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doanthuan
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Von dereinen Sprachwissenschaft
zur Angewandten Linguistik
Albert Busch, Göttingen
Horst Seehofer
Angewandte Linguistik…
• „… ist heute generell zu definieren als eine Disziplin, die sich mit der Beschreibung, Erklärung und Lösung von lebens- und gesellschaftspraktischen Problemen in den Bereichen von Sprache und Kommunikation befasst.
• Diese Probleme halten sich nicht notwendig an disziplinäre Grenzen; für ihre Bearbeitung reichen vorhandene linguistische Erkenntnisse auch nicht immer aus.“ (Knapp u.a. 2004)
• „Das Streben nach Problemlösungen bringt es mit sich, dass die angewandte Linguistik oft über den vorhandenen linguistischen Forschungsstand hinausgehen und gegenstandsbezogen neue Methoden und theoretische Konzepte entwickeln [muss] und dabei auch auf andere Disziplinen Bezug nehmen muss. Die Unterscheidung von Theoretischer und Angewandter Linguistik wird damit obsolet“ (Knapp u.a. 2004)
Angewandte Linguistik nutzt Erkenntnisse aus:
• Linguistik
• Semiotik
• Psychologie
• Soziologie
• Medienwissenschaften
• …
zur Optimierung von Kommunikation.
• Sprache vermitteln
• Schriftlich kommunizieren
• Mit neuen Medien kommunizieren
• Öffentlich kommunizieren
• Mündlich kommunizieren
• Mehrsprachigkeit
• Arbeit an der Sprache (z.B: Terminologie)
• Diagnose und Therapie (z.B. bei Sprachstörungen, forensische Diagnose)
Heute?• „Beschreibung, Erklärung und Lösung von lebens- und
gesellschaftspraktischen Problemen in den Bereichen von Sprache und Kommunikation“ (Knapp u.a. 2004)
• Bedingungen kommunikativen Handelns• Analysebeitrag der angewandten Linguistik
• Bereiche angewandter Linguistik heute: – Medizinische Experten-Laien-Kommunikation– Forensische Linguistik– Politolinguistik– Bildlinguistik
Auswahl:
Angewandte Linguistik
Experten-Laien
Forensik
Polito-linguistik
Bild-linguistik
Auswahl:
Angewandte Linguistik
Experten-Laien
Forensik
Polito-linguistik
Bild-linguistik
SZ.29.03.2009
1) Medizinische Kommunikation zwischen Experten und Laien
Mit Blick auf die bisherige Forschung zur Gesundheitskommunikation wird kritisiert, dass
„das >missing link< zwischen >Gesundheit< und >Kommunikation< noch nicht deutlich etabliert werden [konnte] , sicherlich eine Konsequenz
des in der Health Communicationnahezu gänzlichen Fehlens einer
metatheoretischen Grundlagendiskussion.
Signitzer (2001)
Daher: Dimensionen einer (Meta-) Theorie der Gesundheitskommunikation
• „Ich verstehe Gesundheitskommunikation als thematisch konstituierten, kommunikativen Raum. Sein thematisches und bedeutungsbezogenes Zentrum ist die Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit.
• Horizontal ist die Gesundheitskommunikation geprägt durch das Miteinander verschiedener medial, fachlich und institutionell geprägter Gesundheitsdiskurse, deren sprachliche Form jeweils bestimmt ist durch – Akteure – Handlungsbedingungen – die Diskursträger (oder Initiatoren), – die Diskursziele– das thematische Zentrum– den Bedeutungsraum (frames, scripts, mentale Modelle)– die Vertikalitätstypik. (vgl. Busch 1991)
„metatheoretische Grundlagendiskussion“?
Diskurs- und Bedeutungsraum?
•Akteure ?•Handlungsbedingungen ?•die Diskursträger (Initiatoren)? •die Diskursziele ?•das thematische Zentrum ?•Bedeutungsraum ?•die Vertikalitätstypik?
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Spezifisch lexikalische Regularitäten
• Terminologisierung (fachintern) ?
• Entterminologisierung: In der fachexternen Popularisierung werden Fachwörter entterminologisiert.
• fachexternes Wissenswachstum:– massiver Transfer medizinischen Wissens in das
„Allgemeinwissen“
– Gemeinsprache unterliegt Verfachlichung:
• zahlreiche medizinspezifische Wortbildungen
• Entlehnungen
• Schlüsselwörter
• Metaphern und Metonymien
• Medizin-Wortfamilien und Wortfelder.
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Vertikale Polysemierung: Fachbedeutung
Krankheit bedeutet im pathogenetischenKrankheitskonzept
Störung der Normalfunktion
Organe als Träger von Störungen
Ursachenbezug (Ätiologie): Ursachen und Risikofaktoren
Krankheitskategorien (ICD)
„Maschinenmodell“ des Körpers
indizierte Therapie behebt Störung
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Stereotypisierung:Expertenbedeutung vs. Laienbedeutung
• Krankheit bedeutet für Laien– Schicksal
– Folge einer ererbten Disposition
– Folge von Umwelteinflüssen und -noxen
– Folge ungesunder Lebensweise
– Folge beruflicher Belastung
– psychogenes Modell von Krankheit
– Risikofaktorenmodell von Krankheit(Vgl. Faltermaier 1994, Busch 1999)
Die Brücke zwischen Experten und Laien:
Grounding
• Common ground bedeutet auf den verschiedenen horizontal und vertikal stark diversifizierten Akteurs- und Wissenskonstellationen des medizinischen Wissens- und Kommunikationsraums jeweils Unterschiedliches.
Bromme, Jucks,Rambow (2004: 179), Sing (2008)
• Bedeutungsräume
– Bedeutungskontinua (frames, scripts, mentaleModelle)
– Bedeutungsvertikalität (fachlich vs. nicht fachlich)
– Bedeutungsstereotype
• Handlungsbedingungen
• Grounding
beitrag derangewandten Linguistik
Auswahl:
Angewandte Linguistik
Experten-Laien
Forensik
Polito-linguistik
Bild-linguistik
2) Forensische Linguistik
Täterschreiben: ein etwas anderer Texttyp?
„Herr Socko
In Heidelberg war Polizei vor Bank deshalb mit Taxi
nach Manheim und zurück. Sie brauchen uns nicht
suchen. wir Fliegen Wochenende in Heimat zurück.“
Tätertexte
"Holprige Buchstaben, krakelige Handschrift, viele
Rechtschreibfehler. Ein Ermittler: 'Er will eine
falsche Fährte legen.' […] Polizeisprecher Harald
Kurzer: 'Wir gehen davon aus, dass der Killer ein
Deutscher ist.' "
Wie sieht die derzeitige Praxis der Autorenerkennung im BKA und in Universitäten
aus?
• Grundlagen der Autorenerkennung
– Textanalyse
– Textvergleich
– Sammlungsrecherche
• Individualstil liefert lediglich Hinweise
• kein sprachlicher Fingerabdruck!
Aufgabenfeld Textanalyse• Verstellung durchschauen
• Zuordnung des Autors nach
– Muttersprache oder DAF
– Bildungsgrad
– Ausbildung
• Anhaltspunkte liefern z. B. Fehler in der
– Orthographie (z. B. Fremdwortschreibung, Phonem-Graphem-
Korrespondenz)
– Morphosyntax (z. B. Flexionsendungen, Genera)
– Syntax (z. B. Satzklammer, Wortstellung)
– Phraseologie (z. B. Phraseologismen & Varianten)
– Lexik ( z. B. Lexemwahl, Fachlexik)
• Mediengebrauch (z. B. Brief, SMS)
Beispiel: Rücknahme der Verstellung zur Verständnissicherung ?
• Sie werfen die VISA Karten aus einem pirivatenhupschurober einzeln über Nürnberger innen statt
• Sie werden aus einem privaten hubschuroberEinzeln ausgeworfen VISA Karten 5000 stück
• Ihr werft den 5000 Visakarten die mit 5 Million gedeckt sind aus einer pirivaten hubschrauberüber den Volksfestplatz
(Beispiele: BKA, Dern 2003)
Beispiel: Schreibung als Bildungsindikator oder Verstellung?
• Kaundaun (statt Countdown), lequidieren, opservieren, Foot Bereich (statt Food Bereich), subzessiv, Exisdenz, Rubrick
• Beleidigen Sie bitte nicht Ihre und meine Intelligens
(Beispiele: BKA, Dern 2003)
Beispiel: missglückter Stilebenenwechsel oder Verstellung?
• [...] soviel muß ihnen ihr Geschäft wert sein, ansonsten sind sie dem Untergang gezeichnet
• Sie sind die eklatanteste Kreatur, die sich je im Vogtland entwicklen konnte
• Ansondensten sehen wir uns gezwungen Sie und ihre Exisdenz zu lequidieren
(Beispiele: BKA, Dern 2003)
Georg-August-Universität GöttingenPD. Dr. Albert Busch, Göttingen
Aufgabenfeld Textvergleich
• Ziel: Autorenidentifizierung
• Tatschreiben und Vergleichsmaterial
• Wahrscheinlichkeitsaussage:- mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
- mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit
- mit hoher Wahrscheinlichkeit
- wahrscheinlich
- nicht entscheidbar (non liquet)
Beispiel: Auffälligkeiten in einem Erpresserbrief
• Kasusfehler: DAMEN UND HERRN, WENN SIE DIESE ZEILEN
IHREN FAXGERÄT ENTNOMMEN HABEN,EMPFEHLEN WIR
IHNEN DIESE AUFMERKSAM ZU LESEN UND VORALLEM
SEHR,SEHR ERNST ZU NEHMEN […]
■ Ersetzung 'K' durch 'C' : ACTIONSPLAN, DOCUMENTE
■ Phonem-Graphem-Zuordnung: STANDART, VERSANT,
ABHOHLER, ABZUHOHLEN, GÜLDIGKEIT, PASIEREN
(Material BKA, Dern 2003)
BKA-Befund
"Die feststellbare Befundkonstellation lässt die folgende Kategorisierung des Autors zu:
• Muttersprachler des Deutschen• u. U. Sprecher des Westmitteldeutschen in Teilen (z.B.
Hessen, südliches Rheinland-Pfalz und Saarland), des Ostmitteldeutschen (Thüringen, Sachsen) oder des Fränkischen (Franken)
• geringes Bildungsniveau• älterer Verfasser (kein Jugendlicher)• ungeübt in der Produktion schriftsprachlicher Texte,
kein schreibender Beruf" (Dern 2003)
Georg-August-Universität GöttingenPD. Dr. Albert Busch, Göttingen
QDA-Implementierung, Kategorisierung und Tagging
Autorenstilisierung
• Gruppe vs. Einzeltäter
• Geschäftsbeziehung
• Eigenschaften
• Motiv-Vorgabe
• Bildungsgrad
• u.a.
Dimensionen der Verstellung
Imitation, z. B.
• Deutsch als Fremdsprache
• Sprache radikaler Organisationen
• Bildungsgrad
• altersspezifische Sprache
• Gruppensprache
• Bedeutungsräume
– Bedeutungskontinua (frames, scripts, mentale Modelle)
– Bedeutungsvertikalität (fachlich vs. nicht fachlich)
– Bedeutungsstereotype
• Handlungsbedingungen
• Grounding
• Stilanalyse
• Wissen über sprachliche Normen und Abweichungen
• Elektronisierung & Implementierung
• Bereitstellen relevanter Kategorien für Analyse und Ermittlung (incl. Tagging)
• flexible korpuslinguistische Aufbereitung von Massendaten
• Abgleich mit Ermittlungsergebnissen
beitrag derangewandten Linguistik
Auswahl:
Angewandte Linguistik
Experten-Laien
Forensik
Polito-linguistik
Bild-linguistik
Politolinguistik: Kleiner MacciavelliWahlkampfkommunikation
Clustererstellung via: http://wortschatz.uni-leipzig.de
Ausloten von Bedeutungsräumen z.B. nach semantischer Nähe
http://semtracks.com/politicaltracker/bundestagswahl/?p=1438
Wortwolken: semantische Nähe
http://semtracks.com/politicaltracker/bundestagswahl/?p=1438
Handlungsorientierung: Kleiner Macchiavelli der
Wahlkampfkommunikation
• Basisstrategien– Orientiere dich an Laien-Adressaten, „die kein professionelles
oder expertenartiges Verhältnis zur Politik haben“ (Klein 1998)– Werte dich und deine Gruppe auf.– Werte den politischen Gegner ab, wann und wo immer es
möglich ist.• Skandalisiere Äußerungen oder Handlungen des politischen Gegners• Unterstelle, dass der Gegner die Unwahrheit sagt• Nutze die Spanne zwischen Legalität und Legitimität
– Ignoriere ihn: Nenne möglichst nicht den Namen des politischen Gegners (Person und Partei)
– Bleib vage, lege dich möglichst nicht fest.
Handlungsorientierung: Kleiner Macchiavelli der
Wahlkampfkommunikation
• Medienbedingte Strategien– Nutze Slogan-Formate in schriftlicher Kommunikation
(z.B. auf Wahlkampf-plakaten) – Sei in der TV-Kommunikation kurz und appellativ– Sei drastisch undpolemisch in deinen Formulierungen
(um ins Bild zu kommen)– Personalisiere, wo immer es möglich ist– Gehe auch in den verbalen Infight (mit populistischem
Appell an emotional besetzte Stereotype)– Vermeide Negative Campaigning– Nutze das Potenzial elektronischer Medien
Handlungsorientierung: Kleiner Macchiavelli der
Wahlkampfkommunikation
• Kaschierstrategien
– Weißt du etwas nicht? Kaschiere dein Informativitätsdefizit (z.B. Ausweichen, Numerisieren)
– Sagst du nicht ganz die Wahrheit? Kaschiere es, indem du z.B. einen anderen Bezugshorizont setzt.
– Was du sagst ist für ein Thema eigentlich nicht relevant? Kaschiere das Relevanzdefizit.
Handlungsorientierung: Kleiner Macchiavelli der
Wahlkampfkommunikation • Konkurrenzstrategien
– besetzen zentrale Begriffe (Bedeutungs- und Bezeichnungskonkurrenz)
– Verteidige Begriffe – Zieh dich ggf. aus Begriffen zurück– Demontiere gegnerischer Begriffe– Attackieren den tatsächlichen oder scheinbaren
Missbrauch von Begriffen– Nagle den politischen Gegner auf Begriffe fest
• Nutze auch nicht-lexikalische Strategien (Redezeiten begrenzen, Gegner totschweigen)
• Bedeutungsräume
– Bedeutungskontinua (frames, scripts, mentale Modelle)
– Bedeutungsvertikalität (fachlich vs. nicht fachlich)
– Bedeutungsstereotype
• Grounding
• Stilanalyse
• Wissen über sprachliche Normen und Abweichungen
• Elektronisierung & Implementierung
• Bereitstellen relevanter Kategorien für Analyse und Ermittlung (incl. Tagging)
• flexible korpuslinguistische Aufbereitung von Massendaten
• Abgleich mit Ermittlungsergebnissen
• Handlungsbedingungen
• Strategische Kommunikation
beitrag derangewandten Linguistik
Auswahl:
Angewandte Linguistik
Experten-Laien
Forensik
Polito-linguistik
Bild-linguistik
Komplexes Text-Bild-System nach Große (i.V. 2009)
Große, Franziska (i.V. 2009): Bild-Linguistik.
• Bedeutungsräume
– Bedeutungskontinua (frames, scripts, mentale Modelle)
– Bedeutungsvertikalität (fachlich vs. nicht fachlich)
– Bedeutungsstereotype
• Grounding
• Stilanalyse
• Wissen über sprachliche Normen und Abweichungen
• Elektronisierung & Implementierung
• Bereitstellen relevanter Kategorien für Analyse und Ermittlung (incl. Tagging)
• flexible korpuslinguistische Aufbereitung von Massendaten
• Abgleich mit Ermittlungsergebnissen
• Handlungsbedingungen
• Strategische Kommunikation
• Visuell-textliche Kommunikationsanalyse
beitrag derangewandten Linguistik