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mikrobiologie Verkürzte Analysezeit bei höherer Genauigkeit MALDI-TOF Massenspektrometrie zur Identifizierung klinisch relevanter Mikroorganismen S. Burak, A. Gehrt 1 Die korrekte und gleichzeitig schnelle Identifizierung von Mikroorganismen bis auf Speziesebene stellt einen der Eckpfeiler der Medizinischen Mikro- biologie dar. Zusammen mit der Resistenzbestimmung liefert sie die nö- tigen Informationen zur Auswahl geeig- neter Antiinfektiva. Insbesondere bei schweren mikrobiellen Infektionen kann der frühzeitige Einsatz einer ziel- gerichteten, adäquaten Antibiotika- erapie entscheidend zum erapie- erfolg beitragen und unter Umständen lebensrettend für den betroffenen Pati- enten sein. In diesen Fällen wird man nicht bis zum Vorliegen der Resistenz- bestimmung warten, sondern bereits vorher mit einer empirischen antibioti- schen erapie beginnen. Eine zeitnahe Identifizierung der pathogenen Erreger kann hierzu bereits wertvolle Informati- onen liefern. Anforderungen an die Erregeridentifizierung Die klassischen Verfahren zur Erreger- identifizierung in der Medizinischen Mikrobiologie umfassen neben der mikro- skopischen Darstellung zellmorpholo- gischer Eigenschaften in erster Linie bio- chemische Tests, welche auf artspezifischen Wachstumsmustern und metabolischen Aktivitäten der Zellen beruhen. Die Mikro- organismen müssen hierfür zunächst an- gezüchtet und als Reinkultur isoliert wer- den, um sie gegebenenfalls von der physiologischen Flora zu trennen und ge- nügend Zellmaterial zu erhalten. Abhängig von der Wachstumsgeschwindigkeit bzw. Generationszeit des Mikroorganismus, er- fordert dies mindestens ein bis zwei Tage, kann jedoch bei langsam wachsenden Bakterien- und Pilzarten auch deutlich länger dauern. Die eigentliche biochemi- sche Identifizierung nimmt dann in der Regel trotz weitgehender Automatisie- rungsmöglichkeiten nochmals einige Stun- den bis mehrere Tage in Anspruch. Den Anforderungen einer schnelleren und ge- naueren Erregeridentifizierung kann daher nur durch den Einsatz neuer Methoden in der Laborroutine begegnet werden. Eine Möglichkeit sind molekulargenetische Me- thoden wie die partielle Sequenzierung der bakteriellen 16S-rDNA. Sie wird zwar in der Forschung eingesetzt, ist für einen breiten Einsatz in der Routinediagnostik jedoch zu zeitaufwändig und kostenintensiv. Eine neue, deutlich schnellere und kostengüns- tigere Alternative stellt die Identifizierung von Bakterien und Pilzen mittels MALDI- TOF Massenspektrometrie dar, die im Fol- genden vorgestellt werden soll. MALDI-TOF MS: Ein massenspektrometrisches Verfahren zur Proteinanalytik Unter Massenspektrometrie versteht man ein Analyseverfahren, das die Auftren- nung ionisierter Teilchen nach ihrem Masse/Ladungs-Verhältnis (m/z) ermög- licht. Es geht zurück auf den britischen Physik-Nobelpreisträger J. J. omson, der 1912 zum ersten Mal verschiedene Neon- Isotope aufgrund ihrer Masse trennen konnte, und dessen Schüler F. W. Aston 1919 das erste funktionierende Massen- spektrometer baute. 1 Dr. rer. nat. Sonja Burak, Dr. med. Andreas Gehrt Medizinische Laboratorien Düsseldorf Abb. 1: Prinzip der MALDI-TOF Massenspektrometrie. Die Analytmoleküle (z. B. Proteine, grün) bilden zusammen mit den Matrixmolekülen (gelb) Kristalle auf dem Target. Durch Laserbeschuss werden die Proteine desorbiert und ionisiert, durch ein elektrisches Feld werden sie beschleunigt, und in der Driftstrecke im Vakuum des Flugrohres werden sie dann nach ihrer Masse und Ladung aufgetrennt. Die Flugzeiten der detektierten Ionen werden schließlich in Massenspektren umgewandelt. 6/2010 wiener klinisches magazin 22 © Springer-Verlag 1

Verkürzte Analysezeit bei höherer Genauigkeit · mikrobiologie phyten und Schimmelpilze können mit tels MALDITOF MS identifiziert werden, was die Routinediagnostik von Pilzinfekti

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mikrobiologie

Verkürzte Analysezeit bei höherer Genauigkeit

MALDI-TOF Massenspektrometrie zur Identifizierung klinisch relevanter Mikroorganismen

S. Burak, A. Gehrt1

Die korrekte und gleichzeitig schnelle Identifizierung von Mikroorganismen bis auf Speziesebene stellt einen der Eckpfeiler der Medizinischen Mikro­biologie dar. Zusammen mit der Resistenzbe stimmung liefert sie die nö­tigen Infor ma tionen zur Auswahl geeig­neter Anti infektiva. Insbesondere bei schweren mikrobiellen Infektionen kann der frühzeitige Einsatz einer ziel­gerichteten, adäquaten Antibiotika­Therapie entscheidend zum Therapie­erfolg beitragen und unter Umständen lebensrettend für den betroffenen Pati­enten sein. In diesen Fällen wird man nicht bis zum Vorliegen der Resistenz­bestimmung warten, sondern bereits vorher mit einer empirischen antibioti­schen Therapie beginnen. Eine zeitnahe Identifizierung der pathogenen Erreger kann hierzu bereits wertvolle Informati­onen liefern.

Anforderungen an die Erregeridentifizierung

Die klassischen Verfahren zur Erreger­identifizierung in der Medizinischen Mikro biologie umfassen neben der mikro­skopischen Darstellung zellmorpholo­gischer Eigenschaften in erster Linie bio­chemische Tests, welche auf artspezifischen Wachstumsmustern und metabolischen Aktivitäten der Zellen beruhen. Die Mikro­organismen müssen hierfür zunächst an­gezüchtet und als Reinkultur isoliert wer­den, um sie gegebenenfalls von der physiologischen Flora zu trennen und ge­nügend Zellmaterial zu erhalten. Abhängig von der Wachstumsgeschwin digkeit bzw. Generationszeit des Mikroorganismus, er­fordert dies mindestens ein bis zwei Tage, kann jedoch bei langsam wachsenden Bakterien­ und Pilzarten auch deutlich länger dauern. Die eigentliche biochemi­sche Identifizierung nimmt dann in der Regel trotz weitgehender Automatisie­rungsmöglichkeiten nochmals einige Stun­den bis mehrere Tage in Anspruch. Den Anforderungen einer schnelleren und ge­

naueren Erregeridentifizierung kann daher nur durch den Einsatz neuer Methoden in der Laborroutine begegnet werden. Eine Möglichkeit sind molekulargenetische Me­thoden wie die partielle Sequenzierung der bakteriellen 16S­rDNA. Sie wird zwar in der Forschung eingesetzt, ist für einen breiten Einsatz in der Routine diagnostik jedoch zu zeitaufwändig und kostenintensiv. Eine neue, deutlich schnellere und kostengüns­tigere Alternative stellt die Identifizierung von Bakterien und Pilzen mittels MALDI­TOF Massenspektrometrie dar, die im Fol­genden vorgestellt werden soll.

MALDI-TOF MS: Ein massenspektrometrisches Verfahren zur Proteinanalytik

Unter Massenspektrometrie versteht man ein Analyseverfahren, das die Auftren­nung ionisierter Teilchen nach ihrem Masse/Ladungs­Verhältnis (m/z) ermög­licht. Es geht zurück auf den britischen Physik­Nobelpreisträger J. J. Thomson, der 1912 zum ersten Mal verschiedene Neon­Isotope aufgrund ihrer Masse trennen konnte, und dessen Schüler F. W. Aston 1919 das erste funktionierende Massen­spektrometer baute.

1 Dr. rer. nat. Sonja Burak, Dr. med. Andreas Gehrt Medizinische Laboratorien Düsseldorf

Abb. 1: Prinzip der MALDI-TOF Massenspektrometrie. Die Analytmoleküle (z. B. Proteine, grün) bilden zusammen mit den Matrixmolekülen (gelb) Kristalle auf dem Target. Durch Laserbeschuss werden die Proteine desorbiert und ionisiert, durch ein elektrisches Feld werden sie beschleunigt, und in der Driftstrecke im Vakuum des Flugrohres werden sie dann nach ihrer Masse und Ladung aufgetrennt. Die Flugzeiten der detektierten Ionen werden schließlich in Massenspektren umgewandelt.

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Jedes Massenspektrometer besteht aus einer Ionenquelle, die aus dem Proben­material gasförmige Ionen erzeugt, einem Massenanalysator, der die Ionen nach ih­rem Masse/Ladungs­Quotienten auf­trennt, und einem Detektor, der das Mas­senspektrum der untersuchten Probe liefert. Inzwischen sind verschiedene Ver­fahren der Massenspektrometrie entwi­ckelt worden, die sich vor allem durch die Art der Ionisierung des jeweiligen Analy­ten und durch die nachfolgende Ionen­Auftrennung unterscheiden. Eines dieser Verfahren ist die sogenannte MALDI­TOF MS. Das Kürzel steht für Matrix­Assisted Laser Desorption/Ionisation Time of Flight Mass Spectrometry, eine Technik zur massenspektrometrischen Auftren­nung von Makromolekülen, welche 1985 von F. Hillenkamp und M. Karas entwi­ckelt wurde. Das Besondere hierbei ist die schonende Ionisierung, bei der die Ana­lytmoleküle nicht zerstört werden. Da­durch ermöglicht diese Methode erstmals auch die Analyse von nicht­flüchtigen Bio­molekülen größerer Molekülmasse (über 20–30 kDa) wie Proteinen und Peptiden, sowie von komplexen Analytmischungen. Daher ist sie zu einer der wichtigsten Me­thoden in der Proteomanalytik geworden.

Die Funktionsweise eines MALDI­TOF Massenspektrometers ist schematisch in Abbildung 1 dargestellt. Geringe Mengen der zu untersuchenden Moleküle oder Mo­lekülgemische werden auf einen kleinen Probenträger (Target) aufgetragen und dort mit einem großen Überschuss der soge­nannten Matrix gemischt, die zur Ionisie­rung der Analytmoleküle erforderlich ist. Als Matrix können verschiedene nieder­molekulare, aromatische organische Säu­ren wie z. B. 2,5­Dihydroxy­Benzoesäure (DHB) oder α­Cyano­Hydroxyzimtsäure (CHCA) eingesetzt werden, die in der Lage sind, die Energie des eingesetzten Lasers zu absorbieren. Durch Trocknung des Matrix­Analyt­Gemisches entsteht eine kristalline Probe, in welcher die Makromoleküle des Analyten in die kleinen Matrixmoleküle eingebettet sind. Diese Probe wird im Hochvakuum des Massenspektrometers mit kurzen Laserpulsen beschossen. So werden sowohl Matrixmoleküle als auch Analytmoleküle aus der Kristalloberfläche herausgelöst und in die Gasphase über­führt (Desorption). Durch Kollision der neutralen Analyt­ mit den protonierten Ma­trixmolekülen kommt es zur Ladungsüber­tragung, so dass die Analytmoleküle ioni­siert werden. Man bezeichnet dies als „sanfte Ionisierung“, da die komplexen Bio­moleküle bei der Ionisierung nicht frag­

mentieren, so dass sie als intakte, meist ein­fach protonierte Ionen detektiert werden können. Hierzu werden sie oberhalb der Ionenquelle zunächst in einem starken elektromagnetischen Feld beschleunigt, wobei die schwereren Ionen aufgrund ihrer höheren Trägheit langsamer sind als die leichteren.

In der feldfreien Driftstrecke des langen Vakuum­Flugrohres können sie dann auf­grund ihrer unterschiedlichen Geschwin­digkeiten aufgetrennt werden und erreichen den Detektor nach unterschiedlichen Flug­zeiten (time­of­flight). Dort werden die auf­treffenden Ionen registriert, und durch Kali­brierung des Systems mit Ionen bekannter Masse kann das Massenspektrum der detek­tierten Probe ermittelt werden. In Abbil-dung 2 ist ein typisches Massenspektrum ei­nes Escherichia-coli­Stammes dargestellt, in dem die Masse/Ladungs­Verhältnisse (m/z) gegen die Signalintensität aufgetragen sind.

Identifizierung von Mikroorganismen: Eine neue Anwendung für die MALDI-TOF MS

In den 1990er Jahren wurde erstmals eine Messmethode für MALDI­TOF MS publi­ziert, welche die Analyse ganzer Zellen ohne vorherige Extraktionsschritte ermög­licht. Diese Methode kann zur Identifizie­rung von Mikroorganismen genutzt wer­den. Sie beruht auf der Tatsache, dass die Massenspektren ganzer Bakterienzellen bestimmte artspezifische und reproduzier­bare Peaks aufweisen. Es handelt sich um die Massensignale kleiner, konservierter Strukturproteine, die bei Mikroorganismen

relativ unabhängig vom physiologischen Status der Zelle und damit von den Kultur­bedingungen in hohen Konzentrationen vorliegen. Man findet sie im Massenbe­reich von 2.000 bis 20.000 Dalton und geht davon aus, dass es sich überwiegend um ri­bosomale und andere DNA­bindende Pro­teine handelt. Da ihre Sequenzen hoch­konserviert sind, spiegeln die messbaren Sequenz­ bzw. Massenunterschiede die phylogenetischen Unterschiede zwischen Bakterienarten und ­gattungen wider. Da­mit können sie als Biomarker zur Spezies­identifizierung genutzt werden, indem man die gemessenen Proteinspektren gegen eine Datenbank mit Referenzspektren ab­gleicht. Die Qualität dieser Referenz­Da­tenbank ist letztlich entscheidend für die Identifizierungsraten und für die Zuverläs­sigkeit eines solchen Systems.

Diese neue spektrometrische Identifi­zierungsmethode, auch ICM­MS (Intact Cell MALDI­TOF Mass Spectrometry) ge­nannt, wurde zunächst anhand einiger gramnegativer und grampositiver Bakteri­engruppen etabliert. Inzwischen sind viele Arbeiten zu diesem Thema publiziert, und es konnte für eine Vielzahl klinischer Mik­roorganismen nachgewiesen werden, dass eine Identifizierung basierend auf MALDI­TOF Massenspektren möglich ist. Bei­spiele sind Staphylokokken, Streptokok­ken, Nonfermenter, Enterobacteriaceae, aber auch mit konventionellen Methoden schwieriger zu identifizierende bakterielle Spezies wie Anaerobier, Mykobakterien, Bacillus­Sporen, Helicobacter und Campy-lobacter, Mykoplasmen, Legionellen und weitere Gattungen. Auch Hefen, Dermato­

Abb. 2: Massenspektrum eines Escherichia coli Stammes.

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phyten und Schimmelpilze können mit­tels MALDI­TOF MS identifiziert werden, was die Routinediagnostik von Pilzinfekti­onen erheblich verkürzt und erleichtert.

Das Messprinzip ist für alle Gruppen von Mikroorganismen gleich: Eine geringe Menge Zellmaterial wird von der Kultur­platte auf ein MALDI­Target übertragen, dort mit der Matrixlösung gemischt und nach dem Auskristallisieren im Massen­spektrometer analysiert. Auch Flüssig­nährmedien können abzentrifugiert und die Zellpellets aufgetragen werden. In der Regel erfolgt dies ohne eine Vorbehand­lung des Zellmaterials. Lediglich bei He­fen und Schimmelpilzen, deren Zellwand schlechter aufzuschließen ist als die bak­terielle Zellwand, kann eine vorherige Ex­traktion der Zellen in geeigneten Lösungs­mitteln oder eine Vorbehandlung mit Formiat nötig sein, um eine ausreichende Qualität der Spektren zu erzielen.

Einsatz im Routinelabor: Verbesserung von Workflow und Diagnosezeiten

Die wesentlichen Voraussetzungen für den Einsatz einer solchen Methode in der Dia­gnostik eines Routinelabors sind: Eine ein­fache Probenvorbereitung, kurze Messzei­ten bis zum Ergebnis, eine automatisierbare Abarbeitung großer Probenmengen und natürlich eine breit aufgestellte, gut ge­pflegte Referenzdatenbank zum Abgleich der gemessenen Spektren. Wichtig ist, dass die Datenbank nicht nur Spektren altbe­kannter Typstämme, sondern vor allem die Variabilität aktueller klinischer Isolate innerhalb einer Bakterienspezies abbildet. Ebenso wichtig ist ein Algorithmus, der im Zuge des Datenbankabgleiches entweder ganze Spektren oder gewichtete Peaks in­nerhalb der Spektren miteinander ver­gleicht und die Ergebnisvalidität mittels ei­nes Wahrscheinlichkeitswertes angeben kann, wie er auch bei konventionellen Identifizierungssystemen üblich ist.

Diese Anforderungen werden inzwi­schen von mehreren kommerziellen Syste­men verschiedener Firmen erfüllt. Als erste brachte die Firma AnagnosTec, ein Spin­Off­Unternehmen der TU Berlin, im Jahre 2000 ihre Auswertungssoftware und Da­tenbank SARAMISTM (Spectral Archiving and Microbial Identification System) auf den Markt. Sie wurde bisher mit den AXIMA­Massenspektrometern der Firma Shimadzu als AXIMA@SARAMISTM­Sys­tem vertrieben, zukünftig wird die Firma bioMérieux dieses System als Vitek MSTM anbieten. 2004 folgte die Firma Bruker Dal­

tonics mit dem MALDI BioTyperTM­Sys­tem, das mit verschiedenen Bruker­Mas­senspektrometern genutzt werden kann. Obwohl anfänglich durchaus mit Skepsis aufgenommen, so haben sich beide Sys­teme inzwischen im Routineeinsatz be­währt und werden in vielen Laboratorien zur Erregeridentifizierung eingesetzt.

Einer der großen Vorteile ist die ge­ringe Menge an Zellmaterial, die zur Mes­sung benötigt wird. Schon eine einzeln lie­gende, stecknadelkopfgroße Kolonie auf einem Nährboden liefert genügend Zell­material zur Analyse. Dadurch ist es mög­lich, eine Identifizierung mittels MALDI­TOF MS bereits von der Primärplatte des Kulturansatzes durchzuführen, auch wenn diese eine Mischkultur mehrerer Keime enthält. Bei schnell wachsenden Bakterien kann daher bereits weniger als 24 Stunden nach dem Probeneingang im Labor eine Identifizierung der Erreger erfolgen.

Ein weiterer Vorteil ist die Geschwindig­keit der Messung selbst. Die Analyse einer Einzelprobe dauert weniger als eine Mi­nute, abhängig davon, wie schnell die nö­tige Anzahl Mess­Spektren mit den vorge­gebenen Qualitätskriterien aufgenommen wird. Inklusive der Probenvorbereitung be­nötigt die Identifizierung eines Isolats so­mit nur wenige Minuten, was die Dia­gnosezeiten im Labor erheblich verkürzt.

Abbildung 3 zeigt den Workflow bei der Diagnostik mittels MALDI­TOF MS. Das Zellmaterial wird in der Regel mit einer ste­rilen Pipettenspitze von einer Kolonie auf der Agarplatte entnommen und ohne wei­tere Vorbehandlung auf einen Spot auf dem Probenträger aufgebracht. Auch Extrakte

von Pilzen oder schwer aufschließbaren Bakterienzellen können innerhalb weniger Minuten vorbereitet und auf das Target pi­pettiert werden. Auf dem Target werden die Zellen mit einer kleinen Menge (0,5–1 µl) der Matrixlösung gemischt, wodurch sie abgetötet und aufgebrochen werden, so dass die Kokristallisation von Matrix und Zellproteinen erfolgen kann. Diese Proben­vorbereitung kann an der Laborbank erfol­gen und ist damit bereits abgeschlossen. Das Target wird in die Vakuum kammer des Massenspektro meters eingeschleust und dort gemessen, wobei ein Referenzstamm mit bekanntem Massenspektrum zur Kali­brierung des Systems und zur Qualitäts­kontrolle dient. Die erhaltenen Massen­spektren der untersuchten Proben werden von der Analyse software mit der Referenz­datenbank abgeglichen und die Iden tifi­zierungs ergebnisse ausgegeben.

Die beiden oben beschriebenen Soft­ware­Systeme SARAMIS bzw. MALDI­BioTyper erlauben die gleichzeitige Vor­bereitung und automatische Messung größerer Probenmengen. Über entspre­chende Client­Server­Lösungen können die Proben in großen Laboratorien an mehreren Arbeitsplätzen dezentral prä­pariert und die entsprechenden Proben­listen zur Abarbeitung in das Massen­spektrometer geladen werden. So ist gewährleistet, dass die Probendaten zu jedem Messpunkt korrekt zugeordnet werden. Bei den AXIMA­Massenspektro­metern der Firma Shimadzu wird der Workflow im Labor zudem dadurch be­günstigt, dass bis zu vier Targets mit je­weils 48 Probenspots gleichzeitig präpa­

Abb. 3: Workflow der Routinediagnostik mittels MALDI-TOF Massenspektrometrie.

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riert und gemeinsam in das Gerät geladen werden können, wo sie nacheinander ge­messen werden.

Die Analysesoftware der MALDI­TOF MS Systeme gibt die Identifizierungs­ergebnisse wie bei den konventionellen biochemischen Systemen mit einem Kon­fidenzwert aus, der die Qualität der Identi­fizierung bewertet. Gemäß vom Anwen­der festgelegter Kriterien wird entschieden, welche Ergebnisse direkt an das Laborin­formationssystem (LIS) übermittelt wer­den können und welche zunächst validiert werden müssen. Über das LIS können die MALDI­TOF­Ergebnisse auch an automa­tisierte Systeme zur Resistenztestung wei­tergegeben werden. Dort wird die Spezies­ID benötigt, um über das jeweilige Expertensystem eine Interpretation der Resistenzbestimmung vornehmen zu kön­nen. Um diese Anbindung zu erleichtern, entwickeln verschiedene Hersteller integ­rative Plattformen, bei denen die Ergeb­nisse von MALDI­TOF MS und Resistenz­bestimmung direkt in einer Software­Plattform zusammengeführt werden, dort validiert werden können und schließlich an das LIS übergeben werden.

Validierung und Akkreditierung: Implementierung eines MALDI-TOF MS Systems im Routinelabor

Neben Schnelligkeit und einfachem Hand­ling sind Verlässlichkeit, Robustheit und Reproduzierbarkeit einer Identifizierungs­methode entscheidende Voraussetzungen für ihren Einsatz im Routinelabor. Viele Studien bescheinigen den MALDI­TOF MS Systemen inzwischen im Vergleich mit konventionellen biochemischen Syste­men eine größere Genauigkeit bei ähnlich hohen Identifizierungsraten.

In unserem medizinisch­mikrobiologi­schen Routinelabor haben wir uns relativ früh entschlossen, ein MALDI­TOF MS ba­siertes Identifizierungssystem im Hinblick auf Praxistauglichkeit, Robustheit und Leistungsfähigkeit zu testen. Wichtig war uns dabei nicht nur eine sinnvolle Integra­

tion in den Workflow unseres Labors, um eine zeit­ und kostensparende Diagnostik anbieten zu können, sondern auch die Ak­kreditierbarkeit des Systems durch die DACH (Deutsche Akkreditierungsstelle Chemie GmbH). Unsere Wahl fiel auf das AXIMA@SARAMIS System der Anbieter Shimadzu und AnagnosTec, so dass im Herbst 2007 das erste Massenspektrometer in unserem Labor aufgestellt werden konnte. In einer anfänglichen Familiarisie­rungsphase wurden Probenvorbereitung und Umgang mit Gerät und Software er­lernt. Die Einarbeitungszeit neuer Mitar­beiter in die Routinehandhabung ist relativ kurz: Innerhalb von einer bis zwei Wochen kann die Erstellung reproduzierbarer guter

Probenspots sowie die Bedienung von Ge­rät und Software erlernt werden.

In einer längeren Validierungsphase wurde das System dann in unserem Labor evaluiert und auf die geplante Akkreditie­rung vorbereitet. In Zusammenarbeit mit der Firma AnagnosTec wurden zunächst die Leistungsparameter festgelegt und die Robustheit des Systems ermittelt. Dabei konnte gezeigt werden, dass eine verlässli­che Identifizierung verschiedener Refe­renz­ und Ringversuchsstämme nahezu unabhängig von den eingesetzten Nährme­dien und Wachstumsbedingungen erfolgt. Somit ist es möglich, die zu identifizieren­den Mikroorganismen jeweils unter den für sie idealen Wachstumsbedingungen anzu­züchten. Auch die technischen Parameter wie beispielsweise die aufgetragene Zell­zahl, die Lagerungsdauer der fertig präpa­rierten Proben und die Zahl der Laserpulse pro Probe können innerhalb einer relativ großen Spannbreite variiert werden. Positiv fiel auf, dass außerhalb der idealen Messpa­rameter nahezu keine Fehlidentifizierun­gen, sondern lediglich Identifizierungen

mit niedrigeren Wahrscheinlichkeitswer­ten oder ohne Ergebnis auftraten.

Nach Festlegung der Messparameter wurden Vergleichsstudien mit unseren eta­blierten biochemischen Identifizierungssys­temen durchgeführt, um die diagnostische Leistung des MALDI­TOF­Systems beurtei­len zu können. Hierzu nutzten wir klinische Stämme, die in unserer Laborroutine aus Patientenmaterial isoliert wurden. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Resultate.

In einer ersten Studie testeten wir 816 Isolate aus der Familie der Enterobacteria-ceae, die zunächst mittels konventioneller biochemischer Methoden (PhoenixTM der Firma Becton Dickinson bzw. MicronautTM der Firma Merlin Dia gnostika) identifiziert

worden waren. Um ein möglichst breites Spektrum auch selten auftretender Spezies erfassen zu können und eine zu große Red­undanz häufig auftretender Arten zu ver­meiden, wurde ein Schema zur Auswahl der Stämme erarbeitet. Übereinstimmende Er­gebnisse beider Identifizierungssysteme wurden bei 686 Stämmen (84,1 %) erzielt, während die Ergebnisse bei 46 Stämmen (5,6 %) differierten. Wiederholungsmessun­gen und Sequenzierungen zeigten, dass die biochemischen Methoden in 45 Fällen (5,5 %) falsche Identifizierungen geliefert hatten, während das MALDI­TOF­System nur in einem einzigen Fall (0,12 %) ein fal­sches Ergebnis brachte. Die Fehlerrate die­ses neuen Systems liegt also deutlich niedri­ger als die der konventionellen Systeme. Demgegenüber steht, dass wir mit dem MALDI­TOF­System nur bei 732 Stämmen ein Identifi zierungsergebnis erhielten, was einer Identifizierungsrate von 89,7 % ent­spricht. Hier zeigt sich ein genereller Unter­schied des MALDI­TOF­Systems im Ver­gleich zu biochemischen Methoden. Während letztere im Falle gemischter Kultu­

Tabelle 1

Vergleichsstudien unseres MALDI-TOF MS Systems mit konventionellen biochemischen Identifizierungssystemen

Übereinstim-mende ID bei-der Systeme

Inkorrekte ID der biochem. Systeme

Inkorrekte ID des MALDI-Systems

Keine ID der biochem. Systeme

Keine ID des MALDI-Systems

ID nicht eindeutig klärbar

Studie 1: Enterobacteriaceae (816 Stämme aus 41 Spezies) 84,1 % 5,5 % 0,1 % Entfällt

bei Studie 1 10,3 % –

Studie 2: Weitere Bakteriengruppen (240 Stämme aus 31 Spezies) 89,2 % 9,6 % 0,0 % 0,0 % Entfällt

bei Studie 2 1,2 %

Es konnte gezeigt werden, dass eine verlässliche Identifizie­rung verschiedener Referenz­ und Ringversuchsstämme nahezu unabhängig von den eingesetzten Nährmedien und Wachstumsbedingungen erfolgt.

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ren oder schlechter Probenvorbereitung oft ein falsches biochemisches Muster und da­mit ein falsches Ergebnis liefern, erhält man für solche Fälle im MALDI­TOF­System in der Regel keine Identifizierung, wodurch die Fehlerrate entsprechend niedriger liegt.

In einer zweiten Studie führten wir Ver­gleichsmessungen mit einem breiteren Keimspektrum durch, das u. a. Staphylo­kokken, Enterokokken, Nonfermenter, Haemophili und Neisserien beinhaltete. Anhand von 240 Stämmen aus 31 ver­schiedenen Non­Enterobacteriaceae­Spe­zies wurden die Ergebnisse unseres MALDI­TOF­Systems durch Re­Identifi­zierung mittels unserer etablierten bio­chemischen Methoden überprüft. 89,2 Prozent der Ergebnisse stimmten überein. Die Diskrepanzen waren in die­ser Studie auf 9,6 Prozent Falschidentifi­zierungen der konventionellen Systeme zurückzuführen, während das MALDI­TOF­System keine falschen Ergebnisse ausgab (1,2 % der Fälle waren auch nach Sequenzierung nicht eindeutig klärbar).

Da unsere Studien dem MALDI­TOF MS System eine sehr hohe Genauig­keit und Reproduzierbarkeit der Identifi­zierungsergebnisse bescheinigten, entschieden wir nach der Validierungs­phase, dieses System als Haupt­Identifi­zierungssystem in unsere Laborroutine zu integrieren. Dort ersetzt es inzwischen die meisten der konventionellen Identifizie­rungssysteme für Bakterien und Pilze. Im März 2009 erhielt unser AXIMA@SARA­MIS­System als erstes MALDI­TOFSystem die Akkreditierung nach DIN EN ISO 15189 durch die DACH GmbH, die uns damit die hohe Kompetenz und Qualität dieser Ana­lysetechnik bescheinigte. Inzwischen ist diese Akkreditierung in vielen weiteren Laboratorien erfolgt.

In unserem Labor hat die Implemen­tierung des neuen Systems zu einer deut­lichen Vereinfachung und Straffung der Arbeitsabläufe geführt, da die Vorbehand­lung und Präparation der Proben sehr schnell durchführbar und zudem für alle Keimgruppen gleich ist. Gleichzeitig konn­ten wir die Analysezeiten bei der Keimi­dentifizierung von 24 Stunden auf wenige Stunden verkürzen, so dass eine Weiter­gabe der Ergebnisse an die Einsender noch am gleichen Tag erfolgen kann. Mit

der ständigen Erweiterung der Datenbank sind unsere Identifizierungsraten inzwi­schen deutlich über 90 Prozent gestiegen.

Ausblick: Weitere diagnostische Anwendungen der Identifizierung mittels MALDI-TOF MS

Neben der Analyse mikrobieller Kulturen von festen Nährböden ist die direkte Iden­tifizierung von Keimen aus bewachsenen Blutkulturen ein weiteres, zunehmend wichtiges Einsatzgebiet der MALDI­TOF­Technologie. Hierbei wird Zellmaterial aus bewachsenen Blutkulturflaschen ab­zentrifugiert, gereinigt und zur Analyse auf das MALDI­Target aufgetragen. Auch wenn die Identifizierungsraten naturge­mäß niedriger liegen als bei Proben von Kulturplatten und zudem durch geringe Zelldichten oder Mischkulturen limitiert werden, so ist es doch in ca. 80 Prozent der Fälle möglich, bereits wenige Stunden nach der Positivmeldung einer Blutkultur­flasche ein Resultat zu erhalten. Somit kann das Identifizierungsergebnis bei Sepsis­Patienten einen Tag früher als bei konventioneller Anzucht der Bakterien vorliegen, was eine schnellere und damit möglicherweise entscheidende Anpas­sung der antibiotischen Therapie ermög­licht. Ähnliche Methoden werden zurzeit für eine Bakterienidentifizierung direkt aus Urinproben entwickelt.

In jedem Fall ist allerdings eine grundsätz­liche Limitierung der Methode zu bedenken: Sie beschränkt sich auf die Speziesbestim­mung. Die Antibiotika­Resistenzbestim­mung, ein unverzichtbarer Bestandteil der medizinisch­mikrobiologischen Diagnostik, muss nach wie vor mit konventionellen Ver­fahren durchgeführt werden. Hierbei können Routinelabors jedoch von der oben beschrie­benen Anbindung des MALDI­TOF­Systems an etablierte automatisierte Systeme zur Re­sistenztestung profitieren. Interessant für La­boratorien mit hohem Probendurchsatz ist zudem die automatisierte MALDI­Proben­vorbereitung, die im Zuge des Trends zur mi­krobiologischen Laborautomatisierung reali­siert wurde.

Betrachtet man die rasante Entwick­lung, die von Manchen auch als „Revolu­tion der Keimidentifizierung“ bezeichnet wird, so ist zu erwarten, dass sich das Ein­

satzspektrum für die MALDI­TOF Massen­spektrometrie in der mikrobiologischen Diagnostik noch deutlich erweitern wird. Zukünftige Applikationen, die zurzeit be­reits etabliert werden, sind beispielsweise die Analyse von Mischkulturen, die Identi­fizierung von Subspezies, sowie die Typi­sierung verschiedener MRSA­Stämme und anderer Nosokomialkeime zur schnelle­ren Analyse von Ausbruchssituationen. Daneben gibt es zahlreiche weitere, teil­weise noch etwas exotisch anmutende An­wendungsmöglichkeiten: In mehreren Studien konnte die Identifizierung euka­ryotischer Einzeller wie Plasmodien, Cryp­tosporidien und Giardien mittels MALDI­TOF MS durchgeführt werden. Auch Cyanobakterien und einige Algen können identifiziert werden, ebenso Vielzeller wie pflanzenschädigende Nematoden, be­stimmte Blattläuse und Bartmücken (Gnit­zen). Schließlich kann die Technik zur Un­tersuchung bakterieller Biofilme oder zur Identifizierung von Zelllinien im Zellkul­turlabor eingesetzt werden.

Fazit

Die Identifizierung von Mikroorganismen mittels MALDI­TOF Massenspektrometrie bietet dem medizinisch­mikrobiologischen Labor eine Methode mit deutlich verkürz­ter Analysezeit bei gleichzeitig höherer Ge­nauigkeit gegenüber den konventionellen Systemen. Diese Technik hat daher das Po­tential, die klassischen biochemischen Identifizierungsverfahren in weiten Berei­chen abzulösen, wie das in einigen großen Laboratorien bereits erfolgt ist. n

Literatur bei der Autorin

Korrespondenz: Dr. Sonja Burak Medizinische Laboratorien Düsseldorf/ Abteilung Bakteriologie und Hygiene Nordstr. 44 D-40477 Düsseldorf/Deutschland E-Mail: [email protected] Internet: www.labor-duesseldorf.de

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