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6 Südtirol Montag, 3. Juli 2017 - Das Finale: Tour de France des Wassers E inen übervollen Terminkalen- der gilt es in den französi- schen Alpen abzuarbeiten, da kennen die Tour-Organisatoren keine Gnade. Beispiel Annecy: Mehrere Treffen mit bzw. Vorträ- ge von Gemeindevertretern, In- genieuren und Wasser-Experten, eine Schifffahrt über den pitto- resken See, Abendessen im ty- pisch französischen Gastlokal mit Briefing über Ziele der Al- pen-Allianz; tags darauf klingelt der Wecker um 6.15 Uhr, weil der Zug nach Savines-le-Lac nicht wartet, unterwegs gibt’s als Früh- stück eine Präsentation über den ökologischen Verbund, danach warten Treffen mit Touristikern und Politikern bis hin zu Wild- wassersportlern. Der See von Annecy als Wundertüte In Annecy stechen 2 außerge- wöhnliche Wasser-Initiativen heraus. Zum einen wird das See- wasser bald schon zum Heizen und Kühlen von rund 1000 Haus- halten genutzt, zum anderen aus dem See Trinkwasser für 200.000 Personen im Großraum Annecy herausgefiltert. Das wäre etwa so, als würde man das Unterland mit Wasser aus dem Kalterer See ver- sorgen Trinkwasser wohlge- merkt. „Es ist nicht einfach, aber die moderne Filtertechnologie im Nanobereich macht es mög- lich“, sagt Jérôme Cimetière, Ver- antwortlicher der Trinkwasser- versorgung im Großraum Anne- cy. Basis dessen ist freilich die herausragende Wasserqualität FRANZÖSISCHE ALPEN: Lac d'Annecy bietet Trinkwasser für 200.000 Personen – Stausee wird zu Naherholungsort und Tourismusattraktion „WE ARE ALPS“-TOUR des Sees, in dem 15 verschiedene Fischarten beheimatet sind. Nicht minder stolz sind Vizebür- germeister Thierry Billet und der zuständige Ingenieur Julien Bra- sier bei der Präsentation ihres „Water Loops“, eine Art giganti- sche Heizungspumpe auf Ökoba- sis. Dank hydrothermischem High-Tech wird Wasser aus dem See mit Pumpen und in Zwi- schenbecken je nach Saison zur Heizung oder Kühlung genutzt, bald schon kommen über 1000 neue Haushalte in den Genuss. „Wir decken damit einen be- trächtlichen Teil unseres Ener- giebedarfs, schonen die Umwelt und machen uns weniger von Öl- und Gasimporten abhängig“, sagt Billet. Die Preise für die Abneh- mer seien niedriger und auf Jahr- zehnte hinaus stabil. Ökologischer Verbund als Tierschutz Die Spezies schützen, indem man ihr Habitat schützt, ist die kurze Formel des ökologischen Verbunds. Mag simpel klingen, doch in vielen alpinen Regionen werden infolge von Zersiedelung und landwirtschaftlicher Nut- zung die natürlichen Lebensräu- me der Tiere mehr und mehr ein- geengt. „Diese Region macht es mit mehreren erfolgreichen Maßnahmen vor, wie ökologi- scher Verbund in der Praxis aus- sehen kann“, sagt der Förster und alpenweite Projektverantwortli- che Yann Kohler, während wir im Zug die Isere kreuzen, am Groß- raum Chambery vorbeirauschen und das Bauge-Massiv erkennen. „Nach einem detaillierten Land- schaftsplan wurden hier grüne Korridore für Wildtiere, spezielle Fischleitern und Amphibientun- nel konstruiert“, erklärt Kohler. Nur 3 von vielen Beispielen, um zu zeigen, wie sich Tiere für ihren Arterhalt auf Wanderschaft bege- ben. Im Vorfeld wurden zu die- sem Zweck Grundeigentümer, Bauern, Behörden, Jäger und Umweltschützer eingebunden. Gerade weil sauberes Wasser die Basis eines intakten Lebens- raums darstellt, wurde in der Landwirtschaft der Einsatz von Pestiziden auf das Minimum zu- rückgefahren. Erholung und Wassersport am Serre-Ponçon-Stausee Mit 2 Speedbooten machen wir uns hingegen ein Bild vom Stausee Serre-Ponçon, mit 29 Quadratkilometern etwa 15 Mal so groß wie der Kalterer See. Von 1955 bis 1961 erbauten hier 3000 Arbeiter den größten Erddamm Europas, 1500 Menschen muss- ten umgesiedelt werden, was freilich massive Kontroversen hervorrief. Man wollte jedoch die Wasserkraft nutzen und die all- gegenwärtige Hochwassergefahr bändigen. Erst später entstand hier eine große Erholungszone von bedeutender touristischer Relevanz, 35 Millionen Euro wur- den hierfür investiert. So schip- pern wir an Campingplätzen, Stränden und Bungalows vorbei und kreuzen den Weg von Sur- fern, Seglern und schnittigen Motorbooten. In geschützten Buchten gibt es Fischzuchten. „Hier werden im Jahr 700 Millio- nen Kilowattstunden Strom er- zeugt, das sind 10 Prozent der ge- samten Wasserkraft Frankreichs“, erklärt uns der Steuermann. Größte Herausforderung ist der schwankende Stausee-Spiegel in- folge unterschiedlicher Wasser- zufuhr. Doch bei den Anlegestel- len und Zugängen wurden flexi- ble Lösungen gefunden. Heute hat sich die einst heftig diskutier- te Entscheidung als Glücksfall für eine ganze Region erwiesen. Nach einer Raftingfahrt im hochgelegenen L’Argentiere-la- Bessée, wo nach dem Nieder- gang der Industrie in den 90ern ein ganzes Bergdorf auszuster- ben schien, nun aber dank eines Wildwasserzentrums, Eisklettern und Alpinismus eine neue Le- bensgrundlage gefunden wurde, geht es mit dem Zug ab nach Mo- naco. Dort blicken wir in den Ho- rizont der Riviera und hängen den Eindrücken der so rasant an uns vorbei gezogenen Alpentour nach. Wenngleich die Tour vor- bei ist, werden die mannigfalti- gen Erinnerungen noch lange nachwirken. © Alle Rechte vorbehalten „Schützen und nützen“ INTERVIEW: Im Gespräch mit Markus Reiterer, Generalsekretär der Alpenkonvention ARGENTIÈRE-LA-BESSÉE (az). Auf Dauer macht Wirtschaften gegen die Natur und das Welt- klima keinen Sinn, ist Markus Reiterer, Generalsekretär der Alpenkonvention überzeugt. „Dolomiten“: Herr Reiterer, was ist der Sinn und Zweck einer derartigen Tour? Markus Reiterer: Es geht dabei um die Sensibilisierung der Öf- fentlichkeit für eine nachhaltige Entwicklung im Alpenraum, weshalb diese Tour auch mit öf- fentlichen Verkehrsmitteln durchgezogen wurde. Wir ha- ben das Bemühen, das jeweilige Hauptthema in all seinen Facet- ten zu durchleuchten und ha- ben so von Bewässerung über Hochwasser bis hin zur Wasser- kraft unterschiedliche Aspekte des Wassers behandelt. „D“: Umweltthemen haben oft- mals einen schweren Stand auf der politischen Agenda. Welche Durchschlagskraft hat die Al- penkonvention? Reiterer: Es handelt sich dabei um geltendes Völkerrecht, und die Vertragspartner verpflichten sich, die Schutzgebiete im Sinne des Schutzzwecks zu erhalten. Dies wird von einem eigenstän- digen Compliance Komitee überwacht. Die andere Seite ist hingegen die Überzeugungsar- beit mit den alpinen Regionen und Gemeinden. „D“: Was beinhaltet diese Über- zeugungsarbeit? Reiterer: Eine ganze Reihe an Initiativen wie etwa jene aktuel- le der „Bergsteigerdörfer“, eine hervorragende Idee des öster- reichischen Alpenvereins, bei dem sich alpenweit 20 Gemein- den zur Umsetzung eines nach- haltigen Tourismus verpflich- ten. Das erste Südtiroler „Berg- steigerdorf“ wird übrigens Matsch sein, bei der Eröffnung im Juli werde ich dabei sein. Wichtig sind zudem natürlich Kooperationen – sei es mit der Arge Alp oder mit der „Allianz in den Alpen“, sei es mit Behör- den und der Politik. „D“: Sie sind seit 4 Jahren Ge- neralsekretär der Alpenkon- vention und haben sich anhand unzähliger Begegnungen und Lokalaugenscheine wie kaum ein anderer ein umfassendes Bild von der Entwicklung in den Alpen machen können. Wie ist es um den Schutz der Alpen heute bestellt? Reiterer: Eine umfassende Fra- ge, die wohl diesen Rahmen sprengt. Kurz gesagt gab es nach der Aufbruchstimmung in den 90ern, als auch der Grundstein für die Alpenkonvention gelegt wurde, ab 2008 einen Dämpfer infolge der Wirtschaftskrise. Das Augenmerk galt nun dem Schutz der Arbeitsplätze, weni- ger dem Schutz der Umwelt, denn vielfach wurden und wer- den auch heute noch Ökono- mie und Ökologie als sich aus- schließende Gegenpole be- trachtet. Dabei ist das kein Ent- weder-Oder, sondern vielmehr ein Miteinander. Mittlerweile gibt es wieder verstärkte Bemü- hungen in Fragen der Nachhal- tigkeit und des Umweltschut- zes. „D“: Umweltschutzprojekte können also auch durchaus die Wirtschaft beflügeln, wie wir auf der Tour vielerorts gesehen haben? Reiterer: Ja, wir haben mehrere solche Vorzeigeprojekte gese- hen. Klarerweise braucht es oft einen längeren Atem, einfach sind die Lösungen so gut wie nie. Aber es gibt auf lange Sicht keine Alternative, wir können nicht gegen das Weltklima wirt- schaften. „D“: Wobei der Alpenraum noch dazu ein besonders sensibler Lebensraum ist … Reiterer: Genau, alle Ressour- cen in den Alpen, wie der Bo- den, das Wasser oder die saube- re Luft, sind begrenzt. Gerade dieses Bewusstsein sollte zu fortschrittlichem Denken füh- ren, Innovation sollte unser An- spruch sein. Hier greift das Al- penkonventions-Motto unter dem österreichischen Vorsitz: Schützen und nützen. Wollen die Leute auf lange Sicht weiter- hin in den Bergregionen leben, gilt es, eine ausgewogene Ba- lance zwischen Nutzbarkeit und Schutz des Lebensraums zu entwickeln. © Alle Rechte vorbehalten THEMA WASSER: Jeder Einzelne kann etwas tun Fazit: Mehr mitgestalten, weniger jammern MONACO (az). Nach der ein- wöchigen „We are alps“-Tour mit dem Schwerpunkt „Wasser“ quer über den Alpenbogen von Wien nach Monaco mit Einblick in über 20 verschiedene Initiati- ven wird deutlich: Die Alpen bieten aufgrund ihres Wasser- reichtums einen privilegierten Lebensraum für Mensch und Tier. Neue Technologien ermög- lichen eine ökologische Nut- zung – je nach Bedarf zum Trin- ken, Bewässern, Heizen, Be- schneien oder zur Erholung. Gleichzeitig wurde die zerstöre- rische Kraft offenbar – wenn et- wa Wassermassen über Fluss- bette treten oder monatelang das kühle Nass ausbleibt. Der Mensch verfügt jedoch über das Wissen und die Werkzeuge, in- telligente längerfristige Maß- nahmen zu ergreifen und so die Biodiversität, seinen eigenen Lebensraum und den Wasser- kreislauf zu schützen. Oft manifestiert sich der Wille dazu erst spät oder im Katastro- phenfall, oft klammern politi- sche oder ökonomische Interes- sen Umweltaspekte einfach aus. Die Erfolgsprojekte führen in- dessen auch vor Augen, wie Umweltschutz verbunden mit außergewöhnlichen Maßnah- men die Bevölkerung einer gan- zen Region zusammenschwei- ßen kann. Patentrezept gibt es keines, jede Situation ist mit all ihren Variablen separat zu bewerten, aber mit gegenseitigem Re- spekt, klaren Ideen und effizien- ter Vorgangsweise lässt sich Er- staunliches bewerkstelligen. Letztlich zeigt aber das immens vielfältige und spannende Spek- trum an Akteuren – sehr wohl auch politischen Entschei- dungsträgern –, Initiativen und neuen Erkenntnissen, dass je- der Einzelne etwas tun kann. © Alle Rechte vorbehalten -Infograk: M. Lemanski „We are Alps“-Tour: Spurensuche quer über den Alpenbogen WIEN MONACO Annecy Schladming Prägraten am Großvendiger Schwarzach Turin Savines-la-Lac Susa L´Agenére- la-Bassée Meran SCHWEIZ SÜDTIROL ITALIEN ÖSTERREICH FRANKREICH Aus dem Stausee Serre-Ponçon hat sich mittlerweile eine Erholungszo- ne von großer touristischer Bedeutung entwickelt. az in den Alpen Von Wien nach Monaco 25.6. bis 2.7.207 Wasser v v v von von von n n n n von n der e a A and d d de de A lex A Ale lex exa xa de der er er er xa xa xa and a and erle le le Zi Z le Zin ing gerl Zing ng ge ng nge gerl rl Zing g Markus Reiterer „Auch heute noch werden Ökonomie und Ökologie als sich ausschließende Gegenpole betrachtet. Dabei ist das kein Entweder-Oder.“ Markus Reiterer, Generalsekretär der Alpenkonvention Lac d'Annecy: Er bietet Trinkwasser für 200.000 Personen. Mehr Bilder auf www.dolomiten.it

Vo n Wi en na ch Mo na co FRANKREICH ÖSTERREICH · 6 Südtirol Montag, 3. Juli 2017 - Das Finale: Tour de France des Wassers Einen übervollen Terminkalen- der gilt es in den französi-schen

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6 Südtirol Montag, 3. Juli 2017 -

Das Finale: Tour de France des Wassers

Einen übervollen Terminkalen-der gilt es in den französi-

schen Alpen abzuarbeiten, dakennen die Tour-Organisatorenkeine Gnade. Beispiel Annecy:Mehrere Treffen mit bzw. Vorträ-ge von Gemeindevertretern, In-genieuren und Wasser-Experten,eine Schifffahrt über den pitto-resken See, Abendessen im ty-pisch französischen Gastlokalmit Briefing über Ziele der Al-pen-Allianz; tags darauf klingeltder Wecker um 6.15 Uhr, weil derZug nach Savines-le-Lac nichtwartet, unterwegs gibt’s als Früh-

stück eine Präsentation über denökologischen Verbund, danachwarten Treffen mit Touristikernund Politikern bis hin zu Wild-wassersportlern.

Der See von Annecy alsWundertüte

In Annecy stechen 2 außerge-wöhnliche Wasser-Initiativenheraus. Zum einen wird das See-wasser bald schon zum Heizenund Kühlen von rund 1000 Haus-halten genutzt, zum anderen ausdem See Trinkwasser für 200.000Personen im Großraum Annecyherausgefiltert. Das wäre etwa so,als würde man das Unterland mitWasser aus dem Kalterer See ver-sorgen – Trinkwasser wohlge-merkt. „Es ist nicht einfach, aberdie moderne Filtertechnologieim Nanobereich macht es mög-lich“, sagt Jérôme Cimetière, Ver-antwortlicher der Trinkwasser-versorgung im Großraum Anne-cy. Basis dessen ist freilich dieherausragende Wasserqualität

FRANZÖSISCHE ALPEN: Lac d'Annecy bietet Trinkwasser für 200.000 Personen – Stausee wird zu Naherholungsort und Tourismusattraktion

„WE ARE ALPS“-TOUR

des Sees, in dem 15 verschiedeneFischarten beheimatet sind.Nicht minder stolz sind Vizebür-germeister Thierry Billet und derzuständige Ingenieur Julien Bra-sier bei der Präsentation ihres„Water Loops“, eine Art giganti-sche Heizungspumpe auf Ökoba-sis. Dank hydrothermischemHigh-Tech wird Wasser aus demSee mit Pumpen und in Zwi-schenbecken je nach Saison zurHeizung oder Kühlung genutzt,bald schon kommen über 1000neue Haushalte in den Genuss.„Wir decken damit einen be-trächtlichen Teil unseres Ener-giebedarfs, schonen die Umweltund machen uns weniger von Öl-und Gasimporten abhängig“, sagtBillet. Die Preise für die Abneh-mer seien niedriger und auf Jahr-zehnte hinaus stabil.

Ökologischer Verbundals Tierschutz

Die Spezies schützen, indemman ihr Habitat schützt, ist diekurze Formel des ökologischenVerbunds. Mag simpel klingen,doch in vielen alpinen Regionenwerden infolge von Zersiedelungund landwirtschaftlicher Nut-zung die natürlichen Lebensräu-me der Tiere mehr und mehr ein-geengt. „Diese Region macht esmit mehreren erfolgreichenMaßnahmen vor, wie ökologi-scher Verbund in der Praxis aus-sehen kann“, sagt der Förster undalpenweite Projektverantwortli-che Yann Kohler, während wir imZug die Isere kreuzen, am Groß-raum Chambery vorbeirauschenund das Bauge-Massiv erkennen.„Nach einem detaillierten Land-

schaftsplan wurden hier grüneKorridore für Wildtiere, spezielleFischleitern und Amphibientun-nel konstruiert“, erklärt Kohler.Nur 3 von vielen Beispielen, umzu zeigen, wie sich Tiere für ihrenArterhalt auf Wanderschaft bege-ben. Im Vorfeld wurden zu die-sem Zweck Grundeigentümer,Bauern, Behörden, Jäger undUmweltschützer eingebunden.Gerade weil sauberes Wasser dieBasis eines intakten Lebens-raums darstellt, wurde in derLandwirtschaft der Einsatz vonPestiziden auf das Minimum zu-rückgefahren.

Erholung und Wassersportam Serre-Ponçon-Stausee

Mit 2 Speedbooten machenwir uns hingegen ein Bild vom

Stausee Serre-Ponçon, mit 29Quadratkilometern etwa 15 Malso groß wie der Kalterer See. Von1955 bis 1961 erbauten hier 3000Arbeiter den größten ErddammEuropas, 1500 Menschen muss-ten umgesiedelt werden, wasfreilich massive Kontroversenhervorrief. Man wollte jedoch dieWasserkraft nutzen und die all-gegenwärtige Hochwassergefahrbändigen. Erst später entstandhier eine große Erholungszonevon bedeutender touristischerRelevanz, 35 Millionen Euro wur-den hierfür investiert. So schip-pern wir an Campingplätzen,Stränden und Bungalows vorbeiund kreuzen den Weg von Sur-fern, Seglern und schnittigenMotorbooten. In geschütztenBuchten gibt es Fischzuchten.„Hier werden im Jahr 700 Millio-nen Kilowattstunden Strom er-zeugt, das sind 10 Prozent der ge-samten Wasserkraft Frankreichs“,erklärt uns der Steuermann.Größte Herausforderung ist derschwankende Stausee-Spiegel in-folge unterschiedlicher Wasser-zufuhr. Doch bei den Anlegestel-len und Zugängen wurden flexi-ble Lösungen gefunden. Heutehat sich die einst heftig diskutier-te Entscheidung als Glücksfall füreine ganze Region erwiesen.

Nach einer Raftingfahrt imhochgelegenen L’Argentiere-la-Bessée, wo nach dem Nieder-gang der Industrie in den 90ernein ganzes Bergdorf auszuster-ben schien, nun aber dank einesWildwasserzentrums, Eiskletternund Alpinismus eine neue Le-bensgrundlage gefunden wurde,geht es mit dem Zug ab nach Mo-naco. Dort blicken wir in den Ho-rizont der Riviera und hängenden Eindrücken der so rasant anuns vorbei gezogenen Alpentournach. Wenngleich die Tour vor-bei ist, werden die mannigfalti-gen Erinnerungen noch langenachwirken. © Alle Rechte vorbehalten

„Schützen und nützen“INTERVIEW: Im Gespräch mit Markus Reiterer, Generalsekretär der AlpenkonventionARGENTIÈRE-LA-BESSÉE (az).Auf Dauer macht Wirtschaftengegen die Natur und das Welt-klima keinen Sinn, ist MarkusReiterer, Generalsekretär derAlpenkonvention überzeugt.

„Dolomiten“: Herr Reiterer,was ist der Sinn und Zweck einerderartigen Tour?Markus Reiterer: Es geht dabeium die Sensibilisierung der Öf-fentlichkeit für eine nachhaltigeEntwicklung im Alpenraum,weshalb diese Tour auch mit öf-fentlichen Verkehrsmittelndurchgezogen wurde. Wir ha-ben das Bemühen, das jeweiligeHauptthema in all seinen Facet-ten zu durchleuchten und ha-ben so von Bewässerung überHochwasser bis hin zur Wasser-kraft unterschiedliche Aspektedes Wassers behandelt.

„D“: Umweltthemen haben oft-mals einen schweren Stand aufder politischen Agenda. WelcheDurchschlagskraft hat die Al-penkonvention?Reiterer: Es handelt sich dabeium geltendes Völkerrecht, unddie Vertragspartner verpflichtensich, die Schutzgebiete im Sinnedes Schutzzwecks zu erhalten.Dies wird von einem eigenstän-digen Compliance Komiteeüberwacht. Die andere Seite isthingegen die Überzeugungsar-beit mit den alpinen Regionenund Gemeinden.

„D“: Was beinhaltet diese Über-zeugungsarbeit?

Reiterer: Eine ganze Reihe anInitiativen wie etwa jene aktuel-le der „Bergsteigerdörfer“, einehervorragende Idee des öster-reichischen Alpenvereins, beidem sich alpenweit 20 Gemein-den zur Umsetzung eines nach-haltigen Tourismus verpflich-ten. Das erste Südtiroler „Berg-steigerdorf“ wird übrigensMatsch sein, bei der Eröffnungim Juli werde ich dabei sein.Wichtig sind zudem natürlichKooperationen – sei es mit derArge Alp oder mit der „Allianzin den Alpen“, sei es mit Behör-den und der Politik.

„D“: Sie sind seit 4 Jahren Ge-neralsekretär der Alpenkon-vention und haben sich anhandunzähliger Begegnungen undLokalaugenscheine wie kaumein anderer ein umfassendesBild von der Entwicklung in denAlpen machen können. Wie istes um den Schutz der Alpenheute bestellt?Reiterer: Eine umfassende Fra-ge, die wohl diesen Rahmensprengt. Kurz gesagt gab es nach

der Aufbruchstimmung in den90ern, als auch der Grundsteinfür die Alpenkonvention gelegtwurde, ab 2008 einen Dämpferinfolge der Wirtschaftskrise.Das Augenmerk galt nun demSchutz der Arbeitsplätze, weni-ger dem Schutz der Umwelt,denn vielfach wurden und wer-den auch heute noch Ökono-mie und Ökologie als sich aus-

schließende Gegenpole be-trachtet. Dabei ist das kein Ent-weder-Oder, sondern vielmehrein Miteinander. Mittlerweilegibt es wieder verstärkte Bemü-hungen in Fragen der Nachhal-tigkeit und des Umweltschut-zes.

„D“: Umweltschutzprojektekönnen also auch durchaus dieWirtschaft beflügeln, wie wirauf der Tour vielerorts gesehenhaben?Reiterer: Ja, wir haben mehreresolche Vorzeigeprojekte gese-hen. Klarerweise braucht es ofteinen längeren Atem, einfachsind die Lösungen so gut wienie. Aber es gibt auf lange Sichtkeine Alternative, wir könnennicht gegen das Weltklima wirt-schaften.

„D“: Wobei der Alpenraum nochdazu ein besonders sensiblerLebensraum ist …Reiterer: Genau, alle Ressour-cen in den Alpen, wie der Bo-den, das Wasser oder die saube-re Luft, sind begrenzt. Geradedieses Bewusstsein sollte zufortschrittlichem Denken füh-ren, Innovation sollte unser An-spruch sein. Hier greift das Al-penkonventions-Motto unterdem österreichischen Vorsitz:Schützen und nützen. Wollendie Leute auf lange Sicht weiter-hin in den Bergregionen leben,gilt es, eine ausgewogene Ba-lance zwischen Nutzbarkeitund Schutz des Lebensraumszu entwickeln. © Alle Rechte vorbehalten

THEMA WASSER: Jeder Einzelne kann etwas tun

Fazit: Mehr mitgestalten,weniger jammern

MONACO (az). Nach der ein-wöchigen „We are alps“-Tourmit dem Schwerpunkt „Wasser“quer über den Alpenbogen vonWien nach Monaco mit Einblickin über 20 verschiedene Initiati-ven wird deutlich: Die Alpenbieten aufgrund ihres Wasser-reichtums einen privilegiertenLebensraum für Mensch undTier. Neue Technologien ermög-lichen eine ökologische Nut-zung – je nach Bedarf zum Trin-ken, Bewässern, Heizen, Be-schneien oder zur Erholung.Gleichzeitig wurde die zerstöre-rische Kraft offenbar – wenn et-wa Wassermassen über Fluss-bette treten oder monatelangdas kühle Nass ausbleibt. DerMensch verfügt jedoch über dasWissen und die Werkzeuge, in-telligente längerfristige Maß-nahmen zu ergreifen und so dieBiodiversität, seinen eigenenLebensraum und den Wasser-kreislauf zu schützen.

Oft manifestiert sich der Willedazu erst spät oder im Katastro-phenfall, oft klammern politi-sche oder ökonomische Interes-sen Umweltaspekte einfach aus.

Die Erfolgsprojekte führen in-dessen auch vor Augen, wieUmweltschutz verbunden mitaußergewöhnlichen Maßnah-men die Bevölkerung einer gan-zen Region zusammenschwei-ßen kann.

Patentrezept gibt es keines,jede Situation ist mit all ihrenVariablen separat zu bewerten,aber mit gegenseitigem Re-spekt, klaren Ideen und effizien-ter Vorgangsweise lässt sich Er-staunliches bewerkstelligen.Letztlich zeigt aber das immensvielfältige und spannende Spek-trum an Akteuren – sehr wohlauch politischen Entschei-dungsträgern –, Initiativen undneuen Erkenntnissen, dass je-der Einzelne etwas tun kann.

© Alle Rechte vorbehalten

-Infografik: M. Lemanski

„We are Alps“-Tour: Spurensuche quer über den Alpenbogen

WIEN

MONACO

Annecy

SchladmingPrägraten amGroßvendiger

Schwarzach

Turin

Savines-la-Lac

Susa

L´Agentiére-la-Bassée

MeranSCHWEIZ SÜDTIROL

ITALIEN

ÖSTERREICHFRANKREICH

Aus dem Stausee Serre-Ponçon hat sich mittlerweile eine Erholungszo-ne von großer touristischer Bedeutung entwickelt. az

in den AlpenVonWien nachMonaco

25.6. bis 2.7.207

Wasser

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Markus Reiterer

„Auch heute noch werdenÖkonomie und Ökologieals sich ausschließendeGegenpole betrachtet.Dabei ist das keinEntweder-Oder.“

Markus Reiterer, Generalsekretärder Alpenkonvention

Lac d'Annecy: Er bietet Trinkwasser für 200.000 Personen.

Mehr Bilder aufwww.dolomiten.it