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Studieren in Innsbruck Dr. Cordula Schwarze Universität Innsbruck Institut für Germanistik Universität Cagliari am 12./15.04.2016 Vertextungsmuster Argumentation: Grundlagen und Anwendung in textlinguistischer und argumentationsanalytischer Perspektive

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Studieren in Innsbruck

Dr. Cordula SchwarzeUniversität InnsbruckInstitut für Germanistik Universität Cagliari am 12./15.04.2016

Vertextungsmuster Argumentation: Grundlagen und Anwendung in textlinguistischer und argumentationsanalytischer Perspektive

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„denn alle bemühen sich bis zu einem gewissen Grade, einArgument zu prüfen bzw. zu stützen sowie sich zuverteidigen oder anzuklagen. Nun tut die Mehrheit diesentweder planlos oder mit einer auf der geistigenKonstitution beruhenden Gewohnheit. Da es aber aufbeide Weisen möglich ist, so ist klar, daß es auch möglichsein muß, dies zu methodisieren; denn man kann dieUrsache untersuchen, weshalb die einen Erfolg erzielenaufgrund der Gewohnheit, die andern durch Zufall; allemöchten aber wohl zugeben, dass etwas Derartigesbereits Aufgabe einer Theorie ist.“(Aristoteles: Rhetorik, 1354a)

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Gliederung

1. Argumentation und Text: Logische, argumentationstheoretische Grundlagen

2. Wozu wird argumentiert?– Funktionen, Ziele, Rahmenbedingungen, Ausgangspunkt

Strittigkeit (Quaestio)3. Was ist ein Argument?

– Argumentmodelle, Aufbau 4. Wie finde ich gute Argumente? Handlungsschritte

praktischen Argumentierens– Topik, topisches Denken, Argumentationsschemata

5. Mündliche (im Gespräch) und schriftliche (im Text) Argumentation

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1. Argumentation und Text

• Texte mit argumentativer Textfunktion bzw. Appellfunktion, z.B.

„Der Terminus 'Textfunktion' bezeichnet die im Text mit bestimmten, konventionell geltenden, d. h. in der Kommunikationsgemeinschaft verbindlich festgelegten Mitteln ausgedrückte Kommunikationsabsicht des Emittenten.“ Brinker 1992

– Werbung– Kommentar– Essay (wissenschaftliche Textproduktion)– Antrag

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1. Argumentation und Text: Vertextungsmuster

• Vertextungsmuster/Themenentfaltung :– deskriptive Texte (informieren)– narrative Texte (unterhalten/erzählen)– explikative Texte (erklären)– argumentative Texte (überzeugen/überreden)

• folgt der Logik des Arguments • abwägendes und auf Schlussfolgerungen zielendes

Miteinander-in-Beziehung-Setzen zur Begründung von Behauptungen

• vgl. „Vertextungsmuster Argumentation: Logische Grundlagen.“Eggs, Ekkehard (2000)

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2. Funktionen und Ziele des Argumentierens

• Funktionen des Argumentierens– gewaltfreie Konfliktlösung, Konfliktbearbeitung– Ermöglichung von Meinungsbildung und gesellschaftlicher Partizipation– soziale Selbstbehauptung– Herstellung eines rational motivierten Einverständnisses – Wissenschaft: Erkenntnisgewinn, Erkenntnisdiskussion

• Ziele des Argumentierenden– um jemanden von einer Meinung zu überzeugen– um eine (aus eigener Perspektive) falsche Meinung anzugreifen und zu

widerlegen– um die eigene Meinung oder die Berechtigung einer Forderung zu

rechtfertigen oder zu verdeutlichen– um zum Handeln aufzurufen– um etwas Strittiges zu klären – um eine Position zu verdeutlichen

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2. Ergebnisse des Argumentierens

• Konsens• begründeter Dissens• Klärung der Positionen• Erkenntnisgewinn: klüger sein

Argumentation „im Feld des Rhetorischen“ (Chaim Perelman) ist gerichtet auf zukünftiges Handeln oder Denken, deshalb kann das Ergebnis einer Argumentation nicht richtig oder falsch sein, sondern es ist mehr oder weniger wahrscheinlich.

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2. Voraussetzungen für das Gelingen von Argumentieren

• (gemeinsame) Argumentationsbasis– geteilte Normen, Werte, gemeinsames Wissen über die Welt,

Fachwissen– Kenntnisse der Logik sowie Argumentationstechniken– Anerkennen des Argumentierens als Verfahren der

Konfliktlösung und des Erkenntnisgewinns

• Argumentationsbereitschaft (auf beiden Seiten)– (aktives) Zuhören, Nachfragen, faire

Argumentationsstrategien– Kooperative Grundeinstellung

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2. Ausgangspunkt des Argumentierens: Strittigkeit

• Ausgangspunkt: Es gibt eine quaestio (eine Streitfrage)• strittig = der Geltungsanspruch einer Meinung, Notwendigkeit

einer Handlung wird bestritten von einer der beteiligten Seiten• Strittiges kann manifest (z. B. in Gesprächen) sein oder antizipiert

(z. B.: in Reden)• methodischer Weg, um Strittigkeit festzustellen: Lehre vom

„Streitstand“ – Fragen stellen an die Quaestio (= Was ist passiert, Wie ist es passiert,

Hätte es anders sein können, Wurde richtig gehandelt… usw.)– Nacherzählung des strittigen „Falles“

• Strittigkeit als Konzept ist ergebnisoffen• Festlegung auf Rechtfertigung / Widerlegung (Pro / Contra) ist

eine Positionsentscheidung des Argumentierenden

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3. Argumentbegriff

• Argumentation ist nicht das Aneinanderreihen von Behauptungen / Sätzen

• erst die spezifische Verknüpfung macht es zu einem Argument– = weil, da, denn, doch, als ( verweisen auf Prämissen) – = folglich, daher, deshalb, falls, obwohl, also (auf Konklusion)

Argument: • „sprachlicher Ausdruck reflektierter Übergänge von

Prämissen zu Konklusionen“ (Ueding 1996)• „etwas (Unsicheres) wird mittels eines anderen

(Sicheren) begründet“ (Kopperschmidt 2000)

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Begründung (folglich, daher, deshalb, also →) Behauptung (deskriptiv) Erklärung Forderung (normativ) (Prämissen) (← weil, da, denn, doch, als) (Konklusion)

Schlussprinzip, Schlussregel, Argumentschema, Topos(Doppelfunktion: generiert als Themenreservoir die Begründungen und sichert den formalen Zusammenhang des Arguments) (vgl. Schwarze 2010)

Beispiel:(Hilfsfrage: Warum?)

Sokrates ist ein Mensch. Sokrates ist sterblich.

Alle Menschen sind sterblich.(Topos aus Gattung und Art)

3. Modell eines Arguments

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3. Basis: Der Syllogismus

Beispiel:Alle Menschen sind sterblich. (= Oberprämisse, Maior)Sokrates ist ein Mensch. (= Unterprämisse, Minor)Deshalb ist Sokrates sterblich. (= Konklusion)

• schlussfolgerndes Prinzip hier: Deduktion (= vom Allgemeinen zum Besonderen)

• Gegenstück: Induktion (= von vielen Einzelfällen, dem Besonderen, abstrahieren auf ein allgemeines Prinzip)

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Argumentationsmodell nach Toulmin Ausnahmebedingung (AB) (Wenn nicht…) Daten (D) Konklusion (K) (Deshalb…) Schlussregel (SR) (Wegen…) Stützung (S) (Aufgrund von…)

Harry wurde auf den Bermudas geboren. Harry ist britischer

Staatsbürger.

Seine Eltern waren Ausländer/ er wurde in den USA eingebürgert...

Wer auf den Bermudas geboren wurde, ist im allgemeinen britischer Staatsangehöriger.

Dies gilt aufgrund folgender Gesetze und Vorkehrungen…

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4. Handlungsschritte des praktischen Argumentierens

1. Behauptung / Forderung aufstellen2. Quaestio präzisieren3. Topik anwenden (topisches Denken)

– Begründungen suchen – Topoi als Suchmuster anwenden

4. Argumente bauen und prüfen– logisch korrekt?– inhaltlich sinnvoll?

5. Argumente beurteilen– gute Argumente?– stichhaltige Argumente?

6. Widerlegungen entwerfen (! gute Vorbereitung auf die Durchführung des Argumentierens)

7. Kommunikativen Kontext herstellen: Argumente in Rede, Gespräch oder Text einbetten

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Peter ist ein guter Geiger.

1. Peter hat von Paganini gelernt.2. Peter hat in der ganzen Welt

gespielt.3. Peter hat mit den besten

Orchestern der Welt gespielt.4. Peter war auf dem

Konservatorium.5. Peter hat 10 Jahre lang Violine

studiert.6. Peter spielt jeden Tag, er

praktiziert es fließend.7. Peter mag Geige spielen.

weil

?

Übung: a) Gegeben ist die Schlussfolgerung, gesucht werden sollen zunächst verschiedene passende Begründungen.

deshalb

Strittig: Peters Qualität als Geiger

Übung: vgl. Schwarze/Bose 2013

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Peter ist ein guter Geiger.

1. Peter hat von Paganini gelernt.2. Peter hat in der ganzen Welt

gespielt.3. Peter hat mit den besten

Orchestern der Welt gespielt.4. Peter war auf dem

Konservatorium.5. Peter hat 10 Jahre lang Violine

studiert.6. Peter spielt jeden Tag, er

praktiziert es fließend.7. Peter mag Geige spielen.

weil

Übung:b) Rekonstruktion des Topos aus dem Begründungs-Schlussfolgerungskomplex.

deshalb

1. Wer einen guten Lehrer hatte, kann etwas sehr gut. (Topos aus der Autorität)

2. ?, Topos aus der Autorität3. ?, Topos aus der Autorität4. ?, Topos aus der Autorität5. Wer 10 Jahre studiert, kann es gut. Topos

aus Grund und Folge (Grund: etwas jeden Tag machen, Folge: es (gut?) können)

6. Topos aus Grund und Folge (Grund: etwas jeden Tag machen, Folge: es (gut?) können)

7. ?, ein Argument?

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4. Wie finde ich Begründungen?: Die Topik

• Ausgangspunkt des Argumentierens: Strittigkeit (Quaestio)• Systematische Suche: Topisches Denken (Topos (griech.) = Ort),

eine spezifische Art des Problemdenkens– Arbeitsschritt der Inventio (Phase der Findung und Erfindung des

Materials)– von topos (griech.) Ort, der ein sedes argumentorum (lat.) ist = der Ort als

Sitz der Argumente – Topik = systematisches Suchverfahren für gute Argumente, bei dem

jegliches Strittige nach bestimmten herstellbaren Bezügen abgeprüft wird

„Gehen wir nun den Stellen nach, wo diese Beweise zu finden sind. [...]Stellen, wo die Beweise ihren Sitz haben, wo sie sich verbergen und man sie suchen muss. Denn wie nicht in jedem Land alles gedeiht undman wohl Vögel oder Wild kaum auffinden wird, wenn man nicht weiß, wo sie gewöhnlich vorkommen und sich aufhalten [...], so kommt auch nicht jeder Beweis von jeder beliebigen Stelle, und man darf ihn deshalb nicht überall suchen.“ (Quintilian, Institutio oratoria,V,10,20)

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4. Fragen, die bei der systematischen Suche nach Argumenten helfen

1. Womit lassen sich inhaltliche Bestandteile der These vergleichen? Bestehen Ähnlichkeiten und Unterschiede?

2. Welche Ursachen oder Wirkungen bzw. Gründe oder Folgen des behaupteten Sachverhalts stützen oder widerlegen die These?

3. Welche positiven oder negativen Folgen oder Ziele hat die in der These formulierte Position?

4. Welche Analogien stützen oder widerlegen die These? 5. Welche Autoritäten stützen oder widerlegen die These? 6. Aus welchen Beispielen lässt sich die These verallgemeinernd ableiten oder

widerlegen? 7. Wozu steht die These im Gegensatz? Welche Alternativen sind denkbar? 8. Liefert die Definition zentraler Ausdrücke in der These Gründe? 9. Lassen sich zentrale Ausdrücke in die Beziehung von Art und Gattung (= Über-

und Unterordnung) oder Teil und Ganzes einordnen?10. Lassen sich aus der Beschreibung der beteiligten

Personen Argumente pro oder contra entwickeln? (vgl. Kienpointner 1996)

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?weil

Übung: Schritt 1: Argumente bauen unter Nutzung der TopikSchritt 2: Argumente widerlegen (Königsweg: Ansetzen am verwendeten Topos)

deshalb

• Vergleiche• Ursache-Wirkung/Grund-Folge• Beispiele• Gegensätze• positive Folgen oder Ziele• Definition zentraler Begriffe• Einordung (Teil-Ganzes, Art-Gattung)

Gegeben ist die Streitfrage: Wer bringt den Müll runter?

Die Streitfrage muss umformuliert werden in eine These oder Forderung, damit sie begründbar wird:

These (deskriptiv): Du bringst nie den Müll runter!Forderung (normativ): Bring jetzt sofort den Müll runter!

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5. Argumentieren im Text

„Die Hamburger Justizbehörde hält ‚Gesundheitsräume‘ dann für rechtlich zulässig, wenn in solchen Einrichtungen die medizinische und soziale Betreuung der Abhängigen im Vordergrund steht. Dreh- und Angelpunkt der Hamburger Argumentation ist der Umstand, dass zwar der Besitz, nicht aber der Konsum von Drogen strafbar ist.“

Vorhaben stimmt mit Gesetzen überein, deshalb ist das Vorhaben zulässig

[q] [p]

Oder: p gilt, weil q gilt.

Strittig: Zulässigkeit von Gesundheitsräumen

ALSO: etwas (Unsicheres) wird mittels eines anderen (Sicheren) begründet Argumente begründen Geltungsanspruch einer Aussage durch Behauptung einer Geltungsbeziehung zwischen ihr und der anderen Aussage. Die Anerkennung der einen Aussage zieht die Anerkennung der anderen nach sich. (vgl. Kopperschmidt 2000)

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„Herr Bundeskanzler, ich werde mich an dieser Abstimmung nicht beteiligen. Was hier abläuft, ist ein inszeniertes, ein absurdes Geschehen. Die Ereignisse der letzten Woche und die heutige Debatte haben mich trotz staatsmännischer Rede nicht überzeugt. Hier läuft eine fingierte oder, wie die Juristen sagen, eine unechte Vertrauensfrage.“ (MdB Werner Schulz, Grüne)

Übung: Wie ist der formale Aufbau des Arguments?

Schlussfolgerung: Diese Vertrauensfrage ist unecht. Begründung: Ich beteilige mich nicht an dieser Abstimmung.

Schlussfolgerung: Die Vertrauensfrage ist unecht. Begründung: Die Ereignisse der letzten Woche haben mich nicht überzeugt.

Schlussfolgerung: Ich beteilige mich nicht an dieser Abstimmung. Begründung: Diese Vertrauensfrage ist unecht.

Schlussfolgerung: Die Ereignisse der letzten Woche haben mich nicht überzeugt. Begründung: Ich beteilige mich nicht an dieser Abstimmung.

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5. Argumentieren zwischen Text und (Politischer) Rede: Vergleichsargumentation

Wichtig ist auch – das möchte ich abschließend erwähnen –, dass unserekleinbäuerlichen Strukturen in den alpinen Gebieten, was die Milchproduktionbetrifft, bei Weitem nicht mit den Betrieben in Deutschland, in denNiederlanden, im Flachland zu vergleichen sind. Daher ist es auch notwendig, inÖsterreich im Bereich der Milchwirtschaft das Europa der Regionen zu stärken.(21, 216f)

Zugrundeliegendes Schema: • Wenn Deutschland und Österreich hinsichtlich eines bestimmten

Kriteriums gleich/ähnlich sind, dann ist Österreich (bzw. die österreichische Politik) positiv zu bewerten bzw. zu behandeln.

• Wenn Deutschland und Österreich hinsichtlich eines bestimmten Kriteriums unterschiedlich sind, dann ist Österreich (bzw. die österreichische Politik) entweder positiv oder negativ zu bewerten bzw. zu behandeln.

bestimmtes Kriterium des Vergleichs (sog. „tertium comparationis“): Strukturen der Milchwirtschaft

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Literatur• Bartsch, Tim C. / Hoppmann, Markus / Rex, Bernd F. / Vergeest, Markus (2005): Trainingsbuch Rhetorik. Paderborn.• Eggs, Ekkehard (2000): Vertextungsmuster Argumentation: Logische Grundlagen. In: Brinker, Klaus; Antos, Gerd; Heinemann,

Wolfgang; Sager, Sven F. (Hrsg.): Text- und Gesprächslinguistik. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. 1.Halbband. Berlin, S. 397-414.

• Händel, Daniel / Kresimon, Andrea / Schneider, Jost (2007): Schlüsselkompetenzen: Reden – Argumentieren – Überzeugen. Weimar: Metzler.

• Herrmann, Markus / Hoppmann, Michael / Stölzgen, Karsten / Taraman, Jasmin (2011): Schlüsselkompetenz Argumentation. Paderborn: Schöningh.

• Aristoteles (41993): Rhetorik. Übersetzt, mit einer Bibliographie, Erläuterungen und einem Nachwort von Franz G. Sieveke. München.

• Kienpointner, Manfred (1996): Vernünftig argumentieren. Reinbek: Rowohlt. • Kopperschmidt, Josef (2000): Argumentationstheorie zur Einführung. Hamburg: Junius.• Mayer, Heike (2007): Rhetorische Kompetenz. Grundlagen und Anwendung. Schöningh.• Pabst-Weinschenk, Marita (2004) (Hg.): Grundlagen der Sprechwissenschaft und Sprecherziehung. München: Reinhardt.• Perelman, Chaim / Lucie Olbrechts-Tyteca (2004): Die neue Rhetorik. Eine Abhandlung über das Argumentieren. Herausgegeben

und übersetzt von Josef Kopperschmidt und Freyr R. Varwig. Stuttgart: frommann-holzboog.• Quintilianus, Marcus Fabius: Institutio oratoria. Ausbildung des Redners: zwölf Bücher. Hrsg. und übersetzt von Helmut Rahn,

(31995), Darmstadt. • Schwarze, Cordula (2010): Formen und Funktionen von Topoi im Gespräch. Frankfurt a. M.: Peter Lang.• Schwarze, Cordula (2012): Entwicklung der mündlichen Interaktionskompetenz am Beispiel des Argumentierens. In:

„Ausgesprochen unerhört“. Vom Hören, Sprechen und Klingen der deutschen Sprache. ÖDaF-Mitteilungen. Hrsg.: Österreichischer Verband für Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache, Heft 1/2012, S. 45-52.

• Schwarze, Cordula / Bose, Ines (2013): Mündliche Rhetorik im DaF-Unterricht. Zur Vermittlung von Gesprächs- und Redekompetenz. In: Deutsch als Fremdsprache. Zeitschrift zur Theorie und Praxis des Faches Deutsch als Fremdsprache. Heft 2/2013, S. 74-84.

• Ueding, Gert / Bernd Steinbrink (42005): Grundriss der Rhetorik: Geschichte, Technik, Methode. Stuttgart: Metzler.