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Versicherungsforen-Themendossier Social Media: Geburtsort neuer Kommunikati- onsformen, zahlreicher Geschichten und kleiner Monster S6 Ergibt eins plus eins im- mer zwei? – Soziale Medi- en und Versicherungen S8 Der Troll – Eine unter- schätzte Spezies mit vielfältigen Formen S10 „Binden Sie User stärker in Ihre Content-Aktivitä- ten ein!“ Nr. 23/2016 | 16. Dezember 2016

Versicherungsforen-Themendossier...Analyse der Social-Media-Aktivitäten der 25 größten Versi-cherer, die die Versicherungsforen Leipzig im August dieses Jahres durchgeführt haben

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Page 1: Versicherungsforen-Themendossier...Analyse der Social-Media-Aktivitäten der 25 größten Versi-cherer, die die Versicherungsforen Leipzig im August dieses Jahres durchgeführt haben

Versicherungsforen-Themendossier

Social Media: Geburtsort neuer Kommunikati-onsformen, zahlreicher Geschichten und kleiner Monster

S6Ergibt eins plus eins im-mer zwei? – Soziale Medi-en und Versicherungen

S8Der Troll – Eine unter-schätzte Spezies mit vielfältigen Formen

S10 „Binden Sie User stärker in Ihre Content-Aktivitä-ten ein!“

Nr. 23/2016 | 16. Dezember 2016

Page 2: Versicherungsforen-Themendossier...Analyse der Social-Media-Aktivitäten der 25 größten Versi-cherer, die die Versicherungsforen Leipzig im August dieses Jahres durchgeführt haben

Abstract

Die Versicherungswirtschaft ist in den sozialen Netzen ange-kommen, so heißt es zumindest. Um zu überprüfen, ob dem auch wirklich so ist, haben die Versicherungsforen Leipzig im August 2016 die Social-Media-Aktivitäten der 25 größten Versicherer analysiert. Einen Einblick in die Ergebnisse bietet unser erster Themendossierbeitrag.

Doch worin liegt der Nutzen in der Auseinandersetzung mit den sozialen Netze? Gilt es Vertragsabschlüsse zu generie-ren, den Kunden neue Dialogwege zu bieten oder seine In-formationen zu streuen? Wohl von allem ein bisschen, wie Maria Braune und Julian Planitzer in ihrem Beitrag zeigen.

Dass die Kommunikation in den sozialen Netzen nicht immer freundlich abläuft, hat wohl jeder schon einmal mitbekom-men. Jedoch hat man es dabei nicht immer mit unzufriede-nen Kunden zu tun, manche User beleidigen und schimpfen einfach aus Spaß an der Freunde. Wie man mit dieser spezi-ellen Spezies – genannt Troll – umgehen kann, erklärt Julia Ende.

Als „Content-Enthusiastin“ weiß Miriam Löffler genau, wor-auf es bei einer schlüssigen Content-Strategie ankommt. Im Interview erzählt sie uns, worauf eine solche fußt und wo in der Versicherungswirtschaft diesbezüglich noch Verbesse-rungsbedarf besteht.

Nicht immer hat ein Unternehmen Freudiges zu berichten. Doch gerade in Krisenzeiten gilt es, die Kommunikation nicht auszusetzen, sondern proaktiv auf Kunden und Öffentlichkeit zuzugehen – auch über die sozialen Netze. Worauf es bei der Krisenkommunikation in Social Media ankommt und was die Versicherungsbranche diesbezüglich von der Luftfahrtbran-che lernen kann, zeigt Julia Ende in ihrem zweiten Beitrag mit einem kleinen Blick über unsere Branchengrenzen hinaus.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!

Inhaltsübersicht

Status quo: Die Assekuranz in den sozialen Medien 3

Ergibt eins plus eins immer zwei? – Soziale Medien und Versicherungen 6

Der Troll – Eine unterschätzte Spezies in vielfältigen Formen 8

„Binden Sie User stärker in Ihre Content-Aktivitäten ein!“ 10

Social Media in der Krisenkommunikation – Was wir von Lufthansa/Germanwings und Malaysia Airlines lernen können 12

Versicherungsforen in eigener Sache 15

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Status quo: Die Assekuranz in den sozialen Medien

Seit Jahren wird der Assekuranz attestiert, dass sie endlich auf den Zug, der sich Web 2.0 nennt, aufspringen muss, be-vor es zu spät ist. Dabei haben einige Versicherer mehr Likes auf Facebook als die Deutsche Telekom, die Sparkasse oder Greenpeace Deutschland. Wem kann man also trauen: den Schwarzmalern oder den Zahlen? Ich habe mich in diesem Artikel für die Zahlen entschieden. Diese stammen aus einer Analyse der Social-Media-Aktivitäten der 25 größten Versi-cherer, die die Versicherungsforen Leipzig im August dieses Jahres durchgeführt haben.

Neben quantitativen Daten wie der Anzahl von Likes auf Facebook oder Followern auf Twitter und Google+ wurden dabei auch qualitative Elemente wie Themenschwerpunkte erhoben. Welche Versicherer genau unter die Lupe genom-men wurden, zeigt folgende Abbildung.

Versicherer Rang n. Brutto-beitragseinnamen

Rang n. Anzahl der Mitarbeiter

Allianz SE 1 1

Munich RE 2 2Talanx AG 3 4Allianz Deutschland AG 4 6Generali Deutschland Holding AG

5 8

Hannover Re SE 6 21ERGO Versicherungs-gruppe AG

7 3

R+V Versicherung 8 7Debeka Versicherun-gen

9 5

Versicherungskammer Bayern

10 12

Zurich Gruppe 11 14HUK-Coburg Versiche-rungsgruppe

12 9

Signal Iduna Gruppe 13 11AachenMünchener Le-bensversicherung AG

14 23

Versicherer Rang n. Brutto-beitragseinnamen

Rang n. Anzahl der Mitarbeiter

Nürnberger Versiche-rungsgruppe

15 16

DKV Deutsche Kran-kenversicherung AG

16 –

Gothaer Versiche-rungsbank VVaG

17 13

Alte Leipziger-Hal-lesche

18 20

Wüstenrot & Württem-bergische AG

19 10

HDI Global SE 20 22AXA Versicherung AG 21 17SV Sparkassen Versi-cherung

22 15

LVM-Versicherung 23 18DEVK Versicherungen 24 19Continentale Kranken-versicherung

25 24

untersuchte Kanäle: Facebook, Twitter, YouTube, Instagram, Snapchat, Flickr, Periscope, Pinterest, Kununu, Unterneh-mensblogs, WhatsApp, LinkedIn, Google+, Xing

Welche Kanäle bespielen die Versicherer?

Aus der Analyse geht hervor, dass die 25 Versicherungsunter-nehmen durchschnittlich fünf der untersuchten Kanäle pfle-gen. Mindestens einen Kanal unterhält jedes Unternehmen. Spitzenreiter sind mit acht Profilen die R+V Versicherung, die Gothaer Versicherungsbank VVaG, die Wüstenrot & Württem-bergische AG sowie die DEVK Versicherungen.

Dass es auf Kununu von den meisten Versicherern ein Profil gibt, zeigt, wie wichtig die Darstellung als Arbeitgeber online ist. Da in der Analyse allerdings nicht unterschieden wurde, ob das Unternehmen das Kununu-Profil aktiv mitgestaltet

Abbildung 1; Liste der analysierten Unternehmen nach Größe und untersuchten Kanälen

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hat, ist die Zahl weniger aussagekräftig. Betrachtet man hin-gegen die unternehmenseigenen Kanäle, so fällt auf, dass Facebook erwartungsgemäß von den meisten Unternehmen genutzt wird. Auch XING und YouTube gehören mittlerweile zum Standard im Social-Media-Spektrum. WhatsApp, Flickr, Pinterest, Periscope, Snapchat und Instagram spielen aktuell eine untergeordnete Rolle.

Kanäle Nutzung durch

Versicherer (von 25)

Verweis von Versicherer-Webseite

auf externen Kanal

(von 25)

Differenz (Auf wie viele ex-terne Kanäle wird von der Webseite aus nicht verwie-

sen?)Kununu 23 2 21Facebook 21 17 4XING 21 15 6YouTube 20 13 7Twitter 17 15 2Google+ 12 10 2Unterneh-mensblogs

9 5 4

LinkedIn 7 0 7Instagram 3 3 0WhatsApp 1 0 1Flickr 1 0 1Snapchat 0 0 0Periscope 0 0 0Pinterest 0 0 0

Auffällig ist auch, dass einige Versicherer auf ihrer Websei-te nicht auf alle externen Kanäle verweisen. Das kann zum einen ein Hinweis darauf sein, dass diese sozialen Medien eher stiefmütterlich gepflegt werden. Andererseits kann man daran erkennen, dass die Versicherer eher von einem be-stimmten Kanal ausgehen und versuchen, dessen User zu erreichen. Die Chance, von der Webseite auf einen externen Kanal geleitet zu werden, wird hingegen in vielen Fällen als sekundär eingeschätzt.

Wie aktiv sind die Versicherer?

Neun der 25 Versicherer veröffentlichen täglich einen Post auf Facebook. Zehn posten mehrmals pro Woche und nur ein Versicherer einmal wöchentlich. Die Facebook-Accounts haben insgesamt zwischen 121 und 361.424 Likes. Daran lässt sich erkennen, dass nicht alle Versicherer in den so-zialen Medien erfolgreich sind. Die Versicherer, die häufiger posten, haben nicht automatisch mehr Likes. Es kommt also vorrangig auf die Qualität der Beiträge an.

Wie aktiv sind die Kunden?

Um diese Frage zu beantworten, wurden die Anzahl der Likes, der Shares und der Kommentare pro Post erhoben. An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es sich dabei um eine Momentaufnahme vom August 2016 handelt.

Die Beiträge von 16 der 25 Versicherer werden weniger als 100 Mal gelikt. Damit haben die Beiträge eine eher gerin-ge Reichweite, was u. a. auf den fehlenden Mehrwert für den Kunden zurückzuführen sein könnte. Zudem generiert mehr als die Hälfte der Versicherer durchschnittlich weniger als 50 Shares pro Artikel. Die Beiträge der Aachen Münche-ner Lebensversicherung AG und der Allianz Deutschland AG werden hingegen mehr als 100 Mal und damit am häufigsten geteilt. Die Posts der Allianz Deutschland AG werden auch am häufigsten kommentiert. Mit mehr als zehn Kommentaren pro Post ist sie gemeinsam mit dem Kanal der HUK Coburg Spitzenreiter in dieser Kategorie. Die LVM-Versicherung, die SV Sparkassen Versicherung, die Nürnberger Versicherungs-gruppe und die Wüstenrot & Württembergische AG antwor-ten systematisch auf Kommentare.

Diese Zahlen lassen unterschiedliche Strategien für den Um-gang mit der Facebook-Interaktion erkennen: Manche Ver-sicherer verwenden die Plattform als Dialogmöglichkeit mit einzelnen Kunden und nehmen dafür eine geringere Reich-weite in Kauf, andere nutzen die Viralität bei Facebook primär zur einseitigen Informationsverbreitung.

Welche Inhalte werden über die Sozialen Medien verbreitet?

Die Profile wurden außerdem auf ihre thematische Aus-richtung hin untersucht. Dabei war eine eindeutige Zuord-nung nicht immer möglich. Trotzdem ergab diese Betrach-tung, dass die Versicherungen, über alle Kanäle betrachtet, ein breites Themenspektrum anbieten: Die Beiträge gehen häufig über reine Produktinformationen hinaus und sind als Mehrwert für den Kunden angelegt. Daneben spielt auch die Rekrutierung neuer Mitarbeiter bei der strategischen Ausrich-tung eines Social-Media-Kanals eine wichtige Rolle. So sind die Themen Karriere & Ausbildung am dritthäufigsten.

Abbildung 2; Nutzung der Sozialen Medien durch Versicherer

0

5

10

15

20

25

Anza

hl V

ersi

cher

er

Beliebte Themenschwerpunkte

Abbildung 3; Themenschwerpunkte der Kanäle (Mehrfachnen-nung möglich)

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Etwa die Hälfte der Versicherer befüllt mehrere Kanäle mit den gleichen Inhalten. Das lässt darauf schließen, dass eini-ge Unternehmen soziale Medien als einen Kanal verstehen, die andere Hälfte hingegen bereits eine differenzierte Social-Media-Strategie ausgearbeitet hat.

Bei der Betrachtung der Facebook-Profile der Versicherer mit den meisten Likes fällt auf, dass diese nicht mit einem Thema erfolgreich Likes akkumulieren, sondern auf eine Themen-vielfalt setzen. Die Zurich Gruppe, deren Profil mit Abstand die meisten Likes hat (361.424), postet häufig zu den The-men Sport und Soziales. Auch Versicherungs-, Ratgeber- und Karrierethemen werden Beiträge gewidmet.

Sind große Unternehmen auch große Social-Media-Player?

Setzt man die Anzahl der Likes mit der Höhe der Bruttobei-tragseinnahmen ins Verhältnis, so wird deutlich, dass die Zu-rich Gruppe und die DEVK deutlich mehr Likes haben, als es die Unternehmensgröße erwarten lassen würde. Zum glei-chen Ergebnis kommt man, wenn man die Unternehmens-größe nach der Anzahl der Mitarbeiter bestimmt. Bei den Followern auf Twitter und Google+ ist diese Tendenz aller-dings nicht vorhanden. Daran kann man erkennen, dass kein Unternehmen auf allen Kanälen, die es bespielt, führend ist. Vielmehr konzentrieren sich die Unternehmen auf bestimmte Plattformen.

Dass man von der Größe des Unternehmens nicht auf den Erfolg in den sozialen Medien schließen kann, zeigt ebenfalls, dass man sich im Web 2.0 qualitativ vom Wettbewerb abhe-ben muss.

Fazit

Die Assekuranz ist auf den Zug Web 2.0 aufgesprungen. Das sieht man u. a. daran, dass die untersuchten Versicherungen durchschnittlich mehr als einen Kanal bespielen. Die meis-ten Versicherer befüllen diese auch regelmäßig. Dass bspw. die Rekrutierung ein wichtiges Thema in den Beiträgen ist, zeigt, dass die Versicherungswirtschaft von der Reichweite und den Dialogmöglichkeiten der Sozialen Netzwerke profi-tieren möchte.

Aus der Analyse geht außerdem hervor, dass Versicherer auf einzelne Kanäle setzen. Deshalb ist dieser Überblick über die Social-Media-Aktivitäten der Versicherer auch als quantitati-ver Querschnitt zu verstehen – die Qualität muss hingegen für jeden Kanal individuell bestimmt werden. Die großen Unterschiede bspw. bei den Likes sind zum einen auf die Spezialisierung auf einzelne Kanäle zurückzuführen und zum anderen auf die unterschiedlich weit fortgeschrittene Imple-mentierung der sozialen Medien bei den Versicherern.

AUTOR

Julian PlanitzerAssistent im Team »Unternehmenskommu-nikation & Partnerbetreuung«Versicherungsforen Leipzig GmbH

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Ergibt eins plus eins immer zwei? – Soziale Medien und Versicherungen

Überall und immer wieder liest man, dass die Nutzungszah-len von sozialen Medien stetig ansteigen. Gleichzeitig wollen Versicherer ihre Themen und Beratungsleistungen mit immer höherer Reichweite kommunizieren. Oft wird dann nur noch eins und eins zusammengezählt: Durch die Einrichtung der Social-Media-Kanäle kann ich meine Themen an eine große Anzahl von Nutzern kommunizieren. Aber ist das wirklich im-mer erfolgversprechend? Hier sollen die Erkenntnisse einiger Studien zur Nutzung von Social-Media-Kanälen der Versiche-rer vorgestellt werden.

Jeder der 25 größten Versicherer bespielt durchschnittlich ca. fünf Social-Media-Kanäle. Dies geht aus einer Analyse der Versicherungsforen Leipzig vom August 2016 hervor. (siehe Seite 3ff.) Was viele als Siegeszug neuer Kommunikationskanäle ver-stehen, ruft auch viele Skeptiker auf den Plan: Wer soll die-se Vielzahl an Kanälen überhaupt nutzen? Sind wirklich alle davon nötig? Vertrauen Versicherungskunden der digitalen Kommunikation überhaupt?

Soziale Medien – Nutzungszahlen bleiben hinter Erwartungen zurück

Viele Studien zeigen, dass die Potenziale im Bereich Social Media von Versicherern noch nicht ausgeschöpft werden, wie auch ein Blick in aktuelle Nutzungszahlen verrät. Die größte deutsche Versicherung, die Allianz Deutschland, hat laut ei-genen Angaben rund 20 Millionen Kunden1, aber nur 344.837 „Gefällt-mir“-Angaben auf Facebook (Stand: August 2016). Das entspricht ca. 1,7 Prozent. Bei den anderen Versiche-rern der Top 20 sehen die Zahlen nicht anders aus: Weniger als ein Prozent der Generali- und ERGO-Kunden finden sich bei den Likes auf Facebook wieder. Hinzu kommt, dass die Mehrheit der Facebook-Nutzer auf den Seiten der Versicherer inaktiv ist.2

1 Allianz: Unternehmensbroschüre, Online unter: https://www.allianz.com/media/current/images/pdf/070312_broschuere_secure.pdf2 IT-Finanzmagazin: Absolit-Studie 2016: Viele Versicherungen verschlafen Social Media, Online unter: http://www.it-finanzmagazin.de/absolit-studie-2016-viele-versi-cherungen-verschlafen-social-media-32145

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Ergeb-nisse einer Studie von Faktenkontor aus dem Jahr 2015: 82 Prozent der Social-Media-Nutzer in Deutschland haben inner-halb von sechs Monaten keine Aktivitäten von Versicherern im Web 2.0 wahrgenommen.3 Die hypothetischen Potenziale der Kanäle für Vertragsab-schlüsse werden also von Studien regelmäßig bestätigt, aber über die tatsächliche Wertschöpfung in Form von Abschlüs-sen liegen nur wenige Studienergebnisse vor. Ein Hindernis, auch neue Wege der Kundeninteraktion auszuprobieren – was sicherlich auch zu den Grundgedanken sozialer Medien zählt – scheint dies jedoch nicht zu sein, wie folgende Bei-spiele zeigen.

WhatsApp und Skype unbedingt nötig?

Neuerdings wird bspw. WhatsApp als Kanal für den Kunden-service immer stärker diskutiert. So beraten die ERGO Direkt seit November 2015 und die Hannoversche seit Dezember 2015 ihre Kunden über den Messenger. Viele weitere Versi-cherungsunternehmen haben WhatsApp inzwischen in ihren „Kommunikationsmix“ integriert.

Im Zeitalter der Omnikanalstrategien wird auch der Video-telefonie-Dienst Skype zur Kommunikation mit den Kunden genutzt, beispielsweise von der Ergo Direkt seit 2011.

Doch wenn in Artikeln für die Implementierung dieser Kanäle plädiert wird, werden vorrangig dieselben beiden Argumente benutzt wie für Social-Media-Angebote insgesamt: Die Ka-näle haben eine hohe Reichweite. Und zweitens: Zahlreiche Umfragen ergeben, dass sich viele WhatsApp- und Skypenut-zer vorstellen könnten, mit ihrer Versicherung via Messenger zu kommunizieren.4 Dabei liegt die Betonung auf vorstellen können, Studienergebnisse zur tatsächlichen finanziellen Wertschöpfung via Messenger sind wiederum gesät.

3 Faktenkontor: Banken und Versicherer: Kaum sichtbar im Social Web, Studie zeigt Nachholbedarf von Finanzdienstleistern im Web 2.0, Online unter: http://www.presseportal.de/pm/52884/30430784 experten Report: Versicherer und Krankenkassen werden social, Online unter: http://www.experten.de/2016/06/30/versicherer-und-krankenkassen-werden-social/

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Twitter zur Revolutionierung des Kundenservices?

Eine weitere interessante Neuerung bietet sich für Versiche-rer anlässlich der Anfang Oktober vom Kurznachrichtendienst Twitter gelaunchten Bots, die in privaten Direktnachrichten mit Kunden kommunizieren. Zu den ersten Kunden gehören Evernote und PizzaHut; auf dem Twitterkanal des Pizzaliefe-ranten können Kunden bereits direkt ihre Bestellung aufge-ben. Zum einen bietet der Dienst die automatische Begrü-ßung des Kunden im Nachrichtenverlauf, sodass dieser nicht den ersten Schritt machen muss. Über die Funktion ‚schnelle Antworten‘ kann der Kunde dann entweder aus vorgegebe-nen Antwortoptionen wählen oder wird durch die Eingabe der vom Kundendienst benötigten Parameter geleitet. War-tezeiten können somit reduziert werden und bevor es zum ersten Kontakt zwischen Kundenservicemitarbeiter und Kun-de kommt, liegen alle erforderlichen Informationen schon bereit.

Dass die Versicherungswirtschaft die Nutzung von Chatbots bereits ins Auge gefasst hat, zeigt das Pilotprojekt der bereits erwähnten Ergo Direkt mit dem Insurtech Insurgram (mittler-weile Insurista), über das der Versicherungsbote berichtete. Dabei soll die Kundenberatung für die Produkte Haftpflicht-, Reise- und Zahnzusatzversicherung über die Nachrich-tenfunktion sozialer Netzwerke wie Twitter, Facebook und WhatsApp vereinfacht werden und kommt zudem den Kom-munikationsgewohnheiten der Millennials (auch Generation Y genannt) entgegen. Ziel nach Beendigung der Testphase sei es, einen Chatbot zu entwickeln, der intelligent lernt und so immer größere Teile der Kundenkommunikation selbstständig übernehmen kann. Ob die von Twitter entwickelten Automa-tismen innerhalb der Nachrichtenfunktion den Kundenservice auf ähnliche Weise revolutionieren können und Twitter sich somit in Zukunft stärker als Vertriebskanal für die Versicherer profilieren kann, bleibt abzuwarten.

Gerade das Beispiel Twitter zeigt, dass selbst weniger be-deutend erscheinende Social-Media-Plattformen (auf Twitter pflegen laut Wissensdienstleister ‚As im Ärmel‘ lediglich 121 von 210 betrachteten Versicherer einen Account und alle Versicherungsfeeds zusammen haben knapp so viele Follo-wer wie die größten drei Versicherer-Facebookseiten) immer wieder neue Formen der Kundeninteraktion schaffen können. Insbesondere aufgrund der Schnelllebigkeit und Veränderun-gen der sozialen Netze sind pauschale Urteile über die (Un-)Sinnhaftigkeit einzelner Kanäle mit Vorsicht zu genießen.

Möchte man dennoch das Potenzial einzelner Social-Media-Kanäle für die Assekuranz bestimmen, muss man sich be-wusst sein, dass eine Unterscheidung zwischen öffentlichen Social-Media-Profilen und nicht öffentlichen Social-Media-Profilen vorzunehmen ist.

Erstere umfassen für jeden sichtbare Fanpages der Versiche-rungen und geben darüber Aufschluss, ob der Kanal zur In-formationsverbreitung und Reichweitengenerierung geeignet ist. Dies lässt sich relativ einfach über die Anzahl der Follo-wer, Likes und Beitragskommentare ermitteln.

Möchte man das tatsächliche Wertschöpfungspotenzial der sozialen Medien aufzeigen, sollte man aber nicht nur die Nut-zungszahlen dieser öffentlichen Profile als Argument nutzen. Vielmehr müssen hier auch die nicht öffentlichen Nachrichten an Versicherungsvertreter ausgewertet werden, was sich für Außenstehende selbstverständlich deutlich schwieriger ge-staltet.

Fazit

Dass aus der Pflege von Social-Media-Kanälen für Versicherer Vorteile abseits der monetären Wertschöpfung erwachsen, ist inzwischen zu Genüge bestätigt. Dass neue Vertragsab-schlüsse über Social Media generiert werden, belegen bislang hingegen keine Zahlen. Doch vielleicht sollte das auch nicht das vordergründige Ziel der sozialen Medien sein. Sind sie nicht viel mehr als Spielwiese für neue Formen der Kunden-interaktion und Gestaltung der – immer stärker umkämpften – Kundenschnittstelle zu verstehen? Sind sie nicht Mittel zum Zweck, die dringend nötige Kommunikation zum Kunden zu bringen, wenn dieser nicht mehr selbst mit dem Versicherer in Kontakt tritt? Es scheint also nicht ganz verkehrt, eins und eins zusammenzuzählen und durch die Einrichtung von Soci-al-Media-Kanälen, die eigenen Themen an eine große Anzahl von Nutzern zu kommunizieren. Es sollte bloß nicht wahllos jede Eins addiert werden. Denn jeder Kanal wartet mit seinen eigenen Eigenheiten, Zielgruppen, Potenzialen und Schwä-chen auf und die Betrachtung der sozialen Medien als ein Ka-nal, wie es einige Versicherer noch tun (siehe Artikel Status quo: Die Assekuranz in den sozialen Medien), greift zu kurz. Es gilt also, die „richtigen“ Einsen so zu addieren, dass deren Summe die Ziele der Versicherer bestmöglich erfüllt.

AUTOREN

Maria BrauneAssistentin im Team »Unter-nehmenskommunikation & Partnerbetreuung«Versicherungsforen Leipzig GmbH

Julian PlanitzerAssistentin im Team »Unter-nehmenskommunikation & Partnerbetreuung«Versicherungsforen Leipzig GmbH

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Der Troll – Eine unterschätzte Spezies in vielfältigen Formen

Gut 46 Prozent der Weltbevölkerung zählt mittlerweile zu den Internetnutzern. Zielte die Nutzung zunächst auf die reine Informationsbeschaffung ab, rückt die Interaktion zwischen den Nutzern mittlerweile mehr und mehr in den Vordergrund – nicht zuletzt dank der sozialen Netzwerke. Dass diese nicht immer freundlich abläuft, liegt insbesondere bei kontrover-sen Themen in der Natur der Sache. Einige nutzen jedoch den Deckmantel der Anonymität bewusst aus, um beleidi-gende und hasserfüllte Äußerungen zu streuen. Gelegenheit, diese zu äußern, gibt es genug: Facebook, Twitter, YouTube, Instagram, als auch Kommentare auf Blogs und Online-Zeit-schriften.

Nur ein Troll oder doch eine Sockenpuppe?

Mittlerweile hat sich in der Netzgemeinde der Begriff des Trolls etabliert. Gemeint sind damit jedoch nicht süße nordi-sche Fabelwesen, sondern Internetnutzer, die bewusst pro-vozieren, beleidigen und manipulieren. Der Grat zwischen unzufriedenen Kunden und Trollen ist gerade aus Unterneh-menssicht schmal aber elementar. Einige Anhaltspunkte ge-ben eindeutig Aufschluss darüber, ob es sich um einen Troll handelt oder um einen diskussionsfreudigen Nutzer. Aus die-sem Grund sollten die fraglichen Inhalte genau untersucht werden. Die wichtigsten Merkmale von Troll-Kommentaren sind Beleidigungen, persönliche Angriffe und Herabwürdi-gungen. Trollen fehlt es bei ihren Äußerungen oft an jeglicher Argumentationsgrundlage, sie diskutieren oft themenfremd und wiederholen sich häufig. Zudem werden Behauptungen nicht mit Quellen belegt bzw. die aufgeführten Quellen haben ganz andere Inhalte. In manchen Fällen wird auch das soge-nannte »Gish Galloping« angewandt, bei dem so viele (teils unwahre) Argumente und Aspekte aufgeführt werden, dass es dem Gegenüber unmöglich ist, auf all diese zu antworten.Schnell stellt sich die Frage, was für ein Ziel ein Troll verfolgt. Zunächst muss erwähnt werden, dass Langeweile ein ent-scheidender Faktor ist. Die extremen Äußerungen sollen zu-dem bei der Community Emotionen hervorrufen und einzelne Mitglieder gegeneinander aufwiegeln. Der Troll als Zuschauer

kann sich dann an den extremen Reaktionen erfreuen. Viele Trolle zielen zudem bewusst darauf ab, der Reputation eines Unternehmens oder einer Person zu schaden.1

Trolle, die mehrere Profile und somit auch mehrere Namen haben, werden als Sockenpuppen bezeichnet. Ziel dieses Vorgehens ist zum einen, die eigene Identität zu verbergen bzw. Sperrungen zu umgehen. Zum anderen soll damit dem Gegenüber das Gefühl vermittelt werden, einer breiten Masse an meinungsstarken Nutzern gegenüberzustehen. Enttarnt werden können Sockenpuppen nur anhand ihres sich eindeu-tig wiederholenden Schreibstils und Argumentationsstrangs oder an der oftmals wenig einfallsreichen Namensgebung.2

Trolls just want to have fun

Eine aktuelle Studie mit dem Titel »Trolls just want to have fun« hat sich mit der Persönlichkeit von Trollen beschäftigt und einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Be-dürfnis zu trollen und der sogenannten »Dunklen Tetrade« hergestellt. Diese besteht aus den vier negativen Eigen-schaften Machiavellismus, Narzissmus, Psychopathie und Sadismus, wobei drei davon mit den Trollen signifikant in Verbindung gebracht werden können. Lediglich zwischen narzisstischen Charakterzügen und Trollverhalten besteht laut der Studie keine Verbindung. Am stärksten konnte diese zum Persönlichkeitsmerkmal des Sadismus hergestellt wer-den. Demnach wollen sadistische Trolle einfach nur Spaß haben, indem sie andere leiden lassen. Das Internet ist da-für der perfekte Spielplatz, sodass viele nur mit dem Ziel zu trollen online gehen.3

1 Aaron Huertas (2016): „Constructively dealing with trolls in science communica-tion“, Online unter: http://sciencecommunicationmedia.com/constructively-dealing-with-trolls-in-science-communication/2 Michael Blume (2012): „Trollkunde – Sockenpuppen, Cranks, Hater und ihnen ein Song“, Online unter: http://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/trollkunde-sockenpuppen-cranks-und-hater/3 Lars (2014): „Trolls just want to have fun – über die Persönlichkeit von Internet-Trollen“, Online unter: http://www.typentest.de/blog/2014/07/trolls-just-want-to-have-fun-uber-die-personlichkeit-von-internet-trollen/

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Don´t feed the troll

Da Trolle gravierende Auswirkungen auf das Image eines Un-ternehmens haben können, besteht die Herausforderung für Unternehmen nicht nur in der Identifikation, sondern auch in der angemessenen Reaktion. Im Netz hat sich mittlerweile das Credo »Don´t feed the troll« etabliert. Konkret bedeu-tet das, sich auf keine Konversation einzulassen, den Troll zu ignorieren und ihm somit die Diskussionsgrundlage zu nehmen. Dies gilt allerdings nicht bei allen Inhalten. Werden bewusst Drohungen gegen das Unternehmen oder eine Per-son ausgesprochen oder auf andere Art und Weise gegen die Nutzungsrichtlinien verstoßen, ist das Blockieren oder auch eine Anzeige durchaus angebracht. Entscheidet man sich für eine Gegenreaktion, dann sollte diese so neutral, freundlich und höflich wie möglich ausfallen. Die ausbleibenden emotio-nalen Reaktionen werden dem Troll die Freude am »Trollen« nehmen.4

Zudem hat auch bei einem Trollangriff Transparenz die höchste Priorität, was bedeutet, dass die unliebsamen Kom-mentare nicht gelöscht werden sollten. Dies wird schnell als Vertuschungsversuch interpretiert – und zwar von allen Nut-zern. Auch hier ist eine Löschung nur dann angebracht, wenn die Äußerungen als rechtswidrig einzustufen sind. Den Nut-zern sollte dann der Grund für die Löschung erklärt werden.

Auch Versicherer werden nicht verschont

Die Vorteile von Social Media sind längst auch in der Versi-cherungsbranche bekannt. Das bestätigt eine aktuelle Studie von As im Ärmel, bei der 206 deutsche Versicherer befragt wurden. Dass Social Media für die Versicherungsbranche kein Fremdwort ist, zeigen die folgenden Zahlen: insgesamt 853 Profile auf 22 verschiedenen Plattformen konnten in der Studie ausgemacht werden. Lediglich 16 Versicherer nutzen keinerlei Social Media.5

Gerade auf den Social-Media-Kanälen von Versicherungsun-ternehmen ist es schwer, zwischen frustrierten Kunden und einem waschechten Troll zu unterscheiden. Dies verdeutlicht Abbildung 1, die auf der Facebook-Seite der DKV Krankenver-sicherung beruht. In den Kommentaren, die über einen längeren Zeitraum hin-weg unter zahlreichen Posts der DKV veröffentlicht wurden, wird die Krankenversicherung herabgewürdigt und beleidigt. Ein fast wortgleicher Kommentar eines (anderen?) Nutzers, lässt sogar die Vermutung zu, dass es sich um eine Socken-puppe handelt. Dennoch muss an dieser Stelle hervorgeho-ben werden, dass auch in diesem Fall nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden kann, ob es sich um einen Troll handelt. Das Beispiel soll somit besonders veranschaulichen, wie schwer eine Entscheidung aus Unternehmenssicht ist.

4 Nora Horn (2016): „Bitte nicht füttern – der richtige Umgang mit Trollen“, Online unter: http://www.socialmediaakademie.de/blog/bitte-nicht-fuettern-der-richtige-umgang-mit-trollen/5 Martin Fiedel (2015): „Studie: Social Media Nutzung in der Versicherungsbranche“, Online unter: http://pr-blogger.de/2015/10/22/studie-social-media-nutzung-in-der-versicherungsbranche/

Letztendlich lässt sich festhalten, dass das Auftreten von Trollen sehr unterschiedlich sein kann und sowohl von der Plattform als auch vom Thema abhängig ist. Aus Unterneh-menssicht empfiehlt es sich daher, beim Umgang mit Trollen ein gesundes Mittelmaß zwischen Respekt und Gelassenheit zu finden. In diesem Sinne handelte übrigens auch die DKV, die auf nur einen der oben gezeigten Kommentare reagierte und den vermeintlichen Troll ansonsten besonnen ignorierte.

AUTORIN

Julia Ende Assistentin im Team »Unternehmenskom-munikation & Partnerbetreuung«Versicherungsforen Leipzig GmbH

Abbildung 1: Kommentarverlauf auf der DKV-Facebookseite

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„Binden Sie User stärker in Ihre Content-Aktivitä-ten ein!“Interview mit Miriam Löffler

Social Media funktioniert vor allem über Inhalte. Diese müs-sen relevant für die Zielgruppe sein und sollen einen Mehr-wert schaffen. Viele Unternehmen, insbesondere im Finanz-bereich, tun sich schwer mit dem richtigen Content und stellen sich in Anbetracht des rasanten Wachstums der sozi-alen Kanäle die Frage, welcher Inhalt auf welchem Kanal für ihre Zielgruppe relevant ist. Strategisches Vorgehen ist hier gefragt, weiß Miriam Löffler, freie Beraterin, Seminar-Leiterin, Dozentin, Coach und „Content-Enthusiastin“. Zudem ist sie die Autorin des Fachbuches „Think Content!“, eines der be-kanntesten deutschsprachigen Werke über Content-Strategie und Content-Marketing.

In einem Interview haben Sie gesagt, dass sich Unterneh-men im B2B-Bereich sehr schwer mit gutem Content tun, da sie ihn selber für zu technisch und unsexy halten. Diese Aussage könnte für Versicherungsunternehmen auch auf den B2C-Bereich zutreffen. Auch hier wird stetig an gutem Con-tent gefeilt. Was können die Unternehmen aus strategischer Sicht besser machen?

Als erstes können sie auf-hören, Print und Online ge-danklich zu trennen und sich darüber zu streiten, welcher der beiden Bereiche im Mar-keting höhergestellt ist. Die-se Diskussion musste ich vor Kurzem tatsächlich erneut in einem Workshop mit einem Versicherungsunternehmen führen. Sprich: Intern müssen die Teams eine bessere Ein-heit bilden, ein gemeinsames Verständnis für die anvisierten

Zielgruppen entwickeln und sich mehr auf die Bedürfnisse, Fragen und Wünsche ihrer Kunden konzentrieren. Viel zu viel Zeit wird in Grabenkämpfe zwischen einzelnen Abteilungen

investiert – vielfach aus Angst, einen aktuellen Status zu ver-lieren oder zu viele neue Aufgaben übernehmen zu müssen. Hier braucht es eine starke Führung seitens der Entscheider: Ängste nehmen, Motivation und Produktwissen aufbauen, Teams aufstellen – dann klären sich viele Content-Fragen auch nebenbei. Das heißt, strategisch sollte man zunächst in Wissensvermittlung, Prozesse und die Zusammensetzung der Teams investieren. Mit Wissen meine ich auch Content-Wissen (Zahlen, Fakten, Formate, Ziele).

Die sozialen Kanäle entwickeln sich rasant und es stellt sich stetig die Frage, welcher Kanal für mich als Unternehmen relevant ist. Erreiche ich hier meine Zielgruppe und vor allem, wie und mit welchen Inhalten erreiche ich sie? Was empfeh-len Sie Unternehmen, wenn es darum geht, den richtigen Content auf dem richtigen Kanal zu kommunizieren?

Erst einmal herauszufinden, was der richtige Content ist und wo sich die Zielgruppe jeweils bewegt. Wir haben heute die Möglichkeit, viel differenzierter in die Kundenkommunikation einzusteigen – mit weniger Streuverlusten. Ich kann eigene Kampagnen für bestimmte Altersgruppen oder Geschlechter entwickeln und die Inhalte auf den Kanälen ausspielen, wel-che von der jeweiligen Zielgruppe am meisten frequentiert werden. Auch die Tonalität kann ich je nach Kanal, auf dem ich die Zielgruppe anspreche, individuell anpassen. Das setzt voraus, dass ich ein Team habe, das sehr viel über seine Zielgruppe und deren User Journey weiß und genügend Zeit sowie Ressourcen zur Verfügung hat, um so differenziert zu arbeiten. Unter Kanälen verstehe ich nicht nur die Online-Kanäle: Eine crossmediale Denk- und Arbeitsweise ist heut-zutage essentiell. Vorausplanen lässt sich übrigens nicht alles – ein ausgeprägter Mut zum „Trial and Error“ ist gefordert sowie Entscheider, die das zulassen und nicht bei jeder Akti-on nach (keineswegs immer zielführenden) ROIs fragen. Die Diskussion über ROIs und das Hinauszögern von Entschei-dungen fressen im Ernstfall mehr Budget als das „Einfach-mal-anpacken-und-machen“. Was nicht bedeutet, dass Zah-

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len irrelevant sind – im Gegenteil: Ich bin ein großer Fan des Content-Controllings. Aber um dazuzulernen, müssen wir ab und an auch mal neue, nicht komplett vorhersehbare Wege beschreiten.

Sie haben einmal gesagt, dass vor allem Professionalität wichtig ist, um guten Content zu produzieren. Können Sie das näher erläutern?

Teams aufstellen und schulen, Verantwortung übergeben, Prozesse etablieren und die Mitarbeiter mit dem nötigen Wis-sen versorgen, das sie für ihre Arbeit benötigen: angefangen bei einem profunden Webwissen über Kenntnisse zur Ziel-gruppe und deren User Journey sowie die Auswahl passender Tools für die tägliche Arbeit bis hin zum Content-Controlling. Teams, die viel wissen, können mehr – und denen darf man dann auch gerne mehr Verantwortung und Entscheidungs-freiheit übertragen. Meiner Erfahrung nach hapert es in Fir-men im Bereich der digitalen Kommunikation vor allem an geschulten Mitarbeitern. Hier sollten mehr Budgets freige-schaufelt werden, um das Wertvollste, was ein Unternehmen hat – nämlich seine Mitarbeiter –, fit für die Zukunft zu ma-chen. Im Übrigen betrifft das nicht nur ältere Mitarbeiter: Ich bin oft erstaunt, dass auch dem Nachwuchs oft ein solides Web-Basiswissen oder profunde Marketingkenntnisse fehlen.

Zu einer Professionalisierung gehört sicher auch das Thema Coaching. Viele Teams haben Angst vor Veränderung und Überforderung. Daher sollte man im Rahmen des Change-Management-Prozesses auch auf diese Befindlichkeiten ein-gehen, damit keine Blockaden entstehen, die Projekte oder notwendige Umstrukturierungsmaßnahmen am Ende nur un-nötig in die Länge ziehen. Ich empfehle zum Start immer ei-nen Team-Audit, in dem die Stärken und Schwächen der Mit-arbeiter ebenso evaluiert werden wie deren Arbeitspensum. Im zweiten Schritt kann man dann anhand der Ergebnisse die Aufstellung und Umverteilung gemeinsam mit den Mitar-beitern anpacken. Wichtig ist, dass sie sich jederzeit abgeholt und verstanden fühlen. Den Coaching-Aspekt vergessen viele Entscheider, was oft zur Folge hat, dass die Motivation der Mitarbeiter nicht voll da ist und Neuerungen blockiert wer-den. Auf diese Empfehlung gehen Kunden interessanterweise kaum ein – und das lässt mich nach Kundenterminen oder Workshops vielfach mit einem Kopfschütteln zurück. Manch-mal habe ich sogar den Eindruck, die Entscheider haben Angst, sich ihrem Team in dieser Form zu stellen und auch unbequeme Themen anzupacken oder durchzusetzen. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass diese Angst unbegründet ist.

Am 14. Februar 2017 werden Sie auf der 7. Fachkonferenz „Online-Marketing und Social Media in der Versicherungswirt-schaft“ zum strategischen Umgang mit Content sprechen. Die Ansätze in der Versicherungsbranche sind da sehr unter-schiedlich. Haben Sie für uns ein Best Practice?

Auf diese Frage antworte ich Kunden immer gerne: „Hören Sie auf, nach dem Best Practice zu suchen – schaffen Sie selbst einen!“ Im Ernst: Natürlich bringe ich gängige Beispie-le aus der jeweiligen Branche zu Kundenterminen mit oder

stelle ein paar Anregungen in einer PPT zusammen. Aber, so hart das jetzt klingt: Das meiste können Sie selbst googeln. Die bekannten Content-Beispiele findet man leicht im Netz. Ich schaue auch gerne mal über den Teich zu den Content-Marketing-Kollegen in den USA und google nach deren emp-fohlenen Content-Marketing-Beispielen. All das ist kein He-xenwerk und es ist legitim, sich anzuschauen, was andere machen. Aber die Ideenfindung ist in der Regel auch nicht das Problem. In dem bereits erwähnten Workshop mit einer Versicherung vor wenigen Wochen sind in einer Teamübung gleich drei sehr, sehr gute Content-Marketing-Ideen entstan-den, die alle das Zeug für ein künftiges Best Practice haben. Was Firmen daran hindert, diese an den Start zu bringen, können Sie meinen Antworten auf die ersten drei Fragen ent-nehmen.

Statt eines Best Practice (etwas muss ich mir ja auch noch für den Vortrag im Februar aufbewahren) habe ich noch eine Empfehlung für Sie: Binden Sie User stärker in Ihre Content-Aktivitäten ein! Überlegen Sie, wie Sie mit Ihren Ideen auch User-Generated-Content erzeugen können. Das hat zwei Vor-teile: Sie müssen nicht jeden Content selbst produzieren – und Sie binden die User stärker an Ihre Marke bzw. sorgen dafür, dass sie sich intensiver mit Ihren Inhalten und Bot-schaften auseinandersetzen. Guten User-Generated-Content bekommen Sie allerdings nur, wenn die Idee passt, Ihr be-reits vorhandener Content gut ist bzw. Spaß macht und sich die Zielgruppe sehr gut verstanden und angesprochen fühlt.

Vielen Dank für das Interview!

Auf unserer Fachkonferenz »Online-Marketing & Social Media in der Versicherungswirtschaft« am 14./15. Febru-ar 2017 in Leipzig verrät Miriam Löffler mehr zum richti-gen strategischen Umgang mit Content.www.versicherungsforen.net/om

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Social Media in der Krisenkommunikation – Was wir von Lufthansa/Germanwings und Malaysia Airlines lernen können

Dass Social Media die Spielregeln der Unternehmenskommu-nikation grundlegend verändert hat, ist schon lange kein Ge-heimnis mehr. Die schnelle Verbreitung von Informationen, die Möglichkeit mit der Öffentlichkeit aktiv zu interagieren und die Aufhebung regionaler Einschränkungen bei der In-formationsbeschaffung sind nur einige der Faktoren, die nun Beachtung finden müssen. Während diese schon im norma-len Unternehmensalltag als enorme Chance aber auch Her-ausforderung anzusehen sind, verstärkt sich der Druck auf ein Unternehmen im Fall einer Krise zusätzlich. Dennoch bie-ten gerade die sozialen Netze die Chance, eine Krise kommu-nikativ positiv zu meistern. Um zu erkennen was dafür not-wendig ist, möchte ich zunächst einen Blick über die Grenzen der Versicherungsbranche hinaus wagen.

Ein Flugzeugunglück gilt zweifelsfrei als schweres Unglück und bedeutet eine schwere Krise für die betroffene Airline, verbunden mit hoher medialer und internationaler Aufmerk-samkeit. Die Bewältigung erfordert ein enorm hohes Maß an Fingerspitzengefühl und Professionalität. Neben der inten-siven Berichterstattung ist auch die emotionale Beteiligung Außenstehender bei dieser Art der Krise enorm hoch. Hin-zu kommt, dass sich Krisen in der Luftfahrt durch ein hohes Maß an Diversität auszeichnen, was eine Vorbereitung nur bedingt ermöglicht. Welche Rolle die Krisenkommunikation in den sozialen Netzwerken im Fall eines solchen Unglücks spielt, verdeutlichen die Krisen der beiden Fluggesellschaften Lufthansa/Germanwings und Malaysia Airlines.

Der Fall Germanwings

Am 24. März 2015 verunglückte die Germanwings-Maschine 4U9525 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen. Alle 150 Menschen an Bord kamen da-bei ums Leben. Die französische Bundesstelle für Flugunfall-untersuchung gab nur zwei Tage nach dem Unglück bekannt, dass das Flugzeug vom Copiloten willentlich zum Absturz ge-

bracht wurde. Für Germanwings und seinen Mutterkonzern Lufthansa ist dies bis dato die schlimmste Krise. Die Krisen-kommunikation in den sozialen Netzwerken kann jedoch als durchaus professionell eingestuft werden.

Sowohl Lufthansa als auch Germanwings bedienten ihre Social-Media-Kanäle Facebook und Twitter umgehend, um aktuelle Informationen herauszugeben. So gaben beide Un-ternehmen kurz nachdem die ersten Vermutungen über ei-nen Absturz in den sozialen Netzwerken und den restlichen Medien kursierten, eine Ad-hoc-Meldung auf beiden Kanälen heraus. Diese Meldung beinhaltete zwar noch keine wichti-gen Erkenntnisse zum Absturz, jedoch verdeutlichte sie, dass die Airline aktiv an der Informationsbeschaffung und Aufklä-rung beteiligt ist. Dem in der Krisenkommunikation wichti-gen Credo »Schnelligkeit vor Vollständigkeit«, wurde damit eindeutig Folge geleistet. Ein weiterer Aspekt, der als positiv zu bewerten ist, ist die multimediale Umsetzung der Krise. So wurden alle wichtigen Elemente der Coporate Identity so-fort in eine farblose Variante abgeändert. Zusätzlich wurden Traueranzeigen in fünf verschiedenen Sprachen erstellt und als Bilder hochgeladen. Dazu wurde einheitlich der Hashtag #indeepsorrow genutzt, der von der Airline selbst etabliert wurde.

Im Rahmen einer umfassenden Krisenintervention ist es zu-dem unabdingbar, dass das betroffene Unternehmen auf al-len Kanälen Verantwortung zeigt – unabhängig davon, wie die Schuldfrage zu beantworten ist. Idealerweise geschieht dies durch die Führungsebene des Unternehmens. Im Fall 4U9525 übernahmen die beiden Vorstände Carsten Spohr und Thomas Winkelmann diese entscheidende Rolle. Umge-setzt wurde dies in erster Linie durch die Videobotschaften, die über die sozialen Netzwerke verbreitet wurden. Einen Tag nach dem Unglück wurde eine Videobotschaft veröffentlicht, in der Carsten Spohr (Vorstand der Lufthansa) zur Öffent-lichkeit spricht, eine Woche später zeigte ein ähnliches Video Thomas Winkelmann (zur damaligen Zeit Vorstand German-

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wings). Die Videos zeigen deutlich, dass die Führungsebene von dem Geschehenen stark erschüttert ist und den Schmerz der Angehörigen teilt. Dies wird beiden Vorständen in den sozialen Netzwerken hoch angerechnet, wie der folgende Kommentar verdeutlicht: „»rotz der traurigen Umstände fin-de ich es vorbildlich, dass Herr Winkelmann diese Videobot-schaft veröffentlicht hat! Ich ziehe mein Hut vor Ihnen Herr Winkelmann! Auch weiterhin werden wir Germanwings in der schweren Zeit beistehen!«1

Darüber hinaus haben Germanwings und Lufthansa offen-sichtlich erkannt, dass eine intensive und aufopfernde Be-treuung der Hinterbliebenen nicht nur aus menschlicher Sicht unerlässlich ist, sondern der erste Schritt, um das Image der Airline wieder aufzubauen. Getreu dem Motto »Tue Gutes und sprich darüber« leiteten die deutschen Fluggesellschaften im Offline-Bereich alles in die Wege, um den Angehörigen der Opfer die Verarbeitung des Geschehenen zu ermöglichen und kommunizierten dies detailliert über die sozialen Netzwerke. Neben der Abschottung der trauernden Familien vor der Presse, wurden Sonderflüge nach Marseille organisiert, um den Hinterbliebenen die Möglichkeit zu geben, an der Unfall-stelle um die Verstorbenen zu trauern. In Frankreich wurde sich darüber hinaus um Unterkunft, Versorgung und Dolmet-scher gekümmert. Zusätzlich wurde ein Betreuungscenter eingerichtet, mit Hilfe dessen gewährleistete wurde, dass die Hinterbliebenen die psychologische Hilfe bekommen, die sie benötigen, um ihren Verlust zu verarbeiten.

Der Fall Malaysia Airlines

Malaysia Airlines hatte im Jahr 2014 gleich zwei Krisen zu verkraften. Flug MH370 verschwand auf mysteriöse Art und Weise vom Radar und gibt zahlreichen Experten der Luftfahrt noch heute Rätsel auf. Vier Monate später wurde Flug MH17 über der Ukraine abgeschossen. Die Krisenarbeit in den so-zialen Netzwerken ist bei der asiatischen Airline als weniger erfolgreich einzustufen. So wurden die Kanäle Facebook und Twitter größtenteils nur dazu genutzt, um auf die besser ge-pflegte Internetseite zu verweisen, was für die Nutzer einen Mehraufwand bedeutet, um an Informationen zu gelangen. Dies zeigte sich bereits beim Unglück MH370, bei dem kei-ne Ad-hoc-Meldung über die sozialen Netzwerke verbreitet wurde, sondern lediglich ein Link zur Website. Zwar gab die Airline über Facebook und Twitter in manchen Fällen wichtige Informationen weiter, jedoch fehlte es diesen oft an wesent-lichen Details, die wieder erst auf der Website nachzulesen waren. Gerade zu Beginn der Krise war der Drang der Öf-fentlichkeit nach neuen Informationen sehr groß. Dieser wur-de jedoch von Malaysia Airlines nur bedingt gestillt, sodass schnell andere Quellen zur Informationsgewinnung gesucht wurden.

Beide Unglücke verdeutlichen zudem die Relevanz der Ver-netzung zwischen traditionellem Krisenmanagement und der Onlinekommunikation. So machte die Airline bei beiden Un-glücken elementare Fehler im Zuge der Krisenintervention.

1 https://www.facebook.com/eurowings/videos/10153770345756416/

Dazu zählt beispielsweise der unsensible Umgang mit den trauernden Familien. Im Fall MH370 wurden die Angehörigen per SMS darüber informiert, dass davon ausgegangen wer-den muss, dass die Maschine abstürzte und ihre Verwand-ten aus diesem Grund für Tod erklärt werden. Im Fall MH17 ist wohl der gravierendste Fehler, dass als Reaktion auf den Abschuss andere Flugzeuge über Syrien umgeleitet wurden, um den ukrainischen Luftraum zu meiden. Auch wenn diese Themen in den sozialen Netzwerken in keinster Weise von Malaysia Airlines angesprochen wurden, nutzen doch sehr viele Nutzer das Social Web, um ihre Verärgerung über die Airline zum Ausdruck zu bringen. So schrieb ein Nutzer auf Facebook: »A text message? Really? That is how you choose to tell those poor families that their family, friends or loved ones are dead!! They did not even deserve the respect of a phone call!? Absolutely disgraceful.«2 Dies verdeutlicht, dass eine erfolgreiche Social-Media-Strategie nicht gelingen kann, solange das traditionelle Krisenmanagement nicht in all sei-nen Facetten professionell arbeitet.

Darüber hinaus wird im Rahmen der zwei Unglücke von Ma-laysia Airlines deutlich, dass das Aussortieren oder bewusste Filtern von Informationen bei einer so komplexen Krise nicht empfehlenswert ist, da es stets auf Kosten der Transparenz und somit Glaubwürdigkeit geschieht. Dies liegt zum einen in der hohen internationalen Beteiligung bei solch einer Kri-se begründet und zum anderen an den Folgen des digitalen Wandels, im Zuge dessen sich Informationen in extremer Ge-schwindigkeit verbreiten. Deutlich wird dies an zwei Beispie-len: So stellte sich heraus, dass zwei Passagiere mit geklauten Reisepässen reisten. Zudem hatte das Flugzeug eine größere Menge von Lithium-Ionen-Batterien geladen, die als Ursache eines möglichen Brandes thematisiert wurden. Zwar erwie-sen sich beide Aspekte als harmlos und ein Zusammenhang mit dem Verschwinden der Maschine konnte nicht hergestellt werden, jedoch kommunizierte Malaysia Airlines diese Infor-mationen nicht proaktiv, sondern reaktiv in Form einer Stel-lungnahme. In der Öffentlichkeit entstand so schnell der Ein-druck, die Airline habe etwas zu verbergen oder ist unehrlich, was das Vertrauen in sie zusätzlich schwächte. Im Zuge der in den sozialen Netzwerken geäußerten Kommentare wurde Malaysia Airlines wiederholt vorgeworfen, unehrlich zu sein und Informationen zurückzuhalten. Diese Vorwürfe hätten vermieden werden können, wenn die Airline diese heiklen Themen unaufgefordert kommuniziert hätte.

Die multimedialen Elemente sind bei Malaysia Airlines eben-falls teilweise als fragwürdig einzustufen. Nachdem MH370 spurlos verschwand, änderte die Airline ihr Titelbild auf Fa-cebook. Das neue Bild enthielt einen leeren, blauen Himmel, was bei den Nutzern für Wut und Unverständnis sorgte. Dies zeigt folgender Kommentar »So as soon as one of your air-crafts ‚vanishes‘ you decide to post a new picture of sky.. Empty sky... What is wrong with you people«“3 .

Auch die Rolle der Vorstände wurde nicht optimal ausge-nutzt. Zwar traten diese offline bei Pressekonferenzen und

2 https://www.facebook.com/euro.malaysiaairlines/posts/2837931751121553 https://www.facebook.com/euro.malaysiaairlines/posts/278798255611647

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Interviews auf, doch in den sozialen Netzwerken spielten sie eine sehr untergeordnete Rolle, wodurch weder dem Unglück noch dem Unternehmen ein Gesicht gegeben wurde. Es wur-de zwar bei beiden Unglücken eine Videobotschaft veröffent-licht, doch geschah dies zeitlich gesehen viel zu spät und verfolgte inhaltlich das Ziel, sich gegen diverse Vorwürfe zur Wehr zu setzen. Auch etablierte die Airline keinen eigenen Hashtag, der von den Nutzern verwendet werden konnte, um ihre Posts und Tweets mit dem Unglück in Verbindung zu bringen. Vereinzelt wurde der Hashtag #staystrong ver-wendet, allerdings nur von Befürwortern der Airline und aus diesem Grund nicht einheitlich.

Was hat das jetzt mit Versicherungen zu tun?

Selbstverständlich wird eine Versicherung sich nicht für den Absturz eines Flugzeugs verantworten müssen. Der kleine Ausflug in die Luftfahrtbranche zeigt jedoch die Kraft, die auch in Krisenzeiten in den sozialen Netzen steckt. Zudem sollte man immer auch auf die Erfahrungen anderer Bran-chen setzen, um zu lernen. Die zwei Beispiele zeigen deut-lich, worauf es bei der Kommunikation während einer Krisen-situation ankommt. Dabei muss eine Krise nicht immer gleich ein Flugzeugabsturz sein. Die Assekuranz weiß ja, dass auch Vergnügungsreisen zu einem Fall für die Krisenkommunikati-on werden können.

Lessons Learned

Der Vergleich der beiden Beispiele zeigt, dass die Rolle von Social Media in der Krisenkommunikation keinesfalls unter-schätzt werden darf. Um diese erfolgreich zu bewältigen, sind neben einer Vielzahl von Aspekten folgende von besonderer Bedeutung:

▪ Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz haben von Anfang an oberste Priorität. Informationen, die nicht vom Unter-nehmen selbst kommuniziert werden, werden früher oder später ihren Weg in die Öffentlichkeit finden, jedoch unter Umständen, die dem Image des Unternehmens weiter schaden können.

▪ Das Credo ‚Schnelligkeit vor Vollständigkeit‘ gilt in der Onlinekommunikation ganz besonders. Das Unternehmen übernimmt so eine aktive Rolle in der Aufklärung und Informationsbeschaffung. Wichtig ist zudem, die Kommu-nikation entscheidender Informationen auf allen Kanälen, um den Mehraufwand für die Nutzer zu reduzieren und den Wechsel zu anderen Informationsquellen zu vermei-den.

▪ In diesem Zusammenhang ist es unablässig, eine einheit-liche »Sprache« auf allen bedienten Kanälen zu sprechen.

▪ Unabhängig von der Schuldfrage ist das betroffene Unter-nehmen verpflichtet, Verantwortung zu zeigen, insbeson-dere durch die Führungsebene. Dies sollte sowohl online, als auch offline geschehen. Wobei die Offline-Aktivitäten wiederum zur Aufarbeitung der Krise online genutzt werden können.

Auch mit diesen Empfehlungen im Hinterkopf, darf ein Un-ternehmen nie vergessen, dass enorm viele Menschen mit unterschiedlichem Bildungs- und Wissensstand weltweit die Möglichkeit haben, sich durch die sozialen Netze an der In-teraktion mit und über die Krise zu beteiligen. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Einstellungen zu allen Facetten der Krise und zum Unternehmen ganz allgemein, stark auseinan-der gehen. Diese Diversität der Meinungen kann (und sollte) nicht verhindert werden. Eine positive Einstellung aller Nut-zer ist somit nicht erreichbar, jedoch sollte selbstverständlich, das Erreichen der größtmöglichen Menge angestrebt werden.

AUTORIN

Julia Ende Assistentin im Team »Unternehmenskom-munikation & Partnerbetreuung«Versicherungsforen Leipzig GmbH

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Fachkonferenz»Insurance goes mobile«

Termin: Leipzig, 21./22. Februar 2017www.versicherungsforen.net/mobile_it

Themenschwerpunkte

▪ Mobile Strategien der Versicherer

▪ Mobile Services für Vertrieb, Schaden, Endkunden

▪ App-Start-Ups in der Versicherungsbranche

▪ Frameworks/Tools für die mobile Entwicklung

▪ App Design, UX, Responsive

▪ Cross-Platform-Entwicklung

Themenplanung 2016/2017Versicherungsforen-Themendossier

www.versicherungsforen.net/themendossier

Das nächste Themendossier erscheint als Trendletter am 31. Dezember und gibt einen Einblick in aktuelle Entwicklungen der Versicherungs-wirtschaft. Sollten Sie ein Wunschthema haben, über das Sie gern einmal lesen möchten, setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung. Selbstverständlich besteht für Sie auch die Möglichkeit, eigene Beiträge im Rahmen unserer Themendossiers zu platzieren. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen!

Fachkonferenz»Online-Marketing & Social Media«

Termin: Leipzig, 14./15. Februar 2017www.versicherungsforen.net/om

Themenschwerpunkte

▪ Social-Media-Trends und neue Kanäle: Live-Stream-Video-Apps (z. B. Snapchat, Periscope, Facebook Live)

▪ Content Strategien und Crossmediale Qualitätssicherung

▪ Lessons Learned aus den Häusern

▪ Community-Management

▪ In-Game-Marketing und Augmented Reality

▪ Native Advertising

Versicherungsforen in eigener Sache

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Messeekongress

»Finanzen und Risikomanagement«

Termin: Leipzig, 22./23. Juni 2017www.assekuranz-messekongress.de/frm

Themenschwerpunkte ▪ Risikomanagement ▪ Kapitalanlage ▪ Rechnungs- und Berichtswesen

nächstes Arbeitstreffen: Leipzig, 4./5. Mai 2017www.versicherungsforen.net/e-busines

Themenschwerpunkte ▪ Erfahrungen mit Kundenbewertungsportalen ▪ Marketing Automation Plattformen

User Group

»E-Business«

Fachkonferenz

»Telematik«

Termin: Leipzig, 7./8. Februar 2017www.versicherungsforen.net/telematik

Themenschwerpunkte ▪ Erfahrungsberichte aus aktuellen Telematik-Projekten ▪ Perspektiven in der Verkehrstelematik ▪ technologische Neuerungen und deren Auswirkungen auf die Kfz-

Versicherung

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Impressum

Autor(en) des vorliegenden ThemendossiersMagdalena Dröse et al.T +49 341 98988-225E [email protected]

Titelbild: © Groenning - Fotolia.com

Feedback zum vorliegenden ThemendossierWenn Sie uns Ihre Meinung mitteilen möchten, würde uns das sehr freuen. Vielleicht gibt es ja ein spezielles Thema, über das Sie im Themendossier einmal lesen möchten? Ha-ben Sie weitere Fragen und Anregungen oder Anlass zur Kri-tik? In jedem Fall freuen wir uns über eine Nachricht von Ihnen.

Bitte senden Sie Ihre Kommentare anKatja Wagenknecht T +49 341 98988-223E [email protected]

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