2
03|08 Sonderdruck aus Automotive Materials 03/08 Keramik im Automobil Von der Zündkerze zur Keramikbremse Sowohl der rasante technische Fortschritt als auch die ständig wachsenden Anforderungen an Belastungsfähigkeit und Langle- bigkeit erfordern insbesondere im Automotive-Bereich Materi- alien mit außergewöhnlichen Eigenschaftsprofilen. Die spezifischen Merkmale von Hochleistungskeramik kommen überall dort zum Tragen, wo Metal- le und Kunststoffe versagen. Gefragt sind vor allem geringes Gewicht, hohe Härte und Verschleißfestigkeit, Hitzeresistenz, Korrosionsbestän- digkeit, thermische oder elektrische Isolation. Mittlerweile haben sich keramische Komponenten im Auto- mobilbau auf breiter Basis etabliert und werden in Großserie eingesetzt. So erwirtschaftet z.B. die Ceram Tec AG bereits ein Drittel ihres Jahres- umsatzes mit Keramikkomponen- ten für Automobilanwendungen. Als Einsatzschwerpunkte sind der Bereich Elektronik, die Kraftstoffversorgung so- wie der Abgasstrang zu nennen. Die Verwendung von keramischen Komponenten im Automobil hat eine lange Tradition: Bereits 1902 wurde von der Firma Bosch die ke- ramische Zündkerze zum Patent angemeldet und eingesetzt. Die in den 80er und 90er Jahren aufkom- mende Keramikeuphorie hat der Technischen Keramik eher gescha- det als geholfen. Die hochgesteck- ten Ziele (z.B. keramischer Motor) und Erwartungen wurden mit wenig Ausnahmen nicht erfüllt, was zu dem (Trug-)Schluss führte, Keramik sei für Automotive-Anwendungen ge- nerell nicht geeignet bzw. zu teuer. Einerseits führte diese Entwicklung vorübergehend zu einem negativen Image der technischen Keramik, andererseits wurden dadurch aber Entwicklungen initiiert, die letztend- lich der Keramik zum Durchbruch auf breiter Basis verholfen haben. Durch intensive Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ist eine neue Werkstoffgeneration entstanden, die sich durch exzellente Eigenschaften und hohe Zuverlässigkeit auszeich- net. Es ist mittlerweile ein Niveau erreicht worden, das vor einigen Jah- ren noch nicht vorstellbar war. Vor- aussetzungen für diese Entwicklung war die Verfügbarkeit hochreiner, Keramische Preforms für Zylinderoberflächen Fotos: Ceram Tec Sensor zur optimalen Motornutzung (Klopfsensor)

Von der Zündkerze zur Keramikbremse · 2017-12-08 · 03|08 Sonderdruck aus Automotive Materials 03/08 Keramik im Automobil Von der Zündkerze zur Keramikbremse Sowohl der rasante

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Von der Zündkerze zur Keramikbremse · 2017-12-08 · 03|08 Sonderdruck aus Automotive Materials 03/08 Keramik im Automobil Von der Zündkerze zur Keramikbremse Sowohl der rasante

���������� � � � � � 03|08

S o n d e r d r u c k a u s A u t o m o t i v e M a t e r i a l s 0 3 / 0 8

Keramik im Automobi l

Von der Zündkerze zur Keramikbremse

Sowohl der rasante technische Fortschritt als auch die ständig wachsenden Anforderungen an Belastungsfähigkeit und Langle-bigkeit erfordern insbesondere im Automotive-Bereich Materi-alien mit außergewöhnlichen Eigenschaftsprofilen.

Die spezifischen Merkmale von Hochleistungskeramik kommen überall dort zum Tragen, wo Metal-le und Kunststoffe versagen. Gefragt sind vor allem geringes Gewicht, hohe Härte und Verschleißfestigkeit, Hitzeresistenz, Korrosionsbestän-digkeit, thermische oder elektrische Isolation. Mittlerweile haben sich keramische Komponenten im Auto-mobilbau auf breiter Basis etabliert und werden in Großserie eingesetzt. So erwirtschaftet z.B. die Ceram Tec AG bereits ein Drittel ihres Jahres-umsatzes mit Keramikkomponen-ten für Automobilanwendungen.Als Einsatzschwerpunkte

sind der Bereich Elektronik, die Kraftstoffversorgung so-wie der Abgasstrang zu nennen.Die Verwendung von keramischen Komponenten im Automobil hat eine lange Tradition: Bereits 1902 wurde von der Firma Bosch die ke-ramische Zündkerze zum Patent angemeldet und eingesetzt. Die in den 80er und 90er Jahren aufkom-mende Keramikeuphorie hat der Technischen Keramik eher gescha-det als geholfen. Die hochgesteck-ten Ziele (z.B. keramischer Motor) und Erwartungen wurden mit wenig Ausnahmen nicht erfüllt, was zu dem (Trug-)Schluss führte, Keramik sei für Automotive-Anwendungen ge-nerell nicht geeignet bzw. zu teuer.

Einerseits führte diese Entwicklung vorübergehend zu einem negativen Image der technischen Keramik, andererseits wurden dadurch aber Entwicklungen initiiert, die letztend-lich der Keramik zum Durchbruch auf breiter Basis verholfen haben.Durch intensive Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ist eine neue Werkstoffgeneration entstanden, die sich durch exzellente Eigenschaften und hohe Zuverlässigkeit auszeich-net. Es ist mittlerweile ein Niveau erreicht worden, das vor einigen Jah-ren noch nicht vorstellbar war. Vor-aussetzungen für diese Entwicklung war die Verfügbarkeit hochreiner,

Keramische Preforms

für

Zylinderoberflächen

Fotos: Ceram Tec

Sensor zur optimalen Motornutzung (Klopfsensor)

Page 2: Von der Zündkerze zur Keramikbremse · 2017-12-08 · 03|08 Sonderdruck aus Automotive Materials 03/08 Keramik im Automobil Von der Zündkerze zur Keramikbremse Sowohl der rasante

���������� � � � � �

W E R K S T O F F E

03|08

Schlüsselkomponenten keramischer Natur sind. Letztendlich ist für eine potenzielle Anwendung immer das Preis-Leistungs-Verhältnis ausschlag-gebend.

Dabei sollte aber zur Entscheidungs-findung nicht ein Preisvergleich der Komponenten (z.B. Keramik/Me-tall) ausschlaggebend sein, son-dern der Leistungsvergleich der beiden konkurrierenden Systeme.Durch die konsequente Weiterent-wicklung sowohl der Werkstoffe als auch der Technologien auf Basis beherrschter und großserienfähiger Prozesse sieht sich die keramische Industrie gut gerüstet für die Her-ausforderungen der Zukunft. Dies wird nicht zuletzt durch jährliche Zu-wachsraten im zweistelligen Bereich dokumentiert.

www.ceramtec.com

synthetischer Rohstoffe sowie die Etablierung neuer, prozesssicherer Technologien. Durch gezieltes Gefü-gedesign ist es mittlerweile möglich, Werkstoffeigenschaften für spezi-elle Anwendungen zu „züchten“.

Parallel zu dieser Entwicklung begann bereits in den 80er Jahren ein eher „stiller Einzug“ keramischer Kom-ponenten im Automobilbereich. Als Vorreiter auf der Werkstoffseite ist hier Aluminiumoxid zu nennen: Sub-strate für elektronische Schaltungen, Prallplättchen für die Benzineinsprit-zung, Öldrucksensoren, Komponen-ten für ABS und Kraftstoffpumpe, um nur einige Beispiele aufzuzählen.

Im gleichen Zeitraum etablierten sich piezokeramische Komponenten wie Klopf- und Rückfahrsensoren sowie in jüngerer Zeit der Piezoaktor im Com-mon-Rail-System. Dies trifft gleicher-maßen für Siliziumkarbid-Bauteile zu, wie Gleitringe für die Kühlwas-serpumpe, die Glühstiftkerze oder den Dieselpartikelfilter. Bei Teilen auf silikatkeramischer Basis sind in erster Linie der Katalysator-Wabenkörper sowie Teile für die Lichttechnik (Xe-non) anzuführen. Zirkonoxid (Aus-nahme λ-Sonde) und Siliziumnitrid konnten sich auf Grund des ver-gleichsweise hohen Preisniveaus auf breiter Basis noch nicht durchsetzen.Sicherheit, Verbrauch und Umwelt-aspekte können als die wesentlichen

Rückfahrsensor für Luftultraschall-Abstandsmessungen

Dr. Peter Stingl hielt einen ausführ-lichen Vortrag über Hochleistungs-keramik im Automobil im Rahmen des 7. Symposium „Material Inno-vativ (Automobil – Maschinenbau – Technische Keramik)“ im April in Nürnberg. Die Veranstaltung mit 320 Teilnehmern aus Wirtschaft und Wissenschaft und einer beglei-tenden Fachausstellung war ein vol-ler Erfolg.

www.bayern-innovativ.de

Dr. Peter Stingl,

Leiter Entwicklung, Ceram Tec AG, Lauf

Innovationstreiber der Automobilin-dustrie angesehen werden. Die dra-matische Veränderung des Weltkli-mas innerhalb der letzten Jahre ver-stärkt diese Situation zusätzlich. Nach einer im letzten Jahr veröffentlichten Studie lässt sich das von der Automo-bilindustrie angestrebte Wachstum vor allem durch Innovationen in den Bereichen „Antriebskonzept“ (Emis-sionen, Verbrauch, Gewicht) und Werkstoffe (Elektronik) erreichen.Zur Realisierung der gesteckten Ziele werden auch keramische Kompo-nenten einen wesentlichen Beitrag liefern. Im Bereich der Elektronik kommen auf Grund der ständig zu-nehmenden Leistungsdichte und Mi-niaturisierung vermehrt Substrate auf Keramikbasis zur Anwendung. Auch im Feld der Sensorik und Aktorik wird der Anteil an piezokeramischen Wandlern oder Stellgliedern zuneh-men. Ein hohes Zukunftspotenzial wird selbstanpassenden adaptiven Systemen auf piezokeramischer Basis zugeschrieben (u.a. Lärm-minderung, Vibrationskontrolle).Auch bei alternativen Antriebskon-zepten wird Keramik vertreten sein. Stellvertretend sei hier die Brenn-stoffzelle (SOFC) genannt, deren