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Verzögertes Erwachen nach operativen Eingriffen in Allgemeinanästhesie beim Erwachsenen (Abb. 1) Sarah Stettler Anästhesie Kantonspital Aarau Birmenstorf, 19. Dezember 2014 Diplomarbeit im Rahmen des Nachdiplomstudiums HF Aargauische Fachschule für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege

Verzögertes Erwachen nach operativen Eingriffen in ... · Durch die Anwendung der Aldrete Score und Glasgow Coma Scale können Vigilanz und Vitalfunktionen der Patienten objektiv

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Verzögertes Erwachen nach operativen Eingriffen in Allgemeinanästhesie beim Erwachsenen

(Abb. 1)

Sarah Stettler

Anästhesie Kantonspital Aarau

Birmenstorf, 19. Dezember 2014

Diplomarbeit im Rahmen des Nachdiplomstudiums HF

Aargauische Fachschule für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege

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Sarah Stettler

Vermerk

Diese Arbeit wurde im Rahmen des Nachdiplomstudiums an der Aargauischen Fach- schule für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege der beiden Kantonsspitäler Aarau AG und Baden AG verfasst.

Anmerkung der Autorin

Da die durchgängige Verwendung der femininen und maskulinen Schreibweise die Lesbarkeit des Textes erheblich erschweren würde, wird in dieser Arbeit nur eine Form oder ein neutraler Begriff verwendet, gemeint sind dabei aber jeweils beide Geschlechter.

Deklaration

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe. Ich erkläre, dass ich keine andern als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.

Alle ausgedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentli-chen Inhalt übernommenen Formulierungen sind durch genaue Quellen- angaben gekennzeichnet.

Ort, Datum: _________________________ Unterschrift: ___________________

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I. Vorwort und Danksagung

Die vorliegende Diplomarbeit bildet den Abschluss des Nachdiplomstudiums Dipl. Expertin/Experte Anästhesiepflege NDS HF an der Aargauischen Fachschule für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege.

Die Arbeit richtet sich hauptsächlich an Anästhesiefachpersonal und Pflegefachper-sonen im Aufwachraum. Sie soll gewinnbringende Denkanstösse und klärende In-formationen im Umgang mit Patienten mit anhaltender Bewusstlosigkeit und verzö-gertem Erwachen nach einer Allgemeinanästhesie liefern.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Personen bedanken, die mich bei dieser Diplomarbeit unterstützt haben:

Herzlichen Dank meinem Tutor Markus Gautschi für die Unterstützung beim Erarbei-ten dieser Diplomarbeit. Des Weiteren danke ich Hans Utz für die Hilfe beim Forma-tieren der Arbeit.

II. Zusammenfassung

Die Ursachen für verzögertes Erwachen, Bewusstseinseinschränkungen oder Reak-tionslosigkeit in der frühen postoperativen Phase sind vielfältig:

Meist beruhen die Symptome auf einer anhaltenden Wirkung von Prämedikations-substanzen oder während der Anästhesie verabreichten Pharmaka. Durch Überdo-sierung, erhöhte Empfindlichkeit, Umverteilung oder Interaktion mit anderen Medika-menten kann es zu einem Überhang an Opiaten, Benzodiazepinen, Muskelrelaxan-tien, intravenösen oder volatilen Anästhetika kommen. Erkrankungen der Leber und Niere können ebenfalls zu einer verlängerten Medikamentenwirkung führen. Auf-grund der verzögerten Elimination und verminderter Proteinbindung von Pharmaka kann das Erwachen aus einer Narkose negativ beeinflusst werden. Differentialdiag-nostisch muss auch an die Möglichkeit einer abnormen Reaktion auf zentral wirkende Pharmaka, im Sinne eines Zentralen Anticholinergen Syndroms (ZAS), gedacht wer-den.

Im Zusammenhang mit einer Narkose auftretende Homöostasestörungen können den Aufwachzeitpunkt ebenfalls hinauszögern. Dies gilt nicht nur für respiratorische Faktoren wie Hypoxie, sondern auch für eine Hypo- und Hyperkapnie aufgrund einer unbeabsichtigten intraoperativen Hyper- oder Hypoventilation. Daraus resultierende Veränderungen des pH-Wertes verursachen eine direkte zerebrale Dämpfung und Durchblutungsminderung des Gehirns. Inadvertente perioperative Hypothermie oder zerebrale Durchblutungsstörungen aufgrund einer intraoperativen arteriellen Hypoto-nie werden ebenfalls als Auslöser beschrieben. Des Weiteren sollten metabolische Faktoren wie Beeinträchtigungen des Elektrolythaushaltes und des Glukosestoff-wechsels in Erwägung gezogen werden. Störungen des Natrium-, Kalzium-, Magne-sium- und Glukosehaushaltes erzeugen oft enzephalopathische Syndrome und kön-nen sich somit auf die Aufwachzeit aus der Narkose auswirken.

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Scheiden die bis anhin genannten Möglichkeiten aus, müssen im nächsten Schritt neurologische Komplikationen als Folge einer hypoxisch-ischämischen Hirnschädi-gung, zerebralen Embolie oder intrakraniellen Blutung in Betracht gezogen werden.

Durch die Anwendung der Aldrete Score und Glasgow Coma Scale können Vigilanz und Vitalfunktionen der Patienten objektiv eingeschätzt und somit eine adäquate Be-urteilung bezüglich der postoperativen Erholung vollzogen werden. Da sich Störun-gen des Bewusstseinszustandes negativ auf die Befindlichkeit der betroffenen Pati-enten auswirken, ist es von grosser Wichtigkeit, Orientierung und Bewusstsein durch pflegerische Massnahmen zu fördern.

Aus den Erkenntnissen meiner Arbeit habe ich eine Checkliste gefertigt. Sie soll eine mögliche Vorgehensweise aufzeigen und Denkanstösse zur Ursachenklärung vermit-teln.

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Inhaltsverzeichnis

I. Vorwort und Danksagung ........................................................................................ 2

II. Zusammenfassung .................................................................................................. 2

1. Einleitung 5

1.1 Begründung und persönliche Motivation der Themenwahl ......................................... 5

1.2 Fragestellungen .......................................................................................................... 5

1.3 Zielsetzungen ............................................................................................................. 5

1.4 Methodik und Aufbau der Arbeit ................................................................................. 6

2. Hauptteil 7

2.1 Fallbeispiel .................................................................................................................. 7

2.2 Verlängerte Medikamentenwirkungen ......................................................................... 9

2.2.1 Opiatüberhang ................................................................................................ 9 2.2.2 Überhang an intravenösen Anästhetika ........................................................ 10 2.2.3 Überhang an Inhalationsanästhetika ............................................................. 11 2.2.4 Relaxantienüberhang .................................................................................... 11 2.2.5 Leber- und Nierenerkrankungen ................................................................... 11 2.2.6 Zentrales anticholinerges Syndrom (ZAS)..................................................... 12

2.3 Homöostasestörungen .............................................................................................. 14

2.3.1 Störungen der Atemfunktion ......................................................................... 14 2.3.2 Störungen des Elektrolythaushaltes und Glukosestoffwechsels .................... 15 2.3.3 Arterielle Hypotonie ....................................................................................... 18 2.3.4 Inadvertente Hypothermie ............................................................................. 18

2.4 Hirnorganische Ursachen ......................................................................................... 21

2.4.1 Fettembolie und Fettembolie-Syndrom ......................................................... 21

2.5 Messinstrumente ...................................................................................................... 24

2.5.1 Aldrete Score ................................................................................................ 24 2.5.2 Glasgow Coma Scale (GCS) ........................................................................ 25

2.6 Orientierung und Bewusstsein fördern ...................................................................... 26

2.7 Checkliste ................................................................................................................. 27

3. Schlussteil 28

3.1 Beantwortung der Fragestellungen und gewonnene Erkenntnisse ........................... 28

3.2 Reflexion des persönlichen Lernprozesses und der eigenen Rolle ........................... 29

4. Literaturverzeichnis 30

5. Anhang 32

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1. Einleitung

Postoperative Frühkomplikationen besitzen einen hohen Stellenwert in der alltägli-chen Arbeit als Anästhesiefachperson. Um mich intensiv mit dieser Thematik aus- einandersetzen zu können, habe ich mich entschlossen, meine Diplomarbeit einem dieser Probleme zu widmen.

In meiner Arbeit befasse ich mich daher mit der Problematik des verzögerten Erwa-chens aus einer Allgemeinanästhesie beim Erwachsenen.

1.1 Begründung und persönliche Motivation der Themenwahl

Im täglichen Einsatz als Studierende auf der Anästhesie und während meines Prakti-kums im Aufwachraum habe ich erlebt, dass einige Patienten eine längere Aufwach-zeit als gewöhnlich benötigten. Dies charakterisierte sich durch eine starke Schläfrig-keit und eine motorische Hypoaktivität. Die daraus folgende Problematik bestand für mich unter anderem darin, dass die subjektive Befindlichkeit der Patienten nur schwer zu beurteilen und damit der Stand des Erholungsprozesses nicht einschätz-bar war. Auch war mir nicht vollumfänglich klar, wie viele Faktoren zu einem verzö-gerten Erwachen beitragen können und welche Ursachen über einen Anästhetika-überhang hinaus zusätzlich in Betracht gezogen werden müssen.

Aufgrund dieser Erfahrungen habe ich mich dazu entschlossen, mehr über die Ursa-chen und Vorgehensweise bei der Problematik des verzögerten Erwachens erfahren zu wollen.

Ich bin der Ansicht, dass diese Thematik eine hohe Relevanz für die postoperative Betreuung der Patienten unmittelbar nach der Ausleitung und im Aufwachraum, aber auch während der intraoperativen Anästhesieführung besitzt.

1.2 Fragestellungen

Die Kernfrage meiner Diplomarbeit lautet:

Welche Ursachen können zu einer verlängerten Aufwachzeit nach operativen Eingrif-fen bei Erwachsenen führen?

Weiter möchte ich folgende Leitfragen klären:

- Welche Faktoren begünstigen eine verlängerte Anästhetikumwirkung und wieso? - Welche respiratorischen und metabolischen Störungen wirken sich auf das Erwa-

chen aus und warum? - Wie entstand die neurologische Komplikation des im Fallbeispiel erwähnten Pati-

enten? - Wie gehe ich bei einem Patienten vor, der nicht aus der Narkose erwachen will? - Welche Hilfsmittel gibt es zur Einschätzung der Bewusstseinstrübung? - Gibt es pflegerische Massnahmen, um das Bewusstsein und die Orientierung zu

fördern?

1.3 Zielsetzungen

Durch die Auseinandersetzung mit diesem Thema besteht mein persönliches Ziel einerseits darin, meine Wissenslücken bezüglich dieser Problematik zu schliessen und andererseits den Lesern Erkenntnisse, Konsequenzen und mögliche Vorgehens-

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weisen aufzeigen zu können. Ich bin der Ansicht, dies aufgrund einer fundierten Be-arbeitung der Kern- und Leitfragen adäquat erreichen zu können.

Zusätzlich möchte ich einen Leitfaden erarbeiten, der eine sinnvolle Hilfestellung im Umgang mit Patienten mit anhaltender Bewusstlosigkeit und verzögertem Erwachen darstellt. Dieser soll mögliche Denkanstösse in der Ursachenklärung vermitteln.

1.4 Methodik und Aufbau der Arbeit

Die Beantwortung meiner Kern- und Leitfragen ergibt sich hauptsächlich durch die Bearbeitung verschiedenster Fachliteratur aus Bücher, Unterrichtskripten, Zeitschrif-tenartikel und Studien. Neu gewonnene theoretische Aspekte liess ich in die Analyse eines persönlich erlebten Fallbeispiels einfliessen und versuche somit, eine Brücke zwischen Theorie und Praxis zu schaffen.

Meine Arbeit gliedert sich in folgende drei Hauptkapitel: Einleitung, Haupt- und Schlussteil.

In der Einleitung werden die Beweggründe zur Themenwahl, Fragestellungen und Zielsetzungen thematisiert. Der Hauptteil stützt sich auf die Beantwortung der Frage-stellungen und befasst sich mit der eigentlichen Thematik. Meine Erkenntnisse, Kon-sequenzen und Reflexionen der Arbeit handle ich im Schlussteil ab.

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2. Hauptteil

2.1 Fallbeispiel

Mein Fallbeispiel beschreibt einen 82-Jährigen Patienten, der zur elektiven Total- endoprothese des Kniegelenks (Knie-TEP) aufgeboten wird. Vorbestehend sind eine chronische venöse Insuffizienz, eine Kardiomyopathie sowie ein dementielles Syn-drom bekannt.

Intraoperativer Verlauf

Der intraoperative Verlauf zeigt sich nach einer problemlosen Einleitung zunächst unauffällig. Doch kurz nach dem Einbringen des Knochenzementes wird der Patient plötzlich hypoton, worauf mit sofortiger Ephedringabe reagiert wird. Der Druck nor-malisiert sich für einen kurzen Moment, fällt dann aber weiter ab, wobei er durch den Einsatz von Phenylephrin wieder stabilisiert werden kann. Kurz darauf zeigt das EKG eine supraventrikuläre Tachykardie von 108 Schlägen pro Minute, welche jedoch mit einer einmaligen Gabe von Esmolol durchbrochen werden kann. Die Ausleitung ver-läuft problemlos, worauf der Patient kreislaufstabil, suffizient atmend und weckbar in den Aufwachraum verlegt wird.

Frühe postoperative Phase im Aufwachraum

Übernahme eines sehr schläfrigen und leicht entsättigten Patienten aus dem Opera-tionssaal. Nach Sauerstoffgabe zunächst stabiler Verlauf. Nachmittags zeigt sich im EKG eine leichte ST-Streckenveränderung, worauf eine 12-Ableitungs-EKG ge-schrieben und die Herzenzyme abgenommen werden, aber keine grösseren Auffäl-ligkeiten festgestellt werden können. Im weiteren Verlauf fällt der Patienten in eine einmalige kurze Episode eines Vorhofflimmerns, dieses aber spontan in den Sinus-rhytmus konvertiert. Aufgrund des noch immer eingeschränkten Bewusstseinszu-standes, wird mit einfachen Mitteln versucht, Orientierung und Bewusstsein des Pati-enten zu fördern. Doch auch der Einsatz von patienteneigenen Hilfsmittel wie Brille oder Hörgerät bringen keine Verbesserung.

Nachbetreuung auf der Intensivstation

Bei weiterbestehenden unklarer Vigilanzminderung wird der Patient auf die Intensiv-station verlegt. Im weiteren Verlauf wird eine Computertomographie des Schädels, eine Duplex-Sonographie der Hirngefässe sowie ein EEG durchgeführt, wobei sich aber keine Erklärung des Zustandbildes zeigt. Auch der Versuch einer Anticholi-umgabe bei dem Verdacht eines anticholinergen Syndroms bleibt ohne Erfolg. Auf-grund der differentialdiagnostischen Möglichkeit eines zerebralen Fettembolie-Syndroms wird eine Magnetresonanztomographie veranlasst, welche den Verdacht multipler zerebraler Fettembolien bestätigt. Die Funduskopie weist erstaunlicher-weise keine Auffälligkeiten auf.

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Weiterführendes Prozedere

Der Zustand des Patienten verbessert sich auch in den darauffolgenden Tagen nicht wesentlich. In Rücksprache mit dem Operateur und den Angehörigen entscheidet man sich aufgrund fehlender Therapieoptionen, zur Therapiezieländerung und Verle-gung des Patienten in ein Hospiz.

Während der vertieften Analyse der oben beschriebenen Patientensituation, stellten sich mir zusätzliche Überlegungen und Fragen:

- Bestand beim Patienten ein persistierendes Foramen ovale?

- Weshalb traten beim Ereignis keine pulmonalen Komplikationen auf?

- Warum liessen sich in der durchgeführten Fundoskopie keine Auffälligkeiten fin-den?

Anmerkung:

Im Anhang befinden sich Anamnese, Anästhesie- und Aufwachraumprotokoll, sowie MRI-Bildgebung.

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2.2 Verlängerte Medikamentenwirkungen

2.2.1 Opiatüberhang

Die während einer Narkose zugeführten Opiate können zu einer Dämpfung in der postoperativen Phase führen. Dies zeigt sich in einer anhaltenden Bewusstlosigkeit und Atemdepression, womit die Aufwachzeit erheblich verzögert werden kann (Rein-hard Larsen, 2013). „Die zentral ausgelöste Atemdepression beruht auf einer Hem-mung der atemregulatorischen Zentren mit verminderter Ansprechbarkeit auf den Kohlesäurepartialdruck des Blutes.“ ( Enno Freye, 2009, Seite 62). Die betroffenen Patienten weisen meist ein charakteristisches Atemmuster auf, welches von Brady-noe über Befehlsatmung bis hin zur Apnoe reichen. Zusätzlich stecknadelkopfgrosse Pupillen vervollständigen das Bild eines typisch opiatinduzierten Überhanges (Reinhard Larsen, 2013).

Weisen nebst charakteristischer Klinik auch Dosis und Zeitpunkt der verabreich-ten Opiate auf einen Überhang hin, so kann durch Injektion eines Opiatantago-nisten die Diagnose gesichert werden. Der Erfolg zeigt sich in einem raschen und vollständigen Erwachen des Patien-ten. Der Opiatantagonist soll dabei im-mer titrierend injiziert werden, um über-schiessende Kreislaufreaktionen und ein jähes Aufwachen zu vermeiden (Rein-hard Larsen, 2013). Opioidwirkungen lassen sich mit reinen Antagonisten wie Naloxon ganz oder mit gemischtwirkenden Agonist-Antagonisten wie Nalbuphin teilweise aufheben. Bei der Anwendung von Na-loxon besteht jedoch die Gefahr, dass auch die analgetische Wirkung aufgeho-ben wird. Nalbuphin hingegen wirkt als Antagonist am μ- (Mü) und gleichzeitig als Agonist am κ- (Kappa) Opioidrezep-tor. So kann die opioidbedingte Atem-depression unter Beibehaltung einer analgetischen Wirkung aufhoben werden (Norbert Roewer, Holger Thiel & Christi-an Wunder, 2012).

(Abb. 2)

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Zusätzlich sollten folgende Punkte beachtet werden:

Nach Abklingen der Antagonistenwirkung besteht die Gefahr, dass die Atemdepres-sion und Bewusstseinseinschränkungen wieder zurückkehren. Das Risiko des so genannten Rebound-Phänomens besteht vor allem dann, wenn während der Anäs-thesie sehr hohe Dosen an langwirksamen Opiaten verabreicht wurden. In diesem Fall ist es sicherer, auf die Antagonisierung zu verzichten und abzuwarten, bis die Wirkung der Opiate von selbst abgeklungen ist. Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, die Atemwege bis zum Einsetzten einer suffizienten Spontanatmung freizu-halten (Reinhard Larsen, 2013).

2.2.2 Überhang an intravenösen Anästhetika

Die für die Einleitung oder Aufrechterhaltung der Narkose verwendeten intravenösen Anästhetika wie Thiopental und Propofol, können ebenfalls zur postoperativen Reak-tionslosigkeit führen. Diese Gefahr besteht vor allem dann, wenn kurz vor Narkose-ende ein Bolus injiziert oder höhere Dosen über einen längeren Zeitraum infundiert wurden (Reinhard Larsen, 2013). Über den ursächlichen Mechanismus findet sich in der Literatur folgendes: Der rasche Wirkungsverlust von Thiopental beruht auf einem starken Konzentrationsabfall aufgrund eines Umverteilungsphänomens ins Fettge-webe. Diffundiert Thiopental entsprechend dem Konzentrationsgradienten wieder ins Blut zurück, kann dies der Grund für eine längere postoperative Sedierung sein (Hans Walter Striebel, 2009).

Bei der Recherche bezüglich der immer wieder diskutierten verlängerten Aufwachzeit bei der Verwendung von Propofol bei adipösen Patienten, bin ich auf folgenden inte-ressanten Artikel gestossen:

„Die initiale Verteilung von Propofol ist bei Adipösen nicht verändert. Ein Vergleich zwischen adipösen und nicht-adipösen Patienten zeigt, dass die Verteilung und die Elimination eng mit dem Körperwasser verbunden ist. Obwohl aufgrund der Lipophile eine Akkumulation vermutet werden kann, ist sie praktisch nicht nachzuweisen. Die Eliminations-Halbwertszeit ist nicht verändert.“ (A. Meissner, 2008).

Des Weiteren sollte daran gedacht werden, dass auch die zusätzliche Gabe von Benzodiazepinen zur Prämedikation, sowie die Injektion während der Operation, das Erwachen aus einer Narkose verzögern kann. Die zentral dämpfende Wirkung der Benzodiazepine kann aber durch die Gabe von Flumazenil (= Anexate) antagonisiert werden. 0.1-0.2 mg-weise eintitriert wird die Sedation, Bewusstlosigkeit, Atem-depression und psychomotorische Wirkungen innerhalb weniger Minuten aufgeho-ben. Mit der Verwendung eines kurzwirksamen Benzodiazepins und dessen rechtzei-tiger Gabe, kann diese Komplikation aber meist vermieden werden (Reinhard Larsen, 2013).

Um einer allzu tiefen Narkose und einer daraus resultierenden verlängerten Auf-wachzeit entgegenzuwirken, besteht heute die Möglichkeit, den Bewusstseins-zustand mit Hilfe des Bispectral Index (BIS) zu überwachen. Der BIS beschreibt die Korrelation zwischen EEG-Mustern und Hypnose und kann so unterstützend zur Überwachung der Wirkungen bestimmter Anästhetika verwendet werden. Als mögli-che Vorteile werden unter anderem eine rationalere Auswahl der zu verwendeten Substanzen, bessere Dosierbarkeit der Anästhetika und rascheres Erwachen aus der Narkose beschrieben (Reinhard Larsen, 2013). Ich möchte hier aber anmerken, dass die Wertung der BIS nur in Verbindung mit anderen klinischen Parameter vorge-nommen werden sollte. Verschiedene Faktoren können zu einer schlechten Signal-qualität führen und somit einen falschen BIS-Wert ermitteln.

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2.2.3 Überhang an Inhalationsanästhetika

Bei sehr langen Eingriffen, stark adipösen Patienten oder bei stetig hoher inspiratori-scher Konzentration des Inhalationsanästhetikas bis zum Operationsende, kann die Aufwachzeit verlängert sein. Es ist zu beachten, dass die Inhalationsanästhetika pulmonal eliminiert werden, aber gleichzeitig eine Atemdepression bewirken. Der Frischgasfluss und die Ventilation beeinflussen demnach das Erwachen wesentlich, daher sollte eine Hypoventilation in der Ausleitungsphase tunlichst vermieden wer-den (Reinhard Larsen, 2013). Zusätzlich muss daran gedacht werden, dass der MAC-Wert (minimale alveoläre Konzentration) durch zahlreiche Faktoren wie Alter, Schwangerschaft, Hypothermie, Analgetika und Anästhetika reduziert werden kann und der Bedarf an volatilen Anästhetika daher abnimmt (I. Castelli, 2014).

Patienten, jene an einem Inhalationsanästhetikaüberhang leiden, weisen oft eine charakteristische Form der Atemdepression auf, wobei in der Regel ein kleines Atemzugvolumen und eine normale bis erhöhte Atemfrequenz vorliegt (Jochen Schulte am Esch, 2011).

2.2.4 Relaxantienüberhang

Auch an ein nur scheinbares Nichtaufwachen, aufgrund eines Relaxantienüber-hangs, muss gedacht werden.

Besteht am Ende der Narkose eine noch immer ausgeprägte neuromuskuläre Blo-ckade, führt dies zur absoluten körperlichen Reaktionslosigkeit des Betroffenen in der Aufwachphase. Um dem Patienten dieses sehr unangenehme Erlebnis „des sich nicht bemerkbar machen Könnens“ zu ersparen, ist es von absoluter Wichtigkeit, die muskuläre Reizantwort mit Hilfe der Relaxometrie zu beurteilen und sich nicht nur auf die subjektiven klinischen Zeichen zu verlassen. Der Patient soll also nebst Augen öffnen, Kopf anheben und halten, Händedruck, ausreichendem Atemzugvolumen, suffizientem Gasaustausch und Vorhandenen sein der Schutzreflexe, eine TOF-Ratio von >0.9 aufweisen, um eine relevante Restblockade ausschliessen zu können (Reinhard Larsen, 2013).

2.2.5 Leber- und Nierenerkrankungen

Lebererkrankungen

Auch schwere Lebererkrankungen können aus verschiedenen Gründen das Erwa-chen aus der Narkose verzögern. Ursache dafür sind verschiedene pathophysiologi-sche Veränderungen der zentralen Leberfunktionen, aufgrund dessen die Wirkung der verabreichten Anästhetika schwer vorauszusagen sind (Moritz Schürch, 2014).

In der Literatur wird die Möglichkeit einer erhöhten Empfindlichkeit, Gefahr der Kumu-lation und verlängerten Wirkdauer bei Verabreichung von Benzodiazepinen und Bar-bituraten beschrieben. Auch mit einer Störung des Muskelrelaxantienabbaus muss bei Lebererkrankungen gerechnet werden. Die in der Leber gebildete Plasmacholin-esterase ist für den Abbau gewisser Muskelrelaxantien verantwortlich und bei Leber- insuffizienz nur eingeschränkt verfügbar (Moritz Schürch, 2014). Da Mivacurium und Succinylcholin fast ausschliesslich durch Plasmacholinesterase gespalten und inakti-viert werden, besteht die Möglichkeit eines unerwarteten Relaxantienüberhangs (Norbert Roewer & Holger Thiel, 2013). Bei Patienten mit einer Lebererkrankung ist eine Dosisanpassung aber nicht nur aufgrund des verzögerten Medikamentenabbaus notwendig, sondern bei Arzneimitteln mit einer hohen Plasmaeiweissbindung auch hinsichtlich der vorhandenen Hypoproteinämie. Durch den Eiweissmangel kommt es

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im Blut zu einer Zunahme der freien pharmakologisch aktiven Anteile der Medika-mente (Reinhard Larsen, 2013).

Natürlich besteht auch die Möglichkeit einer hepatischen Enzephalopathie aufgrund mangelnder Entgiftung ZNS-toxischer Substanzen wie Ammoniak durch die Leberer-krankung selbst (Moritz Schürch, 2014).

Nierenerkrankungen

Viele in der Anästhesie verwendete Medikamente werden ganz oder teilweise über die Niere eliminiert. Aufgrund der dadurch hervorgerufenen Wirkungsverlängerung bei Nierenerkrankten, kann der Aufwachzeitpunkt verzögert sein. Zusätzlich wird die pharmakologische Wirkung einiger Medikamente durch den systemischen Effekt der Urämie verstärkt (Moritz Schürch, 2014).

Die Ausscheidung von Muskelrelaxantien kann bei einer Nierenerkrankung verzögert sein und demnach zu einer anhaltenden neuromuskulären Blockade mit postoperati-ver Reaktionslosigkeit führen (Reinhard Larsen, 2013). Da die Wirkungsverlängerung abhängig vom Anteil der renalen Elimination ist, sind demnach Relaxantien mit nie-renunabhängigen Abbauwegen die beste Wahl. Durch urämiebedingte Störungen der Blut-Hirnschranke, reduzierter Proteinbildung und Akkumulation der Metaboliten, kann es zu verstärkter Wirkung bei Barbituraten und Wirkungsverlängerungen bei Opioiden und Benzodiazepinen kommen. Die intraoperative Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz ist demnach von grosser Wichtigkeit. Da volatile Anästhetika un-abhängig von der renalen Funktion eliminiert werden und zusätzlich den Bedarf an Relaxantien senken, sind sie ideal für Patienten mit einer eingeschränkten Nieren-funktion (Moritz Schürch, 2014).

2.2.6 Zentrales anticholinerges Syndrom (ZAS)

Bei länger andauernder postoperativer Bewusstlosigkeit sollte auch an die Möglich-keit eines zentralen anticholinergen Syndroms (ZAS) gedacht werden.

Ursache und Pathophysiologie

„Das ZAS wird durch Blockierung zentraler, muskarin-cholinerger Neurone bzw. ein vermindertes Angebot von Acetylcholin im zentralen Nervensystem ausgelöst.“ (Michael Heck & Michael Fresenius, 2008, S.328). Aufgrund der Komplexität neuro-naler Informationsübertragung und der Verschaltung verschiedener Neurotransmit-tersysteme ist über die genaue Pathophysiologie aber noch wenig bekannt (Michael Heck & Michael Fresenius, 2008).

Triggersubstanzen

Als auslösende Substanzen werden Anticholinergika wie Atropin und andere auch in der Anästhesie benötigten Medikamente beschrieben. Darunter gehören Opiate, volatile Anästhetika, Propofol, Ketamin, Lokalanästhetika, Benzodiazepine und Droperidol (Michael Heck & Michael Fresenius, 2008).

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Symptomatik

Die nachfolgende Tabelle beschreibt mögliche Anzeichen eines ZAS. Die Schwierig-keit einer Diagnosestellung besteht darin, dass der Patient nur vereinzelte Symptome aufweisen kann. Zusätzlich kann sich ein ZAS in einer komatösen oder aber agitier-ten Form zeigen (Michael Heck & Michael Fresenius, 2008).

(Abb. 3)

Diagnostik

Nach Ausschluss der differentialdiagnostisch infrage kommenden Möglichkeiten soll-te die Diagnose eines ZAS in Erwägung gezogen werden. Eine Diagnosesicherung ist aber nur „ex juvantibus“ durch die Gabe eines Anticholiums möglich (Michael Heck & Michael Fresenius, 2008).

Therapie

Falls die Symptome des ZAS eine vitale Gefährdung des Patienten darstellen oder als subjektiv schwer belastend empfunden werden, sollte eine Behandlung begonnen werden. Als Therapeutikum wird der Cholinesterasehemmer Physostigmin (Anticholi-um) eingesetzt (Michael Heck & Michael Fresenius, 2008).

Steckbrief Physostigmin

- Wirkung: Physostigmin hemmt das Enzym Cholinesterase und somit den Acetyl-cholinabbau. Dadurch kommt es zur Steigerung der Acetylcholinkonzentration.

- Dosierung: 0.03-0.04 mg/kg/KG, langsam i.v spritzen

- Wirkungseintritt: Nach 5-15 Min.

- Wirkdauer: 20-45 Min.

- Nebenwirkungen: Aufgrund der parasympathischen Wirkung können Brady- kardie, gesteigerter Speichelfluss und Schweissausbrüche auftreten.

(Michael Heck & Michael Fresenius, 2008)

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2.3 Homöostasestörungen

2.3.1 Störungen der Atemfunktion

Während der Narkose und in der Ausleitungsphase wird die Atemfunktion durch ver-schiedene Faktoren beeinflusst. Sich entwickelnde respiratorische Störungen führen über eine Änderung des Kohlenstoffpartialdrucks (paCO2) zu Änderungen des pH-Wertes. Daraus resultierende Azidosen und Alkalosen wirken sich auf das zentrale Nervensystem aus und können somit Orientierung und Bewusstsein beeinflussen (Harald Grenzwürker & Jochen Hinkelbein, 2014). Ungewollte Hyper- und Hypoventi-lationen sind jedoch mithilfe der endexspiratorischen CO2-Messung leicht zu verhin-dern.

Hyperkapnie und Hypoventilation

Eine verminderte Abatmung von Kohlendioxid (CO2) kann verschiedene Ursachen haben:

Einer der häufigsten Gründe der Hypoventilation ist die fehlerhafte Bedienung des Respirators. Durch ein zu klein gewähltes Atemminutenvolumen, kann der Patient das anfallende CO2 nicht genügend abatmen. Des Weiteren stellt die Atemwegsob-struktion, meist verursacht durch einen noch zu geringen Tonus der Zungengrund-muskulatur, eine mögliche Ursache dar. Aber auch die Möglichkeit einer zentralen Atemdepression, ausgelöst durch Opioide, Hypnotika und Sedativa darf nicht ausser Acht gelassen werden. Zusätzlich soll die Option einer peripheren Atemlähmung, verursacht durch einen Relaxantienüberhang, in Erwägung gezogen werden (Rein-hard Larsen, 2012).

Durch den daraus resultierenden Anstieg des Kohlenstoffpartialdruckes (Hyper-kapnie) kommt es zu einem Abfall des pH-Wertes. Die sich daraus entwickelnde re-spiratorische Azidose führt zu einer Dämpfung des zentralen Nervensystems, ein-hergehend mit Verwirrtheit, Somnolenz und Koma (Harald Grenzwürker & Jochen Hinkelbein, 2014).

Hypokapnie und Hyperventilation

Eine vermehrte Abatmung von CO2 kann durch verschiedenen Faktoren hervorgeru-fen werden:

Zunächst stellt auch hier die falsche Bedienung des Beatmungsgerätes den grössten Risikofaktor dar. Durch ein übermässig hohes Atemminutenvolumen kommt es zu einer vermehrten alveolären Ventilation der Lunge. Ein weiterer Grund kann die pati-enteneigene Hyperventilation bei erhaltener Spontanatmung in zu flacher Narkose oder als initialer Kompensationsmechanismus im Falle einer Hypoxie darstellen (Reinhard Larsen, 2012).

Durch die hervorgerufene Hypokapnie wird eine respiratorische Alkalose provoziert. Die Folgen sind zerebrale Vasokonstriktion und Durchblutungsabnahme mit resultie-render Verwirrtheit und verzögertem Erwachen. Nebst einer möglichen zerebralen Ischämie kann es zu einer hypokapnie-bedingten Verminderung bzw. Aufhebung des Atemantriebes kommen (Norbert Roewer & Holger Thiel 2013).

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Hypoxie

Die Hypoxie ist eine weitere Störung der Atemfunktion, die sich aufgrund der unge-nügenden peripheren oder zerebralen Oxygenierung auf das Bewusstsein und die Orientierung auswirken kann. Bei einem Abfall des arteriellen Sauerstoffpartial- druckes (paO2) unter 70-75 mmHg, spricht man von einer Hypoxie. Der Organismus reagiert darauf mit kardiovaskulären Veränderungen, durch die der Sauerstoffmangel kompensiert wird. Blutdruck und Herzfrequenz steigen, eine vermehrte alveoläre Funktion setzt ein. Die klinischen Zeichen einer Hypoxie sind abhängig von ihrem Ausmass. Besonders empfindlich reagiert aber das Gehirn auf Sauerstoffmangel. Schläfrigkeit, Unruhe und Verwirrtheit sind die Folgen (Reinhard Larsen, 2013).

Mögliche Ursachen einer Hypoxämie und der damit verbundenen Hypoxie sind sehr vielfältig. Zum einen können Hypoventilation oder Störungen des Perfusions-Ventilations-Verhältnisses zum Beispiel durch Atelektasen, mögliche Gründe sein. Zum anderen kann ein erhöhter Sauerstoffbedarf durch Kältezittern oder Fieber, eine zu niedrigere inspiratorische Sauerstoffkonzentration oder Aspiration dazu führen. Das Erkennen einer postoperativen Hypoxie ist vor allem bei anämischen Patienten nicht immer einfach. Das sicherste diagnostische Verfahren stellt daher eine arterielle Blutgasanalyse dar (Reinhard Larsen, 2013).

Zur Prophylaxe der Hypoxie soll allen Patienten in der frühen postoperativen Phase angefeuchteter Sauerstoff zugeführt werden. Zusätzlich kann der Patient in regel-mässigen Abständen zum tiefen Durchatmen und regelmässigem Abhusten motiviert werden (Reinhard Larsen, 2013).

2.3.2 Störungen des Elektrolythaushaltes und Glukose- stoffwechsels

„Die Elektrolytverteilung im Körper beeinflusst die Transmembranspannungen und die Volumenhomöostase, sodass bei Dysregulationen 1. Ödeme bzw. Dehydrationen und 2. Störungen der Reizleitung am Herzen, im zentralen und peripheren Nerven-system zu erwarten sind.“ (Hans-Christian Hansen, 2013, S. 288).

Störungen des Natrium-, Kalzium- und Magnesiumhaushaltes erzeugen daher oft enzephalopathische Syndrome und können sich somit auf die Aufwachzeit aus der Narkose auswirken (Hans-Christian Hansen, 2013). Eine Hyperkalzämie (Serumkal-zium >5.5 mmol/l) und Hypermagnesiämie (Plasmakonzentration >1.0 mmol/l) bewir-ken beispielsweise eine direkte zentrale Dämpfung, wobei dies zu Bewusstseinstö-rungen bis hin zu komatösen Zuständen führen kann (Norbert Roewer & Holger Thiel, 2013 & Reinhard Larsen, 2013).

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Hyper- und Hyponatriämie

Störungen in der Serumnatriumkonzentration führen zu einer Volumenverschiebung zwischen dem Intra- und Extrazellulärraum. Die Folge davon ist eine Zellschwellung bei der Hypo- und Zellschrumpfung bei der Hypernatriämie. Weil das Hirn in einer Knochenkalotte eingebettet ist, verträgt es solche Störungen oder deren zu rasche Therapie nur schlecht. Die Folge davon sind unter anderem verschiedene neurologi-sche Symptome (Heinrich Mattle & Marco Mumenthaler, 2012).

Pathophysiologie und Symptomatik

Ursache

Hyponatriämie

Plasma- /Serumkon- zentration <135 mmol/l

Flüssigkeitsverschiebung vom Plasma in die Gehirnzellen kann zur Entstehung eines Hirnödems führen.

Mögliche Folgen sind:

- Verminderte intrazelluläre Kaliumkonzentration, die neuronale Erregbarkeit nimmt dadurch ab

- Auftreten von Aufmerksam-keits- und Konzentrations-schwäche sowie Halluzina-tionen

- Krampfanfälle - Bewusstseinsstörungen

- Ungenügende Salzzufuhr

- Extreme Natriumverluste

- Verschiedene Erkran-kungen

Hypernatriämie

Plasma- /Serumkon- zentration >145 mmol/l

Flüssigkeitsverschiebung aus den Gehirnzellen ins Plasma führt zur Abnahme des Gehirn- volumens.

Mögliche Folgen sind:

- Enzephalopathie - Kognitive Störungen - Bewusstseinsminderung - Hämatome und Blutungen

- Ungenügende Was-serzufuhr

- Exzessive Salzzufuhr - Übermässige Wasser-

verluste - Störungen der

Osmoseregulation

(Heinrich Mattle & Marco Mumenthaler, 2012)

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Hyper- und Hypoglykämie

Auch das Bestehen einer ausgeprägten Hypo- und Hyperglykämie kann sich auf die Orientierung und das Bewusstsein auswirken. Zumindest bei bekannten Diabetikern sollten die nachfolgend beschriebenen Entgleisungen des Glukosestoffwechsels durch regelmässige intraoperative Blutzuckerkontrollen und ein fixes prä-und posto-peratives Schema bezüglich Blutzuckerbestimmung und Medikation, vermieden wer-den können (Jürgen Schüttler & Elmar Biermann, 2003).

Vorkommen Komplikationen

Hyperglykämie

Blutzuckerspiegel

>200 mg/dl resp. >11.1 mmol/l

- Bestehender Diabetes mellitus

- Perioperativer Stress - Infektionen, Sepsis - Inadäquate Volumen-

substitution - Katecholamin- und

Kortisontherapie

- Orientierung und Be-wusstseinsstörungen

- Ketoazidotisches Koma - Hyperosmolares Koma - Verlangsamung - Verwirrtheit - Osmotische Diurese - Elektrolytstörungen - Hirnödem bei zu ra-

scher Korrektur - Wundheilungsstörungen

Hypoglykämie

Blutzuckerspiegel

<70-80 mg/dl resp. <3.9 – 4.5 mmol/l

- Vorbestehender Diabe-tes mellitus

- Insulinüberangebot - Orale Antidiabetika - Alkoholintoxikation

- Reduktion zerebraler Energiestoffwechsel

- ZNS-Schädigung - Bewusstseinsstörungen

wie Verlangsamung, Verwirrtheit, verzöger-tes Erwachen aus der Narkose

- Stressanzeichen gekennzeichnet durch Tachykardie oder Schwitzen

- Krampfanfälle - Wundheilungsstörungen

(Jürgen Schüttler & Elmar Biermann, 2003)

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2.3.3 Arterielle Hypotonie

Bei der Ursachensuche einer verlängerten Aufwachzeit sollte auch an die einfache Möglichkeit einer zerebralen Durchblutungsstörung als Folge einer intraoperativen arteriellen Hypotonie gedacht werden (Norbert Roewer & Holger Thiel, 2013). Das Gehirn hat eine sehr hohe Stoffwechselaktivität und einen daraus resultierenden ho-hen Sauerstoffbedarf und eine geringe Ischämietoleranz. Folglich ist das Gehirn in besonderem Masse auf einen ausreichenden Perfusionsdruck angewiesen. Unter physiologischen Bedingungen unterliegt das Gehirn einer Autoregulation, d. h. der zerebrale Blutfluss wird in einem Bereich von 60 – 160 mmHg, gemessen am mittle-ren arteriellen Druckes (MAP), durch zerebrale Vasodilatation bzw. -konstriktion auf-rechterhalten. Fällt der MAP unter 50 mmHg, kommt es zu einem steilen Abfall der Hirndurchblutung. Die Bedeutung des arteriellen Druckes für die Organperfusion des Gehirns besitzt somit einen äusserst wichtigen Stellenwert (Phillip Roeber, 2013)

Die Gründe einer intraoperativen arteriellen Hypotonie sind vielfältig:

- Vasodilatation der Gefässe mit einhergehenden relativen Hypovolämie aufgrund von Anästhesieverfahren oder Anästhetikagabe

- Verringerter venöser Rückstrom, ausgelöst durch spezielle Lagerung oder An-bringen eines Pneumoperitoneums

- Absoluter Volumenmangel aufgrund von Blutverlust oder Flüssigkeitsdefizit

- Akute Nachlastsenkung durch das Öffnen einer Gefässklemme oder Blutsperre

- Vorliegen verschiedener Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern und einer damit verbundenen eingeschränkten Ventrikelfüllung

- Kontraktilitätsstörungen des Herzens durch Elektrolytstörungen oder Myokard- ischämie

- Lungenembolie mit der Folge einer akuten Rechtsherzbelastung

(Matthias Hübler & und Thea Koch, 2011)

2.3.4 Inadvertente Hypothermie

Definition

Eine klinisch signifikante Änderung der Körpertemperatur ist bei jeder Anästhesie zu erwarten. Fällt die Körperkerntemperatur in einen Bereich von 33-35 Grad Celsius ab, wird von einer milden Hypothermie gesprochen (Kierschke, G., Messmer, M. & Schoser, G., 2012).

Ursache

Während eines operativen Eingriffes verliert der Patient Wärme. Die Ursachen hierfür sind vielgestaltig:

Viele in der Anästhesie verwendete Pharmaka führen zu einer Erweiterung der ther-mischen Neutralzone, womit es zu einer beeinträchtigten Funktion der Thermoregula-tion des Körpers kommt. Als Folge setzten Kältezittern und thermoregulatorische Va-sokonstriktion bei anästhesierten Patienten erst bei unter 35 Grad Celsius ein (An-dreas Gloor, 2014).

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Zusätzlich üben die meisten Anästhetika aufgrund ihrer vasodilatatorischen Wirkung einen weiteren Effekt auf die Körpertemperatur aus. „Nach Einleitung einer Allge-mein- oder rückenmarksnahen Anästhesie kommt es initial zu einem Abfall der Kör-perkerntemperatur durch Wärmeumverteilung aus dem Körperkern in die vasodila-tierte Peripherie.“ (Andreas Gloor, 2014, S.17).

Weitere Ursachen für perioperative Temperaturverluste sind die niedrige Raumtem-peratur des Operationssaales, grossflächige Hautdesinfektion mit Alkohol, Gabe von Infusionen und Transfusionen bei Raumtemperatur, Verwendung von kalten Spüllö-sungen, Evaporation aus eröffneten Körperhöhlen, Wärmeverlust durch Beatmung und der leider oft nicht zugedeckte, daliegende Patient (Andreas Gloor, 2014).

Komplikationen infolge perioperativer Hypothermie

- Kardiovaskuläres System

Durch die perioperativ verursachte Hypothermie wird ein vermehrtes Auftreten von kardialen Ereignissen wie Ischämie, Infarkt und ventrikulärer Tachykardie beobach-tet. Da die Schwellenwerte der Thermoregulation bei Narkoseende wieder in ihren physiologischen Bereich zurückkehren, wird automatisch eine verstärkte humorale Stressantwort und Muskelzittern indiziert. Die erhöhte Katecholaminausschüttung hat Auswirkungen auf das kardiovaskuläre System. Dies zeigt sich in einem Anstieg der Herzfrequenz und des systemischen und pulmonalarteriellen Druckes. Zusätzlich erhöht das Muskelzittern den Sauerstoffverbrauch und somit das erforderliche Herz-zeitvolumen (G. Kierschke, M. Messmer & G. Schoser, 2012).

- Gerinnung

Durch die Beeinträchtigung der Blutgerinnung kann es zu einem erhöhten periopera-tiven Blutverlust kommen. Ursächlich wird dafür eine Störung der Thrombozytenfunk-tion, ausgelöst durch ein Problem der Thrombozytenadhäsion und –aggregation und der plasmatischen Gerinnung genannt. Ausserdem ist es wichtig zu wissen, dass Quick und PTT temperaturabhängig reagieren. Werden die Bestimmungen bei 37 Grad C ausgeführt, wird die Gerinnung beim hypothermen Patienten überschätzt (G. Kierschke, M. Messmer & G. Schoser, 2012).

- Wundheilung

Des Weiteren erhöht die Hypothermie das Risiko einer Wundheilungsstörung oder Wundinfektion. Aufgrund der thermoregulatorischen Vasokonstriktion kommt es zu einer Minderperfusion und einer damit verbundenen Abnahme des arteriellen Sauer-stoffgehaltes im Operationsgebiet. Die eingeschränkte Produktion der zur Keimbe-kämpfung verantwortlichen Sauerstoffradikale induziert zusätzlich einen Anstieg der Infektionsanfälligkeit (G. Kierschke, M. Messmer & G. Schoser, 2012).

- Medikamentenwirkung

Leider liegen zur veränderten Pharmakodynamik und –kinetik bei einer Hypothermie nur sehr wenige Untersuchungen vor. Bekannt ist, dass eine verminderte Körpertem-peratur die gesamte Stoffwechselleistung und somit auch den renalen und hepati-schen Metabolismus verringert. Durch die verzögerte Elimination kommt es zu einer verlängerten Wirkdauer der verabreichten Medikamente (G. Kierschke, M. Messmer & G. Schoser, 2012).

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Prophylaxe und Therapie

Eine präoperative Vorwärmung scheint bezüglich der Vermeidung einer postoperati-ven Hypothermie hocheffektiv zu sein und sollte wenn immer möglich in Erwägung gezogen werden. Kann diese Methode aufgrund des zusätzlichen Aufwandes nicht durchgeführt werden, muss zumindest darauf geachtet werden, dass der Patient nach den jeweiligen Verrichtungen wieder ordentlich zugedeckt wird. Um einen wei-teren intraoperativen Wärmeverlust zu vermeiden, soll der Patient mittels aktiver Wärmezufuhr behandelt werden. Durch den Einsatz von Warmluftgebläsen, Wärme-matten, Heizstrahlern und Durchflusserwärmer für Infusionen und Transfusionen, steht heute ein grosses Spektrum an Hilfsmitteln zur Verfügung. Nicht zu vergessen ist der Wärmeverlust über die Atmung. Glücklicherweise verfügen die Respiratoren der neuen Generation über die Möglichkeit einer Atemgasanfeuchtung und Verwen-dung eines niedrigen Frischgasflusses, um so einem weiteren Wärmeverlust entge-genzuwirken (G. Kierschke, M. Messmer & G. Schoser, 2012).

Zur Behandlung des postoperativen Muskelzitterns, auch Shivering genannt, hat sich die Gabe von Pethidin (25-50 mg i.v) und Clonidin (0.075-0.150 mg i.v.) bewährt (G. Kierschke, M. Messmer & G. Schoser, 2012). Shivering ist nicht nur ein für den Patienten subjektiv unangenehmes Phänomen, sondern birgt, aufgrund des erhöhten Sauerstoffverbrauches, insbesondere für kardial vorerkrankte Patienten deutliche Risiken. Um einen zerebralen und myokardialen Sauerstoffmangel zu verhindern, soll das Muskelzittern möglichst unterbunden werden (Hans Walter Striebel, 2005).

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2.4 Hirnorganische Ursachen

Scheiden die bisher genannten Ursachen eines verzögerten Erwachens aus, so muss an die Möglichkeit einer hirnorganischen Schädigung als Folge einer hypo-xisch-ischämischen Hirnschädigung, zerebralen Embolie oder intrakraniellen Blutung gedacht werden (Norbert Roewer & Holger Thiel, 2013).

Da die Bearbeitung und Vorstellung aller oben genannten Faktoren den Rahmen meiner Diplomarbeit sprengen würde, gehe ich im nachfolgenden Teil nur auf die beschriebene Problematik meines Fallbeispiels ein.

2.4.1 Fettembolie und Fettembolie-Syndrom

Definition

Unter Fettembolie wird der Verschluss kleiner Gefässe, mit den vom Blut transpor-tierten Fetttropfen verstanden. Oftmals sind davon die Lungenkapillaren betroffen, wobei aber die Möglichkeit besteht, dass die Fetttropfen über die Lunge hinaus in den Körperkreislauf gelangen und sich beispielsweise im Gehirn ablagern. Kommt es darauf zu klinischen Symptomen, wird von einem Fettembolie-Syndrom gesprochen (C. Forster, M. Jöhr & J.-O. Gebbers, 2002).

Symptome

Stunden nach der Fettembolie kann es zu pathophysiologischen Veränderungen im Körper kommen, welche sich durch respiratorische Probleme, Bewusstseinsstörun-gen und Hautblutungen auszeichnen. Als Hauptsymptome des Fettembolie-Syndroms werden folgende charakteristische Trias beschrieben:

- Respiratorische Symptome wie Dyspnoe, Husten oder Hypoxie

- Zerebrale Symptome wie Unruhe, Angst, Verwirrtheit, Somnolenz bis hin zum Koma

- Hämatologische Befunde wie petechiale Blutungen des Thorax und Konjunkti-ven, Abfall des Hämoglobins und Thrombozytopenie

(Patrick Wöhler, Bertrand Hirl & Wolfgang Kellermann, 2013)

Vorkommen

Erstaunlicherweise können in vielen Fällen von Frakturen langer Röhrenknochen, orthopädischen Eingriffen wie Arthroplastiken oder Marknagelungen, Polytraumen aber auch Weichteilverletzungen, malignen Erkrankungen und akuter Pankreatitis kleinere Fettembolien der Lungenkapillaren nachgewiesen werden. Jedoch treten nur bei den wenigsten Patienten klinisch relevante Symptome in Form eines Fettembolie-Syndroms auf (C. Forster, M. Jöhr & J.-O. Gebbers, 2002).

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Diagnostik

Die Diagnostik eines Fettembolie-Syndroms stellt eine grosse Herausforderung dar, vor allem wenn nicht alle klinischen Symptome vorliegen (C. Forster, M. Jöhr & J.-O. Gebbers, 2002). Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren kann eine Verdachtsdiagnose bestätigt werden. Während bei einer Computertomographie oft keine Veränderungen der Hirnareale sichtbar sind, können bei einer Magnetresonanztomographie die Hirn-läsionen meist deutlich dargestellt werden (Patrick Wöhler, Bertrand Hirl & Wolfgang Kellermann, 2013). Ein anderes mögliches zielführendes Verfahren ist die Durchfüh-rung einer Fundoskopie. Bei einem zerebralen Fettembolie-Syndrom können am Au-genhintergrund oft weissfleckige Gefässverschlüsse beobachtet werden (Patrick Wöhler, Bertrand Hirl & Wolfgang Kellermann, 2013). Des Weiteren sind im Thorax-Röntgenbild typischerweise fleckenförmige Infiltrate erkennbar und eine Blutgasana-lyse kann Auskunft über eine mögliche Hypoxie geben (C. Forster, M. Jöhr & J.-O. Gebbers, 2002) Der Nachweis von Fettpartikeln in Sputum, Blut und Urin hat sich bis anhin nicht etabliert, ebenso wird die Wertigkeit von fetthaltigen Makrophagen in der broncho-alveolären Lavage (C. Forster, M. Jöhr & J.-O. Gebbers, 2002).

Ursache und Pathogenese

Ursache und Pathogenese der Fettembolie und des daraus resultierenden Fettembo-lie-Syndroms sind bis heute nicht vollumfänglich geklärt. Zurzeit werden zwei mögli-che Hypothesen diskutiert:

- Mechanische Theorie

Bei Operationen oder einem Trauma werden grosse Fetttropfen aus dem Knochen-mark oder Fettgewebe freigesetzt. Der Inhalt der zerstörten Fettzellen gelangt direkt in das venöse Gefässsystem und embolisiert beispielsweise pulmonale Kapillaren. Aufgrund intrapulmonaler arterio-venöser Shunts oder einem offenen Foramen ovale gelangen die Fetttropfen in mögliche Endorgane wie Gehirn oder Nieren, wo sie Ischämien, Inflammationen und somit die charakteristischen Symptome verursachen

(Patrick Wöhler, Bertrand Hirl & Wolfgang Kellermann, 2013).

Im Zusammenhang mit durchgeführten Knochenzementierungen in der Arthroplastik, stösst man immer wieder auf das Problem des Knochenzement-Syndroms. Das „Bo-ne cement implantation syndrome“ (BCIS) beschreibt eine auftretende Hypoxie, Hy-potonie und Bewusstlosigkeit im Zeitraum der eigentlichen Knochenzementierung. Dabei wurde beobachtet, dass intraoperative BCIS mit einer 16-fach höheren post- operativen Mortalität einhergehen (F. Olsen, M. Kotyra, E. Houltz et al., 2014).

- Biochemische Theorie

Operationen, Traumata oder Sepsis führen zu einer Freisetzung von Fettsäuren, welche die Blut-Hirn-Schranke beschädigen. Durch eine Agglutination verschiedener Lipoproteinen zu grösseren Partikeln, werden die Symptome in den Endorganen

ausgelöst (Patrick Wöhler, Bertrand Hirl & Wolfgang Kellermann, 2013).

Mit dieser Theorie könnte auch die nicht-traumatischen Auslöser einer Fettembolie erklärt werden.

Prophylaxe

Als prophylaktische chirurgische Massnahme wird die frühzeitige Immobilisation von Frakturen, die Vermeidung hoher intramedullärer Drücken, sowie eine Reihe speziel-ler Operationstechniken genannt. Aus anästhesiologischer Sicht sollte auf eine aus-

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reichende Analgesie zur Reduktion der Stressantwort, eine konstant hohe Sauer-stoffsättigung während der Operation, sowie eine Normovolämie geachtet werden (N. Aebli, R. Pitto & J. Krebs, 2005).

Therapie und Outcome

Ein kausaler Therapieansatz ist bis anhin nicht bekannt, die Behandlung besteht zur-zeit aus symptomorientierter Stabilisierung der Patienten. Zum Outcome einer zereb-ralen Fettembolie existieren nur wenige Daten. Obwohl einige Fälle mit persistieren-den neurologischen Schädigungen bekannt sind, erholen sich die meisten Patienten trotz der ausgeprägten neurologischen Symptomatik gut (Patrick Wöhler, Bertrand

Hirl & Wolfgang Kellermann, 2013).

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2.5 Messinstrumente

2.5.1 Aldrete Score

Jorge Antonio Aldrete entwickelte 1970 den „Postanesthetic Recovery Score“ (PAR-Score). Dieser dient zur Beurteilung der Vitalfunktionen und des Wachheits-grades und kann nach Modifikation entsprechend heutiger Erkenntnisse als Doku-mentations- und Beurteilungshilfe der postoperativen Erholung herangezogen wer-den. Der Score bewertet den Zustand des Patienten hinsichtlich Motorik, Atmung, Blutdruck, Vigilanz und Sauerstoffsättigung (M.Schürch & O.Hilfiker, 2006).

(Abb. 4)

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2.5.2 Glasgow Coma Scale (GCS)

Der GSC ist eine einfache Skala zur Einschätzung des Bewusstseinszustandes, wo-bei jeweils Punkte fürs Augenöffnen, verbale Kommunikation und die motorische Bewegung des Patienten vergeben werden. Die genauen Kriterien können der fol-genden Tabelle entnommen werden:

(Abb. 5)

Für jede Rubrik werden separat Punkte vergeben und diese anschliessend addiert. Die maximale Punktzahl ist 15 (bei vollem Bewusstsein), die minimale 3 Punkte (bei tiefem Koma). Bei 8 oder weniger Punkten ist von einer schweren Funktionsstörung des Gehirns auszugehen und es besteht die Gefahr von lebensbedrohlichen Atmungsstörungen, so dass bei einem GCS kleiner 9 eine Sicherung der Atemwege durch endotracheale Intubation erwogen werden muss (Ch.K. Lackner, J.H. Wid-mann & L.Schweiberer, 1998).

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2.6 Orientierung und Bewusstsein fördern

Postoperative Störungen der Orientierung und des Bewusstseins wirken sich auf die Befindlichkeit der Patienten aus und können somit sehr belastend sein. Es ist daher wichtig, die Orientierung zu fördern und Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln.

Allgemeine pflegerische Massnahmen zur Förderung von Orientierung und Bewusst-sein:

- Patienten mit seinem Namen ansprechen und sich selber vorstellen

- In kurzen Sätzen Informationen über Ort, Zeit und Operationsende geben

- Massnahmen, Aktions- und Ruhephasen ankündigen und auch einhalten

- Patient zur Mithilfe und Eigenaktion motivieren, sofern Operationsart und Zu-stand des Patienten dies zulassen

- Einschränkungen berücksichtigen, patienteneigene Hilfsmittel wie Brille oder Hörgerät möglichst früh benutzen

(Susanne Horn-Püschel, 2005)

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2.7 Checkliste

Mögliche Vorgehensweise bei verzögertem Erwachen aus einer Allgemeinanästhesie

Anhaltende postoperative Reaktionslosigkeit und Bewusstseinstrübung vorhanden?

Mögliche Ursache Merkmale und Überlegungen Massnahmen

Opiatüberhang Atemmuster: AF↓, AZV ↑

Pupillen: stecknadelkopfgross

Letzte Opiatgabe?

Eintitrieren von:

Naloxon 0.04 mg-weise i.v oder Nalbuphin 10-20 mg i.v

Vorsicht: Rebound-Phänomen mög-lich!

Relaxantien-überhang

Erholungszeichen wie Augenöffnen, Händedruck, Kopfanheben, Schutz-reflexe ungenügend, insuffiziente Atmung beobachtbar

TOF-Ratio ermittelt?

Antagonisierung der Restblockade

Atracurium-Abbau kann durch Wärmezufuhr unterstützt werden

Überhang volatiler Anästhetika

Atemmuster: AF→ bis ↑, AZV↓

MAC-Wert?

Gaselimination durch suffiziente Ventilation

Überhang intrave- nöser Anästhetika oder Sedativa

BIS-Monitoring erwägen

Prämedikationsdosis?

Letzter Bolus?

Bei Benzodiazepinüberhang Anexate 0.1-0.2 mg-weise i.v eintit-rieren

Ansonsten abwarten

ZAS Komatöse sowie agitierte Form mög-lich!

Diagnosesicherung mit Physo- stigmin 0.03-0.04 mg/kg/KG

Störung der Atemfunktionen

Abweichung der Normwerte in Oxy-metrie, Kapnopraphie oder BGA

Atemwege verlegt? Atemmuster?

Normoventilation anstreben überprüfen!

Atemwegshilfe notwendig?

Störungen des Elek- trolythaushaltes

Abweichung der Normwerte von Na, Mg und Ca

Ursache? Erkrankungen?

Homöostase anstreben durch Be-hebung der Ursache

Störungen des Glu-kosestoffwechsels

Letzte BZ-Kontrolle?

Bekannter Diabetes?

BZ-Messung weist auf Hyper- oder Hypoglykämie hin.

Anstreben einer Normoglykämie durch Glukose- oder Insulingabe Kontrolle!

Hypothermie Zeichen der Zentralisation beobacht-bar?

Körpertemperatur < 35 °C

Wärmezufuhr mittels Hot Line, Bairhugger, Decken

Achtung: Muskelzittern erhöht O2-bedarf! Bei Riskopatienten Pethi-dingabe 25-50 mg i.v erwägen!

Art. Hypotonie Messfehler möglich? Ausgangs-wert? Kapillarfüllung? Farbe und Temperatur der Extremitäten?

Anstreben einer Normotonie mittels Vasoaktiva, Flüssigkeitsbolus, La-gerung. Hypovolämie ausschlies-sen!

Hirnorganische Ursachen

Intraoperative pulmonale und kardio- vaskuläre Auffälligkeiten? BIS-Monitoring? MAP intraoperativ?

Diagnosesicherung mittels CT oder MRI

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3. Schlussteil

3.1 Beantwortung der Fragestellungen und gewonnene Erkenntnisse

Zu Beginn der Arbeit formulierte ich folgende Kern- und Leitfragen:

- Welche Ursachen können zu einer verlängerten Aufwachzeit nach operativen Eingriffen bei Erwachsenen führen?

- Welche Faktoren begünstigen eine verlängerte Anästhetikum-Wirkung und wieso?

- Welche respiratorischen und metabolischen Störungen wirken sich auf das Erwa-chen aus und warum?

- Wie entstand die neurologische Komplikation des im Fallbeispiel erwähnten Pati-enten?

- Wie gehe ich bei einem Patienten vor, der nicht aus der Narkose erwachen will? - Welche Hilfsmittel gibt es zur Einschätzung der Bewusstseinstrübung? - Gibt es pflegerische Massnahmen, um das Bewusstsein und die Orientierung zu

fördern?

Wie sich durch die Bearbeitung herausgestellt hat, sind die Gründe eines verzöger-ten Erwachens sehr vielfältig. Anhaltende Bewusstseinseinschränkungen und Reak-tionslosigkeit können unter anderem die Folge einer verlängerten Medikamentenwir-kung sein. Aufgrund verschiedener Faktoren kann es zu einem Überhang an Opia-ten, Relaxantien, volatilen oder intravenösen Anästhetika kommen. Bei der Auswahl und Dosierung der Medikamente sollten nebst der Eingriffsdauer auch mögliche Fak-toren wie Leber- und Nierenerkrankungen in Betracht gezogen werden, welche die individuelle Empfindlichkeit beeinflussen könnten. Bei einer eventuellen Antagonisie-rung ist zu beachten, dass es durch unterschiedliche Halbwertszeiten zu einem Reboundphänomen kommen kann. Im Aufwachraum sollte daher ein spezielles Au-genmerk auf solche Patienten gelegt werden. Ich bin der Ansicht, dass durch die strikte Anwendung der Relaxometrie und Narkosegasmessung und durch die heutige Möglichkeit eines BIS-Monitorings bereits vielen obengenannten Ursachen entge-gengewirkt werden kann. Eine seltene, aber ebenfalls ursächliche Option, ist das Auftreten eines zentralen anticholinergen Syndroms (ZAS). Die Möglichkeit einer eindeutigen Diagnosestellung wird durch die Vielfältigkeit der Symptome erschwert und kann nur mit der Gabe eines Anticholiums gesichert werden.

Andererseits können bestehende Störungen der Homöostase für die verlängerte Aufwachzeit verantwortlich sein. Einschränkungen der Atemfunktion wie Hyper- und Hypoventilation können durch eine kontinuierliche Kapnographie und Oxymetrie so-fort erkannt und eine sich daraus entwickelnde Hypo-, Hyperkapnie oder Hypoxie vermieden werden. Ein konsequentes Augenmerk auf eine ausreichende Ventilation bei der Ausleitung ist auch aufgrund der Narkosegaselimination unerlässlich. Da volatile Anästhetika über die Lunge eliminiert werden, muss durch ein adäquates Atemminutenvolumen gewährleistet sein, dass die inhalativen Gase suffizient abge-atmet werden können. Eine inadvertente Hypothermie sollte durch eine regelmässige intraoperative Überwachung und geeignete Massnahmen gut vermieden werden können. In der Praxis beobachte ich jedoch häufig, dass aufgrund des zusätzlichen Mehraufwandes, die Problematik eher etwas in den Hintergrund geschoben wird. Da sich während einer Anästhesie zahlreiche Faktoren auf den Blutdruck auswirken, besteht die Möglich einer zerebralen Durchblutungsstörung aufgrund einer arteriellen Hypotonie. Operationen mit einer geforderten Oberkörperhochlagerung, verdienen

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daher ein besonderes Augenmerk auf den Blutdruck. Störungen des Elektrolythaus-haltes und Glukosestoffwechsels sind weitere Ursachen einer verlängerten Aufwach-phase. Bei Risikopatienten mit vorbestehenden Abweichungen und Erkrankungen scheint mir daher die engmaschigere intraoperative Kontrolle der Laborparameter mittels Blutgasanalyse oder Blutzuckerkontrolle sinnvoll.

Scheiden alle bisher genannten Gründe aus, muss schliesslich an die Möglichkeit einer hirnorganischen Ursache gedacht werden. Die Entstehung des Fettembolie-Syndroms beim beschriebenen Fallbeispiel scheint mir nun erklärbar. Durch den Mit-einbezug fiel mir die Bildung einer Brücke zwischen Theorie und Praxis etwas leich-ter und wies mir eine Option der praktischen Vorgehensweise bei der Ergründung der Ursache auf.

Bei der Erstellung meiner Checkliste habe ich mich mit der Vorgehensweise bei ei-nem verzögerten Erwachen auseinandergesetzt. Sie zeigt auf, welche Faktoren bei einer verlängerten Aufwachzeit in Frage kommen und wie deren Existenz überprüft werden kann. Zudem weist sie auf mögliche therapeutische und prophylaktische Massnahmen hin.

Ich kenne nun zwei Messinstrumente, die zur Beurteilung der Vigilanz und der posto-perativen Erholung dienen. Der Einsatz der Alderete Score und Glascow Coma Scale in der frühpostoperativen Phase, wie etwa kurz nach der Ausleitung, scheint mir je-doch wenig sinnvoll. Daher findet sich im praktischen Alltag ihr Nutzen vor allem im Aufwachraum. Bewusstseinseinschränkungen wirken sich negativ auf das Wohlbe-finden des Patienten aus. Ich finde es daher wichtig, auch pflegerische Massnahmen zur Förderung der Orientierung und des Bewusstseins zu ergreifen. Mit einfachen Vorgehensweisen und Handlungen bei der postoperativen Betreuung kann dem Pa-tienten so Vertrauen und Sicherheit vermittelt werden.

3.2 Reflexion des persönlichen Lernprozesses und der eigenen Rolle

Die Verfassung einer Diplomarbeit ist zeitintensiv und anspruchsvoll. Dank der Er-stellung eines Zeitplanes und der konsequenten Auseinandersetzung mit der Thema-tik, gelang mir die Erarbeitung trotz vollem Arbeitspensums aber gut.

Mit der ausgewählten Fachliteratur war ich bestens bedient. Durch den Miteinbezug von Fachbüchern, Studien, Unterrichtsskripten, Fachzeitschriften und Internetquellen konnte ich meine Fragestellungen adäquat beantworten. Jedoch war die Menge an zur Verfügung stehender Literatur und das Herausfiltern relevanter Punkte eine kniff-lige Aufgabe. Die Schwierigkeit bestand vor allem darin, die zahlreichen Unterthemen fundiert zu bearbeiten und trotzdem den dafür vorgesehenen Rahmen nicht zu sprengen.

Durch meine erlebten Erfahrungen in der Praxis, den Miteinbezug eines Fallbeispiels und die theoretische Ergründung der Problematik anhand der Literatur, konnte ich einen guten Transfer zwischen Theorie und Praxis herstellen. Meine neu gewon- nenen Erkenntnisse und deren Festhaltung in dieser Arbeit, hat meine Fachkompe-tenz bezüglich der bearbeiteten Thematik, erhöht. Qualitätsbewusstsein und Patien-tensicherheit im Arbeitsalltag sind mir ein grosses Anliegen. So erhoffe ich mir, dass die erstellte Checkliste einen Beitrag zum professionellen und evidenzbasierten Han-deln in der Anästhesiepflege leisten kann.

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4. Literaturverzeichnis

Fachbücher

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Grenzwürker, H. & Hinkelbein, J. (2014). Fallbuch Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin. Stuttgart: Georg Thieme Verlag.

Hahn, J.-M. (2013). Checkliste Innere Medizin. Stuttgart: Georg Thieme Verlag.

Hansen, H.-C. (2013). Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien: Diagnose, Therapie, Prognose. Berlin: Springer-Verlag.

Heck, M. & Fresenius, M. (2008). Klinikmanual Anästhesie. Berlin: Springer Science & Business Media.

Horn-Püschel, S. (2005). Orientierung und Bewusstsein fördern. In L. Ullrich, D.

Stolecki & M. Grünewald (Hrsg.) Intensivpflege und Anästhesie (S.562). Stuttgart: Georg Thieme Verlag.

Hübler, M. & Koch T. (2011). Komplikationen in der Anästhesie: Fallbeispiele Analyse Prävention. Berlin: Springer-Verlag.

Kierschke, G., Messmer, M. & Schoser, G. (2012). Anästhesie und Thermoregulati-on. In R. Rossaint, C. Werner & B. Zwissler (Hrsg.) Die Anästhesiologie (S. 746-754). Heidelberg: Springer-Verlag Berlin.

Lackner, Ch.K, Widmann, J.H. & Schweiberer, L. (1998) Schädel-Hirn-Trauma. In F.L. Bertschat, J.H. Moller & J.Zander (Hrsg.) Lehrbuch für den Rettungsdienst (S.215). Berlin: Walter de Gruyter.

Larsen, R. (2012). Anästhesie und Intensivmedizin für Fachpflege. Berlin: Springer-Verlag.

Larsen, R. (2013). Anästhesie. München: Urban & Fischer.

Mattle, H. & Mumenthaler, M. (2012). Neurologie. Stuttgart: Georg Thieme Verlag.

Roewer, N. & Thiel, H. (2013). Taschenatlas der Anästhesie. Stuttgart: Georg Thie-me Verlag.

Roewer, N., Thiel, H. & Wunder, C. (2012). Anästhesie compact: Leitfaden für die klinische Praxis. Stuttgart: Georg Thieme Verlag.

Roissant, R., Werner, C. & Zwissler, B. (2012). Die Anästhesiologie: Allgemeine und spezielle Anästhesiologie, Schmerztherapie und Intensivmedizin. Berlin: Springer-Verlag.

Schulte am Esch, J. (2011). Allgemeinanästhesie. In A. Bob & K. Bob (Hrsg.) Duale Reihe, Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie (S. 180). Stutt-gart: Georg Thieme Verlag.

Schüttler, J. & Biermann, E. (2003). Der Narkosezwischenfall. Stuttgart: Georg Thie-me Verlag.

Striebel, H.W., (2005). Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin: für Studium und Ausbildung. Stuttgart: Schattauer.

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Internet

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Aschenbrenner, I. & Biberthaler, P., Schädel-Hirn-Trauma. Abgefragt am 28.10.2014 von http://www.dgu-online.de/index.php?id=259

Meissner, A. (2008). Anästhesiologische Versorgung des Patienten mit Adipositas per magna. Abgefragt am 26.11.14 von www.ai-online.info/abstracts/pdf/dacAbstracts/2008/19_meissner.pdf

Skripte

Castelli, I. (2014). Inhalationsanästhetika und Inhalationsanästhesie.

Gloor, A. (2014). Langzeitanästhesie, Temperaturverlust.

Roeber, P. (2013). Neurochirurgie und Schädelhirntrauma.

Schürch, M. & Hilfiker, O. (2006). Richtlinien für die Behandlung von Patienten im Aufwachraum.

Schürch, M. (2014). Anästhesie bei Leberkrankheiten.

Schürch, M. (2014). Anästhesie bei Niereninsuffizienz.

Zeitschriften

Aebli, N., Pitto, R. & Krebs, J. (2005) Fettembolie - Eine potenzielle tödliche Kompli-kation während orthopädischen Eingriffen. Schweizerisches Medizin-Forum, 5/05, 512-518

Forster, C., Jöhr, M. & Gebbers, J.-O. (2002) Fettembolie und Fettembolie-Syndrom. Schweizerisches Medizin-Forum, Juli 2002, 673-678

Olsen, F., Kotyra, M., Houltz, E. & et al. (2014) Bone cement implantation syndrome in cemented hemiarthroplasty for femoral neck fracture: incidence, risk factors, and effect on outcome. British journal of anaesthesia, 5/14, 800-806

Wöhler, P., Hirl, B. & Kellermann, W. (2013) Zerebrales Fettemboliesyndrom nach beidseitiger Oberschenkelfraktur. AINS Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallme-dizin, Schmerztheapie, Juni 2013, 300-302

Abbildungen

Abb. 1: Lüdeling, D. (2002) Cartoon. Abgefragt am 20.11.14 von http://www.raphaelsklinik.de/rk/artikel/rippenspreizer-brachte-ungewohnte-einblicke-die-welt-der-medizin

Abb. 2: Norbert Roewer, Holger Thiel & Christian Wunder, (2012). Opioidantagonis-ten.

Abb. 3: Heck, M. & Fresenius, M. (2008). Symptomatik ZAS (S.329).

Abb. 4: Anonymus. Aldrete Score. Aufwachraum Kantonsspital Aarau

Abb. 5: Aschenbrenner, I. & Prof. Dr. Biberthaler, P. (2014). Glasgow Coma Scale. Abgefragt am 20.11.14 von http://www.dgu-online.de/index.php?id=259

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5. Anhang

(Patientenanamnese)

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(Anästhesieprotokoll)

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(Aufwachraumprotokoll, Seite 1)

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(Aufwachraumprotokoll, Seite 2)

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(MRI-Bildgebung)

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Checkliste

Mögliche Vorgehensweise bei verzögertem Erwachen aus einer Allgemeinanästhesie

Anhaltende postoperative Reaktionslosigkeit und Bewusstseinstrübung vorhanden?

Mögliche Ursache Merkmale und Überlegungen Massnahmen

Opiatüberhang Atemmuster: AF↓, AZV ↑

Pupillen: stecknadelkopfgross

Letzte Opiatgabe?

Eintitrieren von:

Naloxon 0.04 mg-weise i.v oder Nalbuphin 10-20 mg i.v

Vorsicht: Rebound-Phänomen mög-lich!

Relaxantien-überhang

Erholungszeichen wie Augenöffnen, Händedruck, Kopfanheben, Schutz-reflexe ungenügend, insuffiziente Atmung beobachtbar

TOF-Ratio ermittelt?

Antagonisierung der Restblockade

Atracurium-Abbau kann durch Wärmezufuhr unterstützt werden

Überhang volatiler Anästhetika

Atemmuster: AF→ bis ↑, AZV↓

MAC-Wert?

Gaselimination durch suffiziente Ventilation

Überhang intraven- öser Anästhetika oder Sedativa

BIS-Monitoring erwägen

Prämedikationsdosis?

Letzter Bolus?

Bei Benzodiazepinüberhang Anexate 0.1-0.2 mg-weise i.v eintit-rieren

Ansonsten abwarten

ZAS Komatöse sowie agitierte Form mög-lich!

Diagnosesicherung mit Physo- stigmin 0.03-0.04 mg/kg/KG

Störung der Atemfunktionen

Abweichung der Normwerte in Oxy-metrie, Kapnopraphie oder BGA

Atemwege verlegt? Atemmuster?

Normoventilation anstreben überprüfen!

Atemwegshilfe notwendig?

Störungen des Elek- trolythaushaltes

Abweichung der Normwerte von Na, Mg und Ca

Ursache? Erkrankungen?

Homöostase anstreben durch Be-hebung der Ursache

Störungen des Glu-kosestoffwechsels

Letzte BZ-Kontrolle?

Bekannter Diabetes?

BZ-Messung weist auf Hyper- oder Hypoglykämie hin.

Anstreben einer Normoglykämie durch Glukose- oder Insulingabe Kontrolle!

Hypothermie Zeichen der Zentralisation beobacht-bar?

Körpertemperatur < 35 °C

Wärmezufuhr mittels Hot Line, Bairhugger, Decken

Achtung: Muskelzittern erhöht O2-bedarf! Bei Riskopatienten Pethi-dingabe 25-50 mg i.v erwägen!

Art. Hypotonie Messfehler möglich? Ausgangs-wert? Kapillarfüllung? Farbe und Temperatur der Extremitäten?

Anstreben einer Normotonie mittels Vasoaktiva, Flüssigkeitsbolus, La-gerung. Hypovolämie ausschlies-sen!

Hirnorganische Ursachen

Intraoperative pulmonale und kardio- vaskuläre Auffälligkeiten? BIS-Monitoring? MAP intraoperativ?

Diagnosesicherung mittels CT oder MRI