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Vorkurs zur Mathematik f ¨ ur Chemiker 1. Fassung vom 16. Oktober 2013, mit Korrekturen und Erg¨ anzungen bis inkl. 4. Oktober 2018 Prof. Dr. Bernd Hartke Theoretische Chemie Christian-Albrechts-Universit¨ at Kiel Institut f ¨ ur Physikalische Chemie Max-Eyth-Straße 2 Erdgeschoß, Raum 29 Tel.: 0431/880-2753 [email protected] http://ravel.pctc.uni-kiel.de Sprechstunde: nach Vereinbarung jederzeit!

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Vorkurs zur Mathematik fur Chemiker

1. Fassung vom 16. Oktober 2013,

mit Korrekturen und Erganzungen bis inkl. 4. Oktober 2018

Prof. Dr. Bernd Hartke

Theoretische Chemie

Christian-Albrechts-Universitat Kiel

Institut fur Physikalische Chemie

Max-Eyth-Straße 2

Erdgeschoß, Raum 29

Tel.: 0431/880-2753

[email protected]

http://ravel.pctc.uni-kiel.de

Sprechstunde: nach Vereinbarung jederzeit!

Vorkurs Mathe fur Chemiker • Prof. Dr. B. Hartke, Universitat Kiel, [email protected]

Inhalt und Gebrauch

Die Sprache der heutigen Naturwissenschaften, inklusive der Chemie, ist die Mathematik.Daher ist eine akademische Ausbildung in einer Naturwissenschaft ohne solides mathema-tisches Hintergrundwissen undenkbar. Aus diesem Grund ist eine (stark reduzierte undfast gar nicht formalisierte) Einfuhrung in die hohere Mathematik Grundbestandteil derersten Semester eines Chemiestudiums.

Bei dieser “Mathematik fur Chemiker” zeigt es sich, daß die meisten Teilnehmer deutlichgroßere Schwierigkeiten mit der Schulmathematik haben als mit dem eigentlichen, neuzu vermittelnden Stoff. Daher versucht dieser Vorkurs, diese notigen Voraussetzungenaufzufrischen.

Da ohnehin fast alles bereits bekannt sein sollte, wird in diesem Skript kein stringenterlogischer Aufbau versucht: Inhalte, die erst in spateren Kapiteln zentrales Thema sind,werden gelegentlich schon in fruheren Kapiteln verwendet.

Die meisten Beispiele in diesem Skript und die meisten Aufgaben auf den Ubungsblatternstammen nicht originar von mir, sondern wurden in den meisten Fallen unverandert odermit leichten Variationen aus Quellen wie vor allem http://www.brinkmann-du.de/ undhttp://www.serlo.org/ ubernommen, wo sie fur Lehrzwecke frei verfugbar sind. Fur dieweitere Verbreitung dieser Aufgaben gelten trotz des Erscheinens in diesem Skript die indiesen Quellen aufgefuhrten Rechte.

Naturlich sollten die Teilnehmer des Vorkurses darauf verzichten, in den genanntenQuellen nach Losungen der Ubungsaufgaben zu suchen oder aus gegebenen Losungen aufden Losungsweg ruckzuschließen. Dadurch wurde dieser Vorkurs seinen Sinn weitgehendverlieren. Der mit weitem Abstand wichtigste Bestandteil des Vorkurses ist die eigene,moglichst selbstandige Erarbeitung des Losungswegs der Ubungsaufgaben.

Ebenso vollig kontraproduktiv ist die Benutzung von Taschenrechnern jeglicher Art odervon symbolischen Mathematikprogrammen auf Computern. Alle Aufgaben sind mit wenigenhandschriftlichen Zeilen nur unter Verwendung von Papier und Bleistift, vollig ohne jeglicheweitere Hilfmittel, leicht losbar.

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Inhaltsverzeichnis

1 Potenzrechenregeln 1

2 Einfache Termumformungen 1

2.1 Faktorisieren/Ausklammern und Ausmultiplizieren . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2.2 Polynomdivision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.3 Binomische Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.4 Quadratische Erganzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2.5 Bruche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.5.1 Gemischte Bruche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.5.2 Grundrechenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2.5.3 Kurzen und Erweitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

3 Umformen und Losen von Gleichungen 11

3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

3.2 Lineare Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

3.2.1 Eine lineare Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

3.2.2 Mehrere lineare Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

3.3 Quadratische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3.4 Potenzgleichungen hoheren Grades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

4 Rechnen mit Absolutbetragen und Ungleichungen 15

4.1 Absolutbetrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

4.2 Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

5 Summen- und Produktzeichen 18

5.1 Grundeigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

5.2 Spezielle Summen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

6 Zahlen 21

6.1 Naturliche Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

6.2 Ganze Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

6.3 Rationale Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

6.4 Reelle Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

6.5 Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

6.5.1 Rechnen mit komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

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7 Funktionen 29

7.1 Funktionsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

7.1.1 Elementare Eigenschaften von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 30

7.1.2 Umkehrfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

7.2 Funktionenklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

7.2.1 Ganze rationale Funktionen (Polynome) . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

7.2.2 Gebrochen rationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

7.2.3 algebraische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

7.2.4 transzendente Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

7.2.5 Funktionenklassenschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

7.3 Parameterdarstellung von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

A Anhang 53

A.1 Griechische Buchstaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

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1 Potenzrechenregeln

Es gilt

ax+y = axay (1)

ax−y =ax

ay(2)

(ab)x = axbx (3)(ab

)x=

ax

bx(4)

(ax)y = axy (5)

nicht nur fur a, x, y ∈ Z oder a, x, y ∈ Q, sondern auch fur x, y ∈ R. Dies folgt letztlichaus den sogenannten Haupteigenschaften der Logarithmus- bzw. Exponentialfunktion (s.u.S.41 ff. und MfC1-Skript) und aus der bekannten Intervallschachtelung rationaler Zahlenzur Approximation reeller Zahlen. Im Spezialfall x, y ∈ Q kann man Wurzelzeichen alsalternative Notation (mit m,n ∈ N) verwenden:

a1/2 =√a (6)

a1/n = n√a (7)

am/n = n√am (8)

Außerdem sei an wichtige Spezialfalle erinnert:

a0 = 1 (9)

a−1 =1

a(10)

a−x =1

ax(11)

(12)

Mit diesen Regeln sowie mit elementarer Bruchrechnung kann man auch schwierig er-scheinende Mixturen von Wurzel- und Exponentialausdrucken bearbeiten.

Dazu einige einfache Beispiele:

16 · 43 = 4243 = 42+3 = 45 = (22)5 = 22·5 = 210 (13)

1

e2x+ 3

(e−x)2 − ( 2

ex

)2

= e−2x + 3e−2x − 4e−2x = 0 (14)

3√

8e6(e3/5)−10/3

= 2e2 exp

(−3

5· 10

3

)= 2 (15)

y3/2y−0.75( 4√y)5 = y

32− 3

4+ 5

4 = y2 (16)

2 Einfache Termumformungen

Wie in vielen Beispielen dieses Kapitels ersichtlich ist, konnen die hier gezeigten Manipu-lationen oft zu ganz erheblichen Vereinfachungen fuhren, also lange, verwickelte Ausdrucke

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deutlich verkurzen. Deshalb sind diese Umformungen keine esoterischen Tricks oder zu-satzliche Arbeit, die man durchfuhren kann oder auch nicht. Im Gegenteil, man solltesie grundsatzlich sofort und bei jeder sich bietenden Gelegenheit anwenden (Ausnahmengibt es nur in extrem seltenen Spezialfallen!), aus mindestens zwei Grunden:

• In mehrschrittigen Umformungen lange Ausdrucke “mitzuschleppen”, kostet nicht nurKonzentration, Zeit und Schreibarbeit, sondern macht auch Fehler wahrscheinlicher.Jeder macht beim schriftlichen Rechnen immer wieder Fluchtigkeitsfehler; das sindnicht nur Denkfehler, sondern auch schlichte “Abschreibfehler von sich selbst”, undderen Haufigkeit steigt mit der Menge, die man schreibt.

• Kurze Ausdrucke sind selbst fur geubte schriftliche Rechner deutlich ubersichtlicher;fur weniger Geubte noch viel mehr. Durch kurze Audrucke erleichtert man sichdaher das Weiterrechnen erheblich (und senkt nebenbei auch noch die Chance furlogische Fehler).

Viele der Operationen in diesem Kapitel mogen banal erscheinen. Trotzdem passiert dieweit uberwiegende Mehrheit an Fehlern in MfC-Klausuren entweder bei einer fehlerhaftenAusfuhrung dieser Schritte oder durch ihre Vermeidung, obwohl sie sich geradezu aufdrangen(s.o.: Fehler durch lange Ausdrucke). Daher ist dringend zu empfehlen, diese Technikenso lange zu uben, bis sie “vollautomatisch” und reflexartig funktionieren.

2.1 Faktorisieren/Ausklammern und Ausmultiplizieren

Mit Hilfe des in beide Richtungen lesbaren Distributivgesetzes

x(y + z) = xy + xz (17)

kann man sich das Kopfrechnen erleichtern

7 · 14 = 7(10 + 4) = 70 + 28 = 98 (18)

aber auch umgekehrte Wege gehen (was in diesem Banalbeispiel etwas abstrus wirkt):

10 + 5 = 5(2 + 1) = 5 · 3 = 15 (19)

All das ist auch jenseits reiner Zahlenbeispiele anwendbar. Man kann einfache Konstantenausklammern

2a+ 2b = 2(a+ b) (20)

2x+ 4y = 2(x+ 2y) (21)

aber auch kompliziertere Terme:

8my + 12mx = 4m(2y + 3x) (22)

7x2y − 14xy2 = 7xy(x− 2y) (23)

Das geht naturlich auch fur mehr als zwei Summanden

24xyz + 12zx− 8z = 4z(6xy + 3x− 2) (24)

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24xyz + 12xy + 36yx = 12xy(2z + 1 + 3) = 12xy(2z + 4) = 24xy(z + 2) (25)

sowie in die umgekehrte Richtung:

3b(2a− 3 + b) = 6ab− 9b+ 3b2 (26)

4(3a+ 2b− 2c)− 3(a− 2b+ c) = 9a+ 14b− 11c (27)

Naturlich laßt sich nicht immer etwas Sinnvolles ausklammern, etwa bei diesem Ausdruck:

2a+ 3b (28)

Oder es laßt sich nur weniger ausklammern als es auf den ersten Blick scheint:

7a+ 14ab+ 22a = a(7 + 14b+ 22) = a(7(1 + 2b) + 22

)(29)

Hier ist es nicht moglich, aus allen drei Termen des ersten Ausdrucks 7a auszuklammern,wenn man bei ganzen Zahlen bleiben will. Ohne diese Einschrankung geht es naturlichtrotzdem,

7a+ 14ab+ 22a = 7a(1 + 2b+ 22

7

)(30)

was man salopp als “erzwungenes Ausklammern” bezeichnen konnte. Auch das ist nichtwirklich ein “Trick”, sondern eigentlich eine wichtige Technik, um eine gewunschte Formim resultierenden Ausdruck zu erreichen, mit der dann weitere Rechenschritte moglichsind (s. Bsp. Gl. 96 auf S. 10).

Weitere rechnerische Komplikationen sind denkbar

3√x+ 9x = 3

√x(1 + 3

√x) (31)√

2ab− 4a2r =√

2a(b− (2a)3/2r), (32)

auch in die umgekehrte Richtung:

√a(√a+√a) = 2a (33)

Etwas mehr Vorsicht ist geboten beim Ausklammern negativer Zahlen:

2a− 2b = (−2)(−a+ b) = (−2)(b− a) (34)

−a− b+ 1 = (−1)(a+ b− 1) = (−1)(a+ b) + 1 = −(a+ b) + 1 (35)

Naturlich lassen sich in geeigneten Fallen auch mehrere Summanden ausklammern, derUbersichtlichkeit halber schrittweise:

ab+ 3a+ 2b+ 6 = a(b+ 3) + 2(b+ 3) = (a+ 2)(b+ 3) (36)

ab+ a+ b+ 1 = a(b+ 1) + b+ 1 = a(b+ 1) + 1(b+ 1) = (a+ 1)(b+ 1) (37)

Das sind offensichtlich schon Verwandte der bekannten “binomische Formeln”, nur inumgekehrter Richtung.

Mit einem Zusatztrick (Aufspaltung eines einzigen Terms in zwei Summanden) laßt sichdie letztere Technik in geeigneten Fallen sogar zum Faktorisieren quadratischer Ausdrucke

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einsetzen (und damit zum Losen quadratischer Gleichungen, siehe Lehrbucher unter “Satzvon Vieta”):

x2 − 2x− 8 = x2 − 4x+ 2x− 8 = x(x− 4) + 2(x− 4) = (x+ 2)(x− 4) (38)

x2 − x− 30 = x2 + 5x− 6x− 30 = x(x+ 5)− 6(x+ 5) = (x− 6)(x+ 5) (39)

Auch aus Potenzausdrucken und insbesondere auch aus Wurzeln kann man ausklammern,wenn man sorgfaltig vorgeht:

√4a+ 4b =

√4 · (a+ b) (40)

=√

4 ·√a+ b (41)

= 2√a+ b (42)

Der entscheidende Schritt, der die Gesamtoperation moglich macht, ist der scheinbarunscheinbare von Gl. 40 zu Gl. 41. Er wird durch die zugehorige Potenzrechenregel Gl. 3(s. S. 1) mit x = 1

2erlaubt. Man sollte sich bewußt sein, daß ein ahnliches Vorgehen

bei Funktionen, die keine reinen, einfachen Potenzfunktionen sind, in aller Regel nichtmoglich ist: Zum Beispiel ist sin(ax+ ay) = sin(a(x+ y)) fur fast alle Werte von a, x, ynicht dasselbe wie sin(a) · sin(x+ y).

Mit etwas Erfahrung kann man den Ubergang von Gl. 40 zu Gl. 42 in einem Schrittmachen — man darf dabei nur nicht vergessen, die Wurzel aus dem Faktor zu ziehen,den man ausklammert. Das Resultat 4

√a+ b ware falsch.

(Und eine weitere Anmerkung: Ob es in Gl. 42 nicht eher ±2√a+ b heißen mußte,

daruber kann man sich streiten. Einerseits gilt naturlich√

4 = ±2, andererseits steht inGl. 42 aber noch eine weitere Wurzel, die ohnehin zwei Losungen (eine mit “plus”, dieandere mit “minus”) liefert. Daher wird hier zur Vereinfachung kein ± notiert. Spatestensbei Berechnung dieser letzten Wurzel mußte es aber aufgefuhrt werden. Dies gilt genausofur Gl. 43. Und in Gl. 44 gibt es diesen Aspekt auch, er ist da aber noch komplizierter,wie in Abschnitt 6.5.1 klarer werden wird.)

Einige weitere Beispiele dieser Art:√−9x− 9y = 3

√−x− y = 3

√−1√x+ y = 3i

√x+ y (43)

3√

54 sin(x)− 27 cos(x) = 3 3√

2 sin(x)− cos(x) (44)

2.2 Polynomdivision

Wie an einigen Beispielen im Abschnitt 2.1 ersichtlich, ist es manchmal durchaus nichttrivial, eigentlich vorhandene Gelegenheiten zur Vereinfachung durch Ausklammern bzw.zum Faktorisieren tatsachlich zu entdecken und dann auch zu nutzen, insbesondere bei denFallen der Gln. 38–39. Gerade bei diesen Fallen und bei noch komplizierteren derselbenArt ist eine auf den ersten Blick ganz andere Technik anwendbar, mit der man sowohlmogliche Faktoren zum Ausklammern gezielt suchen als auch diese dann systematischAbspalten kann.

Eine genauere Inspektion der Vorgange in Gln. 38–39 zeigt, (1.) daß die gewahltenBeispiele die Form eines Polynoms haben (axn + bxn−1 + · · · ), (2.) daß die resultierendenFaktoren immer dieselbe Form (x+ a) (oder (x− b)) haben und (3.) daß ein Einsetzen

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der x-Werte −a (bzw. b) in die anfanglichen Polynome dazu fuhrt, daß der gesamtePolynomausdruck den Wert Null erhalt.

Wie im Skript zu MfC1 gezeigt wird, sind die Beobachtungen (2) und (3) fur Polynomekein Zufall, sondern eine (bei richtiger Formulierung der Sachlage) zwangslaufig immervorhandene Eigenschaft (Fundamentalsatz der Algebra; Vorsicht: hier ist die Darstel-lung etwas vereinfacht!). Wie ebenfalls im MfC1-Skript demonstriert, laßt sich dies zurFaktorisierung von Polynomen systematisch ausnutzen.

Dazu ist es notig, einen x-Wert −a oder b zu finden, fur den das Polynom Null wird.Dann kann der zugehorige Faktor (x+a) (oder (x− b)) aus dem Polynom ausgeklammertwerden. Dafur muß man sich nicht wie bei den Gln. 38–39 auf hohere Einsicht oder garmehr oder weniger blindes Probieren verlassen, sondern kann eine systematische Rechnung,eben die Polynomdivision, durchfuhren, die das Restpolynom nach Ausklammern diesesFaktors liefert.

Die Polynomdivision sei am Beispiel von Gl. 38 verdeutlicht, also am Polynom x2−2x−8.Die Endform (x + 2)(x − 4) zeigt uns, daß dieses Polynom sowohl fur x = −2 alsauch fur x = 4 Null wird, was sich durch Einsetzen leicht verifizieren laßt (nach demFundamentalsatz der Algebra kann es keine weiteren Nullstellen geben, aber das ist hierunerheblich). Wenn wir diese Information nicht hatten, mußten wir wenigstens eine derNullstellen durch Raten finden — dies ist die einzige Schwachstelle des Verfahrens.

Wenn wir eine Nullstelle gefunden haben, zum Beispiel x = −2, konnen wir die Polynom-division durchfuhren. Sie ahnelt sehr stark der schriftlichen Division. In jedem Schrittwird zunachst versucht, einen Faktor zu finden, mit dem x (der x-Term mit der hochstenPotenz im Faktor (x + 2)) multipliziert werden muß, um den x-Term mit der hochstenPotenz im Polynom oder im jeweils verbleibenden Rest davon zu erzeugen. Dieser Faktorist bereits der erste Summand der Losung. Im ersten Schritt ist dies der Faktor x:

(x2 − 2x− 8) : (x+ 2) = x+ · · · (45)

Multiplikation von x mit (x+ 2) liefert (x2 + 2x). Da der Term x auf der rechten Seitebereits ein Summand der Losung ist, interessiert uns im weiteren Verlauf nur noch derRest des Polynoms, der mit diesem Teil der Losung nichts zu tun hat. Daher subtrahierenwir das Zwischenresultat (x2 + 2x) vom Polynom:

(x2 − 2x− 8) : (x+ 2) = x+ · · · (46)

−(x2 + 2x)

− 4x− 8

Mit dem verbleibenden Rest −4x − 8 wird jetzt derselbe Schritt nochmal ausgefuhrt:Zunachst ermitteln wir den Faktor, der aus x (aus unserem Faktor (x + 2)) ein −4x(der x-Term mit der hochsten Potenz im Rest) macht; das ist offenbar der Faktor −4,womit wir einen weiteren Summanden der Losung gefunden haben. Multiplikation von−4 mit (x+ 2) liefert −4x− 8, was wir vom Rest abziehen:

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(x2 − 2x−8) : (x+ 2) = x− 4 (47)

−(x2 + 2x)

− 4x−8

− (−4x−8)

0

Dies produziert einen Rest von Null, womit die Prozedur beendet ist und naturlichdasselbe Resultat liefert wie schon in Gl. 38, namlich x2 − 2x− 8 = (x+ 2)(x− 4).

2.3 Binomische Formeln

In Gl. 36 ff. tauchen rechts zwei Faktoren auf, die sich jeweils aus zwei Summandenzusammensetzen. In dem Spezialfall, daß diese beiden Summanden in beiden Faktorendieselben sind, erhalt man die binomischen Formeln:

(a+ b)(a+ b) = (a+ b)2 = a2 + 2ab+ b2 (48)

(a− b)(a− b) = (a− b)2 = a2 − 2ab+ b2 (49)

(a+ b)(a− b) = a2 − b2 (50)

Beachte, daß gewisse Umstellungen problemlos moglich sind (Zeige dies!):

(a+ b)2 = (b+ a)2 (51)

(a− b)2 = (b− a)2 (52)

(b+ a)(a− b) = (a+ b)(a− b) = a2 − b2 (53)

(a+ b)(b− a) = (b+ a)(b− a) = b2 − a2 = (a+ b)(−1)(a− b) = −(a2 − b2) (54)

Dabei konnen a und b selbstverstandlich auch beliebig kompliziertere Terme sein unddurch weitere Konstrukte erganzt werden:

(2a+ 4x)2 = 4a2 + 16ax+ 16x2 (55)

(ex + e−x)2 = e2x + 2 + e−2x (56)

(−2)(mn− 7v)2 = −2m2n2 + 28mnv − 98v2 (57)

(√a+ 1)(

√a+ 2)(

√a− 2) = (

√a+ 1)(a− 4) = a3/2 + a− 4

√a− 4 (58)

Manchmal muß man etwas Vorarbeit leisten, um eine binomische Formeln anwenden zukonnen:

(x− 2y)(2y − x) = (−1)(2y − x)2 = −4y2 + 4xy − x2 (59)

(4z + 2w)(−w − 2z) = (−2)(2z + w)2 = −8z2 − 8wz − 2w2 (60)

Binomische Formeln fur hohere Potenzen n (mit n ≥ 2), also fur das Resultat desAusmultiplizierens von Ausdrucken der Form(a + b)n, lassen sich leicht konstruieren ausfolgenden Regeln

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• Man erhalt mehrere Summanden der Form ambk; der erste hat (m = n, k = 0), dernachste (m = n− 1, k = 1), usw., bis (m = 0, k = n);

• Die Koeffizienten (Zahlen) vor diesen Summanden ergeben sich aus den Zeilen desPascalschen Dreiecks. Dessen Zeileneintrage sind die Summen aus den Eintragender jeweils daruberliegenden Zeile, womit sich das Dreieck beliebig weit nach untenfortsetzen laßt:

11 1

1 2 11 3 3 1

1 4 6 4 1

Zum Beispiel erhalt man fur n = 3:

(a+ b)3 = a3 + 3a2b+ 3ab2 + b3 (61)

Mit einigen zusatzlichen Notationen lassen sich diese Sachverhalte kompakter notieren: MitHilfe des weiter unten (Abschnitt 5) definierten Produksymbols

∏kann die Rechenoperation

“Fakultat” fur n ∈ N definiert werden,

n! =

n∏i=1

i = 1 · 2 · 3 · · · (n− 1) · n fur n ≥ 1

1 fur n = 0(62)

die in der Definition des Binomialkoeffizienten:(n

k

)=

n!

k! (n− k)!(63)

(gesprochen “n uber k”) benotigt wird. Binomialkoeffizienten ermoglichen die allgemeineFassung des binomischen Lehrsatzes

(a+ b)n =

(n

0

)an +

(n

1

)an−1b+

(n

2

)an−2b2 + · · ·+

(n

n− 1

)abn−1 +

(n

n

)bn (64)

=n∑i=0

(n

i

)an−i bi (65)

in dem Gl. 61 vom Spezialfall n = 3 auf beliebige Exponenten n ∈ N erweitert wird.

Formeln fur mehr als zwei Summanden (trinomische, usw.) existieren auch, finden aberweniger haufig Anwendung, z.B.:

(a+ b+ c)2 = a2 + b2 + c2 + 2ab+ 2ac+ 2bc (66)

2.4 Quadratische Erganzung

Wie schon in Abschnitt 2.1 kann man auch binomische Formeln in der umgekehrtenRichtung anwenden:

4a2 + 12ab+ 9b2 = (2a+ 3b)2 (67)

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14y2 − yx+ x2 =

(12y − x

)2(68)

49w2 − 2u = (7w −√

2u)(7w +√

2u) (69)

Offensichtlicherweise muß das nicht immer problemlos funktionieren. Zum Beispiel fehltin diesem Ausdruck ein Term “+1” zu einem Quadrat:

x2 + 2x 6= x2 + 2x+ 1 = (x+ 1)2 (70)

Man kann die (+1) straflos erganzen, wenn man sie direkt wieder subtrahiert, also formaleine Null addiert:

x2 + 2x = x2 + 2x+ 0 = x2 + 2x+ (1− 1) (71)

Aufgrund des Assoziativgesetzes der Addition kann man im resultierenden Ausdruck dieKlammern anders setzen, um die nachfolgende Zusammenfassung zu veranschaulichen:

x2 + 2x+ 1− 1 = (x2 + 2x+ 1)− 1 = (x+ 1)2 − 1 (72)

Damit hat man also durch eine geeignete Erganzung aus dem ursprunglichen Ausdruckdoch noch ein quadratisches Binom erzeugt, plus eine kleine Korrektur:

x2 + 2x = (x+ 1)2 − 1 (73)

Daher heißt diese Umformung quadratische Erganzung.

(Anmerkung: Man konnte sich auch noch andere, ahnliche Erganzungen vorstellen, etwadiese:

x2 + 4 = x2 + 4 + 4x− 4x = (x2 + 4x+ 4)− 4x = (x+ 2)2 − 4x (74)

Obwohl diese Umformung sehr ahnlich ablauft, bezeichnet man ublicherweise nur denVorgang in Gl. 73 als quadratische Erganzung.)

Einige Beispiele:

x2 − 2x+ 3 = (x− 1)2 + 2 (75)

x2 − x+ 1 = (x− 12)2 + 3

4(76)

2.5 Bruche

2.5.1 Gemischte Bruche

Die Notation 112

wird in Anlehnung an das gesprochene “anderthalb” manchmal als“gemischter Bruch” verstanden, in der Bedeutung

112

= 32

= 1.5 (77)

Dabei wird also zwischen der “1” und dem “12” ein eigentlich erforderliches Pluszeichen

weggelassen.

Nach der Konvention, daß ein weggelassenes Rechenzeichen immer eine Multiplikationmeint, kann diese Notation aber auch anders interpretiert werden, namlich als

112

= 12

= 0.5 (78)

8

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was offensichtlich nicht dasselbe ist.

Vollig abstrus wird es, wenn in diesen Ausdrucken auch Variablennamen wie “a” oder “x”auftauchen. Es gibt (vielfach unbekannte) Regeln, die festlegen, wann dann eine solcheNotation als gemischter Bruch aufzufassen ist und wann stattdessen eine Multiplikationgemeint ist, bei ansonsten vollig gleich(!) aufgebauten Ausdrucken.

Anstatt sich mit diesen Regeln auseinanderzusetzen und darauf zu hoffen, daß andereLeute diese Regeln ebenfalls kennen, empfiehlt es sich, stattdessen konsequent niemalsgemischte Bruche zu verwenden und in Fallen, in denen sie hilfreich waren, ein explizitesPluszeichen zu schreiben:

1 + 12

(79)

was jede Moglichkeit der Fehlinterpretation beseitigt.

2.5.2 Grundrechenarten

Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division von Bruchen folgt den bekanntenRegeln:

a

b± c

b=

a± cb

(80)

a

b· cd

=ac

bd(81)

a

b:c

d=

a

b· dc

=ad

bc(82)

Der schwierigste Fall ist die Addition (oder Subtraktion) von Bruchen mit unterschiedlichemNenner. Er erfordert eine Erweiterung (s.u. Abschnitt 2.5.3) beider Terme auf dengemeinsamen Hauptnenner, wodurch eine Ruckfuhrung auf den obigen Fall mit gleichemNenner (Gl. 80) erreicht wird:

a

b+c

d=

ad

bd+bc

bd(83)

=ad+ bc

bd(84)

Einige einfache Beispiele dazu:

1

2+

3

5=

11

10(85)

x+ 1

x− 1· 5

x+ 2=

5(x+ 1)

(x− 1)(x+ 2)(86)

x+ 1

x− 1+

5

x+ 2=

(x+ 1)(x+ 2) + 5(x− 1)

(x− 1)(x+ 2)(87)

a+ b

b− a− b

a=

a2 + b2

ab(88)

Von den obigen Grundregeln zur Bruchrechnung sollte man sich auch bei schwierigererscheinenden Fallen nicht abbringen lassen:

1− 1√2

=

√2√2− 1√

2(89)

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=

√2− 1√

2(90)

=

√2(√

2− 1)√2√

2=

(2−√

2)

2(91)

=12(2−

√2)

1=

(1− 12

√2)

1= 1− 1

2

√2 (92)

Dies ist naturlich nur ein illustratives Beispiel; uber den Sinn der einzelnen Schrittekann man streiten. Mit der zweiten Zeile (Gl. 90) ist das Thema “Bruche addieren”eigentlich beendet. Die nachfolgende Umformung zu Gl. 91 dient nur dazu, nach eineralten Konvention den Nenner rational zu machen (

√2 ist eine irrationale Zahl), und

kann heutzutage als optional gelten. Der letzte Schritt zu Gl. 92 nutzt aus, daß man inder Form mit rationalem Nenner offensichtlich nochmal kurzen kann (Zahler und Nennerdurch 2 dividieren), wodurch die Bruchform schließlich fast komplett verschwindet. DasEndresultat hatte man naturlich auch aus der Anfangsform in einem einzigen Schritterhalten konnen (wiederum durch Rationalmachen des Nenners, im zweiten Summanden),was die ganzen Zwischenschritte in diesem Beispiel ziemlich uberflussig erscheinen laßt.

2.5.3 Kurzen und Erweitern

Der Wert eines Bruches andert sich nicht, wenn Zahler und Nenner mit demselben Termmultipliziert oder durch denselben Term dividiert werden. Wichtig fur die Praxis ist, daßdies nicht nur mit einfachen Zahlenfaktoren

4

3=

2 · 42 · 3

=8

6,

9

21=

3 · 33 · 7

=3

7(93)

und Konstanten bzw. Variablen funktioniert,

5

7=

7π(94)

sondern auch mit erheblich komplizierteren Ausdrucken:

2π sin(√a)− 7πe−x sin(

√a)

7 sin(√a)

=π sin(

√a)(2− 7e−x)

7 sin(√a)

7(2− 7e−x) (95)

Ein bei solchen Gelegenheiten (Kurzen in komplizierteren Ausdrucken) “beliebter” Fehlerist das “Kurzen aus einer Summe”. Zum Beispiel ist es im vorherigen Ausdruck (Gl. 95ganz links) naturlich nicht ohne weiteres moglich, den Faktor “7” direkt zu kurzen, alsoim Nenner und nur im rechten Summanden des Zahlers einfach zu streichen. Was daranfalsch ist, kann man sehen, wenn man es richtig macht: Selbstverstandlich kann manaus beiden Summanden des Zahlers eine “7” ausklammern, wenn man dabei den erstenSummanden richtig behandelt, im Sinne eines “erzwungenen Ausklammerns” (siehe Gl. 30):

2π sin(√a)− 7πe−x sin(

√a)

7 sin(√a)

=7π sin(

√a)(27− e−x

)7 sin(

√a)

= π

(2

7− e−x

)(96)

Einige Beispiele zu diesem ganzen Unterkapitel:√64

36=

4

3(97)

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3ab

14xy5· 28xy6

12ab=

y

2(98)

9c

10ab:

6ac

25b=

15

4a2(99)(√

x5y

5a:

√x3y3

a2

)√25x

a=

x

y

√5x (100)

x4 + 18x2 + 89

(x2 + 9)2=

x4 + 18x2 + 81 + 8

(x2 + 9)2= 1 +

8

(x2 + 9)2(101)

3 Umformen und Losen von Gleichungen

3.1 Allgemeines

Salopp gesagt kann man bei einer Gleichung “rechts und links dasselbe machen” underhalt dadurch eine neue Gleichung, die genauso wahr ist wie die ursprungliche. Formalnennt man solche Operationen Aquivalenzumformungen, da die resultierende und dieursprungliche Gleichung aquivalent sind.

Neben Umformungen mit den bekannten Grundrechenarten (Addition oder Subtraktionvon a, sowie Multiplikation mit oder Division durch a, wobei a eine Konstante, eineVariable oder ein komplizierterer Term sein kann), ist es auch moglich, Funktionen rechtsund links anzuwenden, wie Potenzieren, Wurzeln ziehen oder Anwendung kompliziertererFunktionen (sin, cos, exp, ln, . . . ).

Bereits bei den einfachen Grundrechenarten gibt es jedoch auch gewisse Einschrankungen,die zu gravierenden Fehlern fuhren konnen, wenn man sie nicht beachtet. Die wesentlichstenEinschrankungen sind:

Multiplikation mit Null: Dies liefert 0 = 0 (sofern keine Terme vorhanden sind, dieden Wert ∞ haben). Das ist nicht nur unpraktisch, wenn man daraus eine Unbekanntebestimmen mochte, sondern es ist auch formal verboten, weil man daraus nicht mehr dieursprungliche Gleichung rekonstruieren kann. Salopp gesprochen vernichtet man dabei die inder ursprunglichen Gleichung vorhandene Information. Bei Multiplikation von Gleichungenmit einem komplizierteren Term ist daher formal immer der Fall auszuschließen (bzw.gesondert zu behandeln), daß dieser Term Null ist.

Division durch Null: Dies ist schlicht nicht definiert. Auch hier ist daher auszuschließen,daß ein Term, durch den man eine Gleichung dividiert, Null ist.

Scheinlosungen beim Potenzieren mit ganzzahligen Exponenten: Bereits ein schein-bar einfaches Quadrieren der rechten und linken Seite einer Gleichung kann in die Irrefuhren:

x = 2∣∣ ()2 (102)

x2 = 4 (103)

Gl. 102 ist eine lineare Gleichung mit nur einer Losung (s.u.). Dagegen ist Gl. 103 einequadratische Gleichung, die im Allgemeinen zwei Losungen hat: hier außer x1 = 2 auchnoch x2 = −2. Die zweite Losung ist offensichtlich falsch, wie man durch Vergleich mitbzw. Einsetzen in Gl. 102 leicht sieht. Im Abschnitt 6.5.1 werden wir beim Wurzelziehen

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aus komplexen Zahlen besser verstehen, daß man beim Potenzieren (mit ganzen Zahlen)die Anzahl der Losungen immer erhoht (wie im Beispiel gewinnt man außer der richtigenLosung noch ein oder mehrere Scheinlosungen hinzu), daß aber die Anzahl der reellenLosungen gleich zu bleiben scheint, wenn man mit einer ungeraden Zahl potenziert undnur reelle Zahlen als Losungen zulaßt. Wie im Beispiel ist ein Einsetzen der erhaltenenLosungen in die ursprungliche Gleichung ein gutes Mittel, um Scheinlosungen auszusortieren.

Mehrfache Losungen beim Wurzelziehen: Diese Besonderheit ist recht bekannt. Siewird durch folgendes Beispiel illustriert:

x2 = 4∣∣ √. (104)

x1/2 = ±2 (105)

(Gl. 105 kann alternativ auch geschrieben werden als |x| = 2.) Hier ist offenbar mehrzu tun als nur ein naives Quadratwurzelziehen links und rechts vom Gleichheitszeichen.Beim Wurzelziehen (nicht nur bei der Quadratwurzel, auch beim Potenzieren mit anderenechten Bruchen als 1

2) ist also darauf zu achten, daß man nicht durch Nachlassigkeit

einige der auch noch moglichen Losungen verliert (was im Beispiel passieren wurde, wennman das ±-Zeichen vergißt). Weitere Details (gerade auch jenseits der Quadratwurzel)werden im Abschnitt 6.5.1 beim Wurzelziehen komplexer Zahlen klarer.

3.2 Lineare Gleichungen

3.2.1 Eine lineare Gleichung

Lineare Gleichungen in einer Unbekannten lassen sich immer auf folgende Form bringenund dann direkt und einfach losen:

a0 + a1x = 0 ⇒ x = −a0/a1 (106)

Da diese Gleichung einer Geraden mit der Steigung a1 entspricht, gibt es immer genaudiese eine Losung (entsprechend dem einen Schnittpunkt der Gerade mit der x-Achse), mitder einzigen Ausnahme des Falls a1 = 0: Dann ist die obige Division nicht durchfuhrbar,und die Gerade ist eine Parallele zur x-Achse.

3.2.2 Mehrere lineare Gleichungen

Zur Auflosung mehrerer linearer Gleichungen (sinnvollerweise nach mehreren Unbekannten)gibt es systematisch-allgemeine Vorgehensweisen, die in MfC2 behandelt werden. Hier wirdnur an die einfachsten Techniken kurz erinnert.

Hat man N Gleichungen mit N Unbekannten (hier als Beispiel N = 2),

5x− 3y = 2 (107)

2x+ 6y = 3 (108)

kann man immer eine der beiden Gleichungen nutzen, um eine der beiden Unbekanntenaus der zweiten Gleichung zu eliminieren, womit man wieder den Fall von Gl. 106 erreichthat. Zum Beispiel kann man hier Gl. 107 nach y auflosen

y = 13(5x− 2) (109)

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und diese Beziehung Gl. 109 in Gl. 108 einsetzen:

3 = 2x+ 63(5x− 2) = 2x+ 10x− 4 = 12x− 4 (110)

Auflosung nach x liefert

x =7

12, (111)

was wiederum in Gl. 109 eingesetzt werden kann:

y = 13(5 7

12− 2) =

35− 24

3 · 12=

11

36(112)

Einsetzen dieser beiden Werte zeigt, daß sie die Gln. 107 und 108 tatsachlich erfullen.

Ein anderer moglicher Weg ist es, eine der beiden Gln. 107 bzw. 108 mit einem geeignetenFaktor zu multiplizieren und zur anderen Gleichung zu addieren, wiederum mit dem Ziel,dadurch eine der beiden Variablen zu eliminieren. Hier bietet es sich an, Gl. 107 mit 2zu multiplizieren und zu Gl. 108 zu addieren; dabei ergibt sich:

12x− 6y + 6y = 12x = 7, (113)

woraus sich offenbar wieder Gl. 111 ergibt. Diese Teillosung fur x kann man dann ineine der beiden ursprunglichen Gleichungen einsetzen, z.B. in Gl. 108:

2 712

+ 6y = 76

+ 6y = 3 ⇒ 6y = 116

(114)

woraus sich naturlich wieder derselbe y-Wert wie bei Gl. 112 ergibt.

3.3 Quadratische Gleichungen

Quadratische Gleichungen in einer Unbekannten lassen sich immer auf eine der beidenfolgenden Standardformeln bringen, fur die dann die angegebenen Losungsformeln verwendetwerden konnen (deren Richtigkeit durch Einsetzen uberpruft werden kann):

a0 + a1x+ a2x2 = 0 → x1,2 =

1

2a2

(−a1 ±

√a21 − 4a0a2

)(115)

x2 + px+ q = 0 → x1,2 = −p2±√p2

4− q (116)

Wie im MfC1-Skript erlautert wird, gibt es immer genau diese beiden Losungen, sofernkomplexe Zahlen x ∈ C zugelassen sind; sie konnen schlimmstenfalls zu ein und demselbenWert zusammenfallen, der dann aber einer doppelten Nullstelle entspricht. Im reellenBereich x ∈ R kann es bei geeigneten Werten der Koeffizienten p, q (bzw. a0, a1, a2)

offensichtlich passieren, daß die sogenannte Diskriminante p2

4− q (bzw. der entsprechende

Ausdruck in Gl. 115) negativ wird, sodaß die Wurzel im Reellen nicht gezogen werdenkann. Dann gibt es auch keine reellen Losungen der quadratischen Gleichung.

Obwohl das Auffinden der Losungen mit den Formeln in den Gln. 115 und 116 volliguniversell ist und rein schematisch ablaufen kann (quadratische Gleichung auf eine dergezeigten Formen bringen, daraus die Koeffizientenwerte a2,a1,a0 bzw. p,q ablesen und indie zugehorige Losungsformeln einsetzen, resultierende Ausdrucke ggf. vereinfachen), istes trotzdem empfehlenswert, in geeigneten Spezialfallen an alternative Losungswege zudenken, weil sie viel einfacher sind.

Die drei vielleicht wichtigsten dieser Spezialfalle sind diese:

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kein linearer Term, also a1 = 0 bzw. p = 0: Dann kann man immer x2 auf einer Seiteisolieren und dann die Wurzel ziehen:

a2x2 + a0 = 0⇒ x2 = −a0

a2⇒ x1/2 = ±

√−a0a2

(117)

x2 + q = 0⇒ x2 = −q ⇒ x1/2 = ±√−q (118)

kein konstanter Term, also a0 = 0 bzw. q = 0: Dann kann man immer x als alleinigenFaktor ausklammern, was x1 = 0 als eine der beiden moglichen Losungen liefert. Dieandere Losung x2 ergibt sich in trivialer Weise aus dem verbleibenden Linearfaktor:

a2x2 + a1x = x(a2x+ a1) = 0⇒ x1 = 0 , a2x2 + a1 = 0⇒ x2 = −a1

a2(119)

x2 + px = x(x+ p) = 0⇒ x1 = 0 , x2 = −p (120)

(Anmerkung: Man konnte x2 + px = 0 auch zu x2 = −px umstellen und dieseGleichung dann durch x dividieren wollen. Weil man aber x = 0 ausschließen muß,um diese Division durchfuhren zu konnen (s.o. S. 11), verliert man auf diesem Wegeine der beiden Losungen. Wenn man sich dessen bewußt ist, daß x = 0 eine Losungist, kann man fur die weitere Rechnung x 6= 0 fordern, die Division durchfuhrenund die zweite Losung sehr einfach finden.)

binomische Formel: Wenn man im quadratischen Ausdruck eine binomische Formel(x+ a)2 bzw. (x− b)2 entdeckt, ist deren Verwendung ebenfalls einfacher als die derFormeln Gln. 115 und 116, und man erhalt eine doppelte Nullstelle:

x2 + 2x+ 1 = 0 = (x+ 1)2 ⇒ x1/2 = −1 (121)

Prinzipiell immer moglich ist auch die Verwendung der quadratischen Erganzung, wie indiesem Beispiel:

2x2 − 16x− 40 = 0∣∣ : 2 (122)

x2 − 8x− 20 = 0 (123)

x2 − 8x+ (42 − 42)− 20 = 0 (124)

(x− 4)2 = 36 (125)

An dieser Stelle kann man (ahnlich wie im obigen Spezialfall Gln. 117 und 118) direktdie Wurzel ziehen:

x− 4 = ±6 (126)

x1 = 10 , x2 = −2 (127)

Ob dieser Weg einfacher oder schwieriger als die direkte Anwendung der Formeln Gln. 115oder 116 ist, ist vermutlich Geschmackssache.

3.4 Potenzgleichungen hoheren Grades

Fur die Nullstellen kubischer und quartischer Polynome existieren geschlossene Losungsfor-meln mit Wurzeln (die Cardanischen Formeln), fur Polynome funfter und hoherer Ordnungjedoch nicht mehr (Satz von Abel-Ruffini). Bereits im kubischen Fall ist es jedoch sinnvoll

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bzw. notig, zu komplexen Zahlen uberzugehen. Nicht nur deshalb ist das Aufsuchen vonLosungen in solchen Fallen deutlich schwieriger als bei quadratischen Polynomen.

Daher berucksichtigen wir in MfC diese Zugange nicht, sondern beschranken uns auf dievergleichsweise sehr einfache Losungsmoglichkeit, Nullstellen zu raten und den Ausdruckdann durch Polynomdivision zu vereinfachen (siehe Abschnitt 2.2).

Fur das Raten rationaler Nullstellen, die keinen kleinen ganzen Zahlen entsprechen,existieren Hilfsmittel wie der rationale Nullstellentest (Satz uber rationale Nullstellen).Dessen Einsatz ist bei den in MfC vorkommenden Beispielen jedoch unnotig.

4 Rechnen mit Absolutbetragen und Ungleichungen

4.1 Absolutbetrage

Die Definition des Absolutbetrags einer Zahl a ∈ R

|a| =

a fur a ≥ 0−a fur a < 0

(128)

macht die folgenden Grundeigenschaften des Absolutbetrags klar:

|a| ≥ 0 (129)

|a| = | − a| (130)

Bei Rechnungen mit Absolutbetragen empfiehlt es sich, die Betragsstriche im Verlauf derRechnung zu entfernen, was laut Definition immer moglich ist, allerdings in der Regelauf Kosten einer Fallunterscheidung. Daher ist es geschickt, den Betragsausdruck vorherzu vereinfachen, zum Beispiel mit der Rechenregel

|a · b| = |a| · |b|, (131)

die fur alle a, b ∈ R gilt.

Außerdem gilt die sogenannte “Dreiecksungleichung” fur alle a, b ∈ R:

|a+ b| ≤ |a|+ |b| (132)

Ihre Gultigkeit ist bei geometrischer Interpretation (Seitenlangen eines Dreiecks oderVerwendung von Vektoren) sofort einsichtig. Mit wenigen elementaren Umformungen kannman erweiterte Formen der Dreiecksungleichung herleiten, wie etwa

||a| − |b|| ≤ |a± b| ≤ |a|+ |b|, (133)

die ebenfalls fur alle a, b ∈ R gelten.

4.2 Ungleichungen

Umformungen von Ungleichungen folgen ahnlichen Regeln wie die Umformungen vonGleichungen, siehe Abschnitt 3.1. Hinzu treten allerdings einige wenige vorzeichenabhangigeBesonderheiten:

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Aus a < b folgt

a+ c < b+ c fur c ∈ R (134)

a · c < b · c fur c > 0 (135)

a · c > b · c fur c < 0 (136)

a · c = b · c = 0 fur c = 0 (137)

1

a>

1

bfur ab > 0 (138)

1

a<

1

bfur ab < 0 (139)

Dabei ist naturlich entscheidend, daß sich das Ungleichheitszeichen manchmal “umdreht”,abhangig vom Vorzeichen von c in den Gln. 135 und 136 bzw. von den Vorzeichen vona, b in den Gln. 138 und 139. Bei den Gln. 138 und 139 ist die Bedingung ab > 0so zu verstehen, daß die Zahlenwerte von a und b beide dasselbe Vorzeichen haben(beide positiv oder beide negativ). Dementsprechend bedeutet ab < 0, daß unterschiedlicheVorzeichen vorliegen. Im ubrig bleibenden, nicht aufgefuhrten Fall ab = 0 ist mindestenseiner der beiden Werte Null; dann wurde eine Transformation auf einen Ausdruck mit1/a und 1/b eine Division durch Null erfordern, was aber nicht definiert ist.

Fur Ungleichungen zwischen drei oder mehr Termen gilt die Transitivitat:

a < b ∧ b < c ⇒ a < c (140)

An einem ausfuhrlichen Beispiel soll die Losung von Aufgaben mit Ungleichungen undBetragen gezeigt werden: Gesucht ist der Bereich von x-Werten in R, fur den dieseBeziehung gilt:

|x− 1|x+ 1

< 1 (141)

Offensichtlich kann von vornherein x = −1 aus dem Bereich moglicher Losungen ausge-schlossen werden, da dann eine Null im Nenner entstehen wurde. Zur Auffindung derubrigen Losungsmoglichkeiten besteht ein moglicher Weg darin, die Ungleichung mit demNenner x+1 zu multiplizieren. Nach den Gln. 135 und 136 ist dabei aber zu unterscheiden,ob x+ 1 positiv oder negativ ist. Daher wird eine erste Fallunterscheidung notig:

Fall 1: x+ 1 > 0Dies impliziert x > −1. Dann ergibt sich:

|x− 1| < x+ 1 (142)

Um weiterzukommen, sollten nun die Betragsstriche eliminiert werden. Nach Gl. 128 istdafur eine weitere Unter-Fallunterscheidung notig:

Fall 1a: x− 1 ≥ 0Dies impliziert x ≥ 1. Dann konnen die Betragsstriche einfach entfallen und man erhaltGl. 143, die ohne Fallunterscheidungen weiter umgeformt werden kann:

x− 1 < x+ 1∣∣ − x (143)

−1 < 1 (144)

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Es resultiert keine weitere Beschrankung fur x, sondern eine wahre Aussage uber Zah-lenwerte. Daher liefert x ≥ 1, die diesen Unterfall charakterisierende Beschrankung fur x,mindestens einen Teil der Gesamtlosung.

Fall 1b: x− 1 < 0Dies impliziert x < 1. Bei Elimination der Betragsstriche ist dann ein Minus als Ge-samtvorzeichen zu setzen, resultierend in Gl. 145, die wiederum weiter umgeformt werdenkann:

1− x < x+ 1∣∣ − 1 (145)

−x < x∣∣ : x (146)

Ob sich bei Ausfuhrung dieses letzten Schritts das Ungleichungszeichen “umkehrt” odernicht, hangt vom Vorzeichen des Werts von x ab, also ist eine nochmalige Unter-Unter-Fallunterscheidung notig:

Fall 1b1: x > 0Hiermit kann die Division ohne “Umkehr” des Ungleichungszeichens ausgefuhrt werden.Man erhalt also:

−1 < 1 (147)

Das ist eine wahre Aussage; mithin ist dieser Unterunterfall erlaubt. Allerdings mussen dieBedingungen an x fur die komplette Hierarchie von Fallschachtelungen korrekt kombiniertwerden. Hier ist dies x > −1 (Fall 1), x < 1 (Fall 1b) und x > 0 (Fall 1b1), zusammenalso 0 < x < 1, was mit x > −1 kompatibel ist.

Zusammen mit Fall 1a, der x ≥ 1 als moglich geliefert hatte, erweitert Fall 1b dieGesamtlosung also auf x > 0.

Fall 1b2: x < 0In diesem Fall ergibt sich bei Ausfuhrung der Division durch x in Gl. 146 eine “Umkehr”des Ungleichungszeichens und man erhalt:

−1 > 1 (148)

Das ist offenbar ein Widerspruch. Der zu diesem Unterunterfall gehorige x-Bereich von−1 < x < 0 ist also kein Teil der Gesamtlosung.

Der dritte mogliche Fall 1b3 mit x = 0 muß nicht betrachtet werden, da eine Divisiondurch x = 0 ohnehin nicht erlaubt ist. Zur schnellen Kontrolle kann man x = 0 alsmogliche Losung der ursprunglichen Ungleichung 141 testen: Nach Einsetzen und Umformen(Betragsstriche beachten!) ergibt sich 1 < 1, was falsch ist. Also ist x = 0 tatsachlichkeine mogliche Losung.

Fall 2: x+ 1 < 0Dies impliziert x < −1. Bei Multiplikation von Gl. 141 mit x + 1 kehrt sich also dasUngleichheitszeichen um:

|x− 1| > x+ 1 (149)

Fur x < −1 ist sicher x − 1 < 0, also konnen ohne weitere Fallunterscheidung dieBetragsstriche unter Einfuhrung eines Minuszeichens eliminiert werden. Die resultierendeGl. 150 wird dann wieder weiter umgeformt:

1− x > x+ 1∣∣ + x (150)

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1 > 2x+ 1∣∣ − 1 (151)

0 > 2x∣∣ : 2 (152)

0 > x (153)

Gl. 153 ist fur den x-Bereich dieses Falls, x < −1, sicher erfullt, ist also eine wahreAussage. Damit stellt x < −1 einen weiteren Teil der Losung dar.

Mithin ist die Gesamtlosung fur Gl. 141 der geteilte Bereich

x < −1 ∨ x > 0 (154)

Einige weitere Aufgaben ahnlicher Art:

|x− 2| < |2x− 5| ⇒ x > 3 ∨ x < 73

(155)

1

x+ 1− 1

x≤ 0 ⇒ x < −1 ∨ x > 0 (156)

5 Summen- und Produktzeichen

Haufig werden Summen mit einem Summenzeichen∑

abgekurzt. Die vielleicht typischstenBeispiele sind:

j∑i=1

i = 1 + 2 + · · ·+ j (157)

n∑k=m

ak = am + am+1 + · · ·+ an (furn > m) (158)

Das Produktzeichen∏

ist analog dem Summenzeichen definiert. Man schreibt zum Beispiel:

3∏i=1

ai = a1 · a2 · a3 (159)

Viele Eigenschaften des Produktzeichens ahneln denen des Summenzeichens. Das Sum-menzeichen wird jedoch wesentlich haufiger verwendet. Daher konzentrieren wir uns hieraufs Summenzeichen.

5.1 Grundeigenschaften

Der Laufindex i bzw. k taucht in den Gln. 157,158 nur in der abgekurzten Schreibweiselinks auf, nicht in der ausgeschriebenen Summe rechts. Daher ist die Bezeichnung desLaufindex beliebig und andert nichts am Wert der Summe:

j∑i=1

i =

j∑n=1

n (160)

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Daher kann auch eine Indextransformation durchgefuhrt werden, also eine Umrechnungeiner Indexvariablen in eine andere, unter Verwendung einer Transformationsbeziehung,wiederum ohne daß sich der Wert der Summe andert. Triviales (und nutzloses) Beispiel:

n∑i=1

i =n+2∑j=3

(j − 2) , mit j = i+ 2 (161)

Dies kann zur Vereinfachung von Ausdrucken und zur einfacheren Summenberechnungverwendet werden. Dabei ist allerdings zu beachten, daß das Summenzeichen impliziert,daß sich der Laufindex (z.B. i) von einem Summenterm zum nachsten um genau 1 erhoht,die Summe also sozusagen auch ein ∆i enthalt (was aber in der Notation nicht expliziterscheint; vergleiche Substitution der Integrationsvariablen im MfC1-Skript, wobei x unddx transformiert werden mussen; daher ist es hilfreich, daß dx in der Integralnotationexplizit notiert wird). Bei additiven Indextransformationen ist das belanglos, kann aberbei multiplikativen Indextransformationen zu Fehlern fuhren.

In ublicher Schreibweise erstreckt sich eine Summe bis zum darauf folgenden Plus- oderMinuszeichen. Die beiden folgenden Schreibweisen sind daher aquivalent:

7∑i=3

4iai + ci =7∑i=3

(4iai) + ci (162)

auch wenn man meinen konnte, daß der Term +ci mit zur Summe gehoren konnte,weil er ebenfalls den Summationsindex i enthalt. In etwas spitzfindiger Interpretationkonnte das aber “ein anderes i” sein (was dann definitiv eine ungluckliche Wahl desSummationsindexnamens ware). Soll in Gl. 162 der Term +ci unzweifelhaft mit zurSumme gehoren, ist also eine Klammer zu setzen:

7∑i=3

(4iai + ci) (163)

Im Zweifel empfiehlt es sich also (wie immer), lieber zu viele als zu wenige Klammernzu setzen.

Konstante Faktoren (die also den Laufindex nicht enthalten) konnen aus einer Summeausgeklammert werden, z.B.:

n∑k=1

3(nk + n) = 3nn∑k=1

(k + 1) (164)

Summen und Produkte von Summenausdrucken: Bei gleicher Unter- und Obergrenze konnenSummen in Additionen direkt zusammengefaßt werden:(

n∑i=1

ai

)+

(n∑i=1

bi

)=

n∑i=1

(ai + bi) (165)

Umgekehrt gelesen kann also eine Summe uber ein additives Argument in zwei Teilsummenzerlegt werden. Bei einer Doppelsumme eines additiven Arguments ist zwar die Reihenfolge

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der Ausfuhrung der Summationszeichen irrelevant, aber eine weitere Zerlegung (bzw.umgekehrt gelesen eine Zusammenfuhrung der Teilsummen) ist so einfach nicht moglich:

n∑i=1

(m∑j=1

(ai + bj)

)=

m∑j=1

(n∑i=1

(ai + bj)

)6=

n∑i=1

ai +m∑j=1

bj (166)

Bei Multiplikationen kann eine analoge Zerlegung bzw. Zusammenfuhrung gemacht werden:(n∑i=1

ai

(m∑j=1

bj

)=

n∑i=1

(m∑j=1

aibj

)=

m∑j=1

(n∑i=1

aibj

)=:∑i,j

aibj (167)

In diesem Fall ist allerdings strikt darauf zu achten, in den beiden Summen unterschiedlicheIndices zu verwenden:

n∑i=1

n∑j=1

aibj 6=n∑i=1

n∑i=1

aibj 6=n∑i=1

aibi (168)

5.2 Spezielle Summen

Kommt der Summationsindex im Argument der Summe uberhaupt nicht vor, ist dieBerechnung der Summe sehr einfach:

n∑i=1

a = n · a (169)

Oder noch etwas allgemeiner:n∑

k=m

b = (n−m+ 1) b (170)

Die verfuhrerisch einfach aussehende Summe

n∑i=1

i (171)

kann tatsachlich auch mit einer festen Losungsformel berechnet werden. Deren Herleitung istallerdings etwas verwickelt. Sie wird hier gezeigt, um die Anwendung einiger Summenregelnaus Abschnitt 5.1 zu illustrieren. Wir beginnen mit einer (definitiv nicht naheliegenden)Indextransformation von i zu j, namlich mit

i = n+ 1− j ⇔ j = n+ 1− i (172)

was u.a. impliziert:i = 1 = j = n , i = n = j = 1 (173)

Damit laßt sich die Summe in Gl. 171 umformen in:

n∑i=1

i =1∑

j=n

(n+ 1− j) =n∑j=1

(n+ 1− j) (174)

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wobei die letzte Identitat folgt, weil die Summation kommutativ ist (die Reihenfolge derSummanden ist egal). Diese letzte Summe kann man in zwei Teilsummen aufspalten:

n∑j=1

(n+ 1− j) =n∑j=1

(n+ 1)−n∑j=1

j =n∑j=1

(n+ 1)−n∑i=1

i (175)

wobei im letzten Schritt die banale Indexumbenennung j = i durchgefuhrt wurde. Derletzte Term von Gl. 175 ist nun mit der ursprunglichen Summe in Gl. 171 identisch.Addition dieses Terms am Anfang und Ende der gezeigten Gleichheitskette liefert daher:

2n∑i=1

i =n∑j=1

(n+ 1) = n(n+ 1) (176)

Im letzten Schritt wurde Gl. 169 zur Berechnung der Summe eingesetzt. Division vonGl. 176 durch 2 liefert das Endresultat:

n∑i=1

i =n

2(n+ 1) (177)

6 Zahlen

In diesem Kapitel geht es eigentlich um eine Einfuhrung in die komplexen Zahlen undelementares Rechnen damit. Der Vollstandigkeit halber werden einige Teilmengen derkomplexen Zahlen vorher kurz rekapituliert.

6.1 Naturliche Zahlen

N = 1, 2, 3, . . . (178)

N0 = N ∪ 0 = n |n ∈ N ∨ n ∈ 0 = 0, 1, 2, 3, . . . (179)

Arithmethische Grundoperationen auf dem Zahlenstrahl.

Die Menge N ist abgeschlossen bezuglich der Addition und Multiplikation, nicht jedochbezuglich der Subtraktion und Division:

a, b ∈ N0 ; (a− b) ∈ N0 (180)

a, b ∈ N0 ; a/b ∈ N0 (181)

Daher Einfuhrung der ganzen Zahlen bzw. der rationalen Zahlen.

6.2 Ganze Zahlen

Z = . . . ,−2,−1, 0, 1, 2, . . . = 0,±1,±2, . . . (182)

Die Menge Z ist abgeschlossen bezuglich der Addition, Subtraktion und Multiplikation,nicht jedoch bezuglich der Division

a, b ∈ Z ; a/b ∈ Z (183)

Daher Einfuhrung der rationalen Zahlen.

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6.3 Rationale Zahlen

Q = q | q =m

n∧m ∈ Z ∧ n ∈ Z/0 (184)

Mit einfachen Worten ausgedruckt sind rationale Zahlen also Bruche mit ganzzahligemZahler und Nenner. Das praktische Rechnen mit rationalen Zahlen war bereits in Kapitel 2.5enthalten. Es sei allerdings darauf hingewiesen, daß viele der in Kapitel 2.5 auftauchendenKonstrukte keine rationalen Zahlen waren, sondern Gebilde der Form a

bmit a, b ∈ R,

also im Allgemeinen reelle Zahlen (s.u.).

Die rationalen Zahlen liegen uberall dicht auf der Zahlengeraden:

Fur p, q ∈ Q mit p < q gibt es stets ein r ∈ Q mit p < r < q (185)

Trotzdem gibt es Punkte auf der Zahlengeraden, die nicht rationalen Zahlen entsprechen:

Die Menge Q ist abgeschlossen bezuglich Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division(außer Division durch Null), nicht jedoch beim Radizieren:

p ∈ Q, n ∈ N ; n√p ∈ Q (186)

Beispiele:√

2, e, π, ln 2 sind keine rationalen Zahlen. Beweis: ♣√−1 ist nicht erklart.

Daher Einfuhrung der reellen Zahlen bzw. der komplexen Zahlen.

6.4 Reelle Zahlen

Jede reelle Zahl kann beliebig eng durch rationale Zahlen eingegrenzt werden:

p, q ∈ Q, x ∈ R : p < x < q fur (q − p)→ 0 (187)

Dezimaldarstellung:

reelle Zahlen

rationale Zahlen: abbrechend oder periodischirrationale Zahlen: weder abbrechend noch periodisch

Es besteht eine umkehrbar eindeutige Zuordnung zwischen den Punkten der Zahlengeradenund den reellen Zahlen.

6.5 Komplexe Zahlen

Imaginare Einheit i: In Analogie zu den beiden Losungen

z1,2 = ±1 = ±√

1 (188)

der Gleichungz2 = 1 (189)

definieren wirz1,2 = ±i = ±

√−1 (190)

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als die beiden Losungen der Gleichung

z2 = −1 (191)

Dabei ist i die Einheit auf der imaginaren Achse, die senkrecht zum bisherigen, eindi-mensionale Zahlenstrahl steht und diesen zur Gaußschen Zahlenebene erweitert:

Im

z

y

Rex

r

ϕ

In der Menge C der komplexen Zahlen sind daher als Spezialfalle die Menge R der reellenZahlen (Im(z) = 0, reelle Achse) und die Menge I der imaginaren Zahlen (Re(z) = 0,imaginare Achse) enthalten.

Eine komplexe Zahl z besteht dementsprechend aus zwei reellen Zahlen x und y, demReal- bzw. Imaginarteil:

z = x+ iy , x, y ∈ R (192)

x = <(z) = Re(z) , y = =(z) = Im(z) (193)

Aquivalent zu dieser Darstellung in”kartesischen Koordinaten“ ist die alternative Darstellung

in ebenen Polarkoordinaten, mit dem Betrag r = |z| und dem Argument ϕ = arg(z).Zwischen diesen Darstellungen gelten die ublichen Transformationsgleichungen:

x = r cosϕ , y = r sinϕ (194)

r =√x2 + y2 , ϕ = arctan

(yx

)(195)

Die Berechnung von ϕ funktioniert dabei nur im ersten Quadranten der GaußschenZahlenebene und fur x 6= 0 so wie in Gl. 195 angegeben. Wegen der Periodizitat derWinkelfunktionen erfordert eine ϕ-Berechungsvorschrift, die fur alle Quadranten gultig istund auch Sonderfalle einschließt, eine Unterscheidung in mehrere Falle:

ϕ =

arctan

(yx

)fur x > 0

arctan(yx

)+ π fur x < 0, y ≥ 0

arctan(yx

)− π fur x < 0, y < 0

π2

fur x = 0, y > 0−π

2fur x = 0, y < 0

(196)

(Im verbleibenden Fall x = 0, y = 0 ist der Wert von ϕ beliebig; per Konvention setzt mandann gerne ϕ = 0.) Die obige Zeichnung zeigt, daß man die komplette komplexe Zahlenebeneabdecken kann, wenn r Werte im Bereich [0,+∞[ annimmt, bei geeigneten Werten vonϕ. Das notige Werteintervall fur ϕ muß offenbar eine Breite von 2π haben (danach tritt

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periodische Wiederholung auf), ]−π,+π] und [0, 2π[. Die in Gl. 196 angegebene Vorschriftgilt fur das Intervall ]− π,+π]. Wenn man zur Konvention ϕ ∈ [0, 2π[ gelangen mochte,muß man zum nach Gl. 196 berechneten ϕ-Wert 2π addieren, falls ϕ < 0 ist.

Nach Gl. 194 ist also z = x+ iy = r(cosϕ+ i sinϕ). Nach dem Satz von Euler gilt:

eiϕ = exp(iϕ) = cosϕ+ i sinϕ (197)

sodaß eine komplexe Zahl auch als z = r exp(iϕ) notiert werden kann. Man kann dieExponentiation mit einer komplexen Zahl dadurch verstandlicher machen, daß man sieuber die Taylorreihe der Exponentialfunktion auf Potenzen der Form (iϕ)n mit n ∈ Nzuruckfuhrt, siehe MfC1-Skript. Hier akzeptieren wir, daß der Ausdruck exp(iϕ) denRechenregeln der reellen Exponentialfunktion folgt und daß wir mit i wie mit einerreellen Konstante rechnen konnen.

Zwei komplexe Zahlen sind gleich, wenn sie in Real- und Imaginarteil bzw. in Betragund Argument ubereinstimmen. Die Vergleichsoperationen >,< sind fur komplexe Zahlennicht definiert.

Definition: Die zur komplexen Zahl z = x+ iy konjugiert komplexe Zahl z∗ erhalt mandurch Ersetzen von i durch −i; also gilt:

Re(z) = Re(z∗) , Im(z) = −Im(z∗) (198)

|z| = |z∗| , arg(z) = − arg(z∗) (199)

In der Gaußschen Zahlenebene entspricht die Bildung der konjugiert komplexen Zahl einerSpiegelung an der reellen Achse:

Im

x

r

ϕ

y

−y

Re−

z=x+iy

z =x−iy*

r

ϕ

Also gilt offensichtlich: (z∗)∗ = z

6.5.1 Rechnen mit komplexen Zahlen

Es sei

z1 = x1 + iy1 = r1(cosϕ1 + i sinϕ1) = r1eiϕ1 (200)

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z2 = x2 + iy2 = r2(cosϕ2 + i sinϕ2) = r2eiϕ2 (201)

Addition/Subtraktion

Real- und Imaginarteile werden getrennt addiert/subtrahiert:

z1 ± z2 = (x1 ± x2) + i(y1 ± y2) (202)

Dies entspricht der Addition/Subtraktion von Vektoren (siehe MfC1-Skript):

z1

z2

+

z1

z2

Im

Re

Die Bildung des Negativen von z entspricht einer Punktspiegelung am Ursprung:

z =x−iy*

Im

x

r

y

−y

Re

z=x+iy

r

α

αα

α

r

r

−x

−y

y

−z=−x−iy

−z =−x+iy*

Multiplikation

z1 · z2 = (x1x2 − y1y2) + i(x1y2 + y1x2) (203)

bzw. in Polarkoordinaten:

z1 · z2 = r1r2(cos[ϕ1 + ϕ2] + i sin[ϕ1 + ϕ2]) (204)

d.h. die Betrage werden multipliziert, die Argumente addiert. Zur Herleitung von Gl. 204in dieser Form braucht man Winkeladditionstheoreme. Erheblich leichter ist die Herleitungin Exponentialschreibweise:

z1 · z2 = (r1eiϕ1) · (r2eiϕ2) = r1r2e

i(ϕ1+ϕ2) (205)

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Aus dieser Eigenschaft (Multiplikation der Betrage, Addition der Argumente) wird klar, daßeine Multiplikation mit einer komplexen Zahl z = exp(iϕ) vom Betrag r = 1 einer Rotationum den Winkel ϕ in der Gaußschen Zahlenebene entspricht. Spezialfalle: Multiplikationenmit 1, i, −1, −i entsprechen Drehungen um 0, 90, 180, 270:

iz =−y+ix

−iz =y−ix

Im

x

r

y

Re

z=x+iy

ϕ

r

r

r

x

−y

−z=−x−iy

Furs praktische Rechnen wichtige Spezialfalle davon sind:

i2 = −1 (206)

(−i)2 = −1 (207)

(+i)(−i) = 1 (208)

Naturlich hatten man diese Beziehungen auch bereits aus der ursprunglichen Definitionder imaginaren Einheit i in Gl. 190 gewinnen konnen.

Beachte: Obwohl die Addition/Subtraktion komplexer Zahlen der Addition/Subtraktionvon Vektoren entspricht, entspricht das Produkt komplexer Zahlen keinem der ublichenVektorprodukte!

Division

Ruckfuhrung auf Multiplikation durch Erzeugung eines reellen Nenners:

z1z2

=z1z∗2

z2z∗2=r1r2

(cos[ϕ1 − ϕ2] + i sin[ϕ1 − ϕ2]) =r1r2ei(ϕ1−ϕ2) (209)

d.h. die Betrage werden dividiert, die Argumente subtrahiert.

Spezialfall:1

i= −i (210)

Rechnen mit konjugiert komplexen Zahlen

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(z1 ± z2)∗ = z∗1 ± z∗2 (211)

(z1 · z2)∗ = z∗1 · z∗2 (212)(z1z2

)∗=

z∗1z∗2

(213)

z + z∗ = 2 Re(z) , z − z∗ = 2i Im(z) (214)

z · z∗ = |z|2 (215)

Potenzieren

Die sog. Formel von Moivre ergibt sich direkt in der Exponentialnotation:

zn = (r · eiϕ)n = rn · einϕ = rn(cosnϕ+ i sinnϕ) (216)

Damit konnen die Zahlen 1, i, −1 und −i auch”aufwendiger notiert“ werden (mit k ∈ Z):

ei(0+2kπ) = +1 (217)

ei(π2+2kπ) = +i (218)

ei(π+2kπ) = −1 (219)

ei(3π2+2kπ) = −i (220)

Diese Beziehungen werden bei den Fourierreihen wichtig (Mathematik fur Chemiker II).

Radizieren

Die komplexe Zahl z2 = n√z1 ist Losung der Gleichung

zn2 = z1 (221)

Zur Bestimmung von z2 verwenden wir wieder die Exponentialschreibweise:

z1 = r1eiϕ1 = r1e

i(ϕ1+2kπ) mit k ∈ Z (222)

z2 = r2eiϕ2 (223)

Die Berucksichtigung der 2π-Periodizitat des Arguments ist dabei wichtig, um tatsachlichalle Losungen zu erhalten. Aus Gl. 221 wird damit:

rn2 einϕ2 = r1e

i(ϕ1+2kπ) (224)

Da fur die Gleichheit komplexer Zahlen jeweils Betrage und Argumente fur sich gleichsein mussen, ergibt sich also:

r2 = n√r1 (225)

ϕ2 =ϕ1 + 2kπ

n=ϕ1

n+k

n2π (226)

Fur k = 0, 1, . . . , n − 1 sind dies n unterschiedliche Werte fur ϕ2. (In Abschnitt uberPolynome im MfC1-Skript wird klar werden, warum wir tatsachlich n Losungen erwarten

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und erhalten mussen.) Offenbar ist die Betragsdifferenz (der Winkel) zwischen zweisukzessiven Losungen in der Gaußschen Zahlenebene immer gleich, namlich 2π/n, weshalbdie n Losungen einen Kreis um den Ursprung dieser Ebene in n gleiche Teile teilen. (InAbschnitt uber Polynome im MfC1-Skript wird außerdem klar werden, daß die Gesamtheitder Losungen genau dann spiegelsymmetrisch zur reellen Achse sein muß, wenn z1 reinreell ist; bei rein imaginarem oder komplexem z1 muß das nicht der Fall sein.)

Als Beispiel betrachten wir 3√

8 bzw. z3 = 8. Nach dem Ansatz Gln. 222,223 gilt also

r3ei3ϕ = 8eiπ(0+2k) (227)

und es ergibt sich

r =3√

8 = 2 (228)

ϕ =2k

3π fur k = 0, 1, 2 (229)

Einsetzen in z = reiϕ liefert die drei Losungen:

z0 = 2e0 = 2 (230)

z1 = 2e2iπ/3 (231)

z2 = 2e4iπ/3 = −2eiπ/3 = 2e−2iπ/3 (232)

Im

Rez =20

1

2z =−2e

z =2ei2 /3π

i /3π

Spezialfall: n-te Einheitswurzeln: Hier ist z1 = 1 und damit auch r1 = r2 = 1, d.h.alle Losungen liegen auf einem Einheitskreis um den Ursprung. Zudem ist ϕ1 = 0 unddamit ϕ2 = 2kπ/n; insbesondere liegt eine dieser Losungen (k = 0) also immer auf derreellen Achse, bei z = 1, und die ubrigen Losungen teilen den Kreis in gleiche Teile.In der komplexen Zahlenebene sind die n-ten Einheitswurzeln also sehr einfach graphischkonstruierbar, wie hier fur die sechs 6-ten Einheitswurzeln gezeigt:

60o

Im

Re

k=0

k=1k=2

k=3

k=4 k=5

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Quadratische Gleichungen mit komplexen Losungen

Durch geeignete Verwendung der Definition i =√−1 muß der obige, etwas aufwendige

Weg zur Bestimmung komplexer Wurzeln beim Losen quadratischer Gleichungen nichtbeschritten werden, wie dieses Beispiel zeigt:

Das Polynom z2 − z − 2 hat zwei reelle Nullstellen, die uber die “pq-Formel” Gl. 116leicht gefunden werden konnen:

z1,2 =1

2±√

1

4+ 2 =

1

2±√

9

4=

12

+ 32

= 212− 3

2= −1

(233)

Das minimal modifizierte Polynom z2−z+2 (dieselbe Parabel wie oben, aber soweit nachoben verschoben, daß die reelle x-Achse nicht mehr geschnitten wird) hat zwei komplexeNullstellen, die ebenfalls uber die “pq-Formel” Gl. 116 ermittelt werden konnen, mit fastdemselben Rechenweg:

z1,2 =1

2±√

1

4− 2 =

1

2±√−7

4=

1

2±√

(−1) · 7

4=

1

2±√−1

√1

4

√7 =

1

2± i 1

2

√7 (234)

Daß hier z2 = z∗1 gilt, ist kein Zufall; man kann zeigen, daß komplexe Nullstellen vonPolynomen mit rein reellen Koeffizienten immer in solchen zueinander komplex-konjugiertenPaaren auftreten (wie auch schon in Gl. 190 und beim auf S. 28 behandelten Fall z3 = 8).

7 Funktionen

7.1 Funktionsbegriff

Eine reelle Funktion einer reellen Variablen ist eine Vorschrift, die jedem Element xeiner reellen Zahlenmenge eindeutig ein Element y = f(x) einer reellen Zahlenmengezuordnet (nicht-eindeutige Zuordnungen sind keine Funktionen, sondern Relationen). Dabeikann die unabhangige Variable x frei aus dem Definitionsbereich D gewahlt werden. Dieresultierenden Werte der abhangigen Variablen y liegen dann im Wertebereich W.

D

Wy=f(x)

x

y

x0

y0,1

y0,2

x

y

Relation

Darstellungsmoglichkeiten von Funktionen: graphisch, tabellarisch, algebraisch. Die alge-braische Darstellung kann explizit (y = f(x)) oder implizit (F (x, y) = 0) sein; im letzteren

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Fall ist besonders auf Eindeutigkeit zu achten. Als Beispiel dazu betrachten wir diefolgende implizite Verknupfung zwischen x und y:

x− y2 − 1 = 0 (235)

Sie kann offenbar umgeformt werden zu

y2 = x− 1 (236)

ist dann aber immer noch implizit, da nicht y sondern nur y2 direkt gegeben ist. BeiBeschrankung auf reelle Zahlen ist nach Gl. 236 der Definitionsbereich offenbar immer

D = x ∈ R |x ≥ 1 (237)

Durch Einschrankung des Wertebereichs lassen sich hier (eindeutige) Funktionen gewinnen:Beschrankung auf

W = y ∈ R | y ≥ 0 liefert y = +√x− 1 (238)

W = y ∈ R | y ≤ 0 liefert y = −√x− 1 (239)

was dem positiven bzw. negativen Teilast einer liegenden Parabel entspricht:

-2

-1.5

-1

-0.5

0

0.5

1

1.5

2

0 1 2 3 4 5

sqrt(x-1)-sqrt(x-1)

Beide Teilaste zusammen waren durch

y = ±√x− 1 (240)

gegeben, was jedoch offenbar keine Funktion ist, da ein gegebenes x i.A. nicht eindeutigein einziges y bestimmt.

7.1.1 Elementare Eigenschaften von Funktionen

Symmetrie: gerade/ungerade

Gerade Funktionen sind achsensymmetrisch zur y-Achse:

f(x) = f(−x) (241)

Ungerade Funktionen sind punktsymmetrisch zum Ursprung:

f(x) = −f(−x) (242)

(jeweils fur alle x ∈ D).

Als Beispiel betrachten wir y = x2 fur eine gerade Funktion und y = x3 fur eine ungeradeFunktion (siehe Abbildung). Etwas allgemeiner sind alle Funktionen y = x2n (mit n ∈ Z)gerade und alle Funktionen y = x2n+1 ungerade.

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-2

-1.5

-1

-0.5

0

0.5

1

1.5

2

-1 -0.5 0 0.5 1

x**2

x**3

Naturlich gibt es auch Funktionen, die weder gerade noch ungerade sind. Fur sie giltfolgender Satz:

Satz: Jede Funktion laßt sich als Summe einer geraden Funktion g(x) undeiner ungeraden Funktion u(x) darstellen.

Fur jedes f(x) gilt also:f(x) = g(x) + u(x) (243)

Wegen der Definition von g(x) und u(x) folgt daraus:

f(−x) = g(x)− u(x) (244)

Durch Bildung der Summe bzw. Differenz dieser beiden Gln. 243 und 244 ergeben sichdiese allgemeinen Bestimmungsgleichungen fur g(x) und u(x):

g(x) =1

2(f(x) + f(−x)) (245)

u(x) =1

2(f(x)− f(−x)) (246)

Symmetrie: Periodizitat

Eine Funktion mit der Eigenschaft

f(x) = f(x+ p) fur alle x ∈ D (247)

heißt periodisch mit der Periode p. Dies entspricht einer Translationssymmetrie in Richtungder x-Achse.

Monotonie

Eine Funktion y = f(x) heißt in eine Intervall [a, b]

streng monoton steigend , wenn f(x1) < f(x2) (248)

monoton steigend , wenn f(x1) ≤ f(x2) (249)

streng monoton fallend , wenn f(x1) > f(x2) (250)

monoton fallend , wenn f(x1) ≥ f(x2) (251)

fur alle x1 < x2 im Intervall [a, b] gilt.

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7.1.2 Umkehrfunktion

Eine Funktion y = f(x) bildet die unabhangige Variable x auf die abhangige Variable yab:

xf−→ y (252)

Die dazugehorige Umkehrfunktion (inverse Funktion) y = f−1(x) bildet y auf x ab:

yf−1−−→ x (253)

Um die Konvention beizubehalten, daß die unabhangige Variable x und die abhangigeVariable y heißt, kann man in Gl. 253 auch die Variablennamen vertauschen:

xf−1−−→ y (254)

was naturlich nichts daran andert, was f−1 bewirkt. Insbesondere macht f die Wirkungvon f−1 ruckgangig (bzw. umgekehrt):

f(f−1(x)) = f−1(f(x)) = x (255)

Graphisch entspricht die Bildung der Umkehrfunktion einer Spiegelung an der 1. Win-kelhalbierenden (Gerade y = x). Entsprechend vertauschen sich bei der Bildung derUmkehrfunktion Definitions- und Wertebereich.

Wegen der notwendigen Eindeutigkeit jeder Funktion ist jedoch zu beachten, daß eineFunktion nur in einem Bereich umgekehrt werden kann, in dem sie streng monoton ist(streng monoton steigend oder streng monoton fallend). Nur dort existiert eine eineindeutige(umkehrbar eindeutige) Zuordnung zwischen x und y.

Daher ist folgendes Praxisrezept fur die Bildung der Umkehrfunktion einzuhalten:

• Uberprufung der Monotie-Eigenschaften der Funktion f(x);ggf. Auswahl eines streng monotonen Intervalls;

• Vertauschung von x und y;

• Auflosen nach y.

Wie schon in Kapitel 3 erwahnt, gilt das Grundprinzip der Gleichungsumformung auchdafur, daß man rechts und links des Gleichheitszeichens dieselbe Funktion wirken laßt(naturlich jeweils auf den gesamten Ausdruck auf der rechten bzw. linken Seite). BeiPaaren von Funktionen und Umkehrfunktionen ist das eine wichtige Methode zum Losenvon Gleichungen: Seien f(x) und g(x) Umkehrfunktionen voneinander, und es sei diefolgende Gleichung gegeben:

g(x) = a (256)

mit einem mehr oder weniger komplizierten, aber gegebenen Ausdruck a, wahrend dieUnbekannte x zu bestimmen ist. Die notige Auflosung von Gl. 256 nach x laßt sichoffenbar sehr leicht dadurch erreichen, daß man die Funktion f(.) rechts und linksanwendet (der Punkt in Klammern ist durch das zu ersetzen, worauf die Funktion wirkt):

g(x) = a∣∣ f(.) (257)

32

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f(g(x)

)= x = f(a) (258)

Besonders angenehm ist dabei, daß man beim kompliziert erscheinenden Ausdruck f(g(x)

)uberhaupt gar nichts rechnen muß. Sobald man nur weiß, daß f(.) die Umkehrfunktionvon g(.) ist, gilt auf jeden Fall f

(g(x)

)= x.

Naturlich laßt sich dies auch als Zwischenschritt in komplizierteren Umformungen anwenden,z.B.:

g(√x3) = cos(7πa)

∣∣ f(.) (259)√x3 = f

(cos(7πa)

)(260)

wonach dann weitere Umformungen notig sind, um x auf der linken Seite tatsachlich zuisolieren.

7.2 Funktionenklassen

7.2.1 Ganze rationale Funktionen (Polynome)

Ein Polynom Pn(x) des Grades n in der Variablen x ist definiert als:

y = Pn(x) =n∑k=0

ak xk mit k, n ∈ N, ak ∈ R, an 6= 0 und ak = 0 fur k ≥ n+ 1 (261)

Von großer theoretischer und praktischer Bedeutung sind die Nullstellen der Polynome.Fur Polynome 1. und 2. Grades gibt es einfache Formeln fur die Nullstellen:

a0 + a1x = 0 → x = −a0/a1 (262)

a0 + a1x+ a2x2 = 0 → x1,2 =

1

2a2

(−a1 ±

√a21 − 4a0a2

)(263)

x2 + px+ q = 0 → x1,2 = −p2±√p2

4− q (264)

Fur Polynome 3. und 4. Grades existieren ebenfalls allgemeine Formeln, die jedochkomplizierter in Aussehen und Anwendung sind. Fur diese Falle wie auch fur Polynome5. und hoheren Grades empfiehlt sich in der Praxis das Raten von Nullstellen und dasAbspalten geratener Nullstellen durch Polynomdivision (s.o.).

7.2.2 Gebrochen rationale Funktionen

Gebrochen rationale Funktionen sind Quotienten aus rationalen Funktionen (Polynomen):

y = Rnm(x) =

Pn(x)

Qm(x)(265)

mit einem Zahlerpolynom Pn(x) des Grades n und einem Nennerpolynom des Grades m(n,m ∈ N0, wobei fur m = 0 offenbar die gebrochen rationale Funktion zu einer ganzenrationalen Funktion (Polynom) entartet).

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Der Grad der Gesamtfunktion ist unklar; als praktisch sinnvoller erweist sich die Frage,wie sich der Grad des Zahler- und Nennerpolynoms unterscheiden: Bei echt gebrochenrationalen Funktionen gilt m > n. Im Grenzfall x → ±∞ gilt daher y → 0, d.h. diex-Achse (y = 0) ist (waagerechte) Asymptote.

Im Fall n ≥ m liegt eine unecht gebrochen rationale Funktion vor. Sie kann durchPolynomdivision in eine Summe aus einer ganzen rationalen Funktion (Polynom) undeiner echt gebrochen rationalen Funktion umgeformt werden. Da der echt gebrochenrationale Anteil fur x → ±∞ gegen Null geht (s.o.), stellt der ganze rationale Anteildie asymptotische Naherungskurve dar. Bei n = m ist dies wiederum eine waagerechteAsymptote (y = const., allerdings i.A. verschieden von y = 0), bei n = m+ 1 eine Gerade(schrage Asymptote), in anderen Fallen ein asymptotisches Naherungspolynom hohererOrdnung.

Nullstellen des Zahlerpolynoms sind Nullstellen der Gesamtfunktion, wenn das Nennerpo-lynom an diesen Stellen verschieden von Null ist.

An den Nullstellen des Nennerpolynoms ist die Gesamtfunktion nicht definiert. Wenn eine(einfache oder mehrfache) Nullstelle x = r des Nenners auch (einfache oder mehrfache)Nullstelle des Zahlers ist, konnen entsprechende (einfache oder mehrfache) Faktoren (x−r)aus Zahler und Nenner abgespalten und herausgekurzt werden. Verschwindet dadurch dieseNullstelle aus Zahler und Nenner vollstandig, bezeichnet man diese Stelle als hebbareUnstetigkeit (stetig behebbare Unstetigkeitsstelle). Verbleiben danach Faktoren (x− r) imZahler, liegt eine echte Nullstelle der Gesamtfunktion bei x = r vor. Verbleiben danachFaktoren (x− r) im Nenner, handelt es sich bei x = r um eine (einfache oder mehrfache)Polstelle. An dieser Stelle geht die Funktion gegen +∞ oder −∞. Tritt der Faktor(x − r) im Nenner k-fach auf und ist k eine ungerade Zahl, handelt es sich um eineungerade Polstelle, an der die Funktion ihr Vorzeichen wechselt. Anderenfalls liegt einegerade Polstelle ohne Vorzeichenwechsel vor.

7.2.3 algebraische Funktionen

Eine algebraische Funktion laßt sich durch einen (nicht notwendigerweise nach y auflosbaren)analytischen Ausdruck der Form

n∑i=1

P(i)k (x) · yi = 0 (266)

(streng genommen ist dies eine notwendige, im Rellen aber nicht hinreichende Bedingung).Dabei ist Pk(x) ein Polynom des Grades k in der Variable x. Der hochgestellte Index(i) soll andeuten, daß jede Potenz yi mit einem anderen Polynom multipliziert werdenkann. Der Grad dieser algebraischen Funktion ist max(i+k). Wichtig an dieser Definitionist auch, daß die Summe nur endlich viele Terme enthalt.

Anders ausgedruckt ist jede Funktion algebraisch, die sich durch endlich viele Anwen-dungen von Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division, Potenzieren und Radizierenaus Konstanten und Potenzen von x bilden laßt.

Zum Beispiel ist y = xa mit a ∈ Q eine rationale Funktion, ax mit x ∈ R jedoch imallgemeinen nicht (da Funktionen wie ex in der Regel nur durch eine Potenzreihe mitunendlich vielen Termen darstellbar ist, siehe Taylorreihe im MfC1-Skript.

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Als weitere, illustrative Beispiele und Gegenbeispiele betrachten wir:

y =√

1− x2 ⇒ y2 + x2 − 1 = 0 (267)

oder allgemeinery = xm/n = n

√xm ⇒ yn − xm = 0 (268)

Beide Funktionen sind irrational (und damit algebraisch); sie waren rational, wenn ystatt y2 bzw. yn auftreten wurde. Die Funktion

y = |x| =

x fur x ≥ 0−x fur x < 0

(269)

ist nicht algebraisch, weil sie sich wegen der Betragsbildung und der damit verbun-denen Fallunterscheidung nicht in geschlossener (

”einzeiliger“) Form hinschreiben laßt.

Transzendente Funktionen wie

y = sinx = x− x3

3!+x5

5!−+ · · · (270)

sind nicht algebraisch, da ihre Potenzreihendarstellung (Taylorreihe) unendlich viele Gliederhat.

7.2.4 transzendente Funktionen

Funktionen, die nicht algebraisch (also transzendent) sind, sind nicht notwendig auf denersten Blick exotisch, weder in ihrem Funktionsverlauf noch in ihrer Definition oder ihrerpraktischen Bedeutung. Fur unsere Zwecke wichtig sind nur einige wenige transzendenteFunktionen, die im folgenden vorgestellt werden.

Winkelfunktionen und ihre Umkehrfunktionen

Die Winkelfunktionen sind uber Streckenverhaltnisse am Einheitskreis definiert:

0

1

1

1

x

1

a=cos x

tan x

cot x

ϕ

b=sin x

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Dabei sind Sinus und Cosinus definiert als:

sinx :=Gegenkathete

Hypothenuse=b

1= b (271)

cosx :=Ankathete

Hypothenuse=a

1= a (272)

Tangens und Cotangens ergeben sich durch geeignete Anwendung des Strahlensatzes:

tanx =tanx

1=b

a=

sinx

cosx(273)

cotx =cotx

1=a

b=

cosx

sinx(274)

Ein voller Umlauf um den Einheitskreis entspricht einem Winkel von 360 bzw. einemBogenmaß von 2π, daher konnen Winkel ϕ und Bogenmaß x mit Hilfe der Beziehung

x

2π=

ϕ

360bzw.

x

π=

ϕ

180(275)

ineinander umgerechnet werden und gelten als gleichberechtigte Argumente der Winkelfunk-tionen. Aus demselben Grund sind Sinus und Cosinus periodisch mit einer Periodenlangevon 2π und haben einen Wertebereich von [−1,+1]. Tangens und Cotangens haben einePeriodenlange von π und einen Wertebereich von [−∞,+∞]. Mit k ∈ Z gilt also:

sin(x) = sin(x+ 2kπ) , cos(x) = cos(x+ 2kπ) (276)

tan(x) = tan(x+ kπ) , cot(x) = cot(x+ kπ) (277)

Dies sind die Funktionsverlaufe von Sinus und Cosinus:

-1

-0.5

0

0.5

1

-1 0 1 2 3 4 5 6 7

sin(x)cos(x)

Einige spezielle Werte von Sinus und Cosinus sind:

ϕ 0 30 45 60 90

x 0 π/6 π/4 π/3 π/2

0 12

12

√2 1

2

√3 1

sinx √02

√12

√22

√32

√42

1 12

√3 1

2

√2 1

20

cosx √42

√32

√22

√12

√02

(278)

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(Die alternativen Schreibweisen in den zweiten Zeilen sind dabei nur als mnemonischeHilfe gedacht.) Graph und Tabelle lassen einige wichtige Beziehungen erahnen:

sin(π − x) = sin(x) (279)

cos(π − x) = cos(−x) (280)

sin(x+π

2) = cos(x) (281)

cos(x− π

2) = sin(x) (282)

sin(−x) = − sin(x) (283)

cos(−x) = cos(x) (284)

Dabei erlauben Beziehungen wie Gln. 279 und 280 die Erweiterung Tabelle Gl. 278 aufandere Argumentbereiche. Die Gln. 281 und 282 zeigen, daß Sinus und Cosinus denselbenFunktionsgraphen haben und lediglich gegeneinander um π/2 phasenverschoben sind. DieGln. 283 bzw. 284 zeigen, daß der Sinus eine ungerade und der Cosinus eine geradeFunktion sind (diese zusatzliche Symmetrie erklart zusammen mit der Periodizitat ihreneinfachen und asthetisch ansprechenden Funktionsverlauf).

Die vielleicht wichtigste Beziehung zwischen Sinus und Cosinus ist:

sin2 x+ cos2 x = 1 (285)

Sie ergibt sich in trivialer Weise aus dem Satz des Pythagoras am Einheitskreis (s.obige Skizze), erlaubt aber spater an sehr vielen Stellen eine praktische Umrechnung vonSinus-Ausdrucken in Cosinus-Ausdrucke bzw. umgekehrt.

Zahlreiche sog. Winkeladditionstheoreme

sin(x+ y) = sinx cos y + cosx sin y (286)

cos(x+ y) = cosx cos y − sinx sin y (287)

(288)

und Halbwinkelsatze

sin(2x) = 2 sinx cosx (289)

cos(2x) = cos2 x− sin2 x = 2 cos2 x− 1 = 1− 2 sin2 x (290)

erlauben weitere Umrechnungen. Diese Satze sind jedoch mit Hilfe des Zusammenhangszwischen den Winkelfunktionen und der komplexen Exponentialfunktion eix erheblich besserverstandlich (s. MfC2).

Dies sind die Funktionsverlaufe von Tangens und Cotangens:

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-10

-5

0

5

10

-2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7

tan(x)cot(x)

Einige spezielle Werte von Tangens und Cotangens sind:

ϕ 0 30 45 60 90

x 0 π/6 π/4 π/3 π/2

tanx 0 13

√3 1

√3 ±∞

cotx ±∞√

3 1 13

√3 0

(291)

Per Definition gilt offensichtlicherweise:

tan(x) · cot(x) = 1 (292)

weshalb vielerorts der Cotangens gar nicht als eigenstandige Funktion aufgefuhrt wird.Tangens und Cotangens sind beide(!) ungerade:

tan(−x) = − tan(x) , cot(−x) = − cot(x) (293)

Auch fur Tangens und Cotangens lassen sich Winkeladditionstheoreme aufstellen:

tan(x+ y) =tanx+ tan y

1− tanx tan y(294)

cot(x+ y) =cotx cot y − 1

cotx+ cot y(295)

Die inversen Winkelfunktionen (auch zyklometrische Funktionen genannt) sind ihrerseitsauch wieder transzendente Funktionen (tatsachlich gilt dies generell: Umkehrfunktionentranszendenter Funktionen sind ebenfalls transzendente Funktionen). Daher konnen wirnicht erwarten, diese Funktionen aus bekannten, einfachereren Funktionen im Sinneeiner algebraischen Funktion zusammensetzen zu konnen, sondern mussen sie als neuetranszendente Funktionen definieren.

Dabei ist zu beachten, daß alle Winkelfunktionen nur abschnittsweise streng monoton sind,dies aber in zahlreichen, sich wiederholenden Abschnitten. Daher muß eine Vereinbarunggetroffen werden, welchen dieser streng monotonen Abschnitte man jeweils invertieren will.Ublicherweise einigt man sich so:

y = sinx streng monoton steigend in [−π2,π

2] ⇒ Umkehrfunktion: y = arcsinx

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y = cosx streng monoton fallend in [0, π] ⇒ Umkehrfunktion: y = arccosx

Der willkurlich auf das Intervall [−π2, π2] beschrankte Definitionsbereich des Sinus wird

zum Wertebereich des Arcus sinus, dessen Definitionsbereich dementsprechend das Intervall[−1,+1] ist:

-2

-1.5

-1

-0.5

0

0.5

1

1.5

2

-1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5

sin(x)arcsin(x)

y=x

Eine gedankliche Fortsetzung der beiden Funktionsgraphen in diesem Bild macht klar,daß eine andere Wahl eines streng monotonen Intervalls an diesem Definitionsbereichnichts andern wurde und lediglich den Wertebereich um positive oder negative Vielfachevon π verschieben wurde, was dann entsprechend andere Werte als die hier gezeigtenHauptwerte liefern wurde.

Analoges gilt fur den Arcus cosinus:

-1.5

-1

-0.5

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

-1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3

cos(x)arccos(x)

y=x

Er hat naturlich denselben Definitionsbereich [−1,+1] und ist hier mit seinen Hauptwertenim ublichen Wertebereich gezeigt.

Analog wird bei Tangens und Cotangens verfahren. Hier ist die Wahl streng monotonerAbschnitte durch die Polstellen dieser Funktionen quasi bereits vorgegeben. Konventionellwahlt man:

y = tanx streng monoton steigend in ]− π

2,π

2[ ⇒ Umkehrfunktion: y = arctanx

y = cotx streng monoton fallend in ]0, π[ ⇒ Umkehrfunktion: y = arccot x

Man erhalt damit folgende Funktionsverlaufe fur den Arcus tangens und den Arcuscotangens:

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-4

-2

0

2

4

-4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4

tan(x)arctan(x)

y=x

-4

-2

0

2

4

-4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4

cot(x)arccot(x)

y=x

Wie schon beim Cotangens selber laßt sich die Existenzberechtigung auch des Arcuscotangens als eigenstandige Funktion bezweifeln, da eine enge Beziehung zum Arcustangens besteht, wie sich leicht zeigen laßt: Ausgehend von

y = arctan(x) (296)

erhalten wir durch Anwendung der Umkehrfunktion tan(.) auf beiden Seiten:

x = tan(y) = cot(π

2− y)

(297)

Im zweiten Schritt wurde dabei folgender Zusammenhang zwischen Tangens und Cotangensverwendet, der aus obigen Funktionsgraphen offensichtlich ist:

tanx = cot(π

2− x)

(298)

Anwendung des arccot auf beiden Seiten von Gl. 297 liefert schließlich den gesuchtendirekten Zusammenhang:

arccot x =(π

2− y)

2− arctanx (299)

Exponential- und Logarithmusfunktion

Der naturliche Logarithmus kann formal eingefuhrt werden durch das bestimmte Integral(siehe MfC1-Skript) der Funktion y = 1/x:

lnu =

u∫1

dx

x(300)

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

0 1 2 3 4 5u

y=1/x

f(u) = ln u

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Der Definitions- und der Wertebereich von lnx sind

D = x ∈ R|x > 0 , W = R (301)

und die Funktion ist uberall in ihrem Definitionsbereich streng monoton steigend:

-3

-2.5

-2

-1.5

-1

-0.5

0

0.5

1

1.5

2

0 1 2 3 4 5

ln(x)

Es gilt

ln 1 = 0 (302)

lnx < 0 fur 0 < x < 1 (303)

lnx > 0 fur x > 1 (304)

Zum Beweis der sogenannten Haupteigenschaft des Logarithmus betrachten wir folgendeGraphik mit drei Flacheninhalten unter dem Funktionsgraphen von y = 1/x:

F3

F1 F

2

(1/u,u)

(1,1)

(uv,1/uv)(v,1/v)

(u,1/u)

y=1/x

Offenbar gelangen wir von F1 zu F2 durch Streckung der x-Koordinaten um den Faktorv und Stauchung der y-Koordinaten um den Faktor 1/v. Da wir zur Berechnung desFlacheninhalts x- und y-Koordinaten miteinander multiplizieren mussen (auch bei Flachenmit gekrummten Randern, siehe MfC1-Skript), bleibt bei dieser Operation der Flacheninhaltgleich: F1 = F2. Also gilt:

ln(u · v) = lnu+ ln v (305)

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Analog erfolgt beim Ubergang von F1 zu F3 eine Stauchung der x-Koordinaten um denFaktor 1/u und eine Streckung der y-Koordinaten um den Faktor u, sodaß auch dieseOperation flachentreu ist: F1 = F3. Daraus folgt:

lnu = − ln1

u(306)

(wobei sich das Minuszeichen aus der Vertauschung der Integralunter- und -obergrenzenergibt, siehe MfC1-Skript). In Kombination von Gln. 305 und 306 erhalten wir außerdem:

ln(uv

)= lnu− ln v (307)

Etwas salopp ausgedruckt wird also unter dem Logarithmus aus einer Multiplikation eineAddition bzw. aus einer Division eine Differenz. Durch wiederholte Anwendung von Gl.305 ergibt sich schließlich:

ln(un) = ln(un−1 · u) = ln(un−1) + lnu

= ln(un−2) + lnu+ lnu = ln(un−2) + 2 lnu = · · · · · · = n · lnu (308)

womit wir eine Regel fur den Umgang mit Logarithmen von Potenzen erhalten:

ln(un) = n · lnu (309)

Da die naturliche Logarithmusfunktion uberall streng monoton steigend ist, kann sie alsganzes invertiert werden und liefert als Umkehrfunktion die Exponentialfunktion zur Basise (wobei e die Eulersche Zahl ist, mit e = limn→∞(1 + 1/n)n ≈ 2.7182818 . . .):

-4

-2

0

2

4

-4 -2 0 2 4

exp(x)ln(x)y=x

Wie bei der Bildung der Umkehrfunktion ublich vertauschen sich Definitions- und Wer-tebereich:

D = R , W = x ∈ R|x > 0 (310)

und naturlich gilt auch hier Gl. 255 (wie fur jedes Paar aus Funktion und zugehorigerUmkehrfunktion):

ln(ex) = x , elnx = x (311)

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Die Haupteigenschaft der Exponentialfunktion

ea · eb = ea+b (312)

folgt direkt aus der Haupteigenschaft der Logarithmusfunktion Gl. 305 und der Umkehr-funktionsbeziehung Gl. 311:

ea · eb = α · β = eln(α·β) = elnα+lnβ = ea+b (313)

wobei folgende Abkurzungen verwendet wurden:

α = ea , β = eb , a = lnα , b = ln β (314)

In ahnlicher Weise laßt sich zeigen:

ea

eb= ea−b (315)

en·a = (ea)n = (en)a (316)

Die Funktion y = ex = exp(x) ist nur eine spezielle Exponentialfunktion, namlich die zurBasis e. Als Basis sind auch beliebige andere Zahlen a ∈ R (mit a 6= 0) moglich. Gezeigtsind hier einige Beispiele mit a > 0:

0

2

4

6

8

10

-4 -2 0 2 4

e^x

1.5^x

1^x

0.5^x

(wobei der Fall a = 1 strenggenommen keine Exponentialfunktion liefert, sondern diekonstante Funktion y = 1). Exponentialfunktionen mit 0 < a < 1 sind streng monotonfallend, solche mit a > 1 streng monoton steigend. (Negative a-Werte sind problematisch,wie man aus (−a)x = (−1)xax (bei a > 0) sehen kann.) Eine Umrechnung zwischen diesenFunktionen laßt sich wiederum mit Hilfe der Haupteigenschaften und dem Zusammenhangmit der Logarithmusfunktion erzeugen:

ax = eln ax

= ex ln a = e(ln a)·x

= (eln a)x = (ex)ln a

Notig fur die Umrechnung zwischen der Exponentialfunktion zur Basis e und Exponen-tialfunktionen zu anderen Basen ist also die Zahl ln a = loge a.

Analog dazu ist der naturliche Logarithmus nur eine spezielle Logarithmusfunktion, namlichzur Basis e. Als Basis sind auch beliebige andere Zahlen a ∈ R (mit a > 0 und a 6= 1)moglich, was man dann als loga(x) notiert (also ist ln(x) = loge(x)):

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-4

-2

0

2

4

0 2 4 6 8 10

ln(x)log_1.5(x)

log_1.01(x)log_0.5(x)

Eine Umrechnung zwischen diesen unterschiedlichen Logarithmusfunktionen ergibt sich ausx = exp(lnx) durch Bildung des loga auf beiden Seiten und Anwendung von Gl. 309:

loga x = loga elnx = lnx · loga e (317)

Notig fur die Umrechnung zwischen dem naturlichen Logarithmus und Logarithmen zuanderen Basen ist also die Zahl loga e. Sie hangt mit der oben verwendeten Zahlln a = loge a zur Umrechnung zwischen den Exponentialfunktionen auf einfache Weisezusammen:

loga e =1

loge a=

1

ln a(318)

wie sich leicht herleiten laßt:

1 = loga a = loga eln a = ln a · loga e (319)

Aus der damit umgeschriebenen Gl. 317

loga x =lnx

ln a(320)

und dem Funktionsverlauf bzw. Definitionsbereich von y = lnx wird retrospektiv klar,warum wir weiter oben negative Zahlen a als Basis fur Logarithmen ausschließen mußtenund warum a = 1 als Basis auch nicht funktionieren kann (im obigen Graphen wurdestattdessen a = 1.01 verwendet!).

Die Haupteigenschaft(en) der Logarithmusfunktion lassen sich haufig einsetzen, um kompli-ziert erscheinende Termumformungen oder Gleichungsauflosungen zu bewerkstelligen. ZumBeispiel ist die folgende Gleichung nach a aufzulosen:

2a+1√

27 = 3a (321)

Diese scheinbar hoffnungslose Aufgabenstellung wird einfach, wenn man beide Seitenlogarithmiert. Da die Zahlen 27 und 3 vorkommen, bietet sich der Logarithmus zur Basis3 an:

2a+1√

27 = 271/(2a+1) = 3a∣∣ log3(.) (322)

1

2a+ 1log3(27) = a log3(3) (323)

44

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Um von Gl. 322 zu Gl. 323 zu kommen, wurde die Haupteigenschaft Gl. 309 verwendet.Die Auswertung der Logarithmusausdrucke in Gl. 323 ist fur die Basis 3 trivial, ebensowie die nachfolgenden Umformungen:

3

2a+ 1= a

∣∣ · (2a+ 1) (324)

3 = 2a2 + a∣∣ − 3

∣∣ : 2 (325)

a2 + 12a− 3

2= 0 (326)

a1/2 = −14±√

116

+ 32

(327)

= −14±√

116

+ 2416

(328)

= −14±√

2516

(329)

= −14± 5

4(330)

(331)

Damit hat Gl. 321 die beiden Losungen

a1 = 1 , a2 = −32

(332)

Tatsachlich war die scheinbar raffinierte Wahl des Logarithmus zur Basis 3 unnotig. Davonkann man sich leicht uberzeugen, wenn man eine andere Basis verwendet, zum Beispielden naturlichen Logarithmus (zur Basis e):

2a+1√

27 = 3a∣∣ ln(.) (333)

1

2a+ 1ln(27) = a ln(3)

∣∣ · (2a+ 1)∣∣ : ln(3) (334)

ln(27)

ln(3)=

ln(33)

ln(3)=

3 ln(3)

ln(3)= 3 = 2a2 + a (335)

Damit hat man offenbar wieder den Anschluß zu Gl. 325 gefunden und kann weiterverfahren wie oben bereits angegeben. Wie man an Gl. 335 sieht, ist die Erkenntnis27 = 33 der entscheidende Schritt, der diese Aufgabe so weit vereinfacht, daß sie ohneHilfsmittel (Taschenrechner, Computer) leicht losbar wird. Die Wahl der Logarithmusbasisspielt hier also keine Rolle. Wenn die in dieser Aufgabe auftauchenden Zahlen nicht 3 und27 gewesen waren, hatte es keine Chance gegeben, den Bruch ganz links in Gl. 335 durchKurzen von ln(3) zu vereinfachen. Mit einer numerischen Berechnung (Taschenrechner,Computer) dieses Bruchs ware aber derselbe Losungsweg trotzdem moglich gewesen.

Einige weitere Aufgaben ahnlicher Art:

x−1√

64 = 2x ⇒ x1 = 3, x2 = −2 (336)2q−3√

512 = 2 · 2q ⇒ q1 = 3, q2 = −32

(337)

Nur auf den ersten Blick sehen Aufgaben wie diese abstrus aus:

x = log 103

(81

10000

)(338)

Die Losung ist tatsachlich ziemlich trivial, wenn man sich daran erinnert, daß Gl. 311auch fur andere Basen als e gilt:

loga(ax) = x , aloga x = x (339)

45

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Damit erhalt man:

x = log 103

(81

10000

) ∣∣ 103

(.)(340)(

10

3

)x=

(10

3

)log10/3(81/10000)

=81

10000(341)(

3

10

)−x=

81

10000=

34

104(342)

Vergleich der linken und rechten Seite (oder wiederum Operieren mit log 103

) liefert die

gesuchte Antwort: x = −4. Ahnlich wie beim obigen Beispiel ist letztlich auch hier dieVerwendung von log 10

3unnotig: Unter Beachtung von Gl. 317 bzw. 320 laßt sich Gl. 338

auch mit Hilfe der naturlichen Exponential- und Logarithmusfunktionen exp(.) und ln(.)losen.

Mit dieser Grundidee ist auch die umgekehrte Aufgabenstellung problemlos:

logx(5) = 0.5∣∣ x(.) (343)

xlogx(5) = 5 = x0.5 = x1/2 =√x

∣∣ (.)2 (344)

x = 25 (345)

Die Exponentialfunktion ex ist die vielleicht haufigste Funktion in naturwissenschaftlichenZusammenhangen. Gleichungen mit Exponentialfunktionen lassen sich in geeigneten Fallendurch Logarithmieren losen:

(2− ex)2 = (ex − 3)2 (346)

4− 4ex + e2x = e2x − 6ex + 9∣∣ − e2x (347)

4− 4ex = −6ex + 9 (348)

2ex = 5 (349)

ex = 52

∣∣ ln(.) (350)

x = ln(52

)(351)

Bei Exponentialgleichungen, in denen auf ungeeignete Weise Summen/Differenzen vorkom-men, scheitert das Logarithmieren. Manchmal kann man aber eine solche Gleichung durchSubstitutionen losen: In der folgenden Gleichung

e2x − 3ex − 4 = 0 (352)

laßt sich keine Vereinfachung durch direktes Logarithmieren erreichen, weil die Summeaus mehreren Exponentialtermen dies verhindert. Weiter fuhrt jedoch die Substitutionex = u; man erhalt:

u2 − 3u− 4 = 0 (353)

Mit der Standard-Losungsformel Gl. 116 fur quadratische Gleichungen erhalt man darausdirekt die beiden Losungen in u:

u1 = 4 , u2 = −1 (354)

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Daraus konnen mit der Umkehrung der verwendeten Substitution, also mit x = ln(u), dieeigentlich interessierenden Losungen in x ermittelt werden. Fur die erste Losung ergibtsich:

x1 = ln(u1) = ln(4) (355)

(was ohne Taschenrechner nicht weiter ausgerechnet werden muß). Die entsprechendeBeziehung fur die zweite Losung

x2?= ln(u2) = ln(−1) (356)

liefert keine weitere Losung in x, weil -1 nicht im Definitionsbereich des naturlichenLogarithmus liegt.

Hyperbelfunktionen und ihre Umkehrfunktionen

Die Exponentialfunktion ex ist weder gerade noch ungerade. Wir konnen daraus abernach den Gln. 245 und 246 zwei verwandte Funktionen konstruieren, die sozusagen dengeraden und den ungeraden Anteil von ex darstellen. Dies sind die HyperbelfunktionenSinus hyperbolicus (ungerade) und Cosinus hyperbolicus (gerade):

y = sinhx :=1

2(ex − e−x) (357)

y = coshx :=1

2(ex + e−x) (358)

-10

-5

0

5

10

-4 -2 0 2 4

cosh(x)sinh(x)

Ahnlich zur Beziehung sin2 x + cos2 x = 1 bei den Winkelfunktionen (aber nicht ganzgenauso!) gilt hier:

cosh2 x− sinh2 x = 1 (359)

Die auf den ersten Blick etwas uberraschende Namensgebung dieser Funktionen wirdklarer, wenn man mit Hilfe des Eulerschen Satzes eiϕ = cosϕ + i sinϕ die komplexenErweiterungen der Sinus- und Cosinusfunktionen konstruiert (fur x ∈ C):

sinx =1

2i(eix − e−ix) (360)

cosx =1

2(eix + e−ix) (361)

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Abgesehen vom Auftreten der imaginaren Einheit i im Nenner des sin x sind dieoben definierten Hyperbelfunktionen nichts anderes als diese komplexen Sinus- bzw.Cosinusfunktionen fur rein imaginare Argumente x (geben also das Aussehen von Sinusbzw. Cosinus entlang der imaginaren Achse wieder).

Entsprechend zu den Winkelfunktionen tanx und cotx kann man weitere Hyperbelfunk-tionen konstruieren, den Tangens hyperbolicus und den Cotangens hyperbolicus:

y = tanhx :=sinhx

coshx=ex − e−x

ex + e−x(362)

y = cothx :=coshx

sinhx=ex + e−x

ex − e−x(363)

-4

-2

0

2

4

-4 -2 0 2 4

tanh(x)coth(x)

Wie aus ihren Definitionen ersichtlich sind alle vier Hyperbelfunktionen genaugenommenkeine eigenstandigen, neuen, transzendenten Funktionen, sondern konnen mit Hilfe derExponentialfunktion ausgedruckt werden. Daher ist es wenig uberraschend, daß die Um-kehrfunktionen der Hyperbelfunktionen zwar ebenfalls transzendent sind, aber auch keineneuen Funktionen sind, sondern mit Hilfe des naturlichen Logarithmus dargestellt werdenkonnen:

Die Funktion y = sinh x ist uberall streng monoton (steigend) und kann daher alsGanzes umgekehrt werden. Dies liefert als Umkehrfunktion y = arsinhx (Area SinusHyperbolicus). Wie angedeutet laßt sich dafur ausnahmsweise ein expliziter Ausdruck inbereits bekannten Funktionen konstruieren, indem wir auf die Definitionsgleichung vony = sinhx zuruckgreifen, die Variablennamen x und y vertauschen und nach y auflosen.Dabei erhalten wir zunachst:

2x = ey − e−y∣∣ · ey (364)

2x ey = e2y − 1 (365)

e2y − 2x ey − 1 = 0 (366)

Dies ist eine quadratische Gleichung in ey, mit den Losungen:

ey1,2 = x±√x2 + 1 (367)

Da der Wertebereich der Exponentialfunktion nur die positiven reellen Zahlen umfaßt,darf hier das negative Vorzeichen vor der Wurzel nicht berucksichtigt werden, also gibt

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es nur eine gultige Losung, die wir durch Anwendung des naturlichen Logarithmus aufbeiden Seiten erhalten:

y = arsinhx = ln (x+√x2 + 1) (368)

Bei der Umkehrung des Cosinus hyperbolicus mussen wir durch geeignete Beschrankungdes Definitionsbereichs entweder den linken (streng monoton fallenden) oder rechten (strengmonoton steigenden) Ast auswahlen und erhalten dann analog zum obigen Vorgehen diefolgenden zwei Ausdrucke fur den oberen und unteren Ast der Umkehrfunktion:

y = arcoshx = ln (x−√x2 − 1) (369)

= ln (x+√x2 − 1) (370)

In ahnlicher Weise erhalten wir fur die Umkehrfunktion des tanhx:

y = artanh(x) = ln

√1 + x

1− x=

1

2ln

1 + x

1− xfur |x| < 1 (371)

bzw. fur die Umkehrfunktion des cothx:

y = arcoth(x) = ln

√x+ 1

x− 1=

1

2lnx+ 1

x− 1fur |x| > 1 (372)

7.2.5 Funktionenklassenschema

Die folgende Gesamtubersicht zeigt die Einteilung elementarer Funktionen in unterschiedlicheKlassen, mit jeweils einem sehr einfachen Beispiel fur jede Funktionenklasse:

ganz rational, Polynom:y = f(x) = x

gebrochen rational:y = f(x) = 1

x

rational

irrational:y = f(x) =

√x

algebraisch

transzendent:y = f(x) = sinx

elementar (373)

Fur jede elementare Funktion laßt sich ein analytischer Ausdruck notieren, z.B. Kombi-nationen von Summen, Differenzen, Produkten, Quotienten, Exponenten und Wurzeln vonalgebraischen und transzendenten Funktionen. Fur nicht-elementare Funktionen ist keinsolcher analytischer Ausdruck moglich; ein pathologisches Beispiel fur eine nicht-elementareFunktion ist die Dirichletsche Funktion

y = f(x) =

1 fur x ∈ Q0 sonst.

(374)

7.3 Parameterdarstellung von Funktionen

Die am haufigsten verwendete Darstellung von Funktionen ist die explizite:

y = f(x) (375)

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Die Variablen x und y spielen hier keine symmetrischen Rollen, was der ublichenAuffassung entspricht, daß x die unabhangige und y die von ihr abhangige Variable ist.Eine evtl. vorliegende Mehrdeutigkeit ist i.d.R. leicht erkennbar. Umgekehrt ist wegendieser Eindeutigkeit z.B. die Darstellung eines Kreises durch eine einzige explizite Funktionnicht moglich. Allgemeiner gesagt sind Kurven mit Strecken parallel zur y-Achse nichtdarstellbar.

Bereits auf S. 30 wurde auf die implizite Darstellung verwiesen:

F (x, y) = 0 (376)

Sie ermoglich z.B. die geschlossene Darstellung eines Kreises durch eine einzige Gleichung.Dementsprechend sind Mehrdeutigkeiten evtl. nicht leicht erkennbar. Daruber hinaus sindKoordinaten einzelner Punkte (x, y) erst durch Losen einer oft komplizierten Gleichungzu erhalten.

Eine weitere Darstellungsmoglichkeit von Funktionen ist die Parameterform:

x = x(t) (377)

y = y(t) (378)

Offenbar braucht man dafur eine weitere Variable (hier t) und eine weitere Gleichung.Ein manchmal wichtiger Vorteil ist jedoch, daß die Kurve eine “Orientierung” erhalt:Wenn der Parameter t von t1 nach t2 (mit t2 > t1) lauft, durchlauft der PunktP (x(t)|y(t)) die Kurve in einer bestimmten Richtung (siehe Kurvenintegrale in MfC2).Unter Umstanden ist mit Hilfe der Parameterform auch eine leichte Erweiterung vonebenen Kurven auf Raumkurven moglich). Nachteilig ist, daß es offensichtlich fur jedeKurve stets unendliche viele Parameterdarstellungen gibt: Die Substitution t = t(τ) fuhrtzur Parameterdarstellung x = x(τ), y = y(τ). Dies kann jedoch auch ein Vorteil sein, damanche Parameterdarstellungen fur bestimmte Zwecke gunstiger sein konnen als andere(siehe Kurvenintegrale in MfC2).

Von einer Parameterform gelangt man durch Elimination des Parameters in die explizite(oder implizite) Form. Um von der expliziten Form zu einer Parameterform zu gelangen,setze man zunachst x = x(t) mit einer beliebigen Funktion x(t) (erlaubt ist z.B. auchx = t). Einsetzen dieser Beziehung in die explizite Form liefert dann die Vorschrifty = y(t).

Dies sei erlautert am Beispiel der (impliziten) Kreisgleichung

x2 + y2 = r2 (379)

mit einem beliebigen, aber fest vorgegebenen Radius r (dieses r ist kein Parameter imSinne dieses Abschnitts!). Wir wunschen uns nun eine beliebige Beziehung zwischen xund einem neu einzufuhrenden Parameter ϕ, zum Beispiel

x = r cosϕ (380)

Einsetzen in Gl. 379 liefertr2 cos2 ϕ+ y2 = r2 (381)

bzw. nach einigen elementaren Umformungen:

y2 = r2 − r2 cos2 ϕ (382)

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= r2(1− cos2 ϕ) (383)

= r2 sin2 ϕ (384)

y = r sinϕ (385)

Als Parameterdarstellung der Kreisgleichung haben wir damit folgendes gewonnen:

x = r cosϕ (386)

y = r sinϕ (387)

(Naturlich handelt es sich hier um die ublichen Polarkoordinaten.) Wenn der Parameterϕ von 0 bis 2π lauft, durchlauft der Punkt (x|y) die Kreisperipherie ausgehend vonder positiven x-Achse genau einmal im mathematisch positiven Drehsinn (gegen denUhrzeigersinn). (Hatten wir beim Ubergang von Gl. 384 zu Gl. 385 die negative stattder positiven Wurzel gewahlt, hatte sich hier der entgegengesetzte Umlaufsinn ergeben.)

Von dieser Darstellung Gln. 386,387 des Kreises mit dem Parameter ϕ konnten wir zuruckzur impliziten Form gelangen, indem wir ϕ eliminieren, entweder auf elegante Weise durchdie Erkenntnis, daß die Bildung von x2 + y2 zum gewunschten Ergebnis fuhrt:

x2 + y2 = r2(cos2 ϕ+ sin2 ϕ) = r2 (388)

oder auf weniger elegante Art, indem zunachst ϕ durch x ausgedruckt wird

x = r cosϕ ⇒ arccos(x/r) = ϕ (389)

was dann in die Beziehung Gl. 387 zwischen ϕ und y eingesetzt wird:

y = r sin(

arccosx

r

)= r

√1− cos2

(arccos

x

r

)= r

√1−

(xr

)2(390)

y2

r2= 1− x2

r2(391)

y2 = r2 − x2 (392)

Trotz des “schonen” Resultats war die Wahl von Gl. 380 als Zusammenhang zwischen xund ϕ vollig willkurlich. Unendlich viele andere Zusammenhange konnen gewahlt werdenund liefern dementsprechend vollig andere Parameterdarstellungen. Als Beispiel probierenwir

x = r2t

1 + t2(393)

als beliebiger neuer funktionaler Zusammenhang zwischen x und einem Parameter t. Diefur einen Kreis zugehorige Gleichung fur y lautet

y = r1− t2

1 + t2(394)

wie man sich durch Elimination leicht uberzeugen kann:

x2 + y2 = r2(

4t2

(1 + t2)2+

1− 2t2 + t4

(1 + t2)2

)= r2 (395)

Daß sich diese Parameterdarstellung Gln. 393,394 vollig anders verhalt als die vorige(Gln. 386,387), wird bereits am vollig anderen Umlaufverhalten klar: Wenn t von −∞

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bis +∞ lauft, durchlauft der Punkt (x|y) den Kreis genau einmal im Uhrzeigersinn,ausgehend von der negativen y-Achse (wovon man sich mit einer kleinen Wertetabelleschnell uberzeugen kann).

Streckt man den Kreis in x- bzw. y-Richtung um einen Faktor a′ bzw. b′, erhalt manaus der Parameterdarstellung Gln. 386,387 des Kreises die folgende Parameterdarstellungeiner Ellipse:

x = ra′ cosϕ = a cosϕ (396)

y = rb′ sinϕ = b sinϕ (397)

Elimination von ϕ fuhrt auf die bekannte implizite Gleichung der Ellipse:

x2

a2+y2

b2= cos2 ϕ+ sin2 ϕ = 1 (398)

Die Parameterdarstellung Gln. 386,387 des Kreises laßt sich sehr leicht zur Parameter-darstellung einer Spirale mit Ganghohe 2π erweitern:

x = r cosϕ (399)

y = r sinϕ (400)

z = ϕ (401)

Im Allgemeinen ergeben zwei Gleichungen in einem Parameter eine Kurve in der Ebenebzw. drei Gleichungen in einem Parameter eine Kurve im 3D-Raum. Analog ergeben dreiGleichungen in zwei Parametern eine Flache im 3D-Raum (siehe die Ebenengleichung inParameterform im MfC1-Skript, oder die Flachenintegrale in MfC2), etc.

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A Anhang

A.1 Griechische Buchstaben

Klein- und Großbuchstaben, sowie alternative Schreibungen fur einige Kleinbuchstaben:

α A alphaβ B betaγ Γ gammaδ ∆ deltaε ε E epsilonζ Z zetaη H etaθ ϑ Θ thetaι I iotaκ K kappaλ Λ lambdaµ M myν N nyξ Ξ xio O omikronπ $ Π piρ % R rhoσ ς Σ sigmaτ T tauυ Υ ypsilonφ ϕ Φ phiχ X chiψ Ψ psiω Ω omega

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