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Fortgeschrittenen-Praktikum Versuch Photometrie und Spektroskopie Thomas Rauch Kepler Center for Astro and Particle Physics Institut für Astronomie und Astrophysik Sand 1 72076 Tübingen 1. August 2017 http://www.uni-tuebingen.de/de/4203

Versuch Photometrie und Spektroskopie - uni … · Zur Charakterisierung der Auflösung eines Teleskops wird meist das vonLord Ray-leigheingeführte Kriterium verwendet. ... Galilei

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Fortgeschrittenen-Praktikum

VersuchPhotometrie und Spektroskopie

Thomas Rauch

Kepler Center for Astro and Particle PhysicsInstitut für Astronomie und Astrophysik

Sand 172076 Tübingen

1. August 2017

http://www.uni-tuebingen.de/de/4203

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Inhaltsverzeichnis1 Vorbemerkung 1

2 Einführung 12.1 Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Teleskope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.2.1 Öffnungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.2.2 Das Auflösungsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.2.3 Refraktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.2.4 Reflektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.2.5 Teleskopmontierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.2.6 Aktive und adaptive Optiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

2.3 Bilddetektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.3.1 Grundlagen des CCD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.3.2 CCDs in der Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2.4 Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.4.1 Beugungstheorie am Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.4.2 Die Dispersion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252.4.3 Das Auflösungsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.5 Strahlungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252.6 Strahlungsintensität und Strahlungsfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

2.6.1 Strahlung im thermodynamischen Gleichgewicht . . . . . . . . 272.6.2 Effektivtemperatur und Leuchtkraft . . . . . . . . . . . . . . . 282.6.3 Helligkeiten und Farben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

2.7 Farben-Helligkeits-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292.8 Spektralklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

3 Versuchsaufbau 323.1 Spiegelteleskop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323.2 Der 10 C-Gitterspektrograph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333.3 CCD-Kameras STL-1001E und HX916 . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

4 Versuchsdurchführung 374.1 Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374.2 Sternspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384.3 Photometrie eines Sternhaufens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

5 Literatur 47

A Mögliche Beobachtungsobjekte 48

B Wellenlängenkalibration 49

C Starke Linien in Sternspektren. 50

D Aufbau des Versuchsprotokolls 54

I

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1 VorbemerkungDer Versuch „Photometrie und Spektroskopie“ soll grundlegende Methoden zur Auf-nahme und Auswertung astronomischer Daten verständlich machen. Dabei soll insbe-sondere auf die auch sonst in der Physik anwendbaren technologischen Grundlageneingegangen werden. Neben einem Verständnis für die Funktionsweise der Instrumen-te sind die praktische Anwendung, die wissenschaftliche Motivation und die zugrundeliegende Physik der Anwendungsbeispiele das Entscheidende.

Astronomische Kenntnisse auf dem Niveau der Einführungsvorlesung sind für dieDurchführung des Versuchs zwingend erforderlich, Erfahrung im Umgang mit Com-putern ist vorteilhaft, aber keineswegs notwendig. Wir haben versucht, in dieser An-leitung die für die Durchführung des Versuchs notwendigen Informationen zusammen-zustellen. Darüber hinausgehende Informationen finden Sie in der zitierten Literatur.Die Programmbefehle zur Steuerung der Kamera und der verwendeten Software sindalle aufgeführt, es wird aber nicht erwartet, dass Sie damit ohne weitere Einweisungvor Ort zurechtkommen. In der Astronomie ist es immer noch gebräuchlich, Einheiten,die nicht dem SI-System entstammen, zu verwenden. Prominente Beispiele sind dasÅngström als Wellenlängeneinheit oder der Tag als Zeiteinheit. Diese Anleitung folgtdieser Gepflogenheit, lassen Sie sich bitte nicht von etwas ungewohnten Einheiten ab-schrecken. . .

Um Ihnen die Vorbereitung des Versuchs zu vereinfachen, haben wir in diese Einlei-tung einfache Aufgaben eingestreut. Sie sollten diese Aufgaben vor dem Praktikumgelöst haben, die Lösung ist Teil Ihres Praktikumsprotokolls. Im Ausgleich für dieseVorarbeit kann die Nachbereitung des Versuches wesentlich kürzer ausfallen.

2 EinführungIm Gegensatz zu allen anderen Naturwissenschaften ist die Astronomie eine rein em-pirische Wissenschaft. Es ist den Astronomen unmöglich, die Gegenstände ihrer Un-tersuchungen unter kontrollierten Bedingungen zu manipulieren oder Experimente mitihnen anzustellen. Die alleinige Information, die zur Wissensgewinnung dient, liegt inder Form der von astrophysikalischen Quellen beobachteten Strahlung vor. Die Kunstder Astronomie als Wissenschaft liegt darin, die in der Strahlung steckende Informationauszuwerten.

Die von astronomischen Quellen beobachtete Strahlung ist meist sehr schwach,Strahlungsflüsse von 10−29 Wcm−2 s−1 (=1 mJy [milli Jansky], astronomische Einheitfür Strahlungsflüsse) im optischen oder einigen wenigen Photonen pro cm2 und Se-kunde im Röntgenbereich sind üblich1. Zusätzlich ist unser Beobachtungsstandort aufder Erde ein äußerst ungünstiger – die detektierte Strahlung muss vor der Beobachtungdie Erdatmosphäre passieren, die Erde ist keine ruhende Plattform, sondern dreht sichusw. . . Der Drang zur Untersuchung immer schwächerer Objekte führte im 20. Jahr-hundert zur Entwicklung immer größerer Teleskope und zur Entwicklung sehr licht-empfindlicher Detektoren. In dieser Einführung möchten wir Sie mit den Grundlagen

1Eine in der Astrophysik der kosmischen Strahlung gebräuchliche Einheit ist die der detektierten Teil-chen, die pro Quadratkilometer und Jahr gemessen werden – die Detektionsgrenze für den Teilchenflussliegt hier im Bereich von ungefähr 10−2 Teilchenkm−2 a−1. . .

1

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dieser Detektoren, soweit sie für das Praktikum von Bedeutung sind, vertraut machen.Wir werden uns dabei zunächst mit astronomischen Teleskopen beschäftigen und dannauf die Detektoren für elektromagnetische Strahlung eingehen.

2.1 KoordinatensystemeDas Aufsuchen von astronomischen Objekten erfordert die Festlegung eines Koordina-tensystems. Es ist dabei sinnvoll, ein System zu definieren, das vom Beobachtungsortund der Zeit unabhängig ist. Da wir es in der Astronomie, abgesehen von Objekten in-nerhalb unseres Sonnensystems, mit sehr großen Entfernungen zu tun haben, könnenwir ein Koordinatensystem auf einer unendlich großen Himmelskugel festlegen und soauf zwei Koordinaten einschränken. Die Änderung der Koordinaten aufgrund der täg-lichen bzw. jährlichen Erddrehung ist sehr klein, da die Entfernung der Objekte vielgrößer als der Erdbahnradius ist (der nächste Stern, Proxima Centauri, hat eine Entfer-nung von etwa 270000 Erdbahnradien).

Abbildung 1: Himmelskugel mit Himmelsko-ordinaten (Quelle: Unsöld & Baschek, 1988,Abb. 2.2.3).

Da die Ausrichtung der Rotationsachse der Erde im Raum (nahezu) fest ist, ist ei-ne Projektion des äquatorialen Systems auf die Himmelskugel ein geeignetes orts- undzeitunabhängiges Bezugssystem. Die Schnittlinie zwischen der Himmelskugel und derÄquatorebene ist ein Großkreis, der als Himmelsäquator bezeichnet wird. Die Verlän-gerung der Erdachse definiert die Himmelspole (siehe Abb. 1). Der Winkelabstand einesSterns von der Äquatorebene wird durch die Erdrotation nicht beeinflusst. Dieser Win-kel wird auf einem Großkreis, der durch beide Himmelspole und den Stern verläuft, demsog. Stundenkreis, abgetragen und als Deklination δ bezeichnet. Gemessen wird von derÄquatorebene aus, positive Winkel bezeichnen Objekte auf der Nordhalbkugel, negativesolche auf der Südhalbkugel. Dies ist die erste Koordinate. Die zweite Koordinate wird

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auf dem Äquator gegen den Uhrzeigersinn gemessen. Wir benötigen aber noch einenBezugspunkt, der von der Erdrotation unabhängig ist. Die Wahl dieses Punktes ist imPrinzip beliebig, es macht aber Sinn, einen Punkt mit besonderen Eigenschaften auszu-wählen. Die projizierte Bahn der Sonne, die Ekliptik, schneidet den Himmelsäquator anden Punkten der Tagundnachtgleichen. Einer dieser beiden Schnittpunkte, nämlich derFrühlingspunkt, wird als Bezugspunkt gewählt. Früher befand sich dieser im SternbildWidder und wird daher auch Widderpunkt (ϒ) genannt. Der Winkel zwischen Objektund Frühlingspunkt auf dem Äquator wird in Stunden angegeben. Damit haben wir diezweite Koordinate, die Rektaszension α (oder auch R.A.).

Die Präzession der Erdachse bewirkt eine Änderung der Koordinaten, für eine prä-zise Katalogisierung benötigen wir also noch die Angabe desjenigen Zeitpunktes, diesog. Epoche, an dem der Frühlingspunkt definiert wurde, z.B. 1950 oder 2000. Es gibtnoch weitere Effekte, die die Koordinaten beeinflussen, auf die hier aber nicht weitereingegangen werden soll.

Aufgabe 1: Verschaffen Sie sich die Koordinaten der Objekte aus der Objektliste(Tab. 7), z.B. unter Zuhilfenahme der Datenbank SIMBAD (http://simbad.u-strasbg.fr/Simbad).

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O du vielwissendes Rohr, kostbarerals jedes Szepter! Wer dich in seinerRechten hält, ist er nicht zum König,

nicht zum Herrn über die WerkeGottes gesetzt!

Johannes KeplerDioptrice, 1611

2.2 TeleskopeVon den in der Einleitung dargestellten Gegebenheiten lassen sich die folgenden Anfor-derungen an astronomische Teleskope ableiten: Teleskope müssen über

• eine möglichst hohe Lichtausbeute,• ein gutes Auflösungsvermögen• und natürlich eine sehr gute Bildqualität

verfügen. Es gibt zwei verschiedene Klassen von Teleskopen, mit denen diese Anfor-derungen erreicht werden können. Zum einen sind dies die Refraktoren, bei denen mitHilfe von Linsensystemen eine Abbildung erreicht wird, zum anderen die Reflektoren,bei denen das Gleiche mit Hilfe der Kombination von sphärisch oder parabolisch ge-schliffenen Spiegeln erreicht wird.

2.2.1 Öffnungsverhältnis

Abbildung 2: Herleitung des Abbildungsmaß-stabs.

Beiden Arten von Teleskopen ist gemein, dass sie das sich im Unendlichen befindlicheastronomische Objekt mit einem Objektiv oder Hohlspiegel des Durchmessers D undder Brennweite f in eine Fokalebene projizieren, in der das Bild des Objekts untersuchtwird. Abbildung 2 zeigt als Beispiel den Strahlengang eines einfachen Reflektors. DasVerhältnis D/ f bezeichnet das Öffnungsverhältnis des optischen Systems, beim Pho-toapparat ist das Inverse des Öffnungsverhältnisses, f/D, als die Blendenzahl bekannt.Aus Abbildung 2 kann die Bildausdehnung a eines im Unendlichen unter dem Winkelω erscheinenden Objekts abgelesen werden:

a = 0.0175ω f (1)

wobei ω im Gradmaß gemessen wird. Ein Teleskop mit einer Auffangfläche ∼ D2 kon-zentriert also die aufgefangene Energie eines flächenhaften Objekts auf einer Fläche

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∼ f 2. Das Verhältnis dieser Größen definiert daher die Lichtstärke:

Lichtstärke ∝

(Df

)2

(2)

Die Lichtstärke bei flächenhaften Objekten ist also nur vom Öffnungsverhältnis abhän-gig (also von der „Blendenzahl“, wie beim Photoapparat). Für ein punktförmiges Objektwie z.B. einen Stern gilt hingegen

Lichtstärke ∝ D2 (3)

Die meisten astronomischen Objekte sind sehr weit entfernt, also punktförmig, so dassastronomische Teleskope große Durchmesser haben sollten, um möglichst viel Lichtaufzusammeln.

2.2.2 Das Auflösungsvermögen

Die Auflösung astronomischer Teleskope ist durch die Beugung des von den Sternenausgesandten kohärenten Lichts begrenzt. Aus der Beugungstheorie erhält man für dieIntensitätsverteilung I(θ) einer kreisförmigen Blende mit Radius r im Winkelabstand θ

(z.B. Born & Wolf, 1980; Kitchin, 1984)

Iθ ∝π2r4

m2 (J1(2m))2 (4)

wobeim =

πr sinθ

λ(5)

und durch J1(2m) die Besselfunktion erster Art der Ordnung eins bezeichnet wird. InAbbildung 3 ist J1(2m)/m dargestellt.Die Intensität ist also Null in konzentrischen Ringen mit Radius

θ ≈ 1.220λ

d,

2.233λ

d,

3.238λ

d, . . . (6)

wobei d = 2r der Durchmesser des Beugungsscheibchens ist. Die innerste Beugungs-zone bezeichnet man als Airy-Scheibchen, nach dem englischen Royal Astronomer Ge-orge B. Airy, der als erster Gleichung 4 hergeleitet hat. Abbildung 4 stellt die Airy-Scheibchen für zwei gleich helle Punktquellen im Abstand 4.46λ/d dar. Die Abbildungeines Sterns mit einem astronomischen Teleskop führt also zu einer ausgedehnten Schei-be mit Radius 1.22λ/d, die von Beugungsringen umgeben ist.

Zur Charakterisierung der Auflösung eines Teleskops wird meist das von Lord Ray-leigh eingeführte Kriterium verwendet. Das Rayleigh-Kriterium besagt, dass zwei gleichhelle Objekte gerade dann noch auflösbar sind, wenn das Intensitätsmaximum der Beu-gungsfigur des einen Objekts genau in das erste Intensitätsminimum der Beugungsfigurdes zweiten Objekts fällt. Damit ist die Auflösung α gerade

α[rad] =1.220λ

d. (7)

Aufgabe 2: Berechnen Sie die Auflösung in Bogensekunden eines Teleskops mit einem Tele-skopdurchmesser von d = 0.8 m bei einer Wellenlänge von 5700 Å.

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0 2 4 6m

-0.2

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0J 1

(2m

)/m

Abbildung 3: Graph der Funk-tion J1(2m)/m, deren Quadratdie Intensitätsverteilung an einerkreisförmigen Blende beschreibt(Glg. 4).

Wie diese Herleitung zeigt, ist das Rayleigh-Kriterium nur eine grobe Näherung fürdas tatsächliche Auflösungsvermögen eines Instruments. Die tatsächlich erreichbarebeugungsbegrenzte Auflösung hängt sehr vom Intensitätsverhältnis der beobachtetenObjekte ab (eine sehr schwache Quelle ist in der Umgebung eines sehr hellen Objektsnatürlich schwerer zu detektieren als ein vergleichsweise helles Objekt). Zusätzlich istbei erdgebundener Beobachtung die Erdatmosphäre der eigentlich die Auflösung be-grenzende Faktor (siehe Abschnitt 2.2.6). Daher ist für praktisches Arbeiten α ≈ λ/deine ausreichende Näherung.

2.2.3 Refraktoren

Mit der Demonstration des Fernrohrs zum „Näherholen“ entfernter Gegenstände aufdem Campanile von San Marco in Venedig am 21. August 1609 durch Galileo Gali-lei begann die naturwissenschaftliche Nutzung der Teleskope. Galilei hatte Gerüchteüber die Entdeckung eines holländischen Glasmachers, Hans Lippershey, vernommenund sich ein eigenes kleines Fernrohr durch die Kombination einer Sammel- und einerStreulinse gebaut. In Verneinung der eigentlichen Urheberschaft dieses Instrumenteswird die Kombination einer Sammel- und einer Streulinse ein „galileisches Fernrohr“genannt; seinem geschickten Marketing hatte Galilei eine Gehaltsverdoppelung zu ver-danken. Als Alternative zum Galileischen Fernrohr schlug Johannes Kepler in seinerDioptrice, 1611, die Kombination zweier Sammellinsen vor, das „keplersche Fernrohr“.Im Gegensatz zum galileischen Fernrohr besitzt das keplersche eine echte Fokalebene,d.h. es kann für quantitative astronomische Messungen und nicht nur zur Beobachtungbenutzt werden.

Obwohl sich Refraktoren in einigen Bereichen, zum Beispiel als Feldstecher, durch-gesetzt haben, werden Refraktoren in der Astronomie als Instrumente heute nicht mehreingesetzt. Der Hauptgrund dafür ist, dass der Maximaldurchmesser eines Refraktors

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Abbildung 4: Beugungsbild zweier gleichheller Punktquellen im Abstand 4.46λ/dan einer kreisförmigen Blende, wie in derAstronomie üblich als Negativ dargestellt(schwärzer entspricht also heller).

bei ∼ 1 m liegt, also bei einer vergleichsweise kleinen Lichtsammelfläche. Die Begrün-dung für diesen kleinen Maximaldurchmesser ist, dass größere Linsen nur sehr schwerherstellbar und im Gebrauch aufgrund ihres hohen Eigengewichtes nur sehr schwer sta-bilisierbar sind. Bei der Änderung der Pointierungsrichtung eines Teleskops verformensich Linsen sehr stark, da sie im Gegensatz zu einem Spiegelsystem nicht unterstütztwerden können – etwas weniger akademisch ausgedrückt bedeutet hier „sehr starkeVerformung“ nichts anderes als „zerbrechen“. Ferner muss zur Herstellung einer Linsegroßen Durchmessers ein Glasblock entsprechenden Durchmessers ohne Lufteinschlüs-se hergestellt werden, was große Kosten verursacht. Desweiteren entspricht die Bau-länge eines Refraktors seiner Brennweite, was zu großen, unhandlichen und instabilen(Durchbiegung!) Instrumenten führt. Schließlich muss auch noch berücksichtigt wer-den, dass der Brechungsindex von Glas wellenlängenabhängig ist, was zu Bildfehlernführt (chromatische Aberration).

Aus diesen Gründen haben sich in der Astronomie seit Mitte des 20. JahrhundertsReflektoren auf breiter Linie durchgesetzt. Die in manchen Sternwarten, so auch derTübinger Sternwarte, noch vorhandenen Refraktoren haben nur noch Museumswert undwerden für die aktive Forschung nicht eingesetzt2. Die einzige Ausnahme bildet hierbeidie Spezialanwendung der Astrometrie, also der Vermessung von Sternpositionen, beider Refraktoren mit typischen Durchmessern < 30 cm als sogenannte Meridiankreiseeine Nische gefunden haben. Auch diese Instrumente wurden seit 1985 mehr und mehrvon satellitengestützten Instrumenten, so zum Beispiel dem europäischen Hipparcos-Satelliten, ersetzt.

Einen sehr schönen Überblick über den historischen Wettstreit um den weltgrößtenRefraktor gibt der Artikel aus Sterne und Weltraum (August 2011) im Anhang dieserAnleitung auf Seite 55.

2Der Tübinger Refraktor wird in der Öffentlichkeitsarbeit für Sternführungen eingesetzt.

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2.2.4 Reflektoren

Wie bereits oben dargestellt, bestehen Reflektoren aus der Kombination eines koni-schen, fokussierenden Hauptspiegels mit weiteren Spiegeln zur Bestimmung der Lagedes Fokus.

Abbildung 5: Strahlengang des newtonschen Teleskops (Newton, 1730, Fig. 29).

Weit verbreitet in der Amateurastronomie sind Reflektoren mit dem Strahlengang,der 1671 von Isaac Newton erfunden wurde (Abb. 5). Hier wird das Licht mit einem pa-rabolischen Hauptspiegel fokussiert. Die vom Hauptspiegel kommenden Strahlen wer-den durch einen zweiten, plan geschliffenen Fangspiegel aus dem Teleskoptubus reflek-tiert. Der Brennpunkt befindet sich also am Ende des Tubus, weit entfernt vom Haupt-spiegel. Dies hat den Nachteil, dass die Baulänge des Teleskops in der Größenordnungder Brennweite liegt. Ferner müssen die Detektoren weit vom Schwerpunkt des Tele-skops entfernt angebracht werden, was mechanisch wenig sinnvoll ist.

Bei neueren Teleskopen haben sich – auch im Amateurbereich – daher andere Strah-lengänge durchgesetzt, bei denen das vom Hauptspiegel ausgehende konvergente Strah-lenbündel durch einen Fangspiegel auf ein zentrisch im Hauptspiegel angebrachtes Lochzurückreflektiert wird. Der Fokus befindet sich dann nahe des Hauptspiegels, das heißtnahe am Schwerpunkt des Teleskops. Ferner ist die Baulänge des Teleskops nur noch∼ f/2. Eine solche Anordnung bezeichnet man als Cassegrain-Strahlengang.

Allerdings hat auch der Cassegrain-Strahlengang noch den Nachteil, dass der Fokusnicht ortsfest ist. Mit anderen Worten muss die Instrumentierung am Teleskop selbst an-gebracht werden, was für schwere Detektoren nicht verwirklichbar ist. In einem solchenFall gibt es weitere Teleskopkonstruktionen, bei denen mit verschiedenen Spiegelanord-nungen tatsächlich ein raumfester Fokus erreicht werden kann. Daher werden Großtele-skope meist mit mehreren möglichen Strahlengängen konzipiert, die je nach Anforde-rung des Instruments ausgewählt werden können. Abbildung 6 zeigt beispielhaft die beiden 8 m-Teleskopen des „Very Large Telescope“ des Europäischen Süd-Observatoriums(ESO) verfügbaren Strahlengänge.

Da der Spiegel bei Reflektoren auf der Rückseite unterstützt werden kann, sind sei-ner maximalen Größe nur technologische, nicht aber prinzipielle Grenzen gesetzt. DieseGrenzen werden durch das zur Herstellung vorgesehene Material und die bei der Spie-gelherstellung eingesetzten Verfahren bestimmt.

Das für den Hauptspiegel verwendete Material ist im Prinzip frei wählbar, da dieReflektivität des Spiegels durch eine auf die Spiegeloberfläche aufgedampfte Schicht

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Abbildung 6: Spiegelkonfigurationen eines8 m-VLT-Units. Der „Nasmyth-Fokus“ be-zeichnet die Lage des raumfesten Brenn-punkts bei azimutaler Montierung des Te-leskops (siehe Abb. 2.2.5; Quelle: ESO).

(meist aus Aluminium) gewährleistet werden kann. Dieses Material sollte möglichsteinfach schleifbar und sehr gut polierbar sein sowie einen kleinen thermischen Ausdeh-nungskoeffizienten besitzen, um eine stabile Oberflächenform auch während der Tem-peraturschwankungen der Beobachtungsnacht zu gewährleisten. Aus diesen Gründenkommen in der Praxis für Teleskopspiegel heute ausschließlich glasartige Substanzenin Frage3. Normales (Kron-)Glas wird wegen seines großen thermischen Ausdehnungs-koeffizienten dabei nur für Kleinteleskope benutzt, für Teleskope größerer Bauart wer-den Quarzglas und Glaskeramiken benutzt. Eine klassische in der Astronomie beliebteGlaskeramik ist Zerodur, das einen fast vernachlässigbaren Ausdehnungskoeffizientenhat. Unter verschiedenen Markennamen werden solche Glaskeramiken außerhalb derAstronomie zum Beispiel zur Herstellung von Küchenherden verwendet, die ja auchbei extremen Temperaturunterschieden nicht durch innere Spannungen zerstört werdensollen.

Bis in die 1970er Jahre hinein wurden auch große Teleskopspiegel mit konventionel-len Methoden hergestellt. Dazu wurde zunächst ein möglichst luftblasenfreier Glasblockals Ausgangspunkt genommen. Dieser wurde dann mit immer feinerem Schleifpulver(Korund und -derivate) in die endgültige Spiegelform geschliffen. Den Abschluss diesessehr zeitaufwändigen Verfahrens bildete eine Endpolierung auf die notwendige mittle-re Oberflächenrauhigkeit der Endoberfläche von wenigen nm (kleiner als die mittlereWellenlänge von sichtbarem Licht). „Zeitaufwändig“ bedeutet hier einige Jahre.

3Einige Spezialteleskope verwenden als Hauptspiegel ein rotierendes Quecksilberbad. Diese könnennatürlich nur für Beobachtungen im Zenit verwendet werden, sind aber um Größenordnungen billiger alskonventionelle Teleskope (zumindest in Ländern mit geringen Umweltauflagen. . . ).

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Ein großer Nachteil dieses klassischen Verfahrens ist, dass der Spiegelrohling beimSchleifen großen internen Belastungen ausgesetzt ist und daher sowie aus Stabilitäts-gründen beim späteren Einsatz eine vergleichsweise große Dicke haben muß. Die da-durch bedingte hohe Masse des Teleskopspiegels führt dazu, dass sich der Spiegel imEinsatz nur langsam an die Außentemperatur anpasst, und stellt hohe Anforderungenan die Teleskopmontierung. Bohrungen in der Spiegelrückseite können diese Nachtei-le zum Teil ausgleichen und zudem die Stabilität des Spiegels gegenüber plastischenVerformungen erhöhen. Ferner kann beim Spiegelschleifen eine kurze Brennweite nurschwer erreicht werden, da dafür sehr viel Material vom Spiegelrohling entfernt werdenmuss.

Aus diesen Gründen war der maximale Teleskopdurchmesser von den 1930er Jah-ren bis in die 1980er Jahre hinein auf kleiner als 6 m begrenzt, mit nur zwei Instru-menten mit Durchmessern größer als 4.50 m: dem berühmten 5 m (200 in) Teleskopauf dem Mt. Palomar bei Los Angeles und dem russischen 6 m-Teleskop im Kaukasus.Aufgrund großer thermischer Probleme ist letzteres nur zur Spektroskopie verwendbar.Mit der Entwicklung neuartiger Techniken zur Spiegelherstellung konnte seither dermaximale Spiegeldurchmesser auf ∼10 m vergrößert werden, das heißt, es wurde ei-ne Vervierfachung der Sammelfläche erreicht. Eine dieser Techniken besteht darin, denHauptspiegel aus mehreren kleinen Segmenten zusammenzusetzen. Ein Beispiel hier-für sind die zwei Keck-Teleskope auf dem Mauna Kea in Hawaii mit einem effektivenTeleskopdurchmesser von 10 m (Abb. 7).

Abbildung 7: Der aus Segmen-ten zusammengesetzte Hauptspiegeldes 10 m-Keck I-Teleskops auf Ha-waii (Quelle: W.M. Keck Observa-tory).

Alternative Techniken, bei denen Spiegel großen Durchmessers am Stück hergestelltwerden, basieren im Wesentlichen auf der Tatsache, dass die Oberfläche einer rotieren-den Flüssigkeit näherungsweise ein Paraboloid ist, dessen Oberfläche in Zylinderkoor-dinaten durch

z− z0 =r2ω2

2g(8)

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gegeben ist, wobei g die Oberflächenbeschleunigung, ω die Umdrehungsfrequenz undz0 die z-Koordinate des Scheitelpunktes des Paraboloids ist. Die Oberfläche der rotieren-den Flüssigkeit entspricht also schon der angestrebten Teleskopoberfläche. Am Mirror-Lab der University of Arizona in Tucson unter Roger Angel wurde daher die Methodedes sogenannten „Spin Casting“ entwickelt. Hier wird das später den Spiegel bilden-de Material in einem rotierenden Ofen geschmolzen. Die Rotationsgeschwindigkeit desOfens bestimmt hierbei die spätere Brennweite des Spiegels, die vergleichsweise kleinsein kann. Durch kontrolliertes Abkühlen des Spiegels bei weiterhin rotierendem Ofenkann erreicht werden, dass der dabei entstehende Spiegelrohling eine Form hat, dieschon sehr nahe an der endgültigen Spiegelform liegt. Zudem ist der Spiegelrohlingweitgehend frei von inneren Spannungen, so dass wesentlich dünnere und damit leich-tere Spiegel kleiner Wärmekapazität hergestellt werden können. Beispiele für mit derTechnik des Spin Casting hergestellte Spiegel finden sich in den 8 m-Teleskopen desVery Large Telescope des Europäischen Südobservatoriums.

Aufgabe 3: Mit welcher Winkelgeschwindigkeit (in Einheiten ◦/s oder sinnvoller) muss einOfen rotieren, um bei einem Spiegel mit 10 m Durchmesser ein Öffnungsverhältnis vonD/ f = 1/5 zu erreichen? Tip: Die Normalform der Parabel kann in einer Form geschrie-ben werden, die die Brennweite enthält (Bronstein & Semendjajew (1987)):

y =1

4 fx2 (9)

2.2.5 Teleskopmontierungen

Nach der Teleskopoptik selbst ist die Montierung eines Teleskops von besonderer Be-deutung. Die Teleskopmontierung hat die Aufgabe, das Teleskop sicher und genau anjede beobachtbare Stelle des Himmels zu pointieren und dann der Himmelsdrehungnachzuführen. Genau bedeutet hier, dass jeder sichtbare Himmelsausschnitt mit einerGenauigkeit im Bereich weniger Bogensekunden wiederholbar erreicht wird.

Die Katalogisierung von Sternen mit Hilfe des in Abschnitt 2.1 beschriebenen äqua-torialen Systems ist der erste Schritt. Der zweite besteht darin, die Objekte an einemTeleskop einzustellen. Traditionell wurden Teleskopmontierungen mit zwei bewegli-chen Achsen ausgestattet, von denen die eine, die Pol- oder Stundenachse, parallel zurErdachse aufgehängt wird und die andere, die Deklinationsachse, senkrecht zur Stun-denachse. Eine solche Teleskopmontierung heißt parallaktische Montierung (Abb. 8,links), wie dies technisch verwirklicht werden kann zeigt Abbildung 9. Da sich derHimmel scheinbar um die Erdachse dreht, hat ein solcher Aufbau den Vorteil, dass nachder Pointierung des Teleskops dieses nur noch mit konstanter Winkelgeschwindigkeitum die Stundenachse gedreht werden muss.

Da wir uns mit dem Teleskop nicht in einem raumfesten Bezugssytem befinden, be-nötigen wir für die Einstellung eines Himmelsobjektes nun doch eine Zeitangabe, diedie Drehung des zeitunabhängigen Himmelssystems relativ zum Bezugssystem der Te-leskopmontierung beschreibt. Bei der parallaktischen Montierung kann die Deklinationdirekt an der Deklinationsachse eingestellt werden. Für den Winkel in der Äquatore-bene definieren wir uns den Stundenwinkel (siehe auch Abb. 1). Dieser ist der Winkelim Uhrzeigersinn, gemessen in Stunden, zwischen dem Meridian (Großkreis von Süden

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Abbildung 8: Parallaktische (links) und azimutale Montierungen (Quelle: Karttunenet al., 1990, Abb. 3.16).

durch beide Himmelspole) und dem Objekt auf dem Äquator. Der Stundenwinkel fürein Objekt ist also sowohl orts- als auch zeitabhängig.

Der Stundenwinkel des Frühlingspunktes wird als Sternzeit bezeichnet. Diese be-schreibt die wahre Rotation der Erde. Nach einem siderischen Tag hat die gesamte Him-melskugel mit allen Sternen wieder die gleiche Stellung erreicht. Da die Erde währendeines Tages auch ein Stück auf ihrer Bahn um die Sonne zurücklegt, ist ein siderischerTag etwas kürzer als ein synodischer Tag, der Zeit zwischen zwei Meridiandurchgängender Sonne. Zur Frühlings-Tagundnachtgleiche entspricht Mitternacht 12:00 Uhr Stern-zeit, zur Herbst-Tagundnachtgleiche 0:00 Uhr.

Aufgabe 4: Mit welcher Winkelgeschwindigkeit muss ein Teleskop dem Sternhimmel nach-geführt werden, um die Erdrotation auszugleichen? Gehen Sie von einer Jahreslängevon 365.25 Tagen aus. . . Wie lang ist ein Sterntag? Überlegen Sie sich mit Hilfe der Ko-ordinaten der Objektliste (Tab. 7) einen Beobachtungsplan für die Praktikumsnacht, d.h.welche Objekte können wann beobachtet werden?

Der Nachteil der auf die Pole ausgerichteten Montierungen ist, dass diese sehr schwerzu bauen sind, da das Gewicht des Teleskops auf einer unter einem Winkel zur Erdgra-vitation stehenden Achse lastet. Daher werden moderne Großteleskope heute meist miteiner sogenannten azimutalen Montierung ausgestattet, bei denen das Teleskop auf einerin der Senkrechten beweglichen Achse auf einem Drehtisch lagert (Abb. 8, rechts). DerName „azimutale Montierung“ kommt daher, dass die Teleskopachsen das Instrumentin der Höhe über dem Horizont (engl. „Altitude“) und im Azimut, dem von der Nord-Süd-Richtung ausgehend am Horizont gemessenen Winkel, bewegen. Der Übergang aufazimutale Montierungen war aufgrund der Entwicklung sehr gut steuerbarer Schrittmo-toren und schneller Computer möglich, da es heute keine Probleme mehr bereitet, einTeleskop auch bei gleichzeitiger Drehung um zwei Achsen sicher nachzuführen. EinBeispiel für die technische Realisierung einer azimutalen Montierung ist in Abbildung10 zu sehen.

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Abbildung 9: Technische Realisierungen der parallaktischen Montierung: a deutscheMontierung, b Kniemontierung, c englische Achsenmontierung, d englische Rahmen-montierung und e Gabelmontierung. S bezeichnet die Stundenachse, D die Deklinati-onsachse, F ist das Fernrohr und G ein eventuell notwendiges Gegengewicht (Quelle:Weigert & Zimmermann, 1976, S. 109).

2.2.6 Aktive und adaptive Optiken

In diesem Abschnitt soll noch kurz auf technologische Entwicklungen, die hauptsäch-lich seit den 1980er Jahren Einzug in die optische Astronomie gehalten haben, einge-gangen werden. Diese Entwicklungen zielen darauf, den Einfluss von Störquellen aufastronomische Optiken weitestgehend auszugleichen. Solche Störquellen sind insbeson-dere das durch die Erdatmosphäre verursachte „Zwinkern“ der Sterne, das astronomi-sche „Seeing“ und die Verformung der Teleskopoptik unter ihrem Eigengewicht.

Seeing und adaptive Optiken Ein großer Nachteil der erdgebundenen Astronomieist, dass astronomische Objekte durch die Erdatmosphäre hindurch beobachtet werdenmüssen. Kleinste Schwankungen in Temperatur und Druck, normalerweise in Luftzellenvon ∼50 cm Durchmesser, führen zu kleinen Änderungen im Brechungsindex der Luft.Diese Änderungen führen dazu, dass von einem Stern ausgehende Lichtstrahlen gering-fügig andere Wege durch die Erdatmosphäre nehmen – damit ist das Bild eines Sternsauf dem Erdboden nicht mehr punktförmig, sondern verwaschen. Dieser Effekt, dasastronomische „Seeing“, ist das bekannte Flackern von Sternen, das besonders bei hori-zontnahen Objekten gut zu beobachten ist. Es führt dazu, dass die effektive Auflösung

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Abbildung 10: Links: Die azimutale Montierung eines der 8 m-Teleskope der Europäi-schen Südsternwarte. Rechts: Das fertig aufgebaute 8 m-Teleskop in Chile. BeachtenSie die Größe der Struktur! (Quelle: ESO).

großer Teleskope durch die Erdatmosphäre und nicht etwa durch den Teleskopdurch-messer bestimmt ist.Aufgabe 5: Ab welchem Durchmesser ist dies der Fall, ab welchem Teleskopdurchmesser

wird also die nutzbare Auflösung des Teleskops vom Seeing bestimmt? Nehmen Sie fürdiese Abschätzung einen Wert von 0.1 Bogensekunden für das Seeing an.

Der in der Aufgabe genannte Wert von 0.1 Bogensekunden wird nur an den bestenastronomischen Beobachtungsstandorten, zum Beispiel auf Hawaii oder in den chile-nischen Anden (Abb. 11) erreicht, wo aufgrund lokaler meteorologischer Bedingungeneine sehr geringe Luftunruhe herrscht. Zur Erforschung kleinster Strukturen in astro-nomischen Aufnahmen ist eine effektive Auflösung im Bogensekundenbereich aller-dings zu grob, und, wie Sie gerade gezeigt haben, weit von der beugungsbegrenztenAuflösung der Großteleskope entfernt. Mit konventionellen Teleskopen kann diese nurim Weltraum erreicht werden (zum Beispiel mit dem Hubble Space Telescope), auf demErdboden muss versucht werden, das Seeing durch direkten Eingriff in die Teleskopop-tik zu korrigieren. Diese Korrekturen fasst man unter dem Stichwort „Adaptive Optik“zusammen.

Die oben angesprochenen Schwankungen des Brechungsindex in der Luft führendazu, dass eine außerhalb der Erdatmosphäre ursprünglich parallele Wellenfront in derAtmosphäre verformt wird (Abb. 12, unten). Diese Verformung führt dann zum beob-achteten „Flackern“ des Sterns. Wäre es möglich, die Verformung der Wellenfront aus-zugleichen, dann wäre eine wesentlich bessere Abbildungsqualität gewährleistet. Mitder Entwicklung schneller Elektroniken rückt eine solche Korrektur zunehmend in denBereich des technisch Machbaren. Zur Zeit eingesetzte adaptive Optiken analysierendas Bild einer Testpunktquelle mit Hilfe eines Wellenfrontsensors. Durch kleine Ver-formungen des Fangspiegels wird dann die Wellenfront wieder „parallelisiert“. Solche

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Abbildung 11: Standort des „VeryLarge Telescope“ auf dem Paranalnahe Antofagasta in Chile (Quelle:ESO).

Korrekturen müssen sehr schnell erfolgen und eine Genauigkeit von ∼ λ/2 haben, woλ die Wellenlänge des beobachteten Lichts ist. Daher funktionieren sie zur Zeit haupt-sächlich im langwelligen Bereich, zum Beispiel bei Beobachtungen im nahen Infraro-ten. Da die Testpunktquelle hell genug sein muss, um die Verformung der Wellenfrontzu messen, kommt häufig ein „künstlicher Stern“ als Testquelle zum Einsatz, der durchResonanzübergänge in einer ∼50 km hohen Natriumschicht in der Erdatmosphäre miteinem auf die NaD-Linie eingestellten Laser erzeugt wird. In Deutschland wird an derEntwicklung adaptiver Optiken insbesondere am Max-Planck-Institut für Astronomie inHeidelberg und an der Europäischen Südsternwarte in Garching bei München geforscht.Erste Systeme sind am Very Large Telescope des ESO und am 10 m Keck Observatoryauf Hawaii in Einsatz.

Aktive Optiken Die Möglichkeit, dünne Spiegel herzustellen, reduziert nicht nur dieMasse des Teleskopspiegels, sondern erlaubt es auch, Ungenauigkeiten in der Telesko-poptik auszugleichen. Diese Ungenauigkeiten entstehen zum Beispiel durch die schonin Abschnitt 2.2.4 angesprochene Verformung des Teleskopspiegels bei Temperatur-änderungen und durch die plastische Verformung des Teleskops und insbesondere desHauptspiegels während der astronomischen Beobachtungen (Abb. 12, oben). Die Me-thode der aktiven Optik macht sich die leichte Verformung der dünnen Spiegel zu Nut-ze, indem sie den Spiegel durch gezielte Verformungen in seiner Idealform hält. Einegroße Zahl (∼ 80–100) sogenannter Aktuatoren auf der Rückseite des Spiegels ziehtund drückt dabei den Spiegel auf die Idealform. Durch ständige Überwachung einerReferenzpunktquelle, z.B. eines hellen Sterns, kann dadurch die Qualität der Gesamtop-tik nahezu ideal gehalten werden. Abbildung 13 zeigt als Beispiel die Spiegelhalterungeines der Teleskope des VLT.

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Abbildung 12: Prinzipien der aktiven und adaptiven Optik (Quelle: ESO).

2.3 BilddetektorenIst das Licht eines astronomischen Objekts einmal mit dem Teleskop gesammelt wor-den, muss es physikalisch analysiert werden. Auch mit dem Auge sind quantitativeastronomische Messungen möglich, zum Beispiel basiert die in der Astronomie heutenoch verwendete Skala für die Lichtintensität auf der (grob) logarithmischen Empfind-lichkeit des Auges. Für genaue Messungen ist das Auge allerdings nicht geeignet. Mitder Erfindung der Photographie Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts gelang es, einen De-tektor zu entwickeln, der unabhängig vom individuellen Beobachter ist und der fähig ist,Licht über einen längeren Zeitraum aufzuintegrieren. Außerdem war es mit der Photo-graphie erstmals möglich, Messungen aufzuzeichnen und später auszuwerten. Aus die-sen Gründen waren photographischer Film und Photoplatten bis Ende der 1970er Jahreder vorherrschende astronomische Bilddetektor, bevor sie nach der Entwicklung elek-tronischer Detektoren, insbesondere des Charge Coupled Device (CCD), mehr und mehrverdrängt wurden. Nur noch für einige sehr spezielle Bereiche war die Photographie bisvor wenigen Jahren noch unentbehrlich, insbesondere weil es möglich war, sehr großelichtempfindliche Flächen (Photoplatten bis 36 cm×36 cm) herzustellen. Hersteller wieKodak sind heute jedoch nicht mehr bereit, für wenige Platten pro Jahr die Produktionnoch aufrecht zu erhalten. In den letzten Jahren wurden Arrays von CCD-Detektorenentwickelt, die so auch die letzte Anwendung der Photoplatte übernehmen können. DasCCD ist daher für optische Anwendungen in der Astronomie der Bilddetektor schlecht-hin.

2.3.1 Grundlagen des CCD

Das Charge Coupled Device wurde 1969 von W.S. Boyle und G.E. Smith von den BellLaboratories erfunden, das Patent für das CCD wurde 1974 erteilt. Einen Überblick über

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Abbildung 13: Die Spiegelhalterungeines der 8 m-Teleskope des „Ve-ry Large Telescope“ mit den akti-ven Elementen zur Verformung desHauptspiegels (Quelle: ESO).

Tabelle 1: Bandlücken für verschiedene Halbleitermaterialien (nach McLean, 1997,Tab. 6.2).

Material Temperatur Bandlücke[K] [eV]

CdS 295 2.4CdSe 295 1.8GaAs 295 1.35Si 295 1.12Ge 295 0.67PbS 295 0.42InSb 295 0.18

77 0.23

die Entwicklungsgeschichte des CCD gibt McLean (1997).Das CCD ist ein Halbleiterdetektor, der aus einer zweidimensionalen Anordnung

von Siliziumdioden besteht. Die einfallenden Photonen erzeugen innerhalb des Fest-körpers Elektron-Loch-Paare, wenn ihre Energie ausreicht, um die Elektronen vomValenz- in das Leitungsband des Halbleiters anzuheben (innerer Photoeffekt), wenn diePhotonenenergie also größer als die Bandlücke des Halbleiters ist. Für einen Silizium-Halbleiter beträgt die Bandlücke 1.12 eV (Tab. 1). Die freigesetzten Ladungen könnenan der Grenzschicht zwischen p- und n-dotiertem Silizium durch äußere Spannungenin Potentialmulden gesammelt werden, um somit ein Ladungsbild über längere Belich-tungszeiten aufzubauen. Die erzeugte Ladungsmenge ist dem einfallenden Lichtflussauf das betrachtete Bildelement (Pixel) proportional.

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Abbildung 14: Schematischer Aufbau und Prin-zip des Ausleseverfahrens bei einem dreipha-sigen CCD. Die unter den Elektroden ange-sammelten Ladungen werden durch stufenwei-se Änderung der an den Pixeln anliegenden Po-tentiale verschoben (McLean, 1997, Fig. 6.9)

Aufgabe 6: Schätzen Sie ab, wie viele Elektronen pro Photon bei Licht der Wellenlängeλ = 4686Å in einem Si-Halbleiter entstehen. Warum ist es nicht möglich, einen solchenHalbleiter als CCD für Infrarot-Strahlung im K-Band bei λ = 2.2µm zu verwenden?Welches Material würden Sie wählen?

Nach Beendigung der Belichtung werden durch geeignetes Verändern der Potentialedie Ladungsverteilungen der Pixel Zeile für Zeile an den Bildrand geschoben und übereinen Verstärker hintereinander ausgelesen (Abb. 14). Dabei werden die angesammel-ten Ladungen in Spannungen umgewandelt, die durch einen Analog-Digital-Wandlerdigitalisiert und vom Computer als Daten übernommen werden.

Für die Astronomie sind CCD-Chips insbesondere wegen der im folgenden aufgeli-steten Eigenschaften interessant:

Effizienz: Der Quantenwirkungsgrad (quantum efficiency) guter CCDs beträgt bis zu∼100%, das heißt, nahezu 100% aller auf das CCD auftreffenden Photonen wer-den registriert. Das bedeutet eine etwa hundertfach höhere Empfindlichkeit ge-genüber den konventionellen Photoplatten. Abbildung 15 zeigt den Wirkungsgradverschiedenartiger Detektoren in Abhängigkeit von der Wellenlänge.

Linearität: Außer der höheren Empfindlichkeit bietet das CCD gegenüber der „norma-len“ Photographie den Vorteil der Linearität: Die gemessene Ladungsmenge istproportional zur Strahlungsintensität. Es ist also nicht nötig, eine Schwärzungs-kurve zu erstellen (die eine zusätzliche Ungenauigkeit einführt). Die Gewinnungqualitativ hochwertiger Aufnahmen mit Photoplatten erfordert viel Übung undErfahrung. CCDs dagegen sind sehr einfach zu handhaben. Ein weiterer Vorteil

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Abbildung 15: Vergleich der Effektivitätvon Detektoren in der Astrophysik. Dieals Signal auswertbare Lichtmenge in Pro-zent des einfallenden Lichtes (logarithmi-sche Skala) ist gegen die Wellenlänge auf-getragen.

der CCDs liegt darin, dass die Aufnahmen sofort in digitaler Form für die weite-re Bearbeitung (Bildverarbeitung) am Computer vorliegen. Photoplatten müssenentwickelt und für eine Weiterverarbeitung digitalisiert werden.

Spektrale Empfindlichkeit: Gewöhnliche CCD-Chips haben ihre Maximalempfind-lichkeit im roten Wellenlängenbereich. (600 nm–700 nm, siehe Abb. 15). Mit spe-ziellen Beschichtungen und durch Verwendung von „back illuminated“ CCDs istes möglich, den Empfindlichkeitsbereich zu kürzeren Wellenlängen hin auszudeh-nen. Heute gibt es CCDs, die bis in den Röntgenbereich empfindlich sind.

Geringer Untergrund: Auch ohne Lichteinfall tritt ein sogenannter Dunkelstrom auf,da eine gewisse Zahl von Elektronen allein aufgrund ihrer thermischen Energieins Leitungsband gelangt und sich im Bild als Rauschen bemerkbar macht. DerDunkelstrom ist daher temperaturabhängig. In der Praxis wird der Dunkelstromdurch Kühlung des CCD-Chips reduziert. Dies geschieht mit Flüssig-Stickstoffoder bei einfacheren Kameras mit Hilfe eines Peltier-Elements. Bei modernenCCDs ist der Dunkelstrom inzwischen so weit reduziert, dass auch sehr langeAufnahmen ohne wesentliche Störung möglich sind.

CCDs registrieren auch einfallende hochenergetische Teilchen kosmischen Ur-sprungs oder von umgebender Radioaktivität. Ein solches Ereignis hinterlässt ei-ne sehr große Ladungsmenge auf dem getroffenen Pixel, so dass dieses für dielaufende Aufnahme nicht mehr verwendbar ist. Diese sogenannten Cosmics sinddie eigentliche Begrenzung bei Langzeitbelichtungen. Belichtungszeiten über ei-ne Stunde sind meist nicht sinnvoll. Längere Aufnahmen müssen in Einzelauf-nahmen aufgeteilt werden.

Dynamik: Die minimale messbare Intensität ergibt sich aus dem Dunkelstrom, die ma-ximale messbare Intensität aus dem maximalen Speichervermögen des einem Pi-xel zugeordneten Potentialtopfs. Für in der Astronomie verwendete CCDs beträgtdieser dynamische Bereich ungefähr 1000:1, bei einer normalen Photoplatte le-diglich 30:1, das heißt, es können auf einer Aufnahme helle (z.B. Sterne oderhelle Nebel) wie auch dunkle Gebiete (z.B. Filamente) quantitativ untersucht wer-den. Die Bildtiefe des im Rechner repräsentierten Bildes hängt vom verwendetenAnalog-Digital-Wandler ab, dessen Dynamik größer sein sollte als die Dynamikdes CCD. Sie beträgt meist zwischen 16 und 32 bit.

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Auslesezeit: Beim Auslesen des Chips muss darauf geachtet werden, dass das regi-strierte Ladungsmuster nicht verwischt wird. Die Auslesegeschwindigkeit kanndaher nicht beliebig gesteigert werden. Die Auslesezeit der hier verwendeten Ka-mera beträgt etwa 2–3 s. Für einen großen Chip benötigt man leicht einige Mi-nuten. Zur Registrierung schnellerer Prozesse sind Standard-CCDs daher nichtgeeignet. Für schnelle Photometrie werden daher immer noch fast ausschließlichPhotomultiplier verwendet. Die Entwicklung rauscharmer und schneller Ausle-seelektronik ist zur Zeit ein aktuelles Thema. Am Institut für Astronomie undAstrophysik sind wir z.B. an der Entwicklung der schnellen Ausleseelektronikfür Röntgen-CCDs für Satelliten beteiligt.

2.3.2 CCDs in der Astronomie

Derzeit bestehen astronomische CCDs aus ungefähr 320×512 bis zu 8k×8k Pixeln.Die typischen Pixelgrößen betragen zwischen 7µm und 20µm. Die Gesamtdetektorflä-che ist also im Vergleich zu konventionellen Photoplatten (Größe bis zu 32 cm×32 cm)sehr klein, das heißt, der abgebildete Himmelsbereich beträgt (an astronomischen Te-leskopen) nur bis zu einigen Bogenminuten. Für viele astronomische (Einzel-)Objekteist dies jedoch keine Einschränkung, da deren Winkelausdehnung sehr gering ist. Le-diglich großflächige Himmelsdurchmusterungen – wie z.B. die Palomar Sky Survey,die mit Hilfe von Schmidt-Kameras (Bildfeld 6◦×6◦) gemacht wurde – sind bisher nurmit erheblichem Aufwand möglich (CCD Arrays). Das räumliche Auflösungsvermögenwird von der Pixelgröße und vom Abbildungsmaßstab der Optik bestimmt. Um dasAuflösungsvermögen des Instruments bei guten atmosphärischen Bedingungen auszu-nutzen, sollten die einzelnen Pixel weniger als 1ı des Himmels abbilden.

Typische Anwendungsgebiete des CCD in der modernen Astronomie sind die Bild-gewinnung und die Messung von Sternhelligkeiten (Photometrie). Ferner werden CCDsals Strahlungsdetektoren in der Spektroskopie eingesetzt:

Bilder werden meist mit Filtern aufgenommen. Im Licht einer einzelnen Emissionsli-nie aufgenommene Bilder werden beispielsweise dazu benutzt, den Ionisations-zustand verschiedener Objekte zu untersuchen.

Spektroskopie: Das CCD dient als hochempfindlicher linearer Detektor, bei dem dasvom Spektrographen erzeugte Spektrum des Objekts auf das CCD abgebildetwird.

Lichtkurven (CCD-Photometrie): Quantitative Flussbestimmungen aus einer Folgevon CCD-Aufnahmen werden zu einer Lichtkurve zusammengesetzt.

Positionsmessung (Astrometrie) dient zur Messung von Winkelabständen von Him-melskörpern anhand von Bildern.

In diesem Versuch werden wir exemplarisch die ersten beiden oben aufgelisteten Punktebehandeln.

2.4 SpektroskopieDie Aufgabe eines Spektrographen besteht darin, die Intensitätsverteilung des Lichtsals Funktion der Wellenlänge darzustellen. Während beim Prismenspektrographen das

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Spektrum durch Lichtbrechung entsteht, erfolgt dies beim Gitterspektrographen durchLichtbeugung. Dabei muss der Spektrograph so effizient wie möglich sein, da die Licht-quellen sehr schwach sein können.

Moderne Spektrographen werden heutzutage fast ausschließlich mit einem Gitteranstatt eines Prismas als dispergierendem Element gebaut, da ein Prismenspektrographeine ungleichförmige Dispersion zeigt, während sie beim Gitterspektrographen in guterNäherung linear ist. Darüberhinaus werden anstelle von lichtdurchlässigen Gittern meistReflexionsgitter verwendet, mit welchen die Interferenzen des reflektierten anstatt destransmittierten Lichtes beobachtet werden.

Es gibt mehrere Vorteile der Reflexionsgitter gegenüber Transmissionsgittern: Zumeinen wird bei einem Reflexionsgitter verhindert, dass Licht ein von Luft verschiede-nes Medium passieren muss und dadurch Störungen des Spektrums durch chromatischeAberration auftreten. Desweiteren sind Reflexionsgitter einfacher und damit billiger her-zustellen. Der Hauptvorteil der Reflexionsgitter liegt aber vor allem darin, dass sie „ge-blazed“ werden können, das heißt, dass ein großer Teil des zur Verfügung stehendenLichts in eine Ordnung gebeugt werden kann. Dieses Verfahren ermöglicht daher einebeachtliche Verringerung von Lichtverlusten am Beugungsgitter.

Für die Qualität eines Spektrographen sind vor allem die folgenden zwei Kriterienausschlaggebend: Zum einen sorgt eine hohe Winkeldispersion für ein möglichst weitauseinander gezogenes Spektrum. Zum anderen bestimmt das Auf lösungsvermögen ei-nes Gitters, ob zwei eng benachbarte Spektrallinien gerade noch trennbar sind. Im Fol-genden wird die Beugungstheorie des Gitters besprochen, um danach auf die beidenQualitätspunkte Dispersion und Auflösungsvermögen näher einzugehen. Als weiterfüh-rende Literatur sei auf Schmidt (1995) und Staudt (1993) verwiesen.

Abbildung 16: Geometrie der Beugung amDoppelspalt: benachbarte Ordnungen lie-gen um λ/a = sinβ− sinε auseinander; aist der Abstand der parallelen Gitterstriche,ε der Einfallswinkel und β der Ausfalls-winkel (Schmidt, 1995)

2.4.1 Beugungstheorie am Gitter

Die Beugungstheorie eines Reflexionsgitter entspricht der eines Transmissionsgitters.Zur besseren Veranschaulichung wird im Folgenden die Beugungstheorie anhand einesTransmissionsgitters beschrieben. Entsprechend Abbildung 16 ergeben sich am Beu-gungsgitter Intensitätsmaxima, wenn der Gangunterschied ∆ = a(sinβ− sinε) benach-

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barter Strahlen einem ganzzahligen Vielfachen n der Wellenlänge λ entspricht:

sinβ− sinε =nλ

a(10)

Benachbarte Ordnungen liegen um sinβ − sinε = λ

a auseinander. Somit ist die Lageder jeweiligen Hauptmaxima bei der Interferenz monochromatischen Lichtes der Wel-lenlänge λ an einem Gitter unabhängig von der Anzahl der Gitterspalte N, wohl aberabhängig von der jeweiligen Wellenlänge des verwendeten Lichtes. Das Maximum er-ster Ordnung für langwelliges Licht entsteht somit unter größerem Winkel als jenes fürkurzwelliges Licht. Zwischen den Hauptmaxima erhält man entsprechend Abbildung17 jeweils N −2 kleine Nebenmaxima, die mit zunehmender Spaltenzahl N schwächerwerden, was gleichzeitig zur Folge hat, dass sich die Linienschärfe der Hauptmaximaerhöht.

Abbildung 17: Beugung am Gitter; n = ±1,±2,±3, . . .: Ordnung des Spektrums ; g:Abstand der parallelen Gitterstriche; α: Ausfallswinkel, ∆: Gangunterschied (Staudt,1993)

Bei den bisherigen Überlegungen wurde davon ausgegangen, dass die einzelnen Git-terspalte beliebig schmal seien und daher nur eine Elementarwelle von ihnen ausginge.Dies ist in der Praxis jedoch nicht der Fall: die Kugelwellen, welche von einem Gitter-spalt ausgehen, interferieren zusätzlich miteinander. Dadurch wird das Interferenzbildeines Gitters durch das eines Einzelspaltes moduliert. Die Funktion des Interferenz-bildes am Einzelspalt wird dann zur Einhüllenden des Gitterinterferenzbildes, so dassdie Hauptmaxima des Gitters unterschiedliche Intensitäten haben. Zum Beispiel könnenGittermaxima an der Stelle eines Minimums vom Einzelspalt völlig ausgelöscht werden.Vor allem aber enthält das Maximum nullter Ordnung, welches keine Beugungsinfor-mation enthält, die größte Lichtmenge.

Bei einem Reflexionsgitter kann man dies umgehen, indem die einzelnen Spalteentsprechend Abbildung 18 als keilförmige Stufen mit dem Blazewinkel Θ ausgeführtwerden, so dass die auf die unterschiedlichen Stufen eintreffenden Strahlen mit einemGangunterschied ∆ = nasin(Θ+ δ) reflektiert werden. Maxima n-ter Ordnung entste-hen, analog zum normalen Gitter, wenn der Gangunterschied ein ganzzahliges Viel-faches der Wellenlänge beträgt. Somit kann die Hauptmenge des Lichtes, welche ur-sprünglich keine Information enthielt, als Informationsträger genutzt werden.

Zur Bestimmung des mit einem Blazegitter beobachtbaren Spektralbereichs betrach-ten wir zunächst den Fall einer monochromatischen Lichtquelle. Fällt Licht mit der Wel-

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.

ε

β

δΘ

Θ

Θ

.

.

einfallender

.

reflektierterStrahl

Strahl

NG

G

N N

a

a

.

δ

−δ

Θ+δ

Abbildung 18: Strahlengang am Blazegitter: eintreffende Strahlen werden mit einemGangunterschied ∆ = nasin(Θ+δ) reflektiert, G: Gitternormale, N: Spiegelflächennor-male, Θ: Blazewinkel, δ: Ein- bzw. Ausfallswinkel

lenlänge λB unter dem Einfalls- bzw. Ausfallswinkel δ auf die Blaze-Spiegelflächen, sogilt

ε = δ−Θ und β = Θ+δ (11)

und daher∆

a=

nλB

a= sin(Θ+δ) = sin(2Θ+ ε) (12)

Damit stehen die Wellenlänge λB, der Reflexionswinkel δ und der Blazewinkel Θ inenger Beziehung zueinander. Durch minimale Änderung des Reflexionswinkels δ ver-schiebt sich die Lage der Spektrallinie innerhalb einer Ordnung entsprechend. Durcheine Änderung des Einfallswinkels durch Drehen des Gitters im Strahlengang ist es alsomöglich, abschnittweise einen sehr breiten Wellenlängenbereich zu detektieren.

Abbildung 19: In „erster Ordnung geblazedes“ Gitter (Schmidt, 1995).

Für nicht-monochromatisches Licht ist die Intensitätsverteilung des Spektrums durchdie Beugung am Gesamtgitter bestimmt. Diese Verteilung bezeichnet man als die Blaze-

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funktion des Blazegitters. Ihre Breite bei halber Intensität ist als sogenannter nutzbarerWellenlängenbereich λ/b definiert (Abb. 19). Es gilt

∆λ =λB

n(13)

wobei n die Beugungsordnung und die Blazewellenlänge λB die zentrale Wellenlängeist. Ein maximal großer nutzbarer Wellenlängenbereich ergibt sich daher bei n = 1.

2.4.2 Die Dispersion

Die Dispersion ist ein Maß dafür, um welchen Wellenlängenanteil sich das Spektrumeiner Ordnung mit zunehmendem Winkel ändert. In der folgenden Herleitung sei derEinfachheit halber der Einfallswinkel gleich Null. Beugungsmaxima entstehen nachGleichung 10 dann für

λ =asinβ

n. (14)

wobei β der Ausfallswinkel, a der Abstand der Gitterstriche und n die Ordnung desSpektrums ist. Damit ist

dλ=

nacosβ

(15)

Da β im Allgemeinen klein und damit cosβ≈ 1 ist, bleibt daher die Dispersion innerhalbeiner Ordnung praktisch konstant. Dies ist ein entscheidender Vorteil des Dispersions-gitters gegenüber dem Prisma, welches eine nichtlineare Dispersion zeigt. Üblicherwei-se wird die Dispersion in Å/mm angegeben.

2.4.3 Das Auflösungsvermögen

Zur Herleitung der spektralen Auflösung eines Spektrographen geht man von der An-nahme aus, dass die Intensitätsverteilungen zweier Linien mit den Wellenlängen λ undλ+∆λ gerade dann noch getrennt wahrgenommen werden können, wenn das Hauptma-ximum der einen Linie mit dem ersten Minimum der anderen Linie zusammenfällt. DasVerhältnis

A =λ

∆λ(16)

wird als das Auflösungsvermögen des Spektrographen bezeichnet. Für einen Gitterspek-trographen erhält man

λ

∆λ= Nn (17)

wobei N die Zahl der Gitterstriche und n die Beugungsordnung ist.Das spektrale Auflösungsvermögen hängt somit theoretisch nur von der zu analy-

sierenden Ordnung und der Anzahl der Gitterstriche des Beugungsgitters ab. Praktischwird die spektrale Auflösung eines Spektrographen allerdings zusätzlich von einer Rei-he von Faktoren beeinträchtigt. Neben den Eigenschaften des Gitters sind dies insbe-sondere die Auflösung der optischen Anordnung des Spektrographen und die Breite desEintrittsspaltes. Auf diese Punkte soll hier jedoch nicht weiter eingegangen werden.

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2.5 StrahlungstheorieDie elektromagnetische Strahlung eines astronomischen Objektes ist die wesentlicheInformationsquelle, die uns für eine Untersuchung der physikalischen Eigenschaften zurVerfügung steht. Für die folgenden Aufgaben benötigen wir daher eine Beschreibungdes Strahlungsfeldes.

2.6 Strahlungsintensität und Strahlungsfluss

Abbildung 20: Definition der Intensität (Quelle:Unsöld & Baschek, 1988, Abb. 4.2.1).

Betrachten wir eine strahlende Fläche wie z.B. die Oberfläche eines Sterns, dann ist dieIntensität Iν die Energie ∆E des Strahlungsfeldes, die im Frequenzintervall [ν,ν+∆ν],im Zeitintervall [t, t +∆t] in den Raumwinkel ∆ω um die Flächennormale ~n und durchdas Flächenelement senkrecht zu~n am Ort~r mit der Fläche ∆A verläuft (Abb. 20):

Iν(ν,~n,~r, t) :=∆E

∆ν∆t∆ω∆Acosϑ

Der Strahlungsfluss Fν in Richtung~n ergibt sich aus der Integration über alle Raumwin-kel:

Fν =∫

π

0

∫ 2π

0Iν cosϑsinϑdϑdϕ

Für ein isotropes Strahlungsfeld ist der Strahlungsfluss also gleich Null. Auf derSternoberfläche kommt die Strahlung nur aus einer Hemisphäre (aus dem Sterninneren),Einstrahlung von außen kann abgesehen von sehr engen Doppelsternen vernachlässigtwerden. Die Ausstrahlung eines Sternes ist also:

F+ν =

∫π/2

0

∫ 2π

0Iν cosϑsinϑdϑdϕ

Die mittlere Intensität Iν einer projizierten Sternscheibe ist gegeben durch (Abb. 21):

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Abbildung 21: Mittlere Intensität einer Stern-scheibe (Quelle: Unsöld & Baschek, 1988,Abb. 4.2.3).

πR2Iν =∫ 2π

0

∫π/2

0Iν(ϑ,φ)R2 cosϑsinϑdϑdϕ

Kürzt man mit R2 und vergleicht mit der Definition der Ausstrahlung, dann ist

πIν = F+ν ,

d.h., die mittlere Intensität der Sternscheibe ist proportional zum Strahlungsfluss an derSternoberfläche. Befindet sich der Stern (Radius R) in einer großen Entfernung r vomBeobachter, so gilt für den im Detektor registrierten Strahlungsstrom fν:

fν = FνR2/r2.

Die Intensität der Gesamtstrahlung I sowie der Gesamtstrahlungsfluss F ergeben sichaus der Integration über alle Frequenzen.

2.6.1 Strahlung im thermodynamischen Gleichgewicht

Die Intensität eines Gases im thermodynamischen Gleichgewicht lässt sich durch dieplancksche Strahlungsformel angeben (Strahlung eines „schwarzen Körpers“, Abb. 22):

Bν(T ) =2hν3

c21

ehν/kT −1.

Die gesamte Ausstrahlung lässt sich also schreiben als

F+ = πB(T ),

und ist nach dem stefan-boltzmannschen Strahlungsgesetz proportional zur vierten Po-tenz der Temperatur:

F+ = πB(T ) = σT 4

mit der Strahlungskonstante σ = 5.67 ·10−8W m−2K−4 = 5.67 ·10−5ergs−1cm−2K−4.

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Abbildung 22: Planckfunktion, wiensches Ver-schiebungsgesetz.

2.6.2 Effektivtemperatur und Leuchtkraft

Sterne sind nicht im thermodynamischen Gleichgewicht, die Energieverteilung entsprichtdaher auch nicht der eines schwarzen Körpers. Die plancksche Strahlungsformel kannaber trotzdem zur groben Beschreibung herangezogen werden. Aus dem Vergleich desGesamtstrahlungsstroms eines Sternes mit dem eines schwarzen Körpers kann man dieEffektivtemperatur definieren:

σT 4 = πB(T ) = F = σT 4eff

Die Effektivtemperatur eines Sternes ist also die Temperatur, die ein schwarzer Körperhaben müsste, um die gleiche Energie pro Fläche und Zeiteinheit abzustrahlen.

Die gesamte Energie pro Zeiteinheit, die von einem Stern emittiert wird, die Leucht-kraft, ergibt sich durch die Multiplikation des Gesamtstrahlungsstroms mit der Sterno-berfläche:

L = 4πR2F = 4πR2σT 4

eff.

2.6.3 Helligkeiten und Farben

Die astronomische Helligkeitsdefinition orientiert sich einerseits an der logarithmischenEmpfindlichkeit des Auges und andererseits an der antiken Helligkeitseinteilung vonHipparch. Die scheinbare Helligkeit eines Objekts mit dem Strahlungsstrom s1 relativzu einem Strahlungsstrom s2 ist definiert als:

m1 −m2 =−2.5log(s1/s2).

Beispiele sind Wega (α Lyr) mit einer visuellen Helligkeit von 0.m14, Sirius mit −1.m6und die Sonne mit −26.m8. Neben der spektralen Energieverteilung eines Objektes hängtdie Helligkeit auch noch von dem Empfindlichkeitverlauf des Instruments ab. Idealer-weise hängt diese wiederum nur von dem verwendeten Filter ab. Helligkeitsangaben inden verschiedenen Filtern werden mit einem entsprechenden Index gekennzeichnet. Wirverwenden ein Filtersystem, das sich an das von Johnson und Morgan definierte anlehnt(Abb. 23).

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U Ultraviolett: λeff = 3500 Å

B Blau: λeff = 4350 Å

V Visuell: λeff = 5550 Å

R Rot: λeff = 7100 Å

I Infrarot: λeff = 9700 Å

Abbildung 23: Filterfunktionen des Johnson-Systems (U,B,V,R, I) (Quelle: Unsöld & Ba-schek, 1988, Abb. 4.4.1).

Die Differenz aus zwei Filterhelligkeiten wird als Farbe bezeichnet, wobei immermkurzwellig−mlangwellig angegeben wird. Wegen der relativen Definition der Helligkeitenkönnen wir den Nullpunkt wählen. Dieser ist auf Wega bezogen, die in allen Farben denWert 0 haben soll.

2.7 Farben-Helligkeits-DiagrammDas Farben-Helligkeits-Diagramm (FHD, Abb. 24) ist das Fundamentaldiagramm derstellaren Astrophysik. Die Farbe ist ein Maß für die Effektivtemperatur.

Aufgabe 7: Erklären Sie mit Hilfe von Schwarzkörper-Sternen den Zusammenhang von Farbeund Temperatur. Warum gibt es bei sehr heißen Sternen keine Farbänderung mit derTemperatur mehr?

Die Helligkeit ist ein Maß für die Leuchtkraft, hier geht aber auch die Entfernung ein.Erstellt man ein Farben-Helligkeits-Diagramm eines Sternhaufens, sind die Helligkeits-unterschiede zwischen den Sternen direkt ein Maß für die Leuchtkraftunterschiede, daalle Sterne in erster Näherung gleich weit entfernt sind (die Haufenausdehnung ist vielkleiner als die Haufenentfernung).

Das Farben-Helligkeits-Diagramm ist äquivalent zum Hertzsprung-Russell-Diagramm(HRD), wo der Spektraltyp (s.u.), der ebenfalls ein Maß für die Effektivtemperaturist, gegen die Helligkeit aufgetragen ist. Eine weitere Variante stellt das physikalischeHertzsprung-Russell-Diagramm mit Effektivtemperatur und Leuchtkraft als Achsenpa-rametern dar. Sterne nehmen im HRD bzw. FHD charakteristische Positionen ein. Ver-gleiche von Sternpositionen im HRD mit theoretischen Entwicklungsrechnungen erlau-ben z.B. die Bestimmung des Entwicklungszustandes eines Sterns. Da Sterne in Stern-haufen alle gleich alt sind, erlaubt der Vergleich des FHDs des Haufens mit theoreti-schen FHDs (Isochronen) eine Altersbestimmung. An dieser Stelle lohnt es sich, densehr schönen Artikel über offene Sternhaufen aus Sterne und Weltraum (August 2011)auf Seite 65 im Anhang dieser Anleitung zu lesen.

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Abbildung 24: Farben-Helligkeits-Diagramm(Quelle: Unsöld & Baschek, 1988, Abb. 4.5.2).

2.8 SpektralklassenSternspektren spiegeln die physikalischen Bedingungen in der äußeren Hülle wider.Durch Vergleich von beobachteten Spektren mit theoretischen kann man z.B. die Effek-tivtemperatur, die Oberflächenschwerebeschleunigung und die chemische Zusammen-setzung bestimmen. Dies erlaubt, bei bekannter Entfernung, z.B. die Einordnung insHRD. Um nicht bei jedem neuen Stern eine detaillierte Spektralanalyse durchführen zumüssen, ist eine Klassifikation der Sternspektren sinnvoll. Neue Objekte müssen dannnur in dieses Schema eingeordnet werden, um deren Parameter bestimmen zu können.

Abbildung 25: Schematisches HRD mit Leucht-kraftklassen (Quelle: Karttunen et al., 1990,Abb. 9.9).

Gebräuchlich ist heute die Spektralklassifikation nach Morgan und Keenan, die einezwei-parametrige Klassifikation (Abb. 25) nach Spektraltyp und Leuchtkraftklasse defi-niert haben. Der Spektraltyp wird nach der Havardklassifikation mit den Buchstaben O,

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Abbildung 26: Spektralklassifikation (Quelle:Seeds, 1997, Abb. 7-16).

B, A, F, G, K und M gekennzeichnet, wobei jede Spektralklasse noch in zehn Unter-klassen von 0 bis 9 unterteilt wird. In jüngster Zeit ist die Einführung von zwei weiterenSpektralklassen, L und T, für sehr rötliche Objekte notwendig geworden. Die Einteilungin die Klassen erfolgt über die Vermessung von Linienstärken verschiedener Spektralli-nien (Abb. 26). Der Spektraltyp ist ein direktes Maß für die Effektivtemperatur.

Aufgabe 8: Welcher Effektivtemperatur entspricht die Spektralklasse B, welcher M? Wiesonimmt die Stärke der Balmerlinien mit zunehmender Effektivtemperatur erst zu unddann wieder ab (Abb. 27)?

Der zweite Parameter, die Leuchtkraftklasse (I: Überriesen bis V: Zwerge) orientiertsich an den Linienbreiten. Bei gleichem Spektraltyp nimmt z.B. die Linienbreite derBalmerlinien mit abnehmender Leuchtkraftklasse ab.

Aufgabe 9: Welches ist die Spektralklasse der Sonne?

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Abbildung 27: Linienstärken verschiedenerElemente in Abhängigkeit von der Temperatur.

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3 VersuchsaufbauDie Spektroskopie von Sternen werden wir mit dem 10 C-Reflexionsspektrographenam 0,8 m-Reflektor des Instituts für Astronomie und Astrophysik, Abteilung Astro-nomie, durchführen. Der Versuchsaufbau besteht aus dem 0,8 m-Reflektor, dem 10 C-Reflexionsspektrographen und einer CCD-Kamera, die als Detektor für das aufgenom-mene Spektrum dient. In den nächsten Abschnitten werden Sie diese Komponenten ge-nauer kennenlernen.

3.1 Spiegelteleskop

Abbildung 28: Der Tübinger 0,8m Reflektor.

Das Tübinger 0,8 m-Spiegelteleskop (Tab. 2) wurde 2003 von der Firma Astro Op-tik Philipp Keller hergestellt und montiert, es befindet sich in einer 5 m durchmessen-den Kuppel der Firma Baader (Abb. 28). Das Teleskop ist parallaktisch in einer Ga-bel montiert, besitzt einen Friktionsantrieb und ist vollständig computergesteuert. DieNachführung wird zusätzlich durch hochauflösende Encoder in Echtzeit korrigiert. Al-lerdings liegt aufgrund der extrem präzisen Mechanik auch ohne Encoder der RMS-Nachführfehler bereits weit unter einer Bogensekunde pro Minute. Nähere Informatio-nen finden sich unter http://www.astrooptik.com.

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Tabelle 2: Technische Daten des Tübinger 0,8 m-Reflektors.

HauptfernrohrÖffnung D 800 mmBrennweite f 6400 mmÖffnungsverhältnis f/D 8

3.2 Der 10 C-GitterspektrographBei dem in Tübingen verwendeten Spektrographen handelt es sich um einen 10 C-Reflexionsgitterspektrographen der Firma Optomechanics Research, Inc., Vail, Arizona(Abb. 29, Tab. 3).

Die Eintrittsspaltanordnung des Spektrographen besteht aus drei Einzelspalten. Durchden mittleren, etwas längeren Spalt tritt das Licht, welches von dem zu untersuchendenObjekt (z.B. Sonne, Stern, Flatfield) ausgesandt wird, ein. Zu beiden Seiten des Zentral-spaltes ist jeweils ein kürzerer Spalt mit derselben Breite wie der Hauptspalt angebracht.Es stehen zwei Spaltanordnungen unterschiedlicher Breite (50µm und 100µm) zur Ver-fügung. Das Licht der Vergleichslampen tritt mittels einer optischen Anordnung, be-stehend aus Linse, Umlenkspiegel und Lichtleitern, auf die beiden Nebenspalte. Damitkann simultan zum Spektrum des astronomischen Objekts das Spektrum einer bekann-ten Quelle aufgenommen werden. Dieses Spektrum kann dann zur Wellenlängenkali-bration des astronomischen Spektrums verwendet werden. Am Tübinger Spektrographwerden als Vergleichslampen eine Quecksilber- und eine Neon-Lampe verwendet. Ab-bildung 30 zeigt das Emissionslinienspektrum dieser Lampen. Tabelle 8 auf S. 49 imAnhang listet die genaue Lage der Emissionslinien der Kalibrationslampen auf. Astro-nomischer Konvention entsprechend werden dabei die Ionen mit römischen Zahlen nu-meriert: Hg I entspricht also neutralem Quecksilber, Hg II entspricht Hg+ und so weiter.

Abbildung 29: Aufbau des 10 C Spektrographen Quelle: (Optomechanics Research,1997).

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Tabelle 3: Technische Daten des 10 C-Gitterspektrographen.

Gewicht ∼ 4.5 kgKameraBrennweite f = 135mmÖffnungsverhältnis f/D = 2.8KollimatorBrennweite f = 225mmHauptspaltAbmessungen 50 µm×1.5 mm

100 µm×1.5 mmNeigung gegenüber der opt. Achse 35◦

Projektion auf Kamera 40 µm bzw. 80µm900µm = 100pixel

NebenspalteAbmessungen Breite wie Hauptspalt ×0.75mmProjektion auf Kamera 455µm ∼ 50 pixelGitter 1Abmessung 25mm×25mmLinienzahl g1 = 600/mmMaximum 1. Ordnung 5000 ÅDispersion 1.04 Å/pixel∆λ 5.97 Åλ/∆λ 840 bei 5000 ÅÜberlappung 300 ÅGitter 2Abmessung 25mm×25mmLinienzahl g2 = 1200/mmMaximum 1. Ordnung 5000 ÅDispersion 0.54 Å/pixel∆λ 2.85 Åλ/∆λ 1754 bei 5000 ÅÜberlappung 160 ÅHg VergleichslampeTyp Osram Hg 100Brennspannung 45 VBetriebsstrom 1 ALeistung 22. . . 44 WNe VergleichslampeTyp Osram Ne/10Brennspannung 30 VBetriebsstrom 1 ALeistung 30 WBlaufilterOpazität 5100 Å–5500 ÅLinienfreiheit in 1. Ordnung < 7500 ÅAbmessungen 12.5 mm× 16.5 mm × 3 mm

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Hg 4047Hg 4078

Ne 4314

Hg 4358

Hg 4916

Ne 5330/41

Ne 5400

Hg 5461

Hg 5770Hg 5791

Ne 5852Ne 5881

Ne 5944Ne 5975

Ne 6029

Ne 6074Ne 6096

Ne 6143Ne 6164

Ne 6217

Ne 6266Ne 6305Ne 6334

Ne 6383Ne 6402

Ne 6506Ne 6532

Ne 6599

Ne 6678Ne 6717

0 1 2

40

00

45

00

50

00

55

00

60

00

65

00

We

llen

lan

ge

/A o

log relativer Fluß

Abbildung

30:Hg/N

e-Kalibrationsspektrum

,aufgenomm

enm

itdem1200erG

itter.

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Tabelle 4: Technische Daten der STL-1001E Kamera.

Format 1024×1024 pixelPixelgröße 24 µm × 24 µmChipgröße 24,5 mm × 24,5 mmKühlung ∆T = 40◦C

Tabelle 5: Technische Daten der HX916 Kamera.

Format 1300×1030 pixelPixelgröße 6,7 µm × 6,7 µmChipgröße 8,7 mm × 6,9 mm

Hinter der Spaltanordnung befindet sich ein Blaufilter, welcher durch einen Filter-schieber wahlweise aus dem Strahlengang genommen werden kann. Er ist im Wellen-längenbereich unterhalb von 5100 Å opak, also lichtundurchlässig, während er 90% derStrahlung oberhalb von 5500 Å transmittiert. Mit dem Blaufilter wird bei einer Wellen-länge oberhalb von 7500 Å eine Kontamination der Linien erster Ordnung durch jenezweiter Ordnung vermieden.

Der 10 C-Gitterspektrograph ist mit zwei Blazegittern ausgestattet, welche Gitter-konstanten von g1 = 600/mm und g2 = 1200/mm haben. Das von diesen Gittern er-zeugte Spektrum wird schließlich mit einer Kameralinse auf den zur Detektion desSpektrums verwendeten CCD-Detektor der Kamera HX916 gelenkt.

3.3 CCD-Kameras STL-1001E und HX916Die am 0,8 m-Teleskop als abbildendes Instrument und Detektor für den Spektrographeneingesetzten CCD-Kameras sind handelsübliche Kameras vom Typ STL-1001E (Tab. 4)der kalifornischen Santa Barbara Instrument Group (SBIG) bzw. HX916 (Tab. 5) vonStarlight XPress. Die CCD wird mit einem Peltier-Element gekühlt. Am CCD-Chip las-sen sich so ca. 30-40◦C unter der Umgebungstemperatur erreichen. Die Belichtungszeitlässt sich von 0.01 s bis 3600 s mit einer Genauigkeit von 0.01 s einstellen und wirddurch einen mechanischen Shutter realisiert. Die Bedienung der Kamera erfolgt überMaximDL.

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„My dear Watson, try a little analysisyourself“, said he, with a touch of

impatience. „You know my methods.Apply them, and it will be instructive

to compare results“.Conan Doyle

The Sign of the Four

4 Versuchsdurchführung

4.1 VorbereitungDiskutieren Sie die in den vorherigen Abschnitten beschriebenen Grundlagen:

• Koordinatensysteme• Aufbau astronomischer Teleskope• Eigenschaften und Vergleich verschiedener Bilddetektoren• Prinzip des CCD• Prinzip des Gitterspektrographen• Farben-Helligkeits-Diagramm• Spektralklassifikation

Um es noch einmal zu wiederholen: Lösen Sie die in die vorherigen Abschnitte ein-gestreuten Aufgaben vor dem Versuch und bringen Sie ihre Lösungen am Tag der Ver-suchsdurchführung mit!

Das Praktikum besteht aus zwei Teilen. Der erste Praktikumstag bzw. -abend istder Datenaufnahme gewidmet. Zu diesem Termin sollten Sie bereits Kenntnis über denallgemeinen Inhalt des Versuchs sowie das verwendete Teleskop haben. Da wir nichtviele brauchbare Beobachtungsnächte zur Verfügung haben, müssen wir jede zur Ver-fügung stehende Nacht nutzen. Das erfordert von Ihnen und von uns ein hohes Maß anFlexibilität. Denken Sie bitte - insbesondere im Winter - auch an ausreichend warmeKleidung.

Am zweiten Tag beschäftigen wir uns nach einem Testat, bei dem wir auch dievon Ihnen mitgebrachten Aufgaben und eventuell noch ungeklärte Fragen besprechen,mit der Datenauswertung: Wir werten die Spektren und die Photometrie aus. Gleich zuBeginn schon der Hinweis, dass Sie sich Mehrarbeit ersparen, wenn Sie bei der Aus-wertung die folgenden Punkte berücksichtigen:

• Ziehen Sie die sich öffnenden Plotfenster nicht mit der Maus größer/kleiner.• Schließen Sie diese Fenster nicht einfach.• Denken Sie daran, Dezimalzahlen mit Punkten, nicht Kommas, zu trennen.• Kein close_print ohne vorigen open_print-Befehl; ansonsten müssen Va-

riablen eventuell neu gesetzt werden.• Die für die Photometrie verwendete Routine kennt kein Zurück. Sorgfältiges Ar-

beiten hilft, nicht von vorne beginnen zu müssen.

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Im Folgenden stellen wir die einzelnen Arbeitsschritte dar. Sie sollten diesen Ab-schnitt gelesen haben, so dass Sie die Reihenfolge der Arbeitsschritte verstehen. Dieaufgelisteten Programmbefehle dienen als Referenz für die Versuchsausführung, Siemüssen sie jetzt noch nicht verstehen oder gar auswendig lernen!

4.2 SternspektroskopieZur Aufnahme der Sternspektren wird der in 3.1 beschriebene 0,8 m-Reflektor mit dem10 C-Spektrographen und der Kamera HX916 verwendet. Dieses Teleskop befindet sichin der Beobachtungskuppel auf dem Gelände des Instituts. Die Vorbereitung der Beob-achtung wird an Ort und Stelle erklärt, dazu gehören:

1. Vorbereitung des Teleskops und Spektrographen

2. Vorbereitung der Kuppel

3. Vorbereitung der Rechner

Das Programm MaximDL dient einerseits zur Steuerung der Kamera (Belichtung, Küh-lung, usw.), andererseits sind damit auch einige Datenreduktionen machbar. Im Prakti-kum werden mit diesem Programm die Belichtungen durchgeführt, während die Aus-wertungen der aufgenommenen Bilder mit einem speziellen Bildverarbeitungsprogramm(IDL) erfolgen. Zum Hochfahren des CCD sind die folgenden Schritte durchzuführen:

1. Das Programm MaximDL starten. Es kann einige Sekunden dauern, bis die Ver-bindung zum CCD hergestellt ist.

2. Im Kamera-Setup die Temperaturregelung einstellen, Setpoint −30◦C einstellen.Dieser Wert wird u.U. nicht erreicht, eine Messung ist nur dann sinnvoll, wennTemperaturen unter 0◦C erreicht werden können. Sollte dies im Sommer nichtder Fall sein, werden Ihnen die prinzipiellen Schritte der Aufnahme erklärt. Dienachfolgende Datenauswertung muss dann leider „aus der Konserve“ erfolgen.Warten Sie einige Minuten, bis sich die Temperatur des CCD stabilisiert hat.

Um eine CCD-Aufnahme zu erhalten, wird wie folgt vorgegangen:

1. Settings

2. Autodark aktivieren

3. Expose

4. In der Dialogbox ist die Belichtungszeit (in sec) einzugeben

Während der ersten ∼ 10 s der Belichtung muss außerdem das Licht der Vergleichslam-pen aufgenommen werden. Nach der Belichtung wird das Bild automatisch ausgelesen,in den PC übertragen und dann dargestellt.

Anschließend ist das Bild zu speichern mit File-Save Filename (mit Exten-sion FIT angeben!), um die Daten auf einen anderen Rechner transferieren zu können.Das FITS-Format (Flexible Image Transport System) ist ein Datenformat, das sich fürCCD-Bilder in der Astronomie allgemein durchgesetzt hat. Im Vergleich zu anderen

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Bildformaten (z.B. GIF oder Jpeg) verzichtet es auf Datenkompression und anderenPlatz sparenden „Schnickschnack“. Daher können FITS-Dateien sehr groß werden. EinVorteil des FITS-Formates ist, dass es maschinenunabhängig ist und außer den reinenBilddaten weitere Informationen wie zum Beispiel die Beobachternamen, eine Identifi-kation des beobachteten Objektes, des Teleskops usw. enthält.

Für den Versuch sind die folgenden Aufnahmen zu machen:• Eine oder mehrere Aufnahmen von Sternspektren mit gleichzeitigem Vergleichs-

spektrum. Die jeweilige Belichtungsdauer ist abhängig von der Himmelshellig-keit, Richtwert sind 60 bis 600 s.

• Mehrere Dunkelstromaufnahmen („Dark Frames“ ). Diese sind mit gleicher Be-lichtungszeit wie die vorher ausgewählte Spektralaufnahme zu machen.

Flatfield-Aufnahmen entfallen an dieser Stelle, da diese bereits in der Dämmerungvon einem sternenfreien Gebiet des Himmels gemacht werden müssten, wofür im Rah-men des Praktikums ein zu kurzes Zeitfenster zur Verfügung steht.

Auswertung

Die folgenden Auswerteschritte führen Sie an einem LINUX-Rechner durch. IhreAufgabe ist es, anhand der Wellenlängenliste (Tab. 8) und des in Abbildung 30 auf Sei-te 35 gezeigten Kalibrationsspektrums die sichtbaren Kalibrationslinien zu identifizie-ren und diese in Ihrem Ausdruck zu markieren. Da der Spektrograph in guter Näherungeine lineare Dispersion hat, können Sie anschließend mit Hilfe einer linearen Regressionden Spektrographen eichen.

Die Auswertung der Aufnahmen erfolgt mit der Interpretersprache IDL (InteractiveData Language) der Firma Research Systems, Boulder, CO, die seit September 2000zu Kodak gehört. IDL kann sowohl in einem interaktiven Modus betrieben werden alsauch komplette Programme ausführen. Der große Vorteil von IDL liegt in der einfachenBehandlung von Datenfeldern (Arrays), wodurch es besonders für die Bildverarbeitungprädestiniert ist.

Starten Sie zunächst IDL durch den Befehl idl. Das Programm meldet sich mitdem Prompt

IDL>

Laden Sie das CCD-Bild des Sternspektrums in ein Array namens image und zei-gen Sie es in einem Fenster an:

IDL> image=readfits(’filename.fits’,header)IDL> ccd_tv,imageIDL> shade_surf,image

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Starten Sie nun die Routine show_xy, mit der Sie sich die x/y-Koordinate der ak-tuellen Cursorposition im Bildfenster anzeigen lassen können. Notieren Sie sich jeweilseine y-Position für die Eichspektren und für die Ober- und Unterkante des Sternspek-trums:

IDL> ccd_tv,imageIDL> show_xy

Sie verlassen die Routine show_xy durch einen Klick mit der rechten Maustastein das Bildfenster. Speichern Sie die notierten Werte in Variablen. Achten Sie bei denVariablen für das Sternspektrum darauf, welche Variable den kleineren, welche den hö-heren Wert enthält - dies spielt beim nächsten Schritt eine Rolle. Hier ein Beispiel mitden Variablen yeich und yspek:

IDL> yeich1 = 396IDL> yeich2 = 112IDL> yspek1 = 230IDL> yspek2 = 250

Kopieren Sie jeweils eine Zeile aus dem Bild, um den Intensitätsverlauf im Eich-spektrum und im Sternspektrum in einem Array zu speichern. Erläuterung: Sie greifenauf das zweidimensionale Array image zu mit dem x-Index *= alle Elemente und demzuvor gespeicherten y-Index. Die Arrays eicharr und spekarr enthalten nun denjeweiligen Intensitätsverlauf:

IDL> eicharr1 = image[*,yeich1]IDL> eicharr2 = image[*,yeich2]IDL> spekarr = image[*,yspek1]*1.0IDL> for k=1,yspek2-yspek1+1 do

spekarr = spekarr + image[*,yspek1+k]*1.0IDL> spekarr = spekarr / (yspek2-yspek1+1)

Plotten Sie den Inhalt der Arrays in einem Bildschirmfenster. Hinweis: Mit /ylogwählen Sie eine logarithmische Darstellung, mit ystyle=1 weisen Sie IDL an, diey-Grenzen der Grafik auf die tatsächlichen Minimum- und Maximum-Werte zu setzen.

IDL> plot,eicharr1,/ylog,ystyle=1IDL> oplot,eicharr2IDL> plot,spekarr,ystyle=1

Erzeugen Sie nun einen Ausdruck von diesen Plots. Auf den Ausdrucken solltendie Achsen beschriftet sein und der Plot einen Titel haben. Der Ausdruck wird aufPostscript-Druckern erfolgen. Dazu ist der Plot in eine Datei (hier eichplot.ps)zu schreiben, welche anschließend auf dem Drucker ausgegeben wird (lange Zeilen ge-ben Sie über den Rand hinaus ein, es erfolgt automatisch ein Umbruch in die nächsteZeile):

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IDL> open_print,’eichplot.ps’,/postscriptIDL> plot,eicharr1,/ylog,ystyle=1,title="Eichspektrum",

ytitle="Intensitaet",xtitle="Pixelnummer"IDL> close_print,/ghost

Nach dem letzten Befehl erscheint das Programm Ghostview, welches die Dateieichplot.ps auf dem Bildschirm darstellt. Über den Menüpunkt „File/Print...“ kanndie Datei auf dem angegebenen Drucker ausgedruckt werden, eventuell ist der Drucker-name zuvor zu ändern.

Plotten Sie nun das Eichspektrum noch einmal auf dem Bildschirm (mit den Pfeil-tasten lassen sich vorherige Befehle nochmals aufrufen), und rufen Sie die Routineshow_xy auf, um die x-Positionen der Spektrallinien der Eichlampen zu bestimmen.Notieren Sie diese auf Ihrem Ausdruck.

IDL> plot,eicharr1,/ylog,ystyle=1,title="Eichspektrum",ytitle="Intensitaet",xtitle="Pixelnummer"

IDL> show_xy

Bestimmen sie mit Hilfe einer Cross-Correlation (c_correlate) die Verschiebungzwischen den beiden Eichspektren. Wie groß ist die Verschiebung, die Sie für das Stern-spektrum berücksichtigen müssen? indgen(41)-20 erzeugt dabei ein Feld, belegtmit Integerwerten von -20 bis +20. Der x-Wert des Peaks gibt die Verschiebung an.Falls Sie das Gefühl haben, die Verschiebung ist mehr als nur 20 Pixel, ändern sie dieGrenzen des indgen(41)-20-Befehls entsprechend ab.

IDL> shift = indgen(41)-20IDL> fit = c_correlate(eicharr1,eicharr2,shift)IDL> plot,shift,fit

Anschließend versuchen Sie, diese Linien durch Vergleich mit dem Eichspektrum(Abb. 30) zu identifizieren. Beachten Sie, dass die Linienintensitäten nicht unbedingtim gleichen Verhältnis zu stehen brauchen wie in der Vorlage, wichtig ist das Verhältnisder Linienabstände!

Notieren Sie sich zu jeder identifizierten Linie die Wellenlänge. Tragen Sie Ihregemessenen Pixelnummern und die Wellenlängen der identifizierten Linien in jeweilsein Array ein. Addieren sie die Verschiebung des Sternspektrums bzgl. der Eichspektrenauf pixarr auf. Beispiel: Pixelwerte in pixarr und Wellenlängenwerte in wvlarr:

IDL> pixarr=[7,26,76,122,186,231,249,345,371,432,506,542]IDL> pixarr = pixarr + VerschiebungIDL> wvlarr=[6143,6164,6217,6266,6334,6383,6402,6506,6532,

6599,6678,6717]

Plotten Sie Pixel gegen Wellenlänge. Wenn Ihre Identifizierung richtig war, solltesich eine Gerade ergeben:

41

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IDL> plot,pixarr,wvlarr,ystyle=1,psym=2

Sollte sich keine Gerade ergeben, so überprüfen Sie zunächst, ob Sie in beide Arraysgleich viele Werte eingetragen haben. Sie können die Einträge korrigieren, indem Sieden betreffenden Befehl mit den Pfeiltasten wieder aufrufen, und dann editieren. Wennkein Tippfehler vorliegt, ist vermutlich die Identifizierung falsch. Versuchen Sie, einebessere Identifizierung zu finden und korrigieren Sie Ihre Werte, bis sich eine Geradeergibt. Drucken Sie Ihre Eichkurve zur Dokumentation wieder aus:

IDL> open_print,"eichgerade.ps",/postscriptIDL> plot,pixarr,wvlarr,ystyle=1,title="Eichgerade",

ytitle="Wellenlaenge (A)",xtitle="Pixelnummer",psym=2IDL> close_print,/ghost

Zur Bestimmung der Geradengleichung führen Sie eine lineare Regression durch.Dies erledigt die IDL-Funktion poly_fit. Sie führt eine Polynom-Anpassung an dieWertepaare durch, der Grad des Polynoms ist als Parameter zu übergeben. Für eine Ge-rade ist der Grad 1. Rückgabewert der Funktion ist ein Array (hier a) mit den Polynom-Parametern:

IDL> a=poly_fit(pixarr,wvlarr,1)

Lassen Sie sich die Parameter anzeigen:

IDL> print,a

Die erste angezeigte Zahl ist der y-Achsen-Abschnitt der Eichgeraden, also die Wel-lenlänge für Pixel 0. Die zweite Zahl ist die Steigung der Geraden, also der Eichfaktorin Å/Pixel.

Nun ist das Sternspektrum mit einer Wellenlängeneichung zu versehen. Dazu müs-sen Sie zunächst die Größe des Arrays mit dem Sternspektrum wissen:

IDL> help,spekarrSPEKARR FLOAT = Array[765]

Die zweite Zeile ist die Ausgabe des help-Befehls. In diesem Fall handelt es sichalso um ein Array mit 765 Werten. Erzeugen Sie nun ein Array mit den Pixelwerten von0 bis 764 (findgen(765)) und wenden Sie darauf die Geradengleichung mit dengefundenen Eichparametern an:

IDL> lambda=a[0]+a[1]*findgen(765)

Das Ergebnis ist ein Array mit den Wellenlängenwerten (hier lambda) zu jedem Pixel-wert des Sternspektrums.

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IDL> open_print,"eichgerade.ps",/postscriptIDL> plot,pixarr,wvlarr,ystyle=1,title="Eichgerade",

ytitle="Wellenlaenge (A)",xtitle="Pixelnummer",psym=2IDL> oplot,findgen(765),lambdaIDL> close_print,/ghost

Plotten Sie Ihr Sternspektrum mit Wellenlängenskala zunächst auf dem Bildschirmund drucken Sie es anschließend aus. Drucken Sie auch das Eichlampenspektrum mitWellenlängeneichung aus:

IDL> open_print,"sternspektrum.ps",/postscriptIDL> plot,lambda,spekarr,ystyle=1,title="Sternspektrum",

ytitle="Intensitaet",xtitle="Wellenlaenge (A)"IDL> close_print,/ghostIDL> open_print,"eichspektrum.ps",/postscriptIDL> plot,lambda,eicharr1,ystyle=1,/ylog,title="Eichspektrum",

ytitle="Intensitaet",xtitle="Wellenlaenge (A)"IDL> close_print,/ghost

Rufen Sie wieder die Routine show_xy auf und bestimmen Sie die Wellenlängender Absorptionslinien:

IDL> plot,lambda,spekarr,ystyle=1,title="Sternspektrum",ytitle="Intensitaet",xtitle="Wellenlaenge (A)"

IDL> show_xy

Identifizieren Sie die wichtigsten Linien anhand Anhang C. Zusätzlich können Siedie NIST Atomic Spectral Database zu Hilfe nehmen (http://physics.nist.gov/PhysRefData/ASD/lines_form.html). Sollte show_xy keine Koordi-naten anzeigen, identifizieren Sie sie von Hand mit Hilfe der Ausdrucke. Vergleichen Siedie gemessene Wellenlänge mit der tabellierten Wellenlänge. Falls dort eine Differenzvon mehr als 1 Å auftritt, kann es sein, daß die CCD-Kamera nicht völlig parallel zumSpektrum ausgerichtet war. Sie werden dann im CCD-Bild eine Differenz der Pixel-positionen für einzelne Spektrallinien im oberen und unteren Eichspektrum feststellen.Etwa die Hälfte dieser Differenz ergibt sich damit als Abweichung zwischen Eichspek-trum und Sternspektrum. Berücksichtigen Sie diesen Offset bei der Identifizierung derübrigen Linien.

Tip: Sie können auch mit dem Cursor alle in der Tabelle angegebenen Linienpositio-nen anfahren und nachsehen, ob sich dort im Sternspektrum eine Absorption befindet.

Aufgabe 10: Stellen Sie anhand Ihrer Ausdrucke dar, wie die Aufnahmen reduziert und wel-lenlängenkalibriert wurden. Welcher ist der Spektraltyp des aufgenommenen Sterns?

Aufgabe 11: Was ist physikalisch der qualitative Unterschied des Spektrums der Vergleichs-lampen und dem der Sterne? Warum sehen Sie also im Spektrum der Sterne Absorpti-onslinien, in dem der Vergleichslampen Emissionslinien? Was für Informationen kön-nen aus den aufgenommenen Sternspektren gewonnen werden?

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Abschließend vergleichen Sie die beobachteten Spektren mit einem Sonnenspek-trum vom NOAO. Erstellen Sie in gewohnter Weise einen Ausdruck mit Achsbeschrif-tung, markieren und identifizieren Sie die signifikantesten Spektrallinien. Hierzu ist esvon Vorteil, den dargestellten Plotbereich mittels xrange=[3500,4500] schrittweise ab-zutasten.

IDL> .r read_solspec

Das Sonnenspektrum können sie mit einer Gaussfunktion glätten:

IDL> smoothed_flux=gaussfold(WAVE_SOL,FLUX_SOL,6)IDL> plot,WAVE_SOL,smoothed_flux

4.3 Photometrie eines SternhaufensDie Photometrie wird ebenfalls mit unserem 0,8 m-Reflektor durchgeführt. Die Inbe-triebnahme wird an Ort und Stelle erklärt. Zur Datenaufnahme verwenden wir eineSTL-1001E-Kamera, deren Bedienung nahezu identisch zu der bei der Spektroskopieverwendeten ist. Ein Unterschied ist ein Filterrad (Tab. 6), in dem verschiedene Filteruntergebracht sind. Die Ansteuerung des Filterrads geschieht über das SteuerprogrammMaximDL.

Tabelle 6: Filterbestückung der STL-1001E Kamera.

Filter Bandbreite [Å]Rot (R) 5800 - 6800Grün (V) 4500 - 5800Blau (B) 3900 - 5000Luminance (L) 4000 - 6800Clear (C) 3000 - 10000

Eine Verbesserung des Ergebnisses der Photometrie würden Flatfield-Aufnahmenermöglichen, die für alle verwendeten Filter in der Dämmerung aufgenommen werden.Wie auch bei der Spektroskopie, entfällt dieser Schritt in der Beobachtungsnacht auszeitlichen Gründen.

Das Teleskop wird nun auf einen offenen Sternhaufen ausgerichtet und dieser pho-tometriert.

Aufgabe 12: Nehmen Sie den Sternhaufen in den Filtern B und V auf. Mehrere kürzere Auf-nahmen sind besser als eine lange. Aktivieren Sie bei den Aufnahmen die Autodark-Funktion, um eine automatische Darkkorrektur vorzunehmen. Notieren Sie sich am be-sten auch gleich die Belichtungsdauer.

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Auswertung

Zur Auswertung werden wir wieder IDL verwenden. Mit Hilfe des ProgrammsMakeFHD erfolgt die Auswertung automatisch. Folgen Sie den vom Programm vorge-gebenen Schritten, achten Sie also auf Bildschirmmeldungen.

IDL> .r MakeFHD

Zuerst werden die mit verschiedenen Filtern aufgenommenen Bilder eingelesen undFlatfield-korrigiert. Nun müssen die Helligkeiten in den verschiedenen Filtern an dieHelligkeiten der Standardfilter angepasst werden. Dazu markiert man mehrere Sterne,die man in der Literatur (z.B. SIMBAD, Webda) identifizieren kann und vergleicht dieHelligkeitsangaben in B und V aus der Literatur mit denen der Aufnahmen. Anschlie-ßend gibt man fuer B und V Korrekturwerte an.

Sternkataloge:

• SIMBAD (http://simbad.u-strasbg.fr/Simbad)

• Webda (http://www.univie.ac.at/webda/navigation.html)

Hier eine kleine Anleitung für den Umgang mit Webda:

1. Display the Page of the Cluster: Name des Clusters eintragen

2. cluster chart

3. chart form

4. Achsen anpassen (eventuell auch die maximale Helligkeit)

5. Sterne auswählen, B und V notieren

6. Grafik für das Protokoll ausdrucken

Der nächste Schritt besteht darin, die einzelnen Aufnahmen exakt aufeinander aus-zurichten. Hierzu ist es notwendig, auf den einzelnen Bildern jeweils denselben Refe-renzstern zu markieren.

Jetzt werden die Haufen-Sterne auf einem Bild von Hand identifiziert und ihre Hel-ligkeiten auf allen Bildern automatisch bestimmt. Sterne nahe am Rand werden dabeivon der Software ignoriert. Die (B-V)-Helligkeiten der Sterne werden berechnet undein Farben-Helligkeits-Diagramm erzeugt. Die interstellare Extinktion muss der Litera-tur entnommen und angegeben werden.

Um den Abstand des Sternhaufens von der Erde zu berechnen, muss der Entfer-nungsmodul V −Mv bestimmt werden. Aus den erzeugten Postscript-Plots des FHD und

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der ZAMS (Alter-Null-Hauptreihe) bestimmt man per Augenmaß einen ersten Schätz-wert für V −Mv, gibt ihn an und optimiert ihn iterativ derart, dass sich das FHD derSterne an die ZAMS anschmiegt.

Um das Alter des Sternhaufens zu berechnen, bestimmt man die absolute Hellig-keit der hellsten Sterne des FHD, die sich gerade noch auf der Hauptreihe befinden.Die zweite Methode besteht darin, wiederum iterativ das FHD des Sternhaufens mitberechneten Isochronen in Übereinstimmung zu bringen.

Aufgabe 13: Was erkennt man im Plot des FHD ?Wie groß sind Entfernung und Alter des Sternhaufens ?Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit Literaturwerten und diskutieren Sie eventuelle Ab-weichungen.

Damit sind wir mit der Photometrie fertig.

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5 LiteraturBorn M., Wolf E., 1980, Principles of Optics,

Pergamon, Oxford, New York, 6th edition 5Bronstein I.N., Semendjajew K.A., 1987, Ta-

schenbuch der Mathematik, Harri Deutsch11

Karttunen H., Kröger P., Oja H., et al., 1990,Astronomie, Springer, Berlin, Heidelberg12, 30

Kitchin C.R., 1984, Astrophysical Techniques,Adam Hilger, Bristol, Philadelphia, 1st edi-tion 5

McLean I.S., 1997, Electronic Imaging inAstronomy, Wiley-Praxis, Chichester, NewYork 17, 18

Newton I., 1730, Opticks, Vol. 4th, WilliamInnys, London reprint: Dover Publications,

1952 8Optomechanics Research 1997, Model 10 C

Cassegrain Spectrograph, Tucson 33Schmidt W., 1995, Optische Spektroskopie,

VCH, Weinheim 22, 24Seeds M., 1997, Foundations of Astronomy,

Wadsworth Publishing Company, 4. edition31

Staudt G., 1993, Experimentalphysik II, Att-empto, Tübingen 2. Auflage 22, 23

Unsöld A., Baschek B., 1988, Der Neue Kos-mos, Springer Verlag, 4. edition 2, 26, 27,29

Weigert A., Zimmermann H., 1976, BrockhausABC der Astronomie, VEB F.A. Brockhaus,7. edition 12

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A Mögliche Beobachtungsobjekte

Tabelle 7: Verzeichnis von Beobachtungsobjekten.

Name TypM11 offener HaufenM29 offener HaufenM35 offener HaufenM36 offener HaufenM37 offener HaufenM38 offener HaufenM52 offener HaufenNGC 6819 offener Haufenα Aql Sternα Aur Sternα Cyg Sternβ Cyg Sternβ Gem Sternα Lyr Sternα Ori Sternη UMa Stern

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B Wellenlängenkalibration

Tabelle 8: Laborwellenlängen der Hg- und Ne-Kalibrationslampen nach Kurucz(http://cfa-www.harvard.edu/amdata/ampdata/kurucz23/sekur.html).

Ion λ [Å] Ion λ [Å] Ion λ [Å]Hg I 4046.559 Hg I 5790.660 Ne I 6266.495Hg I 4077.827 Ne I 5852.488 Ne I 6304.789Ne I 4314.252 Ne I 5881.895 Ne I 6334.428Hg I 4358.323 Ne I 5944.834 Ne I 6382.991Hg I 4916.062 Ne I 5975.534 Ne I 6402.246Ne I 5116.503 Ne I 6029.997 Ne I 6506.528Ne I 5330.777 Ne I 6074.338 Ne I 6532.882Ne I 5341.094 Ne I 6096.163 Ne I 6598.953Ne I 5400.562 Ne I 6143.062 Ne I 6678.331Hg I 5460.731 Ne I 6163.594 Ne I 6717.043Hg I 5769.593 Ne I 6217.281

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C Starke Linien in Sternspektren.

WasserstoffHα Hβ Hγ Hδ Hε Hζ Hη Hθ

6563 Å 4861 Å 4340 Å 4102 Å 3970 Å 3889 Å 3835 Å 3798 Å

Hι Hκ H13 H14 H15 H16 H17 H18

3771 Å 3750 Å 3734 Å 3722 Å 3712 Å 3704 Å 3697 Å 3692 Å

Helium

He I 3820 Å 3965 Å 4009 Å 4026 Å 4144 ÅHe I 4387 Å 4471 Å 5876 ÅHe II 3923 Å 4100 Å 4199 Å 4340 Å 4542 ÅHe II 4686 Å 4861 Å 5411 Å 6678 Å

Kohlenstoff

C II 4267 Å

C III 4069 Å 4123 Å 4187 Å 4340 Å 4375 Å 4515 Å 4650 Å

C IV 4441 Å 4650 Å 4786 Å

Stickstoff

N II 3995 Å 5005 Å 5679 Å

N III 4100 Å 4640 ÅN IV 4057 Å

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Sauerstoff

O I 6158 Å

O II 3749 Å 4119 Å 4317 Å 4320 Å 4349 Å 4415 Å 4417 Å 4649 Å

O III 3444 Å 3760 Å 4069 ÅO IV 4786 ÅO V 4123 Å 4157 Å 4187 Å

Natrium

Na I 5890 Å 5896 Å

Silizium

Si II 4128 Å 4130 Å

Si III 4552 ÅSi IV 4089 Å

Calcium

Ca I 4227 Å 4289 Å 4303 Å 4435 Å 4455 Å 5016 Å 5262 Å

Ca I 5270 Å 5589 Å 5857 Å 6122 Å 6439 Å 6718 ÅCa II 3934 Å 3968 Å

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Eisen

Fe I 3930 Å 4005 Å 4045 Å 4064 Å 4144 Å 4250 Å 4260 Å 4272 Å

Fe I 4325 Å 4384 Å 4405 Å 4528 Å 4668 Å 4891 Å 4958 Å 5255 Å

Fe I 5269 Å 5616 Å 6609 Å 6663 Å 6678 ÅFe II 3914 Å 3938 Å 3945 Å 4179 Å 4233 Å 4385 Å

verschiedene Metalle

Mg I 3838 Å 5167 Å 5173 Å 5184 ÅMg II 4481 ÅSc II 4247 ÅTi I 4523 Å 4527 Å 4533 Å 4545 Å 4617 ÅTi I 4640 Å 4982 Å 5036 Å 6258 ÅTi II 4164 Å 4300 Å 4395 Å 4400 Å 4408 Å 4444 Å 4468 Å

Cr I 4254 Å 4646 Å 4651 ÅCr II 4242 ÅMn I 3807 Å 4031 Å 4033 Å 4034 Å 4041 ÅSr II 4077 Å 4215 Å 4305 ÅSr III 4335 ÅEu II 4205 Å

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Moleküle

CH CN CN

4300 Å 3883 Å 4216 Å

TiO TiO TiO TiO TiO TiO

4585 Å 4761 Å 4954 Å 5000 Å 5167 Å 6159 Å

Emissionslinien in Gasnebeln

[O I] [O I] [O I] [O I] [O II]

5007 Å 5577 Å 6300 Å 6363 Å 3727 Å

[O III] [O III] [O III] [O III]

4363 Å 4391 Å 4959 Å 5007 Å

[Ne III] [S II] [Fe III] [N I] [Cl III] [Cl III] [N II] [S II]

3868 Å 4069 Å 4658 Å 5200 Å 5517 Å 5537 Å 5754 Å 6723 Å

Erdatmosphäre

O2 O2 O2 O2 O2 H2O

6280 Å 6867 Å 6875 Å 6906 Å 7594 Å 7165 Å

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D Aufbau des Versuchsprotokolls

1. Ziel und Inhalt des Experiments

• Was soll gezeigt bzw. herausgefunden werden ?

• Was ist der größere Kontext ?

2. Material, Methoden, Durchführung

• verwendetes Material (Teleskop, Kamera, Spektrograph) genauerläutern

• genaue, detaillierte Experimentbeschreibung

• Skizzen des Aufbaus und Ablaufs, falls erforderlich

• evtl. Probleme und ihre Lösungen schildern

3. Darstellung der Ergebnisse

• Messwertetabelle (z.B. Helligkeiten der Referenzsterne) mit ge-nauer Erläuterung

• graphische Darstellungen mit Beschriftung

• durchgeführte Berechnungen, verwendete Gleichungen (z.B. Ent-fernungsmodul)

• Aufgaben aus der Anleitung mit Aufgabenstellung und detail-lierter Lösung inkl. Lösungsweg

4. Interpretation und Diskussion

• Wurde das gesetzte Ziel erreicht ?

• Was sagt uns das Ergebnis, was kann man daraus lernen ?

• Muss das Experiment verändert werden, um das Ziel zu errei-chen ?

• gegebenenfalls Abweichung des Ergebnisses von Literaturwer-ten diskutieren

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44 August 2011 Sterne und Weltraum

WeltderWissenschaft:Grossteleskope

Sie sind Zeugen einer bedeutenden

Epoche der Astronomie: die gro­

ßen Refraktoren. Heute meist nur

noch Museumsstücke, gehörten

sie im 19. Jahrhundert zur Standardaus­

stattung jeder bedeutenden Sternwarte.

Zunächst für visuelle Beobachtungen

genutzt, wurden sie später auch für foto­

grafische und spektroskopische Zwecke

eingesetzt.

Ein großer Refraktor diente aber noch

einem anderen Zweck: Er sollte Ruhm und

Ehre bringen. So gab es einen andauernden

Wettstreit der Nationen, Sternwarten und

Sponsoren um das weltweit größte Lin­

senfernrohr. Wie im Sport entschieden oft

nur wenige Millimeter über den Sieg, und

so mancher Rekordhalter verschwand bald

wieder in der Bedeutungslosigkeit.

Die Konstrukteure erreichten die

Grenzen des technisch Möglichen – und

überschritten sie teilweise. Einige Exem­

plare erinnern eher an Kanonenrohre als

an Teleskope. Ihre Länge und das enorme

Gewicht von Objektiv, Tubus und Montie­

rung erforderten gewaltige Kuppelbauten.

Die folgende kurze Geschichte der großen

Refraktoren berichtet von Erfolgen, aber

auch von Fehlschlägen und Katastrophen.

Der Startpunkt ist 1824, das Jahr, in dem

Joseph von Fraunhofer neue Maßstäbe im

Fernrohrbau setzte.

präzisiongegenÖffnungEnde 1824 erhielt Wilhelm Struve, der Di­

rektor der Sternwarte Dorpat (heute Tartu

in Estland), 22 schwere Kisten aus Deutsch­

land. Sie enthielten Fraunhofers Meister­

stück: einen 24,4­Zentimeter­Refraktor

mit 4,1 Meter Brennweite – den größten

der Welt. Nachdem Struve die Einzelteile

sorgsam zusammengefügt hatte, war das

imposante Gerät an Heiligabend betriebs­

bereit: ein edler Mahagonitubus auf einer

uhrwerkgetriebenen Montierung mit ge­

schwungenem Holzstativ (siehe Bild auf

S. 46 links). Sein englischer Kollege John

Herschel pries es als »probably the very

best refracting telescope ever made«.

Sogleich begann Struve mit dem Ver­

messen von Doppelsternen; im Jahr 1827

erschien ein erster Katalog. Zwischen 1835

und 1838 versuchte er mit dem Präzisions­

instrument die Parallaxe des Sterns Wega

einefragederehreIm 19. Jahrhundert entbrannte ein Wettstreit um das größte Linsenfernrohr der Welt.

Zwar gab es gute wissenschaftliche Gründe für leistungsstarke Teleskope, aber in vielen

Fällen ging es hauptsächlich um die nationale Ehre. Oft entschieden nur Millimeter

über den mehr oder weniger ruhmreichen Rekordhalter.

VonWolfgangsteinickeundstefanBinnewies

derWettstreitumdenweltgrößtenrefraktor

ó Nachdem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Herstel-lung von Linsen und Objektiven perfektioniert wurde, setzte ein Wettstreit um den weltgrößten Refraktor ein.

ó Neben staatlich finanzierten Sternwarten in Europa und den USA beteiligten sich auch private Sponsoren und Amateurastro-nomen am Bau immer größerer Linsenfernrohre.

inkürze

Stef

an B

inne

wie

s

Zu diesem Beitrag stehen didaktische Materialien auf unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de/ artikel/1114673 zur Verfügung.

55

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www.astronomie-heute.de August 2011 45

der27-zoll-Grubb-refraktorderWienerUniversitätssternwar-teholte1883dentiteldesweltgrößtenlinsenteleskopsvondenUsanacheuropazurück.

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46 August 2011 Sterne und Weltraum

zu ermitteln. Der erhaltene Wert war je­

doch noch sehr ungenau. Da zur gleichen

Zeit Friedrich Wilhelm Bessel – auch mit

einem Refraktor aus der Fraunhofer’schen

Werkstatt – einen zuverlässigen Wert für

die Parallaxe des Sterns 61 Cygni ermit­

telte, gilt Bessel als derjenige, der als Erster

die Entfernung eines Sterns bestimmte.

Bereits kurz nach der Errichtung des

Dorpat­Refraktors bestellte die Münchner

Sternwarte bei Fraunhofer ein Gerät mit

einem Objektivdurchmesser von 35,6 Zen­

timetern. Bedingt durch Fraunhofers Tod

im Jahr 1826 konnte der Nachfolger Georg

Merz aber nur einen 28,5­Zentimeter­Re­

fraktor liefern, der 1835 in Bogenhausen

aufgestellt wurde. Im gleichen Jahr erhielt

die Berliner Sternwarte ein Duplikat des

Dorpat­Refraktors. Damit entdeckten

Gottfried Galle und Heinrich d’Arrest am

23. September 1846 den Planeten Neptun.

Das historische Instrument ist heute im

Deutschen Museum in München zu se­

hen. Der 28,5­Zentimeter­Merz­Refraktor

steht nach wie vor in Bogenhausen. Stru­

ves »Fraunhofer« wurde 1993 in Tartu re­

stauriert und kann in der alten Sternwarte

besichtigt werden.

Den Titel des weltgrößten Refrak­

tors übernahm derweil ein Unikum im

irischen Markree Castle. Im Jahr 1831 hat­

te der Schlossherr und begeisterte Ama­

teurastronom Edward Cooper von dem

Pariser Optiker Robert­Aglae Cauchoix ein

35,5­Zentimeter­Objektiv mit 7,6 Meter

Brennweite erstanden. Zwischen Coopers

Refraktor und den Instrumenten von

Fraunhofer und Merz liegen allerdings

Welten. Zunächst erhielt das Teleskop ei­

nen einfachen Holztubus auf azimutaler

Herschel­Montierung, drei Jahre später

versah der irische Optiker und Teleskop­

bauer Thomas Grubb das Gerät mit einem

Eisentubus und setzte es auf eine paral­

laktische Montierung, die auf einer vier

Meter hohen Steinpyramide ruhte (siehe

Bilder rechts oben und Mitte).

Der Refraktor stand nicht in einer

Kuppel. Vielmehr schützte ein vier Meter

hoher Mauerring das Instrument notdürf­

tig vor Wind und Wetter. Coopers größte

Leistung war die Erstellung des »Markree

Catalogue«, der über 60 000 Sterne entlang

der Ekliptik enthält. Er erschien zwischen

1851 und 1856 in vier Bänden; der zuge­

hörige Atlas blieb unveröffentlicht und

lagert heute im englischen Cambridge.

Das Schicksal des Markree­Refraktors

ist so seltsam wie sein Aussehen. Nach

Jahren des Zerfalls kam er 1902 nach

Hongkong – und stand dort wieder im

Regen. Im Jahr 1941 wurde das Fernrohr

bei einem Luftangriff stark beschädigt,

das Objektiv tat aber bis 1989 im Littrow­

Spektrografen der Sternwarte Manila sei­

nen Dienst.

transatlantischerivalenDie Firma Merz, mittlerweile durch Joseph

Mahler verstärkt, konterte im Jahr 1839.

Auf Anweisung von Zar Nikolaus I. hatte

Wilhelm Struve in Dorpat mit der Planung

für ein russisches Nationalobservatorium

in Pulkowo bei St. Petersburg begonnen.

Merz & Mahler lieferte dafür einen Re­

fraktor mit 38 Zentimeter Öffnung und

6,9 Meter Brennweite (siehe Bild auf S. 48

oben links). Die Sternwarte wurde im Au­

gust 1839 eingeweiht, Struve wurde ihr

ers ter Direktor. Zentrales Arbeitsgebiet

war die Beobachtung von Doppelsternen,

wobei sich besonders Otto Struve her­

vortat, der 1862, zwei Jahre vor dem Tod

seines Vaters, die Leitung von Pulkowo

übernahm.

Der russische Refraktor rief einen neu­

en Konkurrenten auf den Plan: die USA.

Selbstbewusst wollten Astronomen der

Neuen Welt der europäischen Übermacht

in der Astronomie endlich etwas entge­

gensetzen. Eine erste Antwort war der

1845 in Cincinnati aufgestellte 30,5­Zenti­

meter­Refraktor von Merz & Mahler. Als

dervonJosephvonfraunhofergebautedorpat-refraktoristheuteeinMuseums-stück.

dreiGesichterdesMarkree-refraktors:aufeinerhölzernenherschel-Montierung(oben),parallaktischmontiertmitvolumi-nösemsteinsockel(Mitte)undinneuemGewandinhongkong(unten)

Arch

iv W

olfg

ang

Stei

nick

e

Arch

iv W

olfg

ang

Stei

nick

e

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www.astronomie-heute.de August 2011 47

Nächstes wollte man Pulkowo übertref­

fen. William Bond, der Direktor des Har­

vard College Observatory in Cambridge,

Massachusetts, bestellte also in München

bei Merz & Söhne einen Refraktor mit

38,1 Zentimeter Öffnung – ein Millimeter

mehr als in Dorpat!

Das Gerät, das heute noch in Harvard

zu sehen ist, leistete große Dienste bei

der Beobachtung von Kometen, Planeten,

Sternen und Nebelflecken (siehe Bild auf

S. 48 oben rechts). Besonderen Ruhm ern­

teten William Bond und sein Sohn George

für die Entdeckung des Saturnmonds

Hyperion. Auch die Zeichnungen des Ko­

meten Donati 1858 sowie des Orion­ und

Andromedanebels erregten Aufsehen.

Im August 1852 stellte John Craig in

Wandsworth bei London einen neuen

Rekord auf. Gegenüber Pulkowo und Har­

vard steigerte er die Öffnung um 60 Pro­

zent. Der Glashersteller Robert Chance in

Birmingham fertigte das 61­Zentimeter­

Objektiv; der zigarrenförmige Metalltubus

und die bizarre Turmmontierung sind das

Werk des Ingenieurs William Gravatt (sie­

he Bild auf S. 48 unten links). Mechanische

Probleme und fehlerhaft korrigierte Lin­

sen führten jedoch dazu, dass der Refrak­

tor bereits 1856 wieder abgebaut wurde.

Schon zwölf Jahre später übertrumpfte

der schottische Ingenieur und Astronom

Robert Newall Craigs Refraktor. In Gates­

head bei Newcastle errichtete er 1868 einen

neuen Rekordhalter (siehe Bild auf S. 48 

unten Mitte). Das parallaktisch montierte

Gerät, gebaut von Thomas Cooke & Sons

in York, besitzt ein 62,5­Zentimeter­Ob­

jektiv mit 9,1 Meter Brennweite. Das neun

Tonnen schwere Instrument war auf einer

5,8 Meter hohen Säule montiert. Wegen

der großen Luftverschmutzung und dem

miserablen Wetter gelangen Newall nur

wenige Beobachtungen. Im Jahr 1891 kam

der 25­Zöller nach Cambridge und tat dort

diewichtigstenrefraktoren,geordnetnachdemJahrderinbetriebnahmestandort sternwarte/instrument land Jahr konstruktion durchmesserD

inzentimeternBrennweitefinMetern

f/D höheinMetern

Dorpat Sternwarte Dorpat EST 1824* Fraunhofer   24,4   4,1 16,8     67Markree Castle Privatsternwarte Cooper IRL 1831* Cauchoix/Grubb   35,5   7,6 21,5     45Berlin Berliner Sternwarte D 1835 Merz   24,4   4,3 17,6     47München Sternwarte Bogenhausen D 1835 Merz   28,5   4,9 17,2   500St. Petersburg Sternwarte Pulkowo RUS 1839* Merz & Mahler   38,0   6,9 18,2     75Cincinnati University Observatory USA 1845 Merz & Mahler   30,5   5,3 17,4   247Cambridge Harvard College Obs. USA 1847* Merz & Söhne   38,1   6,8 17,9     24Wandsworth Craig-Refraktor UK 1852* Chance/Gravatt   61,0 23,2 38,0     10Paris Porro-Refraktor F 1856 Porro   52,0 15,0 28,8     60Walworth Buckingham-Refraktor UK 1862 Buckingham/Wray   54,0   8,7 16,1     10Chicago Dearborn Observatory USA 1863 Clark   47,0   8,2 17,4   175Dunsink South Equatorial IRL 1868 Cauchoix/Grubb   29,8   5,8 19,5     91Gateshead Privatsternwarte Newall UK 1868* Cooke   62,5   9,1 14,6     20Bothkamp Privatsternwarte v. Bülow D 1870 Schröder   29,3   4,9 16,7     32Washington U.S. Naval Observatory USA 1873* Clark   65,5   9,9 15,1     38Potsdam Astrophysikalisches Obs. D 1878 Schröder   29,8   5,2 17,4   100Dresden Privatsternwarte

v. EngelhardtD 1879 Grubb   30,6   3,9 12,6   124

Straßburg Universitätssternwarte D (F) 1880 Merz & Söhne / Repsold   48,7   6,9 14,2   144Princeton Halsted Observatory USA 1882 Clark   58,0   9,8 16,9     75Wien Universitätssternwarte Ö 1883* Grubb   68,6 10,5 15,3   240St. Petersburg Sternwarte Pulkowo RUS 1884* Clark/Repsold   76,2 13,7 18,0     75Charlottesville Leander McCormick Obs. USA 1885 Clark   66,8   9,9 14,9   259Nizza (Mont Gros)

Sternwarte Bischoffsheim F 1887* Henry/Gautier   76,9 17,9 23,3   376

Mt. Hamilton Lick Observatory USA 1888* Clark   91,4 17,4 19,0 1283Meudon Observatoire de Paris-Meudon F 1891 Henry/Gautier   83,0 16,2 19,5   162Greenwich Royal Observatory UK 1893 Grubb   71,1   8,5 12,0     47Berlin-Treptow Archenhold-Sternwarte D 1896 Steinheil/Hoppe   68,0 21,0 30,9     41William Bay Yerkes Observatory USA 1897* Clark / Warner & Swasey 102,0 19,4 19,0   334Potsdam Astrophysikalisches Obs. D 1899 Steinheil/Repsold   80,0 12,2 15,3     95Paris Teleskop der Weltausstellung F 1900* Mantois/Gautier 125,0 57,0 45,6     65Hamburg Sternwarte Bergedorf D 1912 Steinheil/Repsold   60,0   9,0 15,0     50Pittsburgh Allegheny Observatory USA 1914 Brashear   76,2 14,4 18,9   370Potsdam Sternwarte Babelsberg D 1915 Zeiss   65,0 10,1 15,5     35Johannesburg Yale Observatory SA 1925 Grubb   66,0 10,6 16,1 1760Llano del Hato Obs. Astronómico Nacional VEN 1972 Zeiss   65,0 10,5 16,2 3600Hida Hida Observatory J 1972 Zeiss   65,0 10,5 16,2 1275La Palma Swedish Solar Telescope (SST) S (SP) 2002 Svenska Bearing   97,0 20,6 21,2 2400

* bedeutet neuer Öffnungsrekord

58

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48 August 2011 Sterne und Weltraum

seinen Dienst bei der Beobachtung von

Doppelsternen, bis er in den 1950er Jahren

ausgemustert wurde. Der Newall­Refraktor

wurde dann dem Athener Observatorium

geschenkt und steht seit 1960 in Penteli,

nordöstlich von Athen. Seit 1995 ist das

betagte Instrument ein Museumsstück,

das viele Besucher anlockt.

Erst 1893 erhielten die Briten einen grö­

ßeren Refraktor: das wiederum von Grubb

gebaute Instrument im Royal Greenwich

Observatory mit 71,1 Zentimeter Öffnung

und 8,5 Meter Brennweite. Es besaß eine

eigenwillige englische Rahmenmontie­

rung und war in einer zwiebelförmigen

Kuppel untergebracht, die 1944 durch eine

deutsche V 1 beschädigt wurde. Danach

verlegte man den 28­Zöller nach Herst­

monceux Castle, später der Sitz des Royal

Greenwich Observatory. Im Jahr 1971 zog

er zusammen mit dem gesamten Obser­

vatorium nach Greenwich um, wo er heu­

te eine der Hauptattraktionen des Royal

Observatory ist.

ein38-zentimeter-refraktor,vonMerz&MahlerinMünchenhergestellt,wurde1839 dashauptinstrumentderneuenrus-sischennationalsternwarteinpulkowo.

Miteinemduplikatdespulkowo-refraktorswolltenastronomenamharvardcollegeobservatoryandieerfolgeihrereuropäischenkollegenanknüpfen.

Johncraigließ1852 indernähevonlondoneinmonströsesturmteleskopmiteinem61-zentimeter-objektiverbauen.

der25-zoll-refraktorvonrobertnewall,1868inGateshead(england)errichtet,stehtseit1960inpenteli,Griechenland.

Mitdem26-zoll-refraktordesU.s.navalobservatoryinWashingtonentdeckteasaphhall1877diebeidenMarsmonde.

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www.astronomie-heute.de August 2011 49

Am Harvard College Observatory in

Cambridge war der große Refraktor von

Merz & Mahler unterdessen in die Jahre

gekommen, und die Amerikaner wollten

den Titel unbedingt zurückgewinnen. Mit

Alvan Clark hatten sie nun auch selbst ei­

nen hervorragenden Teleskopbauer. Seine

Firma in Cambridgeport, Massachusetts,

sollte für den Rest des Jahrhunderts den

Markt dominieren.

Im Jahr 1873 lieferte er dem U. S. Naval

Observatory in Washington den neuen Re­

kordhalter: einen Refraktor mit 65,5­Zenti­

meter­Objektiv und 9,9 Meter Brennweite

(siehe Bild auf S. 48 unten rechts). Vier Jah­

re später machte dieses Gerät Schlagzei­

len, als Asaph Hall damit die Marsmonde

Phobos und Dei mos entdeckte. Das her­

vorragende Teleskop wurde hauptsächlich

zur Positionsbestimmung von Planeten,

Monden und Doppelsternen benutzt. Das

Gerät ist heute noch intakt.

Nicht nur der Neid der Europäer hielt

die Entwicklung in Gang, auch die inner­

amerikanische Konkurrenz schlief nicht.

Dies führte zum Bau eines weiteren

Clark­Refraktors, der den 26­Zöller des

U. S. Naval Observatory um 1,3 Zentimeter

übertreffen sollte. Bereits 1870 hatte der

Chicagoer Industrielle Leander McCor­

mick die Idee, den weltgrößten Refraktor

aufzustellen. Doch es vergingen noch

einige Jahre, bis er der University of Vir­

ginia in Charlottesville Mittel für eine

Sternwarte zur Verfügung stellte. Der Bau

verzögerte sich durch allerlei Probleme,

so dass schon vor dessen Vollendung ein

58­Zentimeter­Refraktor am Halsted Ob­

servatory, Prince ton, in Betrieb ging. Doch

damit nicht genug: Als McCormicks Gerät

auf dem 260 Meter hohen Mt. Jefferson im

April 1885 endlich erstes Licht sah, waren

in Wien und Pulkowo bereits zwei größere

Instrumente in Betrieb gegangen.

dereuropäischedreikampfWien hatte den Titel des weltgrößten Re­

fraktors durch einen von Grubb gebauten

27­Zöller mit 10,5 Meter Brennweite 1883 

nach Europa zurückgeholt. Der 68,6­Zen­

timeter­Refraktor thront seitdem in einer

14­Meter­Kuppel auf dem mächtigen Ge­

bäude der Universitätssternwarte an der

Türkenschanze (siehe Bild auf S. 45).

Die Freude in Wien währte indes nur

eineinhalb Jahre, dann gab es einen neu­

en Spitzenreiter. Otto Struve hatte für die

Sternwarte in Pulkowo bei Alvan Clark &

Sons einen imposanten 76,2­Zentimeter­

einschlankerriese:der76,9-zentimeter-refraktordersternwartenizzamit17,9MeterBrennweite.dieoptikstammtvondenBrüdernhenry.

der36-zoll-refraktordeslickobservatorywurdemitprivatenMittelnerbaut.erst1888,zwölfJahrenachdemtoddesstiftersJameslick,wurdederBaudersternwarteaufdemMt.hamiltoninkalifornienvollendet.

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50 August 2011 Sterne und Weltraum

Refraktor mit 13,7 Meter Brennweite in

Auftrag gegeben. Im Jahr 1884 ging das

Gerät in einem zylinderförmigen Schutz­

bau in Betrieb. Die Montierung stammte

von der Hamburger Firma Repsold. Der

alte »Merz« musste nun weichen und wur­

de (ohne Objektiv) verkauft. Das Fernrohr

stand später im Deutschen Museum in

München, bis es dort Ende 1944 durch alli­

ierte Bomber zerstört wurde. Noch schlim­

mer erging es der Sternwarte Pulkowo: Sie

wurde 1942/43 während der deutschen

Belagerung von Leningrad verwüstet.

Im Jahr 1887 machte ein neuer Standort

von sich reden: der 360 Meter hohe Mont

Gros nahe Nizza. Das Observatorium war

ein Geschenk des Industriellen Raphaël

Bischoffsheim. Auch er träumte vom welt­

größten Refraktor. Diesmal gelang das Vor­

haben: Mit dem 76,9 Zentimeter­Objektiv

der Brüder Paul und Prosper Henry wurde

Pulkowo um 7 Millimeter geschlagen

(siehe Bild S. 49 oben). Nizza lag auch mit

einer Brennweite von 17,9 Metern vorn,

und die von Gustave Eiffel konstruierte

Kuppel übertraf mit 26 Meter Durchmes­

ser und 95 Tonnen Masse alles bisher da

Gewesene. Sie war nicht wie sonst üblich

auf Rollen gelagert, sondern schwamm in

einer kreisförmigen Wanne. Mittlerweile

ist das Instrument mitsamt dem neo­

klassizistischen Gebäude renoviert; die

schwimmende Kuppel wurde auf Rollen

gesetzt.

denkmälerfürdieewigkeitWährend die Messlatte in Europa nun auf

76,9 Zentimeter gelegt worden war, holten

die USA zum finalen Gegenschlag aus. Die

entscheidende Rolle spielten dabei wiede­

rum finanzkräftige Privatpersonen.

Es kam zunehmend in Mode, sich mit

einem großen Teleskop ein Denkmal zu

setzen. So stiftete der durch Grundbesitz

reich gewordene James Lick fast sein ge­

samtes Vermögen, um den weltgrößten

Refraktor auf einem möglichst hohen

nachwievorderrekordhalter:derYerkes-refraktormit1,02MeterÖffnung.dieBrennweitebeträgt19,8Meter,diebeweglichenteilewiegen20tonnen.

dergrößtedoppelrefraktorstehtinMeudonbeiparis.diebeidenteleskopesindübereinanderineinemkastenförmigentubusuntergebracht.

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www.astronomie-heute.de August 2011 51

Berg zu errichten. Nach seinem Tod im

Jahr 1876 dauerte es aber noch zwölf Jahre,

ehe das ehrgeizige Projekt Realität wurde.

Dann stand ein 91,4­Zentimeter­Refraktor

auf dem 1283 Meter hohen Mt. Hamilton

bei San José in Kalifornien (siehe Bild S. 49

unten).

Das Lick Observatory war die erste

echte Bergsternwarte. Der 36­Zöller mit

17,4 Meter Brennweite ist in einer 18,3­Me­

ter­Kuppel untergebracht. Die zehn Meter

hohe Säule, welche die schwere deutsche

Montierung trägt, dient zugleich als Grab­

stätte. An ihrem Sockel findet sich die In­

schrift »Here lies the body of James Lick«.

Der Standort mit seiner transparenten,

ruhigen Luft und fast 300 klaren Näch­

ten im Jahr ließ spektakuläre Ergebnisse

erwarten. Und tatsächlich entdeckte im

Jahr 1892 Edward E. Barnard den fünften

Jupitermond (Amalthea). Zusammen mit

Sherbourne W. Burnham beobachtete Bar­

nard Planeten, Doppelsterne und Nebel.

Leider kam es zum erbitterten Streit

mit dem autoritären Direktor Edward

Holden. Burnham und Barnard verließen

deshalb schweren Herzens das Lick Obser­

vatory. Sie hatten bereits ein neues Ziel:

Williams Bay in Wisconsin, 140 Kilometer

nordwestlich von Chicago. Kein besonders

guter Standort, aber offenbar der geeig­

nete Platz für ein neues Denkmal, dieses

Mal errichtet zu Ehren von Charles Yerkes.

Der schwerreiche Transportunternehmer

hatte sich in den Kopf gesetzt, Lick noch

zu übertreffen. Es ist das Verdienst von

George Ellery Hale, dass mit dem Geld,

welches Yerkes der University of Chicago

zur Verfügung stellte, ein monumentales

Observatorium errichtet werden konnte.

Bereits im Jahr 1893 wurde das Teleskop

auf der Chicagoer Weltausstellung präsen­

tiert – noch ohne Objektiv. Das lieferten

zwei Jahre später Alvan Clark & Sons. Es

übertraf erstmals die Ein­Meter­Marke

und wog 500 Kilogramm. Die Daten des

Instruments sind beeindruckend: 102 Zen­

timeter Öffnung, 19,8 Meter Brennweite,

20 Tonnen Masse der beweglichen Teile

(siehe Bild S. 50 oben).

Leider hatte der Yerkes­Refraktor kei­

nen guten Start: Kurz nach der Einwei­

hung im Jahr 1897 rissen die Halteseile

des Kuppelbodens, der krachend in die

Tiefe stürzte. Zum Glück wurde niemand

verletzt. Im Jahr 1933 erregte der 40­Zöl­

ler erneut Aufsehen: Das Licht des Sterns

Arktur wurde auf eine Fotozelle gelenkt,

und der dadurch erzeugte Strom schaltete

die Festbeleuchtung bei der Eröffnung der

Weltausstellung in Chicago ein.

Doch der monströse Yerkes­Refraktor

war bereits zur Jahrhundertwende ein

Auslaufmodell. Sowohl seine Konstruk­

tion als auch der Standort in nur 334 Me­

ter Höhe waren nicht mehr zeitgemäß.

Die neue Astrophysik verlangte nach

lichtstarken Reflektoren auf hohen Ber­

gen – und Hale lieferte sie. Er schuf nach­

einander das Mount Wilson Observatory

mit einem 2,5­Meter­Spiegel (finanziert

von John Hooker und seit 1917 aktiv) und

das Mount Palomar Observatory mit dem

legendären Fünf­Meter­Reflektor, der 1948

in Betrieb ging. Er trägt Hales Namen.

Mit einem Durchmesser von etwa

einem Meter war die Obergrenze für Re­

fraktoren erreicht. Nun galt es, mit beson­

deren Konstruktionen neue Bestmarken

zu setzen. Hier ist vor allem der Doppel­

refraktor zu nennen, bestehend aus visuell

und fotografisch korrigierten Objektiven

mit unterschiedlichen Öffnungen, aber

ähnlichen Brennweiten. Der visuelle Teil

dient dabei als Leitrohr zum Nachführen.

Im Jahr 1891 schufen die Brüder Henry

zusammen mit dem Instrumentenbauer

Paul Gautier in dieser Gattung das Maß

der Dinge: das Teleskop in Meudon bei Pa­

ris. Die Objektive haben Durchmesser von

83 Zentimeter (visuell) und 62 Zentimeter

(fotografisch); die Brennweiten betragen

16,2 beziehungsweise 15,9 Meter. Die in

einem kastenförmigen Tubus zusam­

mengefügten Fernrohre werden von einer

deutschen Montierung getragen (siehe

Bild S. 50 unten).

diedeutscheantwortaufMeudon:der»Großerefraktor«inpotsdam.imJahr1899errichtet,wurdedasinstrument2005umfassendrenoviert.

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52 August 2011 Sterne und Weltraum

Im Jahr 1899 ging ein vergleichbarer

Doppelrefraktor am neuen Astrophy­

sikalischen Observatorium Potsdam in

Betrieb. Kaiser Wilhelm II. kam persönlich

zur Einweihung. Die Daten sind beein­

druckend: Objektivdurchmesser 80 Zen­

timeter (fotografisch) und 50 Zentimeter

(visuell) bei jeweils 12,2 Meter Brennweite

(siehe Bild S. 51). Die Optik wurde von

Steinheil gefertigt, die deutsche Montie­

rung von Repsold. Seit 2005 ist der »Große

Refraktor« vollständig renoviert (siehe

SuW 4/2008, S. 52).

Leider erfüllte das dunkelgrün lackierte

Monstrum nicht die Erwartungen der

Astrophysiker. Mehrfach mussten beide

Objektive nachgeschliffen werden. Ein

weiteres Problem war der Standort auf

dem nur 96 Meter hohen Telegrafenberg.

Licht­ und Luftverschmutzung vereitelten

regelmäßige Beobachtungen. Mit den

gleichen Problemen hatte auch das nur

zehn Kilometer südwestlich von Paris auf

165 Meter Höhe gelegene Observatorium

Meudon zu kämpfen.

Der Potsdamer Refraktor ist das größte

deutsche Linsenfernrohr. Eine in etwa

vergleichbare Größe besaß nur noch das

Treptower »Kanonenrohr« mit 21 Meter

Brennweite (siehe Bild links). Der kup­

pellose Refraktor mit einer Öffnung von

68 Zentimetern war die Hauptattraktion

der Berliner Gewerbeausstellung von

1897. Das von Steinheil und Hoppe ge­

baute 160 Tonnen schwere Gerät ist heute

Teil der Archenhold­Sternwarte.

nachzüglerdes20.JahrhundertsDie Pariser Weltausstellung im Jahr 1900

sollte zum Ruhm der Grande Nation etwas

Besonderes bieten: ein Linsenfernrohr,

das alle anderen übertreffen sollte. Schon

angesichts des schlechten Standorts war

dies ein kühner Plan, doch die Ausmaße

ließen das Projekt zu einer teuren Eintags­

fliege ohne wissenschaftlichen Nutzen

werden (siehe Bild links und SuW 12/1978,

S. 403).

Das Objektiv mit 1,25 Meter Durchmes­

ser wog 1,8 Tonnen. Schon beim Yerkes­

Refraktor hatten sich die gewichtsbedingte

Deformation des Objektivs und eine da­

mit einhergehende Verschlechterung der

optischen Eigenschaften störend bemerk­

bar gemacht. Deshalb entschied man sich

in Paris für einen in Nord­Süd­Richtung

orientierten Horizontalrefraktor – ange­

sichts der Brennweite von 57 Metern blieb

auch keine andere Wahl!

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Mit21MeterBrennweiteimmernochderlängsterefraktorderWelt:das»kanonenrohr«derarchenhold-sternwarteinBerlin-treptow.

nurzumanschauen,nichtzumdurchschauengeeignet:derhorizontal-refraktormit1,25MeterÖffnungwährendderpariserWeltausstellung

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www.astronomie-heute.de August 2011 53

Für Himmelsbeobachtungen lenkte

ein ebener Spiegel, ein Coelostat, mit zwei

Meter Durchmesser das Sternenlicht in

das waagrecht liegende Teleskop. Selbst

der Okularauszug war überdimensional

und musste auf Schienen bewegt werden.

Beobachtungen waren schwierig und

entsprechend selten. Selbst bei der Mi­

nimalvergrößerung von 500­fach betrug

das Gesichtsfeld nur drei Bogenminuten.

Die Projektion des Mars auf eine 400 Qua­

dratmeter große Leinwand erwies sich als

Fehlschlag. Nach Ende der Ausstellung

fand das Riesenteleskop keinen Käufer

und wurde demontiert; Objektiv und

Planspiegel kamen in die Pariser Stern­

warte. Seitdem ist der Yerkes­Refraktor

wieder die Nummer eins in der Welt.

Obwohl weltweit Reflektoren die Ober­

hand gewannen, wurden auch im 20. Jahr­

hundert vereinzelt große Linsenfernrohre

gebaut. Im Jahr 1912 bekam die neue

Sternwarte Hamburg­Bergedorf einen

60­Zentimeter­Refraktor von Steinheil /

Repsold. Nach seiner Renovierung strahlt

das zehn Meter lange Gerät heute wieder

in altem Glanz.

Im Jahr 1914 wurde am Allegheny

Observatory in Pittsburgh der von John

Brashear gefertigte Thaw­Refraktor aufge­

stellt. Er besitzt 76,2 Zentimeter Öffnung

(identisch mit Pulkowo) sowie 14,4 Meter

Brennweite und dient heute noch der As­

trometrie. Die letzten großen (klassischen)

Refraktoren gingen 1972 in Betrieb. Sie

stehen am Hida Observatory in Japan und

auf dem Llano del Hato in Venezuela. Es

sind Standardgeräte von Zeiss mit 65 Zen­

timeter Öffnung und 10,5 Meter Brenn­

weite. Das Besondere am venezolanischen

Refraktor: Mit 3600 Meter Höhe ist er der

weltweit Höchstgelegene.

Ein trauriges Schicksal erlitt das von

Grubb gebaute Yale­Columbia­Telescope

(66 Zentimeter Öffnung, 10,6 Meter Brenn­

weite): 1925 in Johannisburg aufgestellt,

kam es 1952 zum australischen Mount

Stromlo Observatory, wo es im Januar 2003

zusammen mit fünf weiteren Geräten von

einem Buschfeuer zerstört wurde.

Um ein Haar wäre der Yerkes­Refraktor

im Jahr 1928 übertroffen worden. Russ­

land hatte bei der Firma Grubb einen

41­Zöller für die Pulkowo­Außenstelle in

Simeis auf der Krim bestellt. Nachdem

bereits Montierung und Kuppel fertigge­

stellt waren (mittlerweile vom Nachfolger

Grubb­Parsons), wiesen die Russen die

beiden Glasrohlinge mit je 105 Zentimeter

Durchmesser als mangelhaft zurück. Das

Projekt wurde gestoppt, und Yerkes be­

hielt seinen Titel.

Im Jahr 2002 bekam der Yerkes­Refrak­

tor auf seine alten Tage noch einmal un­

erwartet Konkurrenz – in Gestalt des Swe­

dish Solar Telescope (SST) auf dem über

2400 Meter hohen Roque de los Mucha­

chos der Kanareninsel La Palma (siehe Bild

oben). Das Objektiv ist mit 107 Zentimeter

Durchmesser sogar größer; die genutzte

Öffnung beträgt aber nur 97 Zentimeter –

immerhin mehr als beim Lick­Refraktor.

Gleichwohl kann von einer Renais­

sance des Refraktors keine Rede sein. Die

Zukunft gehört azimutalen Reflektoren,

wie dem geplanten European Extremely­

Large Telescope mit einem 39­Meter­Spie­

gel, das Ende dieses Jahrzehnts in Betrieb

gehen soll. Die verbliebenen und zum Teil

noch wissenschaftlich arbeitenden groß­

en Refraktoren haben indes nichts von

ihrer Faszination verloren. Rund 40 Ge­

räte haben Öffnungen von 50 Zentimeter

und mehr, sieben davon übertreffen die

70­Zentimeter­Marke. Der Besucher steht

vor eindrucksvollen Relikten einer bedeu­

tenden Epoche der Astronomie. In Pots­

dam, Treptow, Wien, Meudon, Nizza oder

am Lick und Yerkes Observatory kann sich

jeder selbst davon überzeugen.

literaturhinweiseGussmann,e.-a.,kühn,G.: Der wieder-erstandene Große Refraktor. Neuer Glanz auf dem Potsdamer Telegrafen-berg. In: Sterne und Weltraum 4/2008, S. 52 – 55hartl,G.: Der Refraktor der Sternwarte Pulkowa. In: Sterne und Weltraum 7–8/1987, S. 397 –  404king,h.: The History of the Telescope. Dover Publications, New York 1979Müürsepp,p.: Die alte Sternwarte Tartu. In: Sterne und Weltraum 6/1966, S. 129 – 131oberndorfer,h.: Ein Fernrohr-Unikum. In: Sterne und Weltraum 12/1978, S. 403 – 404riekher,r.: Fernrohre und ihre Meister. VEB Verlag Technik, Leipzig 1957steinicke,W.: Nebel und Sternhaufen. Geschichte ihrer Entdeckung, Beob-achtung und Katalogisierung – von Herschel bis zu Dreyers »New General Catalogue«. Books on Demand, Norder-stedt 2009steinicke,W.,Binnewies,s.: Sternwar-ten. 95 astronomische Observatorien in aller Welt. Oculum Verlag, Erlangen 2008

www.klima-luft.de/steinickeKataloge, Geschichte und visuelle Beob­achtung von Deep­Sky­Objekten

stefanBinneWies, Inter-nist und Pneumologe, ist in freier Arztpraxis tätig. Seit 30 Jahren ist er begeisterter Amateur astronom mit den Schwerpunkten Astro-fotografie und Finsternisex-

kursionen. Zusätzlich arbeitete er an mehreren astronomischen Buchprojekten mit.

WolfGanGsteinickeist Physiker, Autor und seit 40 Jahren Amateurastro-nom. Seine Schwerpunkte sind die Geschichte der Astronomie, insbesondere die Entdeckungen der Nebel

und Sternhaufen im 19. Jahrhundert, sowie die visuelle Deep-Sky-Beobachtung. Er leitet die VdS-Fachgruppe »Geschichte« und ist Mitglied der Royal Astronomical Society.

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30 August 2011 Sterne und Weltraum

ó Sterne entstehen in Haufen oder Gruppen entlang der Spiralarme unserer Galaxis. Die Haufen sind zunächst in dichte Wolken aus Staub und Gas eingebettet.

ó Wenn die heißesten Mitglieder mit ihrer Strahlung und ihren Winden die Umgebung leer gefegt haben, werden die offenen Stern-haufen sichtbar und bieten oft ein herrliches Schauspiel.

ó Offene Sternhaufen leben nicht lange – im Mittel etwa 300 Mil-lionen Jahre. Danach werden sie schnell von den Gezeitenkräften der Milchstraße »aufgerieben«, und ihre Mitglieder im weiten Umfeld zerstreut.

InKürze

WeltderWIssenschaft:aufbauderGalaxIs

diesternedieserlockerenGruppesinderstkürzlichauseinerdichtenWolkeausGasundstaubentstanden.dieheißestenunterihnenhabenmitihrerstrahlungundihremWinddierestederWolkeaufgelöst.diegemeinsamebewegungdersterneimraumbezeugtihrengemeinsamenursprung.dasGebildeistein»offenersternhaufen«,seineoffiziellebezeichnungistnGc4755,undseinglitzernderanblickhatihmdennamen»schatzkästlein«eingebracht.eristnurzehnMillionenJahrealt,seineentfernungbeträgtknapp2000Parsecoder6600lichtjahre.

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www.astronomie-heute.de August 2011 31

OffenesternhaufenbausteinederMilchstraße

Eine Bestandsaufnahme der offenen Sternhaufen in der weiteren Sonnen umbebung

hat gezeigt, dass es heute in der galaktischen Scheibe etwa 100 000 Exemplare gibt,

und dass rund 40 Prozent aller Sterne der Scheibe ihre Jugend in solchen Haufen

verbringen. Die anderen 60 Prozent bilden sich in »eingebetteten Haufen«, die sich

bereits tief im Innern der Molekülwolken auflösen, aus denen sie entstanden sind.

ESO

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32 August 2011 Sterne und Weltraum

Vonsiegfriedröserundelenaschilbach

Die offenen Sternhaufen gehö­

ren zu den beliebtesten Beob­

achtungsobjekten am Nacht­

himmel. Sind sie bloß schöne

Episoden im weiten Feld der Galaxis, oder

erfüllen sie eine wichtige Funktion bei

Aufbau und Entwicklung des Milchstra­

ßensystems?

Aus zwei Gründen ist ihr Studium von

großer Bedeutung: Da alle ihre Mitglieder

praktisch gleichzeitig entstanden sind

und die gleiche chemische Zusammenset­

zung haben, sind sie ein natürliches Labor,

in dem sich Theorien zur Entstehung und

Entwicklung der Sterne prüfen lassen;

und während man früher annahm, dass

offene Sternhaufen nur weniger als zehn

Prozent zur stellaren Population der dün­

nen Scheibe des Milchstraßensystems bei­

tragen, wissen wir heute, dass die galak­

tische Scheibe zu etwa 40 Prozent aus den

Zerfallsprodukten aller jemals gebildeten

offenen Sternhaufen besteht. Sie sind also

mit Fug und Recht als Bausteine unserer

Galaxis zu bezeichnen. Diese quantitative

Aussage ergab sich aus der Analyse einer

umfassenden Stichprobe naher offener

Sternhaufen, die wir im letzten Jahrzehnt

durchgeführt haben und von der im Fol­

genden die Rede ist.

lockereansammlungenmitGruppendynamikDas Band der Milchstraße zieht sich in

einem Großkreis über den Himmel. Es

ist die Heimat der offenen Sternhaufen,

die, im Gegensatz zu den Kugelstern­

haufen, stark zur Ebene der Galaxis hin

konzentriert sind. Die Skalenhöhe ihrer

Verteilung – das ist die Höhe über der

galaktischen Ebene, bei der die Zahl der

Haufen im Vergleich zum galaktischen

Äquator um den Faktor 1/e ≈ 0,37 gesun­

ken ist – beträgt nur etwa 50 Parsec. Die

Scheibe, in der sich die Population der

offenen Sternhaufen befindet, ist somit

als sehr dünn zu bezeichnen, selbst wenn

man ihren Radius nur mit dem Abstand

der Sonne vom Galaktischen Zentrum,

sternhaufen–wichtigeentfernungsindikatoren

Die Bestimmung von Entfernungen im Weltall ist eine grundlegende

Aufgabe, die sich den Astronomen im-mer wieder stellt. Ohne deren Kenntnis wäre zum Beispiel die Energieerzeu-gung der Sonne und der Sterne nicht zu verstehen. Die trigonometrische Entfernungsbestimmung ist der erste Schritt ins Weltall, aber ihre Reichweite ist durch den Durchmesser der Erdbahn um die Sonne und die Genauigkeit der Messinstrumente begrenzt. Daher konn-te selbst Hipparcos, der astrometrische Satellit der ESA, nur Entfernungen bis etwa 150 Parsec mit einer Genauigkeit von besser als zehn Prozent bestimmen.

Mit einem anderen Verfahren, der »Hauptreihenanpassung«, lässt sich die Entfernungsbestimmung der offenen Sternhaufen auf mehrere tausend Parsec ausdehnen. Die Methode beruht auf theoretischen Entwicklungsmodellen, die für jeden Stern gegebenen Alters, gegebener Masse und chemischer Zusammensetzung dessen Leucht-kraft und effektive Temperatur liefern. Daraus lassen sich über die Kenntnis des Aufbaus der Sternatmosphären für verschiedene Metallhäufigkeiten die zugehörigen absoluten Helligkeiten und Farben berechnen. Trägt man im Farben-Helligkeits-Diagramm (FHD)eines neugeborenen Haufens die Farben und Helligkeiten seiner Mitglieder unter-schiedlicher Masse ein, so kommen sie alle auf der Alter-Null-Hauptreihe zu liegen – die massereichen links oben (hell und heiß), die massearmen rechts unten (lichtschwach und kühl.

Später, nach Jahrmillionen der Entwicklung, bilden die Haufenmit-glieder eine so genannte Isochrone (Linie gleichen Alters, siehe Bild oben). Solche Isochronen wurden für Stern-haufen beliebigen Alters berechnet. Die für Sternhaufen verschiedenen Alters berechneten Isochronen unterscheiden sich in der absoluten Helligkeit und im Farbindex, bei denen sie von der Alter-Null-Hauptreihe abweichen. Das höhere Alter bewirkt ein Abknicken der Isochrone bei geringerer Helligkeit (oder geringerer Masse) und größerem Farbin-dex (oder geringerer Temperatur).

soverteilensichdie650offenensternhaufenderindiesemartikelvorgestell-tenuntersuchungaufdiegalaktischeebene.JederPunktstellteinenhaufendarundhatetwadessengemessenefarbe.diejüngstenhaufen,indenennochsternederspektralklassenOundbleuchten,sindalsblauePunktedargestellt,ihreVerteilungfolgtdemVerlaufdergalaktischenspiralarmeinderweiterensonnenumgebung.derPfeilweistzumGalaktischenzentrumhin,diegalaktischerotationumdaszentrumverläuftimuhrzeigersinn.

S. R

öser

, E. S

chilb

ach

A Sonne

galaktisches Zentrum 1000 Parsec

67

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www.astronomie-heute.de August 2011 33

Aus fotometrischen Beobachtungen erhalten wir scheinbare Helligkeiten und Farben (zum Beispiel V und B – V) für Haufenmit-glieder. Die gemessene Sequenz ist gegenüber der für absolute Helligkeiten berechneten, theoretischen Isochrone um einen festen Betrag senkrecht im FHD verschoben, und zwar um den Entfernungsmodul V – MV (die Differenz der scheinbaren und der absoluten Helligkeit in Größenklassen). Die Entfernung R ergibt sich daraus im Prinzip einfach, und zwar nach der Beziehung

V – MV = 5 log R – 5.

Die Wirklichkeit ist jedoch komplizierter, da gleichzeitig auch in-terstellare Verfärbung und Extinktion bestimmt werden müssen. Dies verursacht eine waagerechte und zusätzlich eine senkrechte Verschiebung der empirischen Sequenz gegenüber der theore-tischen Isochrone im FHD.

Es kommt hinzu, dass das Alter eines untersuchten Hau-fens zunächst nicht bekannt ist. Deshalb vergleicht man alle möglichen Isochronen mit den Beobachtungen, bis die beste Übereinstimmung gefunden ist. Die Methode liefert recht gute Abschätzungen für Entfernung, Alter und interstellare Verfärbung der Sternhaufen. Voraussetzung ist jedoch, dass die theoretischen

Modelle zuverlässig sind. Die Modellparameter müssen zu Anfang mit Hilfe naher Sternhaufen kalibriert werden, für die möglichst genaue trigonometrische Parallaxen vorliegen. Wie problematisch das sein kann, zeigt der Streit um die Entfernung der Plejaden.

Der Streit brach nach den Beobachtungen des Hipparcos-Satel-liten der ESA zwischen Astrometern und theoretischen Astrophy-sikern aus. Hipparcos hatte die trigonometrischen Parallaxen der Plejaden gemessen, woraus sich deren Entfernung zu 120,2 ± 1,9 Parsec ergab. Andererseits hatte die Anpassung der Hauptreihe an theoretische Isochronen im Farben-Helligkeits-Dia gramm stets mindestens 131,8 ± 2 Parsec ergeben. Die Differenz von mehr als elf Parsec lässt sich durch die jeweiligen Messfehler nicht erklären. Wir hoffen nun, dass die bevorstehende astrometrische Gaia-Mission der ESA diese Diskrepanz auflösen wird.

Indiesemfarben-helligkeits-diagrammsinddiealter-null-hauptreihe(schwarz)sowiedieberechnetenIsochronen(liniengleichenalters)für10, 100und1000MillionenJahrealtesternedargestellt.zumbeispielliegenaufderblauenKurve(alterzehnMillionenJahre)sternemit0,4sonnenmassenbeiMV=10mag,sternemiteinersonnenmassebeiMV=4,82magundsternemit20sonnenmassenamoberenendederKurve.

diesesfarben-helligkeits-diagrammzeigtdielagedersterneverschiedeneroffenersternhaufensowiedesKugelhaufensM 3.rechtsuntenliegenkühle,massearme,linksobenheiße,masse-reichesterne.allesterneeineshaufenshabendasgleichealterundliegenaufderdiesemalterentsprechendenIsochronen.ausdemabknickpunktihrerIsochronenvonderalter-null-hauptreiheweg,bessernochausderlagedesKnieslässtsichdurchdenVergleichmittheoretischenIsochronendasalterderhaufenundihreentfernungermitteln.füreinigehaufenistinKlammerndassoermitteltealter(inMillionenJahren)angegeben:esvariiertzwischen1,2 und2500MillionenJahren.

Alter-Null-Hauptreihe

Farbe B–V

Alter:

10 Mio.Jahre

100 Mio.Jahre

1000 Mio.Jahre

abso

lute

Hel

ligke

it M

V in

mag

-10

100,0 0,5 1,0 1,5 2,0

-5

0

5

abso

lute

vis

uelle

Hel

ligke

it M

V in m

ag

-8

-0,4 0 0,4 0,8 1,2 1,6 2,0

-6

-4

-2

0

2

4

6

8

Farbe B–V

NGC2362

NGC188

NGC752 752

Sonne

Coma

Plejaden (120)

Hyaden (650)Praesepe

M 41

M 41M 3

M 11 M 11

M 67 (2500)H + P

h + c Persei (1,2)

h + c Persei

A. Sandage / SuW-Grafik

The

Padu

a G

roup

/ G

irard

i, M

arig

o et

al.

/ SuW

-Gra

fik

68

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34 August 2011 Sterne und Weltraum

etwa 8500 Parsec, gleichsetzt. (Ein Parsec

ist die Entfernung, aus welcher der mittle­

re Radius der Erdbahn um die Sonne – die

Astronomische Einheit – unter dem Win­

kel von einer Bogensekunde erscheint; sie

entspricht etwa 3,26 Lichtjahren.)

Anders als Kugelsternhaufen erschei­

nen offene Haufen als lockere, unregelmä­

ßige Ansammlungen von Sternen und mit

weniger Mitgliedern, so dass es manch­

mal schwierig ist, sie vom allgemeinen

Sternfeld zu trennen. Aber alle Mitglieder

eines offenen Haufens sind am gleichen

Ort und zur gleichen Zeit entstanden und

erinnern sich während ihres gesamten

Sternenlebens an ihre Geburt: Sie alle ...

ó  sind gleich weit von der Erde entfernt,

ó  haben die gleiche chemische Zusam­

mensetzung,

ó  sind gleich alt und

ó  bewegen sich mit annähernd gleicher

Geschwindigkeit durch den Raum.

Das dynamische Verhalten der Haufen­

mitglieder bewirkt, dass sie für einige Zeit

zusammenbleiben. Schließlich jedoch

wer den sie von den Gezeitenkräften der

Milchstraße auseinandergetrieben. Wir

kennen deshalb keine offenen Sternhau­

fen, die so alt wären wie die galaktische

Scheibe selbst.

Betrachten wir die Verteilung der 650

von uns untersuchten offenen Stern­

haufen in der Sonnenumgebung, pro­

jiziert auf die galaktische Ebene (siehe

Bild auf S. 32). Ein solches Bild würden

Astronomen in der »Black­Eye­Galaxie«

M 64 erhalten, sollten sie mit ihrem

Weltraumteleskop unser Milchstraßen­

system beobachten. Diese Galaxie steht

senkrecht über der Ebene unserer Gala­

xis, und sie ist so weit von uns entfernt,

dass das Bild gerade einer Aufnahme des

Weltraumteleskops Hubble mit der ACS­

Kamera entsprechen würde. Die Darstel­

lung zeigt, dass die jüngsten und hellsten

offenen Sternhaufen die Spiralstruktur

des Milchstraßensystems nachzeichnen.

Dies hängt damit zusammen, dass Sterne

bevorzugt in Spiralarmen entstehen.

Auch die jüngsten, massereichen

Sterne der Spektralklassen O und B zeich­

nen die Spiralstruktur nach, allerdings

nicht in der gleichen Klarheit. Denn ihre

Entfernung lässt sich weniger genau be­

stimmen als diejenige der offenen Stern­

haufen. Deshalb haben die offenen Hau­

fen große Bedeutung für die Bestimmung

astronomischer Entfernungen (siehe

Kasten auf S. 32/33).

derjungeoffenesternhaufennGc3603 enthältnebenmehrals 50hellenundmassereichenO-sternenmitinsgesamtmindestens1000sonnenmas-senauchzahlreichesterne,derenMassegeringeristalsdiejenigedersonne.alleMitgliedersindinnerhalbderletztenMillionJahreauseinerriesigenGas-undstaubwolkeentstanden.dasbildisteinKompositausaufnahmenindenWellenlängenbereichenJ, HundKsimnahenInfrarot,dasdenstaubdurchdringtundauchsterneimInnerenderWolkesichtbarmacht.

ESO

NAS

A / E

SA /

HST

69

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www.astronomie-heute.de August 2011 35

VieleeingebettetesternhaufenlösensichschonsehrfrühaufSterne entstehen in Gruppen oder Hau­

fen im Innern von dichten, mit Staub

angereicherten Molekülwolken. Folglich

sind solche Sternentstehungsgebiete im

sichtbaren Licht durch die diffuse Materie

in ihrer Umgebung weit gehend verhüllt.

Infrarotes Licht hingegen wird durch

das Gas und den Staub weit weniger ge­

schwächt, so dass Aufnahmen in diesem

Wellenlängenbereich den Blick auf gerade

entstehende Sternhaufen gestatten (siehe

die Bilder links und unten).

Junge Sterne sind zunächst noch in die

Gas­ und Staubwolken eingebettet, aus de­

nen sie kürzlich entstanden sind. Vor eini­

gen Jahren haben die US­amerikanischen

Astronomen Charles und Elizabeth

Lada eine umfassende Sammlung von

Messungen an solchen »eingebetteten

Sternhaufen« zusammengestellt, als de­

ren Prototyp der unten zweimal gezeigte

innere Teil des Orionnebels gilt: Während

im Optischen wenig mehr als die vier

Trapezsterne sichtbar sind, erscheint im

Infraroten ein Sternhaufen mit tausenden

Mitgliedern, von denen die ältesten we­

nige Millionen, die jüngsten nur 500 000

Jahre alt sind. Und sehr wahrscheinlich

entstehen dort auch heute noch Sterne.

Charles und Elizabeth Lada haben sich

besonders für die Gesamtmassen der

eingebetteten Haufen interessiert. Die Be­

stimmung der Massen ganzer Sternhau­

fen ist kompliziert, und unterschiedliche

Methoden führen oft zu widersprüch­

lichen Ergebnissen. Am einfachsten wäre

es, alle Mitglieder eines Sternhaufens

zu zählen,und jedem einzelnen entspre­

chend seiner Helligkeit eine Masse zuzu­

ordnen. Die Addition der Einzelmassen

ergäbe dann die Gesamtmasse. Allerdings

lassen sich die Sterne nur bis zu einer be­

stimmten Grenzhelligkeit erkennen, und

man muss extrapolieren, wie viele schwä­

chere Sterne es zusätzlich gibt. Die se Ex­

trapolation ist unsicher. Alternativ nutzt

man die Tatsache, dass die Sternhaufen

den Gezeitenkräften der Milchstraße

ausgesetzt sind. Die am Rand eines Hau­

fens liegenden Sterne sind gerade noch

durch Gravitation an ihn gebunden und

können nicht entweichen. Deshalb lässt

sich aus der Größe des Haufens auf seine

Masse schließen; die so bestimmten Mas­

senwerte heißen »Gezeitenmassen«, von

ihnen wird noch die Rede sein.

Auch aus der gemessenen Geschwin­

digkeitsverteilung der Mitglieder lässt sich

auf die Masse der Haufen schließen, da im

Gleichgewicht die kinetische, in der Bewe­

gung steckende Energie der Sterne halb

so groß ist wie ihre potenzielle, durch die

vorhandene Masse und deren Verteilung

bestimmte Energie. Die erforderlichen

Beobachtungen sind kompliziert und feh­

leranfällig. Bei eingebetteten Haufen wird

die Massenbestimmung zusätzlich durch

die Extinktion erschwert. Charles und Eli­

zabeth Lada haben die vorhandenen Daten

aus der Literatur zusammengestellt, die

Haufenmitglieder gezählt, ihre Massen

bestimmt, zu kleineren Sternmassen ex­

trapoliert und damit die in der Grafik auf

S. 36 oben dargestellte Massenfunktion

der ein gebetteten Sternhaufen abgeleitet.

Sie gibt an, wie viele Haufen der Masse M

in den einzelnen Massenintervallen dM

vorhanden sind.

Wie aus dieser Grafik ersichtlich, liegen

die Massen eingebetteter Sternhaufen im

Bereich zwischen 10 und 3000 Sonnen­

massen, und die Verteilung folgt in die­

sem Bereich einem Potenzgesetz der Form

n(M) = Ma dM mit dem Exponenten

a = –1,7. Ein Exponent mit dem Wert a = –2

würde bedeuten, dass jedes Massenin­

tervall gleich viel zur Gesamtmasse aller

eingebetteten Sternhaufen beiträgt. Wäre

der Exponent kleiner als –2, so trügen die

vielen massearmen Haufen den Löwen­

anteil. Der Exponent –1,7 besagt, dass die

derOrionnebelistunsalsfarbenprächtigesGebildeausleuchtendemGasunddunklenstaubstrukturenvertraut,dennsoerscheinterimsichtbarenlicht.nurdietrapezsterneinseinerMitteundwenigeanderesindzuerkennen,undfrüherkamniemandaufdieIdee,dasssichinderdichtenWolkenochweiteresterneverbergen(linkesbild).Ganzandersalsimsichtbarensiehtdieumge-bungdertrapezsterneimnahenInfrarotaus.dasinfrarotelichtdurchdringtdievorgelagertenstaubmassen,undnunzeigtsich,dassdastrapezinWahrheitausdenfünfhellstensterneneinesgroßensternhaufensmitmehrerentausendMitgliedernbesteht(rechtesbild).M

. McC

augh

rean

/ ES

O

70

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36 August 2011 Sterne und Weltraum

wenigen massereichen eingebetteten

Sternhaufen den Hauptanteil zur Ge­

samtmasse beitragen. Interessanterweise

werden kaum eingebettete Sternhaufen

mit Massen größer als etwa 3000 Sonnen­

massen gefunden. Erst in den letzten Jah­

ren hat man einige wenige entdeckt. Alle

eingebetteten Sternhaufen sind ähnlich

jung wie NGC 3603 oder der Sternhaufen

um das Trapez im Orionnebel, die ältesten

sind nur etwa fünf Millionen Jahre alt.

Die Auswertung der Sammlung von

Charles und Elizabeth Lada hat gezeigt,

dass in der galaktischen Scheibe die Ent­

stehungsrate der eingebetteten Sternhau­

fen pro Flächeneinheit und pro Million

Jahre etwa zehnmal so hoch ist wie die

Entstehungsrate der klassischen offenen

Sternhaufen, von denen hier die Rede sein

wird. Dies führte zu dem Schluss, dass

sich etwa 90 Prozent der eingebetteten

Sternhaufen schon nach wenigen Milli­

onen Jahren auflösen und somit nicht zu

offenen Sternhaufen werden. Dieses Phä­

nomen wird als »Kindersterblichkeit« der

eingebetteten Haufen bezeichnet.

Mit den überlebenden zehn Prozent

wollen wir uns in der Folge beschäftigen.

Die se Haufen haben die sie umgebende

Gas­ und Staubwolke im Wesentlichen ver­

loren und sind nun im sichtbaren Licht zu

beobachten. Unsere Untersuchungen aus

den letzten Jahren sprechen dafür, dass

aus diesen zehn Prozent der eingebetteten

Haufen letztlich die klassischen offenen

Sternhaufen hervorgegangen sind.

KlassischeoffenesternhaufenStatistisch aussagefähige Ergebnisse zur

gesamten Population der offenen Stern­

haufen erhält man nur, wenn man eine

große Stichprobe gleicher Qualität mit

wissenschaftlich überprüfbaren Metho­

den untersucht. Eingehende Untersu­

chungen einzelner Objekte wie der Pleja­

den, der Hyaden, von Praesepe oder M 67

haben ihre Bedeutung, aber das Stu dium

der Gesamtheit der offenen Sternhaufen

in der galaktischen Scheibe erfordert eine

größere Stichprobe.

Vor einigen Jahren haben wir zu­

sammen mit Kollegen in Kiew, Moskau

und Potsdam mit einer systematischen

Untersuchung der offenen Sternhaufen

in Sonnenumgebung begonnen. Unsere

Arbeitsgrundlage war eine vollständige

Himmelsdurchmusterung, bestehend aus

dem Tycho-2­Katalog, der die astrome­

trischen und fotometrischen Messungen

dieMassenvertei-lungder»einge-bettetensternhau-fen«nachladaundladalässtsichdurcheinPotenzgesetzmitdemexpo-nentena =-1,7 darstellen. diedunkleflächezeigtdiewenigenindenletztenJahrengefundenenmassereicheneingebettetensternhaufen.

Rein

hold

Witt

ich

diemeistenhellensterneimzentralteilderPlejadensindMitgliederdeshaufens,aberdiebeidendurchPfeilemarkiertensternestehenimVorder-grund,dennihreallzugroßeneigenbe-wegungenpassennichtzudenenderPlejaden(siehedasbildaufs.38).).

Masse der Sternhaufen in Sonnenmassen

Anza

hl d

er S

tern

hauf

en p

ro M

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nint

erva

ll

10

10

1

105 106100

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1000

1000

10000

10000

Lada

201

0 / S

uW-G

rafik

Massenverteilung der»eingebetteten Sternhaufen«zu kleineren und größeren Mas-sen extrapoliertes Potenzgesetzspäter gefundene massereiche Haufen

71

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www.astronomie-heute.de August 2011 37

des Hipparcos­Satelliten sowie die Daten

des Astrographischen Katalogs aus dem

frühen 20. Jahrhundert enthält. Somit

standen uns für 2,5 Millionen Sterne Ei­

genbewegungen und Fotometrie im Blau­

en und im Visuellen zur Verfügung.

Tycho­2 ist vollständig bis zur schein­

baren visuellen Helligkeit V = 11,5 mag.

In diesen Daten haben wir nach der

folgenden objektiven Methode offene

Sternhaufen gesucht: Am ganzen Him­

mel haben wir unseren Rechner für jeden

Stern heller als V = 9,5 mag prüfen lassen,

ob die Sterndichte in seiner Umgebung

erhöht war, ob es in einer eventuellen

Dichteerhöhung weitere Sterne gleicher

Eigenbewegung gab und ob diese Sterne

im Farben­Helligkeits­Diagramm auf

einer einheitlichen Isochronen lagen. Es

gibt insgesamt etwa 250 000 Sterne heller

als V = 9,5 mag, und erwartungsgemäß fiel

der Test in den allermeisten Fällen negativ

aus. Jedoch fanden wir 520 Sternhau­

fen, die bereits in einer 1700 Mitglieder

zählenden Liste möglicher Sternhaufen

aufgeführt waren. Zusätzlich entdeckten

wir im Tycho­2­Katalog 130 neue Stern­

haufen, die zuvor noch nirgends ver­

zeichnet waren, so dass die Gesamtzahl

der bestätigten Haufen 650 beträgt. Ihre

Verteilung in der galaktischen Ebene zeigt

das Bild auf S. 32. Die Untersuchung der

räumlichen Verteilung unserer Stichprobe

ergab, dass sie bis zu einem Abstand von

850 Parsec von der Sonne vollständig ist.

In diesem Bereich liegen 250 offene Hau­

fen. Daraus können wir auf deren Gesamt­

zahl schließen, die sich gegenwärtig in der

galaktischen Scheibe befinden. Es sind

etwa 100 000 – weitaus mehr als die Zahl

der Kugelsternhaufen, die wohl nur einige

hundert Mitglieder beträgt.

Woranerkenntmandieechtenhaufenmitglieder?Sternhaufen fallen dadurch auf, dass

an der betreffenden Stelle des Himmels

die Konzentration absolut heller Sterne

frühen Spektraltyps höher ist als in der

Umgebung; dies allein will aber noch

nicht viel heißen, denn zunächst sind die

Entfernungen der einzelnen Sterne ja un­

bekannt. Ein schönes Beispiel hierfür sind

die Plejaden, deren Zentralteil im neben­

stehenden Bild gezeigt wird. Die beiden

mit Pfeilen markierten Sterne sechster

Größe sind Vordergrundsterne und ge­

hören nicht zum Sternhaufen. Auch eine

stark variable Extinktion kann an einer

Stelle eine höhere Sternkonzentration als

in der Umgebung vortäuschen.

Das erste starke Kriterium dafür, dass

ein offener Sternhaufen ein einheitliches

Gebilde ist, ist das kinematische – die

gemeinsame Bewegung aller seiner Mit­

glieder im Raum. Dies bedeutet, dass die

Radialgeschwindigkeiten und Eigenbewe­

gungen aller echten Mitglieder nur we­

nig um ihren gemeinsamen Mittelwert

streuen. Über die Eigenbewegungen von

Sternen gab es schon immer mehr Infor­

mation, als über deren Radialgeschwin­

digkeiten, deshalb hat man zunächst Ei­

genbewegungen von Sternen verwendet,

um damit Mitglieder offener Haufen zu

finden.

Eigenbewegungen bestimmt man aus

den Differenzen der Sternpositionen über

mehrere Beob achtungsepochen hinweg.

Nehmen wir als Beispiel die Plejaden: Wie

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38 August 2011 Sterne und Weltraum

der Kasten oben zeigt, haben die allermei­

sten Sterne in der Umgebung der Plejaden

nahezu verschwindende Eigenbewe­

gungen – sie gehören zum Hintergrund.

Nur etwa 2,5 Prozent haben stark abwei­

chende, aber einheitliche Eigenbewe­

gungen und sind echte Mitglieder der Ple­

jaden. Die beiden im Bild auf S. 36/37 mit

Pfeilen markierten Sterne liegen im Bild

oben weder in der Konzentration um den

Nullpunkt noch bei den Plejaden, sondern

besitzen große Eigenbewegungen. Also

müssen sie weit im Vordergrund stehen.

Weniger eindeutig als dieses dyna­

mische Kriterium für die Mitgliedschaft

ist die Forderung, dass die Mitglieder

eines offenen Sternhaufens alle gleich alt

sein müssen. Es könnten ja im Haufen im­

mer wieder neue Sterne entstanden sein,

bis der Vorrat an Gas und Staub durch

Sternbildung aufgebraucht ist. Dennoch

können wir davon ausgehen, dass Sterne

in einem Haufen gleichzeitig gebildet

werden oder zumindest innerhalb eines

Zeitraums entstehen, der kurz ist im Ver­

gleich zu seiner Lebensdauer. Trägt man

nämlich die gemessenen scheinbaren

Helligkeiten und Farben eines Sternfelds

um einen offenen Haufen herum in ein

Farben­Helligkeits­Diagramm ein, so stellt

man fest, dass sich die – zum Beispiel aus

Eigenbewegungen bestimmten – echten

Mitglieder des Haufens auf einer gemein­

samen Sequenz anordnen, die seinem Al­

ter entspricht – der so genannten Isochro­

nen (siehe die Bilder unten rechts und den

Kasten auf Seite 32/33).

Aufgrund der Lage der Isochrone eines

Haufens im Farben­Helligkeits­Diagramm

lässt sich sowohl seine Entfernung als auch

die Größe der interstellaren Staubextink­

tion im Vordergrund bestimmen. Dieje­

nige Isochrone, die zur beobachteten Ver­

teilung im Farben­Helligkeits­Diagramm

am besten passt, liefert das Alter des

Sternhaufens. Grob gesagt, ist dieses Al­

ter durch den Punkt gegeben, an dem die

Isochrone von der Alter­Null­Hauptreihe

abzweigt. Auf der Alter­Null­Hauptreihe

gehört zu diesem Punkt eine ganz be­

stimmte Sternmasse. Alle Sterne größerer

Masse haben die Alter­Null­Hauptreihe

bereits verlassen, diejenigen geringerer

Masse liegen noch auf ihr. Wenn, wie oben

angenommen, alle Sterne eines Haufens

gleichzeitig entstanden sind, dürfte es

keine Mitglieder geben, die oberhalb des

Abknickpunkts auf der Alter­Null­Haupt­

reihe liegen. Auf die große Mehrzahl der

Fälle trifft dies auch zu.

Dennoch gibt es in einzelnen Haufen

(alle älter als eine Milliarde Jahre) solche

eigentlich verbotenen Mitglieder. Ihre

Mitgliedschaft wird durch die Messung ih­

rer Eigenbewegung bestätigt. Wie lässt sich

dies erklären? Im zentralen Bereich eines

Sternhaufens kommt es immer wieder zu

Kollisionen zwischen Sternen. Wenn zwei

Sterne dabei verschmelzen, bildet sich

aus der Summe ihrer Massen ein neuer

Stern. Er ist später entstanden und mas­

sereicher, entwickelt sich schneller und

erscheint uns dennoch jünger und blauer

als die übrigen Haufenmitglieder auf der

Hauptreihe. Solche Sterne werden »Blaue

Nachzügler« genannt, sie liegen oberhalb

des Abknickpunkts auf der Hauptreihe,

und ihre Zahl ist im Vergleich zur Gesamt­

zahl der Haufenmitglieder sehr gering.

Alternativ zu dieser Erklärung könnte

in einem engen Doppelstern von der mas­

sereicheren, bereits zu einem Riesen ent­

wickelten Komponente Massenübertra­

gung auf die masseärmere stattgefunden

haben. Letztere entwickelt sich dann als

scheinbar jüngerer, massereicherer Stern.

diePopulationdersternhaufeninunsererumgebungNachdem wir die Mitglieder der 650 Hau­

fen unserer Stichprobe mit den verfüg­

baren Daten so gut wie möglich bestimmt

haben, wenden wir uns den integralen

Eigenschaften der offenen Sternhaufen in

der Sonnenumgebung zu. Es geht um die

Fragen: Wie groß, wie massereich, wie alt

und wie hell sind die offenen Sternhaufen

in der Milchstraße? Wir wollen die »ein­

facheren« Fragen zuerst behandeln.

Die Bestimmung des Alters wurde be­

reits besprochen, ähnlich unkompliziert

ergibt sich auch die Gesamtleuchtkraft

der Sternhaufen. Man beginnt in jedem

Wellenlängenbereich mit dem jeweils

hellsten Mitglied und schreitet dann

zu den schwächeren Mitgliedern fort,

indem man jeweils die Leuchtkraft, das

heißt die pro Zeiteinheit abgestrahlte

Energie, aufsummiert. Dabei zeigt sich,

Wir haben die Eigenbewegungen von 40 000 Sternen bis zur 17. Größe in einem 16 Quadratgrad großen Feld um

die Plejaden in Rektaszension und Deklination untersucht. Dazu haben wir 20 Schmidt-Platten der Thüringer Landessternwarte in Tautenburg vermessen, die über einen Zeitraum von 25 Jah-ren aufgenommen worden waren. Das Ergebnis ist im neben-stehenden Diagramm dargestellt.

Die gemessenen Eigenbewegungen zeigen zwei Konzentra-tionen. Die allermeisten untersuchten Sterne konzentrieren sich in der Nähe des Nullpunkts – sie befinden sich in großer Entfer-nung im Hintergrund. Dagegen gibt die kleine Konzentration von nur etwa 750 Sternen bei (+20, -40) Millibogensekunden pro Jahr die gemeinsame Eigenbewegung der echten Plejaden-mitglieder wieder. Sterne mit (den Beträgen nach) noch höheren Eigenbewegungen befinden sich im Vordergrund.

MitgliederderPlejaden

Weil alle Mitglieder eines Haufens gemeinsam entstanden sind, dienen sie zum Test für unser Verständnis der Sterne.

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Jahr

Eigenbewegung in Rektaszension in Millibogensekunden pro Jahr

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-100-100 -50 500 100

-80

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-40

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www.astronomie-heute.de August 2011 39

dass die Leuchtkraft aller Sternhaufen

meist von dem halben Dutzend ihrer

hellsten Sterne bestimmt wird. Wie viele

weitere Mitglieder ein Haufen auch hat,

sie tragen zur Gesamtleuchtkraft kaum

noch bei. Der Grund hierfür ist, dass die

massereichen Sterne wesentlich mehr En­

ergie pro Masseneinheit erzeugen als die

massearmen.

Die Frage nach der Größe der Stern­

haufen scheint einfach zu sein: Man muss

doch nur an den Himmel schauen! Jedoch

erweist sie sich aus mehreren Gründen

als ähnlich schwierig wie diejenigen

nach der Leuchtkaft oder dem Alter. Ba­

nal ist die Tatsache, dass früher das Ge­

sichtsfeld eines Teleskops die scheinbare

Größe eines Haufens begrenzte. Hatte

man seinen dichten Zentralteil erfasst,

so gab man sich zufrieden, und leitete so

einen zu kleinen Haufendurchmesser ab.

Jedoch hat auch eine flächendeckende

Himmelsdurchmusterung ihre Probleme.

Bei tiefen Durchmusterungen, etwa beim

Palomar Sky Survey, reicht die fotome­

trische Genauigkeit bei weitem nicht

aus, um Mitglieder von Nichtmitgliedern

zu unterscheiden, und auch die Quali­

tät der Eigenbewegungen ist zu gering.

Denn geht man in einem Sternhaufen

von den helleren zu den schwächeren

Sternen, so nimmt die Genauigkeit der

Positionsmessungen, und folglich auch

der Eigenbewegungen ab. Das bedeutet: Je

lichtschwächer und weiter entfernt die zu

vermessenden Sterne sind, desto genauer

muss die Messung sein. Dieses Problem

lässt sich nicht umgehen.

Anders als beim Palomar Sky Survey

ist die Fotometrie des Two­Micron­All­

Sky­Survey (2MASS) im nahen Infrarot

zwar ausgezeichnet, aber er verzeichnet

keine Eigenbewegungen, ist also auch nur

bedingt hilfreich. Die Grenzgröße der von

uns benutzten Durchmusterung auf der

Basis von Tycho­2 beträgt V = 11,5 mag,

wir können also in den Haufen nur die

Verteilung der helleren Sterne bestimmen

und den Winkeldurchmesser über die Be­

stimmung der Mitgliedschaft, sowie den

linearen Durchmesser über die Bestim­

mung der Entfernung ableiten.

Es ergab sich dabei auch, dass sich in

den Sternhaufen die massereichsten und

somit hellsten Sterne verstärkt im Zen­

trum konzentrieren – dies wird als »Mas­

sensegregation» bezeichnet. Auch Simula­

tionen der Entwicklung von Sternhaufen

zeigen, dass massereiche Sterne sich mit

der Zeit verstärkt im Zentrum der Haufen

ansammeln. Verständlich ist dies, wenn

man annimmt, dass sich eine Gleichver­

teilung der kinetischen Energie einstellt.

Dann besitzen die massereichen Sterne

im Mittel geringere Geschwindigkeiten

als die massearmen. Letztere bewegen

sich also weiter vom Gravitationszentrum

des Haufens weg, unterliegen dadurch

verstärkt den Gezeitenkräften der Milch­

straße und gehen dem Haufen leichter

verloren.

Aber auch im Sternhaufen um das

Trapez im Orionnebel sind die masse­

reichsten Sterne – trotz seiner Jugend –

bereits im Zentrum konzentriert. Man

kann dies so verstehen: Wenn in einer

Molekülwolke Sterne entstehen, geschieht

dies zuerst im dichtesten Teil. Hier ist

auch die Wahrscheinlichkeit für enge Be­

gegnungen am größten. Dadurch erhalten

massearme Sterne sehr bald höhere Ge­

schwindigkeiten und können sich weiter

vom Zentrum entfernen, während die

massereichen langsamer bleiben und sich

stärker zum Zentrum hin konzentrieren.

Hier entwickeln sie auch bald stellare Win­

de, die ihre Umgebung so weit leer fegen,

dass sich dort keine weiteren Sterne mehr

bilden.

Wenn also Massensegregation vorliegt,

muss die Durchmusterung so empfindlich

sein, dass der wesentliche Teil des Massen­

spektrums, bis zu hinreichend massear­

men Sternen, erfasst wird.

Wie lässt sich der »Rand« oder der Ra­

dius eines Haufens physikalisch sinnvoll

bestimmen? Eine Definition lautet: Der

Rand ist dadurch gegeben, dass sich hier

die Gravitationswirkung des Haufens

und diejenige der Milchstraße gerade die

diesefarben-helligkeits-diagrammeeinigernaheroffenersternhaufenbasierenaufdenMessungendeshipparcos-satel-liten.aufgetragenistdieabsolutehellig-keitgegendiefarbe.diedurcheinzelsternedefiniertehauptreiheistsehrguterkenn-bar.diedarüberliegendenhaufenmit-gliedersinddoppelsterne,dienichtineinzelsterneaufgelöstwerdenkonnten.diefarbeB2–V1beziehtsichaufdasGenferfotometrischesystem,dassichleichtvomstandardsystemunterscheidet.

PlejadenBlanco 1NGC2516

HyadenPraesepeGroßer BärHaar der BerenikeNGC7092

Farbe B2–V1 Farbe B2–V1

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ligke

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V in m

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40 August 2011 Sterne und Weltraum

Waage halten. Innerhalb dieses »Gezeiten­

radius« gehören die Sterne zum Haufen,

außerhalb haben sie ihn verlassen. Wir

finden eine Analogie im Sonne­Erde­

Mond­System: Der Mond befindet sich

innerhalb des Gezeitenradius des Erde­

Mond­Systems, er ist somit ein Trabant

der Erde und kein Planet.

Vor fast 50 Jahren hat der amerika­

nische Astronom Ivan King eine Theorie

entwickelt, wie man aus der Verteilung

der Sterne eines Haufens am Himmel auf

dessen Gezeitenradius schließen kann.

Die Anwendung dieser Theorie auf Ku­

gelsternhaufen gelingt einfacher als auf

offene Sternhaufen, da der Kontrast zum

Hintergrund groß und die Mitgliedschaft

leichter bestimmbar ist. Bei offenen

Sternhaufen spielt die Bestimmung der

Mitgliedschaft die entscheidende Rolle.

Obwohl der Tycho­2­Katalog keine hohe

Reichweite besitzt, gelang es uns, die Ge­

zeitenradien von 236 Haufen zu bestim­

men. Es zeigte sich, dass sie etwa 3,5­mal

so groß sind wie die großen Halbachsen

der Haufen im Tycho­2­Katalog. Mit die­

ser Umrechnungsformel konnten wir die

Gezeitenradien aller 650 Haufen unserer

Liste ableiten.

Aus den Gezeitenradien lässt sich die

Masse der Sternhaufen abschätzen. Derart

bestimmte Massenwerte werden »Gezei­

tenmassen« genannt. Der Gezeitenradius

ist ja dadurch gegeben, dass sich in diesem

Abstand vom Zentrum des Haufens die

Gravitationskräfte von Haufen und Milch­

straße gerade aufheben. Kennt man die

Gravitationswirkung der Milchstraße am

Ort des Haufens, so ist auch die Haufen­

masse gegeben. Damit waren die Massen

aller Haufen unserer Liste bestimmt.

diezeitlicheentwicklungoffenersternhaufenDamit liegen die wichtigsten Informati­

onen vor, um die Entwicklung der offenen

Sternhaufen in der Sonnenumgebung zu

beschreiben. Wir kennen die Häufigkeits­

verteilung Ihres Alters, ihrer Leuchtkraft

und Masse. Betrachten wir zunächst die

Altersverteilung der Haufen in der Grafik

oben: Ihre Interpretation ist aufschluss­

reich. Würden einmal entstandene Haufen

nicht zerfallen, so müsste es Sternhaufen

geben, die so alt sind wie die galaktische

Scheibe (etwa zehn Milliarden Jahre). Dann

ließe sich aus der Altersverteilung die Ent­

stehungsrate der Haufen im Laufe der Zeit

direkt ablesen. Dies ist offensichtlich nicht

so: Ab einem bestimmten Alter nimmt die

Anzahl der offenen Sternhaufen drastisch

ab. Ähnlich wie beim radioaktiven Zerfall

gibt es eine typische Lebenszeit, bei der

die anfängliche Zahl der Haufen um den

Faktor 1/e = 0,37 abgenommen hat. Unter

Annahme einer konstanten Bildungsrate

der Haufen lassen sich aus dem Verlauf

der Kurve sowohl diese Bildungsrate als

auch die typische Lebenszeit ableiten. Die

Rechnung ergibt, dass sich im Bereich bis

1000 Parsec um die Sonne im Mittel 1,25

Haufen pro Million Jahre bilden, ihre mitt­

lere Lebensdauer beträgt 330 Millionen

Jahre. Bezogen auf das Alter der Scheibe

erleben wir damit heute die 30. bis 40. Ge­

neration der offenen Sternhaufen.

Allerdings zeigen Computersimula­

tionen, dass die Lebenserwartung der

Haufen stark von ihrer Masse abhängt: Je

massereicher ein Haufen ist, umso länger

dauert es, bis ihn die Gezeitenkräfte der

Milchstraße »zerrieben« haben. Weiter

finden wir, dass die Massenverteilung aller

Sternhaufen in der Sonnenumgebung von

den massearmen Haufen dominiert wird.

Die Massenfunktion der jüngsten offenen

Sternhaufen ist jener der eingebetteten

Haufen ähnlich (siehe Grafik auf S. 36).

Ein weiterer Befund: Unter den jüngsten

offenen Sternhaufen ist der Anteil derer

mit Massen unter 1000 Sonnenmassen

wesentlich geringer als bei den älteren

Haufen. Der flache Verlauf der Massenver­

teilung bei den jüngsten Haufen bedeutet,

dass hier die massereicheren Haufen am

meisten zur Gesamtmasse beitragen.

In der Tat zeigt sich, dass die jüngsten

Haufen im Mittel 4500 Sonnenmassen

besitzen, die durchschnittliche Masse der

Haufen in Sonnenumgebung beträgt dage­

gen nur 700 Sonnenmassen. Offenbar ver­

lieren die offenen Sternhaufen während

ihres Lebens stark an Masse. Die jüngsten

Sternhaufen verlieren ihre Masse zum

Teil durch Entwicklung und Sterben ihrer

massereichsten Mitglieder in den ersten

Millionen Jahren. Allerdings kommt der

hauptsächliche Massenverlust dadurch zu

Stande, weil den Haufen vor allem mas­

searme Sterne durch die Gezeitenwirkung

der Milchstraße entrissen werden.

derbeitragoffenersternhaufenzumaufbauderscheibeNun schätzen wir ab, wie viele Sterne der

galaktischen Scheibe sich jemals in einem

Sternhaufen aufgehalten haben, bevor er

aufgelöst wurde. Wie die Grafik oben zeigt,

erreichen nur wenige Haufen ein Alter

von einer Milliarde Jahren; dagegen kön­

nen Sterne von einer Sonnenmasse und

weniger um ein Vielfaches älter sein, ohne

dass sie sich merklich verändert haben –

die Sterne eines Haufens können dessen

Auflösung bei Weitem überleben.

Um den Beitrag der offenen Haufen zur

galaktischen Scheibe abzuschätzen, müs­

sen wir das Produkt aus der Bildungsrate

der Haufen mit ihrer mittleren Anfangs­

masse über das Alter der Scheibe aufsum­

mieren. Wie oben beschrieben, beträgt die

Bildungsrate im Umkreis von 1000 Parsec

um die Sonne 1,25 Haufen pro Million Jah­

re und ihre mittlere Anfangsmasse 4500

Sonnenmassen. Da die Milchstraßenschei­

diealtersverteilungderoffenensternhaufeninsonnenumgebungzeigt,dassdiezahlderhaufenabeinemaltervoneinigenhundertMillionenJahrendramatischabnimmt.dieroteKurvestellteinenexponentiellenabfallmiteinerzerfallszeitvon330MillionenJahrendar.

Alter der Sternhaufen in Millionen Jahre

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www.astronomie-heute.de August 2011 41

be, in der sich die Haufen bilden, im Ver­

gleich zu ihrem Durchmesser sehr dünn

ist, gehen wir die Frage zweidimensional

an. Der Wert von 1,25 übersetzt sich damit

in 0,4 Haufen pro Quadratparsec und Mil­

lion Jahre. Nun benötigen wir nur noch

das Alter der Scheibe. Sie ist die jüngste

Komponente der Galaxis, ihre ältesten

Sterne sind etwa zehn Milliarden Jahre

alt. Damit liefert die oben beschriebene

Rechnung für den Beitrag aller jemals ge­

bildeten offenen Sternhaufen zur Massen­

dichte der Scheibe den Wert von 18 Son­

nenmassen pro Quadratparsec.

Aus der Analyse der Sternbewegungen

senkrecht zur galaktischen Scheibe konn­

ten die Astronomen Johan Holmberg und

Chris Flynn 2004 die gesamte Massendich­

te der Scheibe (Gas, Staub und Sterne) am

Ort der Sonne bestimmen. Für die Sterne

allein ergaben sich 35 Sonnenmassen

pro Quadratparsec. Aber die meisten der

jemals in der Milchstraße gebildeten mas­

sereichen Sterne sind inzwischen schon

vergangen und haben einen Großteil ihrer

Masse in Form von Gas und Staub wieder

an die Scheibe abgegeben. Daraus sind be­

reits mehrfach wieder Sterne entstanden.

Wenn wir dies berücksichtigen, ergibt sich,

dass in der galaktischen Scheibe insge­

samt 48 Sonnenmassen pro Quadratpar­

sec in Form von Sternen gebildet wurden.

Demnach haben die offenen Sternhaufen

18/48 oder rund 40 Prozent zur Gesamt­

masse beigetragen. Für die Sonne wie für

jeden anderen Stern gilt also, dass sie mit

40 Prozent Wahrscheinlichkeit in einem –

inzwischen längst aufgelösten – offenen

Sternhaufen entstanden ist.

Und woher kommen die übrigen 60

Prozent der Sterne der Scheibe? Die Beob­

achtungen zeigen immer deutlicher, dass

Sterne nur selten allein entstehen – dem­

nach stammen diese 60 Prozent aller

Sterne vermutlich aus den 90 Prozent aller

eingebetteten Sternhaufen, die das Kin­

desalter nicht überleben.

So schließt sich der Kreis, der bei

den eingebetteten offenen Sternhaufen

begann. Die Massenfunktionen der ein­

gebetteten und der jungen offenen Stern­

haufen haben die gleiche Gestalt. Aber

während man kaum eingebettete Stern­

haufen mit mehr als 3000 Sonnenmassen

findet, gibt es umgekehrt eigentlich zu

wenige junge offene Haufen mit weniger

als 3000 Sonnenmassen. Daraus folgt, dass

massearme eingebettete Haufen schnell

zerfallen und nicht zu vergleichsweise

langlebigen, gravitativ gebundenen of­

fenen Sternhaufen werden.

Und warum sind eingebettete Haufen

mit mehr als 3000 Sonnenmassen so sel­

ten? Diese Frage haben Pavel Kroupa und

Chris Boily schon 2002 beantwortet: In

Sternhaufen mit 3000 Sonnenmassen und

mehr bilden sich viele O­ und B­Sterne, die

ihre Umgebung mit ihren Winden schnell

von Gas und Staub reinigen. NGC 3603

ist hierfür ein gutes Beispiel. Die Chance,

einen massereichen jungen Sternhaufen

zu entdecken, in dem die O­ und B­Sterne

ihre Umgebung noch nicht freigefegt ha­

ben, ist sehr gering. Wenn andererseits in

einem massearmen eingebetteten Haufen

ein massereicher Stern entsteht, so bläst er

nicht nur Gas und Staub hinweg, sondern

auch gleich den ganzen kleinen Haufen

auseinander. Auf diese Weise kommen

die restlichen 60 Prozent der Masse der

galaktischen Scheibe zu Stande. So könnte

es der Sonne also auch ergangen sein.

sIeGfrIedröser undelenaschIlbach erforschen am Astronomischen Recheninsti-tut, Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg die offenen Sternhaufen und ihre Rolle bei der Entwicklung unserer Galaxis.

literaturhinweisebastian,u.: Hipparcos, die wissen-schaftliche Ernte beginnt. In: Sterne und Weltraum 11/1997, S. 938-941burbidge,G.: Fred Hoyle – Astrophysiker, Kosmologe, Querdenker. In: Sterne und Weltraum 1/2003, S. 26-31lada,c.,lada,e.: Embedded Clusters in Molecular Clouds. In: Annual Review of Astronomy and Astrophysics 41, 2003, S. 57-115Pfau,W.: Streifzüge im Hertzsprung-Russell-Diagramm. Teil 1 in: Sterne und Weltraum 6/2006, S. 32–40, Teil 2 in: Sterne und Weltraum 11/2006, S. 45-52

Weitere Literatur im Internet:www.astronomie-heute.de/artikel/1114729

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Diese Version der Versuchssanleitung wurde 2004-2008 von ThorstenNagel erstellt, 2015-2017 von Cornelia Heinitz und ab 2017 von Tho-mas Rauch weitergeführt. Grundlage waren die früheren Anleitungenzum Versuch CCD-Kamera aus dem Fortgeschrittenenpraktikum Experi-mentalphysik von Jörn Wilms, Stefan Dreizler, Ralf Geckeler und MartinBässgen, Kommentare von Jochen L. Deetjen, sowie die Staatsexamens-arbeit von Margit Haberreiter. Ihnen allen sei für diese Vorarbeiten ge-dankt.