufiger werden. Vor diesem Hintergrund ist eine weitere Zunahme der Belastung durch eine

erhebliche Ausweitung des Flugverkehrs noch kritischer zu sehen.

4.1.3. Radarstrahlung

Überhaupt nicht betrachtet ist in der UVS die Auswirkung der Radaranlagen.

Im Oberdingermoos, Gemeindegebiet Oberding, sind seit 2003 allein 6 uns bekannte

Personen an Krebs erkrankt. Das bedeutet durchschnittlich fast in jedem 2. Haus trat eine

uns bekannte Krebserkrankung auf. Eine Dunkelziffer uns bisher nicht bekannter Krebsfälle

kommt sicher noch dazu. Bemerkenswert ist, dass alle Krankheitsfälle im Bereich der

Radaranlagen liegen.

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Die fehlende Betrachtung derartiger Zusammenhänge ist ein schwerwiegendes Defizit der

UVS.

4.1.4. Auswirkung auf Wirtschafts-, Siedlungs- und Verkehrsstruktur

Da die negativen Auswirkungen der geplanten 3. Bahn auf die Wirtschafts- und

Siedlungsstruktur ein wesentlicher Belang insbesondere der Kommunen ist, verweisen wir

hierzu auf die Stellungnahme der Stadt Freising, deren Aussagen hierzu wir vollinhaltlich

zum Gegenstand unserer Einwendung machen. Zudem ist auf die fehlende

Planrechtfertigung hinzuweisen (s.o. Kap. 2).

In der Schlussfolgerung ist festzustellen, dass

• die Gutachten hierzu zahlreiche Defizite aufweisen und die auftretenden Probleme

verkannt werden,

• Die zuerwartenden zusätzlichen Arbeitsplätze mit zunehmender Flughafengröße

abnehmeen,

• Kein zusätzliches Wirtschaftswachstum anzunehmen ist, der Beschäftigteneffekt weit

überzogen ist, die Prognose der Beschäftigtenzahl aus wenig begründeten Annahmen,

nicht geprüften Eingangsdaten, wenig plausiblen Schätzungen und fehlerhaften

Analogieschlüssen besteht.

• Von einer „Jobmaschine“ am Flughafen München nicht die Rede sein kann.

• Weder die Beschäftigtenentwicklung noch die Wirtschafts- und

Erwerbstätigenentwicklung im Untersuchungsgebiet (in der Region herrscht insgesamt

annähernd Vollbeschäftigung) die mit dem Ausbau verbundenen negativen Effekte

rechtfertigen,

• die geplante 3. Bahn auf die Wirtschafts- und Siedlungsstruktur erhebliche negative

Auswirkungen haben wird.

Wir weisen auch darauf hin, dass der mit dem Vorhaben verbundene sekundäre

Flächenverbrauch durch Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsvorhaben erhebliche negative

Folgewirkungen auf die Schutzgüter Fauna, Vegetation, Biologische Vielfalt, Landschaft,

Landwirtschaft, Boden (und ggf. auch Wasser) nach sich zieht.

4.1.5. Auswirkung auf die Naherholung

Zusätzlich kommt es zu massiven Beeinträchtigung des Erholungswertes der Landschaft

durch Verlärmung von wichtigen Naherholungsgebieten bis zur vollständigen Entwertung.

Insbesondere das Gebiet der Stoibermühle, des Freisinger Mooses oder der Isarauen hat

sehr hohen Wert für die Naherholung. Auch wenn die Stoibermühle nur lokal von Bedeutung

wäre, ist dies kein Argument für einen geringeren Wert, denn gerade die Entwertung örtlicher

Naherholungsgebiete für die örtliche Bevölkerung ist angesichts der zahlreichen

Vorbelastungen im Raum gravierend.

Die Einschätzung, dass „unter Beachtung der im landschaftspflegerischen Begleitplan

vorgesehenen landschaftlichen Einbindung des Vorhabens und der geplanten

Kompensationsmaßnahmen ... die Auswirkungen des Vorhabens ... insgesamt als mittel

bewertet [werden]“ (UVS Erholung 6-61) missachtet den Erholungswert von „Ruhe“ als

solches. Die Belästigungen können nicht durch „begrünte Geländeaufschüttungen bzw.

Abschirmwälle“ (UVS 6-60) kompensiert werden. Bereits jetzt sind wichtige Naherholungs-

gebiete Freisings (z.B. Pullinger Weiher) schon so verlärmt und damit in ihrem Erholungs-

wert entwertet, dass sie von zahlreichen Personen nicht mehr aufgesucht werden. Für den

Pullinger Weiher wird die Belastung noch weiter zunehmen (> 60 dB(A)). Im Planungsfall

wird insbesondere das Gebiet der Stoibermühle massiv entwertet (Dauerschallpegel 50-56

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dB(A)), die künftige Belastung durch den Fluglärm ist auch nicht durch den Verweis auf die

starke Vorbelastung durch den Autobahnlärm zu verharmlosen. Der gesamte Norden des

Erdinger Mooses wird durch die 3. Bahn angesichts weiterer Belastungen durch die Auto-

bahn und das Verschwinden großflächiger Zwischenräume massiv für die Naherholung

entwertet.

Auch die bestehenden Wander- und Radwege in anderen Naherholungsgebieten werden

durch vermehrten Lärm vermehrt beeinträchtigt. Dies betrifft sowohl die Isar, das Freisinger

Moos und auch weiter entfernt liegende Gebiete wie die Amper (Ampertalradweg), in denen

in Teilbereichen schon heute Fluglärm für die Naherholung stark störend wirkt.

4.2. Schutzgut Wasser

Die wesentlichen Veränderungen des Schutzgutes Wasser umfassen

• die Grundwasserabsenkung mit all ihren negativen Auswirkungen auf Böden, Flora und

Fauna. Nach Angaben der UVS beträgt die Absenkung

- 50 cm unter ZW bei einer 10-cm-Linie von 50 - 250m im Norden und bis zu 1100 m im

Südosten

- 10-25 cm unter MNW bei einer 10-cm-Isolinie von 150 – 300 m im Norden und bis zu

900 m im Südosten

- 90 – 100 cm unter MHW bei einer 10-cm-Isolinie von 500 – 600 m im Norden und bis zu

1300 m im Südosten

jeweils unter Einbeziehung der vollständig wirksamen Versickerungsmaßnahmen. Insge-

samt würde sich auf 164,5 ha der Zentralwasserstand um mindestens 10 cm absen-

ken.

Die Reichweiten und Höhen der Grundwasserabsenkung sind massiv als zu gering an-

zuzweifeln (s.u.).

• eine Ableitung von ca. 320 l/s bei ZW und ca. 680 l/s bei MHW in den Ableitungsgra-

ben Nord. Davon werden nur ca. 170 l/s (bei ZW und MHW) dem Grundwasser zuge-

führt.

• Der Verlust von 14 km Fließgewässern durch die Gewässerneuordnung

• Die strukturelle, hydrologische und chemische Beeinträchtigung von Fließgewässern im

Unterlauf der Gewässerneuordnung

• Die Gefahr des Nähr-, Schad- und Schwebstoffeintrages in Grund- und Fließgewässer

durch die Baumaßnahmen, im Extremfall durch Unfälle.

• Die Gefahr des dauerhaften Schadstoffeintrages durch den Betrieb, insbesondere durch

die Enteisungsmittel.

• Die verringerte Grundwasserneubildung infolge der großflächigen Versiegelung (320 ha).

• Die Gefährdung des quartären und tertiären Grundwasserstockes

• Änderungen der Verdunstung, der Grundwasserneubildung und des

Oberflächenabflusses durch Änderung des Bodenaufbaus und des natürlichen

Bewuchses. Deren Auswirkungen auf dem Wasserhaushalt wurden nur unzureichend

untersucht.

Insgesamt wird die mögliche negative Auswirkung der Eingriffe in den Grundwasser-

und Gewässerhaushalt stark verharmlosend dargestellt.

Durch die hohe Betroffenheit des Schutzgutes Wasser steht das Vorhaben in Widerspruch

zu den Schutzbestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes, der Grundwasser- und Was-

serrahmen-Richtlinie und zahlreichen fachlichen Zielsetzungen zum Schutz des Wassers.

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4.2.1. Grundwasser

4.2.1.1. Grundwasserabsenkung

a) Methodik

Das Vorhaben führt zu einer Absenkung der Grundwasserstände in Bezug auf den

Zentralwasserstand des Grundwassers (ZW) um „50 cm unter dem Zentralwasserstand“. Es

ist ein grundlegendes Defizit der Prüfung, dass als (vielfach alleiniger) Bewertungsmaßstab

nur der Zentralwasserstand verwendet wurde, der nach Angaben der UVS sogar noch „et-

was niedriger als der Mittelwasserstand“ ist (UVS 11-11). Damit erfolgt systematisch eine

Unterbewertung der Eingriffe durch die Grundwasserabsenkung selbst unter Annahme der

Richtigkeit der in der UVS zu Grunde gelegten Berechnungen bei den Minimierungsmaß-

nahmen. Wie bereits beim Schutzgut Boden und Flora/ Fauna sowie europäischem Natur-

schutz und Artenschutz dargestellt, ist von wesentlicher Bedeutung, dass zum einen auch

die hohen Wasserstände reduziert werden und zwar in stärkerem Umfang, und dass zum

anderen die bisherige Schwankungsbreite im Grundwasser reduziert wird. Dies ist nicht nur

aus biologischer Sicht, sondern auch für das Schutzgut Wasser von Bedeutung, dass näm-

lich die natürlichen Charakteristika des Grundwassers in vollem Umfang erhalten bleiben.

Dazu gehören besonders auch die hohen Werte und die natürliche Schwankungsbreite.

b) Auswirkung

Die Grundwasserabsenkung für die 3. Start- und Landebahn wirkt auf Bereiche nördlich, öst-

lich und südöstlich des Flughafens, die bisher noch nicht so stark betroffen waren mit erheb-

lichen Auswirkungen auf die angrenzenden Niedermoorreste. Eine Absenkung von 50 cm

unter den Zentralwasserstand ist für einen Niedermoorkörper eine erhebliche Dimension der

Absenkung, zumal damit die für das Moor so wichtigen höheren Grundwasserstände

(Schwankungen bis zu ca. 2 m) völlig ausgeschaltet werden. Eine Absenkung des ZW um

0,5 m bedeutet eine noch größere Absenkung von jahreszeitlich auftretenden (und für den

Moorkörper sehr bedeutsamen) höheren Grundwasserständen. Selbst unter der unseres Er-

achtens zu optimistischen Annahme, dass durch die Wiederversickerung der mittlere

Grundwasserstand wiederhergestellt werden sollte, treten die für das hier beheimatete Öko-

system notwendigen Grundwasserschwankungen und temporären Hochwasserstände nicht

mehr in der bisherigen Häufigkeit und Ausprägung auf. Das heißt auch, dass bei höheren

Grundwasserständen durch entsprechende Leistungsfähigkeit der Ableitungselemente das

Auftreten von Geländevernässungen verhindert wird.

Gerade am Nordrand des Erdinger Mooses herrschen durch das Auslaufen der Schotterflä-

chen relativ geringe Grundwasser-Flurabstände (durchschnittlich zwischen 0,5 – 1,7 m), bei

hohen Grundwasserständen kann das Grundwasser über Flur ansteigen. Die mit der geplan-

ten 3. Bahn verbundene Grundwasserabsenkung und Stabilisierung auf niedrigem Niveau

trifft daher das auf hohen Grundwasserstand angewiesene ausgedehnte (und naturschutz-

fachlich höchst wertvolle) Feuchtgebiets- und Gewässernetz im Norden des Flughafens in

seinen essentiellen Grundlagen.

Bereits durch den Bau des Flughafens wurde der Grundwasserstand abgesenkt und die

Grundwasserstände gedämpft. Wir verweisen hierzu auf die Karte WA2304 (Ordner 33), aus

der für den Bereich nördlich des Flughafens folgendes zu erkennen ist:

• Pegel 3003Q liegt in einer Entfernung von 1250 m zum nördlichen Flughafenzaun bzw.

800 m zum Ableitungsgraben Nord und weist mit Beginn der Baumaßnahmen Ende

1980/1981 eine zunächst kurzfristige sehr starke Absenkung um > 1m auf, dann aber

über einen Zeitraum von mindestens 3 Jahren (!) eine immer noch starke Absenkung m

40 cm bei gleichzeitiger Absenkung der hohen Grundwasserstände um etwa 40 cm.

Während der ganzen Folgezeit bleiben sowohl Grundwasserabsenkung als auch Sen-

kung der hohen Grundwasserstände um jeweils ca. 20 cm dauerhaft erhalten, das Ur-

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sprungsniveau von vor 1980 wird nie mehr erreicht, Diese Veränderungen fallen eindeu-

tig mit den Flughafenbau zusammen, ein ursächlicher Zusammenhang ist offensichtlich.

Ob die erneute Absenkung sowohl des Grundwasserspiegels als auch der Schwan-

kungsbreite ab 1995 mit dem Flughafen in Zusammenhang steht, kann hieraus nicht be-

urteilt werden, ist aber letztlich auch irrelevant. Entscheidend ist die Tatsache, dass in

1250 m Entfernung vom nördlichen Flughafenzaun bzw. 800 vom nördlichen Ablei-

tungsgraben nachgewiesenermaßen durch den Flughafenbau eine dauerhafte er-

hebliche Absenkung des Grundwassers und der Grundwasserschwankungen er-

folgte.

• Auch der Pegel 3004Q in 1700 m nördlich des Flughafenzauns bzw. 1000 m nördlich

des Ableitungsgrabens Nord zeigt noch eine Grundwasserabsenkung um > 10 cm

und eine deutliche Verlängerung der Niedrigwasserzeiten von 1981-1984. Die anschlie-

ßende dauerhafte Grundwasserabsenkung hat sich auf etwas geringerem Niveau stabili-

siert, sowohl Mittelwasserstand als auch die hohen Wasserstände haben sich um ca. 10

cm verringert, entsprechend hat sich auch die Schwankungsbreite verringert.

• Sogar der Pegel 0977Q in mehr als 3 km Entfernung nordöstlich vom Flughafen (un-

mittelbar westlich der Dorfen) zeigt in den Jahren 1980-1984 eine deutlich ausgeprägtere

Phase niedriger Grundwasserstände als vorher (und nachher) mit beginnender Absen-

kung des Grundwasserstandes. 1987/88 erfolgte eine weitere Grundwasserabsenkung

mit Reduktion auch der hohen Grundwasserstände, welche bis sich bis 1992 fortsetzt

und seitdem auf etwa gleichbleibendem Niveau andauert. Bis 1992 sind die Grundwas-

serstände und die Höchststände um jeweils ca. 20 cm gesunken.

• Im Gegensatz zu den im weiteren Umfeld des Flughafens nachgewiesenen Grundwas-

serabsenkungen und Reduzierungen der Schwankungen ist bei den Grundwasserpegeln

nördlich der Autobahn keine Absenkung, sondern im Gegenteil sondern sogar eine An-

hebung erkennbar.

• Der einzige Pegel 6217Q rechts der Dorfen und Nahe am Viehlassmoos wird in der Karte

leider nicht näher dargestellt.

Diese Veränderungen, insbesondere die Veränderungen ab 1980 und die Auffälligkeiten

1980-1984 korrelieren sehr gut mit dem Baubeginn im November 1980. Die frühzeitig durch-

geführten Entwässerungsmaßnahmen wirkten auch nach dem Baustop im April 1981 massiv

fort. Im August 1984 fand eine Ortseinsicht statt, bei dem das Wasserwirtschaftsamt ein ei-

nem Vermerk feststellte, dass „trotz Abdichtungsarbeiten an den Gewässersohlen und Ein-

speisung von Zusatzwasser aus den Entwässerungsgräben ... die im Grundsatz erwünsch-

ten Sickerverluste der beiden Bachläufe so groß [sind], dass derzeit noch keine durchge-

hende Wasserführung des Süß- und Mittelgrabens innerhalb des Flughafens vorhanden ist.“

Es wurden weitere Pumpen eingebaut. Bereits damals wurde die geringe Wirkung der Maß-

nahmen festgestellt, weil offensichtlich war, dass das hineingepumpte Wasser bald wieder

versickert und in die Entwässerungsgräben zurückfließt, aus denen es herausgepumpt wur-

de. Aber auch damals wurde behauptet, dass die Grundwasserabsenkung nicht über das

Flughafengebiet hinausreichen würde – obwohl noch kilometerweit jenseits der Flughafen-

grenze sogar sichtbare Gebäudeschäden aufgetreten sind. Nach dem erneuten Baubeginn

1986 musste die Entwässerung dann sogar auf ein tieferes Niveau fortgesetzt wurden. Ent-

sprechend stehen auch einige ab 1986 fortgesetzte Auffälligkeiten in den Pegeln mit der An-

lage des Flughafens in Zusammenhang.

Insgesamt ist somit aus den bereits erfolgten Grundwasserveränderungen im Bereich

der geplanten 3. Bahn für die künftigen Veränderungen abzuleiten, dass

• sich die Auswirkung der bauzeitlich erhöhten Grundwasserabsenkungen über

mehrere Jahre erstrecken kann und keineswegs auf eine nur kurze Bauzeit (beim

Ableitungsgrabens Nord ca. 7 Wochen, bei Bauwerken ein bis mehrere Monate)

beschränkt ist.

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• die baubedingten erhöhten Grundwasserabsenkungen die angegeben Reichweiten

deutlich übersteigen können.

• die Auswirkung keineswegs „bereits in einer Entfernung von wenigen 100 m un-

terstromig der Versickerungsanlage nicht mehr nachweisbar“ (UVS 11-22) ist.

• die Auswirkungen auch keineswegs nur in Zusammenhang stehen mit einer „allgemein

fallenden Tendenz der Grundwasserstände ..., die einen großräumigen Trend abbilden.“

(UVS 11-22),

Inwieweit die Aussage, dass sich bei Bau des Flughafens „die Grundwasserverhältnisse im

Wesentlichen wie im Planfeststellungsverfahren geplant eingestellt“ haben (UVS 11-22) tat-

sächlich zutreffend ist, kann angesichts fehlender Darstellungen der damaligen Prognosen

nicht überprüft werden. Es ist aber angesichts der ständigen nötigen Nachbesserungen und

sogar der Notwendigkeit eines Landtagsbeschlusses (10.05.1984) sowie der Erweiterung

des Absenktrichters zu bezweifeln – es sei denn, die umfangreiche Grundwasserabsenkung

auch außerhalb des Flughafens war geplant. Es ist aber vor allem darauf hinzuweisen, dass

dies nicht als Maßstab gelten kann, da mittlerweile wesentlich strengere Vorgaben bezüglich

des Schutzgutes Wasser bestehen und ggf. bei der damaligen Planung in Kauf genommene

Absenkungen – auch wenn sie nicht überschritten worden wären – heute nicht auch automa-

tisch in Kauf genommen werden können. Es wird in der UVS selbst erwähnt, dass die Wir-

kung der bestehenden Versickerungsanlage nördlich des Flughafens „eine begrenzte Wir-

kung auf die Anhebung der Grundwasserstände [hat und sich] nur im nördlichen Nahbereich

des Flughafens und der Versickerungsanlage auswirkt“ (UVS 11-3), weil das versickerte

Wasser relativ bald wieder den Vorflutern zufließt. Das bestehende System der Versickerung

und die bereits erfolgte tatsächliche Grundwasserabsenkung und Reduzierung der Schwan-

kungsbreite sind somit alles andere als ein Beleg dafür, dass die für die 3. Bahn geplanten

Maßnahmen wirksam funktionieren sollen. Insofern ist auch berechnete Höhe der vermutli-

chen Grundwasserabsenkung als Vermutung anzusehen, die ebenso auch in größerem Um-

fang eintreten kann.

Zur Bauzeit ist zudem darauf hinzuweisen, dass eine Bauzeit von 7 Wochen bzw. von „ei-

nem bis mehreren Monaten“ bei Bauwerken mit starken Grundwasserabsenkungen mit einer

Reichweite von 320-530 m (UVS 11-33) wohl sehr optimistisch angenommen sind. Es ist zu-

dem darauf hinzuweisen, dass auch schon bei wenigen Wochen Absenkung – je nachdem

zu welcher Jahreszeit und wie tief – erhebliche negative Beeinträchtigungen im Umfeld auf-

treten können bzw. keinesfalls nur als „gering“ zu bezeichnen sind.

Auch im Süden/ Südosten des Flughafens haben sich erhebliche Grundwasserabsenkungen

ergeben, auch darunter in großer Entfernung vom Flughafen (vgl. Pegel 3119Q). Im unmit-

telbaren Anschluss an den südlichen Flughafenzaum kam es zu Grundwasserabsenkungen

von bis zu 2m (!). Auch die geplanten Eingriffe wirken erneut auch im Anstrom des Flugha-

fens. Sie erreichen hier sogar nach den Unterlagen eine größere Reichweite, nämlich bis zu

1.200 m (10 cm-Linie) in südöstlicher Richtung. Diese Tatsache wird im hydrologischen Gut-

achten nur kurz erwähnt, aber nicht für relevant gehalten, da sich hier nur landwirtschaftliche

Flächen befinden. Es werden keine Maßnahmen zur Verminderung in Betracht gezogen, es

sind keine wasserstandsregulierenden Maßnahmen geplant. Dies ist unzureichend.

Die Aussagen, wie weit die Grundwasserabsenkung reicht und inwieweit sie durch die vor-

gesehenen Maßnahmen in ihrer Wirkung tatsächlich reduziert werden kann, sind somit nur

unbelegte Behauptungen, die äußerst optimistisch erscheinen, keineswegs sicher begründet

sind und die zudem aus den bisherigen Veränderungen nicht ableitbar sind.

Aufgrund dieser begründeten Zweifel an den Annahmen hinsichtlich einer angeblich so ge-

ringen Auswirkung der Grundwasserabsenkung und der angeblich so guten Wirkung der ge-

planten Versickerung ist von einem erheblich größeren Wirkungsumfang der Veränderungen

im Grundwasser auszugehen. Dies hat nicht nur Folgen hinsichtlich der Bewertung des

Schutzgutes Wasser, sondern auch gravierende Folgen hinsichtlich der Bewertung

der Schutzgüter Boden, Flora, Fauna, Vegetation und Biologische Vielfalt, welche auf-

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grund der Unterbewertung des Wirkfaktors Grundwasserabsenkung ebenfalls alle

massiv unterbewertet sind, was die Folgewirkungen der Grundwasserabsenkung be-

trifft (die in einem Niedermoorgebiet naturgemäß einen großen Umfang haben).

Im übrigen verweisen wir auf die Karte Abb. 3-5 in Unterlage WA_D1a/F6.1a-001 (S. 163), in

der die berechnete Absenkung für die Annahme „ohne Versickerung“ dargestellt wird. Es

wird deutlich, dass sich insbesondere im Norden die 10 cm-Isolinie massiv nach Norden ver-

lagert und praktisch fast der gesamte Bereich bis zur Autobahn von einer rechnerischen Ab-

senkung von bis zu 10 cm Zentralwasserstand betroffen wäre. Die 10 cm-Isolinie würde

dann auch nah an das Viehlassmoos heranreichen, d.h. eine Grundwasserabsenkung von

weniger als 10cm wäre dann auch für das Viehlassmoos anzunehmen. Eine Darstellung der

Reduktion der hohen Wasserstände ohne Versickerung erfolgt in dieser Karte leider auch

nicht. Daraus ergibt sich, dass praktisch der gesamte Rest des Erdinger Mooses zwi-

schen geplanter 3. Bahn und Autobahn von der künstlichen Versickerung des Flugha-

fens abhängig würde! Es liegt auf der Hand, dass es weder für das Schutzgut Wasser

noch für biologische Schutzgüter akzeptabel sein kann, eine derartige Abhängigkeit

von künstlichen Systemen zu generieren.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Umfang der pflanzensozio-

logische Beweissicherung zu gering gewählt ist (S. 275 WA_D1a/F6.1a-001). Es müsste we-

nigstens den gesamten Bereich abdecken, der ohne Versickerung von einer Grundwasser-

absenkung betoffen wäre und zwar bis zu 0 cm-Isolinie. Denn in diesem gesamten Bereich

können Schäden auftreten bei Versagen bzw. bei einer von den Prognosen abweichenden

Wirkung der Versickerung.

Unzureichend in ihrer Wirkung dargestellt sind zudem folgende Auswirkungen:

• Dadurch, dass das Wasser, welches für die Absenkung dem Grundwasser entzogen

wird, im Norden nicht vollständig versickert wird, sondern zum Teil auch den Bächen zu-

geführt wird, wird der Grundwasserhaushalt durch das andauernde Defizit grundsätzlich

nachteilig beeinflusst.

• Durch die nach UVS bis in 400m reichende Grundwasserabsenkung beim Bau des Ab-

fanggrabens Ost rückt die Grundwasserabsenkung auf mehr als 1 km Länge sehr nahe

an den Eittinger Weiher/ die Dorfen heran. Bei Annahme der optimistischen Bauaus-

führung laut UVS von 50m/ Tag könnten auch dort über 20 Tage lang Grundwasserver-

änderungen auftreten. Es ist eine höhere als eine sehr geringe Auswirkungsstufe (1) zu

erwarten.

• Wie bereits oben dargestellt, ist die Fokussierung der Auswirkungen allein auf die Ab-

senkung des ZW unzureichend. Es hätten vergleichbare Darstellungen in Karten sowie

entsprechende Bewertungen hinsichtlich der Beeinträchtigung der hohen Wasserstände

und der Reduzierung der Schwankungen für das Schutzgut Wasser erfolgen müssen.

Das dies nicht erfolgt ist, ist ein schwerer Fehler und verdeutlicht die systematische Un-

terschätzung der negativen Auswirkungen der Grundwasserabsenkung. In der Karte UVS

11-4 „Auswirkungen auf Oberflächengewässer“ (!) ist wenigstens die Zone der 10 cm-

Isolinie für Niedrigwasser eingezeichnet, auch nicht jedoch die für die hohen Wasser-

stände. Legt man die (sicher zu optimistischen) Annahmen der UVS zugrunde, dass die

10 cm-Isolinie für hohen Grundwasserstände im Norden bis in 600 m reichen würde, ist

festzustellen, dass nahezu die Hälfte des verbleibenden Restgebietes des Erdinger

Mooses zwischen geplanter 3. Bahn und Autobahn von einer Absenkung der ho-

hen Grundwasserstände um bis zu 10 cm betroffen wäre. Dass das eklatante Aus-

wirkungen gerade auf die biologischen Schutzgüter, aber auch auf das Schutzgut Boden

hat, liegt auf der Hand, zumal in diesem Bereich bei Böden mit mittlerem Grundwasser-

flurabstand schon wenige cm Absenkung der hohen Grundwasserstände zu einem Ver-

lust des Grundwasseranschlusses führen können (s.u.). Dass dies auch für das Schutz-

gut Wasser zumindest keine „sehr geringe“ oder „unwesentliche“ Beeinträchtigung dar-

stellen kann, liegt ebenfalls auf der Hand (S. 11-42/43), zumal das Argument für diese

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Bewertung - nämlich die schon vorhandene Entwässerung - sogar für eine noch höhere

Empfindlichkeit des Schutzgutes Wasser spricht.

• Wie ebenfalls bereits oben und auch beim Schutzgut Boden dargestellt, ist die Vernach-

lässigung der Absenkung < 10 cm auch beim Schutzgut Wasser nicht akzeptabel. Es

wird in der UVS Wasser darauf verwiesen, dass diese Absenkung beim Schutzgut Boden

behandelt würde, es erfolgt aber dort keineswegs eine adäquate Behandlung, sondern

die Unterbewertung dieser Zone setzt sich auch bei der Bewertung des Schutzgutes Bo-

den fort (s.u.). Es ist auch bezeichnend, dass die Wirkungszone 0-10 cm Grundwasser-

absenkung in den Karten der UVS (Hauptteil) fehlerhafterweise nicht dargestellt wird.

Unzulässig ist es auch, vorübergehende Schwankungen der Grundwasserstände als „im

Rahmen üblicher saisonaler und jahreszeitlicher Schwankungen“ gering zu werten (S. 11-

49): die durch das Vorhaben induzierten Grundwasserabsenkungen kommen zusätzlich da-

zu.

4.2.1.2. Grundwasserqualität

Durch die 3. Bahn wird die Verschmutzung des Wassers durch Enteisungs-Abwässer und

Schadstoffe zunehmen. Im Sommer, aber auch teilweise im Winter soll das anfallende

Niederschlagswasser im Gelände versickert werden. Zwischen dem quartären

Grundwasserstockwerk und dem obersten tertiären Stockwerk besteht keine durchgehend

flächige Abdichtung (vorhandene “Fenster”). Auf Änderungen der Grundwasserverhältnisse

und –qualität können daher beide Stockwerke reagieren. Da sich die Schadstoffrachten über

Gräben ausbreiten können, die geringen Deckschichten durch Bauwerke durchstoßen

werden und eine flächige Abdichtung nicht vorhanden ist, ist eine Grundwassergefährdung

weder für den quartären noch für den tertiären Grundwasserstock auszuschließen.

Der Bewertung, dass die Eingriffsintensität bezüglich der Grundwasserbeschaffenheit nur als

“mittel” zu bezeichnen ist wegen “bestehender Vorbelastungen ... und des in Teilbereichen

eher geringen Flurabstandes” (11-31), ist insgesamt deutlich zu widersprechen.

a) Enteisungsabwässer

Insbesondere die Belastung mit den Enteisungsabwässern (Kohlenstoffverbindungen

Kaliumformat zur Flächenenteisung und Glycol zur Flugzeugenteisung) ist sehr proble-

matisch. Allein durch Enteisung von 60% der geplanten Vorfeldfläche Ost würden 323 To

Enteisungsmittel im durchschnittlichen Winter oder 484 To Enteisungsmittel in einem

strenger Winter verbraucht werden.

Eine Beeinträchtigung der Grundwasserqualität durch die Versickerung von mit Enteisungs-

mitteln beaufschlagten Oberflächenwässern wurde bereits im bestehenden Flughafenbetrieb

durch das Grundwassermonitoring eindeutig festgestellt. Der Sauerstoffgehalt im Grund-

wasser wurde reduziert, was sich wiederum negativ auf die Abbauvorgänge im Boden

auswirkt.

Die Eintragungswege für Enteisungsabwässer in die Umgebung der Bahnen, Rollwege und

Enteisungsflächen.sind vielfältig: über Wasser (Grund- und Fließgewässer und über Luft

(Verwehung).

Durch die mit der geplanten 3. Bahn verbundene Zunahme der Enteisungsmittel werden die

reduzierenden Bedingungen im Grundwasser noch verstärkt. Sie wirken zudem in einem

verstärkt von organischen Böden gebildeten Bereich. Schon im bestehenden Flughafen sind

reduzierende Bedingungen insbesondere im nördlichen Flughafenbereich festzustellen.

„Dies ist Folge des Eintrags von organischen Stoffen aus der torfigen Oberbodenabdeckung

und von Enteisungsmitteln zu interpretieren.“ (UVS 11-27). Im unmittelbaren Abstrombereich

der Nordbahn ist der Sauerstoffmangel schon jetzt daher besonders ausgeprägt. D.h. die re-

duzierende Wirkung wird mit der geplanten 3. Bahn und den dort verbreiteten organischen

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Böden ähnlich hoch oder höher sein wie jetzt an der Nordbahn. Der Sauerstoffmangel hat

erhebliche negative Auswirkung auf die Abbaukapazität der Böden und des Grundwassers.

Trotz der nachgewiesenen negativen Effekte auf das Grundwasser soll für die Entwässerung

das gleiche Prinzip wie für die bereits bestehenden Bahnen verwendet werden, ohne eine

erkennbare Verbesserung der Abreinigung. Für besondere Schwerpunkte werden verschie-

dene zusätzliche Maßnahmen (von unerprobten Bodenfiltern bis zum Flächendichtheitsma-

nagement) vorgeschlagen, die in ihrer 100%-igen Wirksamkeit nicht belegt sind. Wir verwei-

sen erneut darauf, dass bereits aus dem bestehenden Flughafen erheblich negative Wirkun-

gen hinsichtlich der Enteisungsmittel ausgehen!

Die Tatsache, dass im Frühjahr 2007 keine signifikanten Schwankungen im Sauerstoffgehalt

auftraten, ist eine Ausnahme und auf den milden Winter und den geringeren Einsatz von

Enteisungsmitteln zurückzuführen und bestätigt somit den Einfluss der Enteisungsmittel.

Es kommt zu einer Mehrbelastung der Kläranlage Eitting durch Enteisungsabwasser und

Schmutzwasser, die zu Störungen auch bei der Reinigung des Abwassers der

angeschlossenen Gemeinden führen kann. Es liegt keine Beurteilung der Kläranlage Eitting

vor, wie und ob die zusätzlich anfallenden Enteisungsmittel und Schmutzwasserfrachten

behandelt werden können. Es wird in den Unterlagen selbst darauf verwiesen, dass “in den

Wintern 1999/2000, 2000/01, 2004/05 und 2005/06 das vorhandene Speichervolumen zum

Teil deutlich über die ermittelten Mittelwerte hinaus [hätte] vergrößert werden müssen, da

insbesondere zum Ende des Winters erhebliche Enteisungsmitteleinsätze und Niederschläge

zu verzeichnen waren.” (S. 13 Anhang 4-1 Wasserwirtschaftliche Maßnahmen,

Untersuchung Enteisungsabwasserspeicherung). Daher soll zur Entlastung der Kläranlage

Eitting eine Zwischenspeicherung in den Becken und eine optimierte Gewässerausleitung

vorgenommen werden.

b) andere Schadstoffe, Arsen

Arsen weist die höchste Konzentration im Grundwasserunterstrom des Flughafens auf – an-

log zu den Enteisungsmittel. Enteisungsmittel wirken als Reduktionsmittel und bewirken eine

Lösung von Arsen (vgl. UVS 11-26). Bei Sauerstoff-Zutritt kommt es dann zu einem Ausfall

von Arsen (Festlegung insbesondere an Eisenhydroxiden). Mit der Zunahme der reduzieren-

den Bedingungen im Böden und Grundwasser durch die Zunahme der Menge an eingesetz-

tem Enteisungsmittel werden sich somit auch Arsenverlagerungsprozesse verstärken.

Nicht schlüssig nachgewiesen ist auch, wie austretende Leichtstoffe in den Rinnen der Start-

und Landebahn und der Schnellabrollwege beseitigt werden sollen.

Miit dem Eintrag von Schadstoffen ins Grundwasser kann auch die Trinkwasserqualität

beeinträchtigt werden. Hier wirkt zudem noch der zusätzliche Stickstoffeintrag aus der Luft.

Bezüglich der nicht unerheblichen zusätzlichen Gefährdung durch den Stickstoffeintrag

verweisen wir auf unsere obigen Ausführungen (s.o. Kap. 4.1.2.2.).

Die bestehenden Kerosinleitungen für die Flugzeugbetankung unter dem neuen Vorfeld

sind nur einwandig ausgeführt, dies gilt vermutlich auch für die zusätzlich geplanten. Jeder

Heizöltank für ein Einfamilienhaus muss doppelwandig sein oder in einer Auffangwanne ste-

hen. Es ist unverständlich, dass für die Kerosinleitungen am Flughafen München geringere

Sicherheitsstandarts gelten, obwohl hier sowohl die großen Mengen an Kerosin als auch die

unterirdische Lage unter dem Vorfeld ein hohes Sicherheitsrisiko mit Gefährdung des

Grundwassers bedeutet.

Auch ist besonders darauf hinzuweisen, dass durch die oberbodenlose Begrünung der

Flughafenwiesen die Schutz- und Filter- und Stoffumbauleistungen und damit auch der

Schutz des Grundwassers eingeschränkt sind – und dies gerade in einem Bereich der relativ

höchsten Schadstoffeinträge aus dem Flugverkehr und dem Straßenverkehr.

c) Kiesabbau

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Ein Fehler der Planung ist die Nicht-Behandlung der Folgewirkungen durch den Kiesabbau.

Das Vorhaben wird zu einer Verstärkung des Kiesabbaus kommen und ist nur durch Kiesab-

bau-Vorhaben überhaupt realisierbar. Weshalb diese und ihre potentiellen Wirkungen auf

das Grundwasser „in keinem Zusammenhang mit dem Flughafen“ stehen sollen (UVS 11-

32), ist nicht nachvollziehbar. Selbst wenn darauf verwiesen würde, dass der Kiesabbau auf

Vorrangflächen des Regionalplanes beschränkt bliebe, ist dies irrelevant, da die Vorrangflä-

chen im Regionalplan für einen anderen Bedarf als den durch den Bau einer 3. Bahn ausge-

wiesen wurden. Würden die Vorrangflächen für den Bau der 3. Bahn ausgeschöpft, würde

der restliche Bedarf neue Vorranggebiete erfordern. Dies würde unbestreitbar ursächlich mit

dem Bau der 3. Bahn zusammenhängen. Negative Folgen wären insbesondere hinsichtlich

möglicher Grundwasserverschmutzung oder einer Veränderung der Grundwasserströme im

Umfeld der Kiesgruben die Grundwasserströme zu berücksichtigen.

Bezüglich der Gefahr des Eintrags von Schadstoffen durch die Seitenentnahmen im Flugha-

fengelände ist anzumerken, dass die Sicherstellung einer tatsächlich ausreichenden Menge

von Boden der Verwendungsklasse 1 für die Wiederverfüllung sehr fraglich ist.

d) Trink- und Brauchwasserverbrauch

Die Zunahme des Trink- und Brauchwasserverbrauches soll ausschließlich durch den

Zweckverband zur Wasserversorgung Moosrain gedeckt werden. Die Wasserversorgung

fördert ihr Wasser allein aus Tiefbrunnen. Dieses aus dem Tertiär gepumpte Wasser ist sehr

alt und erneuert sich nur sehr langsam. Das Wachstum des Flughafens führt zu einer Aus-

beutung der für die Zukunft gedachten eisernen Trinkwasserreserven kommender Generati-

onen.

4.2.1.3. Minimierungsmaßnahmen

Wie oben dargestellt, ist die Wirkung der Gegenmaßnahmen bei der Grundwasserabsen-

kung stark zu bezweifeln. Auch die ausreichende Reduktion des Eintrages aus Enteisungs-

mitteln über ASG und (noch nicht erprobte!) Bodenfilter wird bezweifelt.

Die Notwendigkeit einer „Koordination Wasserhaltung“ zeigt, dass selbst der Antragsteller

der Überwachung der Auswirkungen einen hohen Stellenwert beimisst. Dies ist angesichts

der Komplexität eines Grundwasserkörpers auch angemessen, ändert aber nichts an der

Eingriffsschwere. Ob bei Auftreten größerer erheblicher Schäden die Koordinationsstelle

Wasserhaltung tatsächlich ggf. nötige erhebliche Änderungen im Bauablauf oder Betrieb er-

reichen würde, mag bezweifelt werden. In der UVS wird die Koordination Wasserhaltung nur

„empfohlen“. Die Praxis zeigt, dass Eingriffe in den Grundwasserhaushalt vielfach derart

komplex sind, dass vorherige Prognosen über Auswirkungen oder über die angebliche Wir-

kung von Gegenmaßnahmen oft nicht mit den tatsächlichen Folgen übereinstimmen.

Nicht weiter verfolgt wurde die Einleitung von höheren Wassermengen über das Versicke-

rungssystem in das Grundwasser, weil sich ein „Aufstautrichter“ ergeben würde (UVS 11-39)

bzw. „insbesondere aus eigentumsrechtlichen Gründen“ (S. 162 WA_D1a/F6.1a-001). Eben-

falls nicht weiter verfolgt wurde eine Variante ohne Grundwasserregelung, weil diese zu ei-

nem erhöhten Rohstoffbedarf für Schüttmaterialien von rund 8 Mrd. m³ führen würde (S. 161

WA_D1a/F6.1a-001). Hier wurde ohne weitere konkrete Darstellung bereits im Antrag eine

Abwägung der Betroffenheit der Schutzgüter Wasser und Boden vorgenommen. Diese Vari-

anten, die zu einer geringeren Belastung des Schutzgutes Grundwasser führen würden, hät-

ten zumindest näher dargestellt werden müssen, um die Auswirkungen dieser Varianten auf

das Schutzgut Wasser und andere Schutzgüter konkret nachvollziehen zu können.

Zur Reduzierung der negativen Auswirkungen auf die Grundwasserneubildung fehlen Mini-

mierungsmaßnahmen durch Vorschläge zur Reduzierung der Versiegelung (s.u. Kap. 4.3.).

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4.2.1.4. Erhebliche nicht ausgleichbare Auswirkung

Aus den vorgenannten Fehlern und Defiziten der Bewertung der Eingriffsschwere sowie aus

der Komplexität des Grundwassers und des Eingriffs (vgl. UVS 11-40: „... könnte es aufgrund

von komplizierten Wechselbeziehungen, die von den verwendeten Modellen nicht vollständig

erfasst werden können, in Teilbereichen zu Abweichungen von den berechneten Grundwas-

serverhältnissen kommen“) ergibt sich insgesamt eine hohe bis sehr hohe Beeinträchti-

gung für das Schutzgut Grundwasser sowohl hinsichtlich der Quantität als auch der Qualität.

Dies gilt sowohl für die baubedingten Auswirkungen (Bewertung in UVS maximal als mittel =

3 eingestuft) als auch für die betriebsbedingten Auswirkungen (in UVS meist als gering = 2

oder sehr gering = 1, sogar der Eintrag der Enteisungsmittel nur als sehr gering = 1 einge-

stuft, nur der Eintrag im Bereich der Enteisungsmittelstationen wird mit mittel = 3 bewertet).

Grundsätzlich unzulässig muss es zudem sein, von einer sehr geringen (= 1) Beeinträchti-

gungsstufe auch im Bereich der Enteisungsstationen auszugehen „unter Anwendung der so-

genannten ergänzenden Maßnahmen“, deren Einsatz jedoch von den Ergebnissen von Pro-

beuntersuchungen abhängig gemacht wird (UVS 11-54). Grundsätzlich unzulässig muss

auch die Schlussbetrachtung zur Auswirkung auf die Grundwasserbeschaffenheit sein, dass

„unter Berücksichtigung der regenerierenden Wirkung der Niederschläge ... die Gesamtsitua-

tion nicht verschlechtert [wird].“ (UVS 11-62). Unabhängig davon, ob diese Wirkung tatsäch-

lich einträte oder nicht, bleibt die Frage, was dann bei zunehmend auftretenden Trockenperi-

oden gilt und wie der Antragsteller eine dauerhafte regenerierende Wirkung der Niederschlä-

ge sicherstellen will.

4.2.2. Fließgewässer

4.2.2.1. Eingriff

Da die negativen Auswirkungen auf die Fließgewässer beim Schutzgut Fauna, Vegetation

und biologische Vielfalt eine zentrale Rolle spielen, verweisen wir hier auf unsere Ausführun-

gen zu diesen Schutzgütern. Der hohe Wert zahlreicher Gräben für Flora und Fauna ist ex-

plizit zu betonen. Die Veränderung der Fließgewässer im nördlichen Erdinger Moos hat weit-

reichende Folgen und negative Auswirkungen auf die Wasserführung von Gewässern mit

naturschutzfachlicher Bedeutung, z.B. Keckeisgrenzgraben, Loosgraben. Dadurch sind auch

Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten als solches negativ betroffen (s.u. Kap. 5.2.2., 8.2.

u.a.) Gerade die Auswirkungen auf den Kalkgriesgraben durch Grundwasserabsenkung,

Grundwassereinleitung, Seitenentnahmen, Vorflutgraben Ost, Verrohrungsstrecken usw.

sind aber auch im Hinblick auf das Schutzgut Wasser nicht nachvollziehbar untersucht und

bewertet, ebenso auch der Wert des und die Auswirkung auf das Gesamtsystem des

Gewässerverbundes. Auch wenn die Gräben für das Schutzgut Wasser nicht generell den

gleich hohen Wert wie für die biologischen Schutzgüter haben müssen, ist zumindest nicht

nachvollziehbar, weshalb sowohl der Wert als auch die Eingriffsempfindlichkeit der meisten

Gräben aber doch als nur gering oder sehr gering eingestuft wurde. Gegen Totalverlust ist

jedes Gewässer empfindlich! Gegen Totalverlust von Abschnitten zahlreicher Gräben in

einem Gewässersystem ist zudem das ganze System empfindlich.

a) Gewässerverlust

Es gehen 14 km Fließgewässer durch Überbauung verloren (Tab. 11.2-9, UVS S. 11-98).

Da ein vollständiger Verlust immer ein vollständiger Verlust des Schutzgutes Wasser bleibt,

ist die Anwendung einer Eingriffsempfindlichkeit hier fehlerhaft. Insbesondere wenn die Ein-

beziehung dieser Eingriffsempfindlichkeit dann zu führt, dass von diesen 14 km in der UVS

nur der Verlust von 2275 m in einer äußerst fragwürdigen Bilanz (unter Einbeziehung der

Neuanlage von Gewässern, s.u.) als Verlust von Fließgewässern gewertet wird und davon in

der UVS nur 1586 m letztlich als erheblicher Eingriff (mit Kompensationsbedarf) gesehen

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werden, weil bei Fließgewässern mit geringem Wert/ geringer Eingriffsempfindlichkeit in der

Auswirkung nur eine „geringe Funktionsminderung“ gesehen wird (Tab. 11.2.12 UVS S. 11-

100). Es bleibt ein Geheimnis des Antragstellers, wie ein Totalverlust eines Fließgewässers

als „geringe Funktionsminderung“ bewertet werden kann.

Wir weisen darauf hin, dass wir die Einbeziehung von Wertstufen und Empfindlichkeiten

grundsätzlich für richtig halten, dass diese aber im Falle eines Totalverlustes keinen Sinn

machen bzw. das System der Bewertung ab absurdum führen.

Als weiteres ist die Bilanz des Gewässerverlustes hinsichtlich der Gesamtbilanz dadurch feh-

lerhaft, dass mit dem Vorhaben zwingend verbundene Anlagen (Ableitungsgraben und Ab-

fanggraben) als Ausgleichsmaßnahmen vor der Kompensationsberechnung und vor der

Feststellung des Eingriffsumfangs herangezogen werden (s.u. Kap. 4.2.2.2.).

b) Hydrologische und stoffliche Veränderungen

Als Konfliktschwerpunkt ergeben sich die hydrologischen Veränderungen im Fließgewäs-

sersystem zum einen durch die Grundwasserveränderungen und zum anderen durch Verlus-

te von Fließgewässerabschnitten auf 14 km Länge (Tab. 11.2-9 UVS). Diese Verluste sind

nicht durch die Verlängerung eines Hochwasserkanals (Vorflutgraben Ost) auszugleichen.

Es ist ein verringerter Grundwasserzustrom in die verbleibenden Rest-Gräben wahr-

scheinlich. Die Gräben liegen teilweise mit erheblicher Länge im Bereich der Grundwasser-

absenkung. Der relativierende Verweis, dass die Gräben auch natürlicherweise schwanken-

den Wasserstand haben (UVS 11-103) ist unzulässig, da die durch das Vorhaben bedingte

Reduzierung der Wasserführung zusätzlich (!) zu den natürlichen Schwankungen kommt und

beispielsweise Trockenzeiten deutlich verlängern kann. In diesem Zusammenhang sind auch

thermischen Veränderungen nicht unkritisch, die in der UVS jedoch nicht als Wirkfaktor be-

trachtet wurden. Der spezifische Temperaturgang dürfte einer der wesentlichen abiotischen

Faktoren für einige Arten sein (s.u. 5.2.4.5.)

Entsprechend der bereits dargestellten begründeten erheblichen Zweifel an den Maßnahmen

zur Reduzierung der Grundwasserabsenkung ist auch in Frage zu stellen, ob die geplanten

Ausleitungen zur Sicherstellung der Wasserführung in den Gräben die beschriebene Wir-

kung haben. Insbesondere bei Niedrigwassersituationen erscheint es fraglich, dass die nor-

male Schüttung ausreicht, um den Verlust auszugleichen. Wenn aber gepumpt werden

muss, so fehlt dieses Wasser an anderer Stelle, sodass es wiederum zu hydrologischen

Veränderungen kommt.

Angesichts der hohen Vorbelastung des Gewässersystems durch den bestehenden Flugha-

fen sind die zusätzlichen Belastungen umso negativer einzustufen. Besonders hohe Konflikt-

gefahr besteht für den Keckeisgraben.

Auch für die Verfrachtung von Schadstoffen über den Luft- und Grundwasserweg ist mit

einer Zunahme der Belastung der Oberflächengewässer zu rechnen. Unter bestimmten

Bedingungen wie z.B. Starkregen gelangt die Oberflächenentwässerung mit ihrer stofflichen

Belastung unkontrolliert in die Gräben. Dies führt nicht nur im Winter durch die

Enteisungsmittel zur Verschmutzung, sondern auch im Sommer bzw. im normalen Betrieb

(z.B. Kerosinbelastung, Reifenabrieb etc.).

Zu den Enteisungsmitteln ist ergänzend auszuführen, dass auch eine “direkte Einleitung in

Oberflächengewässer” erfolgen soll, ab Unterschreitung einer durch Grenzwerte

“festzulegenden unbedenklichen oder nicht relevanten Belastung” (EW S. 51). Diese

Regelung soll über Weichen mit online-TOC-Messgeräten erfolgen. Die Grenzwerte sollen

erst noch in der Planfeststellung festgelegt werden, es wurde offensichtlich für die

Berechnung der Gefahr der Belastung ein Grenzwert von 10 mg TOC/l bei Einleitung in den

Anfanggraben Ost und von 25 mg TOC/l bei Einleitung in den Vorflutgraben Nord

angenommen. Wir weisen darauf hin, dass damit die Bewertung der möglichen Belastung

mit Grenzwerten durchgeführt wurde, die noch gar nicht festgelegt sind. Sollte sich aus

Gründen des Gewässerschutzes ein strengerer Grenzwert ergeben, wäre die Bewertung der

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 73

Gefährdung allein schon deshalb hinfällig. Eine Einleitung bis zum Grenzwert von 25 mg

TOC/ l würde einer Einleitung von 37% der Enteisungsabwassermenge entsprechend und

würde im Mittel an ca. 41 Tagen/ Jahr stattfiden. (S. 14 Anhang 4-1 Wasserwirtschaftliche

Maßnahmen, Untersuchung Enteisungsabwasserspeicherung). Dies verdeutlicht die

Dimension der geplanten Einleitung von Enteisungsabwasser in die Gewässer.

Unverständlich ist, weshalb die Zunahme der reduzierenden Bedingungen und der

Sauerstoffarmut im Grundwasser nicht näher betrachtet worden ist bzw. keine dadurch

mögliche Veränderung der Gewässerqualität angenommen wurde. Der Eintritt von

belastetem sauerstoffarmem Grundwasser führt auch in den Fließgewässern bis zum

vollständigen Ausfall zu einer Belastung Unter anderem wird in der FFH-

Verträglichkeitsstudie zum Bereich Moorreste ausgeführt (FFH-VP S. 54), dass es nicht aus-

zuschließen ist, dass Enteisungsmittel zu Sauerstoffzehrungen im Grundwasser und damit

zu Beeinträchtigungen der Gewässer v.a. an der Nord – und Ostgrenze des Flughafens füh-

ren können. Zu den angegebenen Ausfällungen von Schwermetallen, Eisen und Mangan ist

auch anzumerken, dass diese zwar den Schwermetallgehalt im Gewässer reduzieren, aber

das Interstitium entwerten (s.u. 5.2.2.).

Unzureichend beurteilt und bewertet wurde auch der Eintrag von Enteisungsmitteln in

Gewässer in neuen Abflugschneisen. Beispielsweise liegt der Eittinger Weiher/ die Dorfen

mit Bau der 3. Bahn genau im Abflugbereich und würde in Höhen von knapp über 100 m

überflogen. Angesichts der Möglichkeit, dass Enteisungsmittel auch noch nach dem Start

vom Flugzeug tropfen (diffuser Eintrag, ca. 3-5% bleiben am Flugzeig haften, vgl. S. 61, S.

74 EW), erhöht sich gerade für den Eittinger Weiher und damit für die Dorfen die

Verschmutzungsgefahr. Ob diese diffusen Verluste tatsächlich “auf natürliche Weise

gewässerunschädlich abgebaut werden...” können (S. 74 EW), ist derzeit nicht

nachgewiesen, da bisher kein offenes Gewässer so nah an der Bahn in so geringer Höhe

direkt überflogen wird und derartigen diffusen Einträgen ausgesetzt ist.

Es kommt auch zu einer baubedingten Erhöhung der Verschmutzungsgefahr, welche

insbesondere bei Extremereignissen wie zunehmenden Starkregenereignissen

unkontrollierbar sein kann. “Ohne Einhaltung der Vermeidungsmaßnahmen könnten sich .....

mittlere, bereits erhebliche Auswirkungen im Sinne einer worst-case-Betrachtung” ergeben

(UVS 11-96/97). Da die Vermeidungsmaßnahmen grundsätzlich anzuzweifeln sind (s.u.),

aber zumindest für bestimmte unkontrollierbare Situationen in der UVS selbst als unwirksam

angegeben werden, ist unverständlich, warum diese Bewertung nicht in die

Gesamtbewertung eingegangen ist.

c) Auswirkungen auf den Oberflächenabfluss

Durch die Zunahme der dauerhaften Versieglung von 320 ha und der Regenwasserableitung

wird der Oberflächenabfluss in den umliegenden Gräben erhöht. Es ist dabei auch zu

berücksichtigen, dass im Vorflutgraben bei Hochwasser in der Isar ein Rückstau erfolgt. Dies

kann dazu führen, dass bei zusätzlichem Starkregen in der Region der Vorflutgraben massiv

überlastet wird. Dadurch, dass das Wasser, welches für die Absenkung dem Grundwasser

entzogen wird, nicht vollständig versickert, sondern zum Teil auch den Bächen zugeführt

wird, wird deren Abfluss bei Hochwasser erhöht, was zu einer zusätzlichen Verschärfung der

Hochwassersituation beitragen kann. Auch führt die Änderung des Bodenaufbaus und des

natürlichen Bewuchses zu Änderungen der Verdunstung, der Grundwasserneubildung und

des Oberflächenabflusses, deren Auswirkungen auf dem Wasserhaushalt unzureichend

untersucht wurden.

4.2.2.2. Minimierungsmaßnahmen und Kompensation

Die Notwendigkeit einer „Koordination Wasserhaltung“ zeigt, dass selbst der Antragsteller

der Überwachung der Auswirkungen einen hohen Stellenwert beimisst. Dies ist angesichts

der Komplexität eines Grundwasserkörpers auch angemessen, ändert aber nichts an der

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Eingriffsschwere. Ob bei Auftreten größerer erheblicher Schäden die Koordinationsstelle

Wasserhaltung tatsächlich ggf. nötige erhebliche Änderungen im Bauablauf oder Betrieb er-

reichen würde, mag bezweifelt werden. In der UVS wird die Koordination Wasserhaltung nur

„empfohlen“.

Weitere Minimierungsmaßnahmen wie das Befeuchten des Materials zur Vermeidung von

Staubeinträgen sind ihrer Umsetzung oder wie die Maßnahmen zur Grundwasserregulierung

in ihrer Wirksamkeit (s.o.) zu bezweifeln.

Die ergänzenden Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen insbesondere zur Siche-

rung der Bauflächen vor unkontrollierten Einleitungen sind sicher gut gemeint, hinsichtlich

ihrer Realisierung auf einer Großbaustelle aber sicher nicht immer einzuhalten.

Bei der Kompensation ist grundsätzlich in Frage zu stellen, ob ein Gewässer, das zwingen-

der Bestandteil des Antrages und selbst ein Eingriff (in andere Schutzgüter) ist, als Neuanla-

ge von Fließgewässern dem Eingriff gegenübergestellt werden darf (Abfanggraben Ost und

Ableitungsgraben Nord in Tab. 11.2-10). Die daraus resultierende Bilanz des Flächenverlus-

tes bei den Fließgewässern ist falsch. Der Flächenverlust bei den Fließgewässern bleibt bei

14,012 km und kann nicht mit einer grundsätzlich fehlerhaften Bilanz auf 2,275 km kleinge-

rechnet werden.

Auch ist bei den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen festzustellen, dass es sich vielfach

um relativ gleichartige standardisierte Maßnahmen an Gewässern handelt (Grabenabfla-

chung etc.) oder sogar nur Verzicht auf Dünger- und Pestizideinsatz oder allgemeine Maß-

nahmen wie Heckenpflanzungen, die per se kein Ersatz für den Verlust von Gewässern sein

können und deren Wert in Bezug zu dem Eingriff in das Schutzgut Wasser fragwürdig ist. Es

kann zwar lokal zu einer Strukturverbesserung kommen, diese kann aber insbesondere nicht

die Umwandlung eines Fließgewässers in ein Gewässer mit stehendem Charakter oder Tro-

ckenfallen ersetzen. Bezüglich der Kritik an den Ausgleichsmaßnahmen verweisen wir auf

unsere Ausführungen in Kap. 5.3.2. Insbesondere scheint uns zum Schutzgut Wasser frag-

lich, dass für die Maßnahmenflächen in der Regel eine Mehrfachfunktionalität angenommen

wird (z.B. J_010_ErläuterungLBPGNO S. 47), damit also kein echter Ausgleich für das

Schutzgut Wasser erfolgt (oder bei irgendeinem anderen Schutzgut).

Überhaupt keine Maßnahmen wurden offensichtlich zur Kompensation der stoffbedingten

Veränderungen vorgeschlagen – was auch kaum möglich wäre.

Auch für den Vorflutgraben ist kein Ausgleich möglich. Das Vorhaben die Bedingungen im

nördlicheren, nicht überbauten Teil zu verbessern, ist aus folgenden Gründen nicht sicher

gewährleistet: Es wird ein sehr großer Teil des Grundwassereinzugsgebietes versiegelt. Es

ist weitgehend unkalkulierbar, ob und wo für die spezifischen Lebensraumbedingungen er-

forderliche Grundwasseraufstöße im Grabenverlauf auftreten. Da in den vergangenen Jah-

ren der Graben stets nach einer Strecke von etwa 900 m versickerte, ist kaum damit zu

rechnen, dass sich geeignete Verhältnisse einstellen werden. Eine Zuleitung und Einspei-

sung von Grundwasser durch Rohrleitungen kann die derzeit wertbestimmenden flä-

chigen Zutritte keinesfalls ersetzen. Zudem kann durch die Zuspeisung von Oberflächen-

wasser von den versiegelten Flächen eine Verschlechterung der Wasserqualität ebenso we-

nig ausgeschlossen werden (infolge Nährstoffanreicherung, Sauerstoffzehrung, Eisen- /

Manganausfällung, Verockerung durch Einträge der Enteisungsmittel s.o.). Es ist daher als

sehr unwahrscheinlich anzusehen, dass auf entsprechender Länge vergleichbare Ersart-

Bestände entwickelt werden können.

Zum Kompensationsumfang ist grundsätzlich anzumerken, dass mit der Kompensation des

Verlustes von nur knapp 1.600 m Fließgewässern nur etwas mehr als 1/10 des gesamten

Fließgewässerverlustes kompensiert werden sollen. Ein Graben ist ein Fließgewässer und

kann nicht wegen geringer struktureller Ausstattung als so gering bewertet werden, dass er

letztlich im Bewertungssystem „durchfällt“ und nicht einmal rechnerisch kompensiert werden

(s.o. Kap. 4 Einleitung). Zum mangelhaften und zweifelhaften Ausgleich verweisen wir gene-

rell auf die auch Fließgewässer betreffenden Ausführungen in Kap. 5.3.2..

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4.2.2.3. Erhebliche, nicht ausgleichbare Auswirkung

Es ist bekannt, dass „die Errichtung des Flughafens Münchens II das Fließgewässersystem

... gravierend verändert haben.“ (UVS 11-73). Von daher ist es korrekt, wenn der Flächenver-

lust bei den Fließgewässern selbst auch in der UVS als sehr hohe Beeinträchtigung (5) be-

wertet wird. Daraus resultieren letztlich auch eine Vielzahl von Kompensationsmaßnahmen,

deren Durchführung jedoch nicht den Verlust eines Gewässers kompensieren kann.

Für zu gering bewertet halten wir die in der UVS höchstens geringe (2) Auswirkung durch die

Baumaßnahmen und die nur als mittel (3) bewertete Abnahme der biologischen und chemi-

schen Gewässergüte durch Verlust des Fließgewässercharakters, aus der dann sogar nur

eine geringe, d.h. nicht erhebliche Funktionsminderung resultiert.

In der zusammenfassenden Gesamtbewertung ist fehlerhaft, dass die Auswirkungen auf

Konfliktschwerpunkte reduziert werden und der Verlust von 14 km Fliegewässern dort nicht

einmal mehr erwähnt wird.

Letztlich ergeben sich in der Gesamtbewertung der UVS nur im Falle des Verlustes von

1.580 m Fließgewässer eine erhebliche Auswirkung auf die Fließgewässer (UVS 11-120) –

dies ist der Schwere des Eingriffes in das Schutzgut Fließgewässer keineswegs angemes-

sen und nur durch eine Vielzahl von fehlerhaften einzelnen Unterbewertungen erklärbar.

Bei Einbeziehung der erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich der Maßnahmen zur Grund-

wasser- und Oberflächenwassereinleitung sowie der Abwehr stofflicher Einträge und bei hö-

herer Bewertung des niedermoortypischen Gesamtsystems des Fließgewässernetzes ergibt

sich insgesamt eine sehr hohe Beeinträchtigung für das Schutzgut Fließgewässer hinsicht-

lich des Flächenverlustes und eine hohe Beeinträchtigung hinsichtlich der hydrologischen

und stofflichen Veränderung.

4.2.3. Ökosystem Grundwasser

Auch das Ökosystem Grundwasser wird durch die quantitativen und qualitativen

Veränderungen negativ beeinflusst. Die Auswirkungen auf dieses völlig eigene Ökosystem

mit hoch empflindlichen und stark spezialisierten Arten wird überhaupt nicht untersucht mit

der Begründnung, dass dieses „nicht behandelbar“ und „nach dem allgemeinen Kenntnis-

stand ... nicht direkt erfassbar“ sei (UVS 4-19). Wir weisen wie schon im Raumordnungsver-

fahren darauf hin, dass das Ökosystem Grundwasser im Biotoptypenschlüssel des

Bundesamtes für Naturschutz enthalten ist und wird auch in der Strategie der

Bundesregierung zum Erhalt der biologischen Vielfalt aufgeführt. Es liegen mittlerweile

genügend Erkenntnisse zur Artenausstattung des Ökosystems Grundwasser vor, die eine

Betrachtung im Rahmen der UVS als Schutzgut begründen und zwingend erforderlich

machen (s.o. Kap. 4. Einführung).

4.2.4. Wasserrahmenrichtlinie

Mit all diesen Auswirkungen verstößt das geplante Vorhaben gegen die Wasser-

rahmenrichtlinie (WRRL). Deren Ziel ist ein guter mengenmäßiger und chemischer Zustand

des Grundwassers und der grundwasserabhängigen Landökosysteme (Feuchtgebiete) sowie

der gute ökologische Zustand der Gewässer. Sowohl die Grundwasserabsenkung, die

direkten Eingriffe durch Überbauung und Verlegung als auch die Zunahme der stofflichen

Belastung widersprichen dieser Zielsetzung, würden den Zustand verschlechtern und einer

nötigen Verbesserung entgegenstehen.

Wir begrüßen es, dass in der UVP auf die Zielsetzungen der WRRL vereinzelt Bezug

genommen wurde, stimmen aber angesichts der in den vorangegangenen Darstellungen

nicht mit der Beurteilung einer Verträglichkeit mit der WRRL überein.

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Für die Eingriffsbewertung nach WRRL ist es letztlich auch irrelevant, wie die aktuelle

Bewertung oder Zielerreichung der Einzelfaktoren ist. Beispielsweise wird in der Bewertung

der WRRL für den (grundsätzlich zu groß abgegrenzten) Grundwasserkörper im Erdinger

Moos das Erreichen des guten Zustandes bis 2015 angenommen - hierzu ist anzumerken,

dass diese Bewertung ohne die Planung der 3. Bahn erfolgte und daher keine Relevanz für

das Vorhaben hat. Oder die Aussage, dass die Fließgewässer erheblich verändert seien und

eine Zielerreichung Struktur (außer Oberlauf Dorfen) unwahrscheinlich sei, ist letztlich für die

Eingriffsbewertung irrelevant, weil der Eingriff auch das Erreichen des guten ökologischen

Potenzials erschwert bzw. unmöglich macht.

Unabhängig von der aktuellen Einstufung und Bewertung nach der Bestandaufnahme bleibt

festzustellen, dass das Vorhaben sowohl dem Ziel des guten ökologischen und chemischen

Zustandes zuwiderläuft. Hinsichtlich des ökologischen Zustandes verweisen wir auf unsere

Ausführungen zu den biologischen Schutzgütern, hinsichtlich des chemischen Zustandes ist

auf die Stoffeinträge, insbesondere durch Enteisungsmittel und damit verbundene

Sauerstoffarmut im Grundwasserkörper hinzuweisen (s.o.).

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4.3. Schutzgut Boden

4.3.1. Defizite in der Bewertung des Schutzgutes Boden

Die Wertigkeit von Torf-Moorböden ist in den Unterlagen unzureichend dargestellt: Im

Eingriffsbereich kommt relativ viel Fläche mit “Kalkerdniedermoor (KVc)” und “Norm-

erdniedermoor (KVn)” vor. Es handelt sich dabei um Torf über Kies- oder Schluffschichten,

z.T. mit eingelagerten Almkalkschichten. Diese Böden sind für das Erdinger Moos und

gerade für den nassen Nord-Rand des Erdinger Mooses besonders typisch. Auch der

Moorgley (Entwässerter Moorgley-Gley rGH-GG) ist semiterrestrischer Torfboden.

Die in der UVS vorgenommene Bewertung der Böden nach ihrer biologischen und abio-

tischen Standortfunktionen ist unzureichend sowohl hinsichtlich der erfolgten Bewertung der

betrachteten Einzelfaktoren als auch im Fehlen wichtiger Bewertungsfaktoren. Bei den

Einzelfaktoren ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, dass die für das Gebiet typischen

beiden Moorbödentypen bei den biologischen Standortfunktionen nur mit “4” = hoch bewertet

wurden und nicht mit “5” = sehr hoch, zumal ja selbst die UVS “von deren Entwicklungs-

potential” (S. 10-37) ausgeht. Die Auswahl der Bewertungsfaktoren ist insofern unvollständig,

als hier die besondere Gebietscharakteristik fehlt. Böden, die für ein Gebiet besonders

typischen sind, müssen in ihrem Wert höher bewertet werden als weniger typische Böden.

Damit in Verbindung müßte auch die Seltenheit (vgl. auch Bewertungskriterien Fauna/ Flora)

von Böden in die Bewertung Eingang finden. Dies findet sich in der Bewertung jedoch nicht

wieder. Die Gesamtbewertung (Tab. 10-8 in UVS 10-41) rechnet daher den beiden typischen

und seltenen Moorbodentypen Kalkerdniedermoor und Normerdniedermoor nur den

Gesamtwert “4” = hoch zu. Die gleiche Bewertung erhält beispielsweise auch die

Normpararendzina. Kein Bodentyp erhält die Bewertung “5” = sehr hoch”. Diese Bewertung

ist fehlerhaft, den beiden Moorbodentypen wäre zwingend der Wert “5” zuzuordnen. Ihre

höhere Wertigkeit ergibt sich auch daraus, dass selbst in der Tab. 10-8 der UVS den beiden

Moorböden als einziges zweimal die Bewertung “4” = hoch zugeordnet wird. In Anbetracht

der zu geringen Bewertung bei Einzelfaktoren und der fehlerhaften Betrachtung weiterer

wichtiger Bewertungsfaktoren ergibt sich zwingend die Notwendigkeit der höchsten

Bewertung “5” = sehr hoch für das Norm- und Kalkerdniedermoor.

Diese zu geringe Bewertung führt in der Folge entsprechend zu einer zu geringen Bewertung

der Konflikte.

Es gehen vom Bodentyp

• Kalkerdeniedermoor durch Versiegelung 61,35 ha und durch Flächenumwandlung

46,27 ha

• Normerdniedermoor durch Versiegelung 7,09 ha und durch Flächenumwandlung 20,22

ha

verloren. Zudem liegt ein erheblicher Anteil dieses Bodentypes in der Zone der

Grundwasserabsenkung, wodurch sie ihre Funktion verlieren können. Diese Konflikte

müßten mit besonders hoher Schwere bewertet werden.

Es ist bekannt und wird auch in der UVS dargestellt, dass Moorböden besonders empfindlich

sind. Bei Belüftung durch Grundwasserabsenkung, Abgrabung oder Belüftung kann es zu

Torf- und Humusschwund kommen, es kann zu Nitrat-Auswaschung ins Grundwasser

kommen, klimarelevante Gase (CO2, N2O u.a.) können durch Mineralisation organischer

Substanz freigesetzt werden. Der Schutz und Erhalt von Moorböden hat gerade aus Sicht

des Klima- und Wasserschutzes höchste Priorität, es laufen in zahlreichen Moorgebieten

Renaturierungsmaßnahmen zur Wiederherstellung intakter Moorböden und ihrer Funktionen

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(vgl. auch Ziele des Regionalplanes München zur Ergreifung geeigneter Maßnahmen gegen

Bodenverwehung und Moorsackung in den Niedermoobereichen der Münchner Ebene, Teil

B I) .

4.3.2. Bewertung der Konflikte mit dem Schutzgut Boden

Der Hauptkonflikt mit dem Schutzgut Boden besteht in der Flächeninanspruchnahme durch

großflächige Versiegelung und durch großflächige Zerstörung und Beeinträchtigung der

zahlreichen Bodenfunktionen. Ein zentraler Konflikt ist auch der Eintrag von Schadstoffen

aus dem Flugbetrieb bzw. Damit verbundenen Maßnahmen (z.B. Enteisung) in die

verbleibenden Böden.

Aber auch durch die Baumaßnahmen treten eine Reihe von Gefahren auf, die die

verbleibenden Böden negativ beeinflussen können, insbesondere der Eintrag von

Schadstoffen über Stäube und insbesondere die Veränderung des Grundwasserhaushaltes

und infolge des Bodenwasserhaushaltes.

Insgesamt kommt es zu

• Flächeninanspruchnahme, d.h. Eingriffe in den Boden, von 870 ha, davon liegen ca.

648 ha künftig innerhalb des Flughafenzauns.

- davon Flächenversiegelung mit vollständigem Verlust aller Funktionen von 320 ha

Boden: davon 306 ha bisher unversiegelter Flächen / davon 36,3 ha innerhalb und 269,8

ha außerhalb des bestehenden Flughafens / davon 155,2 ha für die Bahnen und 165 ha

für das Vofeld Ost.

- davon dauerhafte Flächenumwandlung von 597,35 ha Boden.

- davon Verlust von mehr als 130 ha der besonders charakteristischen, schützenswerten

und empfindlichen Bodentypen Norm- und Kalkerdniedermoor (Torfböden) alleine durch

Versiegelung und Flächenumwandlung (d.h. ohn zusätzliche Beeinträchtigungen durch

Grundwasserabsenkung).

• einer Beeinträchtigung der Bodenfunktionen auf ca. 700 ha Boden mit weitgehendem

Verlust bzw. erheblicher Veränderung der Struktur und der Funktionen der Böden (als

Lebensraum für Bodenlebewesen, Standort von Pflanzen und Tieren, für die

landwirtschaftliche Produktion, als Deck- und Filterschicht für das Grundwasser etc.). Der

Verlust der Funktionen betrifft neben den versiegelten Flächen insbesondere die Flächen

mit oberbodenloser Begründung

• zusätzlichen Bodenbewegungen und –verluste durch Verlegung von Gräben, Ver-

legung von Straßen, Geländeaufschüttungen.

• Einem Abtrag bzw. Umlagerung von rund 4,3 Mio. m³ gewachsenem Boden, davon

werden 2,7 Mio. m³ in Aussichtshügel und Abschirmungswälle eingebaut und 1,6 Mio. m³

für sonstige Andeckungen, Aufschüttungen und Verfüllungen verwendet. Die

Rohstoffbilanz beträgt insgesamt rund 8,2 Mio. m³, ein großer Teil muss angeliefert

werden.

• Zahlreichen Folgewirkungen wie einer Zunahme des Kiesabbaus etc.

Im folgenden werden einige wesentlichen Faktoren einzeln betrachtet. Wir weisen explizit

darauf hin, dass dies nur eine exemplarische Darstellung sein kann, da in der Kürze der zur

Verfügung stehenden Zeit nicht alle Darstellungen in der gleichen Intensität geprüft werden

konnten.

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4.3.2.1. Flächenverbrauch und –versiegelung

Der hohe Flächenverbrauch und Versiegelungsgrad widerspricht dem Grundsatz und den

Gesetzesvorgaben für einen sparsamen Umgang mit Grund und Boden. Auch wenn im Ver-

gleich zum Raumordnungsverfahren die Fläche innerhalb des Flughafenzauns von 970 ha

auf 648 ha zurückgenommen wurde, hat sich die Summe der versiegelten Fläche nur von

326 ha auf 320 ha um 6 ha reduziert. Dies trägt nicht zur Erfüllung des Minimierungsgebotes

bei.

Es ist nicht erkennbar, dass es sich hier um eine „flächensparende Planung“ (UVS 10-74)

handelt. Beispielsweise ist darauf hinzuweisen, dass ein großer Flächenverlust insbesondere

durch das Vorfeld Ost bedingt ist. Hier wurde keinerlei Minimierungsmaßnahme (= insbeson-

dere durch vollständigen Verzicht auf das Vorfeld) vorgenommen.

4.3.2.2. Veränderung des Wasserhaushaltes

Wie bereits bei den Schutzgütern Wasser (s.o.), Flora und Fauna (s.u.), europäischem Ge-

bietsschutz (s.u.) und europäischem Artenschutz (s.u.) dargelegt, halten wir die negativen

Auswirkungen der Grundwasserabsenkung für größer als angenommen und die Wirksamkeit

der Kompensationsmaßnahmen für nicht ausreichend bewiesen.

Die Grundwasserabsenkung ist für die grundwassergeprägten Böden daher in der Auswir-

kung ebenfalls erheblicher als in der UVS angenommen. Die Bewertung der Erheblichkeit

hat auch Defizite in der Beurteilung bei der in der UVS angenommen Grundwasserabsen-

kung. Beispielsweise ist nicht nachvollziehbar, warum für Böden mit einem Grundwasserflur-

abstand MGW 0,4-0,8 m unter Flur eine Absenkung von 4-10 cm als nicht erheblich ange-

nommen wird (geringe Funktionsminderung 2). Diese Bewertung ist in mehrfacher Hinsicht

fehlerhaft: Schon durch wenige cm Absenkung und insbesondere durch die höhere Absen-

kung der hohen Grundwasserstände (!) kann der Grundwasseranschluss und der wechsel-

feuchte Charakter dieser Böden verloren gehen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, diesen

Wirkfaktor generell und einheitlich für alle Bodentypen nur mit der Wirkstufe 2 anzunehmen.

Ein grober Fehler in der Bewertung der UVS ist insbesondere die Reduzierung der Bewer-

tung ausschließlich auf die Änderung des MGW. Gerade die hohen Grundwasserstände

spielen für den Wasserhaushalt der Böden (gerade angesichts der bereits erfolgten Grund-

wasserabsenkung) eine zentrale Rolle, weil bei mittlerem Grundwasserflurabstand dann we-

nigstens noch in der Zeit hoher Grundwasserstände ein Anschluss ans Grundwasser und

entsprechende Wechselfeuchtigkeit / Feuchtigkeit gegeben sein können. Daher hätte in die

Bewertung der Auswirkungen und Erheblichkeit zwingend die Absenkung der hohen Grund-

wasserstände MHW einbezogen werden müssen. Daraus ergibt sich zwingend, dass für die

grundwasserbeeinflussten Böden mit MGW 0,4 – 0,8 m unter Flur mit Wirkfaktor Absenkung

MGW um 4-10 cm eine erhebliche Beeinträchtigung anzunehmen ist. Dies beträfe laut UVS

fast 70 ha Böden (69,24 ha, UVS 10-57).

Ebenfalls eine nicht zulässige Unterbewertung stellt die Tatsache dar, dass in der UVS der

Wirkfaktor Gewässerneuordnung bei den organischen Böden (= Torfmoorböden) nur mit der

Wirkstufe 2 (= ) einbezogen wird, weil die „Moorböden ... durch Vorentwässerung und

landwirtschaftliche Nutzung in keinem naturnahen Zustand mehr [sind].“ (UVS S. 10-67). So-

lange die Böden noch als Niedermoor-/Torfböden bewertet werden, ist auch ihre Bedeutung

entsprechend hoch und nicht durch Belastungen herabzusetzen.

4.3.2.3. Stoffeinträge, Problematik der Arsenbelastung

Baubedingt kommt es zu einer Verfrachtung von Schad- und Nährstoffen in angrenzende

Böden durch Staubeintrag.

Insbesondere die Böden im Bereich der geplanten 3. Bahn wären durch die Maßnahmen zur

Sicherung vor Vogelschlag in ihrer Puffer- und Filterwirkung gegenüber stofflichen Einträgen

stark beeinträchtigt, da kaum Oberboden aufgebracht werden und der Mineralboden einen

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hohen Skelettanteil aufweisen soll (vgl. 10-48 UVS) – und dies gerade in einem Bereich der

relativ höchsten Schadstoffeinträge aus dem Flugverkehr und dem Straßenverkehr.

Ein besonderes Problem stellt die Arsenbelastung dar. Sie ist zwar geogen bedingt, kann

aber durch die Enteisungsmittel verstärkt werden (s.o.). “Die höchsten Arsengehalte wurden

im westlichen Bereich des Untersuchungsgebietes gefunden. ... Besonders nördlich des

bestehenden Flughafens sind [d.h. im Bereich der geplanten 3. Bahn] sind „Fenster“

vorhanden, die keine wirksame Trennung erzeugen” zwischen dem tertiären und dem

quartären Grundwasserleiter (S. 10-42 UVS). Das Risiko einer Arsenbelastung der tertiären

Grundwasserschichten ist damit stark erhöht. Dieses Risiko wird in der UVS zu gering

bewertet.

Ob der abgetragene Boden für die Auffüllung im Norden verwendet werden kann, ist

angesichts der hohen Arsenbelastung stark zu bezweifeln. Es ist unklar, welche

Auswirkungen durch die umfangreichen Bodenumlagerung auch im Bezug auf das Arsen

hervorgerufen werden. Die Tatsache, dass die UVS die Umlagerung arsenhaltigen Bodens

bei einer geordneten Ablagerung nicht als nachteilige Umweltauswirkung betrachtet (10-64

UVS) halten wir für fehlerhaft. Sollte der abgetragene Boden als Sondermüll bewertet

werden, muss er deponiert werden und für die Auffüllungen muss erheblich mehr Material

angeliefert werden, die Masse der Bodenbewegungen wäre dann erheblich höher als in der

UVS und der Planung angenommen.

4.3.3. Weitere negative Auswirkungen auf die Böden

Baubedingt kommt es zu einer vielfach irreversiblen Verdichtung der Böden im Baubereich.

Bei der Trockenlegung der Niedermoorböden wird klimawirksames CO2 freigesetzt, die

Wasserrückhaltefähigkeit der Böden wird beeinträchtigt. Dies widerspricht auch dem Ziel des

Regionalplanes München, wonach geeignete Maßnahmen gegen Bodenverwehung und

Moorsackung in den Niedermoorbereichen der Münchner Ebene ergriffen werden sollen. In

den Unterlagen wird immerhin für die grundwasserbeeinflussten Böden für fast 100 ha eine

Absenkung von 10-25 cm bzw. für 234 ha eine Absenkung um 4-10 cm angenommen (10-57

UVS). Wir verweisen hinsichtlich der zu optimistischen Annahmen bezüglich der Reichweite

der Grundwasserabsenkung bzw. Veränderung der Fließgewässer auch auf unsere

Ausführungen zum Schutzgut Wasser (s.o.).

4.3.4. Folgewirkungen

Die Schutzwirkung des Bodens für Trink- und Grundwasserschutz werden reduziert.

Durch den Kiesabbau zur Gewinnung von Baumaterial wird zusätzlicher Boden zerstört.

Auch wenn die Vorrangflächen des Regionalplanes dies angeblich abdecken, wurden die

Vorrangflächen des Regionalplanes ja nicht mit dem Flughafen-Ausbau begründet, sondern

für andere Zwecke. Im Gegenteil ist im Regionalplan für Großprojekte der

Verkehrsinfrastruktur vorgegeben, dass der Bedarf hierfür vorrangig durch Recycling gedeckt

werden soll zur Schonung der hochwertigen Vorkommen der Münchner Schotterebene

(Regionalplan BIV 2.6.1.3). D.h. es ist in jedem Fall damit zu rechnen, dass im Umfeld ein

erhöhter Kiesabbau die Folge sein wird.

Wir bezweifeln auch, dass beim Kiesabbau tatsächlich sauberes Material für die

Wiederverfüllung in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Auch können durch die

Verfüllung mit Erde Sackungsprozesse auftreten. Bei Bau des Flughafens zeigten sich

Sackungsprozesse beispielsweise bei den Seitenentnahmen nach Entnahme des Kieses

und Verfüllung mit Erde.

Die Auswirkungen des zusätzlichen Kiesabbaus hinsichtlich Boden, Grundwasser,

Naturschutz, Landwirtschaft, Lärm, Verkehr, Luftbelastung wurden völlig außer acht

gelassen.

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4.3.5. Negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft

Eng verknüpft mit der Zerstörung, Funktionsminderung und Beeinträchtigung des

Schutzgutes Boden ist auch die negative Auswirkung auf die Landwirtschaft.

Die größten negativen Auswirkungen für die Landwirtschaft ergeben sich aus

• der großen Flächenversiegelung und damit verbundenem irreversiblen Verlust an land-

wirtschaftlichem Boden. Durch das Bauvorhaben werden 748,55 ha derzeit landwirt-

schaftlich genutzte Fläche versiegelt bzw. überbaut, davon 589,79 ha agrarstrukturell

hochwertiger Fläche (=78,79 %). (S. 15 Fachbeitrag Agrar- und waldstrukturelle Auswir-

kungen).

• den Veränderungen des Grundwasserhaushaltes,

• den Stoffeinträgen, die mit der Zunahme der Flugbewegungen entsprechend zunehmen

und die landwirtschaftlichen Flächen verunreinigen. Dies hat wiederum negative Auswir-

kungen auf die dort produzierten Nahrungsmittel bzw. die sich dort ernährenden Nutztie-

re,

• der zusätzlichen Flächeninanspruchnahme durch Folgemaßnahmen wie Infrastrukturein-

richtungen (Siedlung, Gewerbe, Verkehr),

• der zusätzlichen Flächeninanspruchnahme durch die hohe Anzahl nötiger Ausgleichsflä-

chen für die anderen Schutzgüter. Von den in den Unterlagen vorgesehenen Aus-

gleichsmaßnahmen sind 548 ha derzeit landwirtschaftlich genutzte Nutzfläche.

Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden und angesichts der sehr kurzen für die Einwen-

dung zur Verfügung gestellten Zeit verweisen wir daher hinsichtlich der Auswirkungen auf

das Schutzgut Landwirtschaft auf unsere Ausführungen beim Schutzgut Boden, Wasser und

Mensch.

Es ist jedoch ergänzend darauf hinzuweisen, dass von den betroffenen landwirtschaftlichen

Betrieben ca. 50% Vollerwerbsbetriebe sind mit teilweise hohen Flächenverlusten. Sie haben

nach dem Gesetz einen Anspruch auf Ersatz durch andere landwirtschaftliche Flächen. Es

stellt sich die Frage, wo diese Flächen herkommen sollen. Es ist ein Defizit der Planung,

dass dazu keine Aussagen getroffen werden. Die Bereitstellung von Ersatzflächen für die

Landwirtschaft kann wiederum negative Auswirkungen auf Flora und Fauna und biologische

Vielfalt außerhalb der in den Unterlagen betrachteten Wirkungsraumes haben – dies hätte

bei diesen Schutzgütern betrachtet werden müssen.

Insgesamt ergibt sich auch für die Funktion der Böden für die Landwirtschaft eine erhebliche

Beeinträchtigung. Die mit dem beantragten Vorhaben verbundenen Eingriffe in die agrar-

strukturelle Situation sind unverhältnismäßig. Die Auflagen aus der Raumordnung (3.1.: „Die

durch Landverbrauch und Flächenzerschneidung entstehenden Beeinträchtigungen für die

Land- und Forstwirtschaft ... sind auf das unvermeidbare Maß zu beschränken.“) können nur

mit einem Verzicht auf die Planung erfüllt werden.

4.3.6. Fazit: Nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Boden

Angesichts der unzweifelhaft vorhandenen Eingriffe in das Schutzgut Boden ist ent-

gegen der UVS eine erhebliche negative Auswirkung vorhanden. Entgegen der Bewer-

tung in der UVS ist der Konflikt nicht nur als „mittel“ (10-83 UVS) einzustufen.

In der UVS werden für 306,1 ha die höchste Auswirkungsstufe (5) und für 253,25 ha die

zweithöchste Auswirkungsstufe (4) angenommen. Die Gesamtfläche der Auswirkungsstufen

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 82

3-5 ist einschließlich der erheblichen Auswirkungen durch die Grundwasserabsenkung auf

die Böden somit nach Angaben der Unterlagen mit knapp 600 ha (“Summe 592,75 ha“, 10-

79 UVS) anzusetzen. Dazu kommt noch eine erhebliche Fläche mit nach den Unterlagen

geringen negativen Auswirkungen, von denen ein großer Teil durch die oben exemplarisch

aufgezeigten Defizite auch in die Summe der erheblichen Auswirkungen dazu gerechnet

werden muss. Dazu kommt weiterhin, dass vielfach Voraussetzungen bei der Umsetzung der

Maßnahmen angenommen werden, um die Wirkstufe relativ gering zu halten. Oder es

werden Vorbelastungen mit in die Bewertung des Eingriffs mit einbezogen (z.B. bei den

Moorböden), um ebenfalls die Wirkstufe relativ gering zu halten. Die Annahmen zur

Reduzierung oder Minimierung des Eingriffs sind in ihrer Wirkung keineswegs gesichert.

Daher ist auch in vielen Einzelpunkten ein höherer Einzel-Wirkfaktor anzunehmen als in der

UVS dargestellt.

Angesichts dessen ist eindeutig und zwingend eine Gesamtbewertung als „hoch“ bis

“sehr hoch” erforderlich.

Bezüglich des Minimierungsgebotes ist zum einen für die konkrete Planung festzustellen,

dass nicht alle Maßnahmen einer in der Planung möglichen Minimierung ergriffen wurden.

Das Vorfeld Ost ist hinsichtlich des Flugzeugmixes eindeutig überdimensioniert (s.o.), der

Flächenverlust hätte hier in der Planung minimiert werden können.

Andererseits – und wesentlich – ist festzustellen, dass die getroffenen Minimierungs-

maßnahmen unzureichend sind und die einzige tatsächliche Minimierungsmaßnahme der

Verzicht auf die Planung ist. Der Aussage „Eine Wirkungsvermeidung ist, ohne dabei

wesentliche Änderungen der Gesamtplanung vorzunehmen, nicht möglich.“ (10-74 UVS) ist

daher zuzustimmen. Die Eingriffe widersprechen der Zielsetzung des

Bundesbodenschutzgesetzes, des Landesentwicklungsprogrammes, des Regionalplanes

und zahlreicher anderer Vorgaben zum sparsamen Umgang mit Boden. Auch die geringe

Reduzierung des Flächenverbrauches im Vergleich zu der im Raumordnungsverfahren

dargestellten Planung macht aus der Planung der 3. Bahn noch keine flächensparende

Planung.

Bezüglich der Kompensationsmaßnahmen wird nur auf den LBP und eine teilweise (!)

Wiederherstellung von Bodenfunktionen durch Rekultivierung verwiesen. Die Maßnahmen

des LBP sind jedoch großteils Maßnahmen, die bereits für andere Schutzgüter einen

Ausgleich darstellen sollen und nicht in unmittelbarer Verbindung mit dem Verlust von

Boden/ Bodenfunktionen stehen. Ein Ausgleich mit einem anderen Schutzgut ist keinesfalls

ein Ausgleich für die massive Neu-Versiegelung des Schutzgutes Boden und nicht zulässig.

Beispielsweise wäre der einzige Ausgleich für die Neu-Versiegelung von 320 ha die

Entsiegelung von 320 ha. Eine Entsiegelung findet aber nur auf einem Bruchteil der Fläche

statt.

Zur Rekultivierung von Böden, die selbst nach Angaben der UVS nur teilweise erfolgen kann,

ist zudem kritisch anzumerken, dass durch den Bodenauftrag die über Jahrhunderte

gewachsene natürliche Bodenstruktur erst einmal zerstört ist und sich gerade die Struktur

und Funktion von Niedermoorböden sicher nicht weitgehend regenerieren wird, zumal ja

auch der Wasserhaushalt durch Auffüllung bzw. Grundwasserabsenkung stark verändert ist.

Außerdem bleiben durch die zur Verringerung der Vogelschlaggefahr oberbodenlose

Begrünung der Flughafenwiesen die natürlichen Bodenfunktionen dauerhaft eingeschränkt.

Insbesondere die Schutz-, Filter-, Stoffumbau- oder Lebensraumleistungen und damit auch

der Schutz des Grundwassers bleiben eingeschränkt. Es ist daher von einer irreversiblen

und nicht ausgleichbaren Zerstörung der Böden und ihrer Funktionen auszugehen. Die

veränderten Böden sind lediglich hinsichtlich ihrer Versickerungskapazität für Regenwasser

besser zu bewerten als betonierte Flächen, können aber keineswegs zerstörten

Niedermoorböden gleichgesetzt werden.

Angesichts der unzureichenden Begründung und Überdimensionierung des

Vorhabens (s.o.) ist die einzige nach BayNatSchG und BBodSchG zulässige und

erforderliche Vermeidung der Verzicht auf die Planung als solches.

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Nur so ist das Gebot des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden (§ 1 Satz 3 BBodSchG,

Art. 2 Nr. 13 Satz 2 BayLplG) und das gesetzgeberische Ziel, die Funktionen des Bodens

nachhaltig zu sichern (§ 1 Satz 1 BBodSchG) zu erfüllen.

4.4. Schutzgut Landschaft

Da das Schutzgut Landschaft eng verknüpft ist mit den biologischen Schutzgütern sowie

dem Schutzgut Boden und Wasser verweisen wir zur Vermeidung von Wiederholungen und

angesichts der extrem kurzen zur Verfügung gestellten Zeit für die Stellungnahme auf unsere

dortigen Ausführungen.

Insbesondere der Flächenverlust (320 ha) und der damit verbundene Verlust von land-

schaftsbildprägenden Fließgewässern, Gehölzen und Strukturen ist als sehr erheblicher

Eingriff in das Landschaftsbild zu werten. Auch eine mögliche Veränderung des

landschaftsbildprägenden Grundwasserhaushaltes hat erhebliche Auswirkungen auf das

Landschaftsbild. Auch die Geländeaufschüttungen und die Neuanlage von Straßen werden

das Landschaftbild stark verändern.

Entsprechend der bei diesen Schutzgüter von uns dargestellten Defizite in Bewertung und

Beurteilung der Beeinträchtigungsschwere ist auch beim Landchaftsbild von einer höheren

Beeinträchtigung auszugehen als in der UVS angenommen. Zusätzlich ist auch die

Bewertung der der Wertstufe der einzelnen Landschaftsbildeinheiten in Frage zu stellen,

beispielweise müßte der LBE 4 „Niederungslandschaft nördlicher Erdinger Moos“

(Haupteingriffsraum!) nicht mit einem mittleren (3), sondern zwingend mit einem hohen (4)

Gesamtwert bewertet werden. Dieser Raum weist hohen Wert für kulturraumtypische

Landschaftselemente, aber auch für naturraumtypische Landschaftselemente auf (vgl. die

umfangreichen Ausführunger UVS in den Fachbeiträgen Fauna und Vegetation).

Entsprechend dieser zu geringen Wertigkeit in Verbindung mit der Unterbewertung der

Eingriffsfaktoren (beispielsweise bei den Eingriffen ins Grundwasser, Fließgewässer) ist die

Eingriffsschwere in das Schutzgut Landschaft in der UVS unterbewertet.

Ein weiteres Defizit der Bewertung ist die unvollständige Betrachtung der Wirkungsfaktoren.

Es dürfte niemand leugnen, dass der Flugverkehr das Landschaftsbild erheblich beeinflusst.

Der Flugverkehr wird mit der geplanten 3. Bahn zunehmen. Es werden insbesondere

Gebiete wie der als „hoch“ (4) im Wert für das Landschaftsbild bewertete Eittinger Weiher

(LBE 13) oder die als „hoch“ (4) im Wert für das Landschaftsbild bewerteten Isarauen (LBE

1) mit der 3. Bahn in Höhen von knapp über 100 m voll (Eittinger Weiher) bzw. unter 500 m

(Isarauen) überflogen werden. Das Landschaftsbild wird durch diese Überfluge masiv

überprägt und gestört. Dass dies keinerlei Betrachtung in der UVS gefunden hat, ist ein

Fehler.

Es kommt insgesamt zu einer weiteren großräumigen Beeinträchtigung des

Erscheinungsbildes des Erdinger Mooses durch die Ausdehnung der technischen

Flughafen-Infrastruktur fast bis hin zur Autobahn. Diese ist insbesondere vom Rand des

Hügellandes massiv wahrnehmbar. Damit kommt es zu einer weiteren Entwertung und

technischen Überprägung des typischen Landschaftsbildes im Erdinger Moos.

Dass die Auswirkungen auf das Schutzgut Landschaft dennoch in der UVS nur als

„mittel“ (S. 14-69 UVS) bewertet werden, entspricht nicht der Schwere des Eingriffs,

die unter anderem die Zerstörung von etwa der Hälfte der Landschaftsbildeinheit

„Nördliches Erdinger Moos“ beinhaltet. Vielmehr ist eine „hohe“ Auswirkung

anzunehmen.

„Eine Wirkungsvermeidung ist ohne wesentliche Änderungen der Gesamtplanung nicht

möglich.“ (S. 14-63 UVS). Dieser Beurteilung können wir uns anschließen. Auch eine

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Stellungnahme Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), gegen 3. Start- und Landebahn MUC 84

Minimierung ist per se mit Realisierung des Vorhabens nicht möglich. Eine Kompensation für

den erheblichen Eingriff ist nicht möglich, da die hohe Belastung des Landschaftsbildes in

einzelnen hoch wertvollen Landschaftsbildeinheiten nicht durch irgendwelche Maßnahmen

an anderen Orten oder durch einzelne Pflanzmaßnahmen kompensiert werden kann. Das

Landschaftsbild ist per se an die Lage der Landschaft am bestimmten Ort und die

Einbindung in ein Gesantensamble gebunden.

Zu fordern ist daher zur nach dem bayerischen Naturschutzgesetz geforderten Vermeidung

und Minimierung eine wesentliche Änderung der Gesamtplanung, nämlich den Verzicht auf

dieselbe.