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Vom Spielfeld zum Testraum ›Sicherheitsarchitekturen‹ und die Pazifizierung von Protest Volker Eick, Berlin Universität Bremen, Zentrum für Europäische Rechtspolitik Eine Veranstaltung von Siempre Antifascista Berlin, 4. Juni 2012

Vom Spielfeld Zum Testraum (2012)

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Vom Spielfeld zum Testraum›Sicherheitsarchitekturen‹ und die Pazifizierung von Protest

Volker Eick, BerlinUniversität Bremen, Zentrum für Europäische Rechtsp olitik

Eine Veranstaltung vonSiempre AntifascistaBerlin, 4. Juni 2012

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Kurz überblick Vom Spielfeld zum Testraum

Neoliberalisierung & Sport

KontoführungEinnahmen der Europäischen Fußball-LigenEinnahmen der FIFAEinnahmen des IOC

KontrollregelnPflichtenhefte und ChecklistenNationale Sicherheitskonzepte[Europäische Sicherheitskonzepte]

KonkretisierungFIFA 2006, Deutschland und UEFA 2008, Österreich/SchweizFIFA 2010, Südafrika und UEFA 2012, Ukraine/PolenOlympische Spiele 2014 und FIFA 2016, Brasilien

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Vom Spielfeld zum TestraumNeoliberalisierung und Sport

Liberalisierung– 'freien' Wettbewerb fördernDeregulierung

– Reduktion der Rolle von Recht und StaatPrivatisierung

– Beseitigung des öffentlichen SektorsMarktlogik– im verbliebenen öffentlichen SektorInternationalisierung– 'freier' Handel nach Innen und AußenSteuersenkungen– Nachfragestärkung

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Vom Spielfeld zum TestraumNeoliberalisierung und Sport

Liberalisierung– Athleten als UnternehmerReregulierung– eigenständige Rolle der FIFA, UEFA, etc.Privatisierung– Stadien, Sportvereine, neue LigenMarktlogik– Fanmeilen, Public ViewingInternationalisierung– Sportvereine als Transnationale KonzerneSteuerreduzierung– steuerbefreit: FIFA, IOC, UEFA etc.

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Kontoführung

Einnahmen der Europäischen Fußball-LigenEinnahmen der FIFAEinnahmen des IOC

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KontoführungEuropäische Fußball-Ligen

© 2010 Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesel lschaft

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KontoführungFédération Internationale de Football Association ( FIFA)

Beispiel (Ertrag): 2006 Deutschland FIFA Weltmeisters chaftMedienrechte: 1,95 Mrd. EuroSponsoring: 0,72 Mrd. Euro

Umverteilung: 90 Prozent (IOC: 95%)

Quelle: FIFA Jahresberichte (2007, 2010); Rambler ( 2010), eigene Darstellung

3,81 Mrd. US2011-2014

0,63 Mrd. US4,19 Mrd. US2007-2010

0,63 Mrd. US2,63 Mrd. US2003-2006

0,32 Mrd. US1995-1998

Gewinn ($)Umsatz ($)

Umsatz und Gewinn der FIFA (2011-2014, Planung)

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KontoführungInternationales Olympisches Komitee (IOC)

Quelle: Shih & Chen (2005), eigene Darstellung

411145922302001–2004

8651740356550132Sydney2000

01705422540560Atlanta1996

3169682505471Barcelona1992

49782740493327Seoul1988

215531140123286Los Angeles1984

37Moskau1980

23Montreal1976

GewinnKostenTicketsSponsorenTV-Rechte

Saldo von Einnahmen und Ausgaben des IOC (Mio. US-D ollar)

Beispiel (Ertrag): 2012 Beijing Olympische Sommerspiel e:TV-Rechte: 1,37 Mrd. EuroSponsoren: 0,97 Mrd. EuroTickets: 0,05 Mrd. Euro (6,7 Mio. Tickets)

2010 Vancouver W

interspiele:G

esamt:

1,27 Mrd. E

uro

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Kontrollregeln

Pflichtenhefte und ChecklistenNationale Sicherheitskonzepte[Europäische Sicherheitskonzepte]

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KontrollregelnPflichtenhefte und Checklisten

Ausrichter der Spiele (Städte, Land) stellen sicher:werbefreie (Trikots,) Stadien, Stadtquartierefreien Zugang für Medien, Sponsoren, Verantwortlich eSicherheitszonen, Demonstrationsverbote(geheimdienstliche) Überprüfung aller (Sport-) Besc häftigtenFanmeilen und Public Viewing

Besitzer der Spiele (Copyright) bekommen garantiert:keine Entscheidung ohne die FIFA/das IOC etc.keine finanzielle Verantwortung der FIFA/des IOC et c.Steuerbefreiung (Nonprofit-Status, Schweiz)eigene Gerichtsbarkeit (CAS)

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KontrollregelnNationale Sicherheitskonzepte

Beispiel: Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (Z IS)strategische Ebene (vor)

Risikoanalyse anreisender Fangruppen (A- und B-Fans)Reisedetails, politische oder andere Bedrohungen

operative Ebene (während)Bewegungsbilder von Risiko- und Nicht-RisikofansIntegration der besuchenden Polizeidelegationen

taktische Ebene (nach)Feedback zur Korrektheit der übermittelten Informationen

tacticaloperationalstrategic

European Council Decision 2010/C 165/01 (June 3, 20 10)

xafter the event

xxduring the event

xxbefore the event

Levels of Tasks

EU Football Handbook 2010

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Konkretisierungen

FIFA 2006, DeutschlandUEFA 2008, Österreich/SchweizFIFA 2010, SüdafrikaUEFA 2012, Ukraine/PolenOlympische Spiele 2014 und FIFA 2016, Brasilien

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Humanware (Wetware)Militär: 5.000Polizei (Länder): 220.000Polizei (Bund): 30.000 Private Sicherheitsdienste: 21.000Freiwillige: 15.000 (Stewards)

HardwareAWACS Systeme (NATO)Absperrungen, GitterKameras, RFID etc.

SoftwareVideosystemeDatenbanken etc.

KonkretisierungenFIFA 2006: Deutschland

© Eric Töpfer (2008)

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KonkretisierungenUEFA 2008: Österreich/Schweiz

StaatMilitär: 27.000/15.000Landespolizei: 26.000/16.000Bahnpolizei: k.A./200Grenzpolizei: k.A./2.000Geheimdienst: k.A. ☺

WirtschaftPrivate Sicherheitsdienste: 3.800/3.000

EhrenamtFreiwillige: 1.000/5.000Zivilverteidigung: –/600

Auslandspolizeienaus Deutschland: 850/850 aus Frankreich: 750 (CH)Ausland insgesamt: 2.500

© Die Kriminalpolizei

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KonkretisierungenFIFA 2010: Südafrika

Aufhebung von GrundrechtenIn Südafrika lassen die Gesetze Streiks zu jeder Zeit zu. Vor dem Spiel Deutschland gegen Australien blockierten Sicherheitsmitarbeiter wegen der niedrigen Löhne das Stadion. Die Polizei ging mit Tränengas und Gummigeschossen gegen etwa 400 Demonstranten vor. In Kapstadt führten die Angestellten keine Sicherheitskontrollen mehr durch; auch in Johannesburg protestierten rund 700 Arbeiter gegen niedrige Löhne.

© Rogan Ward

© Kai Pfaffenbach

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HumanwareUkraineMilitär: 55.000Polizei (national/lokal): 178.000Polizei (ausländisch) : ca. 3.000'Freiwillige': 15.000Interpol: Polizei-Training

AnekdotischVolunteers in Universitäten aufgesucht und mit Entzug der Studienerlaubnis gedroht

Hunde- und Katzenjagden

KonkretisierungenUEFA 2012: Ukraine/Polen

Anti-riot training by Ukranian police, Lviv/Lemberg, May 4, 2012, © Reuters

Recht & TechnikPolen (Anti-Hooligan Gesetz)Ukraine (Alkohol, 'Rowdytum')Sound-Kanonen, CCTV

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VorlaufPanamerikanische Spiele (2007)

2,1 Mio. € (30%) in SicherheitComplexo do Alemão, 2007 (44 Tote)Barra de Tijuca, 2007 (2 Favelas)Vila Cruzeiro, 2010 (30 Tote)

KonkretisierungenOlympische Spiele 2014/FIFA 2016: Brasilien

Preparation Olympic Games in São Paulo,© http://icfut.wordpress.com/

"Man kann keine Omelettes machen, ohne Eier zu zerbrechen"

(José Mariano Beltrame,Ex-Innenminister )

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ABC der KontoführungABC der KontrollkulturenABC der Kommodifizierung

Konsequenzen

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(1) Architekturen des Konsum und der Zugangsregulie rung(2) Beispiel Brasilien: Cracking the Nut(3) Cash Cows garantieren und weiterentwickeln

ABC der Kontoführung

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ABC der KontoführungArchitekturen des Konsums und der Zugangsregulierun g

Allianz Arena, München © Siemens AG

Luftaufnahme: Veranstaltungsgelände des Open-Air-Konzerts 'Rock am Ring': Die blauen Quadrate zeigen erfasste Einzelpersonen,die rote Linie markiert die Menschengruppen vor der Bühne.

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

(2011: 6)

© DLR

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ABC der KontoführungBrasilien: "The Nut to Crack"

Favela Do Metro, Rio de Janeiro – Danke FIFA, © n.a.

StaatChoque de Orden (2009):Ordnungsschock

SENASPSecretaria Nacional de Segurança Pública

PRONASCIPrograma Nacional de Segurança com Cidadania

SEOPSecretaria Especial da Ordem Pública

ÖkonomieIMS Research: "The Nut to Crack" (2010)

"The FIFA 2014 World Cup and the 2016 Olympic Games will both behosted by Brazil. If the examples set by Beijing an d London are followed, both events will require significant infr astructure development and expenditure on security"

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ABC der KontoführungCash Cows garantieren und weiterentwickeln

IOC und FIFANeue Ufer: Para- und protodemokratische StaatenNeue Prämienprodukte und neue Marktsegmente (Paraly mpics, YOG)

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(1) Architekturen der Pazifizierung(2) Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufg aben(3) CCTV: Closed Circuit Television

ABC der Kontrollkulturen

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ABC der KontrollkulturenArchitekturen der Pazifizierung

©

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ABC der KontrollkulturenBehörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben

"Für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsauf gaben (BOS) ist es bei Massenveranstaltungen daher w ichtig zu wissen, wie viele Personen sich in etwa an welcher Stelle auf dem Veranstaltungsgelände befinden, in w elche Richtung sie sich bewegen und auch wie groß die Dichte dieser Menschenansammlungen ist" (DLR, 2011: 6)

Philipp Rösler, in: Sicherheitsforschung im DLR .Köln: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (201 1: 3)

"Ich gehe sogar einen Schritt weiter: Es muss unser Ziel sein, durch neue Sicherheitstechnologien, -systeme und -konzepte die Freiheitsspielräume in unserem Land wieder auszuweiten…"

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ABC der KontrollkulturenClosed Circuit Television

Flächendeckende Einführung von CCTV in allen Liga-S tadienTransfer, u.a. nach: Donezk (ca. 600 Kameras): Mobo tix, BoschVerbleib von CCTV im öffentlichen Raum: Hamburg und StuttgartAusweitung rechtlicher Grundlagen: Hessen (Haft, CC TV-Nutzung)Plan: Fingerabdrucksysteme bei Auswärtsspielen (Dän emark)Plan: Fußfessel-Systeme, RFID-Systeme, EU-Datenbank en

©

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©

(1) Architekturen der kommodifizierten Stadt(2) Bausteine einer neuen Sicherheitsarchitektur (3) Charakteristika gegenseitigen Lernens

ABC der Kommodifizierung

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ABC der KommodifizierungArchitekturen der kommodifizierten Stadt

GentrificationAbriss von Armutsquartieren und bezahlbarem WohnraumAufwertung von StadtteilenEigentum statt Mietwohnungen

Verschleuderung öffentlicher GelderSüdafrika: "Weiße Elefanten"

EnteignungenKanada: "Graues Land"

Barcelona used the acquisition of the 1992 Summer Olympic Games to catalyze major urban renewal along its main waterfront areas. An e vent of this magnitude necessitates venues of great scale and the infrastructure to sup port them. Barcelona capitalized on this opportunity to rethink neglected ports and gentrify ignored neighborhoods. Barcelona’s strategy was to inject public funds into this regen eration effort and convince private investors to follow. Using the Olympics as a carrot , the city was able to pull in the needed money and interest. Projects got off the ground and the area was ready for the games.

©

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ABC der KommodifizierungBausteine einer neuen Mobilitätsarchitektur

Anke Hagemann (2007): Filter, Ventile und Schleusen . In: Eick et al. (Hg.), Kontrollierte Urbanität , 309

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ABC der KommodifizierungCharakteristika gegenseitigen Lernens

Zugangsregulierungzu Privatflächen und öffentlichen Räumen(Beispiele: FIFA/G8, Bannmeile/Fanmeile)

Zusammenarbeitstaatlicher Polizei und privater Sicherheitsdienste(Beispiel: Kontrolle des Stadionumfelds;30 Polizei-Kooperationen in 10 Bundesländernmit über 120 Sicherheitsunternehmen; zwölf Vereinbarungen mit BDSW)

Zerstrittenheitenzwischen Landes- und Bundespolizei; zwischenGewerkschaften der Polizei und denen desWach- und Sicherheitsgewerbes; aber kaum aufeuropäischer Ebene… Bauzaun Heiligendamm, ©

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Schluss,fast jedenfalls…

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… denn meines Erachtens geht es nicht um›Sicherheitsarchitekturen‹

sondern umPazifizierung zur Profitmaximierung

… und außerdem kommt jetzt Matthias

Contact:

[email protected]