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 Volker_Popp_'Einfluss_persischer_religioeser_Raster'_Block.doc 1/23 Volker Popp Der Einfluss persischer religiöser Raster auf Vorstellungen im Koran 1. Die Paradiesvorstellung der syrischen Christen der ersten Jahrhunderte .......................... 1 1.1 Die Erweiterung des syrischen Paradieses zum iranischen Garten............................ 1 1.2 Wie lassen sich die Paradiesvorstellung en der Syrer im Text des Korans isolieren? 2 1.3 LUXENBERGs Darstellung des Paradies es der Syrer im Koran................................... 3 1.4 Die iranischen Paradiesvorstellung en als Ergänzung der syrischen Tradition .......... 5 1.5 Die Schilderung des Paradieses als Beispiel für die Entwicklung des Korantextes .. 5 2 Die Engel im Koran................... ......................................................................................... 6 3 Der zentrale Begriff des Koran: ,Dên/Dîn’ ........................................................................ 8 3.1 Dîn im Koran.............................................................................................................. 8 3.2 Zum Verständnis der inwendigen kufischen Inschrift des Felsendoms..................... 8 3.3 Der Dîn Ibrahîm des Koran ........................................................................................ 9 3.4 Zu Koran 2:256 .......................................................................................................... 9 4 Am Ende wird der Lohn für die Mühe ausgehänd igt ......................................................... 9 4.1 Nachtrag ................................................................................................................... 10 5 Die Entstehung der Vorstellung vom Dschihâd............................................................... 10 5.1 Exkurs: Zum Religionsbegriff des Korâns............................................................... 12 5.1.1 Das Verständnis von der Religion als Weg.......................... ................................ 13 5.1.2 Der Dschihâd als „Anstrengung“ beim Beschreiten, Verfolgen des „W eges Gottes “. ............................................................................................................................. 13 5.1.3 Die Abkehr vom spirituellen dschihâd und die H inwendung z um phys ischen dschihâd............................................................................................................................ 20 Die Vorstellung von einer Verbindung iranischer religiöser Raster mit Vorstellungen im Ko- ran muss den Kenner des traditionellen Berichts von dem bewegten Leben eines Propheten der Araber mit Herkunft von der Arabischen Halbinsel, geboren in Mekka und dort und in Medina als Verkündiger einer göttlichen Offenbarung wirkend, befremden. Dabei wird gerne übersehen, dass auch die Arabische Halbinsel über lange Zeiträume Teil des iranischen Kul- turkreises war. Die Verkündigung des Propheten der Araber soll nach seinem Tode ihren Niederschlag im Koran gefunden haben. Hier gilt es nun zu unterscheiden zwischen iranischen religiösen Ras- tern, welche sich schon in vorausgegangenen Offenbarungen finden und im Koran, teilweise neuinterpretiert, beibehalten werden, und iranischen religiösen Rastern, welche sich nur im Text des Koran nachweisen lassen. Zu den ersteren zählen die Vorstellungen von der Existenz eines Paradieses und dem Wirken von Engeln. 1. Die Paradiesvorstellung der syrischen Christen der ersten Jahrhunderte 1.1 Die Erweiterung des syrischen Paradieses zum iranischen Garten Als Paradies gilt der Garten Eden, aus dem Gott nach dem Bericht der Genesis die ersten Menschen nach dem Sündenfall vertrieb. Der frühjüdische Name Paradies für den Garten E- den stammt aus dem Avestischen – dort ,pairidaêza’ geschriebe n –, der i ranischen Sprache, in der die dem ZARATHUSHTRA zugeschriebene Lehre überliefert ist. Der Kontakt der babyloni- schen Judenheit mit dem Iranertum dürfte für das Eindringen der Paradiesesvorstellung mit- samt der dazugehörigen Bezeichnung in den biblischen Text ursächlich sein. Im Verständnis

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Volker Popp

Der Einfluss persischer religiöser Raster auf Vorstellungen im Koran

1. Die Paradiesvorstellung der syrischen Christen der ersten Jahrhunderte .......................... 1

1.1 Die Erweiterung des syrischen Paradieses zum iranischen Garten............................ 11.2 Wie lassen sich die Paradiesvorstellungen der Syrer im Text des Korans isolieren? 21.3 LUXENBERGs Darstellung des Paradieses der Syrer im Koran...................................31.4 Die iranischen Paradiesvorstellungen als Ergänzung der syrischen Tradition .......... 51.5 Die Schilderung des Paradieses als Beispiel für die Entwicklung des Korantextes .. 5

2 Die Engel im Koran............................................................................................................63 Der zentrale Begriff des Koran: ,Dên/Dîn’ ........................................................................ 8

3.1 Dîn im Koran.............................................................................................................. 83.2 Zum Verständnis der inwendigen kufischen Inschrift des Felsendoms..................... 83.3 Der Dîn Ibrahîm des Koran........................................................................................93.4 Zu Koran 2:256 ..........................................................................................................9

4 Am Ende wird der Lohn für die Mühe ausgehändigt......................................................... 94.1 Nachtrag ...................................................................................................................10

5 Die Entstehung der Vorstellung vom Dschihâd............................................................... 105.1 Exkurs: Zum Religionsbegriff des Korâns............................................................... 12

5.1.1 Das Verständnis von der Religion als Weg.......................................................... 135.1.2 Der Dschihâd als „Anstrengung“ beim Beschreiten, Verfolgen des „WegesGottes“.............................................................................................................................. 135.1.3 Die Abkehr vom spirituellen dschihâd und die Hinwendung zum physischendschihâd............................................................................................................................20

Die Vorstellung von einer Verbindung iranischer religiöser Raster mit Vorstellungen im Ko-ran muss den Kenner des traditionellen Berichts von dem bewegten Leben eines Prophetender Araber mit Herkunft von der Arabischen Halbinsel, geboren in Mekka und dort und inMedina als Verkündiger einer göttlichen Offenbarung wirkend, befremden. Dabei wird gerneübersehen, dass auch die Arabische Halbinsel über lange Zeiträume Teil des iranischen Kul-turkreises war.

Die Verkündigung des Propheten der Araber soll nach seinem Tode ihren Niederschlag imKoran gefunden haben. Hier gilt es nun zu unterscheiden zwischen iranischen religiösen Ras-tern, welche sich schon in vorausgegangenen Offenbarungen finden und im Koran, teilweiseneuinterpretiert, beibehalten werden, und iranischen religiösen Rastern, welche sich nur im

Text des Koran nachweisen lassen.Zu den ersteren zählen die Vorstellungen von der Existenz eines Paradieses und dem Wirkenvon Engeln.

1.  Die Paradiesvorstellung der syrischen Christen der ersten Jahrhunderte

1.1  Die Erweiterung des syrischen Paradieses zum iranischen Garten

Als Paradies gilt der Garten Eden, aus dem Gott nach dem Bericht der Genesis die erstenMenschen nach dem Sündenfall vertrieb. Der frühjüdische Name Paradies für den Garten E-den stammt aus dem Avestischen – dort ,pairidaêza’ geschrieben –, der iranischen Sprache, inder die dem ZARATHUSHTRA zugeschriebene Lehre überliefert ist. Der Kontakt der babyloni-schen Judenheit mit dem Iranertum dürfte für das Eindringen der Paradiesesvorstellung mit-samt der dazugehörigen Bezeichnung in den biblischen Text ursächlich sein. Im Verständnis

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des Neuen Testaments wird darunter auch der endzeitliche G1ückszustand verstanden (Lk 23,43; 2Kor 12,4; Offb 2,7).

Diesem Verständnis folgt der Koran. Allerdings wird das Paradies, das umwallte, gestalteteGärtlein inmitten einer nichtparadiesischen Umgebung, erweitert zu einer viele Bereiche um-fassenden Gartenanlage, der ,Dschannat’. Aus dem avestischen Wort für Paradies – ,pairidaêza’ – wird über die mittelpersische Form ,fairidaêz’ das arabische ,firdaws’. Dieswird als arabische Pluralform des Wortes aufgefasst, so dass davon dann noch ein arabischer Singular ,farâdis’ gebildet wird. Im Rahmen des Ausbaus der Paradiesvorstellung zu einer ,Dschannat’ wird aus dem alten Bauabschnitt des ,firdaws’ ein Teil der neuen koranischenAnlage.

Die Erweiterung der neutestamentlichen Paradiesvorstellung, in der Fassung der syrischenChristen, um iranische Elemente ist symptomatisch für die Vorgehensweise der Verfasser der koranischen Materialien. Im Sinne einer Sammlung aller Äußerungen des Dên/Dîn (der gött-lichen und menschlichen Weisheit) muss die iranische Vorstellung vom endzeitlichenG1ückszustand dem aus der Schrift Bekannten hinzugefügt werden. Aus der Perspektive der 

frühen syrischen Christen im iranischen Umfeld bedarf die Schrift einer ,sunna’. Nur so ist esmöglich, dem Wirken des ,Dên/Dîn’ als eines Prozesses fortschreitender Erkenntnis göttlicher und menschlicher Weisheit gerecht zu werden. Die Arbeit am ,Dên/Dîn’ zwingt zu einer Fort-schreibung der Schrift in Form neuer Sammlungen der Erfahrung göttlicher und menschlicher ,sophia’. Daher enthalten die koranischen Materialien Hinweise auf diese Erweiterung der Vorstellung vom Paradies der frühen syrischen Christen zur Vorstellung der iranisierten Syrer des sechsten Jahrhunderts.

1.2  Wie lassen sich die Paradiesvorstellungen der Syrer im Text des Korans isolieren?

Da das ursprüngliche syrische Verständnis der frühen koranischen Materialien verloren gingund ein neuer Zugang· aus iranischer Sicht erst mit der Ausbildung einer neuen iranischen

Staatsreligion nach den religiösen Wirren zur Zeit der als Kalifat des ,AL-MA ۥMÛN’ bekanntenPeriode (nach 840 n. Chr.) gesucht wurde, kam es in der auslegenden Literatur zur Ausbil-dung einer islamischen Tradition, welche zu einer bis zur Unkenntlichkeit führenden Ver-schmelzung der syrischen und iranischen Traditionen führte.

Erst die Vorgehensweise CHRISTOPH LUXENBERGs (2000) wies einen Weg für eine Lösung,welche eine Unterscheidung zwischen dem unterschiedlichen Verständnis syrisch-aramäischer Vorlagen und ihrer iranischen Überprägung ermöglicht.1 Dafür ist es von grund-legender Bedeutung, dass endgültig von der Fiktion abgegangen wird, es handele sich bei der Sprache des Koran um ein der ‘Arabîya entsprechendes Arabisch: Die Sprache des Koran istnur der Islamwissenschaft ein Rätsel.

Da der Koran ein Produkt der Ausdehnung und der Dynamik des Dên/Dîn ist, ist seinesprachliche Form genauso fluid wie der Inhalt, der Umfang und die Tendenz der von ihm dar-gestellten Weisheitssammlung. Diese Sammlung kennt keinen Schlusspunkt, desgleichen kei-ne endgültige sprachliche Fassung. Ihre Sprache ist Abbild der historischen Entwicklung desMaterialsammelns, nicht aber das Produkt einer Verkündigung innerhalb eines überschauba-ren Zeitraums in einer Region der arabischen Halbinsel. Daher kann es auch keine sprachlicheForm geben, welche als kanonisch dargestellt werden könnte. Es ist denkbar, dass zwischender Erstellung von koranischen Materialien und der frühesten Verfertigung einer Grammatik des Arabischen durch den Perser SÎBAWAYH aus Basra (757 [?] – 796 [?] n. Chr.) sprachge-schichtliche Entwicklungen liegen, welche mehrere Jahrhunderte umfassen. Da den Iranern

die historische Dimension der Sprache überall in ihren heiligen Schriften begegnete, verwun- 1 CHRISTOPH LUXENBERG, Die syro-aramäische Lesart des Koran, Berlin 12000, 22004.

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dert es nicht, dass sie mit der historischen Bedingtheit der sprachlichen Fassung einer Überlie-ferung vertraut waren. Sie strebten keine Einheitlichkeit an, sondern nutzten als große Kenner der Sprachgeschichte auch entlegene Ausdrücke und Formen des reichen indo-iranischenSprachguts, um die Historizität des Dargestellten plastisch erfahrbar zu machen.

Die Rätsel hinsichtlich der Sprache des Korans gleichen den philologischen Rätseln, mit de-nen der Avesta den Benutzer des Textes konfrontiert. Dies wird beispielhaft an einer Feststel-lung zu einem Problem der Gatha-Überlieferung deutlich: „Die Einflüsse, denen der Textausgesetzt war, haben zunächst einmal zur Folge, dass viele jungavestische Eigentümlichkei-ten in einen ursprünglich altavestischen Text eingedrungen sind. Dazu kommt aber eine ganzeAnzahl von Erscheinungen, die sich in der vorliegenden Form weder unmittelbar dem Alta-vestischen (Aav.) noch dem Jungavestischen (Jav.) zuordnen lassen. Diese Erscheinungenkönnen zu ganz unterschiedlichen Zeiten in den Text gekommen sein.“2 

Diese Feststellungen hinsichtlich der sprachlichen Verhältnisse der Gatha-Überlieferung kön-nen analog auf die sprachlichen Probleme bei der Überlieferung der koranischen Materialienübertragen werden. An die Stelle von Altavestisch muss man hier nur Altaramäisch einsetzen,

an die Stelle von Jungavestisch kann man hier an den aramäischen Dialekt der Koransprachedenken, welchen man gemeinhin für Arabisch halt. Auch hier finden wir des weiteren Er-scheinungen vor, welche sich unmittelbar weder dem Altaramäischen noch dem aramäischenDialekt der Koransprache zuordnen lassen. Auch diese Erscheinungen können zu ganz unter-schiedlichen Zeiten in den Text gekommen sein. Feststellen lässt sich hier nur, dass der Koraneine historische Sprachentwicklung im Bereich des iranischen Westens widerspiegelt, welcheanalog dazu sich in den religiösen Texten aus dem iranischen Osten findet. Der Westen Iransist das Gebiet von ‘Arabiya (Der Westen), der Oberbegriff für die dort gesprochenen Spra-chen ist ‘arabi’ (das Westliche). Es handelt sich dabei um aramäisches und anderes Sprachgut,welches westlich des Tigris bis hin zum Mittelmeer gängig war.

1.3  LUXENBERGs Darstellung des Paradieses der Syrer im KoranAusgangspunkt für die Entwicklung der Vorstellung, großäugige Huris umhegten die männli-chen Insassen der Paradiesgartenanlage, war Koran 44:54; 52:20. Dort liest man in der Über-setzung von R. PARET: „So (ist das). Und wir geben ihnen großäugige Huris als Gattinnen“(44:54). „Sie liegen (behaglich) auf Ruhebetten, die in Reihen angeordnet sind. Und wir ge-

 ben ihnen großäugige Huris als Gattinnen (52:20).“

Diese interpretierende Lesung des mit diakritischen Zeichen versehenen Textes, welche ziel-führend bei den „Großäugigen“ landet, ist natürlich ganz im Sinne der Indogermanistik. Wo,wenn nicht bei der heiligen Kuh der Indo-Arier, findet sich das Großäugige. Das Opfertier der Hera, Gattin des Zeus, war die Kuh. Die Vorstellung von Hera als der Kuhäugigen, Großäu-

gigen ist historisch. Der rinderweidende Iraner, der am Rinderopfer schmausende Zoroastrier,musste natürlich in seinem koranischen Paradiesgarten die Großäugigen vorfinden. Der urba-ne Syrer hingegen bedurfte des feuchten Blicks der Großäugigen nicht. Seine Paradiesvorstel-lung war von frugaler Art. Dies lässt sich durch LUXENBERGs Lesung der gleichen Stellen desKorantextes belegen. LUXENBERGs syro-aramäische Lesung legt das frühe Verständnis desTextes frei. Dort wird nicht von Gattinnen gesprochen, welche großäugige Huris seien, son-dern: „Wir werden es ihnen unter weißen, kristallklaren Weintrauben behaglich machen.“3 

Dies führt natürlich ein in die Paradiesvorstellung der frühen syrischen Christen. Sie waren eszufrieden, wenn ihre Seelen im Schoß der Erzväter ABRAHAM, ISAAK  und JAKOB geborgen

2 J.  NARTEN, Zum Vokalismus der Gatha-Überlieferung, in: Studia Grammatica Iranica, hrsg. von R. Schmitt,München 1986, 257.3 CH. LUXENBERG, Die syro-aramäische Lesart des Koran, a.a.O. 259.

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waren und von diesen mit kühlen, weißen Trauben von den Reben des Paradieses erfrischtwurden. Auf dieses Paradies wurde man bereits zu Lebzeiten vorbereitet, da der Mosaik-schmuck der Kirchen in Syrien das Reben- und Traubenmotiv vielfältig variierte. Der Mosa-ikschmuck der Kirchen bildete auch die Vögel des Himmels ab, welche sich oberhalb des ve-getabilen Dekors tummelten. So kann es nicht verwundern, dass auch diese auf dem Speise-

 plan der Seligen stehen. R. PARET übersetzt: „und Fleisch von Geflügel, wonach (immer) sieLust haben“ (Koran 56:21).

Die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob füttern die Seligen im Paradies mit weißen Weintrauben.

Wandbild im Syrerkloster Deir al-Suryan im Wadi Natrun in Ägypten(Foto/Copyright: A NDREA BARBARA SCHMIDT, Louvain-la-Neuve, Belgien) 

Aber die Vorstellungen verändern sich: Nicht nur die Huris haben dank der diakritischen Zei-chen im heutigen Korantext ihren Platz in der iranischen Lesung des Korantextes, auch dieHierodulen persischer Festmahle findet man wieder vertreten. R. PARET übersetzt: „Ewig jun-ge Knaben machen unter ihnen die Runde. Wenn du sie siehst, meinst du, sie seien ausge-streute (oder ungefasste?) Perlen (so vollkommen an Gestalt sind sie)“ (Koran 76: 19).

Die syro-aramäische Lesart des Textes ergibt hier nach LUXENBERG: „Es kreisen unter ihnenFrüchte, die (derart) sind, als wären sie (noch in der Muschel) eingeschlossene Perlen.“4 

4 CH. LUXENBERG, ebd. 303.

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In seiner abschließenden Würdigung der von ihm als philologische Missdeutung betrachtetenLesung des heutigen Korantextes mittels der beigefügten diakritischen Zeichen weist LUXEN-

BERG auf das Ausmaß der Entfremdung der Koranexegese gegenüber der ursprünglichenchristlichen Symbolik des Textes hin. Was für LUXENBERG ein Zeichen der Entfremdung ist,ist für den Iraner ein Beleg der Annäherung und Aneignung. Mittels der diakritischen Zeichen

wird ein neuer Text erzeugt, welcher das iranische Verständnis widerspiegelt. Es musste einWeg gefunden werden, die ,göttliche Jungfrau’ der zoroastrischen Mythologie in den Texteinzuführen, ebenso die Hierodulen, ohne die der Umbau des christlich-syrischen Paradieseszu einem iranischen Paradies anderer Observanz unmöglich wäre; denn ohne Gesang konntesich der Iraner das Feiern im Paradies nicht vorstellen.

1.4  Die iranischen Paradiesvorstellungen als Ergänzung der syrischen Tradition

Das Leben im Paradies als ewiges iranisches Fest wird an vielen Stellen des Korantextes be-schworen.

Die Bedeutung der Familie und die den Iranern wichtige Heiligkeit der Ehe („Geht mit EurenGattinnen ins Paradies ein ...“) wird auch im paradiesischen Leben gewürdigt (Koran 13:23;36:56; 40:8; 43:70).

Das iranische Paradies der koranischen Materialien kennt keine Armen. Alle Bewohner ge-nießen die Privilegien und den Luxus des iranischen Landadels (Koran 76:12-20). Die Klei-dung der ,diqans’ ist allgemeiner Standard. Dies bedeutet: Große Robe für alle, Goldkettchenund Duftwässer (Koran 22:23; 35:33).

Etwa gleichzeitig mit der Zusammenstellung der koranischen Materialien zum Thema Para-dies bereiteten die Vertreter der ehemaligen Staatsreligion des Sassanidenreiches ihre Materi-alien neu auf. Ein Mitglied einer der wichtigsten Familien der zarathustrischen Geistlichkeitund Inhaber höchster Ämter des Klerus in Fârs und Kirmân war MANÛJÎR . Er war um 880 n.

Chr. tätig. Seinen Schriften entstammen folgende Nachrichten über das Paradies der Iraner:„... heißt es, dass die Bewohner des Paradieses in Liebe und Freundschaft miteinander ver- bunden seien und nur an sich selbst dächten. MANÛJÊR bietet u.a. folgende Definitionen: ,[dasParadies] hoch erhaben, erhöht, am hellsten, wohlriechendsten, reinsten, schönsten, erstre-

 benswertesten, besten, und [es ist] die Wohnstätte der Götter.’ In ihm gibt es nur Frieden undFreude, Glück und Segen und Güte [und zwar] mehr und größer als die größte und höchsteGüte und der größte und höchste Frieden in der sichtbar-materiellen Welt (pad getig). In ihmgibt es kein Begehren und keinen Schmerz, kein Leid, keine Unannehmlichkeit [Dd. 25,2-4)... [Die Hölle ist] unten, tief nach unten gekehrt, und am finstersten, stinkendsten und schreck-lichsten, überflüssigsten und übelsten, die Behausung der Dämonen und Teufel (dewan dudruzan). In ihr gibt es keinen Frieden, keine Güte und keine Freude. In ihr gibt es nur Gestank 

und Schmutz, Schmerz und Strafe, Leid und Trauer und Böses und Unannehmlichkeit“ [Dd.26,2-4). Diese Beschreibung entstammt Manûjêrs Werk ,Dâdestân î dênig’ (Die religiösen Ur-teile).5 

1.5  Die Schilderung des Paradieses als Beispiel für die Entwicklung des Korantextes

1.  Eine frühe Schicht umfasst die Schilderung nach der frühen christlich-syrischen Tradition.

2.  Die frugale Paradiesvorstellung der syrischen Christen wird mit iranischen Vorstellungenangereichert. Es entsteht die Paradiesvorstellung der in Iran inkulturierten christlich-syrischen Gemeinde. Hier wird auch den Gründern der Gemeinde das Paradies verspro-chen, waren sie es doch, die deportiert wurden (Koran 3:195; 9:100).

5 M. STAUSBERG, Die Religion Zarathushtras, Stuttgart 2002, 296.

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3.  Die Schilderung der frühen Schicht wird nicht mehr verstanden, sowohl aus sprachlichenals auch aus inhaltlichen Gründen. Iranische Vorstellungen überlagern dominant die früh-christlich-syrische Symbolik. So kommt es dazu, dass mittels der diakritischen Zeicheneine Lesung des frühen Materials im Sinne der iranischen Tradition erfolgt. Weiße Trau-

 ben werden zu ,Paradiesjungfrauen’ verlesen, somit erfolgt eine Annäherung an die irani-

sche Vorstellung von der ,Heiligen Jungfrau’, welche die Seelen ins Paradies geleitet. Ausunter den Paradiesbewohnern kreisenden Früchten müssen demnach „Früchtchen“ wer-den, damit das Paradies mit Gesang und Gunsterweisen der Hierodulen belebt werdenkann.

Zu guter Letzt befindet sich der Text dann in einer Verfasstheit, welche an die Textgestalt der Avesta erinnert. Eine frühe und eine spätere Sprachform finden sich im gleichen Kodex, hin-zu kommt die Lesung auf einer dritten Ebene, welche durch die Hinzugabe diakritischer Zei-chen erreicht wird.

2  Die Engel im Koran

Im Neuen Testament sind die Engel Boten Gottes. Eine große Rolle spielen Engel in den Tex-ten der Gemeinde von Qumran. Auf den iranischen Hintergrund der Angelologie auch des Neuen Testaments weist der Bericht von der Gefangennahme und Befreiung PETRI hin (Apg12,1-19): „Als der ihrer Meinung nach noch in schweren Ketten liegende PETRUS plötzlichvor der Türe des Hauses stand, da meinten sie, es sei sein Engel’ (Apg 12,15).“6 

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch im Umkreis des Neuen Testamentsder Engel noch nach Art des iranischen ,fravahr’ wahrgenommen wurde. Der ,fravahr’ ist der „(M.P.) heavenly, immortal counterpart of earthly beings, tutelary genius; immortal soul of Magians, guardian angel during one’s lifetime“.7 

Eine andere Beschreibung lautet: „Wahlentscheidung; anthropologisches und kosmogo-

nisch/kosmologisches Prinzip, zugleich (unter Umständen hilfreicher) Totengeist; mittelper-sisch Frawahr.“8 Ein Monat des Kalenders der islamischen Republik Iran ist noch dieser Vor-stellung des ,fravahr’ als Totengeist gewidmet, es ist der Monat Farwardîn. Er entspricht un-gefähr der Vorstellung von ,Allerseelen’.9 

Im koranischen Text lässt Gott seinen Engel zu den Propheten sprechen. MOSE ist die Aus-nahme. Es herrscht keine Übereinstimmung darüber, wer im koranischen Text der ,Sprecher’ist. Man könnte auch in diesem Fall daran denken, hier den ‘fravahr’ Gottes zu sehen.

Es gibt gute Gründe dafür, derartige Überlegungen anzustellen. Wenn hier iranische Vorstel-lungen herauspräpariert und in Verbindung mit den koranischen Materialien vorgestellt wer-den, dann muss dies nicht heißen, dass derartige Vorstellungen nur in dem Raum verbreitet

waren, den wir heute als Iran bezeichnen. Iranische religiöse Vorstellungen waren auch imGebiet des oberen Euphrats zu Hause. Der zentrale Begriff des Koran ,Dên/Dîn’ etwa ist auseiner griechischen Inschrift des 2. Jahrhunderts v. Chr. aus Kappadokien bekannt. Man mussdaher gar nicht so weit gehen und eine Inkulturation syrischer Christen als Deportierte in Ost-Iran und Chorasan postulieren, um die Heimat der grundlegenden religiösen Raster des Ko-

 6 HELMUT WALDMANN, Heilsgeschichtlich verfasste Theologie und Männerbünde. Die Grundlage des gnosti-schen Weltbildes, Tübingen 1994, 69.7 M. G. MORONY, Iraq after the Muslim Conquest, Princeton 1984, 530.8 M. STAUSBERG, Die Religion Zarathushtras, a.a.O., 473.9 „‘farwardin’, The nineteenth day of the month; the first month of the Persian year, corresponding with March;also the name of an angel supposed to preside over it“ (F. Steingass, Persian-English Dictionary, London 1892,924).

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rans ausfindig zu machen. Diese kann irgendwo zwischen Jerusalem und al-Marwa gelegenhaben.

Am oberen Euphrat lag das Königreich Kommagene mit der Hauptstadt Samosata (jetzt über-flutet). Bekannt sind die Überreste der Kultstätte auf dem Nemrud Dagh. Sie entstammen dem1. Jahrhundert v. Chr. Der kommagenische König A NTIOCHOS I. stellt in einer Inschrift fest,dass er die Abbildungen auf dem Nemrud Dagh „auf vielfältigste Weise nach alter Kunde vonPersern und Griechen“ hergestellt habe. Sieht man demnach das Gebiet des oberen Euphratals Schnittpunkt derartiger Vorstellungen des 1. Jahrhunderts v. Chr. an, so kann man wohlauch davon ausgehen, dass sich ,persische’ Vorstellungen in diesem Raum erhalten haben.Dies trifft ja auch auf den iranischen Terminus ,Dên/Dîn’ zu, der uns aus einer griechischenInschrift des 2. Jahrhunderts v. Chr. aus Kappadokien bekannt ist und sich bis heute im Textder koranischen Materialien als der zentrale Begriff erhalten hat.

Wenn A NTIOCHOS I. in seiner Inschrift sich auch der persischen Art der Darstellung der Göt-ter verpflichtet fühlt, dann bedeutet dies: A NTIOCHOS hat nicht die Götter dargestellt, sondernderen fravaschis. „MOULTON deutet diese Möglichkeit schon an. Weiterhin weist MOULTON 

auf die Nähe von fravaschi zu den Begriffen Manen und genius hin, wobei er mit genius denBegriff iuno verbindet, den er (...) mit ,young woman’ übersetzt. Er schreibt: ,It is remarkablehow great the general similarity is between the Genius and the Fravashi. The Genius, with hisfemale counterpart the Juno, is the special patron of birth, a function which markedly belongsto the fravashis. Both seem to combine the ideas of an inborn part of the individual and a

 power which watches over him’. Anderseits schreibt SÖDERBLOM: ,Les fravashis font en effetconcurrence aux divinités reconnues par la littérature la plus classique du mazdeisme. LesGáthâs’. Dazu stelle man NYBERG: ,Die Fravaschis sind die alles beherrschenden Mächte, dieErhalter des Himmels und der Erde, die Bürgen für die Ordnung der Natur und des sozialenLebens, die Sieger im Streit, die Stütze des Menschen von dem Augenblick an, da er im Mut-terleib gebildet wird, die Herren des Geschichtsablaufs. Auch die Fravaschis der Götter wer-den angerufen, die Götter sind in ihrem innersten Wesen Fravaschis’.

(...) Wie der Begriff fravaschi die Ahnenverehrung im kommagenischen Kult verstehen lässt,soweit sie auf persische Vorstellungen zurückzuführen ist, macht es demnach auch dessenGott-König-Verständnis fassbar. Die kommagenischen Könige sehen als ihr höheres geistigesSelbst nicht nur nicht irgendeine der, man möchte sagen, namenlosen präexistenten fravaschisan, noch die fravaschis irgendeines der Hochgötter, sondern die des königlichen Gottesschlechthin, des MITHRAS.“‘10 

Die Vorstellung von den ,fravaschis’ wirkt nicht nur im heutigen Totengedenken im Irannach. Auch das Konzept des Sprechers im Koran dürfte mit der Vorstellung von den frava-schis verbunden sein. Die Existenz des Sprechers ist ja bis heute rätselhaft. Der Versuch, denText als Verkündigung eines Propheten der Araber zu sehen, kann nur als gelungen gelten,wenn man dem koranischen Text Gewalt antut. Der Prophet kann nur in den Koran hineinge-lesen werden, wenn man die Überschreibung des Textes durch eine dritte Lesung mittels der diakritischen Zeichen zugrunde legt.

Der Koran steht aber in Zusammenhang mit der chiliastischen Bewegung ‘ABD AL-MALIKS

BN ABDALLAH aus Marw in Chorasan. Die fravaschi des königlichen Gottes (malik) ist natür-lich nicht mehr MITHRAS, sondern der eschatologische JESUS. Dieser präexistente JESUS istunter seinen Prädikaten ,saffâh’ „mansûr’, ,mahdî’ das höhere geistige Selbst der Herrscher aus Marw, welche sich als ,bn amîr al-mu’minîn’ bezeichnen.

10 H. WALDMANN, Der kommagenische Mazdaismus, Deutsches Archäologisches Institut, Istanbuler Mitteilun-gen: Beiheft 37, Tübingen 1991, 174-177.

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3  Der zentrale Begriff des Koran: ,Dên/Dîn’

3.1  Dîn im Koran

Der Koran macht Aussagen über den Glauben und dazu, wie der Glaube beschaffen sein soll.Er trifft keine Aussagen zur ,Religion’. Die Auffassung, mit dem Begriff ,Dên/Dîn’ seiner 

Verbindung mit dem Begriff ,islâm’ sei eine Religion des Islam gemeint, ist historisch falsch.Erst die moderne Islamwissenschaft begreift den Terminus ,Dên/Dîn’ als Beschreibung einer ,Religion’.11 

Der ,islâm’ ist nach Ansicht des Korans Ausfluss des ,Dên/Dîn’. Der iranische Dên als Mani-festation der göttlichen und menschlichen Weisheit kann den Streit um die Auslegung der Schrift nicht hinnehmen. Es ist ein Gebot der ,sophia’ (Dên), die Eintracht hinsichtlich desVerständnisses der Schrift zur Pflicht zu machen. Daher muss man sich gegen den Streit (mâ-[i]khtilâf[a]) unter den Besitzern der Schrift wenden und die Übereinstimmung (al-islâm) zur Pflicht machen; denn was den Glauben an Gott angeht, so verlangt er nach Eintracht“ (‘in[na]d-dîn[a] ‘ind[a] llâh[i] l-’islâm, Koran 3:19).12 

Mehr gibt der Text der koranischen Materialien zur neuen Religion des Islam überhaupt nichther. Diese sind im Raum von al-Marwa und Jerusalem entstanden. Der Prophet der Araber inMekka ist Bestandteil der späteren iranischen Lesung, als es zur Verknüpfung von korani-schem Text und neuen Rezipienten kam. Den koranischen Materialien wurde ein iranischesSchicksal zuteil: Aus den Händen der Editoren gelangten sie in die Hände der Pharisäer (ara-

 bisch Scharîfen). Aus der sunna einer christlichen Gemeinschaft wurde das Traditionswerk einer iranischen Orthodoxie.

„Ahura Mazdâ created man with his vision (daênâ; Y. 46.6). The bond of religion (paywand îdên), which denotes ‘adopting a righteous authority in time and not deviating from this au-thority’, (...).“13 

3.2  Zum Verständnis der inwendigen kufischen Inschrift des Felsendoms

Dort heißt es: „bi-sm(i)llâh(i) r-rahmân(i) r-rahîm/ lâ ilâh(a) illâ llâh(a) wahda(û)lâ scharîk(a)la-h(u)“ (In der Neulesung von CHR . LUXENBERG: „Im Namen des gnädigen und barmherzi-gen Gottes (...)/ Es gibt keinen Gott außer Gott allein, er hat keinen Teilhaber“).14 

Die Frage, wer hier der ,Teilhaber’ sein möge, hat schon zu vielfältigen Diskussionen geführt. Nach landläufiger Meinung handelt es sich hier um einen ,anti-trinitarischen’ Reflex. Führtman sich die Zielsetzung des mazdayasnischen ,Dên’ vor Augen, der darauf abhebt, das Ver-mischte zu reinigen/zu scheiden, dann handelt es sich um einen Hinweis darauf, dass keineVermischung im Sinne des iranischen Verständnisses des „Dên“ vorliegt.15 

11 „In any case, the notion of ,religion’ in question is by no means identical in Mazdaism and Islam“ (L. GARDET,Artikel „Din“, EI2,II/293). Dies wird hier für den „Frühislam“ bestritten. Erst die Rechtsschulen und Hadith-Sammlungen verengen den Begriff des „Dên/Din“ zum islamischen Din und betrachten den ,islam’ als ,Din’ ansich. Dies geschieht frühestens in der Mitte des 9. Jahrhunderts n. Chr.12 Vgl. auch: CH. LUXENBERG, Die Neudeutung der arabischen Inschrift im Felsendom zu Jerusalem. Die dunk-len Anfänge, hrsg. v. K.-H. OHLIG & G.-R. PUIN, Berlin 2004, 128.13 M. SHAKI, Artikel „Dên“, in: EIr II/279.14 CH. LUXENBERG, Die Neudeutung der arabischen Inschrift im Felsendom zu Jerusalem, a.a.O.15 „mazdesn den (...) is a brilliance from the nature of Ohrmazd; its principal is the mind/thought of Axw, Ahû(q.v.; ‘the supreme lord’), and its manifestation is the recitation and practise of the holy words (mânsr), which it-self is the mean (paymân; Dênkard, ed. Madan, I, p. 326; de Menasce, 1973, p. 313). The essence of the Maz-

daen relipion is the wisdom of Ohrmazd, with knowledge and action (kunischn) as its essential elements; its ... purpose or function is to purify (ms.: heal) the mixed (...) creation (...) by conquering and destroying the adver-sary (...)“ (M. SHAKI, Artikel „Dên“, in: EIr.II/279).

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3.3  Der Dîn Ibrahîm des Koran

Die vielfältigsten Versuche sind bereits unternommen worden, diesen Begriff zu klären. Eswird hier zumeist an einen historischen Abraham gedacht, welcher eine Religion gegründethaben soll. Nach dieser Religion Abrahams, auch ,Hanifentum’ genannt, wird noch immer ge-sucht. Es wird auch immer wieder daran gedacht, diesen Ausdruck mit einer Vorstellung von,abrahamitischer Religion’ zu verbinden. Dies alles ist falsch.

Im Sinne des iranischen ,Dên’ muss ,Dîn Ibrahîm’ verstanden werden als ,Glaube Abrahams’.Es ist der Glaube Abrahams, von dem Paulus in seinem Brief an die Römer (4,3.11-16)spricht. Dieser ,Glaube Abrahams’ wird im Koran beschworen.

Der Abraham des Koran meidet die Gesellschaft der ,muschrikûn’, der Vermenger und Ver-mischer und lässt sich lieber als Hanîf (Heide) titulieren, als dass er zu denen in die Kirchegeht, welche die Dinge nicht ordentlich auseinander halten.

In diesem Sinn ist auch der koranische Begriff vom ,Dîn al-Haqq’ (der rechte Glaube) zu ver-stehen, im Gegensatz zum ,Dîn kulli’ (dem gemein gemachten, verunreinigten Glauben).

3.4  Zu Koran 2:256

Hier übersetzt R UDI PARET: „In der Religion gibt es keinen Zwang (d.h. man kann niemandzum [rechten] Glauben zwingen). Der rechte Weg (des Glaubens) ist (durch die Verkündi-gung des Islam) klar geworden (so dass er sich) vor der Verirrung (des heidnischen Unglau-

 bens deutlich abhebt) (...).“

Hier haben wir es aber mit einer Feststellung zu tun, welche der allgemeinen iranischen Welt-sicht zuzurechnen ist. Interessant ist das Auftauchen dieses Verses in der Inschrift in Damas-kus. Historisch verständlich ist der Vorgang, wenn man ihn vor dem Scheitern der Parusie-Erwartung des Jahres 77 nach den Arabern (698 n. Chr.) sieht. Es war in diesem Zusammen-hang opportun, auf allgemeine Glaubenssätze abzuheben.

Wo R. PARET, und mit ihm die Gemeinde der Islamwissenschaftler, ein Toleranzangebotsieht, versteht der iranische Mensch, der nicht in die Kirche der Islamwissenschaftler geht, einuraltes iranisches Konzept von der Art und Weise, wie der Glaube beschaffen zu sein hat.

 Nach der Art der koranischen Rhetorik und der Erklärung eines Phänomens durch Nennungvon Gegensatzpaaren (Streit versus Eintracht/ikhtilâf versus islâm) wird hier festgestellt: „fîd-dîni/lâ ikrâha“: Ist der Glaube vorhanden, so fällt es nicht schwer zu erkennen. Keine Mühemacht es, wenn der rechte Glaube vorhanden ist, zu erkennen (lâ ikrâha fî d-dîni). Der RechteWeg des Glaubens, welchen R. PARET hier sieht, ist nichts anderes als eine avestische Vor-stellung nach der Dên yast. Dort preist die „sophia“ die Göttin des geraden Weges als Ver-

körperung der wahren Weisheit. Der Name dieser Göttin liegt der koranischen Idee von derar-tigem Verhalten zugrunde: „rushd“. Die koranische Vorstellung von ‘rushd’ entspricht dem,was die Göttin R AZISCHTA den mazdayasnischen Iranern bedeutetete. Sie verkörpert den ge-raden Weg, den rechten Weg im Sinne des Dên/Dîn.

4  Am Ende wird der Lohn für die Mühe ausgehändigt

Der Gotteslohn – rizk Allâh – erhält den Glaubenden. Der fern der angestammten Heimat le-  bende Syrer war auf den Tageslohn angewiesen. Da er nicht Landedelmann war (diqân),musste er sich mit einem Sold oder Tageslohn begnügen.

Der Tageslohn oder Sold wird im Mittelpersischen, dem zeitgenössischen Persischen der Ko-rangenese, als ,rôzik’ bezeichnet. Es ist das, was zu einem ,rôz’ (Tag) gehört.

Diese wenigen Beispiele mögen genügen. Eine detaillierte Studie könnte den iranischen Hin-tergrund vieler koranischen Vorstellungen noch weitaus schärfer herausarbeiten.

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4.1  Nachtrag

Zwischenzeitlich machte mich Herr Dr. GERD.-R.  PUIN darauf aufmerksam, dass die Rand-schrift: „bism’illâh walî al-amr“ der Münze aus GRM-KRMAN des Jahres 70 nicht notwen-digerweise im Sinne der islamischen arabischen Semantik als: „Im Namen Gottes ist er der Beauftragte im Befehl“ zu lesen ist. ‘Al-amr’ kann demnach auch im alttestamentlichen Sin-ne; der hebräischen und syrischen Semantik entsprechend, für: „Das Gesagte, das Wort“ ste-hen. Somit handelt es sich bei der Randschrift um eine inhaltliche Präzisierung der Bedeutungder mittelpersischen Inschrift im Feld der Münze: „MHMT PGTAMI Y DAT“ (Der Erwählteist der Bote/die Botschaft von Gott“). Man sollte demnach die Randschrift in arabischer Schrift lesen: „Im Namen Gottes ist er Stellvertreter/Beauftragter (walî) des Wortes (logos)“

Herr Dr. CHRISTOPH HEGER wies mich darauf hin, dass es sich bei dem Schwert ‘Alîs, Dhu’l-Fiqâr, um die Mythologisierung einer neutestamentlichen Vorstellung vom Worte Gotteshandelt. Das zweischneidige Schwert in den Händen ‘Alîs steht für das Bild vom Worte Got-tes. In der Offenbarung des Johannes findet sich die prototypische Vorstellung von ‘Alî mitdem zweischneidigen Schwert: „... und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus

seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert...“(Offenbarung des Johannes,1:16), „denn das Wort Gottes (...) ist schärfer denn kein zweischneidiges Schwert“(Brief andie Hebräer, 4:12).

5  Die Entstehung der Vorstellung vom Dschihâd

Einige Vorbemerkungen zu den Irrungen und Wirrungen der Islamwissenschaft bei der Suchenach den historischen Hintergründen der Entstehung des Konzepts vom Dschihâd.16 

In jüngster Zeit häufen sich die Hinweise auf ein radikales Umdenken unter einer Gruppe vonIslamwissenschaftlern hinsichtlich der Beurteilung der Quellenlage zur Geschichte des Früh-islam.17 

Diese Ansätze zu einem Umdenken sind hier von Bedeutung, da der Komplex des Dschihâdsdem Text der koranischen Materialien, wie sie in der allgemein verwandten Ausgabe von Kai-ro aus dem Jahr 1925 als Gesamtschrift des Koran vorliegen, entnommen ist. Es ist daher un-ter den Islamwissenschaftlern zu unterscheiden zwischen den Anhängern des ‘TraditionellenBerichts’, welche den Korân als die Verkündigung eines Propheten der Araber auffassen undden sogenannten Revisionisten, die dazu neigen im Korân das Produkt einer Gemeindearbeitzu sehen. Die beiden Gruppierungen bieten dementsprechend unterschiedliche Erklärungenzur Geschichte und Semantik des Begriffs Dschihâd an.

Die Vorstellung von den koranischen Materialien als einer Sammlung prophetischer logia ei-ner sektiererischen Gemeindetradition syrisch-christlicher Observanz im Gebiet Nordmesopo-

tamiens wurde erstmals von dem englischen Theologen JOHN WANSBROUGH vorgestellt.18

 Zu diesem Konzept der Korangenese passt es, dass der Name dieser Sammlung, Korân, auf ein aramäisches Wort zurückgeht, welches im kirchlichen Gebrauch ein ‘Lektionar’ bezeich-net.19 

16 „jihâd fight, battle; holy war (against the infidels, as a religious duty). Ijtihâd, effort, exertion, endeavour, pains, trouble; application, industry, diligence: (Isl. Law) independent judgement in a legal or theological ques-tion.“ (HANS WEHR , A Dictionary of Modern Written Arabic, Wiesbaden 1961, 143,144.)17 S. dazu auch den Artikel von K ARL-HEINZ OHLIG, „Apell für eine neue Islamwissenschaft“ in der FAZ v.

21.11.2006, 41.43.)18 JOHN WANSBROUGH, The Sectarian Milieu. Content and Composition of Islamic Salvation History, Oxford1978.

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Die dänisch-amerikanische Islamhistorikerin PATRICIA CRONE (Institute of Advanced Studies,Princeton) hat bereits vor einigen Jahren nachgewiesen, dass die Hidschra (Auswanderung)des Propheten der Araber von Mekka nach Medina unhistorisch ist. Sie wird erstmals litera-risch im 9. Jahrhundert belegt. Wozu wurde sie dann aber auf das Jahr 622 fixiert? Nach PAT-

RICIA CRONE geht dies auf den Wunsch der Muslime des 9. Jahrhunderts zurück, auch, wie

die Juden, ein schönes Anfangsdatum, einen Exodus, zu haben.20

 Historisch ist, dass auf das Jahr 622 der erste Sieg des byzantinischen Kaisers über das Heer der Sassaniden in Armenien fällt. Damit war der Nimbus der persischen militärischen Überle-genheit vernichtet. Dieses Datum wurde später als der Anfang vom Ende des Sassaniden-reichs verstanden und somit als der Beginn einer neuen Epoche ohne Unterdrückung und Ver-folgung. Nordostmesopotamien, das von Wansbrough vermutete Entstehungsgebiet der pro-

 phetischen logia der koranischen Texte war Teil des Sassanidenreichs, ebenso das Mekka des‘Traditionellen Berichts’.

Der Perserkönig wird im Korân namentlich erwähnt (K ISRA, dh. CHOSRAU) und als der neuePharao (arab. firaûn) vorgeführt. Sein Untergang ermöglichte die Heimkehr der Deportierten

oder ihrer Nachkommen, welche nach altorientalischer Tradition in entfernte Gebiete ver-schleppt worden waren. Die Verschleppten waren überwiegend syrische Christen, somit Un-tertanen des Kaisers von Ostrom. Sie wurden in den alten Alexanderstädten im Osten Iransangesiedelt, oder aber in Neugründungen in Mesopotamien, Khûzistân und Fârs. Diese histo-rische Wende führte zu einem Umschwung, welcher die aramäisch-arabische Bevölkerung der iranischen Städte an die Macht brachte und das Ende des sassanidischen Feudalismus einläu-tete.21 

Folgt man diesem Modell der Korangenese, dann beziehen sich koranischen Verse, welche bislang für die Definition des Dschihâds auch als Auswanderung (arab. hidschra) in Anspruchgenommen wurden (Korân 4:89; 4: 94; 4: 100; 24: 22), unter anderem auf die Umstände der 

Deportationen des dritten bis siebten Jahrhunderts von Syrien ins Perserreich. Die Auswande-rer (arab. muhâdschirûn) wären demnach keine Kämpfer im Heiligen Krieg, sondern Depor-tierte, welche einen Weg suchen sich mit ihrem Schicksal zu versöhnen indem sie es als gött-liche Prüfung verstehen. Abweichend von der Darstellung des alttestamentlichen Pharao wirdder Firaûn, der Pharao des Korâns geschildert. Er ist ein persischer Herrscher, ein Pharao ne-os, dessen Verfahrensweise bei Deportationen der Korân erwähnt: „Und denkt daran, dassWir euch vor den Leuten des Pharao retteten, die euch schlimme Pein zufügten, indem sie eu-re Söhne abschlachteten und eure Frauen am Leben ließe. Darin lag eine schwere Prüfung vor eurem Herrn“. (Korân 2:50)

Davon spricht die Bibel nicht, wenn sie die Vorgehensweise des altägyptischen Pharao gegendie Kinder Israels schildert. Die Kinder der Israeliten werden durch göttliche Fügung gerettet.Somit weist dieser Vers des Korâns darauf hin, dass die deportierten Christen Syriens imReich der Feueranbeter noch grausamer behandelt wurden als einst die Israeliten in Ägypten.

Fährt man in dieser Weise mit der Anwendung der historisch-kritischen Methode auf denKorântext fort, ergeben sich noch weitere Möglichkeiten für Rückschlüsse auf einen ur-

 19 „SCHWALLY, WELLHAUSEN (ZDMG, LXVII, 634) und HOROVITZ (Isl., XIII, 67) sehen dagegen darin ein syri-sches oder jüdisches Lehnwort Keriyânâ, Kiryânâ (lectio, das Lesen, oder das Gelesene),...“ (F. BUHL, Artikel„Al-Kur’ân“, Handwörterbuch des Islam, Leiden 1941, 347.)20 PATRICIA CRONE / MICHAEL COOK , Hagarism. The Making of the Islamic World. Cambridge, London, New

York, Melbourne 1977, 24.25.21 ERICH K ETTENHOFEN, Artikel “Deportations" in the Parthian and Sasanian Periods“, Encyclopaedia Iranica,Costa Mesa 1994, VII/298-307.

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sprünglichen christlichen Sinn von später für die Rechtfertigung einen Heiligen Krieg instru-mentalisierten Koranversen.

5.1  Exkurs: Zum Religionsbegriff des Korâns.

Der Begriff ‘Dîn’ des Korâns wird von Islamwissenschaftlern übersetzt mit ‘Religion’.22 

Den derzeitigen Stand der Diskussion des Begriffs stellt LOUIS GARDET in seinem Artikel‘Dîn’ in der Encyclopaedia of Islam wie folgt dar.

»DÎN, 1. Definition and general notion.

It is usual to emphasize three distinct senses of dîn: (1) judgment, retribution; (2) custom, us-age; (3) religion. The first refers to the Hebraeo-Aramaic root, the second to the Arabic rootdâna, dayn (debt, money owing), the third to the Pehlevi dên (revelation, religion). The thirdetymology has been exploited by NÖLDEKE and VOLLERS.«23 

Da es bis heute noch kein etymologisches Wörterbuch des Arabischen, oder des Koranarabi-schen existiert, ist diese Feststellung mit Vorsicht zu genießen. Da eine kritische Edition des

Korântextes auf der Grundlage früher Handschriften ebenfalls bislang ein Desideratum ge- blieben ist, ist es angebracht derartigen Feststellungen der Islamwissenschaftler mit größter Vorsicht zu begegnen. Es wird derzeit noch so getan, als ob der in Kairo 1925 veröffentlichteText die Urfassung aus der Zeit des Kalifen Osmân im siebten Jahrhundert darstelle. Dieser war, dem Traditionellen Bericht der Muslime zufolge, der dritte Nachfolger in der Führungder mekkanischen Gemeinde nach dem Tod des Propheten der Araber.

Jedenfalls haben NÖLDEKE und VOLLERS bereits in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg er-kannt, dass der Begriff ‘Dîn’ seinen Ursprung in der Vorstellung vom iranischen ‘Den’ hat.Dies ist insofern plausibel, als sowohl Nordostsyrien, wie auch die Arabische Halbinsel imBereich der Ausstrahlung der iranischen Kultur lagen und auch über viele Jahrhunderte von

iranischen Dynasten beherrscht wurden.Im Kontext des iranischen religiösen Denkens bedeutet „Dên“: „theological and methaphysi-cal term with a variety of meanings: „the sum of man’s spiritual attributes and individuality,vision, inner self, conscience, religion.“24 

Der „Islâm“ ist daher eine Funktion des „Den“. Dies zeigt die Inschrift im Felsendom (Omâr-Moschee) in Jerusalem. An diesem Ort wird die Kombination der beiden Begriffe, Dîn undIslâm, zum ersten Mal (693) historisch fassbar zitiert. Dort heißt es: „‘in[na] d-dîn[a] ‘ind[a]llâh[i] l-’islâm“(... denn was den Glauben an Gott angeht, so verlangt er nach Eintracht). 25 

Diese erwünschte Eintracht – al-islâm – steht im Gegensatz zur Zwietracht – al-ikhtilâf.

Der Dên als Manifestation der göttlichen und menschlichen Weisheit kann den Streit um dieAuslegung der Schrift nicht hinnehmen. Es ist ein Gebot der ‘sophia’ (Dên), die Eintrachthinsichtlich des Verständnisses der Schrift zur Pflicht zu machen. Daher muss man sich gegenden Streit (mâ-[i]khtilâf[a] unter den Besitzern der Schrift wenden und die Übereinstimmung(al-islâm)zur Pflicht zu machen; denn was den Glauben an Gott angeht so verlangt er nach

22 „(...) dîn, pl. (...) adyân, religion, creed, faith, belief“ (HANS WEHR , A Dictionary of Modern Written Arabic,a.a.O., 306).23 EI², II/ 293.24 MANSOUR SHAKI, „Den“, Eir IV/279.25 Vgl. auch CH. LUXENBERG, Die Neudeutung der arabischen Inschrift im Felsendom zu Jerusalem. Die dunklenAnfänge, hrsg. v. K.-H. OHLIG & G.-R. PUIN, Berlin 2004, 128.

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Eintracht, Korân 3:19. Dies wird heute nach islamischem Verständnis übersetzt: „Als (einzigwahre) Religion gilt bei Gott der Islâm.“26 

5.1.1  Das Verständnis von der Religion als Weg.

Das iranischen Verständnis des Dên wird bereits in der Dên Yascht (Yascht 16 der Avesta)

verdeutlicht.»Although the title implies a hymn to Dâenâ, the text is devoted exclusively to the invocationof a female divinity named Tschistâ, whose name is related etymologically to ‘tschisti-’ (in-tuition, idea) but in no other way. (...)

The prerogatives of Tschistâ clearly suggest that she was a goddess of travel. The epithets ac-corded to her in the first part of the text leave no doubt on this point; the principal epithet,razischta-, which belonged to the good path, was hers by simple hypallage. The benefits re-quested in the second part, especially sharpness of vision and swift legs, are the most usefulqualities for the traveler. It is this identification that explains the connection between Tschistâand Dâenâ: Both guide travellers on the road, the path of religion, in accordance with the later 

sense of dâenâ-, as well as the ritual path and the road to the hereafter, reflecting older ideas.«27 

Diese Vorstellung von der Religion als dem Beschreiten des richtigen Wegs findet sich imKorân in dem Terminus „rushd“. Er leitet sich vom avestischen „razischta“ her. Die Muslimehalten diesen Terminus für Arabisch, da sie von der Fiktion ausgehen, dass die koranischenMaterialien von einem arabischen Propheten in Arabien auf Arabisch verfasst worden seien.Daher behandeln sie den iranischen Ausdruck wie ein arabisches Wort: „(ruschd) to be on theright way, follow the right course, be well guided, not go astray (esp., in religious matters); tohave true faith, be a true believer; (...).“28 

So ist es nur folgerichtig, dass die entsprechende Stelle (2:256) des Korâns von R. PARET ü-

 bersetzt wird als: „Der rechte Weg (...) ist (...) klar geworden (...) vor der Verirrung.(...).“

Dieser koranische Text wird dann in der Übersetzung mit islamischem Verständnis aufgela-den: „Der rechte Weg (des Glaubens) ist (durch die Verkündigung des Islam) klar geworden(,so dass er sich) vor der Verirrung (des heidnischen Unglaubens deutlich abhebt).“29 

Bei dem Text in Parenthese handelt es sich um R. PARETs verdeutlichende Zusätze, mittelsderer dem Text eine wertende Aussage im Sinne der Muslime unterstellt wird, obwohl es sichum nichts anderes als einen iranischen Predigertext handelt. Diese allgemeine Feststellung isteinleuchtend: Wer dem rechten Weg folgt ist gefeit gegen Irrtümer!

5.1.2  Der Dschihâd als „Anstrengung“ beim Beschreiten, Verfolgen des „Weges Gottes“.

„Die Formel „sabîl Allâh“ kommt im Korân 72 Mal vor, …“.30 

Es besteht Übereinstimmung über die konkrete Bedeutung von „sabîl“: „sabîl (...) way, road, path, access, means.“31 

Demnach wäre der Begriff „sabîl Allâh“ mit „Weg Gottes“ zu übersetzen. Dieses Verständnisvon Religion als einem Weg findet sich auch in neutestamentlichen Zusammenhängen. Dar-auf hat O. PAUTZ bereits 1898 aufmerksam gemacht.

26 R. PARET, Der Koran, Übersetzung, Stuttgart 1979, 44.27 Artikel „Dên Yascht“, EIr.IV/ 281.28 H. WEHR , A Dictionary of Modern Written Arabic, a.a.O., 341.29 R. PARET, Der Koran, Übersetzung, a.a.O., 38.30 G.-R. PUIN, Der Diwân von ‘Umar ibn al-Hattab, Diss., Bonn 1970, 45.31 H. WEHR , A Dictionary of Modern Written Arabic, a.a.O., 396.

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Als Beleg gibt er an: Matth. 22:16: „Und sandten zu ihm ihre Jünger samt des Herodes Die-nern. Und sie sprachen: Meister, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und lehrst den Weg Got-tes recht (...).“

Act. 9:2: „und bat ihn um Briefe gen Damaskus an die Schulen, auf dass, so er etliche diesesWeges fände, Männer und Weiber, er sie gebunden führte gen Jerusalem.“

Act. 18:25: „Dieser war unterwiesen im Weg des Herrn (...).“

Act. 19:9: „Da aber etliche verstockt waren und nicht glaubten und übel redeten von demWege vor der Menge (...).“

Act. 19:23: „Es erhob sich aber um diese Zeit eine nicht kleine Bewegung über diesen Weg.“

Act. 22:3,4: „Ich bin ein jüdischer Mann, geboren in Tarsus in Cilizien und erzogen in dieser Stadt zu den Füßen Gamaliels, gelehrt mit allem Fleiß im väterlichen Gesetz, und war ein Ei-ferer um Gott, gleichwohl ihr heute alle seid, und habe diesen Weg verfolgt bis an den Tod.Ich band sie und überantwortete sie ins Gefängnis, Männer und Weiber; „

Act. 24:14,22: „Da bekenne ich aber dir, dass ich nach diesem Wege, den sie eine Sekte hei-ßen, diene also dem Gott meiner Väter (...).“32 

Zur Verwendung des Begriffs „sabîl (Allâh)“ in den nach muslimischer Tradition mekkani-schen Suren im Korân stellt G.-R. PUIN fest: „Hier ist ‚sabîl (Allâh)’ ausschließlich in einemübertragenen, religiösen Sinn gebraucht, und zwar in der Bedeutung von ‚hudan’, dem rech-ten Weg, der rechten Leitung.“33 

Daher scheut er am gleichen Ort vor der Feststellung nicht zurück, dass die mekkanischen Su-ren übrigens so genau dem neutestamentlichen Gebrauch von „tên hodon tou theou“ entspre-chen, „dass kaum ein Zweifel an der Herkunft der Formel [sabîl Allâh] verbleibt.“

Eine Übersicht über die Koranverse, welche als Beleg für einen Dschihâd im Sinne einer kämpferischen Auseinandersetzung mit Waffengewalt herhalten müssen, da sie anscheinendzum Kampf im Rahmen des Dschihâd im Sinne eines Heiligen Krieges aufrufen.

Eine Zusammenstellung der Korânverse, welche im Zusammenhang mit einer Vorstellungvom Dschihâd als Kampf gesehen werden hat G.-R. PUIN in einer Tabelle vorgelegt, welchealle Aspekte des Dschihâd nach islamischem Verständnis berücksichtig.34 

Hier soll nun versucht werden zu zeigen, dass viele angebliche Hinweise auf einen Aufruf zum blutigen Kampf gegen die ungläubigen Feinde des Islâms in den sogenannten medinensi-schen Suren, in der Tabelle nach PUIN zusammengefasst unter C, mittels eines falschen Ver-ständnisses des Schlüsselbegriffs – „fî sabîl Allâh“ begründet werden. Dieser Begriff bedeutetnicht etwa „um Gottes willen“, sondern wortwörtlich „ auf dem Weg Gottes wandeln“. Dieser „Weg Gottes“ wird angesprochen in Matth. 22:16. Dort wird erwähnt, dass JESUS „den WegGottes“ lehrt. Wer diesen „Weg Gottes“ geht, so wie ihn JESUS gelehrt hat, ist im Zustandvon: „fî sabîl Allâh“, er folgt dem „ Weg Gottes“.

Die Korânverse nach der Kategorie C der Tabelle nach PUIN :

Die Übersetzungen von R. PARET weisen die bei ihm üblichen Verdeutlichungen im Sinne ei-nes islamischen Verständnisses in Parenthese auf.

32 OTTO PAUTZ, Mohammeds Lehre von der Offenbarung, Diss., Leipzig 1898,75, Anm.2. Zitiert nach G.-R. PU-

IN, Der Diwân, a.a.O. 47, Fn.2.33 G.-R. PUIN, Der Diwân, a.a.O., 47.34 G.-R. PUIN, Der Diwân, a.a.O., 46.

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Korân 2:154: „Und sagt nicht von denen., die um der Sache Gottes willen [fî sabîl Allâh] ge-tötet werden, (sie seien) tot. (Sie sind) vielmehr lebendig (im Jenseits). Aber ihr seid (dessen)nicht bewusst.“

Korân 2:190: „Und kämpft um Gottes willen [fî sabîl Allâh] gegen diejenigen, die gegen euchkämpfen! Aber begeht keine Übertretungen (indem ihr den Kampf auf unrechtmäßige Weiseführt)! Gott liebt die nicht, die Übertretungen begehen.“

Korân 2:218: „Diejenigen (aber). Die glauben, und diejenigen, die ausgewandert sind und umGottes willen [fî sabîl Allâh] Krieg geführt [gestritten] (w. sich abgemüht) haben, dürfen auf die Barmherzigkeit Gottes hoffen.“

Korân 2: 244: „Und kämpft um Gottes willen [fî sabîl Allâh]! Ihr müsst wissen, dass Gott (al-les) hört und weiß.“

Korân 2: 246: „Hast du nicht die Vornehmen von den Kindern Israels (in der Zeit) nach Mosegesehen?

(Damals) als sie unter ihrem Propheten [1. Samuel 8] sagten: ‚Schick uns einen König, damitwir (unter seiner Führung) um Gottes willen [fî sabîl Allâh] kämpfen’! Er sagte: , Vielleichtwerdet ihr (aber), wenn euch vorgeschrieben ist zu kämpfen, (doch) nicht kämpfen? ‘ Sie sag-ten: „Warum sollten wir denn nicht um Gottes willen kämpfen [fî sabîl Allâh], wo wir dochaus unseren Wohnungen und von unseren Söhnen weg vertrieben worden sind?’ Als ihnendann aber vorgeschrieben wurde zu kämpfen, wandten sie sich mit wenigen Ausnahmen ab(und wollten nichts davon wissen).“

Korân 2:273: „ (Was ihr spendet, soll besonders) den Armen (zukommen), die (im Kriegs-dienst?) um Gottes willen [fî sabîl Allâh] behindert sind, indem sie (aus Mangel an Reittierenund dergleichen?) nicht im Land (draußen) unterwegs sein (und ihrem Erwerb nachgehenkönnen). (Nur) wer töricht ist, hält sie für reich, weil sie sich zurückhalten (und nicht immer 

 betteln). Du erkennst sie (aber als verschämte Arme?) an ihrem (charakteristischen) Äußeren.Sie bitten die Leute nicht in aufdringlicher Weise (um Almosen). Und was ihr an Gutemspendet, darüber weiß Gott Bescheid.“

Hier wird besonders auffällig, wie der Text mit Details aufgeladen wird, welche die Teilnah-me an einer bewaffneten Handlung unterstellen. Daher sollte ein Blick auf den mageren Textgeworfen werden, welcher mit Kriegsdienst und Reittieren in Zusammenhang gebracht wird.

„Den Armen, die um Gottes willen [fî sabîl Allâh] behindert sind, indem sie nicht im Landunterwegs sein ...Wer töricht ist, hält sie für reich, weil sie sich zurückhalten. Du erkennst siean ihrem Äußeren[wohl eher Zeichen]. Sie bitten die Leute nicht auf aufdringliche Weise.Und was ihr an Gutem spendet, darüber weiß Gott Bescheid.“

Beschränkt man sich auf den reinen Text des Koranverses, dann ist auch folgende Darstellungmöglich: Vers 272 und 273 müssen zusammen gelesen werden. Dann ergibt sich in Etwa: „...und was ihr spendet an Gut, soll euch wiedergegeben werden, und nicht soll euch Unrecht ge-schehen – für die Armen welche die Nachfolge auf dem Weg Gottes daran hindert im Landumherzuwandern. Ein Tor hält sie für reich wegen ihrer Bescheidenheit: du erkennst sie an ih-ren Zeichen: Sie bitten die Leute nicht auf aufdringliche Weise. Und was ihr an Gutem spen-det, darüber weiß Gott Bescheid.“

Korân 3:13: „Ihr hattet ein Zeichen an zwei Scharen, die (im Kampf) aufeinander trafen: eineSchar, die um Gottes willen [fî sabîl Allâh] kämpfte, und eine andere, ungläubige, die sie (d.h.die Gläubigen) nach dem Augenschein für zweimal soviel ansahen wie sie (selber waren,während sie in Wirklichkeit zahlenmäßig noch stärker waren). Gott stärkt mit seiner Hilfewen er will. Das ist ein Grund zum Nachdenken für diejenigen, die Einsicht haben. „

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Korân 3: 146: „Mit wie manchem Propheten haben viele Tausende (Seite an Seite) gekämpft,ohne dass sie wegen eines Unglücks, von dem sie (im Krieg) um Gottes willen [fî sabîl Allâh]

 betroffen wurden (im Kampfwillen) nachgelassen hätte, oder schwach oder nachgiebig ge-worden wären! Gott liebt diejenigen, die geduldig sind.“

Im Zusammenhang mit Vers 147 der gleichen Sure zu verstehen: „Und sie sagten nichts ande-res als: Herr! Vergib uns unsere Schuld, und (vergib uns) dass wir in unserer Angelegenheitnicht maßgehalten haben (?), und festige unsere Füße (so dass wir keinen Fehltritt machen)und hilf uns gegen das Volk der Ungläubigen!“

Korân 3:157: „Und wenn ihr um Gottes willen [fî sabîl Allâh] getötet werdet oder sterbet, soist (jedenfalls) Vergebung und Barmherzigkeit von Gott (wie sie dereinst den Gläubigen ge-währt wird) besser als (all) das, was man (im Diesseits an Geld und Gut) zusammenbringt.“

Korân 3:167: „ Und er wollte (auf diese Weise) diejenigen erkennen, die heucheln. Man sagtezu ihnen: ‚Komm her und kämpf um Gottes willen [fî sabîl Allâh] oder wehrt (wenigstens dieFeinde) ab!’ Sie sagten: „Wenn wir wüssten, dass es zu (einem regelrechten) Kampf kommenwird(?), würden wir euch folgen.’ An jenem Tag waren sie dem Unglauben näher als demGlauben. Ihre Äußerungen widersprechen (eben) dem, was sie im Herzen haben. Aber Gottweiß sehr wohl, was sie (in sich) verborgen halten.“

Korân 3: 169: „ Und du darfst nicht meinen, dass diejenigen, die um Gottes willen[fî sabîlAllâh] getötet worden sind, (wirklich) tot sind. Nein, (sie sind) lebendig (im Jenseits), und ih-nen wird bei ihrem Herrn (himmlische Speise) beschert.“

Korân 4: 74: „ Diejenigen aber, die das diesseitige Leben um den Preis des Jenseits verkau-fen, sollen um Gottes willen [fî sabîl Allâh] kämpfen… Und wenn einer um Gottes willen [fîsabîl Allâh] kämpft und er wird getötet – oder er siegt –, werden wir ihm (im Jenseits) gewal-tigen Lohn geben.“

Korân 4: 75: „ Warum wollt ihr (denn) nicht um Gottes willen[fî sabîl Allâh ] und (um) der Unterdrückten (willen) kämpfen, (jene) Männer, Frauen und Kinder, die in (Mekka zurück-

 bleiben mussten und) sagen: ‚Herr! Bring uns aus dieser Stadt hinaus, deren Einwohner frev-lerisch sind, und schaff uns deinerseits einen Freund und Helfer’?

Korân 4: 76: „Diejenigen, die gläubig sind, kämpfen um Gottes willen [fî sabîl Allâh], dieje-nigen, die ungläubig sind, um der Götzen willen [fî sabîl at-Tâgût]. Kämpft nun gegen dieFreunde des Satans! Die List des Satans ist schwach.“

Korân 4: 84: „Kämpfe [2. Tim. 4, 7: „Ich habe einen guten Kampf gekämpft (...).] um Gotteswillen [fî sabîl Allâh = um des Weges Gottes willen]! Du hast (dereinst) nur die Last für deineeigenen Handlungen zu tragen. Und feure die Gläubigen (zum Kampf) an! Vielleicht wird

Gott die Gewalt derer, die ungläubig sind, (vor euch) zurückhalten(so, dass sie euch nichtsanhaben können). Gott verfügt über mehr Gewalt und kann schrecklicher bestrafen (als ir-gendwer auf der Welt).“

Korân 4:95: „ Diejenigen Gläubigen, die daheim bleiben (statt in den Krieg zu ziehen)- abge-sehen von denen, die eine (körperliche?) Schädigung (als Entschuldigungsgrund vorzuweisen)haben-, sind nicht denen gleich(zusetzen), die mit ihrem Vermögen und mit ihrer eigenen Per-son um Gottes willen [fî sabîl Allâh] Krieg führen (w. sich abmühen). Gott hat diejenigen, diemit ihrem Vermögen und mit ihrer eigenen Person Krieg führen, gegenüber denjenigen, diedaheim bleiben, um eine Stufe höher bewertet (w. ausgezeichnet). Aber einem jeden (Gläubi-gen, ob er daheim bleibt oder Krieg führt) hat Gott das (Aller) beste (d.h. das Paradies) ver-

sprochen. Doch hat Gott die Kriegsführenden gegenüber jenen, denen, die daheim blieben,mit gewaltigem Lohn ausgezeichnet.“

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Wer also mit eigenem Vermögen und in eigener Person sich für die Verbreitung des WegGottes, so wie ihn nach Matthäus 22:16 Jesus gelehrt hat, einsetzt und dafür die Heimat ver-lässt, kann im Jenseits auf ein Mehr an Paradiesesfreuden hoffen gegenüber dem, welcher zuHause hocken blieb und sein Vermögen nicht in den Dienst des „Weges Gottes“ gestellt hatte.

Korân 5: 57: „Ihr Gläubigen! Nehmt euch nicht diejenigen, die mit eurer Religion[dîn(a)k(u)m] ihren Spott und ihr Spiel treiben. – (Leute) aus dem Kreis derer, die (schon) vor euch die Schrift erhalten haben, – und (auch nicht) die Ungläubigen zu Freunden! Und fürch-tet Gott, wenn (anders) ihr gläubig seid!“

Der hier angesprochene Kreis kann durchaus auch aus Juden und Zoroastriern bestehen. Dieeinen haben die Schrift seit altersher, die anderen sind Ungläubige in den Augen von Juden,Christen und Muslimen.

Korân 9: 19: „ Wollt ihr denn die Tränkung der Pilger und die Instandhaltung der heiligenKultstätte gleich bewerten, wie wenn jemand an Gott und den jungen Tag glaubt und um Got-tes willen [fî sabîl Allâh] Krieg führt (w. sich abmüht)? Bei Gott gelten sie nicht gleich (viel).Gott leitet das Volk der Frevler nicht recht.

Korân 9: 38: „ Ihr Gläubigen! Warum lasst ihr den Kopf hängen, wenn zu euch gesagt wird: ‚Rückt aus (und kämpft) um Gottes willen [fî sabîl Allâh]’? Seid ihr (denn) mit dem diesseiti-gen Leben eher zufrieden, als mit dem Jenseits? Die Nutznießung des diesseitigen Lebens hat(doch) im Hinblick auf das Jenseits wenig zu bedeuten.“

Hier wird im eigentlichen Text, ohne islamistischen Zusatz des Übersetzers, nur festgestellt:„Rückt aus und geht den Weg Gottes...“ Dies könnte auch der Heilsarmee als Motto dienen.Was hat dies mit Heiligen Kriegen zwecks Verbreitung einer neuen Religion zu tun?

Korân 9:41: „Rückt leichten und schweren Herzens (?) (oder: mit leichtem Gepäck oder mitschwerer Rüstung?, oder: klein und groß ?) (zum Kampf) aus und führet mit eurem Vermögen

und in eigener Person um Gottes willen [fî sabîl Allâh] Krieg (w. müht euch ...ab)! Das (zu)tun ist besser für euch, wenn (anders) ihr (richtig zu urteilen) wisst.“

Ein weiterer Hinweis dafür, dass es als verdienstvoll angesehen wird unter Einsatz des eige-nen Vermögens und der eigenen Person sich auf dem Weg Gottes abzumühen, d.h. zu kämp-fen im paulinischen Sinn.

Korân 9: 81: „Diejenigen, die zurückgelassen worden sind (anstatt ins Feld mitgenommen zuwerden), freuen sich darüber, dass sie hinter dem Gesandten Gottes (oder: im Gegensatz zumGesandten Gottes) (der seinerseits ausgerückt ist) daheim geblieben sind. Es ist ihnen zuwi-der, mit ihrem Vermögen und in eigener Person um Gottes willen [fî sabîl Allâh] Krieg zuführen (w. sich abzumühen), und sie sagen: ‚Rückt doch nicht in der Hitze aus!’ Sag: Das

Feuer der Hölle ist heißer (als die Sommerhitze, in der dieser Feldzug stattfindet).Der Übersetzer impliziert hier, dass ein Feldzug des Propheten der Araber im Spätsommer 603 nach Tabûk angesprochen wird.35 

Lässt man die Zufügungen des Übersetzers beiseite, handelt es sich auch hier nur einen Auf-ruf dem Gesandten Gottes (JESUS) nachzueifern. Es wird mit dem Höllenfeuer bedroht wer nicht mit eigenem Vermögen und in eigener Person sich auf dem Weg Gottes abmüht.

Korân 9:111: „ Gott hat den Gläubigen ihre Person und ihr Vermögen dafür abgekauft, dasssie das Paradies haben sollen. Nun müssen sie um Gottes willen [fî sabîl Allâh] kämpfen unddabei töten oder (w. und) (selber) den Tod erleiden. (Dies ist) ein Versprechen, das (einzulö-

sen) ihm obliegt, und (als solche Wahrheit(?) (so wie es) in der Thora, im Evangelium und im35 R. PARET, Der Koran, Kommentar und Konkordanz, Stittgart 1980, 209.

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Koran (verzeichnet ist). Und wer würde seine Verpflichtung eher halten als Gott? Freut euchüber (diesen) euren Handel, den ihr mit ihm abgeschlossen habt (indem ihr eure Person undeuer Vermögen gegen das Paradies eingetauscht habt)! Das ist dann das große Glück.“

Dies klingt wie ein Aufruf zum Kreuzzug. In der syrischen Danielsapokalypse aus dem Irandes 3. Jahrhunderts erscheint CHRISTUS als göttlicher Krieger. Das Töten der Feinde ist einverbreitetes messianisches Motiv, das sich von Jes. 11,4 (... sondern wird mit Gerechtigkeitrichten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande und wird mit dem Stabseines Mundes die Erde schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten.) her-leitet; siehe auch Apk 19:15; 4 Esra 13, 10,2.36 

Korân 9:120: „ Die Bewohner von Medina [Hier wird unzulässig präzisiert. Es geht hier umdie Stadt –aramäisch Madinâ- im Allgemeinen. Daher fehlt hier auch der arabische Artikel.]und die Beduinen [al-’Arâb, die Bewohner im Westens des Zweistromlandes] (die ihreWohnsitze) in ihrer Umgebung (haben) dürfen nicht vom (Feldzug mit dem) Gesandten Got-tes zurückbleiben und sich ihm abgeneigt zeigen(oder: an sich selbst mehr hängen als anihm?). Dies deshalb, weil sie weder um Gottes willen [fî sabîl Allâh] Durst, Mühsal oder 

Hunger zu leiden haben noch einen Einfall machen (?), der den Groll der Ungläubigen hervor-ruft, noch auch einem Feind (irgendwie) Abbruch tun, ohne dass ihnen dafür eine rechtschaf-fene Tat gutgeschrieben würde. Gott bringt diejenigen, die tun, was recht ist, nicht um ihrenLohn.“

Stadt und Land haben auf dem Weg Gottes Gefolgschaft zu leisten. Niemand ist ausgenom-men.

Korân 47: 4: „Wenn ihr (auf einem Feldzug) mit den Ungläubigen zusammentrefft, dann haut(ihnen mit dem Schwert) auf den Nacken! Wenn ihr sie schließlich niedergekämpft habt, dannlegt (sie) in Fesseln, (um sie) später entweder auf dem Gnadenweg oder gegen Lösegeld (frei-zugeben)! (Haut mit dem Schwert drein) bis der Krieg(euch) von seinen Lasten befreit (w. bis

der Krieg seine Lasten ablegt) (und vom Frieden abgelöst wird)! Dies(ist der Wortlaut der Of-fenbarung). Wenn Gott wollte, würde er sich(selber) gegen sie helfen. Aber er möchte (nichtunmittelbar eingreifen, vielmehr) die einen von euch (die gläubig sind) durch die anderen (dieungläubig sind) auf die Probe stellen. Und denen, die um Gottes willen[fî sabîl Allâh] (w. auf dem Weg Gottes[sic!]) getötet werden(Variante: kämpfen), wird er ihre Werke nicht fehlge-hen lassen (so dass sie damit nicht zum Ziel kommen würden).“

Die Phantasie des Übersetzers ist blutiger als der Inhalt des Textes. Vom Gebrauch desSchwerts weiß der Text nichts. Ungläubige sollen niedergeschlagen und zu Gefangenen ge-macht werden. Es soll Gnade walten oder Lösegeld akzeptiert werden. Und wer dem WegGottes folgt und diesen Kampf kämpft dem werden Versprechungen gemacht.

Korân 61:4: „ Gott liebt diejenigen, die um seinetwillen [fî sabîl] in Reih und Glied kämpfen

Diese Feststellung könnte auch von IGNATIUS VON LOYOLA, dem Gründer des Jesuitenordens,stammen.

Kämpfen ist hier wieder nur metaphorisch zu verstehen, da es im Zusammenhang mit dem„Weg Gottes“ steht, welcher hier nur als „Weg“ erwähnt ist.

Korân 73: 20: „Dein Herr weiß, dass du gegen zwei Drittel der Nacht oder (w. und) die halbe Nacht oder (w. und) ein Drittel davon stehst (und betest), und (du) und eine Gruppe von de-nen, die mit dir sind. Aber (man kann das nicht allzu genau nehmen, auch wenn ihr die ehrli-che Absicht habt, diese Gebetszeiten einzuhalten.) Gott (allein) bestimmt (Maß und Ziel von)

36 M. HEINZE, Syrische Danielsapokalypse, Jüdische Schriften aus hellenistischer Zeit, N.F. 1,4, Gütersloh 2006,S.61-62 u. Fn. D.

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Tag und Nacht. Er wusste (von vornherein), dass ihr es (d.h. das Zeitmaß der nächtlichen Ge- betsübungen?) nicht (genau ab)zählen würdet. Und so hat er sich euch (gnädig) wieder zuge-wandt. Rezitiert nun aus dem Koran, was (euch) leicht fällt (d.h. so viel, als ihr ohne Überan-strengung leisten könnt) (nachdem ihr nicht imstande seid, die nächtlichen Gebetsübungen inihrer ganzen Länge durchzuführen)! Er wusste (von vornherein), dass es unter euch einige ge-

 ben würde, die krank sind, und andere, die im Land (draußen) unterwegs sind im Verlangendanach, dass Gott ihnen Gunst erweise. Und (wieder) andere, die um Gottes willen [fî sabîlAllâh] kämpfen.“

Hier geht es wohl um die Regelung der Gebetszeiten. Nach der Art christlicher Asketen hatman wohl anfangs zwei Drittel der Nacht im Gebet verbracht, oder die Hälfte der Nacht, oder ein Drittel der Nacht. Die endgültige Regelung, wie sie heute noch besteht, wird hier sanktio-niert.

Ausnahmen gelten auch für jene, die sich auf dem Weg Gottes befinden (fî sabîl Allâh) undkämpfen. Sieht man im „Weg Gottes“ die Übereinstimmung mit der Art und Weise der Tätig-keit Jesu, nämlich den „Weg Gottes“ zu lehren (Matthäus 22: 16), dann kann man in der Vor-

stellung von „kämpfen“(2. Timotheus 2: 4,5) einen Bezug auf die Tätigkeit des Paulus sehen.Er beschreibt seine missionierende und organisierende Tätigkeit im Rückblick als: „ Ich habeeinen guten Kampf gekämpft...“ (2.Timotheus 4:7).

Wer um Gottes willen (fî sabîl Allâh = auf dem Weg Gottes) kämpft wäre somit ein missiona-risch und organisierend tätiges Mitglied der Gemeinde. Angesichts der Verhältnisse im Sas-sanidenreich im 6. Und 7. Jahrhundert kann man sich diese Tätigkeit nur so denken, dass manes hier mit Aktivisten einer „ Untergrundkirche“ zu tun hat. Die Umstände der Mission müs-sen an die Schwierigkeiten zu Zeiten des Paulus von Tarsus erinnert haben, denn auch dasSassanidenreich kannte gelegentliche Christenverfolgungen.

An diesen, wohl ursprünglichen Sinn des Terminus „Dschihâd“ erinnert noch die Definition

der Encyclopaedia of Islam: Der Beginn des relevanten Artikels von E. TYAN wird eingeleitetmit einem Hinweis auf die etymologische Herkunft des Begriffs:

»JIHÂD, etymologically signifies an effort directed towards a determined objective. (Cf. Ijti-hâd: the work of the scholar-jurists in seeking the solution of legal problems; mujâhada or,again, jihâd: an effort directed upon oneself for the attainment of moral or religious perfec-tion.

Certain writers, particularly among those of Shi’ite persuasion, qualify this jihâd as „spiritual jihâd“ and as the „greater jihâd“ [Hier wird wieder einmal deutlich, dass die Shi'â die Erin-nerung an frühislamische Zustände bewahrt, wohingegen die sunnitische Richtung des Islamsdieses Wissen mittels der Lehren der Rechtsschulen überlagert hat], in opposition to the jihâdwhich is our present concernand which is called „physical jihâd“ or the „lesser jihâd“. It is,however, very much more usual for the term jihâd to denote this latter form of „effort“).«37 

Bringt man die von der Schi'a bewahrte Semantik des Begriffs „Dschihâd“ in Verbindung mitdem koranischen Ausdruck: „sabîl Allâh“, oder: „fî sabîl Allâh“, dann wird auch deutlich, wer mit den im Korân genannten „ibn as-sabîl“ („Leute, die auf dem Weg sind“) gemeint ist . Essind diejenigen, welche dem „sabîl Allâh“ („Weg Gottes“) zuzurechnen sind und die sich imZustand des „ fî sabîl Allâh“ („auf dem Weg Gottes“) befinden, die Asketen und Auserwähl-ten (aramäisch: bahîrâ), deren Aufgabe in der Betreuung der Gemeinden besteht, resp. in der christlichen Mission im heidnischen Iran. Diese müssen von den Gläubigen erhalten werden.

37 EI² II/540.

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Daher auch die entsprechenden Hinweise im koranischen Text(2: 177; 215; 4: 36; 17: 26; 30:38;

5.1.3  Die Abkehr vom spirituellen dschihâd und die Hinwendung zum physischen

dschihâd

Zur Gesellschaft der zeitgenössischen Welterklärer gehört auch der an einer amerikanischenUniversität Islamwissenschaft lehrende Iraner R EZA ASLAN. Die Frankfurter Allgemeine Zei-tung hat seine Veröffentlichung „Kein Gott außer Gott“ rezensiert.38 

Diese Besprechung dokumentiert die Ratlosigkeit des Rezensenten und zeigt auf, mit welchenSchwierigkeiten er zu kämpfen hat sein Wissen um die christlichen Ursprünge von korani-schen Materialien mit seiner Kenntnis des „Traditionellen Berichts“ der Muslime zu vereinba-ren.

»Ausführlich widmet sich ASLAN dem Propheten MOHAMMED, den er als Schöpfer eines neu-en Stammes, der islamischen Umma, als deren „Scheich“ und traditioneller „Hakam“(Schiedsrichter) in Medina, später Mekka darstellt. Es gelingt dem Verfasser, die Gestalt des

islamischen Propheten aus seiner Zeit zu deuten. Es wird deutlich, dass das Arabien zur Zeitseines Wirkens keineswegs eine „ heidnische“ Tabula rasa, eine religiöse Wüste gewesen ist;Aslan fächert ein religionsgeschichtliches Tableau auf, dass die altarabischen, aber auch jüdi-schen, christlichen, zarathustrischen, manichäischen, mandäischen und gnostischen Strömun-gen im Orient jener Zeit herausstreicht. Westliche Untersuchungen zum Frühislam werden,neben den Originalquellen, berücksichtigt, etwa die angelsächsischen Revisionisten (JOHN

WANSBOROUGH [sic!], PATRICIA CRONE); es ist schade, dass der Autor offenbar die For-schungen GÜNTER LÜLINGs über die dezidiert christlichen Inhalte des Urkorans (Die Rekon-struktion des Ur-Korans“, Erlangen 1981) nicht kennt, die nach langen Jahren der Missach-tung immer mehr Beachtung finden und nun auch in englischer Sprache zugänglich sind.39 

Die Darstellung von Leben und Wirken Mohammeds ist geeignet, viele Verdrehungen undMissverständnisse auszuräumen, obschon das Geflecht aus Politik und beduinischer Gewalt,in dem sich der Prophet des Islams zu bewegen hatte und sich bewegte, nicht verschwiegenwird. In der Frauenfrage und beim Dschihâd zeigt ASLAN, wie MOHAMMADs Lehren später verschärft und verfestigt wurden, während der Prophet bestrebt war, einen Weg der Mitte unddes Maßes zu gehen; bei der Anwendung von Gewalt fällt auf, wie sehr sich MOHAMMED darum bemühte, die rauen, ja brutalen Sitten seiner Zeit zu bändigen. MOHAMMED handelteoft anders, als seine Umgebung es von ihm erwartete und von anderen gewohnt war [sic!].Der Autor stellt auch den Dschihâd, dessen Regeln später bis in Einzelheiten festgelegt wur-den, vor allem als eine arabische „Theorie des gerechten Krieges“ dar, im Gegensatz zur heu-tigen Islamistenszene, die sich oft an keine der der vor Jahrhunderten aufgestellten Regeln

hält. Hier hätte man sich vielleicht ein kritisches Wort auch zu den historischen Erscheinungs-formen des Dschihâd gewünscht, ebenso wie beim Thema Frau.«

Der Rezensent stellt seiner Besprechung einige freundliche Bemerkungen als Einleitung vor-an: „Wer den heutigen Islam verstehen will, muss sein Geworden-Sein verstehen, was ihnnicht von der Aufgabe enthebt, die Fakten zu erforschen, das heißt die Hintergründe der imKoran vorgelegten Offenbarung und die Ausgestaltung der wichtigsten Lehren des Islams inihrem gesellschaftlichen und historischen Zusammenhang zu entschlüsseln.“

Die Feststellung über die „dezidiert christlichen Inhalte des Urkorans“ wird hier neben die„Hintergründe der im Koran vorgelegten Offenbarung“ gestellt, ohne dass die Widersprüch- 38 „Kein Gott außer Gott“ Der Glaube der Muslime von Muhammad bis zur Gegenwart, München 2006, rezen-siert v. WOLFGANG GÜNTER LERCH, Wer bändigt die rauhen Sitten?, F.A.Z. v. 8.12.2006, Nr. 286, S. L 17.39 GÜNTER LÜLING, A Challenge to Islam for Reformation, Delhi 2003 (ISBN: 81-208-1952-7).

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lichkeit der Standpunkte offen gelegt wird. Der Rezensent kann sowohl mit dem „dezidiertchristlichen Inhalt des Urkoran“ hantieren, wie auch mit den „Hintergründen der im Koranvorgelegten Offenbarung.“ Dieses janusköpfige Verhalten verankert seine eigene Existenzsowohl im politischen Teil wie auch im Feuilleton seines Blatts.

Der spirituelle Dschihâd ist ein Thema für das Feuilleton seiner Zeitung, der physischeDschihâd sichert dem Rezensenten die Existenz im Politikteil der Zeitung.

Somit ist verständlich, dass er gerne mehr zu den historischen Erscheinungsformen desDschihâd erfahren hätte.

Hier muss man nicht zu einer Glaubensgeschichte eines in Iran geborenen Islamwissenschaft-lers, der an einer amerikanischen Universität tätig ist, greifen. Solide Darstellungen aus euro-

 päischer Sicht bieten die entsprechenden Artikel der „Enzyklopädie des Islam“ Leiden/ Leip-zig 1913ff. und der „Encyclopaedia of Islam“, Leiden/ London 1960ff.

Die Darstellung des Dschihâds in der Enzyklopädie des Islam:

»DSCHIHÂD, der Krieg „ auf dem Wege Gottes“, die Ausbreitung des Islâms mit Waffen-gewalt, ist eine religiöse Pflicht für die muslimische Gemeinde im Ganzen(...). Der Dschihâdwar nahe dran, ein sechster rukn („Grundpflicht“) zu werden, (...). Ob es Muhammad selbstklar war, dass diese Stellungsnahme beständigen, nichtprovozierten Kampf gegen die ungläu-

 bige Welt bis zur Unterwerfung unter den Islâm einschloss, mag dahingestellt bleiben. DieTraditionen sprechen sich deutlich in diesem Sinn aus.«

Hier wird auf den „Traditionellen Bericht“ und die Traditionen verwiesen. Diese sind dasProdukt des 8. Und 9. Jahrhunderts, als auf dem Gebiet des ehemaligen Sassanidenreichs

 Nachfolgestaaten entstanden, welche die christliche Eschatologie des Korans im Sinne einer aggressiven Politik auslegten. Die damals gepflegte Apokalyptik sah sowohl in Byzanz, wieauch in den östlichen Gebieten den Zustand eines „Endreiches“ verwirklicht.40 

Diese Vorstellung wurde in der Tagespolitik umgemünzt in eine aggressive Gegnerschaft,welche im 9. Jahrhundert zu einem apokalyptischen Ringen zwischen Byzanz und den Nach-folgern der Sassaniden im Euphratgebiet führte. Zu dieser Zeit wurde den Byzantinern be-wusst, dass sie Anhängern einer neuen „Religion“ gegenüberstanden. Deren Anhänger, die„Araber“ eroberten 902 Sizilien, 904 richteten sie ein Blutbad in Thessaloniki an, 911 ver-nichteten sie die byzantinische Flotte bei Samos.

Es kann daher auch nicht verwundern, dass der „Traditionelle Bericht“ vom Propheten der Araber die Triebkräfte der erneuten Angriffe auf den Westen widerspiegelt.

 Nach dem ersten Sieg der Byzantiner über ein Heer der Sassaniden 622 war der Krieg bis zu

einem endgültigen Sieg über den Orient im Jahr 628 fortgeführt worden.

41

 Knapp dreihundert Jahre später hatte der Orient mittels der Umdeutung des koranischen Ma-terials in eine neue iranische Herrschaftsideologie die geistige Grundlage für ein östlichesGroßreich und damit für den erneuerten Angriff auf den Westen geschaffen.

Daher kann es auch nicht verwundern, dass die heute von den Muslimen verwandte Literatur zur Koranexegese relativ spät ist. Ein Beispiel dafür ist die Vorgehensweise des deutschen Is-

 40 D. B. MACDONALD, Artikel: „Dschihâd“ in: Handwörterbuch des Islam, Leiden 1941, S. 112. (Es handelt sichum einen Abdruck des Artikels aus der EI von 1913 ff.).41 GEORG OSTROGORSKY, Geschichte des byzantinischen Staates, München 1952, S. 207.

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lamisten A. VON DENFFER , welcher den ägyptischen Muslimbrüdern nahestehen soll. Bei sei-ner Koranübersetzung schöpft er im wesentlichen aus folgender exegetischen Literatur:42 

1.  Tafsîr al-Dschalâlayn, von al-Mahallî (st. 1460) und al-Suyûtî (st. 1505): „... der in der muslimischen Welt am weitesten verbreiteten Kurzkommentar“;

2.  Dschâmi’ al-Bayân, von al-Tabarî (st. 922): „... vollständige Wiedergabe der unterschied-lichen Belegstellen für Auslegungsansichten...“

3.  Zâd als Masîr, von Ibn al-Dschauzî (st. 1200): „weitgehend frei von teilweise später in denKoran eingedrungenen außerislamischen Einflüssen, wie z.B. aus dem bereich der griechi-schen Philosophie oder den erwähnten israîlîjât [= Übernahme aus jüdischen Traditio-nen]“;

4.  Tafsîr al-Qurtubî (st. 1273);

5.  Ahkâm al-Qur’ân, von Ibn al-’Arabî (st. 1148).“

Mac Donald beendete seinen Artikel zum Dschihâd in der Enzyklopädie des Islâm von 1913

ff. mit der Feststellung: „Die Lehre des Islâm muss völlig umgestaltet werden, ehe die Lehrevom Dschihâd ausgeschaltet werden kann.“

42 Zitiert nach: G.-R. PUIN, Kritische Gedanken zum islamischen Religionsunterricht (II), in: Imprimatur, 8.2006, S. 304.

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Bibliographie:

Standardwerke

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