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Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung

Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung · 2011. 11. 17. · BMF 10. November 2011 Vorbemerkung . Ziel unserer Steuerpolitik ist es, den Wirtschaftsstandort Deutschland weiter zu

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  • Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung

  • BMF 10. November 2011

    Vorbemerkung

    Ziel unserer Steuerpolitik ist es, den Wirtschaftsstandort Deutschland weiter zu stärken und

    damit Wachstum und Beschäftigung zu sichern.

    Dabei ist uns - neben der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung - die Berücksichtigung

    des europäischen Gesamtkontexts ein wichtiges Hauptanliegen. Eine zukünftig noch stärkere

    europäische Zusammenarbeit ist essentiell für den Erhalt des Wohlstandes Deutschlands und

    eine Stabilität Europas.

    Als ein wichtiger Baustein im Rahmen dieses Gesamtvorhabens wird der nachfolgende

    Bericht der Facharbeitsgruppe „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ vorgestellt.

    Die Facharbeitsgruppe wurde entsprechend der Vereinbarung im Koalitionsvertrag zwischen

    CDU, CSU und FDP zur Prüfung der Möglichkeit einer Neustrukturierung der Regelungen

    zur Verlustverrechnung sowie der Einführung eines modernen Gruppenbesteuerungssystems

    gegründet. Im Rahmen des Berichtes werden verschiedene Modelle einer möglichen

    Abschaffung oder Neukonzeption der Mindestgewinnbesteuerung und eines Ersatzes der

    Organschaft durch ein Gruppenbesteuerungsmodell untersucht und ihre jeweiligen

    Auswirkungen dargestellt.

    Ein weiterer Baustein wird der gemeinsame Bericht von Frankreich und Deutschland sein, der

    die Ergebnisse der im Herbst 2010 gegründeten Projektgruppe beider Länder darstellt. In

    diesem werden die Unterschiede zwischen den Steuersystemen für Unternehmen und

    Bereiche, in denen die beiden Systeme potenziell in Einklang gebracht werden können,

    betrachtet.

    Auf der Grundlage der Ergebnisse wird eine Projektgruppe Gesetzesänderungen vorschlagen,

    die eine Annäherung der deutschen und französischen Bemessungsgrundlagen zum Ziel

    haben. Die Angleichung des deutschen Systems wird sich mit Rücksicht auf eine in

    Frankreich bereits erfolgte Anpassung der Mindestgewinnbesteuerung auf deutsche

    Gegebenheiten, vor allem auf den Bereich der Gruppenbesteuerung richten.

    Wir sind zuversichtlich, dass die Angleichung des deutsch-französischen Steuersystems auch

    die Arbeiten der EU-Kommission zur Schaffung einer einheitlichen europäischen

    körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage (GKB) fördern und die Chancen eines

    raschen Abschlusses dieses für uns wichtigen Projektes erhöhen werden.

  • Bericht

    der Facharbeitsgruppe „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“

    15. September 2011

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    Neustrukturierung der steuerlichen Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung

    Inhalt A. Auftrag und Struktur der Arbeitsgruppe ............................................................................... 7 B. Verlustverrechnung ............................................................................................................... 9

    I. Ausgangslage ...................................................................................................................... 9 II. Überblick über die geltenden Regelungen....................................................................... 10

    1. Verlustausgleich ........................................................................................................... 10 2. Verlustabzug................................................................................................................. 11 3. Beschränkung des Verlustabzugs bei Körperschaften nach § 8c KStG....................... 12 4. Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes ............................................................. 13

    a) Auswirkungen bei dem übernehmenden Rechtsträger............................................. 13 b) Auswirkungen bei dem übertragenden Rechtsträger ............................................... 13

    5. Sonstige Regelungen .................................................................................................... 14 a) Wegfall von Verlusten bei Tod des Rechtsträgers ................................................... 14 b) Sanierungserlass....................................................................................................... 14 c) Abzugsbeschränkungen für bestimmte Aufwendungen........................................... 14

    III. Verlustabzug (Verlustvortrag und Verlustrücktrag) ...................................................... 15 1. Rechtsentwicklung ....................................................................................................... 15 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben.................................................................................. 16

    a) Prinzip der Abschnittsbesteuerung........................................................................... 16 b) Prinzip der Leistungsfähigkeit / Nettoprinzip.......................................................... 16 c) Bundesfinanzhof: Keine Vererblichkeit des Verlustabzugs .................................... 17

    3. Verlustvortrag einschließlich Mindestgewinnbesteuerung .......................................... 17 a) Allgemeines.............................................................................................................. 17 b) Aktuelle Rechtsprechung ......................................................................................... 18 c) Internationaler Vergleich ......................................................................................... 19

    aa) Zeitliche Begrenzung des Verlustvortrags ......................................................... 19 bb) Zeitliche Streckung des Verlustvortrags ............................................................ 20 cc) Mindestbesteuerung im Sinne des § 2 Absatz 3 EStG a. F. ............................... 21 dd) GKKB-Richtlinienvorschlag.............................................................................. 21

    d) Evaluierung .............................................................................................................. 21 aa) Evaluierung der Verlustvorträge ........................................................................ 21

    (1) Bundesweite Daten ......................................................................................... 21 (a) Körperschaftsteuer ...................................................................................... 23

    (aa) Entwicklung der Verlustvorträge .......................................................... 23 (bb) Negative und positive Einkünfte im Vergleich .................................... 25 (cc) Entwicklung des Zuwachses der Verlustvorträge ................................. 26 (dd) Verlustvorträge nach Branchen ............................................................ 29

    (b) Gewerbesteuer ............................................................................................ 32 (c) Einkommensteuer ....................................................................................... 33

    (2) Länder-Daten .................................................................................................. 33 (a) Verlustvorträge ........................................................................................... 34 (b) Verlustursachen .......................................................................................... 37

    (aa) Originäre Geschäftstätigkeit ................................................................. 37 (bb) Steuerliche Gründe ............................................................................... 38

    (3) Entwicklung der Verlustvorträge im Vergleich zu Größen nach den VGR ... 38 (a) Vergleich der Entwicklung der steuerlichen Gewinne mit VGR-Gewinnen 40 (b) Fazit zum Niveauvergleich ......................................................................... 41

    bb) Evaluierung der Mindestgewinnbesteuerung..................................................... 42 (1) Bundesweite Daten ......................................................................................... 42 (2) Länder-Daten .................................................................................................. 43

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  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    e) Analyse..................................................................................................................... 45 f) Berechnung der finanziellen Auswirkungen der untersuchten Handlungsmodelle.. 46 g) Mögliche Handlungsmodelle ................................................................................... 48

    aa) Abschaffung der Mindestgewinnbesteuerung .................................................... 49 bb) Abschaffung der Mindestgewinnbesteuerung und zeitliche Beschränkung des Verlustvortrags ......................................................................................................... 51 cc) Beibehaltung der Mindestgewinnbesteuerung und Modifizierung .................... 58

    h) Gesamtbewertung der Untersuchung der Handlungsmodelle.................................. 61 i) Handlungsvorschlag.................................................................................................. 61

    4. Verlustrücktrag............................................................................................................. 62 a) Allgemeines.............................................................................................................. 62 b) Internationaler Vergleich ......................................................................................... 62 c) Evaluierung .............................................................................................................. 63

    aa) Bundesweite Daten............................................................................................. 63 (1) Einkommensteuer ........................................................................................... 63 (2) Körperschaftsteuer.......................................................................................... 63

    bb) Länder-Daten ..................................................................................................... 64 d) Handlungsmöglichkeiten ......................................................................................... 64 e) Handlungsvorschlag................................................................................................. 66

    IV. Ausländische Betriebsstättenverluste............................................................................. 67 1. Ausgangslage ............................................................................................................... 67

    aa) Berücksichtigung von Verlusten ausländischer Betriebsstätten bei Anwendung

    bb) Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste bei Anwendung der

    a) Aktuelle Rechtsprechung ......................................................................................... 67 b) Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben ......................................................................... 68 c) Internationaler Vergleich ......................................................................................... 69

    der Anrechnungsmethode......................................................................................... 69

    Freistellungsmethode ............................................................................................... 69 d) Evaluierung .............................................................................................................. 70 e) Analyse..................................................................................................................... 71 f) Handlungsmöglichkeiten .......................................................................................... 72 g) Handlungsvorschlag................................................................................................. 75

    V. Verlustabzugsbeschränkung bei Körperschaften nach § 8c KStG.................................. 76 1. Rechtsentwicklung ....................................................................................................... 76 2. Internationaler Vergleich.............................................................................................. 78

    a) Keine spezialgesetzlich geregelte Beschränkung des Verlustabzugs bei Wechsel des

    b) Beschränkung des Verlustabzugs bei Wechsel des Anteilseigners und Änderung des Anteilseigners oder Änderung des Geschäftsbetriebs .................................................. 78

    Geschäftsbetriebs ......................................................................................................... 78 c) Beschränkung des Verlustabzugs bei Wechsel des Anteilseigners.......................... 79 d) Beschränkung des Verlustabzugs bei Änderung des Geschäftsbetriebs.................. 79

    3. Evaluierung .................................................................................................................. 80 4. Handlungsmöglichkeiten.............................................................................................. 81

    a) Änderung des Regelungskonzepts ........................................................................... 82 b) Beibehaltung des derzeitigen Systems des § 8c KStG............................................. 88

    5. Handlungsvorschlag ..................................................................................................... 91 VI. Steuerliche Behandlung von Verlusten in Umwandlungs- und Einbringungsfällen ..... 92

    1. Rechtsentwicklung ....................................................................................................... 92 2. Wirkung der Mindestgewinnbesteuerung in Umwandlungsfällen............................... 93 3. Internationaler Vergleich.............................................................................................. 93 4. Evaluierung .................................................................................................................. 93

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  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    5. Handlungsmöglichkeiten.............................................................................................. 94 6. Handlungsvorschlag ................................................................................................... 101

    C. Gruppenbesteuerung.......................................................................................................... 102 I. Ausgangslage .................................................................................................................. 102 II. Überblick über die Rechtsentwicklung und die Rechtslage .......................................... 103

    1. Rechtsentwicklung ..................................................................................................... 103 2. Geltendes Recht.......................................................................................................... 105

    a) Persönliche Voraussetzungen................................................................................. 105 aa) Organgesellschaft ............................................................................................. 105 bb) Organträger ...................................................................................................... 105

    b) Sachliche Voraussetzungen ................................................................................... 105 aa) Finanzielle Eingliederung................................................................................. 105 bb) Gewinnabführungsvertrag................................................................................ 106

    c) Rechtsfolgen........................................................................................................... 106 d) Gewerbesteuer........................................................................................................ 106 e) Vorteile und Kritikpunkte der geltenden Organschaftsregelungen........................ 107

    III. Aktuelle Rechtsprechung ............................................................................................. 108 1. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ....................................................... 108 2. Rechtsprechung des EuGH......................................................................................... 108 3. Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ...................................................................... 110

    a) Zu den formalen Anforderungen an den Gewinnabführungsvertrag ..................... 110 b) Zur Bedeutung und Funktion des Gewinnabführungsvertrags bei grenzüberschreitender Verlustberücksichtigung ........................................................ 111

    IV. Internationaler Vergleich ............................................................................................. 112 1. Gruppenbesteuerungssysteme .................................................................................... 112

    a) Steuerliche Vollkonsolidierung.............................................................................. 112 b) Zusammenrechnung der Einzelergebnisse............................................................. 113 c) Konzerninterner Verlustübertrag ........................................................................... 113

    2. Grenzüberschreitende Gruppenbesteuerung .............................................................. 113 3. Mindestbeteiligungsquote .......................................................................................... 114 4. Sonstiges..................................................................................................................... 114

    V. Evaluierung ................................................................................................................... 114 1. Wirkungen der geltenden steuerlichen Organschaft .................................................. 114

    a) Anzahl der Organschaften und Organträger nach der Rechtsform (2004) ............ 115 b) Zuzurechnende Einkommen und Gewerbeerträge (2004) ..................................... 116 c) Vororganschaftliche Verluste (2004 und 2006) ..................................................... 117

    2. Verluste ausländischer Tochtergesellschaften ........................................................... 118 VI. Handlungsmöglichkeiten ............................................................................................. 119

    1. Ersatz der Organschaft ............................................................................................... 119 a) IFSt-Modell ............................................................................................................ 119 b) Einkommenszurechnungs-Modell ......................................................................... 120 c) Gruppenbeitrags-Modell ........................................................................................ 120

    2. Fortentwicklung der Organschaft............................................................................... 121 a) Rückführung der Formalien beim Gewinnabführungsvertrag ............................... 122 b) Ersatz der Ausgleichsposten durch Einlagelösung ................................................ 122 c) Zweijährige Rückwirkung...................................................................................... 122 d) Bruttomethode........................................................................................................ 122 e) Gesonderte Feststellung ......................................................................................... 122

    3. Reaktion auf das BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 I R 54, 55/10 ............................. 123 VII. Bewertung................................................................................................................... 123

    1. Modelle zum Ersatz der bestehenden Organschaft .................................................... 123

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  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    a) Vergleichende Betrachtung.................................................................................... 123 b) Verzicht auf das Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrags ............................ 123

    aa) Allgemeines...................................................................................................... 123 bb) Europarechtlicher Kontext ............................................................................... 124 cc) DBA-rechtlicher Kontext ................................................................................. 125 dd) Zwischenergebnis ............................................................................................ 126 ee) Gruppenantrag .................................................................................................. 127

    (1) Gesellschaftsrechtliche Fragestellungen....................................................... 127 (2) Steuerrechtliche Fragestellungen.................................................................. 128

    c) Verlusttragung........................................................................................................ 128 aa) Allgemeines...................................................................................................... 128 bb) IFSt-Modell...................................................................................................... 129 cc) Einkommenszurechnungs-Modell.................................................................... 129 dd) Gruppenbeitrags-Modell .................................................................................. 130 ee) Zwischenergebnis ............................................................................................. 130

    d) Verluste im Zusammenhang mit ausländischen Tochtergesellschaften ................ 130 aa) Allgemeines...................................................................................................... 130 bb) Europarechtlicher Kontext ............................................................................... 131 cc) Partielle Aufhebung des § 8b Absatz 3 Satz 3 KStG ....................................... 131 dd) Zwischenergebnis ............................................................................................ 131

    e) Berücksichtigung vororganschaftlicher Verluste ................................................... 132 f) Abschaffung der Ausgleichsposten ........................................................................ 132

    aa) Technik des Kontensystems ............................................................................. 132 bb) Bewertung des Kontensystems ........................................................................ 133

    (1) „Überausschüttungen“ .................................................................................. 133 (2) Gruppenketten bzw. mittelbare Gruppen...................................................... 133 (3) Beendigung der Gruppe................................................................................ 134 (4) Außenstehende Gesellschafter...................................................................... 134

    cc) Zwischenergebnis ............................................................................................. 135 g) Inlandsbezug .......................................................................................................... 135 h) Gewerbesteuer........................................................................................................ 135 i) Abschaffung des § 16 KStG ................................................................................... 136 j) Mehrmütterorganschaft........................................................................................... 136

    2. Modifikation der Organschaft .................................................................................... 136 a) Rückführung der Formalien beim Gewinnabführungsvertrag ............................... 136

    aa) Formulierungsvorschlag in der Prüfbitte des Bundesrates zum JStG 2010 ..... 136 bb) Vertrauensschutz/Verbindliche Auskunft ........................................................ 137

    b) Ersatz der Ausgleichsposten durch Einlagelösung ................................................ 137 aa) Technik der Einlagelösung............................................................................... 137 bb) Bewertung der Einlagelösung .......................................................................... 138

    c) Vorschläge des BDI ............................................................................................... 138 aa) Zweijährige Rückwirkung................................................................................ 138 bb) Bruttomethode.................................................................................................. 139 cc) Gesonderte Feststellung ................................................................................... 139

    3. Reaktion auf das BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 I R 54, 55/10 ............................. 139 4. Übergangsregelungen................................................................................................. 140 5. Auswirkungen auf das Steueraufkommen.................................................................. 140

    VIII. Handlungsvorschlag .................................................................................................. 142

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  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    Neustrukturierung der steuerlichen Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung

    A. Auftrag und Struktur der Arbeitsgruppe

    Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP sieht als mittelfristiges Ziel für die

    Unternehmensbesteuerung die Prüfung einer Neustrukturierung der Regelungen zur

    Verlustverrechnung sowie der Einführung eines modernen Gruppenbesteuerungssystems

    anstelle der bisherigen Organschaft vor.

    Bereits im Rahmen der parlamentarischen Beratung zur Unternehmenssteuerreform 2008 im

    Jahr 2007 hatten die damaligen Koalitionsfraktionen im Bericht des Finanzausschusses die

    Bitte zum Ausdruck gebracht, alle Verlustverrechnungsbeschränkungen zu prüfen und

    alternative Vorschläge für eine Neuordnung unter Berücksichtigung der europäischen

    Entwicklungen vorzulegen.

    Der Prüfauftrag einer Neustrukturierung der Regelungen zur Verlustverrechnung aus dem

    Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP zielt darauf ab, Lösungen zu erarbeiten, wie

    Beschränkungen im Bereich der ertragsteuerlichen Verlustverrechnung (insbesondere

    Mindestgewinnbesteuerung, Mantelkauf, Umwandlungsfälle) im Einklang mit dem

    vordringlichen Ziel der Haushaltskonsolidierung zurückgeführt werden können. Dabei sind

    auch die in den Statistiken ausgewiesenen Volumina der Verlustvorträge in Höhe von über

    500 Mrd. Euro1 zu berücksichtigen.

    Das gegenwärtig in Deutschland bestehende Konzernbesteuerungssystem der

    ertragsteuerlichen Organschaft wird von weiten Teilen der Wirtschaft, Beraterschaft und der

    Literatur als nicht mehr zeitgemäß kritisiert. Die Kritik konzentriert sich dabei vor allem auf

    den Gewinnabführungsvertrag und die Nichteinbeziehung ausländischer Gesellschaften.

    Zur Erarbeitung von Lösungsalternativen wurde am 14. Januar 2011 eine Facharbeitsgruppe

    mit dem Auftrag eingesetzt, bis September 2011 zu den beiden Prüfaufträgen aus dem

    Koalitionsvertrag Vorschläge vorzulegen. Dabei sind auch die allgemeinen Ziele

    • der Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland, • der Steuervereinfachung und • der Haushaltskonsolidierung

    in die Prüfung einzubeziehen.

    Die aktuellsten Steuerstatistiken des Statistischen Bundesamtes (DESTATIS) betreffen bei der Gewerbesteuer den Veranlagungszeitraum 2004 und bei der Körperschaftsteuer sowie der Einkommensteuer den Veranlagungszeitraum 2006. Die zum 31.12.2004 festgestellten gewerbesteuerlichen Verlustvorträge betrugen 569,0 Mrd. Euro, die zum 31.12.2006 festgestellten Verlustvorträge bei der Einkommensteuer betrugen 62,2 Mrd. Euro und bei der Körperschaftsteuer 603,6 Mrd. Euro (ohne Organgesellschaften und ohne Steuerbefreite).

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  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    Eine umfassende Prüfung des gesamten Regelungsgeflechts der Verlustverrechnung war in

    der bis September 2011 zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten. Die Arbeitsgruppe

    beschränkte sich daher vorrangig auf die Regelungen zum zeitraumübergreifenden

    Verlustabzug (Verlustrücktrag nach § 10d Absatz 1 EStG bzw. Verlustvortrag nach § 10d

    Absatz 2 bzw. § 10a GewStG), die besonderen Verlustverrechnungsbeschränkungen nach

    § 8c KStG und dem Umwandlungssteuergesetz sowie die Behandlung ausländischer

    Betriebsstättenverluste im Rahmen des Verlustausgleichs.

    Mitglieder der Arbeitsgruppe waren Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen, des

    Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, des Bayerischen

    Staatsministeriums der Finanzen, des Hessischen Ministeriums der Finanzen, des

    Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen und des Ministeriums der Finanzen

    Rheinland-Pfalz sowie ein Vertreter der Bundesvereinigung der kommunalen

    Spitzenverbände.

    Die Arbeitsgruppe hat auf der Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes und anderer

    allgemein zugänglicher Quellen (im Folgenden: „Bundesweite Daten“) sowie von

    Unternehmen mit hohen steuerlichen Verlustvorträgen (im Folgenden: „Länder-Daten“) die

    Ursachen für die Verlustvorträge evaluiert, Regelungen zur Verlustverrechnung sowie zur

    Gruppenbesteuerung in anderen Staaten verglichen und anhand der Ergebnisse

    Handlungsvorschläge entwickelt.

    Der folgende Bericht ist das Ergebnis der Arbeitsgruppe. Er gliedert sich in die Bereiche

    „Verlustverrechnung“ (B.) und „Gruppenbesteuerung“ (C.).

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  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    B. Verlustverrechnung

    I. Ausgangslage

    In dem durch statistische Daten belegten Zeitraum (1992 bis 2006) ist der Bestand an

    Verlustvorträgen vor allem bei der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer erheblich

    angestiegen und hat bereits im Jahr 2004 mit unverändert steigender Tendenz die Schwelle

    von jeweils 500 Mrd. Euro überschritten.2 Bei der Einkommensteuer betrugen die

    Verlustvorträge zum 31.12.2006 62,2 Mrd. Euro. Das rechnerische Steuerausfallpotential

    dieser steuerlichen Verlustvorträge beträgt bei unterstellter voller Verrechenbarkeit mit

    positiven Einkünften insgesamt mehr als 150 Mrd. Euro. Tatsächlich wurden im Jahr 2004

    von unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen (ohne Steuerbefreite und

    Organgesellschaften) körperschaftsteuerliche Verlustvorträge in Höhe von 16,9 Mrd. Euro

    (2006: 24,5 Mrd. Euro) und gewerbesteuerliche Verlustvorträge in Höhe von 26,7 Mrd. Euro

    verrechnet. Bei der Einkommensteuer liegen nur kumulierte Zahlen zur Verrechnung von

    Verlustvor- und Verlustrückträgen unbeschränkt Einkommensteuerpflichtiger vor (2004: 6,8

    Mrd. Euro, 2006: 6,9 Mrd. Euro).

    Die Regelungen zur sog. Mindestgewinnbesteuerung (§ 10d Abs. 2 EStG bzw. § 10a Satz 2

    GewStG3) mildern die Auswirkungen der Verluste auf das Steueraufkommen zu einem

    gewissen Teil ab. Nicht ausgeglichene negative Einkünfte können in den folgenden

    Veranlagungszeiträumen jährlich in Höhe von 1 Mio. Euro4 unbeschränkt abgezogen werden,

    darüber hinaus nur bis zu 60 % des 1 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte

    bzw. des maßgebenden Gewerbeertrags.

    Ein Risiko für die öffentlichen Haushalte stellen inzwischen auch solche Verluste dar, die

    deutsche Unternehmen durch Auslandsinvestitionen in ausländischen Betriebsstätten sowie

    durch ausländische Tochtergesellschaften erleiden. Der Bundesfinanzhof vertritt im Urteil

    vom 9. Juni 2010 I R 107/095 die Auffassung, dass ausländische Betriebsstättenverluste trotz

    steuerlicher Freistellung entsprechender ausländischer Gewinne im Inland zu berücksichtigen

    seien, wenn diese aufgrund der Aufgabe dieser Betriebsstätte im Ausland nicht mehr genutzt

    werden können. Dies soll nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht nur für die

    Körperschaftsteuer und Einkommensteuer, sondern auch für die Gewerbesteuer gelten. Nach

    dieser Entscheidung würde die bisher angenommene Abschirmwirkung bei der

    Gewerbesteuer insoweit nicht mehr bestehen. Die Gefahr eines Transfers ausländischer

    Betriebsstättenverluste hat sich mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs und den sich daraus

    eröffnenden Gestaltungsspielräumen für Bund, Länder und Kommunen verschärft.

    2 Vgl. Fußnote 1, S. 7. 3 Soweit im Folgenden auf § 10d Absatz 2 EStG Bezug genommen wird, gilt das Gesagte zur

    Vermeidung von Wiederholungen grundsätzlich für § 10a GewStG sinngemäß. 4 Bei zusammen veranlagten Einkommensteuerpflichtigen: 2 Mio. Euro 5 Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (HFR) 2010, S. 1140

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  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    Am 16. März 2011 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über eine

    Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (im Folgenden: GKKB-

    Richtlinienvorschlag) vorgelegt. Diese sieht vor, die Bemessungsgrundlage für die

    Besteuerung verbundener körperschaftsteuerpflichtiger Unternehmen in der EU nach

    identischen Regeln zu ermitteln, bei der Muttergesellschaft zu konsolidieren (d. h. die

    einzelnen positiven oder negativen Steuerbemessungsgrundlagen der Gruppenmitglieder

    werden miteinander verrechnet) und anschließend nach einer bestimmten Formel auf die

    einzelnen Gruppenmitglieder aufzuteilen. Nach dem GKKB-Richtlinienvorschlag sollen

    Verluste zeitlich unbeschränkt vorgetragen werden können. Ein Verlustrücktrag ist nicht

    vorgesehen. Da allerdings derzeit nicht absehbar ist, ob und in welcher Form der einstimmig

    anzunehmende Richtlinienvorschlag bindendes EU-Recht wird, sollten die

    Reformüberlegungen zur Verlustverrechnung losgelöst von den Vorschlägen der EU-

    Kommission angestellt werden.

    II. Überblick über die geltenden Regelungen

    Negative Einkünfte (Verluste) mindern das Einkommen bzw. den Gewerbeertrag. Die

    Berücksichtigung von negativen Einkünften erfolgt dabei entweder periodengleich, d. h.

    innerhalb des Veranlagungszeitraums, in dem sie anfallen (sog. Verlustausgleich), oder

    veranlagungszeitraumübergreifend (sog. Verlustabzug).

    1. Verlustausgleich

    Der periodengleiche Verlustausgleich erfolgt bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte

    (§ 2 Absatz 3 EStG) und ist der Höhe nach unbeschränkt möglich. Allerdings ist die

    einkünfteübergreifende (sog. „vertikale“) Verrechenbarkeit durch eine Reihe gesetzlicher

    Regelungen eingeschränkt.

    So unterliegen Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d EStG einem gesonderten

    Steuersatz und können daher ausschließlich mit Einkünften derselben Einkunftsart verrechnet

    werden (sog. Schedulenbesteuerung, § 20 Absatz 6 Satz 2 EStG). Innerhalb der Einkunftsart

    „Einkünfte aus Kapitalvermögen“ können Verluste aus Aktienveräußerungen nur mit

    Gewinnen aus Aktienveräußerungen ausgeglichen werden (§ 20 Absatz 6 Satz 5 EStG).

    Verlustausgleichsbeschränkungen bestehen z. B. auch nach § 15 Absatz 4 EStG (Verluste aus

    Tierzucht, Termingeschäften sowie Innengesellschaften, an denen unmittelbar oder mittelbar

    Kapitalgesellschaften beteiligt sind), § 15a EStG (Verluste bei beschränkter Haftung) und

    § 15b EStG (Verluste im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen).

    Ausländische Verluste unbeschränkt Steuerpflichtiger (z. B. Verluste aus ausländischen

    Betriebsstätten oder Vermietungsobjekten) sind im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht

    (Welteinkommensprinzip) grundsätzlich zu berücksichtigen. Sie können aber regelmäßig

    10

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    nicht mit inländischen Gewinnen verrechnet werden, wenn die betreffenden ausländischen

    Einkünfte aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens im Inland freizustellen sind

    (Regelfall - sog. Symmetriethese).6 Besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen oder stellt

    ein Doppelbesteuerungsabkommen ausländische Gewinne nicht im Inland frei, wird eine

    Berücksichtigung von Verlusten im Inland in bestimmten Fällen trotz des o. g. Grundsatzes

    durch § 2a EStG ausgeschlossen. Danach werden z. B. Verluste aus bestimmten Aktivitäten in

    Drittstaaten grundsätzlich im Inland nicht unmittelbar berücksichtigt, sondern dürfen

    ausschließlich mit ausländischen Gewinnen derselben Art aus demselben Land verrechnet

    werden.

    2. Verlustabzug

    Nach dem periodengleichen Verlustausgleich verbleibende negative Einkünfte können bei der

    Einkommen- und Körperschaftsteuer in den vorangegangenen Veranlagungszeitraum zurück-

    oder zeitlich unbegrenzt in einen folgenden Veranlagungszeitraum vorgetragen und dort mit

    positiven Einkünften verrechnet werden.

    Nach § 10d Absatz 1 EStG sind negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags

    der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, bis zu einem Betrag von 511.500 Euro, bei

    Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammenveranlagt werden, bis zu einem Betrag

    von 1.023.000 Euro vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen

    Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und

    sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustrücktrag). Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist

    ganz oder teilweise vom Verlustrücktrag abzusehen.

    Nach § 10d Absatz 2 Satz 1 EStG sind nicht ausgeglichene negative Einkünfte, die nicht nach

    Absatz 1 dieser Vorschrift abgezogen worden sind, in den folgenden Veranlagungszeiträumen

    bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. Euro unbeschränkt, darüber hinaus bis

    zu 60 % des 1 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte vorrangig vor

    Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen

    (zeitlich unbegrenzter Verlustvortrag mit Mindestgewinnbesteuerung). Bei Ehegatten, die

    nach den §§ 26, 26b EStG zusammenveranlagt werden, tritt nach § 10d Absatz 2 Satz 2 EStG

    an die Stelle des Betrags von 1 Mio. Euro ein Betrag von 2 Mio. Euro.

    Nach § 10d Absatz 2 Satz 1 EStG i. V. m. § 8 Absatz 1 KStG gelten der zeitlich unbegrenzte

    Verlustvortrag sowie die Mindestgewinnbesteuerung mit einem Sockelbetrag von 1 Mio.

    Euro auch für Körperschaften.

    Bei der Gewerbesteuer ist ein Verlustabzug nur in Form des zeitlich unbegrenzten

    Verlustvortrags vorgesehen, ein Verlustrücktrag ist nicht möglich (§ 10a GewStG).

    Zu den Konsequenzen des BFH-Urteils vom 21. Juli 2010 I R 107/09, HFR 2010, S. 1140, vgl. B. IV.

    11

    6

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    Entsprechend den vorstehend genannten Regelungen des § 10d EStG wird der maßgebende

    Gewerbeertrag bis zu einem Betrag in Höhe von 1 Mio. Euro um nicht in vorangegangenen

    Erhebungszeiträumen ausgeglichene Fehlbeträge gekürzt (§ 10a Satz 1 GewStG). Der 1 Mio.

    Euro übersteigende maßgebende Gewerbeertrag wird lediglich bis zu 60 % um nach § 10a

    Satz 1 GewStG nicht berücksichtigte Fehlbeträge vergangener Erhebungszeiträume gekürzt

    (§ 10a Satz 2 GewStG).

    3. Beschränkung des Verlustabzugs bei Körperschaften nach § 8c KStG

    § 8c KStG regelt den Verlustabzug bei Körperschaften für den Fall eines

    Beteiligungserwerbs. Nach § 8c Absatz 1 KStG sind nicht ausgeglichene oder abgezogene

    negative Einkünfte (nicht genutzte Verluste) einer Körperschaft endgültig nicht mehr

    abziehbar, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % des

    gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an

    der Verlustkörperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen

    werden (schädlicher Beteiligungserwerb). Werden innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 %

    bis 50 % an einer Körperschaft erworben, sind nicht genutzte Verluste quotal vom

    Verlustabzug ausgeschlossen.

    Ein schädlicher Beteiligungserwerb liegt nach § 8c Absatz 1 Satz 5 KStG dann nicht vor,

    wenn an dem übertragenden und übernehmenden Rechtsträger dieselbe Person zu jeweils

    100 % mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist (sog. Konzernklausel). Der Verlustabzug bleibt

    nach § 8c Absatz 1 Satz 6 bis 9 KStG außerdem erhalten, soweit die nicht genutzten Verluste

    die im Inland steuerpflichtigen stillen Reserven des Betriebsvermögens der Körperschaft nicht

    übersteigen (sog. Stille-Reserven-Klausel).

    § 8c Absatz 1a KStG sieht vor, dass Verluste einer Körperschaft trotz eines schädlichen

    Beteiligungserwerbs abziehbar bleiben, wenn der Erwerb der Beteiligung zum Zwecke der

    Sanierung des Geschäftsbetriebs der Körperschaft erfolgt (sog. Sanierungsklausel). Aufgrund

    der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 26. Januar 2011,7 die in der

    Sanierungsklausel eine mit dem gemeinsamen Markt nicht zu vereinbarende rechtswidrige

    Beihilferegelung sieht, wird die Sanierungsklausel derzeit nicht angewandt. Die

    Bundesrepublik Deutschland hat gegen den Beschluss der Europäischen Kommission

    Nichtigkeitsklage bei dem Gericht der Europäischen Union (EuG) erhoben.

    Auf die Fehlbeträge bei der Gewerbesteuer ist § 8c KStG entsprechend anzuwenden (§ 10a

    Satz 10 GewStG).

    Beschluss der Kommission im Verfahren „Staatliche Beihilfe C 7/2010 (ex CP 250/2009 und ex NN 5/2010) - KStG, Sanierungsklausel“

    12

    7

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    4. Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes

    In Umwandlungs- und Einbringungsfällen sieht das Umwandlungssteuergesetz spezielle

    Regelungen für die Verlustverrechnung vor.

    a) Auswirkungen bei dem übernehmenden Rechtsträger

    Bei der Verschmelzung einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft (§ 11 ff. UmwStG),

    sowie der Aufspaltung, Abspaltung und Teilübertragung (§ 15 UmwStG) gehen

    verrechenbare Verluste, verbleibende Verlustvorträge und nicht ausgeglichene negative

    Einkünfte nicht auf die übernehmende Körperschaft über (§ 12 Absatz 3 2. Halbsatz

    UmwStG, § 15 Absatz 1 Satz 1 UmwStG) und können damit von dieser nicht nach § 10d

    EStG abgezogen werden.

    Auch bei einer Verschmelzung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft oder eine

    natürliche Person (§ 3 ff. UmwStG) gehen verrechenbare Verluste, verbleibende

    Verlustvorträge und nicht ausgeglichene negative Einkünfte nicht auf den übernehmenden

    Rechtsträger über (§ 4 Absatz 2 Satz 2 UmwStG). Dies gilt nach § 16 Satz 1 UmwStG für die

    Auf- oder Abspaltung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft und nach § 9 Satz 3

    2. Halbsatz UmwStG im Fall des Formwechsels einer Körperschaft in eine

    Personengesellschaft entsprechend.

    Auch in Einbringungsfällen (§§ 20 ff. UmwStG) ist ein Verlustübergang auf den

    übernehmenden Rechtsträger ausgeschlossen.

    Für die Gewerbesteuer gilt das Vorstehende nach § 18 und § 19 UmwStG sowie § 23

    Absatz 5 UmwStG entsprechend.

    b) Auswirkungen bei dem übertragenden Rechtsträger

    Für den Fall der Abspaltung mindern sich bei der übertragenden Körperschaft verrechenbare

    Verluste, verbleibende Verlustvorträge und nicht ausgeglichene negative Einkünfte in dem

    Verhältnis, in dem bei Zugrundelegung des gemeinen Werts das Vermögen auf eine andere

    Körperschaft übergeht (§ 15 Absatz 3 UmwStG).

    Nach § 2 Absatz 4 UmwStG kann ein Übertragungsgewinn aufgrund einer Umwandlung beim

    übertragenden Rechtsträger zudem nur dann mit verrechenbaren Verlusten, verbleibenden

    Verlustvorträgen und nicht ausgeglichenen negativen Einkünften ausgeglichen bzw.

    verrechnet werden, wenn ihm die Verlustnutzung auch ohne die Regelungen zur steuerlichen

    Rückwirkung nach § 2 Absatz 1 und 2 UmwStG möglich gewesen wäre.

    13

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    5. Sonstige Regelungen

    a) Wegfall von Verlusten bei Tod des Rechtsträgers

    Verluste im Sinne des § 10d Absatz 2 EStG gehen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung

    grundsätzlich auch mit dem Tod8 des Steuerpflichtigen unter.

    b) Sanierungserlass

    Nach dem BMF-Schreiben vom 27. März 2003 (sog. Sanierungserlass)9 sind in

    Sanierungsfällen die bestehenden Verlustverrechnungsbeschränkungen (insbesondere § 10d

    Absatz 2 EStG) nicht anzuwenden. Negative Einkünfte des laufenden Veranlagungszeitraums

    und bestehende Verlustvorträge sind somit unbeschränkt mit einem Sanierungsgewinn zu

    verrechnen. Damit wird eine Doppelbegünstigung (Stundung/Erlass der auf den

    Sanierungsgewinn entfallenden Steuer und Beibehaltung der bestehenden Verlustvorträge)

    vermieden. Gleiches gilt für Verlustrückträge in Veranlagungszeiträume, in denen ein

    begünstigter Sanierungsgewinn erzielt wurde. Eine Änderung des Sanierungserlasses ist nicht

    vorgesehen und nicht Gegenstand der Prüfung durch diese Arbeitsgruppe.

    c) Abzugsbeschränkungen für bestimmte Aufwendungen

    Neben den vorstehend unter 1. bis 4. genannten Normen, die unmittelbar die Verrechnung

    von Verlusten beschränken, bestehen im Rahmen der Ermittlung der steuerlichen

    Bemessungsgrundlage weitere Abzugsbeschränkungen. Zu diesen Regelungen gehört auch

    die sog. Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG), die den Betriebsausgabenabzug von

    Zinsaufwendungen beschränkt; danach nicht abziehbare Zinsaufwendungen werden als

    Zinsvortrag in folgende Wirtschaftsjahre vorgetragen. Die Regelungen zur Zinsschranke

    werden derzeit gesondert evaluiert und sind daher nicht Gegenstand der Prüfung durch diese

    Arbeitsgruppe.

    8 Vgl. Beschluss des BFH Großer Senat vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BStBl II 2008 S. 608 9 BStBl I S. 240

    14

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    III. Verlustabzug (Verlustvortrag und Verlustrücktrag)

    1. Rechtsentwicklung

    Das Einkommensteuergesetz kennt seit 1925 (mit einer kurzen Unterbrechung zwischen 1934

    und 1938) einen - damals noch auf Gewinneinkünfte und zeitlich auf fünf Jahre

    beschränkten - Verlustvortrag. Mit dem Einkommensteueränderungsgesetz 1976 wurde

    zusätzlich ein einjähriger Verlustrücktrag eingeführt und der Verlustvortrag auf alle

    Einkunftsarten ausgedehnt.

    Mit dem Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 198810 wurde ab dem Veranlagungszeitraum

    1990 die zeitliche Beschränkung für den Verlustvortrag beseitigt und erstmals eine gesonderte

    Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs eingeführt. Mit dem Standortsicherungsgesetz

    vom 13. September 199311 wurde dem Steuerpflichtigen ab dem Veranlagungszeitraum 1994

    das Wahlrecht eingeräumt, zugunsten des Verlustvortrags ganz oder teilweise auf den

    Verlustrücktrag zu verzichten.

    Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 199912 wurde der zuvor

    auf zwei Jahre erweiterte Verlustrücktrag wieder auf den dem Verlustentstehungsjahr

    vorangegangenen Veranlagungszeitraum und zusätzlich der Höhe nach beschränkt

    (2 Mio. DM ab dem Veranlagungszeitraum 1999, 1 Mio. DM ab dem Veranlagungszeitraum

    2001, 511.500 Euro ab dem Veranlagungszeitraum 2002).

    Überdies wurde ab dem Veranlagungszeitraum 1999 die sog. Mindestbesteuerung durch § 2

    Absatz 3 EStG eingeführt. Nach der Mindestbesteuerung konnten Verluste lediglich in Höhe

    von bis zu 51.500 Euro unbeschränkt, darüber hinaus nur noch zur Hälfte mit positiven

    Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Für zurück- und vorgetragene

    Verluste galt die Mindestbesteuerung entsprechend.

    Durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur

    Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 200313

    wurde die Mindestbesteuerung nach § 2 Absatz 3 EStG aufgehoben und ab dem

    Veranlagungszeitraum 2004 durch die sog. Mindestgewinnbesteuerung nach § 10d Absatz 2

    EStG ersetzt. Seitdem ist ein Abzug vorgetragener Verluste zwar (von einzelnen

    Verlustverrechnungsbeschränkungen abgesehen - vgl. oben B. II. 1.) grundsätzlich

    einkünfteübergreifend möglich, oberhalb eines Sockelbetrags von 1 Mio. Euro jedoch auf

    60 % des 1 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte beschränkt. In zeitlicher

    Hinsicht ist der Verlustvortrag weiterhin grundsätzlich unbegrenzt möglich.

    10 BGBl. I S. 1093, 2074 11 BGBl. I S. 1569 12 BGBl. I S. 402 13 BGBl. I S. 2840

    15

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    Auf § 10d EStG verweisen verschiedene Normen des EStG sowie anderer Gesetze,

    insbesondere:

    § 2a EStG Negative Einkünfte mit Bezug zu Drittstaaten

    § 15 Absatz 4 EStG Verluste aus gewerblicher Tierzucht, Termingeschäften und

    besonderen gewerblichen Beteiligungen an

    Kapitalgesellschaften

    § 15a EStG Verluste bei beschränkter Haftung

    § 15b EStG Verluste im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen

    § 20 Absatz 6 EStG Verluste aus Kapitalvermögen

    § 22 Nummer 3 EStG Verluste aus sonstigen Leistungen

    § 23 Absatz 3 Satz 7 ff. EStG Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften

    § 8 Absatz 8 und 9 KStG Verluste bei zusammengefassten Betrieben gewerblicher Art

    und Kapitalgesellschaften mit Dauerverlustgeschäften

    Eine Änderung des § 10d EStG würde sich mittelbar auch auf diese Normen auswirken.

    2. Verfassungsrechtliche Vorgaben

    a) Prinzip der Abschnittsbesteuerung

    Ursprünglich billigte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber hinsichtlich der

    Gewährung bzw. Beschränkung eines Verlustabzugs einen weitreichenden

    Regelungsspielraum zu. So ging das BVerfG im Beschluss vom 8. März 1978

    (1 BvR 117/78)14 unter Verweis auf das Prinzip der Abschnittsbesteuerung noch davon aus,

    dass der Gesetzgeber grundsätzlich von Verfassungs wegen nicht verpflichtet sei, überhaupt

    einen Verlustabzug zuzulassen. Er sei lediglich aufgrund des Willkürverbots aus Artikel 3 des

    Grundgesetzes daran gehindert, bestimmten Einkunftsarten einen Verlustabzug zuzugestehen,

    anderen aber nicht, sofern für eine solche Differenzierung kein sachlicher Grund besteht.15

    b) Prinzip der Leistungsfähigkeit / Nettoprinzip

    Im Beschluss vom 22. Juli 1991 (1 BvR 313/88)16 hat das BVerfG diese Auffassung

    dahingehend relativiert, dass die zeitliche Beschränkung des Verlustabzugs nicht nur an der

    Abschnittsbesteuerung zu messen sei, sondern im Spannungsverhältnis zwischen dem

    Grundsatz der Abschnittsbesteuerung und dem Grundsatz des abschnittsübergreifenden

    Nettoprinzips stehe. Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung schaffe Überschaubarkeit und

    Klarheit bezüglich des Sachverhalts und der anzuwendenden steuerlichen Vorschriften. Das

    Nettoprinzip sei andererseits Ausdruck der materiellen Richtigkeit eines Steueranspruchs,

    welcher an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sein müsse. Gerieten

    14 HFR 1978, S. 293 15 So auch BVerfG im Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BGBl. I S. 3430 16 Nichtannahmebeschluss, HFR 1992, S. 423

    16

    http:besteht.15

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    Rechtssicherheit und materielle Gerechtigkeit als wesentliche Bestandteile des

    Rechtsstaatsprinzips miteinander in Widerstreit, sei es Aufgabe des Gesetzgebers, diesen

    Widerstreit zu entscheiden. Treffe er diese Entscheidung ohne Willkür, so könne die

    Regelung des Gesetzgebers verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden.

    Diese Ausführungen bezogen sich auf die seinerzeitige Beschränkung des Verlustrücktrags

    auf ein Jahr und des Verlustvortrags auf fünf Jahre, die vom Bundesverfassungsgericht nicht

    beanstandet wurde.

    c) Bundesfinanzhof: Keine Vererblichkeit des Verlustabzugs

    Mit Beschluss vom 17. Dezember 2007 hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs17

    festgestellt, dass ein Übergang des vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzugs auf den

    Erben verfassungsrechtlich nicht geboten ist.18

    3. Verlustvortrag einschließlich Mindestgewinnbesteuerung

    a) Allgemeines

    Der Verlustvortrag nach § 10d EStG bzw. § 10a GewStG durchbricht (wie der nachfolgend

    unter 4. behandelte Verlustrücktrag) das Prinzip der Abschnittsbesteuerung und ermöglicht es,

    negative Einkünfte eines Veranlagungszeitraums von positiven Einkünften eines späteren

    Veranlagungszeitraums abzuziehen. Damit wird insbesondere berücksichtigt, dass nicht alle

    Aufwendungen zum Zwecke der Einkunftserzielung bereits im selben Veranlagungszeitraum

    zu einem Ertrag führen. Darüber hinaus können Verluste im Rahmen des Verlustvortrags

    grundsätzlich aber auch mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsquellen verrechnet

    werden. Sieht das Einkommensteuergesetz allerdings im Rahmen des Verlustausgleichs eine

    Verrechnungsbeschränkung vor, so gilt diese Beschränkung regelmäßig auch im Rahmen des

    Verlustvortrags mit der Folge, dass negative Einkünfte nur innerhalb des

    Verlustverrechnungskreises von zukünftigen positiven Einkünften abgezogen werden können.

    Im Rahmen von § 2b EStG, § 15 Absatz 4 Satz 1 und 2, Satz 3 bis 5 und Satz 6 bis 8 EStG,

    § 20 Absatz 6 EStG, § 22 Nummer 2 i. V. m. § 23 Absatz 3 EStG sowie § 22 Nummer 3 EStG

    gelten gesonderte Verlustverrechnungsbeschränkungen (besondere Verrechnungskreise).

    Negative Einkünfte im Sinne dieser Vorschriften dürfen zwar nicht nach § 10d EStG

    abgezogen werden. Sie mindern aber „nach Maßgabe des § 10d“ die Gewinne bzw.

    Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen und in den folgenden

    Veranlagungszeiträumen bzw. Wirtschaftsjahren aus dem entsprechenden Verrechnungskreis

    erzielt.

    Der Höhe nach ist die Möglichkeit zur Verlustverrechnung in späteren

    Veranlagungszeiträumen durch die sog. Mindestgewinnbesteuerung nach § 10d Absatz 2

    EStG bzw. § 10a Satz 2 GewStG beschränkt. Die Mindestgewinnbesteuerung ist auf

    17 Beschluss des BFH Großer Senat vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BStBl II 2008 S. 608 18 Vgl. auch BFH-Urteil vom 12. Januar 2011 I R 112/09, BFH/NV 2011 S. 1194

    17

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    Einkünfte aus einem besonderen Verlustverrechnungskreis ebenfalls anzuwenden, sofern die

    Verluste bzw. negativen Einkünfte „nach Maßgabe des § 10d“ abgezogen werden können.19

    Die Mindestgewinnbesteuerung stellt sicher, dass ein Steuerpflichtiger, der in einem

    Veranlagungszeitraum Einkünfte von mehr als 1 Mio. Euro erzielt, trotz bestehender

    Verlustvorträge zu dem Steueraufkommen beiträgt. Die Mindestgewinnbesteuerung ist somit

    insbesondere für die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer ein Stabilisierungselement für

    die öffentlichen Haushalte.

    § 10d Absatz 2 EStG und § 10a GewStG wurden durch das Gesetz zur Umsetzung der

    Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum

    Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (Protokollerklärungsgesetz)20 in

    das Einkommensteuer- bzw. Gewerbesteuergesetz eingefügt. Nach der Begründung im

    Referentenentwurf, der noch eine Begrenzung des Verlustabzugs auf die Hälfte des

    Gesamtbetrags der Einkünfte mit Einführung eines Sockelbetrages von 100.000 Euro vorsah,

    hat die Beschränkung den Zweck, das Steueraufkommen für die öffentlichen Haushalte

    kalkulierbarer zu machen. Aus diesem Grund sollte das „gewaltige Verlustvortragspotenzial

    der Unternehmen, das diese vor sich herschieben“ gestreckt werden. Nur so sei auf Dauer eine

    Verstetigung der Staatseinnahmen gewährleistet.

    Der Bundesrat lehnte die Einführung der Mindestgewinnbesteuerung in seiner Stellungnahme

    zum Regierungsentwurf seinerzeit unter Hinweis auf das Gebot der Besteuerung nach der

    Leistungsfähigkeit ab. Sobald ein Unternehmen Verluste erwirtschafte, ende das

    Besteuerungsrecht des Staates, bis diese Verluste mit Gewinnen ausgeglichen seien. Der

    Liquiditätsabfluss aufgrund der Mindestgewinnbesteuerung schränke zudem die

    Eigenkapitalbildung ein. Vor allem treffe die Mindestgewinnbesteuerung junge Firmen und

    Existenzgründer - insbesondere auch im Bereich der Forschung -, die in den ersten Jahren

    nach Betriebseröffnung regelmäßig Verluste erwirtschafteten.21

    b) Aktuelle Rechtsprechung

    Aktuell sind mehrere Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig, die sich auf eine behauptete

    Unvereinbarkeit des § 10d Absatz 2 EStG bzw. § 10a Satz 2 GewStG mit dem Grundsatz der

    Leistungsfähigkeit sowie dem Gleichheitssatz stützen.

    Im Revisionsverfahren IV R 29/10 hat die Vorinstanz entschieden, dass bei Wegfall der

    Verluste aufgrund einer Liquidation die Voraussetzungen für eine Billigkeitsregelung nach

    19 Auf andere Verlustverrechnungskreise ist die Mindestgewinnbesteuerung dagegen nicht anzuwenden, sodass negative Einkünfte insoweit unbeschränkt mit künftigen positiven Einkünften desselben Verlustverrechnungskreises verrechnet werden können (z. B. § 15a EStG, § 15b EStG), vgl. dazu BMF-Schreiben vom 29. November 2004, BStBl I S. 1097

    20 BGBl. I S. 2840 21 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucksache 15/1665, S. 2

    18

    http:erwirtschafteten.21http:k�nnen.19

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    den §§ 163, 227 AO vorlägen. Im Revisionsverfahren IV R 36/10 sieht die Vorinstanz die

    Mindestgewinnbesteuerung auch bei Wegfall von Verlusten jedenfalls dann nicht als

    verfassungswidrig an, wenn er auf einer freien Entscheidung des Steuerpflichtigen

    (Beendigung einer werbenden Tätigkeit) beruht. In den Revisionsverfahren IV R 43/10 und

    I R 9/11 schließlich begehrt die Revision abweichend von § 10a Satz 2 GewStG bzw. § 10d

    Absatz 2 EStG einen sofortigen Verlustabzug in voller Höhe allein mit der Begründung, dass

    zukünftige Erträge das Volumen der bestehenden Verlustvorträge voraussichtlich nicht

    erreichen würden.

    Im Beschluss vom 26. August 2010 I B 49/1022 hat der Bundesfinanzhof in einem Verfahren

    des vorläufigen Rechtsschutzes die Zulässigkeit der Mindestgewinnbesteuerung im Kern zwar

    bestätigt, jedoch nach summarischer Prüfung verfassungsrechtliche Zweifel geäußert, wenn

    die nach § 10d Absatz 2 EStG nicht abzugsfähigen Verluste in einem späteren

    Veranlagungszeitraum aufgrund eines Gesellschafterwechsels nach § 8c KStG alter Fassung

    (und der Verschmelzung des Steuerpflichtigen auf eine andere Körperschaft nach § 12

    Absatz 3 i. V. m. § 4 Absatz 2 Satz 2 UmwStG) endgültig nicht mehr genutzt werden

    können.23

    c) Internationaler Vergleich

    In den internationalen Vergleich einbezogen wurden Staaten der Europäischen Union sowie

    ausgewählte andere Staaten (Japan, Kanada, Schweiz und die USA). Die wichtigsten

    Regelungen im Überblick sind in der Anlage 1 (natürliche Personen) und in der Anlage 2

    (Körperschaften) dargestellt.

    aa) Zeitliche Begrenzung des Verlustvortrags

    Eine zeitliche Begrenzung des Verlustvortrags sehen viele der untersuchten Staaten vor.

    Verluste eines Veranlagungszeitraums können danach lediglich eine bestimmte Anzahl von

    Jahren mit zukünftigen Einkünften verrechnet werden. Danach ist ein Verlustabzug endgültig

    ausgeschlossen (sog. „Kappung“). In einigen Ländern unterscheiden sich die

    Verlustvortragszeiträume für natürliche Personen und für Körperschaften. Der

    Verlustvortragszeitraum beträgt bei Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit grundsätzlich24

    3 Jahre in Japan (bei natürlichen Personen), Lettland (bei natürlichen Personen) und

    Österreich (bei natürlichen Personen, sofern die Gewinnermittlung durch

    Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erfolgt),

    4 Jahre in Portugal und Spanien (bei natürlichen Personen),

    5 Jahre in Bulgarien, Griechenland sowie Rumänien (bei natürlichen Personen),

    Tschechien und Polen,

    22 HFR 2010, S. 1289 23 vgl. hierzu Modell 8 der Handlungsvorschläge dieses Kapitels 24 Für andere Einkünfte als Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit und bestimmte Sonderkonstellationen

    gelten z. T. abweichende Regelungen.

    19

    http:k�nnen.23

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    6 Jahre in Frankreich (bei natürlichen Personen),

    7 Jahre in Estland (bei natürlichen Personen), Japan (bei Körperschaften), Rumänien (bei

    Körperschaften), der Schweiz und der Slowakei,

    8 Jahre in Lettland (bei Körperschaften),

    9 Jahre in den Niederlanden,

    10 Jahre in Finnland,

    18 Jahre25 in Spanien (bei Körperschaften und Personengesellschaften)26 und

    20 Jahre in Kanada und den USA.

    Dagegen ist in Belgien, Dänemark, Frankreich (bei Körperschaften), Irland, Litauen,

    Luxemburg, Malta, Schweden, Slowenien, Ungarn, dem Vereinigten Königreich und Zypern

    ein Verlustvortrag grundsätzlich sowohl zeitlich als auch der Höhe nach unbegrenzt möglich.

    In Österreich ist der Verlustvortrag zeitlich unbegrenzt, wenn die Verluste aus betrieblichen

    Einkunftsarten stammen und durch „ordnungsmäßige Buchführung“ ermittelt wurden. Bei

    sog. Einnahmen-Ausgaben-Rechnern ist der Verlustvortrag hingegen grundsätzlich auf drei

    Jahre begrenzt.27 Verluste aus nicht betrieblichen Einkunftsarten sind dagegen nicht

    vortragsfähig. Der Österreichische Verfassungsgerichtshof hat diese Beschränkung des

    Verlustvortrags auf betriebliche Einkunftsarten als verfassungswidrig angesehen und mit

    Wirkung zum 31.12.2011 aufgehoben.28

    bb) Zeitliche Streckung des Verlustvortrags

    Eine mit der deutschen Mindestgewinnbesteuerung vergleichbare zeitliche Streckung des

    Verlustvortrags gibt es in der Europäischen Union derzeit in Österreich, Polen, Italien und

    Spanien.

    In Österreich können Verlustvorträge maximal in Höhe von 75 % der Einkünfte eines

    Veranlagungszeitraums abgezogen werden.

    In Polen können Verluste einer Einkunftsart nur mit positiven Einkünften derselben

    Einkunftsart verrechnet werden. Soweit ein Verlustvortrag zulässig ist, können je

    Veranlagungszeitraum höchstens 50 % des Verlustvortrags mit Gewinnen verrechnet werden.

    25 Der Verlustvortragszeitraum wurde von 15 auf 18 Jahre verlängert durch Real Decreto-Ley 9/2011 vom 19. August 2011, veröffentlicht im Gesetzblatt Nr. 200 vom 20. August 2011.

    26 Bei neu gegründeten Gesellschaften beginnt der Verlustvortragszeitraum nicht bereits mit Ablauf des Verlustentstehungsjahres, sondern erst mit Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem die neu gegründete Gesellschaft erstmals Gewinne erzielt.

    27 Die Ungleichbehandlung von bilanzierenden Steuerpflichtigen und Einnahmen-Ausgaben-Rechnern wird verfassungsrechtlich damit gerechtfertigt, dass es jedem freistehe, seinen Gewinn mittels einer doppelten Buchführung zu ermitteln (VfGH vom 3. März 1987, G 170/86).

    28 VfGH vom 30. September 2010 G 35/10 - http://www.vfgh.gv.at/cms/vfghsite/attachments/8/5/0/CH0006/CMS1290089747095/vermietung_verpachtung_g_35-10.pdf

    20

    http://www.vfgh.gv.at/cms/vfghhttp:aufgehoben.28http:begrenzt.27

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    Italien hat durch das Gesetz vom 15. Juli 2011 (Nr. 111/2011)29 mit Wirkung ab dem

    Jahr 2011 die bisher geltende zeitliche Beschränkung des Verlustvortrags auf fünf Jahre

    aufgehoben und eine Mindestgewinnbesteuerung eingeführt, nach der Verlustvorträge

    maximal in Höhe von 80 % der Einkünfte eines Veranlagungszeitraums abgezogen werden

    können. Die Regelung gilt nicht für Verluste der ersten drei Jahre nach Aufnahme der

    Geschäftstätigkeit des Unternehmens.

    In Spanien wurde mit Real Decreto-Ley 9/2011 vom 19. August 2011,30 dem das spanische

    Parlament am 23. August 2011 zugestimmt hat, für die Jahre 2011 bis 2013 eine

    Mindestgewinnbesteuerung eingeführt. Überschreitet ein Unternehmen bestimmte

    Umsatzgrenzen, können Verlustvorträge maximal in Höhe von 50 % bzw. 75 % der

    Bemessungsgrundlage eines Jahres abgezogen werden.

    In Japan31 und Frankreich32 gibt es ebenfalls Bestrebungen, eine Mindestgewinnbesteuerung

    einzuführen. Nach der am 24. August 2011 durch die französische Regierung vorgestellten

    Regelung sollen Unternehmen einen Verlustvortrag bis zu einer Mio. Euro voll, darüber

    hinausgehend nur in Höhe von 60 % des Gewinns eines Veranlagungszeitraums verrechnen

    können. Die Regelung wurde in Frankreich als Maßnahme zur Angleichung des deutschen

    und des französischen Körperschaftsteuerrechts angekündigt.

    cc) Mindestbesteuerung im Sinne des § 2 Absatz 3 EStG a. F.

    In einem Großteil der untersuchten Staaten ist wie in Deutschland eine Verlustverrechnung

    grundsätzlich einkünfteübergreifend möglich, allerdings sind häufig einzelne Einkünfte bzw.

    Einkunftsarten davon ausgenommen (in erster Linie Einkünfte aus Beteiligungen,

    Veräußerungsgeschäften und allgemein aus Kapitalvermögen). Teilweise ist eine

    Verlustverrechnung dagegen ausschließlich innerhalb derselben Einkunftsart möglich.

    dd) GKKB-Richtlinienvorschlag

    Der GKKB-Richtlinienvorschlag sieht einen zeitlich unbeschränkten Verlustvortrag vor. Eine

    Beschränkung des Verlustabzugs der Höhe nach ist nicht vorgesehen.

    d) Evaluierung

    aa) Evaluierung der Verlustvorträge

    (1) Bundesweite Daten

    Zum 31.12.2004 betrugen die bundesweit festgestellten Verlustvorträge bei der

    29 Veröffentlicht im Gesetzblatt Nr. 164 vom 16. Juli 2011 30 Veröffentlicht im Gesetzblatt Nr. 200 vom 20. August 2011 31 BDI/KPMG-Studie 2011, Verlustnutzung nach Anteilseignerwechsel, S. 27: danach soll eine

    Verlustverrechnung nur noch in Höhe von 80 % der Gewinne zugelassen werden. 32 http://www.gouvernement.fr/presse/mesures-pour-la-reduction-du-deficit-public

    21

    http://www.gouvernement.fr/presse/mesures-pour-la-reduction-du-deficit-public

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    Körperschaftsteuer: 506,4 Mrd. Euro

    (davon unbeschränkt Steuerpflichtige: 473,4 Mrd. Euro)33;

    Gewerbesteuer: 569,0 Mrd. Euro;

    Einkommensteuer: 71,2 Mrd. Euro.

    Zum 31.12.2006 sind die festgestellten Verlustvorträge bei der Einkommensteuer auf

    62,2 Mrd. Euro zurückgegangen. Bei der Körperschaftsteuer sind die festgestellten

    Verlustvorträge dagegen weiter auf 603,6 Mrd. Euro angewachsen. Auf unbeschränkt

    Steuerpflichtige entfallen dabei 576,3 Mrd. Euro. Nach einer jüngst veröffentlichten, aufgrund

    des Fehlens einiger großer Industrienationen allerdings nur begrenzt aussagekräftigen

    Untersuchung der OECD34 ist das Volumen der Verlustvorträge im Verhältnis zum

    Bruttoinlandsprodukt in Deutschland so hoch wie in keinem anderen untersuchten Staat,

    obwohl Verluste in fast all diesen Staaten zeitlich unbegrenzt vorgetragen werden können:35

    Verlustvorträge Körperschaftsteuer (2006)

    in Mio. € in % vom Bruttoinlandsprodukt

    Deutschland36 576.300 24,8

    Neuseeland 16.823 17,6

    Schweden 50.422 15,2

    Frankreich 245.000 13,6

    Norwegen 33.524 12,3

    Australien 97.216 12,2

    Kanada 114.226 10,7

    Dänemark 18.569 8,5

    Österreich 16.358 6,4

    Irland 4.967 2,8

    Quelle: OECD

    Zu der Entwicklung der Verlustvorträge in den Jahren nach 2006 in Deutschland liegen

    derzeit noch keine belastbaren Zahlen vor. Die in Publikationen genannten Zahlen, die zum

    31.12.2010 von einem Bestand von körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen

    Verlustvorträgen i. H. v. jeweils bis zu 700 Mrd.37 oder gar 800 Mrd.38 Euro ausgehen,

    können deshalb nicht bestätigt werden.

    33 Ohne Organgesellschaften und ohne Steuerbefreite 34 OECD (2011), Corporate Loss Utilisation through Aggressive Tax Planning, OECD Publishing,

    S. 10 bis 11 und S. 15; http://www.oecd.org/officialdocuments/publicdisplaydocumentpdf/?cote=CTPA/CFA(2011)45/REV1& docLanguage=En

    35 Lediglich in Kanada ist der Verlustvortrag auf 20 Jahre begrenzt, OECD (2011), Corporate Loss Utilisation Through Aggressive Tax Planning, OECD Publishing, S. 26.

    36 Ohne beschränkt Steuerpflichtige 37 Siehe hierzu Übersicht bei Ernst, Neuordnung der Verlustnutzung nach Anteilseignerwechsel -

    Reformbedarf und haushaltspolitische Bedeutung des § 8c KStG -, IFSt-Schrift Nr. 470 (2011), S. 74

    22

    http://www.oecd.org/officialdocuments/publicdisplaydocumentpdf/?cote=CTPA/CFA(2011)45/REV1

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    (a) Körperschaftsteuer

    (aa) Entwicklung der Verlustvorträge

    Die Verlustvorträge bei der Körperschaftsteuer sind seit Abschaffung der zeitlichen

    Begrenzung des Verlustvortrags auf fünf Jahre durch das Steuerreformgesetz 1990

    kontinuierlich angestiegen. Im Jahr 1991 betrugen die festgestellten Verlustvorträge noch

    rund 82 Mrd. Euro39. Der Zuwachs des Verlustvortragsbestands ergibt sich im Wesentlichen

    aus dem Saldo aus den entstehenden Verlusten einerseits und dem Verlustverbrauch durch

    Verrechnung bzw. Wegfall (z. B. durch Mantelkauf § 8c KStG, Liquidation) des jeweiligen

    Veranlagungszeitraums andererseits. Das Bundesministerium der Finanzen geht davon aus,

    dass zukünftig jährlich neue Verluste in einer Größenordnung von 55 bis 70 Mrd. Euro

    entstehen. Der jährliche Verlustverbrauch durch Verrechnung bzw. Wegfall (z. B. durch

    Mantelkauf § 8c KStG, Liquidation) dürfte sich in einer Größenordnung von 20 bis 30 Mrd.

    Euro bewegen. Der daraus resultierende durchschnittliche Zuwachs der

    Verlustvortragsbestände beträgt danach pro Jahr rund 35 bis 40 Mrd. Euro.

    38

    39

    Dorenkamp, Haushaltsverträglicher Einstieg in den Ausstieg aus der Mindestbesteuerung, Finanz-Rundschau 2011, S. 736 Amtliche Körperschaftsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes für das Veranlagungsjahr 1992, Endbestand zum 31.12.1991

    23

  • Stand: August 2011 Entwicklung der Verlustvorträge von Körperschaftsteuerpflichtigen1)

    Mrd

    . €

    650,0

    600,0

    550,0

    500,0

    450,0

    400,0

    350,0

    300,0

    250,0

    200,0

    150,0

    100,0

    50,0

    0,0

    81,7

    196,7

    266,0

    312,4

    429,1

    473,4

    519,4

    576,3

    81,7

    196,7

    273,7

    318,1

    460,6

    506,4

    553,0

    603,6

    380,2

    285,4

    239,5

    128,3

    385,6

    293,7

    239,5

    128,3

    unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtige

    Körperschaftsteuerpflichtige insgesamt

    interpolierter Verlauf

    AG

    „Verlustverrechnung und G

    ruppenbesteuerung“

    1991 1992 1994 1995 1997 1998 2000 2001 2003 Jahr2) 2004 2005 2006

    1) Ohne Organgesellschaften und ohne Steuerbefreite. Quelle: 2) Stand zum 31.12. der Veranlagungsjahre 1992, 1995, 1998, 2001 und 2004 bis 2006 aus den Körperschaftsteuerstatistiken des Statistischen Bundesamts für die Statistisches Bundesamt

    jeweiligen Veranlagungsjahre. Für den Stand zum 31.12. der Veranlagungsjahre 1991, 1994, 1997, 2000 und 2003 wurden die Werte aus den Körperschaftsteuerstatistiken der jeweiligen Folgejahre berücksichtigt, der als Bestand zum 31.12. des Vorjahres ausgewiesen war. Die Bestände der Verlustvorträge zum 31.12. der Veranlagungsjahre 1993, 1996, 1999 und 2002 wurden linear interpoliert. Die Jahresendbestände der Verlustvorträge zum 31.12. der Veranlagungsjahre 2004 bzw. 2005 aus den Körperschaftsteuerstatistiken der Veranlagungsjahre 2004 bzw. 2005 weichen von den Jahresanfangsbeständen zum 01.01. der Veranlagungsjahre 2005 bzw. 2006 aus den Körperschaftsteuerstatistiken 2005 bzw. 2006 ab. Dies kann auf die jeweilige andere Fallgesamtheit aufgrund der unterschiedlichen Erfassungszeiträume der Statistiken zurückgeführt werden. B

    ericht

    24

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    Die bundesweit festgestellten Verlustvorträge bei der Körperschaftsteuer zum 31.12.2006

    entfielen auf rund 467.000 und damit 53 % der insgesamt rund 889.000 unbeschränkt

    steuerpflichtigen Körperschaften (ohne Organgesellschaften und ohne Steuerbefreite).

    Allerdings konzentrieren sich die Verlustvorträge in starkem Maße bei relativ wenigen

    Unternehmen. So entfielen im Jahr 2006 95 % der körperschaftsteuerlichen Verlustvorträge

    bzw. 547,5 Mrd. Euro auf 49.332 Steuerpflichtige (5,6 %). 90 % der Verlustvorträge bzw.

    518,7 Mrd. Euro entfielen auf 19.908 Steuerpflichtige (2,2 %) und 50 % der Verlustvorträge

    bzw. 288,1 Mrd. Euro entfielen auf 533 Steuerpflichtige (0,06 % - jeweils nur unbeschränkt

    Körperschaftsteuerpflichtige ohne Organgesellschaften und ohne Steuerbefreite).40

    (bb) Negative und positive Einkünfte im Vergleich

    Gemessen an der Verteilung der bundesweit erzielten positiven Gesamtbeträge der Einkünfte

    konzentrieren sich die Verlustvorträge damit überproportional stark bei nur wenigen

    Körperschaften. Von der Summe aller positiven Gesamtbeträge der Einkünfte des Jahres 2006

    (insgesamt 153,2 Mrd. Euro) entfielen 95 % bzw. 145,6 Mrd. Euro immerhin auf 106.647

    Steuerpflichtige (rund 12 %).

    Stand: Juli 2011 Körperschaftsteuerstatistik 2006

    - Unbeschränkt Steuerpflichtige*)

    0 %

    10 %

    20 %

    30 %

    40 %

    50 %

    60 %

    70 %

    An

    teil

    an d

    en K

    örp

    ersc

    haf

    tste

    uer

    pfl

    icht

    igen

    Verlustvortrag

    positiver Gesamtbetrag der Einkünfte (GdE)

    50 % der Verlustvorträge bzw. 288,1 Mrd. € entfallen auf 533

    Steuerpflichtige bzw. auf 0,06 % aller Körperschaftsteuerpflichtigen

    90 % der Verlustvorträge bzw. 518,7 Mrd. € entfallen auf 19.908 Steuerpflichtige bzw. auf 2,2 %

    aller Körperschaftsteuerpflichtigen

    95 % der Verlustvorträge bzw. 547,5 Mrd. € entfallen auf 49.332 Steuerpflichtige bzw. auf

    5,6 % aller Körperschaftsteuerpflichtigen während 95 % der positiven Gesamtbeträge der Einkünfte bzw. 145,6 Mrd. € auf 106.647

    Steuerpflichtige bzw. auf 12% aller Körperschaftsteuerpflichtigen entfallen

    5%

    10 %

    15 %

    20 %

    25 %

    30 %

    35 %

    40 %

    45 %

    50 %

    55 %

    60 %

    65 %

    70 %

    75 %

    80 %

    85 %

    90 %

    95 %

    100

    %

    Anteil am gesamten positiven Gesamtbetrag der Einkünfte bzw. am Gesamtverlustvortragsvolumen

    Quelle: Statistisches Bundesamt *) Ohne Organgesellschaften und ohne Steuerbefreite o

    hne

    Ver

    lust

    vort

    rag

    mit

    neg

    ativ

    em G

    dE

    In welcher Höhe es sich bei den festgestellten körperschaftsteuerlichen Verlustvorträgen um

    Verluste von Steuerpflichtigen handelt, die voraussichtlich keine oder nur geringe Gewinne

    erzielen werden oder sich in Liquidation befinden, sodass sich diese Verluste steuerlich nicht

    oder nur zum Teil auswirken werden, kann aus den vorhandenen bundesweiten Daten nicht

    abgeleitet werden.

    Eine ausführliche Übersicht über die Konzentration der Verlustvorträge bei Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Einkommensteuer findet sich in Anlage 3 dieses Berichts.

    25

    40

    http:Steuerbefreite).40

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    Gewinne und Verluste der unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen41 haben sich nach den

    amtlichen Körperschaftsteuerstatistiken seit 1992 wie folgt entwickelt:

    Gewinnfälle (Fälle mit

    positivem

    Gesamt

    betrag der

    Einkünfte)

    Verlustfälle (Fälle mit

    negativem

    Gesamt

    betrag der

    Einkünfte)

    KSt-Pflichtige insgesamt

    positive

    Gesamt

    beträge der

    Einkünfte

    negative

    Gesamt

    beträge der

    Einkünfte

    Inan

    spruch

    nahme

    des

    Verlust

    vortrags

    Steuer

    belas

    tete

    Nicht

    steuer

    belas

    tete

    in Tsd. in Mrd. € in Tsd.

    1992 261,0 267,9 528,9 59,0 49,3 3,8 248,9 280,0

    1995 373,1 263,6 636,7 82,1 55,7 14,5 243,9 392,9

    1998 442,6 273,6 716,2 127,0 45,0 25,3 270,7 445,5

    2001 500,2 289,8 790,0 114,4 85,7 19,6 295,3 494,7

    2004 520,2 296,2 816,5 106,2 56,5 16,9 321,3 495,1

    2005 540,3 298,4 838,7 129,9 49,5 23,6 337,1 501,6

    2006 597,0 291,8 888,8 153,2 51,2 24,6 382,7 506,1

    Quelle: Statistisches Bundesamt

    Im Durchschnitt der im Zeitraum von 1992 bis 2006 statistisch erfassten Werte der

    Körperschaftsteuerstatistik

    • betragen die negativen Einkünfte rund 51 % der positiven Einkünfte; am aktuellen Rand (2006) rund ein Drittel;

    • erzielen jedes Jahr 62 % der Körperschaftsteuerpflichtigen positive Einkünfte und 38 % negative Einkünfte;

    • sind umgekehrt jedes Jahr rund 40 % der Körperschaftsteuerpflichtigen mit Körperschaftsteuer belastet (festgesetzte Körperschaftsteuer ist positiv) und rund 60 % der

    Körperschaftsteuerpflichtigen zahlen keine Körperschaftsteuer (festgesetzte

    Körperschaftsteuer ist 0). Die im Vergleich zur Anzahl der Gewinnfälle starke

    Verringerung der Körperschaftsteuerzahler ist in erster Linie auf die Inanspruchnahme des

    Verlustvortrags zurück zu führen. Beispielweise gab es 2006

    o 597 Tsd. Gewinnfälle (positiver Gesamtbetrag der Einkünfte)

    o 233 Tsd. Fälle mit Inanspruchnahme des Verlustvortrags

    o 380 Tsd. Körperschaftsteuerzahler (Fälle mit positiver festgesetzter

    Körperschaftsteuer).

    (cc) Entwicklung des Zuwachses der Verlustvorträge Der Zuwachs des Bestands an Verlustvorträgen ergibt sich in jedem Jahr als Saldo aus dem

    Abbau des zu Jahresanfang vorhandenen Bestands an Verlustvorträgen (beispielsweise durch

    Ohne Organgesellschaften und ohne Steuerbefreite

    26

    41

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    Verrechnung mit Gewinnen) und dem Zuwachs aus den im jeweiligen Jahr neu entstandenen

    Verlusten, die nicht verrechnet werden konnten.

    Da der jährliche Verbrauch der Verlustvorträge durch Verrechnung oder Wegfall im Zeitraum

    von 1992 bis 2006 stets wesentlich niedriger war als die Summe der neu entstandenen

    Verluste, ist das Volumen der festgestellten Verlustvorträge im Zeitraum von Ende 1991 bis

    Ende 2006 pro Jahr um durchschnittlich rund 35 Mrd. Euro angewachsen (vgl. B. III. 3. d) aa)

    (1)). Aus diesem Grund konnten die Verlustvortragsbestände nicht abgebaut werden.

    Dies wird auch aus der nachfolgenden Grafik deutlich, in der die Inanspruchnahme des

    Verlustvortrags zu der Summe der negativen Gesamtbeträge der Einkünfte ins Verhältnis

    gesetzt wird. Dieser Anteil bleibt regelmäßig unter der Marke von 50 %. Er müsste jedoch

    nachhaltig über 100 % hinausgehen, um zu einem schrittweisen Abbau der hohen Bestände an

    Verlustvorträgen zu führen.

    Inanspruchnahme des Verlustvortrags in % der Summe der negativen Gesamtbeträge der Einkünfte der unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen*

    0%

    10%

    20%

    30%

    40%

    50%

    60%

    1992 1995 1998 2001 2004 2005 2006

    Jahr

    *1992, 1995, 1998, 2001, 2004 Werte der Bundesstatistik, 2005, 2006 Werte der Geschäftsstatistiken; restliche Jahre interpoliert; ohne Steuerbefreite und ohne Organgesellschaften

    27

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    In der nachfolgenden Grafik wird der Verlustverbrauch (durch Inanspruchnahme von

    Verlustvorträgen) zur Summe der positiven Gesamtbeträge der Einkünfte ins Verhältnis

    gesetzt:

    Inanspruchnahme des Verlustvortrags in % der Summe der positiven Gesamtbeträge der Einkünfte der unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen*

    0%

    10%

    20%

    30%

    40%

    50%

    60%

    1992 1995 1998 2001 2004 2005 2006

    Jahr

    *1992, 1995, 1998, 2001, 2004 Werte der Bundesstatistik, 2005, 2006 Werte der Geschäftsstatistiken; restliche Jahre interpoliert; ohne Steuerbefreite und ohne Organgesellschaften

    Die Grafik zeigt, dass von den positiven Gesamtbeträgen der Einkünfte weniger als 20 % mit

    Verlustvorträgen verrechnet werden.

    28

  • AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht

    Ein Gesamtbild lässt sich der nachstehenden Grafik entnehmen, in der der Bestand der

    körperschaftsteuerlichen Verlustvorträge Ende 2006 sowie die aufaddierten Jahresbeträge

    • der positiven Gesamtbeträge der Einkünfte, • der negativen Gesamtbeträge der Einkünfte sowie • des Verlustabzugs

    der 15 Jahre von 1992 bis 2006 (Jahre zwischen den Statistikjahren sind interpoliert)

    dargestellt sind.

    Summe der positiven und negativen Gesamtbeträge der Einkünfte im Vergleich zur Inanspruchnahme der Verlustvorträge von unbeschränkt

    Körperschaftsteuerpflichtigen in den Statistikjahren ab 1992 bis 2006*

    positiver Gesamtbetrag der

    Einkünfte (vor Verlustverrechnung)

    der Gew innfälle 1.654 Mrd. €

    negativer Gesamtbetrag der

    Einkünfte der Verlustfälle 842 Mrd. €

    Inanspruchnahme Verlustvortrag

    275 Mrd. €

    Bestand der Verlustvorträge am

    31.12.2006 576 Mrd. €

    0,0

    200,0

    400,0

    600,0

    800,0

    1000,0

    1200,0

    1400,0

    1600,0

    Mrd

    . €

    * 1992, 1995, 1998, 2001, 2004 Werte der Bundesstatistik, 2005, 2006 Werte der Geschäftsstatistik, 1993, 1994, 1996, 1997, 1999, 2000, 2002, 2003 interpolierte Werte; ohne Steuerbefreite und ohne Organgesellschaften

    (dd) Verlustvorträge nach Branchen

    Die Verlustvorträge verteilen sich nach den Daten der Körperschaftsteuerstatistik auf

    folgende Branchen:

    29

  • Mrd

    . €

    Ver

    arbe

    itend

    es G

    ewer

    be

    Ene

    rgie

    -un

    dW

    asse

    rver

    sorg

    ung

    Bau

    gew

    erbe

    Han

    del;

    Inst

    andh

    altu

    ng u

    ndR

    epar

    atur

    von

    Kra

    ftfah

    rzeu

    gen

    und

    Geb

    rauc

    hsgü

    tern

    Ver

    kehr

    und

    Nac

    hric

    hten

    über

    mitt

    lung

    Kre

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    und

    Ver

    sich

    erun

    gsge

    wer

    be

    Gru

    ndst

    ücks

    -un

    dW

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    , Ste

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    und

    Unt

    erne

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    g, (

    …)

    Man

    agem

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    von

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    ding

    gese

    llsch

    afte

    n

    sons

    tige

    Erb

    ringu

    ng v

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    2)

    Veränderung des verbleibenden Verlustvortrags zwischen 2001 und 2006 nach Branchen 1)

    110 104,7

    100 94,4 92,6 verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.2001

    90 verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.2006

    80 74,3

    70

    61,0 58,5

    60

    51,0 47,4 50

    42,8 40,2

    37,9 36,9 36,8 40 32,5 30,9

    30 24,5 20,4 18,6 17,3 17,1 20

    8,7 8,0 10

    0

    AG

    „Verlustverrechnung und G

    ruppenbesteuerung“ B

    ericht

    1) Alle Körperschaftsteuerpflichtigen, ohne Organgesellschaften, ohne Steuerbefreite 2) Land- und Forstwirtschaft; Fischerei und Fischzucht; Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden; Gastgewerbe; Vermietung beweglicher Sachen ohne Bedienungspersonal, Datenverarbeitung und Datenbanken, Forschung und Entwicklung,

    Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung; Erziehung und Unterricht; Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen

    30

  • 30%

    25%

    20%

    15%

    10%

    5%

    0%

    Durchschnittliche jährliche prozentuale Veränderung des verbleibenden Verlustvortrags zwischen 2001 und 2006 nach Branchen 1)

    28,6%

    13,7% 12,7% 12,7%

    durchschnittliche jährliche prozentuale Veränderung des verbleibenden Verlustvortrags insgesamt

    9,4% 9,1%

    5,7%

    8,7%

    2,1% 1,9% 1,6% 1,8%

    Ver

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