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„Dienerin am Wort“ Dr. lic. Elisabeth Bornkamm, geb. Zinn Elisabeth Zinn promovierte nur wenige Tage nach ihrem Ersten Theologischen Exa- men 1932 über die Theologie Friedrich Christoph Oetingers. Nach dem 2. Theologi- schen Examen 1933 wurde sie vom Konsistorium als „Dienerin am Wort“ begrüßt und von der Bekennenden Kirche angestellt. Seit ihrer Jugend war sie eine Freun- din und Vertraute von Dietrich Bonhoeffer. In der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche erteilte sie als Lehrvikarin unter anderem Unterricht für junge jüdische Frauen, die durch die Taufe versuchten, ihr Leben zu retten. 1936 erfolgte in Dahlem die Ein- segnung von Elisabeth Zinn zur Vikarin durch Pfarrer Jacobi (Bekennende Kirche). Sie arbeitete in der Gemeinde, in der Jugendarbeit und Krankenseelsorge; die Sa- kramentsverwaltung war ihr aber nicht erlaubt. Sie verteidigte das Alte Testament als Wurzel des Christentums und man schätzte sie wegen ihrer Fähigkeiten für eine lebendige und anregende Wortverkündigung. 1938 heiratete sie Günther Born- kamm und schied daraufhin aus ihrer Arbeit als Vikarin aus. 1949 zog die Familie nach Heidelberg, wo ihr Mann auf den Lehrstuhl für Neues Testament berufen wur- de. Trotz ihrer fünf Kinder und einem weltoffenen Haushalt, in dem viele Studenten aus aller Welt ein- und ausgingen, pflegte sie ihre Interessen weiter und war mit Leidenschaft als Theologin tätig. Sie blieb im intensiven Fachgespräch mit ihrem Mann sowie befreundeten Kollegen und Kolleginnen und leitete über Jahrzehnte in Heidelberg einen Bibel-Frauenkreis, der aufgrund der anspruchsvollen Quellen- arbeit und grundsätzlicher Diskussionen gerade auch nichtkirchliche Teilnehmerin- nen anzog. In späteren Jahren wurde sie kirchlich rehabilitiert: Die volle Ausübung ihres Berufs wurde ihr gestattet und sie hat befreundete Paare getraut und ihre En- kelkinder getauft. 1995 starb sie in Heidelberg. 1908 Geboren in Berlin 1927 Abitur in Berlin 1927–1932 Studium der Theologie und Philosophie in Berlin und Tübingen 1932 Erstes Theologisches Examen und Promotion 1933 Zweites Theologisches Examen 1933–1938 Gemeindearbeit in Berlin 1934 Zweite Vorsitzende des Verbandes Evangelischer Theologinnen Deutschlands 1936 Einsegnung in Berlin-Dahlem 1938 Heirat mit Pfarrer Günther Bornkamm Seit 1945 Ehrenamtliche Arbeit als Theologin 1995 Gestorben in Heidelberg Bekennende Kirche Gegen die Deutschen Christen (DC) und die Gestaltung einer Reichskirche formierte sich seit Mitte 1933 unter den Protestanten Widerstand, der im Mai 1934 zur Konstituierung der Bekennenden Kirche (BK) in Wuppertal-Barmen führte. Der verfassungsrechtliche Status der BK blieb zwar unklar, einig war man sich im Widerstand gegen die Reichskirche der DC und im allgemeinen Bezug auf die Barmer Theologische Erklärung. In Preußen entwickelte sich die BK unter Berufung auf kirchliches Notrecht dahingehend, dass bezüglich Verwaltung, Pfarrerausbildung, Dienstrecht und Finanzen eine eigene Kirchenstruktur entstand. Promovierte Frauen Ab 1911 hatten Frauen an der Theologischen Fakultät in Berlin das Recht zu pro- movieren. Die erste in Berlin promovierte Theologin war Anna Stange. Sie promo- vierte 1925 bei Adolf von Harnack über „Celsus und Origenes“. Bis 1945 erlangten in Berlin insgesamt acht Frauen den theologischen Doktorgrad, darunter 1932/33 auch Elisabeth Zinn. Des Weiteren gab es auch Ehrenpromotionen für Frauen, so wurde zum Beispiel Berta Gräfin von der Schulenburg für ihr sozialdiakonisches Engagement mit der Verleihung eines Doktortitels ehrenhalber gewürdigt. Einsegnung Erste Einsegnungen in der Kirche der altpreußischen Union erlaubte das Vikarin- nengesetz vom 9. Mai 1927: Vikarinnen wurden vor ihrer ersten Anstellung in ihren Dienst durch den Superintendenten eingesegnet. Ihr Amt beschränkte sich aller- dings auf die Zuarbeit für den Pfarrer, so durften sie zum Beispiel Konfirmanden- unterricht erteilen, aber nicht konfirmieren. 1935 fanden die ersten Einsegnungen in der Provinz Rheinland statt, am 2. Juli 1936 folgte die Provinz Berlin /Brandenburg: Präses Gerhard Jacobi segnete die ersten neun Vikarinnen in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem ein, darun- ter auch Elisabeth Zinn. Auch wenn Jacobi stets von „Einsegnungen“ sprach, ent- sprach das Gelübde der Vikarinnen weitgehend dem der ordinierten Männer. Mit der Einsegnung wurde auch eine zölibatäre Lebensweise verlangt, so dass bei Heirat das Arbeitsverhältnis endete. Berliner promovierte Protestantinnen und ihre Werke bis 1945 1925 Anna Stange: Celsus und Origenes. Das Gemeinsame ihrer Weltanschauung nach den 8 Büchern des Origenes gegen Celsus. Eine Studie zur Religions- und Geistesgeschichte des 2. und 3. Jahrhunderts (bei Adolf von Harnack) 1927 Selma Hirsch: Die Vorstellung von einem weiblichen Pneuma Hagion im Neuen Testament und in der ältesten christlichen Literatur 1928 Helene Oberbeck: Die religiöse Weltanschauung des Novalis 1931/32 Grete Möller: Föderalismus und Geschichtsbetrachtung im 17. und 18. Jahrhundert 1933 Gertrud Frischmuth: Die paulinische Konzeption in der Frömmigkeit Bernhards von Clairvaux 1930/33 Marie Horstmeier: Die Idee der Persönlichkeit bei Immanuel Hermann Fichte und Christian Hermann Weiße 1932/33 Elisabeth Zinn: Die Theologie des Friedrich Christoph Oetinger 1937 Eva Aleith: Paulusverständnis in der alten Kirche Brief zum Abschied an die Amtsschwestern anlässlich der Verlobung von Elisabeth Zinn und ihres Ausscheidens aus ihrem Dienst im August 1938. Foto: Aleida Assmann Evangelisches Zentralarchiv in Berlin VORGÄNGERINNEN Der Weg von Frauen in das geistliche Amt 3 Jesus-Christus-Kirche in Dahlem Elisabeth Bornkamm, geb. Zinn: Die ersten Einsegnungen 1936 I, Berkan (CC BY-SA 4.0) Hier geht’s zum Video 1943 1945 1950er nach 1945 1943 1941/42 1920 1523 1936 1960er 1970er 1980er 1990er 2000er 2019

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Page 1: VOR GNGERINNEN - EKBO

„Dienerin am Wort“

Dr. lic. Elisabeth Bornkamm, geb. Zinn

Elisabeth Zinn promovierte nur wenige Tage nach ihrem Ersten Theologischen Exa­men 1932 über die Theologie Friedrich Christoph Oetingers. Nach dem 2. Theologi­schen Examen 1933 wurde sie vom Konsistorium als „Dienerin am Wort“ begrüßt und von der Bekennenden Kirche angestellt. Seit ihrer Jugend war sie eine Freun­din und Vertraute von Dietrich Bonhoeffer. In der Kaiser­Wilhelm­Gedächtniskirche erteilte sie als Lehrvikarin unter anderem Unterricht für junge jüdische Frauen, die durch die Taufe versuchten, ihr Leben zu retten. 1936 erfolgte in Dahlem die Ein­segnung von Elisabeth Zinn zur Vikarin durch Pfarrer Jacobi (Bekennende Kirche). Sie arbeitete in der Gemeinde, in der Jugendarbeit und Krankenseelsorge; die Sa­kramentsverwaltung war ihr aber nicht erlaubt. Sie verteidigte das Alte Testament als Wurzel des Christentums und man schätzte sie wegen ihrer Fähigkeiten für eine lebendige und anregende Wortverkündigung. 1938 heiratete sie Günther Born­kamm und schied daraufhin aus ihrer Arbeit als Vikarin aus. 1949 zog die Familie nach Heidelberg, wo ihr Mann auf den Lehrstuhl für Neues Testament berufen wur­de. Trotz ihrer fünf Kinder und einem weltoffenen Haushalt, in dem viele Studenten aus aller Welt ein­ und ausgingen, pflegte sie ihre Interessen weiter und war mit Leidenschaft als Theologin tätig. Sie blieb im intensiven Fachgespräch mit ihrem Mann sowie befreundeten Kollegen und Kolleginnen und leitete über Jahrzehnte in Heidelberg einen Bibel­Frauenkreis, der aufgrund der anspruchsvollen Quellen­arbeit und grundsätzlicher Diskussionen gerade auch nichtkirchliche Teilnehmerin­nen anzog. In späteren Jahren wurde sie kirchlich rehabilitiert: Die volle Ausübung ihres Berufs wurde ihr gestattet und sie hat befreundete Paare getraut und ihre En­kelkinder getauft. 1995 starb sie in Heidelberg.

1908 Geboren in Berlin

1927 Abitur in Berlin

1927–1932 Studium der Theologie und Philosophie in Berlin und Tübingen

1932 Erstes Theologisches Examen und Promotion

1933 Zweites Theologisches Examen

1933–1938 Gemeindearbeit in Berlin

1934 Zweite Vorsitzende des Verbandes Evangelischer Theologinnen Deutschlands

1936 Einsegnung in Berlin­Dahlem

1938 Heirat mit Pfarrer Günther Bornkamm

Seit 1945 Ehrenamtliche Arbeit als Theologin

1995 Gestorben in Heidelberg

Bekennende KircheGegen die Deutschen Christen (DC) und die Gestaltung einer Reichskirche formierte sich seit Mitte 1933 unter den Protestanten Widerstand, der im Mai 1934 zur Konstituierung der Bekennenden Kirche (BK) in Wuppertal-Barmen führte. Der verfassungsrechtliche Status der BK blieb zwar unklar, einig war man sich im Widerstand gegen die Reichskirche der DC und im allgemeinen Bezug auf die Barmer Theologische Erklärung. In Preußen entwickelte sich die BK unter Berufung auf kirchliches Notrecht dahingehend, dass bezüglich Verwaltung, Pfarrerausbildung, Dienstrecht und Finanzen eine eigene Kirchenstruktur entstand.

Promovierte Frauen

Ab 1911 hatten Frauen an der Theologischen Fakultät in Berlin das Recht zu pro­movieren. Die erste in Berlin promovierte Theologin war Anna Stange. Sie promo­vierte 1925 bei Adolf von Harnack über „Celsus und Origenes“. Bis 1945 erlangten in Berlin insgesamt acht Frauen den theologischen Doktorgrad, darunter 1932/33 auch Elisabeth Zinn. Des Weiteren gab es auch Ehrenpromotionen für Frauen, so wurde zum Beispiel Berta Gräfin von der Schulenburg für ihr sozialdiakonisches Engagement mit der Verleihung eines Doktortitels ehrenhalber gewürdigt.

Einsegnung

Erste Einsegnungen in der Kirche der altpreußischen Union erlaubte das Vikarin­nengesetz vom 9. Mai 1927: Vikarinnen wurden vor ihrer ersten Anstellung in ihren Dienst durch den Superintendenten eingesegnet. Ihr Amt beschränkte sich aller­dings auf die Zuarbeit für den Pfarrer, so durften sie zum Beispiel Konfirmanden­unterricht erteilen, aber nicht konfirmieren.

1935 fanden die ersten Einsegnungen in der Provinz Rheinland statt, am 2. Juli 1936 folgte die Provinz Berlin/Brandenburg: Präses Gerhard Jacobi segnete die ersten neun Vikarinnen in der Jesus­Christus­Kirche in Berlin­Dahlem ein, darun­ter auch Elisabeth Zinn. Auch wenn Jacobi stets von „Einsegnungen“ sprach, ent­sprach das Gelübde der Vikarinnen weitgehend dem der ordinierten Männer. Mit der Einsegnung wurde auch eine zölibatäre Lebensweise verlangt, so dass bei Heirat das Arbeitsverhältnis endete.

Berliner promovierte Protestantinnen und ihre Werke bis 19451925 Anna Stange: Celsus und Origenes. Das Gemeinsame ihrer

Weltanschauung nach den 8 Büchern des Origenes gegen Celsus. Eine Studie zur Religions- und Geistesgeschichte des 2. und 3. Jahrhunderts (bei Adolf von Harnack)

1927 Selma Hirsch: Die Vorstellung von einem weiblichen Pneuma Hagion im Neuen Testament und in der ältesten christlichen Literatur

1928 Helene Oberbeck: Die religiöse Weltanschauung des Novalis

1931/32 Grete Möller: Föderalismus und Geschichtsbetrachtung im 17. und 18. Jahrhundert

1933 Gertrud Frischmuth: Die paulinische Konzeption in der Frömmigkeit Bernhards von Clairvaux

1930/33 Marie Horstmeier: Die Idee der Persönlichkeit bei Immanuel Hermann Fichte und Christian Hermann Weiße

1932/33 Elisabeth Zinn: Die Theologie des Friedrich Christoph Oetinger

1937 Eva Aleith: Paulusverständnis in der alten Kirche

Brief zum Abschied an die Amtsschwestern anlässlich der Verlobung von Elisabeth Zinn und ihres Ausscheidens aus ihrem Dienst im August 1938.

Foto: Aleida Assmann

Evangelisches Zentralarchiv in Berlin

VORGÄNGERINNENDer Weg von Frauen in das geistliche Amt

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Elisabeth Bornkamm, geb. Zinn: Die ersten Einsegnungen 1936

I, Berkan (CC BY-SA 4.0)

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