8
1 Viktor Krieger Ein weiter Weg: Vom russischen Kolonisten zum Bundesbürger W ir alle wissen, dass aktuelle Er- eignisse ohne einen historischen Hintergrund kaum zu verstehen sind und daher oſt falsch interpretiert wer- den. Zunächst möchte ich die Entstehung der russlanddeutschen Volksgruppe skiz- zieren, um die grundsätzliche Frage zu be- antworten: Wer sind eigentlich die Russ- landdeutschen, um welchen Personenkreis handelt es sich? Unter der heutzutage am häufigsten be- nutzten Selbst- und Fremdbezeichnung Russlanddeutsche versteht man vor allem Nachkommen der handwerklich-bäuerlichen Einwanderer des 18. und 19. Jahrhunderts, die aus Zentral- und Westeuropa, vornehm- lich aus den deutschen Kleinstaaten, im Zuge der russischen Kolonisationspolitik angewor- ben und in verschiedenen Gegenden des Za- renreiches angesiedelt wurden. Dieser Perso- nenkreis bildet auch den überwiegenden Teil derjenigen, die als Aussiedler bzw. Spätaus- siedler aus der UdSSR und ihren Nachfolge- staaten vor allem seit Ende der 1980er Jahre nach Deutschland gekommen sind. Behördlicherseits wurde im Russischen Reich von Anfang an der Begriff Kolonist bzw. ausländischer Kolonist verwendet; die von den angeworbenen Einwanderern ge- gründeten ländlichen Orte hießen Kolo- nien. Auch die Siedler bezeichneten sich selbst als Kolonisten oder – in Abgrenzung zu anderen Einwanderergruppen aus dem Ausland wie Griechen, Bulgaren oder Ga- gausen, die ebenfalls als Kolonisten galten – als deutsche Kolonisten. 1 Weil sie recht- lich als Kronkolonisten fungierten und zum Bestandteil der gezielten russischen Ansied- lungspolitik gehörten, traten sie faktisch als russische Kolonisten auf. 2 1 Zur Begrifflichkeit siehe den Teil „Im Definitionsd- schungel“ des Dossiers über Russlanddeutsche im Portal der Landeszentrale für Politische Bildung Ba- den-Württemberg: http://www.landeskunde-ba- den-wuerttemberg.de/russlanddeutsche_baden_wu- erttemb.html 2 So wurde etwa das wohl bekannteste Werk eines aus Russland zurückgekehrten Siedlers benannt: Christian Gottlob Züge: Der russische Colonist oder Christian Gottlob Züge‘s Leben in Russland. Nebst Selbstverständnis der Siedler und ihrer Nachkommen Für das nationalkulturelle Selbstverständnis der russlanddeutschen Minderheit ist bis heute der Umstand maßgebend, dass ihre Vorfahren seit Katharina II. in das Russi- sche Reich zur Kultivierung und Besiedlung der wenig erschlossenen Gegenden „beru- fen“ wurden, um den Zaren bzw. dem Staat zu „dienen“. Somit entstand eine Rechts- und Ver- tragsgemeinschaſt, die auf wechselseitigen Pflichten und Rechten beruhte. Von den an- geworbenen Siedlern wurde Loyalität zum herrschenden Haus, Staatspatriotismus, Ge- setzestreue und nicht zuletzt eine dem Staat Nutzen bringende Produktivität erwartet. Auf der anderen Seite pochten die Ein- wanderer auf Einhaltung der versprochenen „Vorteile“ wie Selbstverwaltung, Glaubens- freiheit, Befreiung vom Militär- und Zivil- einer Schilderung der Sitten und Gebräuche der Russen, vornehmlich in den asiatischen Provinzen. Zeitz u.a. 1802 (Nachdruck Bremen 1988, 1992). Ansiedlungsgebiete der Deutschen in Russland

Viktor Krieger Ein weiter Weg: Vom russischen …lmdr.de/wp-content/uploads/2017/12/Ein_weiter_Weg.pdf · wanderer auf Einhaltung der versprochenen „Vorteile“ wie Selbstverwaltung,

  • Upload
    lamdieu

  • View
    224

  • Download
    2

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Viktor Krieger Ein weiter Weg: Vom russischen …lmdr.de/wp-content/uploads/2017/12/Ein_weiter_Weg.pdf · wanderer auf Einhaltung der versprochenen „Vorteile“ wie Selbstverwaltung,

1

Viktor Krieger

Ein weiter Weg:Vom russischen Kolonisten zum BundesbürgerWir alle wissen, dass aktuelle Er-

eignisse ohne einen historischen Hintergrund kaum zu verstehen

sind und daher oft falsch interpretiert wer-den. Zunächst möchte ich die Entstehung der russlanddeutschen Volksgruppe skiz-zieren, um die grundsätzliche Frage zu be-antworten: Wer sind eigentlich die Russ-landdeutschen, um welchen Personenkreis handelt es sich?

Unter der heutzutage am häufigsten be-nutzten Selbst- und Fremdbezeichnung Russlanddeutsche versteht man vor allem Nachkommen der handwerklich-bäuerlichen Einwanderer des 18. und 19. Jahrhunderts, die aus Zentral- und Westeuropa, vornehm-lich aus den deutschen Kleinstaaten, im Zuge der russischen Kolonisationspolitik angewor-ben und in verschiedenen Gegenden des Za-renreiches angesiedelt wurden. Dieser Perso-nenkreis bildet auch den überwiegenden Teil derjenigen, die als Aussiedler bzw. Spätaus-siedler aus der UdSSR und ihren Nachfolge-staaten vor allem seit Ende der 1980er Jahre nach Deutschland gekommen sind.

Behördlicherseits wurde im Russischen Reich von Anfang an der Begriff Kolonist bzw. ausländischer Kolonist verwendet; die von den angeworbenen Einwanderern ge-gründeten ländlichen Orte hießen Kolo-nien. Auch die Siedler bezeichneten sich selbst als Kolonisten oder – in Abgrenzung zu anderen Einwanderergruppen aus dem Ausland wie Griechen, Bulgaren oder Ga-gausen, die ebenfalls als Kolonisten galten – als deutsche Kolonisten.1 Weil sie recht-lich als Kronkolonisten fungierten und zum Bestandteil der gezielten russischen Ansied-lungspolitik gehörten, traten sie faktisch als russische Kolonisten auf.2

1 Zur Begrifflichkeit siehe den Teil „Im Definitionsd-schungel“ des Dossiers über Russlanddeutsche im Portal der Landeszentrale für Politische Bildung Ba-den-Württemberg: http://www.landeskunde-ba-den-wuerttemberg.de/russlanddeutsche_baden_wu-erttemb.html

2 So wurde etwa das wohl bekannteste Werk eines aus Russland zurückgekehrten Siedlers benannt: Christian Gottlob Züge: Der russische Colonist oder Christian Gottlob Züge‘s Leben in Russland. Nebst

Selbstverständnis der Siedlerund ihrer NachkommenFür das nationalkulturelle Selbstverständnis der russlanddeutschen Minderheit ist bis heute der Umstand maßgebend, dass ihre Vorfahren seit Katharina II. in das Russi-sche Reich zur Kultivierung und Besiedlung der wenig erschlossenen Gegenden „beru-fen“ wurden, um den Zaren bzw. dem Staat zu „dienen“.

Somit entstand eine Rechts- und Ver-tragsgemeinschaft, die auf wechselseitigen Pflichten und Rechten beruhte. Von den an-geworbenen Siedlern wurde Loyalität zum herrschenden Haus, Staatspatriotismus, Ge-setzestreue und nicht zuletzt eine dem Staat Nutzen bringende Produktivität erwartet.

Auf der anderen Seite pochten die Ein-wanderer auf Einhaltung der versprochenen „Vorteile“ wie Selbstverwaltung, Glaubens-freiheit, Befreiung vom Militär- und Zivil-

einer Schilderung der Sitten und Gebräuche der Russen, vornehmlich in den asiatischen Provinzen. Zeitz u.a. 1802 (Nachdruck Bremen 1988, 1992).

Ansiedlungsgebiete der Deutschen in Russland

Page 2: Viktor Krieger Ein weiter Weg: Vom russischen …lmdr.de/wp-content/uploads/2017/12/Ein_weiter_Weg.pdf · wanderer auf Einhaltung der versprochenen „Vorteile“ wie Selbstverwaltung,

2

dienst sowie sprachlich-kulturelle Selbst-bestimmung. Gleichzeitig nahm man für sich das Recht auf eine freie Auflösung des „Dienstverhältnisses“ bzw. die Aufkündi-gung der Verpflichtungen in Anspruch, wenn der Herrscher oder die Regierung sei-nen/ihren Zusagen nicht nachkam, die Ver-tragsbedingungen einseitig verletzte oder Gesetze missachtete.

Dieses Recht beinhaltete nicht nur eine Auswanderungsoption, sondern auch solche legitimen Reaktionen wie nonkonformisti-sches Verhalten, gewaltfreier Protest bis hin zum bewaffneten Widerstand. Ein derarti-ges Selbstverständnis wird in der Geschichte der Russlanddeutschen stets eine zentrale Rolle spielen.3

Die geographischen Schwerpunkte der Ansiedlung waren das Wolga- und Schwarz-mehrgebiet, einschließlich Bessarabien, fer-ner Wolhynien. Bis in die 1930er Jahre verstand man sich in erster Linie als Wolga-deutsche, Schwarzmeer- oder Ukrainedeut-sche, Bessarabiendeutsche, Wolhynien- und Kaukasusdeutsche. Ebenso wichtig war der konfessionelle Faktor: Es handelte sich um katholische, evangelische, reformierte oder mennonitische Siedler, später breiteten sich unter ihnen zahlreiche freikirchliche Deno-minationen aus.

Im russischen Vielvölkerstaat wurde lange Zeit nicht verlangt, dass die ausländi-schen Einwanderer – ähnlich wie zahlreiche russländische Völker – die russische Spra-che und Sitten übernahmen. Wichtig für die Herrscher waren Produktivität und Loyali-tät.

Produktivität hieß, sich selbst ein ausrei-chendes Auskommen zu erwirtschaften und Steuern zu zahlen. Unter Loyalität verstand man Kaiser- und Gesetzestreue. Konfes-sion, Herkunft und Sprache galten als weit-gehend zweitrangig.4 Aus dieser Sicht waren die deutschen Kolonisten eine der am besten integrierten Ethnien im Zarenreich.

Von diesen Vorstellungen einer Rechts- und Vertragsgemeinschaft auf Gegenseitig-keit ausgehend, reagierten die deutschen Siedler fassungslos auf die diskriminieren-den Maßnahmen im Ersten Weltkrieg, auf die haltlosen Verratsbeschuldigungen, die Deportationen aus den frontnahen Gebie-ten, die Liquidation ihres Grundbesitzes und insgesamt auf die germanophobe Poli-tik der Kriegsjahre, obwohl sie sich vollkom-men loyal und patriotisch verhielten.5

3 Viktor Krieger: Kolonisten, Sowjetdeutsche, Aus-siedler. Eine Geschichte der Russlanddeutschen. Bonn 2015, S. 8-10.

4 Andreas Kappeler: Russland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall. München 1993, u.a. S. 54-55.

5 Germanophobie im Russischen Reich und in der So-wjetunion, in: Viktor Krieger: Bundesbürger russ-landdeutscher Herkunft: Historische Schlüsselerfah-rungen und kollektives Gedächtnis. Berlin, Münster 2013, S. 141-168, hier S. 143-149.

Mehr noch, Zehntausende Wolga- und Schwarzmeerdeutsche kämpften als russi-sche Soldaten an der Front gegen Deutsch-land und seine Verbündeten.

Enthusiastisch wurde daher die bürgerli-che Februarrevolution 1917, der Übergang Russlands zu einer demokratischen parla-mentarischen Republik begrüßt, deren pro-visorische Regierung mit Alexander Ke-renski an der Spitze alle nationalen und konfessionellen Beschränkungen aufhob. Dies wurde deshalb als eine Rückkehr zu den vormals gültigen „Vertragsbedingun-gen“ aufgefasst.6

Unterdrückungen und Verfolgungenim sozialistischen EinparteienstaatUdSSRDie Mehrheit der einstigen Kolonisten stand allerdings den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zielen der Bolsche-wiki, die im November (nach dem damals offiziell gültigen julianischen Kalender im Oktober) 1917 unter Anführung von Wla-dimir Lenin in Russland die Macht ergriffen, skeptisch bis ablehnend gegenüber.

Dies betraf vor allem die geplante Sozi-alisierung von Grund und Boden, d.h. die Enteignung des Grundbesitzes und die ge-plante Kollektivierung der Bauernwirtschaf-ten. Besorgniserregend wirkten ferner eine dezidiert antireligiöse Politik und die Ver-folgung von aktiven Gläubigen und Pries-tern, das Verbot wirtschaftlicher, karitativer und anderer Selbstorganisationen und der freien Presse, die Verstaatlichung des Han-dels, der Betriebe, Fabriken, Banken etc.7

Insgesamt bedeutete dies einen radikalen Bruch mit dem bisher (bis 1914) gültigen „Vertrag auf Gegenseitigkeit“, eine einsei-tige Aufkündigung der den Siedlern zuge-

6 Abraham Kröker: Die schweren Zeiten in der Ge-schichte der russischen Deutschen, in: Christlicher Familien-Kalender für das Jahr 1918. Red. Abra-ham Kröker. Molotschansk/Halbstadt in Taurien [1917], S. 102-112.

7 Krieger (2015), S. 84-90.

sicherten Rahmenbedingungen ihrer Exis-tenz.

Dagegen leisteten die meisten Deutschen Widerstand, umso mehr, als die rücksichts-losen Lebensmitteleintreibungen Anfang der zwanziger Jahre zu einer beispiellosen Hungerkatastrophe in vielen Teilen Sow-jetrusslands führte. Allein unter den Wolga-deutschen waren nicht weniger als 100.000 Hunger- und Seuchenopfer zu beklagen.8

In beinahe aussichtsloser Verzweiflung griffen die Siedler zum ersten Mal in ihrer Geschichte zu den Waffen, um ihr Recht auf Leben, auf Unversehrtheit der Person und auf den gesetzmäßigen und unter vielen Op-fern erworbenen Privatbesitz zu verteidigen. Ähnlich wie bei anderen russländischen Völkern äußerte sich ihr antibolschewisti-scher Widerstand in zahlreichen Bauern-aufständen und -unruhen.9

Nach 1917 breitete sich zunächst auf be-hördlicher Ebene die neue Bezeichnung So-wjetdeutsche aus. Versehen mit einer aus-drücklich ideologischen Komponente, sollte sie eine Abgrenzung zur alten Zarenzeit bzw. zu den anderen Deutschen im Ausland sig-nalisieren. Offiziell war auch die Rede von „sowjetischen Bürgern deutscher Nationa-lität“.10

Vor allem während des Stalinismus erleb-ten die sowjetdeutschen Bürger Hungerka-tastrophen, zahlreiche Verfolgungen ihrer einst wohlhabenden Schichten und der be-kennenden Christen unter ihnen; in den Jahren des Großen Terrors 1937/38 muss-

8 Vgl. hierzu: Peter Mühlens: Die russische Hunger- und Seuchenkatastrophe in den Jahren 1921-1922, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankhei-ten 99 (1923), S. 1-45.

9 Johann Lauer: Erlebnisse der deutschen Kolonis-ten im Schwarzmeergebiet. Teil 1. Mein Lebenslauf. Wir deutsche Kolonisten gegen den Kommunismus. Temeschburg [nach 1934]; Aktiver und passiver Widerstand zwischen 1917 und 1941, in: Krieger (2013), S. 99-122.

10 Im Definitionsdschungel: http://www.landeskun-de-baden-wuerttemberg.de/russlanddeutsche_baden_wuerttemb.html

Verhungernde Kinder in Marxstadt, Wolgadeutsches Gebiet, 1921.

Page 3: Viktor Krieger Ein weiter Weg: Vom russischen …lmdr.de/wp-content/uploads/2017/12/Ein_weiter_Weg.pdf · wanderer auf Einhaltung der versprochenen „Vorteile“ wie Selbstverwaltung,

3

ten sie eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Verhaftungen und Ermordungen erdul-den; Zehntausende wanderten in die Strafla-ger des GULag.

Diese Entwicklung gipfelte während des Krieges mit Hitler-Deutschland im berüch-tigten Regierungserlass vom 28. August 1941, der die schon seit mehreren Genera-tionen im Land lebenden Personen deut-scher Herkunft zu Feinden des Sowjetstaa-tes erklärte. Daraufhin folgten Entzug der Bürgerrechte, umfassende Deportationen, Konfiskationen und wirtschaftliche Aus-plünderung sowie Aushebung von Jugend-lichen, Frauen und Männern zur Zwangsar-beit. Bis 1955 standen sie als Sondersiedler mit stark beschnittenen Bürgerrechten unter der Aufsicht der Sonderkommandanturen des Innenministeriums.11

Die Erinnerungskultur der Russland-deutschen ist deshalb maßgeblich von Aus-grenzungs-, Leidens- und Opfererfahrun-gen geprägt: Jahrzehntelange Verfolgungen, Diskriminierungen und germanophobe Propaganda haben nahezu alle Vertreter der deutschen Minderheit in Mitleidenschaft

11 Victor Dönninghaus: Minderheiten in Bedrängnis. Sowjetische Politik gegenüber Deutschen, Polen und anderen Diaspora-Nationalitäten 1917-1938. Mün-chen 2009, v.a. S. 466-575; Viktor Krieger: Bun-desbürger russlanddeutscher Herkunft: Historische Schlüsselerfahrungen und kollektives Gedächtnis. Berlin, Münster 2013, v.a. S. 21-70.

gezogen. Jeder Familienverband blickt auf eine lange Liste enteigneter, deportierter, strafrechtlich verurteilter oder ermordeter Vorfahren zurück.

Von allen Enteignungs-, Verbannungs- und Repressionsmaßnahmen des Sowjet-staates waren sie überproportional betrof-fen: Eher niedrig angesetzten Schätzungen der Opferzahlen zufolge sind im Zeitraum von 1917 bis 1948 etwa 480.000 deutsche Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer erschossen worden, sie erfroren, verhunger-ten oder starben an Entkräftung und Krank-heiten aller Art. Für eine Ethnie, die Anfang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts lediglich um die 1,35 Millionen Menschen zählte, ist dies eine gravierende Zahl. Unter allen Völkern und Minderheiten der einsti-gen UdSSR waren es die Russlanddeutschen, die mit Abstand am meisten unter der Sow-jetherrschaft litten.12

Erst die Verfolgungswelle nach 1941 führte zu einer übergreifenden, über alle geographischen, konfessionellen und ideo-logischen Schranken hinweg gehenden Schicksalsgemeinschaft. Unvergessen blieb aber auch die Erinnerung an die kurzlebige Existenz der Autonomen Republik der Wol-gadeutschen in der Zwischenkriegszeit, in

12 Chronologie der antideutschen Maßnahmen im Rus-sischen Reich bzw. in der UdSSR neben der Opferbi-lanz, in: Krieger (2013), S. 238-243.

der sie als Titularnationalität an den posi-tiven Seiten der sowjetischen Nationalitä-tenpolitik teilhaben durften: Förderung der nationalen Kader, deutschsprachiges Schul- und Hochschulwesen, nationale Museen und Theater, politische Repräsentanz auf allen Ebenen der Macht.13

Nach Stalins Tod im März 1953 und der einsetzenden, vorsichtigen Liberalisie-rung wurden auch die Rechtsbeschneidun-gen der Sowjetdeutschen Schritt für Schritt zurückgenommen. Schließlich hob der Er-lass vom 13. Dezember 1955 das Regime der Sonderkommandantur auf. Allerdings verbot er ausdrücklich die Rückkehr an jene Orte, aus denen sie ausgesiedelt wor-den waren, und schloss die Rückgabe des konfiszierten Vermögens unmissverständ-lich aus.14

Die durch Deportationen und erzwun-gene Bevölkerungsverschiebungen her-beigeführten Enteignungen sowie das er-zwungene Leben in den Verbannungsorten wurden dadurch weitgehend zementiert:

13 Viktor Krieger: Wolgadeutsche ASSR, in: On-line-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2015 https://ome-lexikon.uni-oldenburg.de/regionen/wol-gadeutsche-assr/

14 Deportation, Sondersiedlung, Arbeitsarmee. Deut-sche in der Sowjetunion 1941 bis 1956. Hgg. von Alfred Eisfeld und Victor Herdt. Köln 1996, S. 454-455.

Siedlungsgebiete der deutschen Minderheit nach 1941.

Page 4: Viktor Krieger Ein weiter Weg: Vom russischen …lmdr.de/wp-content/uploads/2017/12/Ein_weiter_Weg.pdf · wanderer auf Einhaltung der versprochenen „Vorteile“ wie Selbstverwaltung,

4

Etwa 90% der Deutschen wohnten bis zur Auflösung der UdSSR hinter dem Ural, im asiatischen Teil des Landes. Immerhin waren hier regionale Wanderbewegungen möglich: Nach 1955 zogen Hunderttausende aus den sibirischen und uralischen Deporta-tions- und Lagergegenden nach Kasachstan und in andere zentralasiatische Unionsre-publiken, in denen Ende der 1980er Jahre mehr als die Hälfte (55%) des Zwei-Millio-nen-Volkes lebte.15

Wenn auch seither das Alltagsleben we-niger bedrückend wirkte und eine begrenzte Orts- und Berufswahl gestattet war, fehlte es in der Sowjetunion der Nachkriegszeit an einer substanziellen finanziellen, politi-schen, rechtlichen und nicht zuletzt morali-schen Rehabilitierung.

Als sichtbare Vertreter derjenigen Na-tion, die gegen die Sowjetunion den langjäh-rigen, verlustreichen Krieg entfesselt hatte, fungierte die Minderheit weiterhin als be-vorzugtes Ziel antideutscher Ressentiments der Nachbarn, Kollegen oder Vorgesetzten. Ihre Geschichte wurde in Schulbüchern und wissenschaftlichen Untersuchungen, in Massenmedien und musealen Ausstellungen konsequent verschwiegen und ausgeblendet. Die Objekte materieller und geistiger Kul-tur in den einstigen Siedlungsgebieten der Deutschen im europäischen Teil der Sowje-tunion fielen gezielter Vernichtung und Ver-nachlässigung zum Opfer.16

In ihren neuen sibirischen und zent-ralasiatischen Wohnorten wurden keine in-terethnischen Konflikte registriert. Mit den Nachbarn kamen sie offensichtlich gut aus. In der Regel wurden sie von Kollegen und Vorgesetzten als zuverlässige und fleißige Arbeitskräfte geschätzt. Die Zahl der „Mi-schehen“, in der überwiegenden Mehrheit mit russischen und ukrainischen Partnern, nahm seit der Aufhebung ihres Sondersied-lerstatus beständig zu.

Dies waren deutliche Zeichen einer fort-geschrittenen sprachlichen Assimilation und kulturellen Anpassung an die dominie-rende sowjetrussische Umgebung.

Viele Deutsche können über positive Sei-ten des persönlichen Miteinanders mit turk-sprachigen Nachbarn oder Arbeitskollegen mit islamkulturellem Hintergrund in Kasach-stan, Kirgisien, Tadschikistan oder Usbekis-tan berichten. Aber das Leben innerhalb der gesamtgesellschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen dieser Titularnationa-litäten war zutiefst enttäuschend: die allge-genwärtige Korruption, das vorherrschende, tief verwurzelte Stammes- und Clandenken, die Patron-Klientel-Mechanismen, die die formale Rechtsordnung praktisch zu einer bloßen Hülle verkommen ließen, die offen-

15 Krieger (2015), S. 144.

16 Germanophobie im Russischen Reich und in der So-wjetunion, in: Krieger (2013), S. 141-168, hier S. 158-166.

sichtliche Bevorzugung von Angehörigen der Titularnationalität beim Studienzugang, bei staatlichen Auszeichnungen oder bei der Besetzung wichtiger Positionen in der Partei oder im Staatsapparat.17

Nonkonformes Verhaltender Russlanddeutschen18

Die Reaktionen der Deutschen auf die feh-lende Wiedergutmachung, auf alltägliche Diskriminierungen und die weit verbrei-

17 Vgl. hierzu exemplarisch: Viktor Krieger: Kasachs-tan, in: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2015 https://ome-lexikon.uni-oldenburg.de/laender/kasachstan/

18 Resistenz und Protest in der Nachkriegszeit, in: Krieger (2013), S. 123-140.

tete Germanophobie fiel unterschiedlich aus: Ein Teil strebte die Übersiedlung nach (West)Deutschland an. Bis 1986 erwirkten nur 95.107 Personen die Erlaubnis der sow-jetischen Behörden, im Rahmen der Fami-lienzusammenführung als Aussiedler in die Bundesrepublik auszureisen.19

Um ihr Ziel zu erreichen, nahmen die Ausreisewilligen viele Entbehrungen und

19 Errechnet nach: Susanne Worbs et al.: (Spät-)Aus-siedler in Deutschland. Eine Analyse aktueller Daten und Forschungsergebnisse. Bonn 2013 (For-schungsbericht, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 20), S. 31. Die Untersuchung ist auch on-line zugänglich: https://www.bmi.bund.de/Sha-redDocs/Downloads/DE/Broschueren/2013/spae-taussiedler-in-deutschland.pdf? blob=publication-File

Reste der verwahrlosten ev.-luth. Kirche in dem einstigen wolgadeutschen Dorf Messer (russ. Ust-Salicha), Gebiet Saratow.

Demonstration ausreisewilliger Russlanddeutscher am 31. März 1980 auf dem Roten Platz in Moskau.

Page 5: Viktor Krieger Ein weiter Weg: Vom russischen …lmdr.de/wp-content/uploads/2017/12/Ein_weiter_Weg.pdf · wanderer auf Einhaltung der versprochenen „Vorteile“ wie Selbstverwaltung,

5

behördliche Schikanen bis hin zur straf-rechtlichen Verfolgung in Kauf.20

Die Mehrheit der sowjetischen Deut-schen indes passte sich dem unvermeidli-chen Schicksal an und versuchte, das Beste aus den gegebenen Umständen zu machen. Nicht wenige hofften allerdings auf den Sieg der Gerechtigkeit und machten sich für die Wiederherstellung der Autonomen Wolga-republik stark. Denn in der UdSSR – wie auch in der heutigen Russländischen Föde-ration – waren und sind politische Interes-senvertretung, lokale Selbstverwaltung und sprachlich-kulturelle Förderung einzelner Nationalitäten an das Vorhandensein einer territorialen Autonomie gebunden.21

Ab Mitte der 1950er Jahre erfasste grö-ßere Teile der deutschen Bevölkerung eine Welle der Besinnung und Rückkehr zu reli-giösen Werten, die in diesem Ausmaß wohl einmalig in der UdSSR war. Die psychische Last der ungesühnten stalinistischen Ver-brechen und spürbare antideutsche Feind-seligkeiten führten neben dem Leid und der Trauer um die umgekommenen Angehöri-gen dazu, dass sie sich überdurchschnittlich häufig in religiösen Gemeinden verschiede-ner Glaubensrichtungen wiederfanden.

In der Sowjetunion, in der die marxis-tisch-leninistische Ideologie als einzige of-fizielle Staats- und Parteidoktrin galt, be-deutete ein öffentliches Bekenntnis zum Glauben eine herausfordernde Brüskie-rung und wurde als schwerwiegender Ver-stoß gegen die bestehende Ordnung auf-gefasst. Hunderte Prediger und einfache Gläubige, vor allem aus dem Kreis der sog. Initiativ-Baptisten und anderer freikirchli-cher Vereinigungen, büßten mehrere Jahre in Straflagern für ihren Glauben und ihre religiöse Aktivitäten; Zigtausende erlebten administrative Übergriffe und polizeiliche Gewalt, gesellschaftliche Ächtung und Aus-grenzung, wurden mit hohen Geldstrafen belegt.22

Erst die Perestroika-Zeit schuf gewisse Voraussetzungen zur Lösung des „deut-schen Problems“: Vor allem in dem vom russischen Parlament am 26. April 1991 an-genommenen Gesetz „Über die Rehabilitie-rung der repressierten Völker“ wurde die russlanddeutsche Volksgruppe unmissver-

20 Bürger deutscher Herkunft, die in der Sow jetunion wegen Ausreiseforderung nach Deutschland seit 1972 verhaftet und verurteilt wurden], in: Eduard Deibert: Zusammenfassung der Gefangenenliste der Deutschen in und aus der Ex-UdSSR. Nr. 1-Nr. 9 (1984‒1988). Typoskript. Bochum 1996, S. 4-8.

21 Vgl. hierzu: Historische Hintergründe und aktuelle Lage der deutschen Minderheit. Eine Denkschrift, in: Krieger (2013), S. 189-233, v.a. S. 209-212, 218-223.

22 Bürger deutscher Herkunft, die in der Sowjetunion wegen ihres Glaubens inhaftiert und verurteilt wur-den], in: Deibert (1996), S. 9-14; Viktor Fast, Jakob Penner: Wasserströme in der Einöde. Die Anfangs-geschichte der Mennoniten-Brüdergemeinde Karag-anda. 1956‒1968. Steinhagen 2007, v.a. S. 169-240.

ständlich als Opfer des Stalinismus aner-kannt, die „der Politik der Verleumdung und des Genozids auf staatlicher Ebene“ ausge-setzt war. Diese offizielle Anerkennung ihrer leidvollen Opfergeschichte ging mit der ge-setzlich verankerten Verpflichtung einher, eine umfassende Wiedergutmachung sowie die „Wiederherstellung ihrer territorialen Integrität“ zu leisten.23

Auf der anderen Seite hat der bundes-deutsche Staat als Rechtsnachfolger des Dritten Reiches die Verantwortung für die missliche Lage der deutschen Minderheit in Osteuropa übernommen und ihr Kriegsfol-genschicksal anerkannt. Die historischen, rechtlichen, politischen, finanziellen und nicht zuletzt moralischen Verpflichtungen beider Staaten prägen bis heute das histori-sche Bewusstsein der Betroffenen.

Leider konnte sich die russländische Staatsführung, ähnlich wie zuvor die Uni-onsregierung, nicht zu einer rechtsstaat-lichen Lösung des deutschen Problems durchringen. Die meisten Vertreter die-ser marginalisierten Volksgruppe waren schließlich nicht mehr bereit, ihren Status als Personen minderen Rechts auch nach dem Zerfall der UdSSR widerspruchslos hinzunehmen, und siedelten in die Bundes-republik über.

Zu diesem Entschluss trugen auch die wachsende Islamisierung, der zunehmende Nationalismus im Zuge der Nationalstaats-gründungen, damit einhergehende inter-ethnische Konflikte sowie weitere, bereits angesprochene Problemlagen in den zent-ralasiatischen Staaten bei.24

Die Bundesrepublik und dierusslanddeutsche MinderheitDie Nachkriegszeit in der Bundesrepub-lik wurde maßgeblich von der Kriegsfol-genbewältigung geprägt. Hierzu zählte u.a. die Integration von Millionen vertriebenen Reichs- und Volksdeutschen. Im Grundge-setz kam diese Problematik in Form von Pa-ragraph 116, Abs. 1, zum Ausdruck:

(1) Deutscher im Sinne dieses Grund-gesetzes ist vorbehaltlich anderweiti-ger gesetzlicher Regelung, wer die deut-sche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehe-gatte oder Abkömmling in dem Gebiete

23 Viktor Krieger, Herbert Küpper: Rehabilitierung, in: Lexikon der Vertreibungen. Deportation. Zwangs-aussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts. Herausgegeben von: Det-lef Brandes, Holm Sundhaussen und Stefan Tro-ebst. Bearbeitet von Kristina Kaiserová, Krzysztof Ruchniewicz und Dmytro Myeshkov. Wien, Köln, Weimar 2010, S. 539-544.

24 Vgl. hierzu: Machtmosaik Zentralasien. Traditio-nen, Restriktionen, Aspirationen. Hgg. von Man-fred Sapper, Volker Weichsel, Andrea Huterer. Bonn 2007.

des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme ge-funden hat.

Die noch gesamtdeutsch durchgeführte Volkszählung im Jahr 1950 registrierte 51.200 Deutsche in der BRD und 11.000 in der DDR, die vor 1939 ihren Wohnsitz in der UdSSR hatten (es handelte sich um sol-che Schwarzmeerdeutsche bzw. Ukraine- Deutsche, die 1941 unter die Besatzung gerieten und dann als eingebürgerte Volks-deutsche nach Westen flohen).25

Die Aussiedlerfrage ist somit aus den his-torischen und politischen Verpflichtungen Nachkriegsdeutschlands entstanden, das als Rechtsnachfolger des Dritten Reiches seinen Teil der Verantwortung für die bedrängte Lage der deutschen Minderheiten in den osteuropäischen Staaten übernommen hat.

Das Bundesvertriebenen- und Flücht-lingsgesetz (BVFG) aus dem Jahr 1953 bildet bis heute – neben weiteren Rechtsakten wie dem Lastenausgleichs- oder Fremdrentenge-setz – den Kern des sog. Kriegsfolgenrechts. Es schafft einen verwaltungstechnischen Rahmen, wie die Wiedergutmachungs- bzw. Kompensationsleistung der bundesdeut-schen Gesellschaft auf dem Wege der Kriegs-folgenbewältigung zu erbringen ist.26

Diese Verpflichtung, eine staatsrechtli-che, soziale, moralische und nicht zuletzt die finanzielle Entschädigung für das er-littene Unrecht zu leisten, betraf insbeson-dere die deutsche Minderheit in der Sowjet-union, die am schwersten unter den Folgen der NS-Politik leiden musste.

Führende deutsche Politiker bekräftigten diese Absicht, darunter die Kanzlerin An-gela Merkel und Wolfgang Schäuble, noch als Bundesminister des Innern:27

Wir bekennen uns in Deutschland un-missverständlich auch zur Verantwortung für diejenigen, die als Deutsche in diesen Gebieten unter den Folgewirkungen des Zweiten Weltkrieges gelitten haben – un-abhängig davon, ob diese Menschen in ihrer Heimat bleiben oder nach Deutsch-land kommen wollen. (A. Merkel)

25 Alfred Bohmann: Menschen und Grenzen, Bd. 3: Strukturwandel der deutschen Bevölkerung im so-wjetischen Staats- und Verwaltungsbereich, Köln 1970, S. 104; Heike Amos: Vertriebenenverbände im Fadenkreuz. Aktivitäten der DDR-Staatssicherheit 1949 bis 1989. München 2011, S. 6.

26 Dieser Tatbestand ist recht prägnant ge-schildert bei Michael Bommes: Migration und Lebenslauf: Aussiedler im nationalen Wohlfahrtsstaat, in: Sozialwissenschaf-ten und Berufspraxis 23 (2000), 1, S. 9-28, online: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:-de:0168-ssoar-37132

27 Aussiedler- und Minderheitenpolitik in Deutsch-land. Bilanz und Perspektiven. Hgg. von Christoph Bergner und Matthias Weber. München 2009, S. 10, 17-18.

Page 6: Viktor Krieger Ein weiter Weg: Vom russischen …lmdr.de/wp-content/uploads/2017/12/Ein_weiter_Weg.pdf · wanderer auf Einhaltung der versprochenen „Vorteile“ wie Selbstverwaltung,

6

Die besondere Hilfsbereitschaft für die Deutschen in den Ländern Osteuropas war zwar grundgesetzlich geboten, sie blieb Teil der Aufarbeitung der Folgen des Zweiten Weltkrieges und damit auch eine moralische Verpflichtung. (W. Schäuble)

Christoph Bergner (CDU), der Beauf-tragte der Bundesregierung für Aussied-lerfragen und nationale Minderheiten in den Jahren 2006-2013, brachte es auf den Punkt:28

Die Aussiedlerpolitik beansprucht in-nerhalb der Zuwanderungspolitik eine Sonderstellung, denn sie ist Teil des Be-mühens der Bundesregierung, sich der nationalen Verantwortung Deutschlands für die Bewältigung der Folgen des Zwei-ten Weltkrieges zu stellen.Bei dieser Kriegsfolgenbewältigung geht es einerseits um Versöhnung und Wieder-gutmachung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus und der Hitlerschen Aggressionskriege.Es geht aber auch um Solidarität mit Deutschen, die von den Folgen von Krieg Gewaltherrschaft besonders betroffen waren.Eine solche Solidaritätsverpflichtung be-steht für die Deutschen in den Ländern Osteuropas und der ehemaligen Sowjet-union, die infolge des Krieges wegen ihrer Volkszugehörigkeit schwere Lasten zu tragen hatten. Sie gilt besonders für die Deutschen der Nachfolgestaaten der So-wjetunion, bei denen das Kriegsfolgen-schicksal am längsten nachwirkte und die noch immer auf eine abschließende ge-setzliche Rehabilitierung durch das russi-sche Parlament warten. […] Die deutsche Bundesregierung steht damit auch zukünftig in einer besonderen Ver-pflichtung gegenüber den deutschen Min-derheiten in den Herkunftsgebieten der Aussiedler, die sie gemeinsam mit den Re-gierungen der Titularnationen wahrneh-men und gestalten soll.Somit basiert die Aussiedlerpolitik der

Bundesrepublik unmissverständlich nicht auf einer „ethnischen Privilegierung“ deutschstämmiger Personen fremder Staats-angehörigkeit, wie es so oft in den Massen-medien und in wissenschaftlichen Publika-tionen zu lesen ist. Sie folgt auch nicht den Prämissen der völkischen Ideologie, wie es wiederholt aus links-liberalen Kreisen tönt. Ausschlaggebend für eine Aussiedlerei-genschaft ist das Kriegsfolgenschicksal der Betroffenen und nicht die Abstammung, Sprache oder Kultur.

Solch ein Schicksal weisen bei weitem nicht alle „Deutschstämmigen“ weltweit auf, sondern nur solche Personen, die als Deut-sche in osteuropäischen Staaten verfolgt und

28 Ibid., S. 24-25.

diskriminiert wurden, nämlich dort, wo in-folge der NS-Eroberungs- und Vernich-tungspolitik das Leben von deutschen Min-derheiten stark in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Darüber hinaus richtet sich die bun-desdeutsche Kompensationsabsicht nicht unterschiedslos an alle Deutsche in den betroffenen osteuropäischen Ländern; aus-geschlossen werden solche Personen, die von der nationalsozialistischen oder kom-munistischen Gewaltherrschaft und Gesell-schaftsordnung besonders profitiert oder ihr Vorschub geleistet haben.29

So entstand ab 1953 (faktisch schon ab1950) die gesetzliche Konstruktion des Aussiedlers bzw. seit 1993 des Spätaus-siedlers. Bis heute hält sich in breiten ge-sellschaftlichen Kreisen allerdings die Mär, Kanzler Helmut Kohl habe ihre Übersied-lung ermöglicht oder, noch besser, „die Tore nach Deutschland eröffnet“.30

Hier sind Ursachen und Wirkungen or-dentlich durcheinander geraten. In Wirk-lichkeit hat erst der Umbruch in der dama-ligen Sowjetunion, die Perestroika-Politik und die Demokratisierung der sowjetischen bzw. der russländischen Gesellschaft Hun-derttausenden Deutschen überhaupt erst er-möglicht, ihr Recht auf Übersiedlung wahr-zunehmen.

Helmut Kohl hat lediglich das geltende Recht umgesetzt und somit das Grundgesetz geachtet – ist das als Verdienst oder doch vielmehr als Selbstverständlichkeit eines amtierenden Bundeskanzlers zu werten?

Allerdings führten die wachsenden Aus-siedlerzahlen dazu, einschränkende Maß-nahmen zu ergreifen, um, wie sich die Po-litiker ausdrückten, „den Zuzug zu steuern“.

Zum 1. Juli 1990 trat das Aussiedlerauf-nahmegesetz in Kraft, wonach eine Antrag-

29 Ausschlussklausel in Paragraph 11 der Urfassung des BVFG (oder die Ausschlussklausel in Paragraph 5 der aktuellen Fassung, September 2013): Rechte und Vergünstigungen als Vertriebener kann nicht in Anspruch nehmen, wer

1. nach dem 31. Dezember 1937 erstmalig Wohnsitz in einem in das Deutsche Reich eingegliederten, von der deutschen Wehrmacht besetzten oder in den deutschen Einflussbereich einbezogenen Gebiet ge-nommen und dort die durch die nationalsozialisti-sche Gewaltherrschaft geschaffene Lage ausgenutzt hat oder

2. nach der Vertreibung in der sowjetischen Besat-zungszone oder im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin durch sein Verhalten gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit versto-ßen hat. Quelle: Bundesgesetzblatt, Teil 1 vom 22. Mai 1953, Nr. 22, S. 203-221, hier S. 204.

30 Exemplarisch hierzu der Artikel von Rüdiger Soldt: „Die Wut der Russlanddeutschen“ in der FAZ vom 11.2.2016, mit dem Zitat: „Und die Russlanddeut-schen waren bislang immer treue CDU-Wähler, aus Dankbarkeit, weil es Helmut Kohl war, der damals die Tore für sie öffnete“, on-line: http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/fluechtlingskri-se-die-wut-der-russlanddeutschen-14061209.htm-l?printPagedArticle=true#pageIndex_0

stellung nur aus dem Land, in dem man den ständigen Wohnsitz hat, erfolgen konnte. Der Antrag umfasste 54 Seiten und stellte eine akribische Erfassung der betreffenden Person und ihrer Familienangehörigen dar, mit einem beträchtlichen Dokumentenan-hang.31

Die Antragsteller mussten mehrere Jahre in ihren Wohnorten in Russland oder in an-deren GUS-Staaten ausharren, bis eine Ent-scheidung des Bundesverwaltungsamtes vorlag.

Durch das Kriegsfolgenbereinigungsge-setz vom 21. Dezember 1992 (ab 1. Januar 1993 in Kraft) wurde der Kreis potenzieller Aussiedler weiter eingeschränkt und eine jährliche Obergrenze von 220.000 einge-führt, um „die Akzeptanz der Bevölkerung“ zu sichern und eine Überlastung der auf-nehmenden Kommunen zu vermeiden, so die Politiker.

Eine entscheidende Neuerung bestand darin, dass Personen, die nach dem 1. Ja-nuar 1993 geboren sind, nicht „aus eige-nem Recht das Aufnahmeverfahren ein-leiten“ durften, worin einige Juristen einen möglichen Verfassungsbruch sehen, da der Gesetzgeber eine derartige Beendigung des (Spät)Aussiedlerzuzugs vorgenommen hat, die „dem Wortlaut des Art. 116, Abs. 1 des Grundgesetzes nicht zu entnehmen ist“. Ei-nige Jahre später (2000) wurde die Aufnah-me-Obergrenze auf 100.000 pro Jahr ge-senkt.

Im Jahr 1996 trat eine weitere gravie-rende Entscheidung in Kraft, die Kennt-nisse der deutschen Sprache zur wichtigsten Voraussetzung für die Aufnahme als (Spät)Aussiedler machte. Im Zuwanderungsgesetz aus dem Jahr 2005 wurde diese Regelung noch weiter verschärft, was zu einem star-ken Rückgang der Aussiedlerzahlen führte – waren es 2004 noch fast 60.000, so wur-den zwei Jahre später nur noch 7.700 auf-genommen.32

Somit vollzog die Exekutive einen schleichenden, wenn nicht sogar aus-höhlenden Prozess der Umdeutung des Grundgesetzgedankens: Weg vom Kriegs-folgenrecht, von der Wiedergutmachung, hin zu umfassenderen Integrationsvoraus-setzungen.

Bemerkenswert bei diesem Vorgehen ist der Umstand, dass all diese einschrän-kenden Maßnahmen, von der Obergrenze bis zum Sprachtest, der Antragsstellung im Herkunftsland bis zur Residenzpflicht in zugewiesenen Orten (Wohnortzuweisungs-

31 Der Antrag auf Aufnahme als Aussiedler ist abge-bildet bei Richard H. Walth: Strandgut der Welt-geschichte. Die Rußlanddeutschen zwischen Stalin und Hitler. Essen 1994, S. 421-448.

32 Jürgen Hensen: Zur Geschichte der Aussiedler- und Spätaussiedleraufnahme, in: Aussiedler- und Min-derheitenpolitik in Deutschland. Bilanz und Pers-pektiven. Hgg. von Christoph Bergner und Matthias Weber. München 2009, S. 47-61.

Page 7: Viktor Krieger Ein weiter Weg: Vom russischen …lmdr.de/wp-content/uploads/2017/12/Ein_weiter_Weg.pdf · wanderer auf Einhaltung der versprochenen „Vorteile“ wie Selbstverwaltung,

7

gesetz, wirksam 1996-2009) usw. nicht im weisungsgebenden Artikel 116, Abs. 1, des Grundgesetzes zu finden sind. Das war al-lein dem politischen Willen und der Inter-pretationskunst der handelnden regieren-den Akteure geschuldet.

Sicher war vieles davon auch vernünftig in Bezug auf ein schnelles Einleben in die aufnehmende Gesellschaft. Allerdings hat vor allem der Sprachtest die objektive Wirk-lichkeit einer deportierten und verstreu-ten, systematisch verfolgten und diskrimi-nierten Minderheit völlig ausgeblendet, da gerade der gewaltsame Verlust der Mutter-sprache und Kultur – vor dem Hintergrund der staatlichen Förderung der Nachbarvöl-ker – für viele die treibende Kraft war, die Sowjetunion bzw. die Staaten der GUS zu verlassen.

Schließlich reisten im Zuge des Aus-siedlerverfahrens seit 1950 bis 2016 genau 2.382.174 Personen aus der UdSSR bzw. den GUS-Staaten nach Deutschland aus.33

Die meisten kamen, beseelt von dem Wunsch, endlich als „Gleiche unter Glei-chen“ bzw. als „Deutsche unter Deutschen“ in einem freiheitlich und demokratisch ver-fassten Nationalstaat mit einer sozial- und marktwirtschaftlichen Ordnung leben zu dürfen, in dem ihr Kriegsfolgenschicksal öf-fentlich anerkannt und individuelle Leistun-gen gebührend honoriert werden. Sie hofften

33 Zusammengerechnet nach: Worbs et al. (2013), S. 31-33; Bundesverwaltungsamt, Jahresstatistiken zum Aussiedleraufnahmeverfahren für die Jahre 2013-2016: http://www.bva.bund.de/DE/Organisa-tion/Abteilungen/Abteilung_BT/Spaetaussiedler/sta-tistik/statistik - node.html

auf ein Leben in einem stabilen Rechtsstaat mit verlässlichen Institutionen, mit einem sicheren und gewaltfreien Alltag, in einem christlich geprägten Umfeld, kurzum, mit Zukunftsperspektiven für sich und vor allem für ihre Kinder und Enkelkinder.

Dazu war man bereit, sich in die Auf-nahmegesellschaft einzufügen, harte Arbeit – oft unter der persönlichen Qualifikation – zu verrichten und weitere Entbehrungen und Einschränkungen hinzunehmen. Viele gesetzliche Restriktionen wurden nahezu widerspruchslos angenommen, etwa die schon erwähnte Obergrenze, hohe Hürden für den Nachzug von Zurückge bliebenen, Residenzpflicht, Sprachtest, überwiegende Nichtanerkennung universitärer oder be-ruflicher Abschlüsse usw. Immerhin war das in der Vorstellung der meisten überge-siedelten Russlanddeutschen sozusagen ein – wenn auch imaginärer – Vertrag auf Ge-genseitigkeit.

In mehreren Studien um die 2010er Jahre wurde den russlanddeutschen Bundesbür-gern, insbesondere der zweiten und folgen-den Generationen, eine beinahe musterhafte Anpassungsleistung attestiert.34 Der Zuzug der Spätaussiedler hat sich inzwischen auf

34 Franziska Woellert et al.: Ungenutzte Potenziale. Zur Lage der Integration in Deutschland. Berlin 2009; Worbs et al. (2013); Franziska Woellert, Rei-ner Klingholz: Neue Potenziale. Zur Lage der Inte-gration in Deutschland. Berlin 2014. Die Publikati-onen von F. Woellert und R. Klingholz sind auf der Seite des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Ent-wicklung abrufbar: https://www.berlin-institut.org/ 35 Mikrozensus 2011: Ergebnisse dynamisch und individuell: https://ergebnisse.zensus2011.de/#dyn-Table:

einem geringen Niveau von etwa sechs- bis siebentausend pro Jahr eingependelt.

Mittlerweile befinden sich im wieder-vereinigten Deutschland ca. 2,5 Mio. Bür-ger russlanddeutscher Herkunft (anders-ethnische Familienmitglieder inbegriffen) verschiedener Generationen. Von der de-mographischen Größe her ist das mehr als drei Prozent der Bevölkerung der Bundes-republik; sie übertreffen die Einwohner-zahl einiger europäischer Staaten (Slowe-nien, Estland oder Lettland) und mehrerer Bundesländer. Die meisten Betroffenen, vor allem in der zweiten und folgenden Gene-ration, unterscheiden sich in ihren Wer-ten, ihrem Bildungsniveau und ihren ge-sellschaftlichen Aktivitäten kaum von den alteingesessenen Altersgenossen.

Die Ergebnisse des Mikrozensus 2011 lie-fern eine ausführliche Statistik über Perso-nen mit Migrationshintergrund, einschließ-lich der zugezogenen Personen aus den Staaten der ehemaligen UdSSR.35

Demnach waren in der Bundesrepublik zum Stichtag 9. Mai 2011 insgesamt 3,265 Mio. Personen der ersten und zweiten Ge-neration erfasst, die entweder selbst oder deren Eltern in der ehemaligen UdSSR bzw. ihren Nachfolgestaaten geboren sind. Von diesen 3,265 Mio. Personen sind 460.000 Ausländer und 2,805 Mio oder 86% deut-sche Staatsangehörige. Letztere stammen in ihrer überwältigenden Mehrheit, zu mehr als 90%, aus dem Kreis der einstigen (Spät)Aussiedler. Oben stehende Tabelle veran-schaulicht ihre Verteilung auf die Bundes-ländern.

Im Unterschied zu den meisten ande-ren Zuwanderungsgruppen (aus der Tür-kei, Italien, den Balkan- bzw. Nahostlän-

35 Mikrozensus 2011: Ergebnisse dynamisch und indi-viduell: https://ergebnisse.zensus2011.de/#dynTable:

Deutsche Aussiedler und Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion 1950 bis 2016(nach Angaben des Bundesverwaltungsamtes)

Herkunftsstaaten 2016Russische Föderation 3.035Kasachstan 2.332Ukraine 719Kirgisistan 137Weißrussland 133Moldau 63Usbekistan 53Georgien 32Armenien 19Turkmenistan 14Tadschikistan 13Aserbaidschan 12Litauen 9Lettland 1

1950 0 1968 598 1986 753 2004 58.728

1951 1.721 1969 316 1987 14.488 2005 35.396

1952 63 1970 342 1988 47.572 2006 7.704

1953 0 1971 1.145 1989 98.134 2007 5.706

1954 18 1972 3.420 1990 147.950 2008 4.301

1955 154 1973 4.493 1991 147.320 2009 3.292

1956 1.016 1974 6.541 1992 195.576 2010 2.297

1957 923 1975 5.985 1993 207.347 2011 2.092

1958 4.122 1976 9.704 1994 213.214 2012 1.782

1959 5.563 1977 9.274 1995 209.409 2013 2.386

1960 3.272 1978 8.455 1996 172.181 2014 5.613

1961 345 1979 7.226 1997 131.895 2015 6.096

1962 894 1980 6.954 1998 101.550 2016 6.572

1963 209 1981 3.773 1999 103.599

Insgesamt:2.382.174

1964 234 1982 2.071 2000 94.558

1965 366 1983 1.447 2001 97.434

1966 1.245 1984 913 2002 90.587

1967 1.092 1985 460 2003 72.289

Page 8: Viktor Krieger Ein weiter Weg: Vom russischen …lmdr.de/wp-content/uploads/2017/12/Ein_weiter_Weg.pdf · wanderer auf Einhaltung der versprochenen „Vorteile“ wie Selbstverwaltung,

8

dern usw.), von denen nur einige Prozente der Gesamtbevölkerung der Staaten nach Deutschland kamen, leben inzwischen mehr als 75% aller Russlanddeutschen in der Bundesrepublik. Somit sind ihre ge-samten 250-jährigen historischen Erfah-rungen ein Teil nicht nur der russischen, sondern auch der deutschen Geschichte ge-worden.

Ihre gesellschaftliche Akzeptanz war nie unumstritten, die mediale Berichterstattung zeichnete sie oft empathielos und vorurteils-verhaftet, nicht wenige Befunde von Krimi-nologen, Migrationsforschern oder Sozio-logen waren mit düsteren Prognosen und Vorhersagen behaftet, was das Einleben und die Zukunft dieser Menschen in der deut-schen Mehrheitsgesellschaft angeht.

Befremdlich wirkte auf die russland-deutschen Staatsbürger eine dezidiert ab-lehnende Haltung von Seiten des links-li-beralen bundesdeutschen Milieus.36 Stark irritiert war man von populistischen Atta-cken etwa im Wahlkampf des Jahres 1996, als Teile der SPD, angeführt von dem dama-ligen Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine, mit einer Stimmungsmache gegen Aus-siedler die wichtige Landtagswahl in Ba-den-Württemberg zu gewinnen suchten.37

Ihre historischen Erlebnisse und ihre Er-innerungskultur spielen in Deutschland in öffentlichen Diskursen kaum eine Rolle oder werden schlichtweg ignoriert. Die Di-mensionen der kommunistischen Massen-verbrechen in der Sowjetunion, und hier vor allem am Beispiel der Russlanddeutschen, werden in der Schule, in den Medien oder in gesellschaftlichen Debatten praktisch nicht thematisiert. Die fehlende öffentliche Anerkennung ihrer eigenständigen Erinne-rungskultur, der in „ Deutschland immer noch […] verbreitete Unwille, sowjetische Verbrechen als solche zu bezeichnen“38 be-hindert ihr vollständiges Heimischwerden.

36 Einige wenige Beispiele selbstkritischer Reflektionen zu dieser Problematik: Regina Römhild: Die Macht des Ethnischen: Grenzfall Rußlanddeutsche. Frank-furt/Main etc. 1998, v.a. S. 293-315; Dorothee Wier-ling: Deutsche aus Russland - Russen in Deutsch-land. Ein erfahrungsgeschichtlicher Blick auf Russlanddeutsche in der Bundesrepublik, in: Zeit-geschichte in Hamburg 2007. Hamburg 2008, S. 12-26, v.a. S. 23-24.

37 Arthur Heinrich: Eine Riesensauerei? Oskar Lafon-taines Aussiedlerfrage, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 4/1996, S. 391-394.

38 Zitat aus dem Artikel von Gerhard Gnauck: Russ-landblind, in: Die Welt, Nr. 148 vom 28. Juni 2017.

Verteilung der deutschen Staatsbürger aus dem sowjetischen bzw. postsowjetischen Raum auf die Bundesländer (nach Mikrozensus 2011)

Bundesland Absolute Zahl Anteil an der

Gesamtbevölkerung, in %

Anteil an der deut-schen Bevölkerung,

in %Nordrhein-Westfalen 750 140 4,3 4,7

Baden-Württemberg 494 330 4,7 5,3

Niedersachsen 382 000 4,9 5,2

Bayern 369 370 3,0 3,3

Hessen 231 920 3,9 4,4

Rheinland-Pfalz 202 700 5,1 5,5

Schleswig-Holstein 67 250 2,4 2,5

Berlin 64 210 2,0 2,2

Hamburg 50 050 3,0 3,4

Sachsen 40 550 1,0 1,0

Saarland 29 790 3,0 3,2

Bremen 28 580 4,4 5,0

Brandenburg 24 480 1,0 1,0

Thüringen 18 520 0,9 0,9

Sachsen-Anhalt 18 260 0,8 0,8

Meckl.-Vorpommern 13 620 0,9 0,9

Insgesamt 2 805 140 3,5 3,8