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GOTS-Expertenmeeting:Vorderes Kreuzband, 33–52 (2010) www.gots.org 33 T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen Anamnese Die Anamnese ebnet den Weg zur korrekten und umfassenden Diagno- se. Insbesondere in Hinblick auf die assoziierten Verletzungen muss die Anamnese nicht nur erfolgen, son- dern auch dokumentiert werden. Somit kann sichergestellt werden, dass die Möglichkeit einer bestimm- ten assoziierte Pathologie im Vorfeld berücksichtig und mit entsprechen- den Mitteln ausgeschlossen wurde. In diesem Zusammenhang ist insbe- sondere die hintere Instabilität zu erwähnen. Die Weichen zur weit- eführenden Diagnostik wird in der Erfassung der Anamnese gestellt. Wichtige Punkte der Anamnese las- sen sich durch die Beantwortung fol- gender Frage zusammenfassen: Was ist wann wie passiert? (Abb. 1). Insbesondere der Verletzungsmecha- nismus kann wichtige Hinweise auf die zugrundeliegende intra-artiku- läre Pathologie geben. Zahlreiche Studien konnten anhand von Video- analysen sportartspezifische Ver- letzungsmechanismen darstellen (Arendt et al. 1995, Boden et al. 2000, Ettlinger et al. 1995, Olsen et al. 2004). Eine der häufigsten Risiko- positionen für Verletzungen des VKBs ist eine geringe Knieflexion, Valgus- position und tibialer Außenrotation (Olsen et al. 2000, Petersen et al. DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN Die richtige Therapie setzt zwangsläufig eine wegweisende Diagnostik voraus. Wichtige Aspekte variieren von Patient zu Patient und deshalb erscheint eine patientenorientierte Untersuchung und Diagnostik essen- tiell. Ziel dieses Kapitels ist es einen Überblick über gängige und repro- duzierbare Kriterien der klinischen und apparativen Diagnostik zu geben. Neben der Anamnese erscheint die klinische Untersuchung als einer der wichtigsten Parameter zur korrekten Diagnose zu sein (Beynnon et al. 2005, Petersen und Zantop 2009, Strobel und Stedtfeld 1991). Zusätzlich werden projektionradiographische Darstellungen und Schnittbildgebung durchgeführt. Bei Rupturen des vorderen Kreuzbandes sind häufig in assoziierte Verletzungen des Knorpels, der Menisken und der Bänder vorhanden. Diese Verletzungen können zum einen die Diagnostik er- schweren, zum anderen aber auch bei nicht korrekter Diagnose zu einem schlechten Operationsergebnis bis zum Versagen der VKB-Rekonstruktion führen. Bei den Untersuchungsgängen sollte differenziert werden, ob es sich um eine akute oder chronische Läsion handelt, da sich die diagnosti- schen Wege für diese beiden Läsionen grundlegend unterscheiden. Die Problematik der Rezidivinstabilität nach VKB-Rekonstruktion ist nicht Hauptaugenmerk dieses Kapitels. Hier wird auf weiterführende Literatur verwiesen. VORDERES KREUZBAND DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN Thore Zantop, Georg Bauer, Matthias Buchner, Andree Ellermann, Romain Seil, Karl-Peter Benedetto GOTS - - E E x x p p e e r r t t e e n n m m e e e e t t i i n n g g 2 2 0 0 1 1 0 0

VORDERES KREUZBAND DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN - … · dann überprüft werden, ob und wie stark der intra-artikuläre Erguss vor-handen ist. Bei stark ausgeprägten Hämarthros

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GOTS-Expertenmeeting: Vorderes Kreuzband, 33–52 (2010)www.gots.org

33T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

Anamnese

Die Anamnese ebnet den Weg zurkorrekten und umfassenden Diagno-se. Insbesondere in Hinblick auf dieassoziierten Verletzungen muss dieAnamnese nicht nur erfolgen, son-dern auch dokumentiert werden.Somit kann sichergestellt werden,dass die Möglichkeit einer bestimm-ten assoziierte Pathologie im Vorfeldberücksichtig und mit entsprechen-den Mitteln ausgeschlossen wurde.In diesem Zusammenhang ist insbe-sondere die hintere Instabilität zuerwähnen. Die Weichen zur weit-eführenden Diagnostik wird in derErfassung der Anamnese gestellt.

Wichtige Punkte der Anamnese las-sen sich durch die Beantwortung fol-gender Frage zusammenfassen: Wasist wann wie passiert? (Abb. 1).Insbesondere der Verletzungsmecha-nismus kann wichtige Hinweise aufdie zugrundeliegende intra-artiku-läre Pathologie geben. ZahlreicheStudien konnten anhand von Video-analysen sportartspezifische Ver-letzungsmechanismen darstellen(Arendt et al. 1995, Boden et al.2000, Ettlinger et al. 1995, Olsen etal. 2004). Eine der häufigsten Risiko-positionen für Verletzungen des VKBsist eine geringe Knieflexion, Valgus-position und tibialer Außenrotation(Olsen et al. 2000, Petersen et al.

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Die richtige Therapie setzt zwangsläufig eine wegweisende Diagnostikvoraus. Wichtige Aspekte variieren von Patient zu Patient und deshalberscheint eine patientenorientierte Untersuchung und Diagnostik essen-tiell. Ziel dieses Kapitels ist es einen Überblick über gängige und repro-duzierbare Kriterien der klinischen und apparativen Diagnostik zu geben.Neben der Anamnese erscheint die klinische Untersuchung als einer derwichtigsten Parameter zur korrekten Diagnose zu sein (Beynnon et al.2005, Petersen und Zantop 2009, Strobel und Stedtfeld 1991). Zusätzlichwerden projektionradiographische Darstellungen und Schnittbildgebungdurchgeführt. Bei Rupturen des vorderen Kreuzbandes sind häufig inassoziierte Verletzungen des Knorpels, der Menisken und der Bändervorhanden. Diese Verletzungen können zum einen die Diagnostik er-schweren, zum anderen aber auch bei nicht korrekter Diagnose zu einemschlechten Operationsergebnis bis zum Versagen der VKB-Rekonstruktionführen.Bei den Untersuchungsgängen sollte differenziert werden, ob es sichum eine akute oder chronische Läsion handelt, da sich die diagnosti-schen Wege für diese beiden Läsionen grundlegend unterscheiden. DieProblematik der Rezidivinstabilität nach VKB-Rekonstruktion ist nichtHauptaugenmerk dieses Kapitels. Hier wird auf weiterführende Literaturverwiesen.

VORDERES KREUZBAND

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONENThore Zantop, Georg Bauer, Matthias Buchner, Andree Ellermann,Romain Seil, Karl-Peter Benedetto

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33-52 Diagnostik 25.05.2011 14:29 Uhr Seite 33

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2005). Hierbei ist der Fuß am Bodenfixiert und häufig ist dieser Verlet-zungsmechanismus im Ballsport an-zutreffen (Fußball, Handball, Basket-ball, siehe Kapitel Epidemiologie).Auch eine Hyperextension kann zueiner Läsion des VKBs führen, aller-dings sollte ein solcher Verletzungs-mechanismus auch an eine HKB-Läsion denken lassen.Beim Sportler sollte die Anamneseauch Informationen über den ausge-übten Sport, den Leistungsanspruchund das Verhalten nach dem Unfallerfassen. Insbesondere beim Mann-schaftssportler kann es sein, dassder Sportler zunächst wieder auf dasSpielfeld zurückkehrt und anschlie-ßend ein erneutes Distorsionstraumamit der Gefahr einer weiteren assozi-ierten Verletzung (dislozierter Me-niskuskorbhenkelriss) erleidet. Eineähnliche Situation ist auch im Be-rufsleben gegeben. Aus diesemGrund sollte das berufliche Aktivi-tätsniveau des Patienten erfasstwerden. Zusätzlich sind beruflicheAktivitäten zu eruieren, die ein sta-biles Kniegelenk essentiell voraus-setzen (z. B. Dachdecker).Um die klinische Symptomatik kor-rekt einschätzen zu können, mussabgeklärt werden ob es sich vor demTrauma um ein stabiles und intaktesGelenk handelte (Ausschluss vorbe-stehender Läsionen). Auch der Ab-stand vom Trauma bis zur ärztlichenKonsultation kann für die weitereVersorgung eine Rolle spielen. Die subjektive Beschwerdesympto-matik kann mit dem Schwerpunkt

der subjektiven Instabilität erhobenwerden. Dieses ist ein hochrangigkorrelierender Parameter für die Dia-gnose VKB Ruptur (Kocher et al.2000, Jonsson et al. 2004, Petersenund Zantop 2006). Schmerzsympto-me können auf assoziierte Läsionenhinweisen (schmerzhafte medialeKollateralbandläsion). Gleichzeitigist der Beschwerdeverlauf zu hinter-fragen.

Inspektion

Die Inspektion erfüllt zwei wichtigeAufgaben: zum einem kann durcheine aufmerksame, schnell durchzu-führende Inspektion die DiagnoseVKB Ruptur in die richtige Richtunggelenkt werden. Zum anderen kön-nen mit Hilfe der Inspektion dieWege der Differentialdiagnose undder assoziierten Verletzungen ge-bahnt werden (Benjaminse et al.2006, Strobel und Zantop 2010, Torget al. 1976). Bei einem akuten Distorsionstraumakann bei ausgeprägten Hämarthrosder Verdacht einer VKB Ruptur ge-stellt werden (Hackenbruch und Mül-ler 1984, Steinbruck et al. 1988).Aufgrund der intrasynovialen VKBLage kann die Ruptur der Fasernzeitgleich zu einem Zerreißen dessynovialen Schlauches und somitzum Hämarthros führen (Abb. 2).

Allerdings ist der Umkehrschlussnicht zulässig: das Ausbleiben einesinspektorisch sichtbaren Hämarthrosdarf keinesfalls zum Schluss führen,dass eine VKB Ruptur nicht vorliegenkann. Häufig sind anamnestisch ge-rade bei den sportlich aktiven Pa-tienten mehrere Distorsion des Knie-gelenkes zu erheben. Da diese schonim Vorfeld zu einem synovialen Zer-reißen geführt haben kann, muss dasaktuelle Trauma, das nun zur Konsul-tation führt, nicht zwangsläufig zueinem Hämarthros führen (Strobelund Zantop 2010).Assoziierte Verletzungen stechenauch bei der Inspektion hervor. Ne-ben einem inspektorisch auffälligenExtensionsdefizit sind insbesonderePrellmarken von enormer Wichtigkeit(Abb. 3). Prellmarken im Bereich der

34 T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Leitsatz zum Erfassender Anamnese

WAS ist

WIE passiert?

WANN

� Abbildung 1Leitsatz der Anamnese.

Abbildung 2 �Typisches Hämarthros nachValgus-/Innenrotationstraumabeim Landen nach einem Kopf-ball.

Abbildung 3Prellmarke und Hämatom im Verlauf desmedialen Kollateralbandes mit V. a. MCLDistorsion.

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anteromedialen Tibia können als Zei-chen einer Läsion des medialen Kol-lateralbandes gesehen werden. Prell-marken im Bereich der Tuberositastibiae hingegen müssen die weiterenWege der Diagnostik primär in Rich-tung einer Verletzung des hinterenKreuzbandes lenken (Abb. 4) (Schulzet al. 2003, Strobel und Stedfeldt

1991). Somit werden wichtige Wei-chen der Diagnostik schon im Rah-men der Inspektion gestellt. Deut-lich sichtbare Abweichungen derBeinachse in der Frontalebene soll-ten zu einer weiteren Abklärung mitHilfe von radiologischer Diagnostikführen (Abb. 5), da diese im VerlaufEinfluss auf das geplante operativeProzedere (Umstellungsosteotomieoder VKB-Ersatz, siehe Kapitel Indi-kation) haben kann (Yastrebov undLobenhoffer 2009). Muskuläre Defizite im Bereich desQuadrizeps sind zu fassen und soll-ten aufgenommen werden.

Klinische Untersuchung

Im Ablauf der Diagnostik ist die kli-nische Untersuchung der entschei-dende Pfeiler. Eine VKB-Ruptur kannmit Hilfe von geeigneten klinischenUnterschungsgängen sicher und va-lide diagnostiziert werden. UnsererAnsicht nach sollten diese rekapitu-liert werden, da sie gerade zu derZeit der Möglichkeit einer Schnitt-bildgebung mit MRT Diagnostik zu-nehmend in Vergessenheit zu gera-ten scheinen.

Um die klinische Untersuchung stan-dardisiert durchzuführen sollten fol-gende allgemeine Punkte beachtetwerden: Herstellen einer Vertrauens-basis zwischen Patienten und Unter-sucher, schmerzfreie Lagerung undDurchführung der Tests im Seiten-vergleich (individuelle Laxizitäts-unterschiede, Beginn auf nichtverletzter Seite) (Jakob et al. 1987,Donaldson 1985, Steinbrück et al.1985) (Abb. 6). Insbesondere beikomplexen Stabilitätstests wie z. B.dem Pivot shift-Test sollte aufgrundder Gefahr von weiteren Läsionen dieTests nicht repetitiv durchgeführtwerden.Die erfassten Ergebnisse gelten alsMomentaufnahme, insbesondere beinegativen Befunden oder einge-schränkter Untersuchungsfähigkeitdes Patienten (z. B. schmerzassozi-iert).

35T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Abbildung 4Prellmarke im Bereich der Tuberositas tibiaenach Autounfall („dash board injury“). BeiV. a. HKB-Läsion sollten die weiteren diag-nostischen Wege die hintere Instabilität zu-nächst ausschließen.

Abbildung 5Valgusfehlstellung bei Patienten mit chro-nischer VKB-Ruptur.

Abbildung 6Prinzipien der klinischen Untersuchung.

Prinzipien der klinischen Untersuchung

� Schmerzfreie Lagerung

� Seitenvergleich

� Beginn mit nicht verletzter Seite

� Aufbau Vertrauensbasis zum Untersucher

� Beachten individueller Laxizitätsunterschiede

� schmerzhafte/unangenehme Stabilitätstest zum Endeder Untersuchung

� Vermeiden von repetitiven Tests (privot shift)

Bei (schmerzbedingter) einge-schränkter klinischer Diagnostikist die klinische Untersuchung zuwiederholen

� Merke !

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Palpation

Im Rahmen der Palpation wird dieLokalisation des Druckschmerzpunk-tes und das Punktum maximum derBeschwerden erfasst. Dies gilt insbe-sondere für mediale und laterale Kol-lateralbandläsionen (MCL, LCL). Aufder medialen Seite kann das MCLim Bereich des femoralen Ursprungesam medialen Epikondylus („Ski-punkt“), auf Gelenkspaltniveau undim tibialen Insertionsgebiet in topo-graphischer Nähe des Pes anserinussuperficialis auf eine Beschwerde-symptomatik hin untersucht werden(Jakob et al. 1987, Donaldson1985). Das LCL besitzt seine häufig-sten Schmerzpunkte am lateralenEpikondylus und im Bereich der pro-ximalen Fibula. Während die klini-sche Symptomatik der VKB Ruptur inFällen ohne massiven Hämarthrosggf. ohne starke Schmerzsymptoma-tik erscheinen kann, so gehen asso-ziierte Läsionen der Kollateralbändermit deutlich ausgeprägten Schmer-zen einher. Klinisch ist im akutenStadium eine Unterscheidung zwi-

schen medialen Kollateralbandläsionund Innenmeniskusruptur meist nurschwer möglich (Strobel und Zantop2010). Der mediale Patellarand und die In-sertionspunkte des medialen patel-lofemoralen Ligamentes (MPFL) soll-ten palpiert werden. Sehnen- undMuskellücken im Verlauf der Quadri-zeps-, der Patellar- und der Kniebeu-gesehnen müssen überprüft werden.Dies kann wichtige Informationenfür die spätere Transplantatwahl ent-halten. Am Übergang zwischen Palpationund klinischen Stabilitätstests,steht das Erfassen des intra-artikulä-ren Hämarthros. Hierfür wird dasPhänomen der tanzenden Patellaüberprüft (Abb. 7). Mit der einenHand wird durch Kompression derRezessus suprapatellaris ausge-drückt und so der Erguss nach retro-patellar gebracht (Wirth und Kolb1985). Mit der anderen Hand kanndann überprüft werden, ob und wiestark der intra-artikuläre Erguss vor-handen ist. Bei stark ausgeprägtenHämarthros („Gelenktamponade“)

kann eine Gelenkpunktion erfolgenund somit die Beweglichkeit verbes-serte werden.

Stabilitätstests

Es sind zahlreiche Stabilitätstest zurÜberprüfung der Integrität der liga-mentären Strukturen des Kniegelen-kes beschrieben. Diese betreffen dieFrontalebene (Varus-/Valgustests),die Sagittalebene (Lachman-/Schub-ladentest) sowie die Auswirkungenvon Kombinationsbewegungen (Pivotshift-Test). Die Tests dienen der Di-agnose- und Indikationsstellung,sollten aber auch unter Narkosedurchgeführt werden (Bestandteilder Operation) (Donaldson et al.1985, Petersen und Zantop 2009,Katz et al. 1986). Ein großer Vorteilder Stabilitätstests in der Sagittale-bene ist die Standardisierung desTests mit Hilfe einer instrumentier-ten Messung (Daniel et al. 1985,Boyer et al. 1995). Bei Kombina-tionsbewegungen ist eine solcheStandardisierung bisher noch nichtmöglich. Bei der Überprüfung der Stabilitätmüssen die äußeren Umstände be-achtet werden. Eine eingeschränkteBeweglichkeit aufgrund von einerGelenktamponade oder einem dislo-zierten Korbhenkelriss des Meniskusbeeinflusst automatische die Sensi-tivität und Spezifität der klinischenStabilitätstests. Da die expliziteAnleitung der Testverfahren zur Di-agnostik von Meniskusläsionen imRahmen dieses Kapitels nicht umfas-send erfolgen kann, verweisen wirauf die Fachliteratur (Solomon et al.2001, Agneskirchner und Lobenhof-fer 2004, Rupp et al. 2002).

Varus-/Valgustest

Das Erfassen der Stabilität in derFrontalebene mit Hilfe des Varus-/Valgustests dient zum Ausschlussvon hochgradigen medialen oder la-

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DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Abbildung 7Tanzende Patella. Mit der einen Hand wird der Rezessus suprapatellaris ausgestrichen undsomit der intra-artikuläre Erguss nach retropatellar verlagert. Die Patella wird mit denLangfingern der anderen Hand dann in das femorale Gleitlager zurückgedrückt.

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teralen Seitenbandläsionen. Bei kor-rekter Durchführung kann mit die-sem Test die Integrität der Kapselund des Seitenbandes selbst über-prüft werden und der Test wird in Ex-tensionstellung und ca. 20° Flexionausgeführt. Varus-/Valgusstress in20° dient der Diagnostik der Seiten-bänder (mediales und laterales Kol-lateralband); der Test in Extensionüberprüft eine Verletzung von Struk-turen der posterolateralen (Popli-teussehne, popliteofibulares Band)oder posteromedialen Gelenkecke(hinteres Schrägband und postero-mediale Kapsel). Die Aufklappbarkeitkann in 3 unterschiedliche Gradeeingeteilt werden (Abb. 8).

Zur Durchführung des Test appliziertder Untersucher Varus- oder Valgus-stress am Unterschenkel während derPatient auf dem Rücken positioniertist. Als Gegenlager der Krafteinwir-kung sollte die Hand des Unter-suchers an den Femurkondylen ange-legt werden. Eine Rotationsbewegungder untersuchten Extremität kanndie Auswertung des Tests erschwe-ren. Rotationsbewegungen könnenverringert werden indem der Ober-schenkel des Patienten auf demOberschenkel des Untersuchers posi-tioniert wird (Abb. 9).In der Akutsituation kann die Unter-suchung durch Schmerzen und Mus-kelspannung erschwert sein. Dabeisind die Schmerzen gerade bei par-tiellen Rupturen oder Distorsionengrößer als bei kompletten Rupturen.

Schubladen-Tests

In der Literatur wird der Schubladen-Test als klassischer Test der Kreuz-banddiagnostik angegeben (Benja-minse et al. 2006, Beynnon et al.2005, Katz et al. 1986). Bei genauerDefinition wird zum Auslösen des so-genannten Schubladen Phänomensdas Kniegelenk in 90° Flexion ge-bracht (Strobel und Stedfeldt 1991,Petersen und Zantop 2009). Der Fußdes Patienten wird dann mit demOberschenkel des Untersuchers fi-xiert und die proximale Tibia mit denHänden des Untersuchers nach vornegezogen oder nach hinten gedrückt(Abb. 10). Mit diesem Test kann die sogenanntevordere und hintere Schublade er-fasst werden. Bei der Durchführungdieses Testes ergeben sich zweigrundlegende Probleme:

1. ein falsch-negatives Ergebnis beimuskulärer Anspannung derischiokruraler Muskulatur

2. Unterscheidung zwischen einerkorrekten vorderen Schubladeund der posterioren tibialen Sub-luxation und somit „Pseudo-vor-deren Schublade“ bei HKB Insuf-fizienz

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DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

� Merke �

Bei kompletter Ruptur der Seiten-bandstrukturen sind Beschwerdenhäufig geringer als bei partiellerRuptur. Eine geringe Schmerz-symptomatik darf daher nichtzur vernachlässigten Diagnostikführen.

Bestimmung derAufklappbarkeit beiMCL/LCL-Läsionen

Grad I 0–5°

Grad II 5–10°

Grad III >10°

Abbildung 8Einteilung medialer und lateraler Kollate-ralbandläsionen.

Abbildung 9Möglichkeit zur Durchführung des Varus-/Valgustests. Der Oberschenkel des Untersuchers wird unter dem Kniegelenk des Patienten posi-tioniert und dient so als Widerlager für die Krafteinwirkung in Varus- und Valgus-Richtung.

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Sowohl eine VKB- wie auch eineHKB-Ruptur führt zur Instabilität inder Sagittalebene (Strobel et al.2002, Strobel und Stedfeldt 1991).Aufgrund der Schwerkraft und derMuskelaktivität der ischiokruralenMuskulatur kommt es bei einer HKB-Läsion zu einer spontanen posterio-ren Subluxationsstellung des Tibia-kopfes (Abb. 11). Beim Testen desSchubladenphänomens kann nun dieReduktion der spontanen posterio-ren Subluxation in die Neutralstel-lung als positive vordere Schubladefehlinterpretiert werden.

38 T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Eine positives vorderes Schubla-denphänomen ist bis zum Beweisdes Gegenteils zunächst als Ver-dacht einer HKB-Läsion zu inter-pretieren. Der Ausschluss einerhinteren Instabilität wird mitHilfe von gehaltenen Röntgen-bildern erbracht.

� Merke �

Abbildung 10Schubladen Test. Der Fuß des Patienten wird mit dem Oberschenkel des Untersuchers fi-xiert.Anschließend wird eine nach anteriore (vordere Schublade) oder nach posterior (hin-tere Schublade) gerichtete Kraft appliziert. Zur Überprüfung der hinteren Schublade wirddie Hand flach auf Höhe des Gelenkspaltes platziert, um eine Dislokation nach hinten mitden Langfingern wahrzunehmen. Zur Überprüfung der vorderen Schublade können beideDaumen auf Höhe des Gelenkspaltes platziert werden.

Abbildung 11Gefahr der Fehlinterpretation des Schubladentests. Bei einer hinteren Instabilität steht dieTibia nach posterior subluxiert (a). Wird dann ein vorderer Schubladentest durchgeführtkann das Hervorziehen der Tibia in die Neutralstellung als „pathologische vordere Schub-lade“ fehlinterpretiert werden (b). Der klinisch korrekte Verdacht der hinteren Instabilitätin diesem Fall muss mit gehaltenen hinteren Schubladenaufnahmen diagnostiziert werden.

Ein weiteres Problem der Überprü-fung des Schubladenphänomens istdie Aktivierung der ischokruralenMuskulatur und somit eine Vermin-derung des Ausmaßes der vorderenSchublade. Bei ängstlichen Patien-ten oder einer unruhigen Unter-suchungsatmosphäre im klinischenAlltag kann es zu einer (teilweiseunbewussten) Aktivierung der Knie-beugemuskulatur kommen. Durch denAnsatz über den Pes anserinus super-ficialis kann es so zu einer der ante-rioren Schubladenlast entgegenge-richteten Kraft kommen (Abb. 12)und das Ergebnis falsch negativ er-scheinen. Aus diesem Grund solltenicht die absolute Strecke der vorde-ren Schublade in mm als Instabili-tätskriterium gewertet werden, son-dern das vielmehr das Vorhandenseineines harten oder weichen Anschla-ges.

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Lachman/Noulis-Test

Im Gegensatz zur 90° Knieflexion-stellung bei dem vorderen Schubla-den-Test befindet sich das Knie-gelenk bei der Durchführung desLachman/Noulis-Testes nur in einerKnieflexionsstellung von ca. 20–30°(Boyer et al. 1995, Daniel et al. 1985,Katz et al. 1986, Noulis 1875, Peter-sen und Zantop 2009). Auch bei die-sem Test wird die VKB-Funktion zurLimitation der anterioren tibialenTranslation getestet. Der Lachman/Noulis-Test weist bei korrekter Durch-führung eine hohe Sensitivität (85%)und eine hohe Spezifität (95%) zurDiagnose der VKB-Ruptur auf (Benja-minse et al. 2006, Katz et al. 1986,Petersen und Zantop 2009). Obwohlauch für den Lachman-Test eine ge-wisse Einschränkung der Durchführ-barkeit im akuten Stadium besteht,so ist er jedoch deutlich besser an-

wendbar als der Schubladen-Test. Beifrischen anterioren Instabilitätenliegt der Anteil eines positiven Lach-man-Testes zwischen 78% und 99%;der Anteil positiver vorderer Schub-laden ist zwischen 22% und 70%(Jakob et al. 1987, Schuster et al.2004, Sander et al. 2005).Ein Grund für die erhöhte Sensiti-vität im Vergleich zum Schubladen-test kann die unterschiedliche Knie-flexion und die damit verbundenegeringere Muskelaktivität sein.Durch die Flexion von 20° ist derHebelarm der ischiokruralen Musku-latur auf die Tibia minimiert und sodie Sensitivität des Tests erhöht. Ineiner verringerten Kniebeugestel-lung können also die ischiokruralenMuskeln der von außen appliziertenanterioren tibialen Translation nichtso effektiv entgegenwirken. Der Lachman-Test kann auf unter-schiedliche Art und Weise durchge-

führt werden. Es empfiehlt sich dieAnwendung des sogenannten stabi-len Lachman-Testes nach Strobel(Strobel und Stedtfeld 1990). Hier-bei wird der Oberschenkel des Pa-tienten auf dem Oberschenkel desUntersuchers positioniert und somiteine entspannte Lagerung der zuuntersuchenden Extremität erreicht(Abb. 13). Mit einer Hand wird danndie anteriore tibiale Translationappliziert und die proximale Tibianach vorne gezogen während diezweite Hand den Oberschenkel stabi-lisiert und so eine Mitbewegung ver-hindert. Diese Durchführung eignetsich auch für übergewichtige Patien-ten.Da die anteriore tibiale Translationdeutliche individuelle Unterschiedeaufweisen können, kann eine Inter-pretation des Ergebnisses nur im Sei-tenvergleich erfolgen.

39T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Abbildung 12Reduktion der vorderen Schublade durch Kontraktion der ischiokruralen Muskulatur. Ineiner Situation ohne Kontraktion (Narkoseunterschung) kann die Tibia nach anterior gezo-gen werden (a). Kommt es zu einer Kontraktion der ischiokruralen Muskulatur, wirkt dieseder nach anteriore gerichteten Kraft entgegen und kann somit die Strecke der vorderenSchublade vermindern (b).

Das Ergebnis eines Stabilitätstestmuss immer mit der Gegenseitekorreliert werden, um individuelleUnterschiede der Laxizität auszu-schließen.

� Merke �

Neben der anterioren tibialen Trans-lation wird bei der Untersuchungzeitgleich der Endpunkt der Transla-tion mit erfasst. Es kann zwischeneinem festen Anschlag und einemweichen Anschlag unterschiedenwerden. Das Erfassen der Qualitätdes Endpunktes ist insbesondere fürdas Vorliegen einer hinteren Instabi-lität (siehe Schubladentests) vonklinischer Bedeutung. Liegt bei derUntersuchung ein fester Anschlagvor, so kann dies auf eine VKB Parti-alruptur oder insbesondere bei höhe-ren Translationwerten (abnormal/stark abnormal) auf eine HKB-Läsionhinweisen (Abb. 14). Das Ausmaß desLachman/Noulis-Tests wird nach Emp-

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nischen Praxis erwähnt werden, dassdiese subjektiv und in hohem Maßevon der Erfahrung des Untersuchersabhängig ist (Boyer et al. 1995).

Instrumentierter Lachman/Noulis-Test

Um den Nachteil der subjektiven Be-wertung zu eliminieren wurden in-strumentierte Verfahren zur Quanti-fizierung der anterioren tibialenTranslation entwickelt. Es sind meh-rere Instrumente dafür zu erwerben.Die am geläufigsten Instrumente sinddas Rolimeter (Aircast DJO, Vista,CA, USA, Schuster et al. 2004,Pollet et al. 2005) und das KT 1000Arthrometer (MEDmetric, Corp, SanDiego). Die Verwendung des KT 1000ist essentieller Bestandteil des IKDCScores zur wissenschaftlichen Unter-suchung klinischer Ergebnisse. Ausdiesem Grunde wird das KT 1000 Ar-thrometer (Daniel et al. 1985) be-vorzugt verwandt. Der Apparat wird mit Hilfe von Klett-verschlüssen an der proximalen Tibiabefestigt (Abb. 15). Zusätzlich wirdein Gegenlager (ähnlich der Handder Untersuchers am Oberschlenkels)auf der Patella positioniert. Die an-teriore tibiale Translation wird nunmit Hilfe eines Streckenmessers ge-messen, der auf der Tuberositas ti-biae positioniert ist. Bei der Kraft-applikation mit dem Handgriff überder Tibia ertönen unterschiedlicheakustische Signale bei 6,8 kg, 9,1 kgund 13,4 kg. Die letzte akustischeStufe entspricht einer Last von 134 Nund wird für die wissenschaftlichenAuswertung der Ergebnisse verwandt(objektiver Teil des IKDC Scores).Zusätzlich wird die anteriore Trans-lation bei maximaler manueller Kraftbestimmt und anhand der Anzeigeabgelesen. Es wird Grundsätzlich dieSeitendifferenz herangezogen. Eineunter maximaler Kraft gemesseneSeitdifferenz von mehr als 3 mm kannnach Angaben von Ranger et al.

40 T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Abbildung 13Stabiler Lachman-Test. Der Oberschenkel des Patienten wird stabilisiert und die anteriorgerichtete Kraft appliziert.

Abbildung 14Einteilung Lachman/Noulis-Test.

Bewertung Lachman/ Ausmaß der End-Noulis-Test Schublade punkt

FestNormal 1–2 mm

Weich

FestFast normal 3–5 mm

Weich

FestAbnormal 6–10 mm

Weich

FestStark abnormal >10 mm

Weich

fehlungen des internationalen KnieDokumentations Komitees (IKDC) in4 Grade eingeteilt: normal (1–2 mmSchublade), fast normal (3–5 mmSchublade), abnormal (6–10 mm

Schublade), und stark abnormal(>10 mm Schublade) (Irrgang et al.1998). Einschränkend muss bei der Anaylsedes Lachman/Noulis-Tests in der kli-

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(1993) bei 99% der Patienten mitchronischer Instabilität und bei 95%der Patienten mit einer akuten VKBRuptur nachgewiesen werden.

Lemaire/Pivot shift-Test

Im Gegensatz zu den statischen Testsder anterioren tibialen Translationhandelt es sich bei dem erstmalig1967 von Lemaire beschriebenen Testum einen dynamischen anteriorenSubluxations-Test (Lemaire 1967).Der Test gewann deutlich an Bedeu-tung durch die spätere Publikationvon Galway and MacIntosh als PivotShift-Test (Galway and MacIntosh1980). Anhand dieses Testes kann dieIndikationsstellung und das operati-ve Ergebnis eingeschätzt werden. Ko-cher et al. konnten im Rahmen eineraufwendig angelegten Studie zeigen,dass die subjektive Patientenzufrie-denheit nicht mit dem Lachman oder

41T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Abbildung 15Instrumentierte Messung der anterioren tibialen Translation mittels KT 1000-Test. Das Gerät wird an der proximalen Tibia platziert (a) unddie anteriore tibiale Translation bestimmt (b).

Abbildung 16Durchführung des Pivot shift-Tests. Durch Innenrotation und Valgusstress kommt es in ge-ringen Flexionsgraden zur Subluxation des lateralen Tibiaplateaus (a). Mit zunehmenderFlexion kommt es aufgrund der Spannungs- und Zugrichtungsänderung des Tractus illio-tibialis zur Reposition der Subluxation (b).

33-52 Diagnostik 25.05.2011 14:29 Uhr Seite 41

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der vorderen Schublade korreliert,sondern mit dem Pivot shift-Test (Ko-cher et al. 2004). Bei der Ausführung wird das ge-streckte Bein mit der einen Hand amSprunggelenk angehoben und innen-rotiert (Abb. 16). Mit der anderenHand wird auf Höhe der proximalenFibula ein leichter Valgusstress ap-pliziert (Kanamori et al. 2000). Beieiner VKB-Ruptur kommt es so zueiner anterioren Subluxationsstel-lung des lateralen Tibiaplateaus.Nun wird eine zunehmende Flexions-bewegung durchgeführt. Aufgrunddie Spannungszunahme und die Än-derung der Zugrichtung des Tractusiliotibialis kommt es ab ca. 20–30°zu einer Reposition der anteriorenSubluxationsstellung (Abb. 16). Auf-grund der auftretenden Kräfte beider Reposition sollte der Test nichtrepetitiv durchgeführt werden. DerRepositionsvorgang kann gleitend,dumpf oder mit einem Blockadephä-nomen einhergehen und ist häufigmit einem unangenehmen Instabili-tätsgefühl des Patienten verbunden(Abb. 17). Der Test kann wie auchder Lachman/Noulis-Test gut in derNarkoseuntersuchung durchgeführtwerden.Da sowohl falsch positive (bei gene-reller Laxizität) als auch falsch nega-tive Ergebnisse vorliegen können,besitzt der Pivot shift-Test eine hoheSpezifität (98%) aber geringere Sen-

sitivität (Benjaminse et al. 2006).Ein falsch negatives Ergebnis kannbei durch Anspannung der ischio-kruralen Muskelatur (bei akuter Ver-letzung, durch externe Kompression(aufgepumpte Blutsperre) oder beiassoziierten Verletzungen auftreten.Bei Verletzungen des Tractus iliotibi-alis kann z. B. keine Kraft zur Reposi-tion übertragen werden und so derTest negativ ausfallen.

Mit Hilfe der radiologischen Diag-nostik können indirekte Hinweiseeine VKB Ruptur gewonnen werden.Von der klinischen Symptomatik isteine Unterscheidung zwischen einerligamentären Instabilität und eineranterioren Eminentia-Fraktur meistnicht möglich (Moore et al. 1987).Beide sind mit einem Hämarthrosund Schmerzen assoziiert. Nebeneiner Punktion zur Feststellung vonFettaugen kann mit einer projektions-radiographischen Darstellung schnelldifferenziert werden (Abb. 18). Derknöcherne VKB Ausriss kommt nichtnur bei Patienten mit offenen son-dern auch bei Patienten mit ge-schlossenen Wachstumsfugen vor.Der Dislokationsgrad wird nachMeyer und McKeever (1970) klassifi-ziert (Abb. 19). Zu der ursprüng-lichen Einteilung wurde 1977 vonZaricznyi noch der Typ IV hinzuge-fügt (Zaricznyi 1977, siehe Kap.Kindliche Rupturen). Als pathognomonisches radiologi-sches Zeichen für eine ligamentäreRuptur gelten das sogenannte Sul-cus-Zeichen und die Segondfraktur.Beim Sulcus-Zeichen handelt es sichum eine Impaktion des lateralen Fe-murcondylus in Höhe der Linea ter-minalis (Abb. 20). Diese beruht mitgroßer Wahrscheinlichkeit auf derstattgehabten Subluxationsstellungdes lateralen Tibiaplateaus und demAnschlag an die laterale Femur-condyle (siehe Kap. AssoziierteVerletzungen). Die Segondfrakturumschreibt einen assoziierten knö-chernen Ausriss des lateralenKapselbandaparates an seiner Inser-tion am lateralen Tibiaplateau (Abb.21) und umschreibt nicht einenknöchernen Ausriss des lateralenKollateralbandes. Dieser inseriert amCaput fibulae während die Fraktur ander Tibia lokalisiert ist. Selten be-steht bei der Segondfraktur eine In-dikation zur operativen Therapie desFragmentes selbst. Sie gilt jedoch alshinweisend für eine VKB-Ruptur.

42 T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Die Durchführung von präoperati-ven Stabilitätstest in Narkose(Lachman und Pivot Shift) sollteohne Blutsperre erfolgen, da esdie Kompression der Muskulaturzum Ausbleiben der pathologi-schen Instabilitäten führen kann.

� Merke �

Abbildung 17Einteilung Pivot shift-Test.

Repositions- Bewertungphänomen

Normal Seitengleich negativ

Fast normal Gleiten, leicht +

Abnormal Subluxation, dumpf ++

Stark abnormal Kurze Blockade, laut +++

Röntgenuntersuchung

StandarddiagnostikEine projektionradiographische Un-tersuchung der verletzten Extremitätsollte als obligat angesehen werden.Neben der konventionellen Darstel-lung des Kniegelenkes in ap undseitlichen Strahlengang sowie Pa-tella axial unterscheiden sich dieweiteren radiographischen Untersu-chungsgänge im akuten und chroni-schen Stadium deutlich.

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43T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Abbildung 18Anteriore Eminentia Frakturen. Ein knöcher-ner Ausriss des VKB Ansatzes kommt bei offe-nen (a) und geschlossenen (b) Wachstums-fugen vor.

Abbildung 19Einteilung der anterioren Eminentiafrakturennach Meyers und McKeever.

33-52 Diagnostik 25.05.2011 14:29 Uhr Seite 43

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Weiterführende radiologischeDiagnostik

RosenbergaufnahmeIm chronischen Stadium kann eineinstabilitätsbedingte Osteoarthrosevorliegen. Eine sensitive Möglichkeitzur Abbildung degenerativer Verän-derung ist die sogenannte Rosen-bergaufnahme. Mit Hilfe dieser Auf-nahme kann der Gelenkspalt in einerder meistbelastesten der Region be-urteilt werden. Die Aufnahme erfolgtim Stehen bei 45° gebeugten Knie-gelenk und 10° cranio-caudal ge-kippter Röhre im pa Strahlengang(Abb. 22). Neben einer Verschmähle-rung des Gelenkspaltes kann auchein typischer Notchosteophyt darge-stellt werden.

StandbeinachseEine mögliche Ursache der einseitigbetonten Gelenkspaltverschählerung,könnte eine Varus-/Valgusdeformi-tät sein. Die präzise Bestimmung der

44 T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Abbildung 20Typisches Sulcus Zeichen im seitlichenStrahlengang. Das Zeichen ist bei geringe-rer Ausprägung auch nur im MRT darzustel-len.

Abbildung 21Segond Fraktur. Hierbei kommt es zu einemknöchernen Kapselausriss an der antero-lateralen Tibia.

Abbildung 22Rosenbergaufnahme. Die Aufnahme erfolgt im Stehen bei 45° gebeugten Kniegelenk und 10° cranio-caudal gekippter Röhre im pa-Strahlengang (a). Als Zeichen einer chronischen VKB-Insuffizienz zeigen sich rechtsseitig Notchosteophyten (b).

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Achsverhältnisse kann anhand einerGanzbeinstandaufnahme erfolgen.Die Standachse verbindet das Zent-rum des Femurkopfes mit dem Zent-rum des oberen Sprunggelenkes(Mikulicz-Linie). Die Mikulicz-Linieschneidet physiologischer Wiesedie Mitte der Kniebasislinie. Weichtdiese deutlich nach medial ab, so be-steht eine Varusdeformität, weichtdiese nach lateral ab, ist eine Val-gusdeformität vorhanden (Abb. 23).Eine mögliche Achsdeviation solltepräoperativ abgeklärt werden, da an-

sonsten die Gefahr einer Rezidiv-instabilität erhöht ist.

Gehaltene Varus-/Valgusstress-AufnahmenSollte bei der klinischen Untersu-chung eine pathologische Aufklapp-barkeit des medialen oder lateralenKollateralbandkomplexes auffallen,so sind im chronischen Stadium ge-haltene Varus-/Valgusstress-Aufnah-men hilfreich. Mit Hilfe eines exter-nen Apparates (z. B. TELOS) kannin Extensionsstellung auf Höhe desGelenkspaltes eine Krafteinwirkungim Varus- oder Valgussinne erfolgen,die dann anhand des Röntgenbildesquantifiziert werden kann (Abb. 24).Eine deutliche Aufklappbarkeit weistauf eine MCL/LCL Läsion hin, die mitin die operative Planung einfließensollte (Abb. 25).

Gehaltene hintere Schubladen-aufnahmenGehaltene Aufnahmen die einzigeMethode, mit denen Läsionen deshinteren Kreuzbandes sicher diag-nostiziert und eine hintere Instabi-lität quantifiziert werden kann (Junget al. 2006, Mariani et al. 2005,Strobel und Stedfeldt 1991, Strobelet al. 2002). Da hintere Instabili-täten klinisch leicht mit vorderenInstabilitäten verwechselt werdenkönnen, sollte bei geringstem Ver-dacht auf eine hintere Instabilitäteine gehaltene Aufnahme zur Stan-darddiagnostik gehören (Abb. 26).In 90°-Beugung wird das Knie ineinem Apparat (z. B. Telos) fixiertund eine standardisierte Kraft von15 N auf die proximale Tibia appli-ziert (Abb. 27). Auf der seitlichenAufnahme kann die posteriore tibia-le Translation gemessen und mit derGegenseite verglichen werden. Eineposteriore Translation von mehr als5 mm im Seitenvergleich spricht füreine Läsion des hinteren Kreuz-bandes. Ab mehr als 13 mm bestehthäufig eine zusätzliche Läsion derposterolateralen oder posteromedia-len Strukturen. Aufgrund der kom-

45T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Bei VKB-Ruptur und ausgeprägtenAbweichen der Standbeinachsevon der Mittellinie im Sinne einerVarus-/Valgusdeformität steht zu-nächst eine Korrektur der Bein-achse im Vordergrund.

� Merke �

Abbildung 23Ganzbeinstandaufnahme. Das Vorliegen einer Varusdeformität (a) oder Valgusdeformität(b, VKB Rezidivinstabilität) sollte präoperativ überprüft werden.

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plexen Diagnostik und therapeuti-schen Strategien verweisen wir beimVorliegen hinterer Instabilitäten aufdie Fachliteraur (Strobel und Weiler2009, Petersen et al. 2010, Zantopund Petersen 2010).

Schnittbildgebung

Computertomographie

Die Computertomographie besitzt imRahmen der Diagnostik nach VKBRuptur nur eine untergeordnete Stel-lung. Eine mögliche Indikation zurCT besteht bei anterioren Eminentia-frakturen. Bei Rezidivinstabilität be-sitzt die CT eine wichtige Funktion.Hier kann anhand der Schnittbildge-bung die Tunnelweite sicher be-urteilt werden. Auch die Implantat-lage (Titaninterferenzschrauben imtibialen Tunnel) kann sicher einge-schätzt werden. DreidimensionaleRekonstruktionen erlauben eine prä-zise Bestimmung der Bohrkanalposi-tion und können so die Planung von

46 T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Abbildung 24Gehaltene Aufnahme im Varusstress. Die Kraft wird auf Höhe des lateralen Gelenkspaltesappliziert (a). Anhand des ap Bildes erfolgt die Quantifizierung der medialen Aufklappbar-keit (b, keine vermehrte Aufklappbarkeit).

Abbildung 25Gehaltene Aufnahme im Valgustress. Die Kraft wird auf Höhe des medialen Gelenkspaltesappliziert (a). Lateral erfolgt eine deutliche Aufklappung und damit der Nachweis einerlateralen extra-artikulären Instabilität.

Abbildung 26Indikation zur gehaltenen hinteren Schub-ladenaufnahme.

Indikation zurgehaltenen hinterenSchubladenaufnahme

Positive vordere Schublade mitfesten Anschlag

Verdächtiger Verletzungs-mechanismus(Hyperextension, Sturz aufTuberositas, Hochrasanz)

Zweifel an der Diagnose„isolierte VKB Läsion“

Rezidivinstabilität nachVKB-Rekonstruktion

33-52 Diagnostik 25.05.2011 14:30 Uhr Seite 46

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Revisionsoperationen erheblich er-leichtern.

Magnetresonanztomographie

Die Ruptur des vorderen Kreuzbandeskann durch eine gute klinische Diag-nostik gesichert werden. Trotzdemist die Durchführung einer präopera-tiven MRT Diagnostik sinnvoll undhilfreich. Hierbei gilt es assoziierteLäsionen zu erfassen, die den post-operativen Ablauf signifikant beein-flussen können (z. B. längerfristigeTeilbelastung).

Neben refixationswürdigen Menis-kusrissen lassen sich mit Hilfe derMRT auch Knorpelläsionen oder un-dislozierte Tibiakopffrakturen diag-nostizieren (Moore et al. 1987,Raschke et al. 2007). Anhand vonStressreaktionen am Knochen (Bonebruise) können Rückschlüsse aufden Unfallmechanismus geschlossenwerden. Die Sensitivität der MRT-Di-agnostik der VKB-Läsion beträgtzwischen 92 und 100%, die Spezi-fität beträgt zwischen 85 und 100%(Starman et al. 2007, Sanders et al.2005). In Abhängigkeit von der Ver-letzungsschwere und vom Abstandzum Unfallereignis lassen sich unter-schiedliche Befunde erheben (Ödem,i. a. Erguss). Damit ist die MRTfür gutachterliche Fragestellungenbei denen Unfallzusammenhang imVordergrund steht, die Methode derWahl.Die beste Darstellung der Fasern desVKBs können in schräg sagittalenRekonstruktionen der T1-Wichtung.

Hier erscheint das VKB als schmalesdunkles Band mit schwacher Signal-intensität (Abb. 28) (Sanders et al.

47T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Die MRT-Untersuchung kann keinefunktionelle Analyse des VKB bie-ten. Vielmehr ist die Indikationzur Operation basierend auf denbefunden der klinischen Unter-suchung.

� Merke �

Abbildung 27Hintere gehaltene Schubladenaufnahmen. Mit Hilfe eines TELOS Gerätes wird eine posterior gerichtete Kraft von 15 kp auf die Tuberosi-tas tibiae appliziert (a). Anhand des möglichst streng lateral eingestellten Bildes wird die posteriore tibiale Translation ausgemessen (b).

Abbildung 28MRT-Darstellung des intakten VKB in derT1- Wichtung und sagittaler Schnittebene.

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Kontinuitätsunterbrechung Buckling des HKBs

Signalunregelmäßigkeiten im VKB-Verlauf Bone bruise

Empty notch-Zeichen

Veränderungen des Anstiegwinkels

48 T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

� Abbildung 29MRT-Befunde bei VKB-Ruptur.

� Abbildung 31� MRT-Beispiel indirektes Zeichen bei VKB-

Ruptur: gebuckelter Faserverlauf der HKB-Fasern. Durch die VKB-Ruptur kommt es zuranterioren Subluxationsstellung und somitzur Annäherung der HKB-Insertionspunktein der Sagittalebene. Somit kommt es zugebuckelten Verlauf des HKBs („Krück-stock-Zeichen“).

MRT-Befunde bei VKB-Ruptur

Direktes Zeichen Indirektes Zeichen

Abbildung 30MRT-Beispiel der direkten Zeichen einerVKB-Ruptur. a) Kontinuitätsunterbrechung,b) fehlende Abgrenzbarkeit, c) reduzierterAnstiegswinkel. �

Abbildung 32 �MRT-Beispiel einer komplexen Innenband-ruptur. Insbesondere tibiale Avulsionenmit anatomischer Lage der Rupturendenauf dem Pes anserinus superficialis undsomit ohne Knochenkontakt haben eineschlechte Heilungstendenz.

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2005). Es verläuft vom posteromedi-alen Aspekt des Femurcondylus zurEminentia intercondylaris mit einemNeigungswinkel zum Tibiaplateauzwischen 52 und 56° (Starman et al.2007, Steckel et al. 2007). Pathologien im Sinne einer VKB-Ruptur können in direkte und indi-rekte MRT Zeichen eingeteilt werden(Abb. 29). Direkte Zeichen sind Kon-tinuitätsunterbrechung, Signalunre-gelmäßigkeiten im Bandverlauf odergar das Fehlen des VKB (Emptynotch). Bei subakuten Verletzungen(3–4 Wochen nach dem Unfallereig-nis) beeindrucken die gerissenenVKB-Fasern durch einen horizonta-len Verlauf (<52° Neigungswinkel)(Abb. 30). Ein häufiges indirektesZeichen einer VKB Ruptur ist das Bu-ckelphänomen des hinteren Kreuz-bandes. Durch die vordere Subluxa-tionsstellung der proximalen Tibiakommt es zu einer Annäherung derInsertionspunkte und somit zum Bu-ckeln des intakten HKBs (Abb. 31).Ein weiteres indirektes Zeichen istdas Auftreten von Knochenkontusio-nen (bone bruise). Ursächlich für dasbone bruise ist die Subluxation zumZeitpunkt der Verletzung. Somitkann anhand der Lokalisation desbone bruise auch Rückschlüsse aufden Verletzungmechanismus gezo-gen werden (Abb. 33). In der T2-

49T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

Abbildung 33MRT-Beispiel des bone bruise. Knochenkontusionen im lateralen Femurkondyl und postero-lateraler Tibia (a). Anterior gelegene Kontusionen lassen auf einen Hyperextensions-mechanismus schließen (b).

Abbildung 34MRT-Beispiel eines lateralen disloziertenKorbhenkelrisses des Außenmeniskus. Insagittaler Ebene zeigt sich das Hinterhornnach anterior luxiert (a). In der Frontalebe-ne ist der Meniskus in die Fossa interkon-dylaris eingeschlagen und führt somit zueinem schmerzhaften Extensionsdefizit (b).�

a b

Abbildung 35MRT-Beispiel eines Meniskusrisses mit ggf.Refixationsmöglichkeit. Der Longitudinal-riss scheint Ober- und Unterfläche zu errei-chen.�

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Wichtung führt ein Valgus/Innenro-tationstrauma häufig zu korrespon-dierenden Signalanhebungen im la-teralen Femurkondylusbereich (sieheSulcus Zeichen) und in der postero-lateralen Tibia (sogenannte kissinglesions). Daher wird das korrespon-dierende Knochenödem auch als„Pivot shift-Zeichen“ bezeichnet. Esscheint jedoch keine wissenschaft-lich begründeten Aussagen zurVerlängerung der Teilbelastung beivorhandenem bone bruise zu geben.Bei diesem Verletzungsmechanismuskann es auch zur Läsion im Verlaufdes medialen Kollateralbandkomple-xes kommen. Diese kann mit Hilfeder frontalen Schichten abgebildetwerden (Abb. 32). Ein großer Vorteil der MRT liegt inder Darstellung begleitender Menis-kus-Läsionen. Die Funktion des MRTsist hier insbesondere für die Wahldes OP-Zeitpunktes (siehe KapitelOP-Indikation) wichtig. Sollte aufden frontalen oder sagittalenSchichten ein dislozierter Korbhen-kel diagnostiziert werden können, soist eine zügige OP durchzuführen(Abb. 34). Eine Dislokation des me-dialen Meniskus in die Fossa inter-kondylaris wird als „doppeltes HKB-Zeichen“ definiert. Insbesondere fürden Sportler sind Aussagen für diepostoperative Rehabilitation wich-tig. Aus diesem Grund sollte beider MRT-Diagnostik auf Meniskus-läsionen, die refixierwürdig sind, be-sonders geachtet werden (Abb. 35).Diese lassen sich häufig als longitu-dinale Meniskusläsion auf sagittalenT2-Wichtungen diagnostizieren. DerPatient sollte präoperativ über einemögliche Refixation und die sich an-schließende verlängerte Teilbelas-tung aufgeklärt werden.

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DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

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51T. Zantop u. a. · Diagnostik von VKB-Läsionen

DIAGNOSTIK VON VKB-LÄSIONEN

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