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[ Industrie 4.0 ] Fraunhofer IOSB www.iosb.fraunhofer.de ISSN 1616-8240 vis IT Essay Industrie 4.0 Maschinenbau der Zukunft Industrial Smart Grids Fabrik der Zukunft Intuitive Interaktion Condition Monitoring & Diagnose

visIT Industrie 4 - Fraunhofer · Industrie 4.0. Liebe Freunde des IOSB, dieses Heft steht unter dem Leitthema der Vierten Industriellen Revolution – für die produzierende Industrie,

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[ Industrie 4.0 ]

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www.iosb.fraunhofer.de

ISSN 1616-8240

vis ITEssay Industrie 4.0

Maschinenbau der Zukunft

Industrial Smart Grids

Fabrik der Zukunft

Intuitive Interaktion

Condition Monitoring &

Diagnose

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INHALT

vis IT Industrie 4.0

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Essay Industrie 4.0 Rainer Glatz, Geschäftsführer VDMA

Themen

Maschinenbau der ZukunftOlaf Sauer

Industrial Smart GridsJürgen Jasperneite, Peter Bretschneider

Interoperabilität, MES als Datendrehscheibe in der Fabrik der ZukunftMiriam Schleipen

Effiziente Qualitätskontrolle durch GestensteuerungBritta Widmann, Alexander Schick

Condition Monitoring & DiagnoseChristian Frey, Oliver Niggemann

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HerausgeberProf. Dr.-Ing. Jürgen BeyererProf. Dr. Maurus Tacke

RedaktionSibylle Wirth

Layout und graphische BearbeitungChristine Spalek

DruckE&B engelhardt und bauerKarlsruhe

Anschrift der Redaktion

Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB

Fraunhoferstr. 176131 KarlsruheTelefon +49 721 6091-300Fax +49 721 [email protected]

© Fraunhofer IOSB Karlsruhe 2013

ein Institut der Fraunhofer-Gesellschaftzur Förderung der angewandten Forschung e. V. München

14. JahrgangISSN 1616-8240

Bildquellen

Personen Fotos: indigo WerbefotografieManfred Zentsch, Volker Steger

Seite 4 DFKISeite 5 VDMASeite 10 MEV

Alle andere Abbildungen: © Fraunhofer IOSB

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit vollständiger Quellenangabe und nach Rücksprache mit der Redaktion.

Belegexemplare werden erbeten.

Impressum

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vis IT 3 Industrie 4.0

Liebe Freunde des IOSB, dieses Heft steht unter dem Leitthema der Vierten Industriellen Revolution – für die produzierende Industrie, Forschung und Verbände ist dieses eines der aktuellen Trendthemen. In seinem Essay über Industrie 4.0 spannt Rainer Glatz vom VDMA den Rahmen auf: Er verdeutlicht, dass gerade der deutsche Maschinen- und Anlagenbau vor großen Herausforderungen, gleichzeitig aber auch großen Chancen steht. Die in Industrie 4.0 relevanten Themen bieten dem Maschinen- und Anlagenbau neue Möglich-keiten, um sich mit innovativen IKT-basierten Leistungen rund um ihre Maschinen nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.

Gerade der Einsatz von IKT ermöglicht es Produktionsunternehmen, Energiebedarf und -verbrauch durchgängig zu überwachen und zu steuern. Erst diese Transparenz schafft neue Möglichkeiten, den Ressourceneinsatz durch die Kombination von Automatisierungs- und Energiemanagement-Know-how zu optimieren, wie Jürgen Jasperneite und Peter Bretschneider erläutern.

Die zunehmende Vernetzung von IKT-Komponenten in der Industrie 4.0 bedarf inter-operabler Lösungsbausteine für die drei Dimensionen der Integration – horizontale Integration auf den einzelnen Hierarchieebenen einer Fabrik, ebenenübergreifende vertikale Integration und die Integration über den Lebenszyklus, d. h. von der Ent-stehung einer Automatisierungslösung bis zu deren Betrieb. Aus Sicht produktions-naher IT-Systeme (MES) beleuchtet Miriam Schleipen diese Zusammenhänge.

Neue Technologien wie die Gestenerkennung und -steuerung ermöglichen neue Bedienkonzepte von Maschinen und verketteten Anlagen. Die bisherige Interaktion mit Maus und Tastatur kann ganz oder teilweise abgelöst werden, sodass auch Anwender ohne Computerkenntnisse intuitiv mit Maschinen zusammenarbeiten können. Alexander Schick deckt die Potenziale neuer Interaktionstechnologien für die Fabrik auf.

Dezentrale Intelligenz in Maschinenkomponenten bringt es mit sich, dass die rele-vanten Prozessgrößen und Produkteigenschaften inline, d. h. mit der Geschwindig-keit des laufenden Prozesses, erfasst und zur Maschinen- und Anlagenüberwachung und Prozessoptimierung verwendet werden können. Dies setzt voraus, dass für Pro-zesse und Produkte geeignete Sensoren eingesetzt und zur Datenauswertung ver-netzt werden und dass Prozesse mit ihren Parametern und ihrer Dynamik model-liert vorliegen. Unsere aktuellen Ansätze dazu beschreiben Christian Frey und Oliver Niggemann.

Ziel aller unserer Anstrengungen ist es, die industrielle Basis in Deutschland zu stärken. Dabei liegt unser Schwerpunkt darauf, Produktions- und Informationstechnik immer stärker zu verschmelzen und damit die Potenziale von Informations- und Kommuni-kationstechnologien für den Einsatz in der Fabrik von morgen voll auszuschöpfen.

Karlsruhe, im März 2013

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Beyerer Prof. Dr. Maurus Tacke

Prof. Dr.-Ing. habil. Jürgen Beyerer

Prof. Dr. Maurus Tacke

Editorial

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Essay

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Die IT ist in der Domäne Produktion bereits angekommen. Quelle DFKI

Dipl.-Inform. Rainer Glatz, VDMA

Leiter der Abteilung Informa-tik; Geschäftsführer der Fach-verbände Elektrische Automa-tion und Software sowie der Arbeitsgemeinschaft Produkt- und Know-how-Schutz; Leiter der Geschäftsstelle Industrie 4.0http://sw.vdma.org/

INDUSTRIE 4.0 DIE INFORMATIONS - UND KOMMUNIKATIONSTECHNIK DURCHDRINGT DIE PRODUKTION

rungen bis hin zu verketteten Anlagen und unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsketten.

IKT-KOMPETENZ BENÖTIGT

Um die hohen produktionsspezifischen Anforderungen zu erfüllen, muss die zweifellos erforderliche IKT-Kompe-tenz um produkt- und prozessspezi-fisches Know-how ergänzt werden: Ingenieure, Informatiker und Automa-tisierungsspezialisten müssen stärker als bisher zusammenarbeiten und sich gegenseitig verstehen lernen, um die IKT-bezogenen Herausforderungen der Zukunft zu lösen.Damit ist eines der Hauptziele der vierten industriellen Revolution schon skizziert: die deutsche Industrie und ihre

Allerdings stehen die deutschen Ma-schinenbauunternehmen und ihre In-genieure zunehmend im internationa-len Wettbewerb - mit dem bekannten Druck hinsichtlich Preis, Zeit, Qualität und vor allem Kosten.

Gleichzeitig ist Deutschland führend bei software-intensiven Eingebetteten Systemen, die sich zunehmend mit Hilfe von Internet-Technologien vernetzen, Daten austauschen und ohne die viele alltägliche Geräte und Maschinen in der Fertigung nicht mehr auskommen. Informations- und Kommunikations-technik (IKT) durchzieht also immer stärker alle Hierachieebenen der indus-triellen Produktion: vom Sensor über Maschinenkompo-nenten, Maschinen und deren Steue-

Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau rüstet erfolgreich weltweit Produktionsstätten und Fabriken aus. »Made in Germany« steht seit Jahr-zehnten für die Qualität deutscher Ingenieurleistungen.

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Komplexe Prozesse werden in der virtuellen Welt geplant und geübt. Quelle VDMA

INDUSTRIE 4.0 DIE INFORMATIONS - UND KOMMUNIKATIONSTECHNIK DURCHDRINGT DIE PRODUKTION

vorwiegend anwendungsorientierte Forschung schafft es, IKT mit den klassischen Ingenieurdisziplinen zu verbinden, um aus dieser Symbiose Innovationspotentiale auszuschöpfen. Deutschland hat hierfür beste Voraus-setzungen, da alle relevanten Stake-holder aus Wissenschaft und Wirt-schaft vor Ort sind.

ZUKUNFTSPROJEKT DER BUNDESREGIERUNG

Die Bundesregierung hat deshalb Industrie 4.0 zu einem ihrer Zukunfts-projekte erklärt. Wirtschaft, Wissen- schaft, Verbände und Gewerkschaften arbeiten eng zusammen, um Deutsch-land zu einem Leitanbieter und Leit-markt neuer Technologien für die Fabrik der Zukunft zu machen.Im Rahmen von Industrie 4.0 sollen die großen Herausforderungen des Pro-duktionsstandortes Deutschland ange-gangen werden:

1. die Wettbewerbsfähigkeit Deutsch-lands trotz seines Hochlohn- Charakters zu erhalten,

2. Ressourcen- und Energieeffizienz in der Industrie stärker als bisher zu verankern und auch als Planungs-größe selbstverständlich zu machen,

3. Lösungen für den anstehenden demografischen Wandel und dessen Folgen für altersgerechte Arbeits-plätze in der Fertigung bereit zu stellen,

4. unsere Produktionsbetriebe aktiv in Teilnehmer der Wissensgesellschaft umzugestalten.

In Industrie 4.0 werden Lösungen benötigt, um das Wissen aus allen Phasen der Produktentwicklung und Produktentstehung zu bündeln und besser als heute für nachfolgende Entwicklungen zu nutzen.

KOOPERATION DER VERBÄNDE

Drei führende Industrieverbände wol-len das Thema Industrie 4.0 gemein-sam voranbringen. BITKOM, VDMA und ZVEI haben – unterstützt durch ihre jeweiligen Präsidien – dafür eine gemeinsame Geschäftsstelle gegrün-det. Die »Plattform Industrie 4.0« soll im April ihren operativen Betrieb auf-nehmen. Ihr Sitz ist in Frankfurt am Main, ein gemeinsames Informations-portal wird im Internet eingerichtet.

Die Initiative soll das »Zukunftspro-jekt Industrie 4.0« der Hightech-Strate-gie der Bundesregierung weiterführen und den Industriestandort Deutschland stärken.

Industrie 4.0 hat nach Ansicht der drei Verbände eine herausragende Bedeu-tung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.

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Dr.-Ing. Olaf Sauer

Geschäftsfeld AutomatisierungFraunhofer IOSB Karlsruhe

Telefon +49 721 [email protected]

www.iosb.fraunhofer.de

MASCHINENBAU DER ZUKUNFT

Zusatzdienste binden Kunden und bieten ihnen zusätzlichen Nutzen über die reine Maschine hinaus. Beispiele sind der Zugriff auf die Anlagen über das Internet zu Wartungszwecken oder für Software-Updates. Aber diese Leis-tungen sind erst der Anfang. Es ist absehbar, dass Maschinen- und Anla-genbauer APPs rund um ihre Maschi-nen anbieten, so dass der Betreiberbeispielsweise über mobile Geräte zugreifen oder ggfs. sogar die Anlage bedienen kann. Die Maschine könnte beispielsweise selbst Kennzahlen über ihre Verfügbarkeit berechnen.Sicher ist auf jeden Fall, dass diese zusätzlichen Leistungen die globale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus stärken.

Hier besteht also noch Handlungsbedarf, zumal Software zukünftig zum eigen- ständigen Bestandteil des Produktport- folios werden wird – mit den Heraus-forderungen eines professionellen Soft-wareentwicklungsprozesses, Qualitäts-

»MADE IN GERMANY« STEHT FÜR QUALITÄT DEUTSCHER INGENIEURLEISTUNGEN. ABER REICHT DAS NOCH?

Der deutsche Maschinen- und Anlagen- bau rüstet weltweit erfolgreich Produk-tionsstätten und Fabriken aus. Allerdings stehen die deutschen Maschinenbau-unternehmen und ihre Ingenieure zunehmend im internationalen Wett-bewerb – mit dem bekannten Druck hinsichtlich Kosten bzw. Preis, Zeit und Qualität. Inzwischen haben beispiels-weise chinesische Anbieter einen Teil des Werkzeugmaschinenmarktes gewonnen – vor allem im ‚unteren‘ Segment für Standardmaschinen. Nach den aktu-ellen Zahlen des VDMA aus dem Jahr 2012 lieferten chinesische Hersteller im Jahr 2011 Maschinen im Wert von rd. 563 Mrd. Euro, deutsche dagegen für 221 Mrd. Euro.

Ohne Zusatzleistungen werden deut-sche Hersteller nicht mehr auskommen.

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sicherung für Software, Modelle für Software-Wartung und -Service bis hin zur Anpassung der Vertriebsorganisation, die IKT-Produkte und deren Nutzen verkaufen kann. Der Prozess, um zu maschinennahen Zusatzleistungen zu kommen, ist vergleichbar mit dem Entwicklungs- und Herstellungsprozess einer Maschine oder Anlage. Insofern ist es für uns schon erstaunlich, dass auf Seiten der Software scheinbar eher nach dem Prinzip ‚Versuch und Irrtum‘ vorgegangen wird.Das Fraunhofer IOSB hat langjährige Erfahrungen beim Design, der Entwick-lung sowie der Auslieferung und Ein-führung komplexer Software-Systeme in der produzierenden Industrie. Dassdie einer Software zugrunde liegende Architektur maßgeblich die Leistungs-fähigkeit und Lebensdauer der IT-Lösung bestimmt, haben wir schon in vielen Projekten für die verarbeitende Industrie immer wieder nachweisen und einbrin-gen können. Software-Komponenten, z. B. Portale zum Fernzugriff auf Maschinen und Anlagen, sind heute komplexe und daher professionell zu konzipierende Lösungen, wobei die Codierung des reinen Software- programms daran nur einen kleinen Anteil hat.

Ich möchte unsere Unterstützung an zwei aktuellen Beispielen verdeutlichen:1. Produktionsnahe IT-Systeme, die Maschinen und Anlagen im Betrieb mit Auftragsreihenfolgen versorgen bzw. von den Maschinen Daten gemeldet bekommen, entwickeln sich zu Daten- drehscheiben in den Fabriken der Zu-kunft. Mit ihnen müssen sich Maschinen- und Anlagen verbinden – möglichst schnell und effizient. Für den Maschinen- bauer heißt dies, seine eigene anlagen- nahe Visualisierung so zu konzipieren,

dass sie schnell an ein übergeordnetes System angebunden und bei Bedarf erweitert werden kann. Über unser Know-how aus der Schnittstellen-Stan-dardisierung, eigenen Visualisierungs-werkzeugen und intelligenten Daten-ablagen für SPS-Bausteine bieten wir Maschinen- und Anlagenbauern kon-krete Unterstützung an, um ihre Maschi-nen an übergeordnete Leit-und MES-Systeme anzubinden, Leitsysteme für verkettete Anlagen zu konzipieren oder ihre eigenen maschinennahen Leit-systeme in die MES-Landschaft ihrer Kunden zu integrieren. Beispielsweise haben wir schon gezeigt, dass die maschinennahe und übergeordnete Visualisierung zum großen Teil generiert werden kann und so Inbetriebnahme-zeiten und -fehler reduziert werden.

2. Darauf aufbauend helfen wir dem Maschinenbau, die Maschine-Maschine-Kommunikation (M2M) zu ermöglichen bzw. zu verbessern. Mit der zugehörigen Softwarelösung reagiert die Maschine auf Befehle und erfüllt Aufgaben wei-testgehend eigenständig, und – ent-scheidendes Kennzeichen – sie kann mit anderen Maschinen oder Komponen- ten in Kontakt treten. Deshalb wird in

diesem Zusammenhang vom »Internet der Dinge« gesprochen. Dazu zählen die Heizungsanlage, die sich von unterwegs aus über ein Mobilgerät bedienen lassen sollte, das Ablesen von Energie-verbrauchsdaten einer Produktions-anlage oder ein Infrarotsender, der als Bewegungsmelder automatisch und gezielt ausgewählte Überwachungssys-teme einschaltet und den Sicherheits-dienst mit Beobachtungen informiert. Das ‚Internet der Dinge‘ schafft also neue Möglichkeiten für Anwendungen im Maschinenbau wie das Condition Monitoring, die Fernwartung oder das dezentrale Energiemanagement und wird neue Architektur-, Kommunika-tions- und Informationsmanagement-ansätze erfordern.

Nach allen Beobachtungen am Markt wird die zunehmende Digitalisierung die bisherigen Engineering-Prozesse im Maschinenbau Schritt für Schritt umkrem- peln. Für uns ist das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 von größter Bedeutung.

Sauer, O.: Informationstechnik in der Fabrik der Zukunft – Fabrik 4.0. Zeitschrift für wirt-schaftlichen Fabrikbetrieb ZWF 12/2011, S. 955-962.

In einer SmartFactory vernetzen sich auch die Maschinen, Anlagen und Werkstücke untereinander.

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Abb. 1: In der Lemgoer Modellfabrik werden neue Verfahren zum energieoptimierten Betrieb in der Intralogistik erprobt.

INDUSTRIAL SMART GRIDS

Dr.-Ing. Peter Bretschneider

Institutsteil Angewandte SystemtechnikEnergie (NRG)Fraunhofer IOSB Ilmenau

Telefon +49 3677 461-102 [email protected]

www.iosb-ast.fraunhofer.de

Im Rahmen des BMBF-Spitzenclusters »Intelligente Technische Systeme Ost-westfalen-Lippe it’s OWL«, dem derzeit größten Projekt in dem Zukunftsfeld Industrie 4.0, arbeitet das Fraunhofer-Anwendungszentrum Industrial Auto-mation (IOSB-INA) in Lemgo zusammen mit Industrieunternehmen an intelli-genten Optimierungsassistenten für den energieeffizienten Betrieb in der Intralogistik.

Ein praktisches Beispiel dafür ist das Ein- und Auslagern von Waren in einem automatisierten Hochregallager, das eine Vielzahl von Verfahrachsen mit elektrischen Antrieben aufweist. Um neben dieser Grundfunktion auch eine energieoptimierte Betriebsführung durchführen zu können, muss ein Rechnermodell des Hochregallagers aus energie- und automatisierungs-technischer Sicht vorhanden sein. Dieses kann beispielsweise mit maschinellen Lernverfahren entstehen. Algorithmen der Selbstoptimierung übernehmen nun auf Basis dieses Modells wieder-kehrend und in Echtzeit Aufgaben des

Eine nachhaltige Industrieproduktion erfordert einen effizienten Umgang mit Ressourcen und Energie. Der Verbrauch elektrischer Energie in industriellen Produktionsprozessen hatte 2011 einen Anteil von 46 Prozent am Gesamtver-brauch deutschlandweit (Quelle: BMWI). Industrial Smart Grids helfen nach dem Vorbild der intelligenten Energienetze dem Betreiber von technischen Sys-temen dabei, die Anlagenleistung und Effizienz kontinuierlich zu analysieren, zu verbessern und einen möglichst optimalen Arbeitspunkt anzustreben. Hierzu ist eine intelligente Vernetzung der Verbraucher, Erzeuger und Energie- speicher von grundlegender Bedeutung. So kann das Industrial Smart Grid sowohl für einen gleichmäßigeren Energieverbrauch durch ein aktives Last- management in Prozessechtzeit, als auch für eine Verbesserung der Netzqualität durch Verringerung von Oberwellen sorgen. Das reduziert Energiekosten und verlängert gleichzeitig die Lebens-dauer der in der Produktion eingesetz-ten elektronischen Geräte.

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T Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jasperneite

Anwendungszentrum Industrial Automation (INA)Fraunhofer IOSB Lemgo

Telefon +49 5261 [email protected]

www.iosb-ina.fraunhofer.de

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Abb. 2: Prinzip der Optimierungsassistenten.

Abb. 3: Zusammenspiel von Produktionsleitsystem und Energiemanagementsystem.

SPS-Programmierers, in dem sie das Ablaufverhalten der Verfahrachsen kontinuierlich derart anpassen, dass zum einen die Grundfunktion gewährleistet bleibt und gleichzeitig die gesetzten Energieziele erfüllt werden können. Solche Assistenzfunktionen sind ein Beispiel für intelligente technische Sys-teme mit einer Prognosefähigkeit: Wie in dem untenstehenden Bild zu sehen ist, basiert jede automatische Optimierung eines komplexen Systems auf einer Prognosefähigkeit: Nur durch die hypo-thetische Analyse der Auswirkung von Anlagenmodifikationen kann mittels einer gesteuerten Suche im Optimie-rungsraum eine gute Anlagenkonfigu-ration ermittelt werden.

Eine Prognose der Auswirkung von Anlagenmodifikationen basiert im Allgemeinen auf einer Simulation eines Anlagenmodells, da gerade zeitbe- haftete und komplexe Systeme wie Produktionsanlagen oft nicht durch formale Analyseverfahren analysierbar sind. Im IOSB-INA entsteht derzeit eine Toolbox, die die Techniken und Algo-rithmen für die Datenerfassung, Analyse und Optimierung zusammenführt. Hier- durch ensteht die ingenieurtechnische Grundlage für die Realisierung intelli-

genter Optimierungsassistenten im Bereich Industrial Smart Grids.

Darüber hinaus werden im Rahmen dieser Thematik neuartige Möglich-keiten zur Erschließung von bisher ungenutzten Lastverschiebepotentialen untersucht. Diese werden benötigt, da mit dem zunehmenden Ausbau der Erneuerbaren Energien und mit den daraus resultierenden fluktuierenden Einspeisungen (z. B. Wind- und PV- Anlagen) zusätzliche Flexibilitäten für die Einhaltung des permanenten Gleich- gewichts von Erzeugung und Bedarf erforderlich werden. Verschiene Studien, wie bspw. die dena-Netzstudie II, weisen hierzu eine künftig benötigte Speicher-

kapazität von ca. 1,5 TWh bei einer Speicherleistung von 13,1 GW aus, was in Bezug auf die derzeit installierte Speicherkapazität knapp eine Vervier- zigfachung der heute verfügbaren Speicherkapazität bedeutet.

Das Thema »Industrial Smart Grids« soll einen Beitrag zu innovativen Lösungen für das Zu- und Abschalten der Lasten – möglichst ohne Einbußen für die Produktion – untersuchen. Als mögliche Anwendungsfälle werden folgende favorisiert:1. Maximierung der Eigenversorgung,2. Bereitstellung von Regel- und Aus- gleichsmöglichkeiten für das Netz,3. Bereitstellung von Regel- und Ausgleichsmöglichkeiten für die EE-Direktvermarktung,4. Minimierung des Energieverbrauchs.

Zur Umsetzung der Demonstratoren wird eine bidirektionale Schnittstelle zwischen Netzleitsystem und Energie-management benötigt und im Rahmen des Projektes entwickelt (vgl. Abb. 3), um für die jeweilige Anwendungs- domäne eine flexible Lösung bereit-stellen zu können.

[1] Schriegel, Sebastian; Pethig, Florian; Jas-perneite, Jürgen: Intelligente Lastverschie-bung in der Produktionstechnik – Ein Weg zum Industrial Smart Grid. In: VDE-Kongress Smart Grid 2012 – Intelligente Energieversor-gung der Zukunft, Stuttgart, November 2012

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INTEROPERABILITÄT, MES ALS DAT ENDREHSCHEIBE IN DER FABRIK DER ZUKUNFT

Dr.-Ing. Miriam Schleipen

Informationsmanagement und Leittechnik (ILT)Fraunhofer IOSB Karlsruhe

Telefon +49 721 [email protected]

www.iosb.fraunhofer.de/ILT

Systemen aus allen Ebenen der Archi-tektur der industriellen Automatisierung kommunizieren.

Im Kontext dieses Daten- und Informa- tionsaustauschs spielt die Interoperabi- lität eine große Rolle. Interoperabilität geht einher mit der Interaktion verschie-dener Systeme und deren Anwender. Es geht dabei nicht nur darum, die Daten auf effiziente Art und Weise aus-zutauschen, sondern ebenfalls um das Ziel, dass alle Kommunikationspartner die ausgetauschten Informationen ver-stehen und verarbeiten können. Bei der Interoperabilität lassen sich verschiedene Ausbau- oder Realisierungsstufen unter- scheiden. Als Basis muss der physika-lische Datenaustausch zwischen den Systemen gewährleistet sein. Dies ist heute in der Produktion bereits erreicht und wird häufig als Interoperabilität bezeichnet. Darüber hinaus müssen die

Die Informationstechnik bestimmt unser tägliches Leben, aber auch zunehmend die Produktion. Ohne die Hilfe produk-tionsunterstützender IT-Systeme kommt man heute und vor allem in Zukunft in der Produktion kaum noch aus. Ein typischer Vertreter solcher produktions- naher IT-Systeme sind MES (Manufac-turing Execution Systeme, [3]). Sie sind zum einen direkt an die Fertigungs-ebene und deren Automatisierungs-technik gekoppelt, um die Produktion zu überwachen und zu steuern. Zum anderen stehen sie aber ebenfalls in engem Dialog mit anderen MES, sowie den IT-Systemen aus der ERP-Ebene, um Informationen und Vorgaben aus diesen Systemen zu erfragen, aber auch um aggregierte Daten aus der Produk-tion weiterzureichen. Daher füllen sie die Rolle einer Daten- und Informations- drehscheibe aus (siehe [2]) und müssen in dieser Funktion mit vielen anderen

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Abb. 1: Adaptivität und semantische Interoperabilität von Manufacturing Execution Systemen (MES).

INTEROPERABILITÄT, MES ALS DAT ENDREHSCHEIBE IN DER FABRIK DER ZUKUNFT

Daten in eine für alle Kommunikations-partner verständliche Form gebracht werden. Dies können beispielsweise XML-Schemata oder andere Daten- formate sein. Dabei spricht man von syntaktischer Interoperabilität. Ein Stan- dard im Umfeld der Produktion ist die OPC Unified Architecture (OPC-UA, www.opcfoundation.org). Weiterhin muss das in den strukturierten Daten enthaltene Wissen für alle Kommunika-tionspartner nutzbar sein. Wichtig dabei ist, dass nicht vorherige Abspra-chen diese Interpretationsmöglichkeit schaffen, sondern das Wissen gemein-sam genutzt werden kann. Dies wird als semantische Interoperabilität bezeichnet. Eine Unterscheidung lässt sich hierbei nochmals treffen, wenn man Kommuni-kationspartner innerhalb einer Domäne und die domänenübergreifende Kom-munikation gesondert betrachtet. Ein aktueller Standard wird heute mit Auto-mationML (www.automationml.org) in

die internationale Standardisierung getrieben. Eine Kombination aus beiden Standards OPC-UA und AutomationML ermöglicht das Erreichen einer seman-tischen Interoperabilität basierend auf Standards.

MES müssen also Teil einer durchgän-gigen Tool-Landschaft sein und mög-lichst effizient und nahtlos mit anderen IT-Systemen in der Produktion zusam-menarbeiten. Das Fraunhofer IOSB arbeitet seit 2006 an dieser Heraus-forderung. Dabei sind verschiedene Dimensionen zu betrachten.

1. MES müssen horizontal integriert sein, um Daten und Informationen mit MES anderer Hersteller innerhalb der MES-Ebene austauschen zu können.

2. MES müssen zwingend mit den IT-Systemen oder Automatisierungs-komponenten der unter- bzw. über-

lagerten Ebenen kommunizieren können. Dies wird als vertikale Inte-gration bezeichnet.

3. MES müssen über den Lebenszyklus einer Fabrik und der zugehörigen Produktionsanlagen integriert sein. MES sind dabei an die Digitale Fabrik gekoppelt, um von der Planung bis in den Betrieb durchgängige Daten und Informationen zu gewährleisten.

Gleichzeitig steht die Automation 2020 laut VDI für »Technik mit dem Menschen für den Menschen« (siehe [1]). Die betei-ligten Personen müssen also bei der In-tegration und damit einhergehenden Mechanismen und Systemen berück-sichtigt werden. Um die genannten drei Punkte effizient in der Praxis umsetzen zu können, sind also geeignete Mensch-Maschine-Schnittstellen bzw. eine geeignete Mensch-Technik-Kooperation zu etablieren.

Literatur: [1] Thesenpapier der VDI/VDE-Gesellschaft für Mess- und Automatisierungstechnik »Automation 2020 - Bedeutung und Entwick-lung der Automation bis zum Jahr 2020«, www.vdi.de/41999.0.html Stand 15.2.2013[2] Sauer, O.: Trends in Manufacturing Exe-cution Systems. In: Huang, G.Q.; Mak, K.L.; Maropoulos, P.G.: Proceedings of the 6th CIRP-Sponsored International Conference on Digital Enterprise Technology, pp. 685-693. Springer, 2010[3] VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automa- tisierungstechnik: VDI-Richtlinie 5600 Blatt 1, Fertigungsmanagementsysteme. 2007-12, Beuth Verlag, 2007

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Abb. 1: Der Mitarbeiter inspiziert den Stoßfänger und sucht nach Fehlern im Lack.

EFFIZIENTE QUALITÄTSKONTROLLE DURCH GESTENSTEUERUNG

Dipl.-Inform. Alexander Schick

Interaktive Analyse und Diagnose (IAD)Fraunhofer IOSB Karlsruhe

Telefon [email protected]

www.iosb.fraunhofer.de/IAD

Akribisch nimmt der Qualitätsprüfer den Stoßfänger unter die Lupe und unter- sucht ihn auf Lackschäden – schließlich dürfen nur einwandfreie Karosserieteile in die Endmontage gelangen. Findet er einen Fehler im Lack, genügt ein Finger- zeig, um den Mangel an das Prüfsystem weiterzuleiten, zu speichern und zu dokumentieren. Visuelles Feedback erhält der Mitarbeiter über einen Monitor, der eine 3D-Rekonstruktion des Stoßfängers anzeigt. Dies ist das Ergebnis eines gemeinsamen Projektes mit der BMW Group, in welchem die intelligente Gestensteuerung für die Anforderungen in der Qualitätssiche-rung weiterentwickelt wurde. Künftig soll sie aktuelle, zeitaufwändige Prüf-verfahren ablösen. Bislang muss sich der Prüfer alle aufgespürten Fehler merken, seinen Arbeitsplatz verlassen, zum PC-Terminal gehen, mehrere Eingabe-masken bedienen und dann die Position der Fehler sowie die Fehlerart festhalten. Das ist umständlich, zeitintensiv und

FÜR PRODUKTIONSBETRIEBE IST DIE QUALITÄTSSICHERUNGDER PROZESSKETTE UNER-LÄSSLICH – NUR SO LASSEN SICH PROBLEME FRÜHZEITIG ERKENNEN UND MEHR-KOSTEN SENKEN.

Eine effiziente Art der Qualitäts- kontrolle für die Befundung lackierter Stoßfänger wurde zu-sammen mit der BMW Group ent-wickelt: Durch eine Zeigegeste können Mitarbeiter auf Karosserie- teilen entdeckte Fehler ins Prüfsys-tem eingeben und dokumentieren. Das berührungslose Gestenerken-nungs-Verfahren ermöglicht eine un-mittelbare und intuitive Interaktion mit dem Prüfsystem direkt im dafür ein-gerichteten Lichttunnel. Dadurch wird der Prozess beschleunigt und Fehler vermieden.

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vis IT 13 Industrie 4.0

Abb. 2: Der Mitarbeiter erhält in einem GUI-Modul visuelles Feedback zu dem markierten Fehlerort.

Abb. 3: Der Stoßfänger wird in 3D getrackt. Dadurch kann der Mitarbeiter den Stoßfänger beliebig im Bereich der Befundung bewegen.

EFFIZIENTE QUALITÄTSKONTROLLE DURCH GESTENSTEUERUNG

fehleranfällig. Die Gestensteuerung hingegen verbessert die Arbeitsbedin-gungen des Prüfers entscheidend und bewirkt eine deutliche Zeitersparnis – der Mitarbeiter kann am Arbeitsplatz stehen bleiben und direkt mit dem Untersuchungsobjekt interagieren. Ist der Stoßfänger in Ordnung, dann genügt eine Wischgeste, um dies dem System mitzuteilen. Im Schadensfall zeigt der Mitarbeiter auf die Position des Fehlers und bestimmt dadurch die Fehlerart und den Fehlerort.

3D-TRACKING ERFASST PERSONEN UND OBJEKTE IN ECHTZEIT

Basis für die berührungslose Gesten-erkennung sind 3D-Daten. Der kom-plette Arbeitsplatz muss daher zuvor in 3D rekonstruiert werden. Das umfasst sowohl den Menschen, als auch das Objekt, mit dem er sich beschäftigt. Wo befindet sich die Person, wie bewegt sie sich, was tut sie, wo ist das Objekt – all diese Informationen sind erforder- lich, um die Zeigegesten korrekt mit dem Stoßfänger verknüpfen zu können. Da nur auf 3D-Daten mit einer niedrigen Raumauflösung gearbeitet wird, ist dabei keine Identifizierung der Person möglich und deren Privatsphäre ge-schützt. Um die Gestensteuerung zu

ermöglichen, wird ein 3D-Körpertracking eingesetzt, das die Körperhaltung der Person in Echtzeit erfasst. Auch das Karosseriebauteil wird »getrackt«. Die Anforderungen an die Hardware sind dabei gering: Ein Standard-PC sowie zwei Microsoft Kinect Systeme genügen, um die Rekonstruktion zu realisieren. Die entsprechenden Algorithmen, welche mehrere 2D- und 3D-Bilder fusionieren, wurden am Fraunhofer IOSB speziell für diesen Anwendungsfall entwickelt und auf die Anforderungen der BMW Group angepasst.

Keimzelle für diese Technik ist der SmartControlRoom, in dem Personen ganz natürlich mit dem Raum inter-agieren. Sie können mit Zeigegesten entfernte Displays ohne Zusatzgeräte bedienen. Der Raum erkennt, welche Handlungen gerade stattfinden und bietet dazu die passenden Informationen und Werkzeuge an. Da die Gestener-kennung unabhängig von den Displays ist, kann diese auch in andere Anwen-dungen eingebunden werden, wie hier zur Interaktion mit »echten« Gegen-ständen, also den Stoßfängern. Dabei spielt es keine Rolle, um welche Art von Gegenstand es sich handelt. Anstelle des Stoßfängers ließe sich z. B. auch ein anderes Bauteil tracken.Die Technologie lässt sich mit geringem

Aufwand in bestehende Produktivsys- teme integrieren. Über ein spezielles Interface-Modul konnte das Gesten-erkennungs-System in das System der BMW Group nahtlos eingebunden werden. Im Januar 2013 wurde der Demonstrator im BMW Werk Landshut installiert. In Kooperation mit den Qualitätsprüfern vor Ort soll das Sys-tem nun weiter verfeinert werden, bevor es in Zukunft seinen Einsatz in der Produktion findet.

Text: Britta Widmann, Fraunhofer-Gesellschaft

[1] Stiefelhagen, R., van de Camp, F., IJssel-muiden, J., Voit, M., Schick, A.: Videoba-sierte Wahrnehmung des Menschen und innovative Mensch-Maschine Interaktion - Anwendungen für Kontrollräume und Leit-stellen. In Tagungsband Karlsruher Leittech-nisches Kolloquium 2012

[2] Schick, A., van de Camp, F., IJsselmuiden, J., Stiefelhagen, R.: Extending Touch: Towards Interaction with Large-Scale Surfaces. In Proc. Interactive Tabletops and Surfaces 2009

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Themen

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Abb. 1: Entwicklung vom Condition Monitoring zum Process Data Mining.

CONDITION MONITORING & DIAG NOSE

Prof. Dr.-Ing. Oliver Niggemann

Anwendungszentrum Industrial Automation (INA)Fraunhofer IOSB Lemgo

Telefon +49 5261 [email protected]

www.iosb-ina.fraunhofer.de

Hieraus ergeben sich weitreichende Konsequenzen für die Lösungsmethodik und die Anwendungsfelder: Punkt 1 zeigt, dass nun auch ganze Produktions- straßen, Fabriken und räumlich ver-teilte Produktionsprozesse behandelt werden. Um dies zu leisten, müssen aber Methoden entwickelt werden, die mit zeitbehafteten, modularen Systemen umgehen können. Punkt 2 bedeutet, dass nicht mehr nur kontinuierliche oder diskrete Produktionsprozesse untersucht werden, sondern das Zusammenspiel von Prozess und Steuerung.

Punkt 3 zielt auf selbstlernende Syste-me und bessere Benutzerschnittstel-len ab. Anstatt vom Benutzer komplexe Modelle des Prozesses als Analyse-grundlage zu verlangen, sollen die Überwachungs-systeme den Prozess automatisch analysieren. Der Benut-zer soll dann die aggregierten Analyse-ergebnisse in Form von verständlichen Informationen überall, z. B. auch auf mobilen Endgeräten, präsentiert be-kommen.

Die Überwachung und Analyse tech-nischer Prozesse erlebt gegenwärtig einen Boom - neben der Selbstkonfi-guration und der Selbstoptimierung ist es eines der Hauptanwendungsfelder der gegenwärtig wichtigsten Initiative von Industrie und Politik im Bereich der produzierenden Industrie: Unter der Überschrift »Industrie 4.0« und »Cyber- physische Systeme« wird ein Technolo-giesprung angestrebt, um die Zukunft Deutschlands als Produktionsstandort zu sichern. Was bedeutet dies nun kon-kret für den Bereich der Überwachung und Analyse technischer Prozesse?

Der avisierte Technologiesprung ver-deutlicht sich an drei entscheidenden Punkten: (1) Es werden zukünftig Sys-teme betrachtet statt einzelner Aggre-gate; (2) Die rigide Aufteilung in diskrete und kontinuierliche Systeme mündet in einen ganzheitlichen Lösungsansatz für hybride Produktionsprozesse; (3) Der Mensch wird zukünftig als wich-tiger unterstützender Anteil in die Au-tomatisierung einbezogen.

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T Dipl.-Ing. Christian Frey

Mess-, Regelungs- und Diagnosesysteme (MRD)Fraunhofer IOSB Karlsruhe

Telefon +49 721 [email protected]

www.iosb.fraunhofer.de/MRD

VON CONDITION MONITORING ZU PROCESS DATA MINING

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vis IT 15 Industrie 4.0

Abb.3: Ein ty-pischer gelernter hybrider Automat.

Abb.2: Vorgehen bei der Entwicklung eines lernenden Anomalieerkennungssystems für hybride Produktionsanlagen.

CONDITION MONITORING & DIAG NOSE

In dem am Fraunhofer IOSB-INA durch-geführten IGF-Projekt -Anubis- wird ein neuartiges Anomalie-Erkennungssystem für große, verteilte Produktionsanlagen entwickelt, welches suboptimale Energie- verbräuche (z. B. aufgrund von Fehlern oder Verschleiß) automatisch erkennt. Das System soll dabei selbstständig den Normalzustand erlernen, d. h. der Benutzer muss nicht wie bislang üblich manuell den Verbrauch definieren.

Hierzu werden Lernalgorithmen ent-wickelt, die ein Modell des Energiever-brauchs für hybride komplexe Produk-tionsanlagen automatisch auf Basis von Messdaten der Anlage generieren.

Abbildung 2 zeigt das prinzipielle Vorgehen: In Phase 1 (Lernphase) wird ein Modell des Prozesses aufgrund der Messungen in der verteilten Anlage [1] erstellt. In Anubis wird ein hybrider,

zeitbehafteter Automat als Modell- formalismus verwendet. In Phase 2 (Betriebsphase) werden die Prognosen von dem gelernten Modell mit den aktuellen Messungen in der Anlage verglichen. Weichen Prognose und Messungen signifikant voneinander ab, wird eine Anomalie angezeigt.

Kernelement dieses Verfahrens ist der neuartige Lernalgorithmus für hybride, zeitbehaftete Automaten zur Model-lierung des Energieverbrauchs des Systems. Die Zustände des Automaten modellieren grundsätzliche Systemzu-stände (Modes), in denen der Energie-verbrauch dann mittels klassischer Ansätze (z. B. Kalman-Filter, Neuronale Netze) gelernt wird. Kennzeichnend ist dabei, dass alle Zustände, Zustands- übergänge und Übergangsfunktionen erlernt werden [2]. Die ersten vielver-sprechenden Ergebnisse des Anubis Projektes zeigen die Leistungsfähigkeit der entwickelten Verfahren sowie deren Übertragbarkeit auf ein breites Anwendungsgebiet.

Literatur: [1] Pethig, F.; Kroll, B.; Niggemann, O.: A Generic Synchronized Data Acquisition Solution for Distri-buted Automation Systems. In: 17th International Conference on Emerging Technologies & Factory Automation (ETFA) Krakow, Poland, Sep 2012[2] Niggemann, O.; Stein, B.; Vodencarevic, A.; Maier, A.; Kleine Büning, H.: Learning Behavior Models for Hybrid Timed Systems. In: Twenty-Sixth Conference on Artificial Intelligence (AAAI-12) Jul 2012, Toronto, Canda

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KarlsruheFraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSBFraunhoferstraße 176131 KarlsruheTelefon +49 721 6091-0Fax +49 721 [email protected]

Ettlingen Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSBGutleuthausstr. 176275 EttlingenTelefon +49 7243 992-130Fax +49 7243 992-299www.iosb.fraunhofer.de

IlmenauFraunhofer IOSB, Institutsteil Angewandte Systemtechnik ASTAm Vogelherd 5098693 IlmenauTelefon +49 3677 4610Fax +49 3677 [email protected]

Lemgo Fraunhofer-Kompetenzzentrum Industrial Automation INALangenbruch 6 32657 LemgoTelefon +49 5261 702-572Fax +49 5261 702-5969juergen.jasperneite@iosb-ina.fraunhofer.dewww.iosb-ina.fraunhofer.de

Beijing Representative for Production and Information Technologies Unit 0610, Landmark Tower II 8 North Dongsanhuan Road Chaoyang District 100004 Beijing, PR China Telefon +86 10 6590 0621 Fax +86 10 6590 0619 [email protected]