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Seite Wasser im Baugrund G.1 Lehrstuhl für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau G Wasser im Baugrund G.1 Grundwasserleiter und -stauer, Begriffe Poren in Lockergesteinen sowie vor allem Klüfte in Festgesteinen enthalten häufig Wasser. Innerhalb des Porenraumes im Boden erscheint Wasser auf verschiedene Art und Weise (Bild G01.10 ). Das freie Porenwasser des Grundwassers ist - vor allem infolge der Erdbeschleunigung - in Bewegung, dagegen ist Wasser in engen Zwickeln molekular an die Fest- stoffanteile im Boden gebunden (Bild G01.20 ). Je nach der Durchlässigkeit der Schichten spricht man von Grundwasserleiter n und Grundwasserstauer n. Schichten sind vor allem dann Grundwasserstauer, wenn von oben zutreten- des Wasser schneller seitlich abfließt als zur Tiefe. In einer Wechselfolge von Grundwasserleitern und Grundwasserstauern (Grundwasserträger) können sich daher mehrere Grundwas- serstockwerk e ausbilden. Nach DIN 4049-3 (Hydrologie, Teil 3: Begriffe zur quantitativen Hydrologie) werden verschiedene Erscheinungsformen des unterirdischen Wassers unterschieden. Aus wasserwirtschaftli- cher Sicht ist aber jeder Wassertropfen im Untergrund Grund- wasser und entsprechend dem Wasserhaushaltsgesetz der BRD dem Schutz der Allgemeinheit unterworfen: - (Geschlossenes) Grundwasser (Gw oder GW), wenn Hohl- räume (Poren, Klüfte, etc.) zusammenhängend wassererfüllt sind. Der GW-Horizont kann dabei ein freier GW-Spiegel oder ein Druckspiegel sein. Ein Druckspiegel ist einem ge- spannten Grundwasserkörper zuzuordnen, der sich in einem Grundwasserleiter gebildet hat und von einem Grundwas- serstauer überdeckt ist, der unter den Druckspiegel hinabreicht. - Artesisch gespanntes Grundwasser hat einen Druckspiegel, der topografisch bedingt über die Geländeoberfläche hinaus- reicht. Hier ist der GW-Träger von einer undurchlässigen Deckschicht überlagert, die ein Gefälle in der Unterfläche der Deckschicht aufweist oder es bestehen großräumige Was- serdruckschwankungen oberhalb der Deckschicht (Bild G01.30 ). Im Bild setzt sich der Gezeitenhub (Tidehub) des Meeres mit gedämpfter Amplitude und leichter Phasenver- schiebung in das GW hinein fort. - Sickerwasser , wenn sich das vor allem durch Niederschläge in den Boden eingespeiste Wasser oberhalb (vadose Zone) des geschlossenen Grundwasserkörpers durch Überwiegen der Schwerkraft abwärts bewegt. - Kluftwasser , wenn die vorgenannte Sickerung in einem dis- kontinuierlich durchlässigen Boden vonstatten geht. - Schichtwasser , das im Zusammenhang mit Grundwasser- stockwerken schichtspezifisch auftritt. - kapillar gehobenes Wasser , auch Haftwasser oder Kapillar- wasser genannt. - Porenwasser , das unabhängig von der Zuordnung zu einem der vorgenannten Phänomene im Boden mit einer bestimm- ten Sättigung vorhandene Wasser. Bild G01.10 : Erscheinungsformen des Wassers im Boden (SCHMIDT, 1978) Bild G01.20 : Größe der molekularen Kräfte in der Nähe der Kornoberfläche

Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

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Seite Wasser im Baugrund G.1

Lehrstuhl für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau

G Wasser im Baugrund

G.1 Grundwasserleiter und -stauer, Begriffe

Poren in Lockergesteinen sowie vor allem Klüfte in Festgesteinen enthalten häufig Wasser. Innerhalb des Porenraumes im Boden erscheint Wasser auf verschiedene Art und Weise (Bild G01.10). Das freie Porenwasser des Grundwassers ist - vor allem infolge der Erdbeschleunigung - in Bewegung, dagegen ist Wasser in engen Zwickeln molekular an die Fest-stoffanteile im Boden gebunden (Bild G01.20). Je nach der Durchlässigkeit der Schichten spricht man von Grundwasserleitern und Grundwasserstauern. Schichten sind vor allem dann Grundwasserstauer, wenn von oben zutreten-des Wasser schneller seitlich abfließt als zur Tiefe. In einer Wechselfolge von Grundwasserleitern und Grundwasserstauern (Grundwasserträger) können sich daher mehrere Grundwas-serstockwerke ausbilden. Nach DIN 4049-3 (Hydrologie, Teil 3: Begriffe zur quantitativen Hydrologie) werden verschiedene Erscheinungsformen des unterirdischen Wassers unterschieden. Aus wasserwirtschaftli-cher Sicht ist aber jeder Wassertropfen im Untergrund Grund-wasser und entsprechend dem Wasserhaushaltsgesetz der BRD dem Schutz der Allgemeinheit unterworfen: - (Geschlossenes) Grundwasser (Gw oder GW), wenn Hohl-

räume (Poren, Klüfte, etc.) zusammenhängend wassererfüllt sind. Der GW-Horizont kann dabei ein freier GW-Spiegel oder ein Druckspiegel sein. Ein Druckspiegel ist einem ge-spannten Grundwasserkörper zuzuordnen, der sich in einem Grundwasserleiter gebildet hat und von einem Grundwas-serstauer überdeckt ist, der unter den Druckspiegel hinabreicht.

- Artesisch gespanntes Grundwasser hat einen Druckspiegel, der topografisch bedingt über die Geländeoberfläche hinaus-reicht. Hier ist der GW-Träger von einer undurchlässigen Deckschicht überlagert, die ein Gefälle in der Unterfläche der Deckschicht aufweist oder es bestehen großräumige Was-serdruckschwankungen oberhalb der Deckschicht (Bild G01.30). Im Bild setzt sich der Gezeitenhub (Tidehub) des Meeres mit gedämpfter Amplitude und leichter Phasenver-schiebung in das GW hinein fort.

- Sickerwasser, wenn sich das vor allem durch Niederschläge in den Boden eingespeiste Wasser oberhalb (vadose Zone) des geschlossenen Grundwasserkörpers durch Überwiegen der Schwerkraft abwärts bewegt.

- Kluftwasser, wenn die vorgenannte Sickerung in einem dis-kontinuierlich durchlässigen Boden vonstatten geht.

- Schichtwasser, das im Zusammenhang mit Grundwasser-stockwerken schichtspezifisch auftritt.

- kapillar gehobenes Wasser, auch Haftwasser oder Kapillar-wasser genannt.

- Porenwasser, das unabhängig von der Zuordnung zu einem der vorgenannten Phänomene im Boden mit einer bestimm-ten Sättigung vorhandene Wasser.

Bild G01.10: Erscheinungsformen des Wassers im Boden (SCHMIDT, 1978)

Bild G01.20: Größe der molekularen Kräfte in der Nähe der Kornoberfläche

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Seite Wasser im Baugrund G.2

Bild G01.30: artesisch gespanntes Grundwasser Das Grundwasser wird primär von Niederschlägen gespeist. Der Schwerkraft gehorchend sickert es bis zum obersten Grundwasserstockwerk zur Tiefe. Dort fließt es entsprechend dem Verhältnis der vertikalen zur horizontalen Durchlässig-keit teils weiter zur Tiefe, überwiegend jedoch zur Seite dem nächsten Vorfluter zu. Natürliche Vorfluter sind Bäche, Flüs-se, Seen und das Meer. Dabei bildet sich eine geneigte Grundwasseroberfläche aus. Deren Gradiente richtet sich nach dem Potential des Zulaufs und des Vorfluters und ergibt sich zudem aus den abzutransportierenden Wassermengen sowie den Durchlässigkeiten der beteiligten Schichten. In der Nähe von Vorflutern kann in Hochwassersituationen das Grundwasser auch vom Vorfluter gespeist werden. Der Regelfall ist jedoch der Zufluss von Grundwasser zum Gewässer hin. Wenn ein freier Grundwasserspiegel die Geländeoberfläche schneidet, treten entweder Quellen aus oder es bildet sich ein offenes Gewässer. Das Grundwasser als natürliches Gut ist zu schützen, da es als Trinkwasser und Heilwasser nicht verschmutzt werden darf und einen wichtigen Puffer im Gesamtkreislauf des Wassers darstellt. Bauwerke können das GW beeinträchtigen. Folgende Forderungen sind zu stellen, um das Grundwasser im Zusammenhang mit dem Bauen zu schützen: - Grundwasserabsenkungen sind zu minimieren. - Abflusswege und Fließgeschwindigkeit des Grundwassers sollen erhalten bleiben. - Grundwassersperrschichten zwischen verschiedenen Grundwasserstockwerken dürfen nicht zerstört werden. - Durch Baumaßnahmen dürfen keine Verunreinigungen des Grundwassers entstehen.

G.2 Grundwassermessstellen

Um Grundwasserstände sowie ihre zeitliche und räumliche Vertei-lung zu ermitteln, werden im Zuge der Baugrunderkundung Grundwassermessstellen hergestellt. (Der auch verwendete Beg-riff "Pegel" sollte richtigerweise nur für Wasserstände von Ober-flächengewässern verwendet werden.) Dabei sind, sofern vor-handen, alle voneinander verschiedenen Grundwasserstockwerke separat zu erfassen. In Bohrungen, die Grundwasser erschließen, sind detaillierte Beobachtungen durchzuführen. Es ist festzuhal-ten, - in welcher Tiefe Grundwasser erstmalig angetroffen wurde, - ob und wie weit es anstieg, - ob nach einem Absperren der Wasserzutritte durch eine Ver-

rohrung erneut Wasser angetroffen wurde und anstieg, - ob, wie, wann und unter welchen Randbedingungen sich

Wasserstände im Bohrloch veränderten. Diese Beobachtungen sind im Zusammenhang mit dem Schich-tenaufbau sowie mit Kenntnis möglicher wasserführender Schich-ten auszuwerten, und im Anschluss daran ist eine Festlegung über den Ausbau einer Grundwassermessstelle zu treffen. Bei Bedarf sind Mehrfachmessstellen auszubilden, auf jeden Fall ist sicherzustellen, dass in einer Messstelle nicht mehrere Grund-wasserstockwerke miteinander verbunden werden. Falls fälschli-cherweise mehrere Grundwasserleiter miteinander verbunden werden, führt dies einerseits zum Durchmischen verschiedener Grundwässer miteinander und andererseits dazu, dass ein nicht

Bild G02.10: Ausbau einer Grundwassermessstelle

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Seite Wasser im Baugrund G.3

repräsentativer Wasserstand gemessen wird, sobald die verschiedenen Grundwasserstockwerke verschiedenartige Druckwasserspiegel aufweisen. Bild G02.10 zeigt den fachgerechten Ausbau einer Grundwassermessstelle. In gleicher Art werden auch Brunnen hergestellt.

Bild G02.20 zeigt die Skizze von zwei unmittelbar nebeneinanderliegenden Grundwassermessstellen mit dem zugehöri-gen Baugrundaufbau. Eine Messstelle misst den Wasserdruck des im Buntsandstein ausgebildeten GW-Stockwerkes und ist gegenüber dem GW in den Elzkiesen abgesperrt. Die andere erschließt das Grundwasser im obersten GW-Leiter. Das gezielte Messen eines Stockwerks wird durch ein ins Bohrloch eingestelltes Rohr ermöglicht, welches gegenüber der Bohrlochwandung mit Zement-Bentonit oder mit quellfähigem Ton abgedichtet ist. Nur im Bereich des zu messenden GW-Leiters ist eine Filterstrecke angeordnet und der Ringraum zwischen Rohr und Bohrlochwand verkiest. Mit Hilfe mehrerer Messstellen lässt sich eine Aussage über die räumliche Verteilung der Druckhöhen eines Grundwas-serstockwerkes gewinnen. Die Darstellung derartiger Messungen erfolgt mit Hilfe von Linien gleicher Grundwasserstände (Isohypsen). Bild G02.30 zeigt den Lageplan für ein Baugrundstück. In allen 6 Bohrungen wurde bei der Baugrunderkun-dung Grundwasser festgestellt, welches hier vor allem in Klüften von Kalksteinbänken fließt. Die Einzelmesswerte des Grundwasserdruckspiegels dieser Schicht variierten um mehr als 3 m auf einer Entfernung von weniger als 50 m. Eine zusammenhängende Interpretation zeigt jedoch ein durchaus plausibles Bild: Die Grundwasseroberfläche fällt nach Süd-osten ein und belegt ein Fließen des Grundwassers von Nordwest nach Südost.

Bild G02.30: GW-Gleichenkarte als Ergebnis einer Baugrunderkundung

Bild G02.20: Grundwassermessstellen für zwei Grundwasserstockwerke: Filter, Vollrohr; links als Unterflur-GWM, rechts als Überflur-GWM

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Seite Wasser im Baugrund G.4

Mit Hilfe vieler regelmäßiger Ablesungen der GW-Stände kann eine Aussage über die Schwankungen gewonnen werden. Bild G02.40 zeigt die Ganglinie einer seit 1948 wöchentlich beobachteten Grundwassermessstelle. Sie zeigt die erhebli-chen Schwankungen des Grundwassers mit einer Bandbreite zwischen minimalem und maximalem Wasserstand von mehr als 2,5 m. Aus statistischen Auswertungen derartiger Daten können z.B. 100-jährlich zu erwartenden Ereignisse bestimmt werden.

Bild G02.40: GW-Ganglinie einer langjährig beo-bachteten GW-Messstelle im Rheintal

G.3 Wasserdruck, Strömungskraft

Bei Grundbauwerken, die im Grundwasser stehen, oder in Erdbauwerken, die von Grundwasser durchströmt werden (z.B. Böschungen), treten Wasserdrücke als Einwirkungen auf. Die Bemessungswerte von Wasserdrücken ergeben sich aus der Auswertung von Beobachtungsdaten, siehe oben, unter Festlegung von Sicherheitszuschlägen. Die Sicherheits-zuschläge müssen entweder auch extrem seltene Ereignisse berücksichtigen, oder es muss bei Wasserständen über dem Bemessungswert eine Grundwasserabsenkung vorgenommen werden (Sicherheitsdränsystem). Dabei kann man sich zunutze machen, dass in der unmittelbaren Umgebung eines Bauwerks der Grundwasserstand gezielt beeinflusst werden kann, siehe Abschnitt "Bauen im Grundwasser" Zusätzlich zum hydrostatischen Druck ist in fließendem Wasser ein Strömungsdruck zu beachten. Er ist vom hydraulischen Gefälle i i = Δh / Δl [-] abhängig und wird durch die Reibung des strömenden Wassers an den Porenwänden hervorgerufen. Er wird im Allgemeinen als spezi-fische Strömungskraft auf die Raumeinheit 1 des Bodens bezogen und ergibt sich zu: fs = i·γw Häufig ist es zweckmäßig, eine wirksame Wichte in Berechnungen einzuführen, die eine "Umlenkung" der spezifischen Wichte durch die spezifische Strömungskraft erfasst (Bild G03.10).

G.4 Porenwasserdruck, effektive Spannungen

Im teilweise bzw. vollständig wassergesättigten Boden unterscheidet man folgende Spannungen: - Totale Spannung σ infolge des Eigengewichts des Bodens und des Wassers über dem betrachteten Horizont sowie

infolge äußerer Lasten.

- Porenwasserdruck oder auch neutrale Spannung u u = γw·hw hw = hydrostatische Druckhöhe in dem be-trachteten Horizont. Die hydrostatische Druckhöhe könnte durch ein Piezometerrohr am betrachteten Punkt gemes-sen werden. Wenn sie von der Höhe des Grundwasserspiegels abweicht, wird der Differenzdruck als Porenwasser-überdruck oder -unterdruck bezeichnet.

- Effektive Spannung σ', auch wirksame Spannung genannt, herrscht im Korngerüst und ist (in guter Näherung, siehe

unten) die Differenz aus totaler Spannung und Porenwasserdruck: σ' = σ - u.

Bild G03.10: Wirksame Wichte im Krafteck

γ = wirksame Wichte

γ´= Wichte unter Auftrieb

fs= Strömungskraft

Page 5: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.5

Der Porenwasser(über)druck wirkt in alle Richtungen gleicher-maßen. Bei der Ermittlung des Porenwasserüberdrucks ist die Zeit maßgebend, die seit Aufbringen der den Porenwasserüber-druck erzeugenden Belastung vergangen ist, da der Porenwas-serüberdruck mit der Zeit – abhängig von den Durchlässigkeits-eigenschaften – durch Strömung abgebaut wird. Die auf eine Fläche A wirkende Kraft F (Bild G04.10) wird zum Teil vom Porenwasser übertragen, zum anderen vom Kornge-rüst. Die von Korn zu Korn übertragenen Kräfte streuen nach Größe und Richtung erheblich, sie lassen sich aber statistisch zu einer wirksamen Kraft F' zusammenfassen. Die Kontaktflä-

chen der Körner mögen in der Summe die (kleine) Fläche A' haben. Dann verbleibt für die Wasserfläche A – A'. Die Ge-

samtkraft F teilt sich auf gemäß F = F' + Fu = F' + u·(A – A'). Bildet man aus den Kräften durch Division mit der

Bezugsfläche A Spannungen (Kraftdichten), also σ = F/A und σ' = F'/A, dann ist der Beitrag A'/A vernachlässigbar

klein und es gilt in guter Näherung die o.g. Beziehung σ' = σ - u. Die effektive Spannung entspricht also der Summe der Korn-zu-Korn-Kräfte, bezogen auf die Fläche A. Sie hat zentrale Bedeutung in der Bodenmechanik.

G.5 Kapillarität

Hier wird auf die Vorlesung C, "Elementare Bodeneigenschaf-ten" verwiesen.

G.6 Qualität, Aggressivität

Aus Bohrungen und Grundwassermessstellen sollten Wasser-proben entnommen werden, um die Qualität des Grundwassers überprüfen zu können. Im Hinblick auf mögliche Schadstoffbe-lastungen sowie deren Beurteilung und Sanierung wird auf die Vertiefer-Vorlesung Umweltgeotechnik verwiesen. Zur Beurteilung der Betonaggressivität von Grundwasser vor-wiegend natürlicher Zusammensetzung gilt DIN 4030, Teil 1. Zur Herstellung von Beton mit hohem Widerstand gegen che-mische Angriffe enthält außerdem DIN 1045 Beurteilungsre-geln. Die Aggressivität von Grundwasser, die durch natürlich gelöste Inhaltsstoffe bedingt wird, kann erheblichen Einfluss auf Entwurf und Ausbildung von Bauwerken im Grundwasserbe-reich haben. Die chemische Untersuchung von Wässern umfasst nach DIN 4030 die in der Tabelle G06.10 aufgeführten Bestandteile und außerdem: Geruch, Kaliumpermanganatverbrauch, Gesamthär-te, Carbonathärte, Nichtcarbonathärte und Chlorid. Maßgebend für die Beurteilung ist der jeweils höchste Angriffs-grad nach der Tabelle, auch wenn er nur von einem Wert der Zeilen 1 bis 5 erreicht wird. Liegen zwei oder mehrere Werte im oberen Viertel eines Bereiches (beim pH-Wert im unteren Vier-tel), so erhöht sich der Angriffsgrad um eine Stufe. Diese Erhö-hung gilt jedoch nicht für Meerwasser, da erfahrungsgemäß dichter Beton dem Meerwasser trotz seiner sehr hohen Magne-sium- oder Sulfat-Gehalte widersteht. Bei Kaliumpermanganat-verbrauch über 50 mg/l ist eine weitere Untersuchung erforder-lich.

Bild G04.10: Schnittkräfte in Korngerüst und Poren-wasser (GUDEHUS, 1981)

1 2 3 4 Angriffsgrad Untersuchung

schwach angrei-fend

stark angrei-fend

sehr stark angrei-fend

1 pH-Wert 6,5 bis 5,5

< 5,5 bis 4,5

< 4,5

2 kalklösende Kohlensäure (CO2) [mg/l] (Marmorlöse-versuch nach HEYER, 2001)

15 bis 40 > 40 bis 100

> 100

3 Ammonium (NH4

+) [mg/l] 15 bis 30 > 30 bis

60 > 60

4 Magnesium (Mg2+) [mg/l]

300 bis 1000

> 1000 bis 3000

> 3000

5 Sulfat 1) (SO4 2-) [mg/l]

200 bis 600

> 600 bis 3000

> 3000

1) Bei Sulfatgehalten über 600 mg SO4 2- je Liter Wasser, ausgenommen Meerwasser, ist ein Ze-ment mit hohem Sulfatwiderstand (HS) zu ver-wenden (siehe DIN 1164 Teil 1/03.90 Abschnitt 4.6 und DIN 1045/0788, Abschnitt 6.575).

Tabelle G06.10: Grenzwerte zur Beurteilung des Angriffgrades (DIN 4030)

Page 6: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.6

G.7 Bestimmung der Durchlässigkeit

Hinsichtlich der Begriffsbestimmung und von Laborversuchen wird auf die Vorlesung C, "Elementare Bodeneigenschaf-ten" verwiesen. Dort sind auch typische Werte von Durchlässigkeitsbeiwerten verschiedener Böden angegeben. Die Bestimmung der Durchlässigkeit ist in DIN 18130 normiert. Dort wird hinsichtlich der Durchlässigkeit in 5 Bereiche gemäß folgender Tabelle unterschieden: Im Feld lässt sich die Durchlässigkeit k des Untergrundes mit Hilfe von Grundwassermessstellen ermitteln. Da sie identisch zu Brunnen ausgebaut sind, in der Regel jedoch mit kleinerem Durchmesser, was den Einsatz besonders schlanker Pumpen erfordert, können sie bepumpt werden. Als klassischer Versuch gilt der Pumpversuch in einem Brunnen unter Beobachtung von mindestens zwei, besser von mehreren benachbarten Grundwassermessstellen in Abständen x1; x2 ... zur Beobachtung der Spiegellinie, also zur Messung des Absenktrich-ters. Aus dessen geometrischen Daten für den stationären Zu-stand unter Bezug auf die im Brunnen geförderte Grundwasser-menge lässt sich die Durchlässigkeit aus Umformung der Brun-nenformel von DUPUIT-THIEM (s.u.) bestimmen: Wenn Gleichung G08.150 in den Grenzen von x1 bis x2 integriert wird, ist

21

22

12

yyxlnxlnqk

−−

⋅π

= (G07.10),

sobald sich beim Abpumpen ein quasi-stationärer Spiegelverlauf eingestellt hat, was eine Versuchsdauer von Stunden bis zu einigen Tagen bedingt. Wenn diese Zeit nicht zur Verfügung steht, muss die zeitliche Veränderung der Ablesungen y berücksichtigt werden. Wegen der dabei anzuwendenden Regeln wird auf HERTH/ARNDTS (1994) verwiesen. Bei ausreichender Anzahl von Beobachtungsstellen können zusätzlich auch Inhomogenitäten des Grundwasserzustroms zum Brunnen festgestellt werden. Das Verfahren ist wegen der hohen Zahl teuer herzustellender Messstellen sehr auf-wändig. In der Hydrogeologie ist ein einfacheres Verfahren geläufig, welches mit Beobachtungen in einem einzelnen bepumpten Brunnen ohne benachbarte Grundwassermessstellen auskommt. Hier wird aus dem Brunnen mit konstanter Rate Wasser entnommen und die Absenkung bis zum Erreichen des stationären Zustandes regelmäßig gemessen. Nach Abschalten der Pumpe wird ebenfalls der Wiederanstieg des Wasserspiegels im Brunnen gemessen. Der Verlauf der Absenkung, aufgetragen über die Zeit (Bild G07.10), sowie der Verlauf des Wiederanstiegs sind ähnlich und bilden bei logarithmischer Auftragung Geraden. Es lässt sich nachweisen, dass die Steigung dieser Geraden propor-tional zur Transmissivität T und damit auch zum Durchlässigkeitsbeiwert k ist. Nach einigen Umformungen und Vereinfa-chungen, die auf Theis zurückgehen, gilt für gespannte Grundwasserleiter: T = k · d = 0,183 · Q / Δs (G07.20), worin T die Transmissivität eines Aquifers,

k der zugehörige Durchlässigkeitsbeiwert,

d die Mächtigkeit der wasserführenden Schicht,

Q die Entnahmemenge je Zeiteinheit

und Δs die Absenkung im Zeitintervall Δ log t = 1 (log t1 - log t2 = 1) sind. Das genannte Versuchsverfahren ist in Brunnen mit ausreichendem Durchmesser zum Einbau einer Pumpe einfach durchführbar und wird gern und häufig zur Bestimmung der Durchlässigkeit verwendet.

k [m/s] Bereich

unter 10-8 sehr schwach durchlässig

10-8 bis 10-6 schwach durchlässig

über 10-6 bis 10-4 durchlässig

über 10-4 bis 10-2 stark durchlässig

über 10-2 sehr stark durchlässig Tabelle G07.10: Durchlässigkeitsbereiche (DIN 18130)

Page 7: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.7

Bild G07.10: Ergebnisse eines Pumpversuchs in einem Brunnen: Absenkung und Wiederanstieg, linear, logarithmisch

Noch einfacher durchführbar sind sogenannte Einschwingversuche nach dem sogenannten Einschwingverfahren von Krauss-Kalweit, bei dem in einer Grundwassermessstelle das Grundwasser mit Hilfe von Druckluft um etwa 0,3 m bis 1 m abgesenkt wird. Lässt man die Druckluft plötzlich entweichen, pendelt sich der ursprüngliche Wasserspiegel rasch wieder ein (Bild G07.20).

Bild G07.20: Einschwingversuch zur Bestimmung der Transmissivität (KRAUSS, 1974) Aus dem Verlauf des Wiedereinschwingens des Wasserspiegels in seine Ruhelage lässt sich der Durchlässigkeitsbeiwert ermitteln. Grundlage der Ermittlung des k-Wertes ist dabei die Tatsache, dass die Wassersäule in einer Grundwasser-messstelle gemeinsam mit dem Grundwasser in einem gespannten Grundwasserleiter ein schwingfähiges System dar-

Grundwasserspiegel [m] Grundwasserspiegel [m]

entnommene Wassermenge [l/s] Zeit log(t)

Page 8: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.8

Spundwand

Boden durch-lässig, k > 0

undurchlässige Schicht, k 0

Spundwand

Wasser durchströmter Baugrund

Q

stellt. Aus der Dämpfung und der Eigenfrequenz der Schwingung lässt sich die Durchlässigkeit ermitteln. In der Regel ist die Schwingung so stark gedämpft, dass der Wasserspiegel ähnlich einem in Honig schwingenden Pendel mit stetiger Steigung wieder in die Ruhelage zurückkehrt. Bei großen Durchlässigkeiten und hoher Wassersäule in der Messstelle lassen sich jedoch auch mehrfach um die Ruhelage schwingende Wasserspiegel beobachten.

G.8 Zur Theorie der GW-Strömung, hydraulische Aufgabenstellungen im Grundbau

G.8.1 Problemstellungen

Wasser fließt auf Grund eines hydrostatischen Höhenunterschie-des durch die Poren des Bodens vom Oberwasser zum Unter-wasser und bildet eine Sickerströmung. Sie kann natürlich bedingt sein oder, z.B. durch eine Grundwasserhaltung, ausgelöst wer-den. Das strömende Wasser hat Wirkungen auf den Boden sowie auf eintauchende Bauwerke. Neben der Wassermengen-Bestimmung ergeben sich folgende Probleme für den Grundbau: - Das Wasser, als "zähe Flüssigkeit", überträgt Reibungskräfte

auf das Korngerüst, die Strömungskräfte genannt werden. Dabei besteht die Gefahr der • Erosion = Abtransport von Bodenmasse, • Suffosion = Auswaschung der Feinanteile (auch Suffusion)

und • Kolmatation = Anreicherung mit Feinanteilen (Filterwir-

kung). - Die Strömungskräfte setzen sich in Strömungsdrücke auf im

Boden eingebundene Bauwerke oder auch z.B. eine Bö-schung (Bild G08.20) um.

- Strömungskräfte verändern die effektive Wichte des Bodens und damit auch den Erddruck.

- Die Strömungskräfte beeinträchtigen die Scherfestigkeit durch Verminderung der effektiven Spannungen.

Umströmung einer Spundwand

Anströmung einer umspundeten Baugrube

Bild G08.10: Erosion, Suffosion, Kolmatation (WITTMANN)

Bild G08.20: Durchströmen einer Böschung: Ab-bau des Wasserdrucks muss vom Boden aufge-nommen werden

Spundwand Spundwand

Q

Absenktrichter

Page 9: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.9

Umströmung eines Wehres

Durchströmung eines homogenen Dammes

Durchströmung eines Mehrzonendammes Strömung zu einem Brunnen oder zu einem Schlitz Bilder G08.30 zeigen einige für den Grundbau typische Randwertprobleme Strömungsvorgänge, die dabei fließenden Wassermengen sowie die Strömungskraft als eingeprägte, d.h. volumenbezoge-ne Kraft (kN/m3) sind in Abhängigkeit von den jeweiligen Randbedingungen auf experimentellem, analytischem oder numeri-schem Wege zu bestimmen. In Frage kommen hier: - Versuche an kleinmaßstäblichen Modellen oder in der Natur, - Analog-Untersuchungen (elektrisches Analogiemodell), - Lösung der Differentialgleichung, - Lösung von Integralgleichungen, - Vergleich der Randbedingungen des untersuchten Falles mit Abbildungen von Lösungen der Potentialgleichung, - Lösung über Integraltransformationen, - Konforme Abbildung, - Numerische Verfahren, - Zeichnerische Verfahren (Netzkonstruktion). Die letztgenannte Methode wird nachfolgend aufgezeigt. Hinsichtlich der anderen Lösungswege wird auf das Fach-schrifttum verwiesen. Nicht alle Verfahren sind auf alle Aufgabenstellungen anwendbar. Für sehr schwierige Randbedin-gungen, bei Böden mit unterschiedlichen Durchlässigkeiten, bei instationären Vorgängen und bei allgemeinen räumli-chen Sickerströmungen sind neben leistungsfähigen numerischen Modellberechnungen experimentelle Untersuchungen geeignet, eine zuverlässige Lösung zu finden.

G.8.2 Theorie der ebenen, stationären Sickerströmung:

Annahmen und Voraussetzungen: - Wasser und Boden sind inkompressibel. - Durchlässigkeit, Zähigkeit, Dichte, Temperatur und Geometrie sind konstant. - Kapillar- und Oberflächenkräfte treten nicht auf.

Absenk- trichter ursprünglicher

Wasserspiegel

Brunnen Q

undurchlässige Schicht, k 0

Wehrkörper

Wehrplatte

Oberwasser

Unter- wasser

Tauchwand durchlässiger Boden, k > 0

Q

Sickerfläche

Kern, k gering

Q

Stützkörper, k groß

Q

Filter

Page 10: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.10

- Der Boden ist homogen und isotrop. - Das Kontinuum ist quellen- und wirbelfrei. - Der Strömungsvorgang ist eben und stationär. - Die Strömung kann im Großen als zähe, laminare Strömung angesehen werden, d.h. das Durchlässigkeitsgesetz von

DARCY ist streng gültig. - Die Geschwindigkeit v ist so klein, dass quadratische Glieder v2/(2·g) vernachlässigt werden können.

Zeichen Einheit Bezeichnung andere übliche Symbole

p = p (x , y) kN/m2 Wasserdruck-Funktion (Druck positiv) pw, uw, u γ kN/m3 Wichte des Wassers γw p / γ m Druckhöhe v m/s Geschwindigkeitsvektor vres m/s Resultierende Filtergeschwindigkeit | v | , v vx , vz m/s Komponenten von v in x- bzw. z-Richtung i - hydraulischer Gradient, hydraulisches Gefälle k , kx , kz m/s Durchlässigkeitsbeiwert (richtungsbezogen) Ho, Hu, f Δh, Δs, x, z

m Längen

u = u (x , y) m Potential(funktion), physikalisch Φ , Φ Ψ = Ψ (x , z) Stromfunktion: Stromlinien begrenzen Stromröhren

Wasser strömt stet auf Stromlinien

Q, q m3/s m3/s/m

Wassermenge: Q = k·i·A

A m2 durchströmte Fläche Tabelle G08.10: verwendete Symbole

Betrachten wir in Bild G08.40 den Stromfaden einer ebenen Si-ckerströmung im Boden vom Punkt 1 (x ; z) zum Punkt 2

(x+Δx ; z+Δz). An ihnen wirkt der piezometrische Wasserdruck

p1 und p2 bzw. das Potential

u 1 = (p1 / γw) - z1 und u 2 = (p2 / γw) - z2, also allgemein

u (x , z) = [p (x , z) / γw] - z (G08.10). u (x , z) wird Potentialfunktion genannt. Wird die z-Achse nach

oben positiv definiert, ändert sich in u das Vorzeichen von z. In einem ruhenden Gewässer haben alle Punkte, also auch in ver-schiedenen Tiefen, das gleiche Potential. Das Potential kann auch als Energiehöhe (geodätische Höhe + Druckhöhe ( + Ge-schwindigkeitshöhe, vernachlässigt)) bezeichnet werden. Falls der Durchlässigkeitsbeiwert kx = kz = k ist, gilt nach DARCY (laminare Strömung) vres = k·i = k·limΔs→ 0 (Δh/Δs) (G08.20).

Dabei ist vres die mittlere Geschwindigkeit des Wassers im Boden, welches in den Porenkanälen fließt. Die in den folgen-den Formeln verwendete mittlere Fließgeschwindigkeit durch einen Bodenquerschnitt ist kleiner als die tatsächliche Ge-schwindigkeit des Wassers in den Poren, und zwar im Mittel um den Faktor 1 / nw (nw = wirksamer Porenanteil).

Bild G08.40: Potentiale sind piezometrische Wasser-druckhöhen oberhalb eines Bezugshorizontes

Δh

2u1uu

z

ΔS

vres

vx vz 1 1

2

Piezometer

Stromlinie

x

Page 11: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.11

Dann folgt

vres = k·limΔs→0 (Δu / Δs)

und v = - k·grad u oder vx = -k·(∂u / ∂x) und vz = -k·(∂u / ∂z) (G08.30). Das negative Vorzeichen ist hier deswegen einzusetzen, weil das Wasser in Richtung des Potentialgefälles strömt, welches - nach mathematischer Definition - einen negativen Gradienten hat. Weiterhin gilt die Kontinuitätsbedingung: Q = v·A = const (A = Querschnittsfläche), nach der die in ein Element einströmende Wassermenge q = vx·dz + vz·dx

gleich der ausströmenden Menge q = (vx + Δvx)·dz + (vz + Δvz)·dx sein muss, also: div v = (∂vx / ∂x) + (∂vz / ∂z) = 0 (G08.40). Dabei wird Quellen- und Senkenfreiheit sowie konstante Dichte vorausgesetzt. Durch Einsetzen von G08.30 in G08.40 ergibt sich die Potentialgleichung in Form einer Laplaceschen Differentialgleichung mit div (grad u ) = (∂2u / ∂x2) + (∂2u / ∂z2) = 0 (G08.50). Um die Bedingung der Wirbelfreiheit einzuhalten, muss außerdem erfüllt sein: rot v = ∂vx / ∂z - ∂vz / ∂x = 0 (G08.60),

d.h rot (grad u ) = 0 (G08.70). Strömungen, die mit Hilfe der Gleichung G08.50 beschrieben werden können, heißen Potentialströmungen. Für jedes

Randwertproblem ist eine Potentialfunktion u (x , z) zu finden, welche sowohl die geometrisch vorgegebenen Randbedin-gungen als auch die Differentialgleichung G08.50 erfüllt. Gleichwertig zur Suche nach einer Potentialfunktion ist die Suche nach einer Stromfunktion Ψ (x , z) mit ihren Stromlinien. Stromfunktion und Potentialfunktion definieren sich gegenseitig wie folgt:

∂Ψ / ∂x = ∂u / ∂z und ∂Ψ / ∂z = ∂u / ∂x Daraus folgt, dass Äquipotentiallinien und Stromlinien senkrecht aufeinander stehen. Auf einige spezielle Randbedingungen wird hingewiesen (Bild G08.50): - Die seitlichen Begrenzungen von Grundwasserströmungen sind (meist) Stromlinien (Bauwerks-Umrisse, wasserun-

durchlässige Schichten = "a"). Sie werden Randstromlinien genannt. - Die unter Wasser liegenden Ein- und Austrittsflächen sind Potentiallinien (= "b"). - Die freie Spiegellinie (fälschlicherweise auch Sickerlinie genannt) ist in der Regel eine Stromlinie (= "c"), d.h. dort ist p

= 0. Sie kann nur näherungsweise bestimmt werden. Ihre Form ist von der Geometrie und von k abhängig. (Es gibt auch Spiegellinien, die keine Stromlinien sind.)

- Wenn die Spiegellinie mit einer freien Oberfläche zusammenfällt, ist sie weder Strom- noch Potentiallinie (="d").

Bild G08.50: Stromlinien und Potentiallinien an den Rändern von Strömungsfeldern

Page 12: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.12

G.8.3 Zeichnerisches Lösungsverfahren

Die Lösung der Potentialgleichung G08.50 für gegebene Randbedingungen kann zeichnerisch in folgenden Schritten erar-beitet werden: - Einzeichnen der Randbedingungen und von einigen weiteren, in ihrem Verlauf geschätzten Stromlinien. - Einzeichnen der Potentiallinien "b" orthogonal zu den Stromlinien, so dass sich angenähert ("krummlinige") Rechtecke

ergeben (Bild G08.70). Der Sonderfall des Quadrats ("krummlinige Quadrate") hat einige Vorteile. In der Umgebung von Singularitäten, spitzwinkligen Begrenzungen oder scharfen Ecken lassen sich zeichnerisch keine Quadrate mehr konstruieren: die Krümmung der Stromlinien ist so stark, dass sich nur bei unendlich kleinen Differenzschritten so et-was erreichen ließe (siehe Bild G08.60).

- Überprüfung: es muss möglich sein, in die Netzmaschen eingeschriebene Kreise einzuzeichnen bzw. müssen sich beim Einzeichnen der Diagonalen senkrecht aufeinander stehende Linien ergeben, falls die Maschen Quadrate sind.

- (evtl. mehrfache) Verbesserung des Netzes, bis eine hinreichende Genauigkeit vorhanden ist.

Anmerkung: Für die jeweils äußersten Netzmaschen wird auf die Forderung der Quadratform verzichtet. Hier muss jedoch bei einer Netzverfeinerung (Teilung einer Masche in 4 Teilmaschen) für die dann nicht mehr am Rand liegenden Maschen wieder Quadratform erzielbar sein.

G.8.4 Auswertung eines Potential-/Stromlinien-Netzes:

Bild G08.70: Potential- und Stromliniennetz Gezählt werden n Potentialdifferenzen Δu = (u o - u u) / n und m Stromröhren.

1) Spitze 2) Innenecke 3) Außenecke

Bild G08.60: Strömung an singulären Stellen (KÉZDI, 1969)

Stromlinie Äquipotentiallinie

Page 13: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.13

1. Gesucht: Druck in einem Punkt P. Der Einfachheit halber soll P ein Schnittpunkt einer Strom- und einer Potentiallinie sein.

Potential in P: u P = u o - n' · Δu =

= u o - (n' / n) · ( u o- u u).

Daraus folgt der Druck pP = γ · (u P+ zP) (G08.80). Anmerkung: Man beachte, dass dieses Ergebnis unabhängig von k ist!

2. Gesucht: Geschwindigkeit in einem Punkt S.

Es sei Δs die mittlere Stromfadenlänge der zu S gehörigen Netzmasche, Δl die Stromfadenbreite. Es ist

vres = k · |Δu | / Δs, wobei Δu = (u o- u u) / n = Δh / n ist. Daraus folgt weiter

vres ist proportional zu 1 / Δs oder v1,res / v2,res = Δs2 / Δs1 (G08.90). 3. Gesucht: Wassermenge je Stromröhre Δq = v·ΔA = v·Δl·1 [m3/s je m Breite]

Speziell ist bei quadratischen Maschen Δl ≈ Δs, d.h.

Δq = v·Δs = k· Δu = (k / n)·|u o- u u| (G08.100). Wenn die Gesamtströmung begrenzt ist und aus m Stromröhren besteht, dann ist die Gesamt-Wassermenge je m Breite q = m·Δq. Man beachte, dass q durch eine Verlängerung des Stromweges kleiner wird (mit zunehmendem Wert n).

G.8.5 Lösung häufig vorkommender Randwertprobleme der Durchströmung

G.8.5.1 Wasserdruckverteilung entlang einer Spundwand

Bei einer in ebenem Gelände stehenden, mit einer Druckhöhe H belasteten Spundwand lässt sich eine analytische Lö-sung entwickeln; das Ergebnis ist die in Bild G08.80 gezeigte Druckverteilung. Für den Fall, dass das Gelände beidseits der Spundwand verschiedenes Niveau hat, ist das Potential am Spundwandfuß in Bild G11.25 analytisch angegeben. Bei Baugruben mit dichten Baugrubenwänden und Wasserhaltung im Innern der Baugrube entstehen Strömungen, die auf der Wandrückseite (Erdseite) die effektiven Spannungen im Boden erhöhen und auf der Vorderseite (Luftseite) die effektiven Spannungen vermindern. Die Veränderung der effektiven Wichte durch eingeprägte Strömungskräfte hat un-mittelbaren Einfluss auf die Erddruckkräfte.

Bild G08.80: Druckverteilung bei umströmter Spundwand; geschlossene Lösung für den Sonderfall mit ebenem Gelände

Page 14: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.14

Bild G08.81 zeigt ein Strömungsnetz um eine umströmte dichte Baugrubenwand. Die Auswertung des Netzes ergibt Wasserdrücke entlang der erdberührten Flächen der Baugrubenwand. Die effektiven vertikalen Bodenspannungen ver-ändern sich aufgrund der Strömungskräfte. Da die aktiven und passiven horizontalen Erddruckspannungen sich wieder-um aus den effektiven vertikalen Bodenspannungen ergeben, haben die Strömungskräfte entsprechenden Einfluss auf die Erddruckspannungen (Bild G08.82). Aus dem Potentialliniennetz lässt sich ein exakter Verlauf der Druckhöhendiffe-renz entlang der Spundwand ermitteln (Bild G08.83). In der EAU, Empfehlung 114 ist ein vereinfachtes Druckgefälle jeweils für die Wandvorder- und -rückseite angegeben (Bild G08.84). Die derart vereinfacht ermittelten Druckgefälle sind nur zur Berechung strömungsbeeinflusster Erddrücke verwendbar. Wie Bild G08.83 zeigt, wird der Abbau des Druckge-fälles am Wandfuß mit den Werten i1 und i2 nicht richtig wiedergegeben. Der Wert i2 ist daher nicht geeignet, um den Nachweis des hydraulischen Grundbruchs zu führen.

Bild G08.81: Grundwasser-Strömungsnetz bei um-strömter Baugrubenwand (HÖSCH-SPUNDWAND-HANDBUCH)

Bild G08.82: Erddrücke, die infolge Strömungskräf-ten auf der Erdwiderstandsseite abnehmen und auf der Wandrückseite zunehmen

Page 15: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.15

thh

h7,0i11

1⋅+

Δ⋅=

thth7,0i

12

⋅+

Δ⋅=

Bild G08.83: Verlauf der Druckhöhendifferenz entlang der Spundwand

Bild G08.84: Annahme vereinfachter konstanter Druckgefälle

G.8.5.2 Sperrwirkung einer Spundwand

Eine Spundwand, die teilweise in eine Sickerströmung eintaucht, verändert in erster Linie den Stromlinienverlauf und nur in relativ geringem Maße q, solange der Fuß nicht sehr dicht an der Sperr-schicht steht. Diesen sog. Sperrschieber-Effekt nach FORCHHEIMER (1998) zeigt Bild G08.90. Dabei ist vorausge-setzt, dass die Wand annähernd dicht ist. Der gleiche Effekt ergibt sich auch bei anderen Wandtypen.

G.8.5.3 Umströmung einer Spundwand, Unterströmung einer Platte, Parallelströmung, Einschnürung

Für die genannten Fälle lässt sich die durchströmende Wassermenge bei begrenzter Schichtdicke mit Hilfe von Formfak-toren, Bilder G08.100 bis G08.130, ermitteln. Bei sehr großer Schichtdicke wächst theoretisch die Wassermenge beliebig hoch an. In der Praxis bleibt die durchströmende Wassermenge dadurch begrenzt, dass bedingt durch in der Regel vor-handene Anisotropie der Durchlässigkeit das Wasser nicht in tiefreichenden Stromröhren fließt.

Bild G08.100: Formfaktor für Einschnürung Bild G08.110: Formfaktor für Parallelströmung

Bild G08.90: Wassermenge bei Teilabsperrung t/T

4

3

1

2

2 3 4 5 6 7 = n

m=

∆h

L

y0

Lhi Δ

=

nm

Lyf 0

3 ==

1

0,5

0 0,5 1 t /T

qs/q

t

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −

⋅π

π−=

TtT

2sinln4

f4

T

Δh

Page 16: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.16

Bild G08.120: Formfaktor für umströmte Spundwand

Bild G08.130: Formfaktor für unterströmte Platte Mit Hilfe des sogenannten Fragmentenverfahrens können Sickerwassermenge und Druckverlauf bei komplexen unter-strömten Bauteilen ermittelt werden, indem die Strömungsbilder aus mehreren Abschnitten von theoretisch gelösten Strömungsfällen zusammengesetzt werden. Dabei können Symmetriebedingungen genutzt werden. Dann gilt: fSymmetriehälfte = 2·fGesamtsymmetrie

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2 f2

10

9

8

7

6

5

4

3

2

1

0

∆h uy0

T q

L L/T

⎟⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜⎜

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛+

⋅=<

TL54,2

TL13

log73,0f:TL

2

2

TL88,0

1f:TL 2+

=>

Näherungswerte: Sickerwassermenge: q = k·∆h·f2

max uy0 →∞

1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0

0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2

31 1tT

21f −⋅=

Näherungswert:

Tt,f:

2Tt m =α

πψ

=<

Tt1,

4f:

2Tt

m−=α

ψ⋅π

=>

⎟⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜⎜

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ π⋅α

+⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ π⋅α

⋅+

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ π⋅α

⋅−=ψ

2cos

4cos21

4sin2

lnm

Exakte Werte:

uy0

∆h

T t

q

Maximale Austritts-geschwindigkeit uy0 an der Gewässersohle bei T→∞ :

thkumax 0y ⋅π

Δ⋅=

Sickerwassermenge: q = k·∆h·f1

f1

t/T

Page 17: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.17

Hinsichtlich der Wassermenge aus einer derart zusammengesetzten Durchströmung gilt:

i

in321 f

1 f' mit f' 'f 'f 'f

h k q =+⋅⋅+++

Δ⋅=

G.8.5.4 Durchströmung eines homogenen Dammes auf undurchlässigem Untergrund

Mit Hilfe konfokaler Parabeln lassen sich ortho-gonale krummlinige Netze konstruieren. Ein (seltener) Anwendungsfall ist in Bild G08.135 dargestellt und betrifft einen durchströmten Damm mit Sohldränschicht und durchlässigem Stützkörper auf der Wasserseite. Aus dieser Lösung resultiert die Lösung für den homogenen durchströmten Damm, Bild G08.136. Sie geht auf A. CASAGRANDE (1937) zurück. Man konstruiert mit den im Bild genannten An-gaben eine Parabel durch die Punkte A1 und B2 und passt sie im Einström- und Ausströmbereich an. Das im Hinblick z.B. auf einen Auflastfilter zum Erosionsschutz wichtige Maß a = AC' ist von der Böschungsneigung ß sowie den Größen d und h abhängig. Hier kann als Näherung an-gesetzt werden:

β

−β

−β

= 2

2

2

2

sinh

cosd

cosda

Genauere Lösungen und weitere Hinweise für durchströmte Dämme, auch bei nicht homoge-nem Aufbau, finden sich bei KÉZDI (1969, Bd. II).

G.8.6 Strömung mit freier Oberfläche bei GW-Entnahme

Im Zusammenhang mit Wasserhaltungen ist die Strömung des Grundwassers zu einem Brunnen, einem Sickerstrang oder zu einer Baugrube, die entwässert wird und damit insgesamt wie ein großer Brunnen wirkt, von Bedeutung. Hier bildet die GW-Entnahme eine Senke.

G.8.6.1 Ebener Fall

Das Wasser ströme (von einer Seite) auf einer ebenen, undurchlässigen Schicht zu einer Was-serfassung in Form eines Dränstrangs oder Sickerschlitzes, aus dem es abgepumpt wird. Die abgepumpte Menge q [m3/s je m] entspricht aus Gründen der Kontinuität der Wassermenge, die auch in der Entfernung x von der Wasser-fassung durch den Boden strömt. Die Berech-nung der Spiegellinie für diesen Fall gelingt einfach nach DUPUIT (1863) mit folgender Vereinfachung gegenüber der Potentialtheorie: Innerhalb eines mittleren Bereiches (x nicht sehr groß und nicht sehr klein), der durch die Reichweite R begrenzt ist, können die Potentiallinien im durchlässigen Boden durch Lote auf die Unterlage ersetzt werden. Dabei steht die Spiegellinie als erste Stromlinie nicht mehr senkrecht auf den Potentiallinien, wie es die Theorie fordert. Weitere Voraussetzungen sind: waagerechter undurchlässiger Horizont;

Bild G08.135: Strom- und Potentialliniennetz mit konfokalen Parabeln

Bild G08.136: durchströmter Damm auf undurchlässigem Untergrund

Bild G08.140: Ebene Anströmung zu einem Dränrohr

h0

Page 18: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.18

Inkompressibilität von Korngerüst und Wasser; Konstanz von Durchlässigkeit, Zähigkeit und Dichte; Fehlen von Kapillar- und Oberflächenkräften sowie von Quellen und Senken im Strömungsfeld, keine vertikalen Geschwindigkeitskomponenten. Andere Randbedingungen müssen durch Korrekturbeiwerte berücksichtigt werden. Ist y die Spiegelordinate (und damit gleichzeitig die Durchflusshöhe), dann gilt für den einseitigen Zufluss (bei beiderseitigem Zufluss muss q verdoppelt werden):

q = const = y·k·i = y·k·dxdy =

2k

·dx

)y(d 2

(G08.110),

d.h. wegen y (0) = h lautet die Lösung für die Spiegellinie (x, y)

2k · (y2 – h0

2) = q·x (x ≥ 0) (G08.120).

Die Lösung erhält physikalisch nur dann einen Sinn, wenn angenommen wird, dass in einer Entfernung x = R die Wasser-menge q durch Quellen eingespeist wird, so dass dort die Spiegelhöhe H (unabgesenkter GW-Spiegel) auftritt. Empirische Aussagen zur Reichweite R siehe unten. Dann ist

R

hH · 2k = q

20

2 − (Zufluss von einer Seite) und (G08.130)

Rx

hHhy

20

2

20

2=

− (Gleichung der Spiegellinie) (G08.140).

G.8.6.2 Axialsymmetrischer Fall

Bei sinngemäß gleicher Ableitung wie unter G.8.6.1 ist hier: (Bild G08.150)

Q = 2·π·x·y·k·dxdy = k·π·x·

dx)y(d 2

(G08.150)

mit der Lösung

k·π·(y2 - h02) = Q·ln

orx

(G08.160).

Wenn man auch hier die Randbedingung y (R) = H einführt, ergibt sich als Wassermenge (Thiemsche Brunnengleichung, THIEM, 1870):

o

20

2

rlnRlnhH · k Q

−−

⋅π= (G08.170).

r0 ist dabei der gebohrte Brunnenradius, also einschließlich der Filterkiesschicht. Obwohl die Ableitung von DUPUIT nach Untersuchungen von BOULTON (1951) nur für Brunnenabstände x > 1,5 H gilt, hat der in Bild G08.150 mit eingezeichnete tatsächliche Spiegelverlauf

keinen Einfluss auf q. Daher kann man in der Praxis mit Gleichung G08.170 für r0 ≤ x ≤ R rechnen. Ein Brunnen, der wirklich auf einer undurchlässigen Schicht steht, also der Voraussetzung der theoretischen Ableitung exakt entspricht, heißt vollkommener Brunnen. Aber auch unvollkommene Brunnen lassen sich näherungsweise mit der-selben Theorie berechnen, da das Wasser überwiegend horizontal nachströmt. q muss in diesen Fällen um rund 10 % bis 30 % (Regelfall 20 %) erhöht werden (s.a. HERTH / ARNDTS 1994). Die zuverlässige Prognose von GW-Mengen hängt vor allem von der richtigen Einschätzung des Durchlässigkeitsbeiwertes k ab, während sich die Genauigkeit des theoreti-schen Ansatzes kaum auswirkt, da q ein vom Stromlinienverlauf unbeeinflusster Integralwert ist.

Bild G08.150: Axialsymmetrische Anströmung eines Brunnens (RIESS, 1996)

h0

Page 19: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.19

G.9 Erosion, Suffosion, Kontakterosion, Subrosion

Zur Beurteilung einer Erosionsgefahr kann das Hjulstrøm-Diagramm, Bild G09.10, herangezogen werden. Es wurde für Gewässersohlen aufgestellt und gibt eine Beziehung zwischen dem für die Gewässersohle kennzeichnenden Korndurchmes-ser und der kritischen Geschwindigkeit vw an, die diese Körner in Bewegung bringt. Wenn man umgekehrt wissen will, welches Material als Sohlen-sicherung zur Vermeidung von Erosion geschüttet werden muss, empfiehlt sich die Anwendung der Formel d = 40 · vw

2 / (0,9 - tan β) (G09.10) wo d (mm) der erforderliche Korndurchmesser, vw (m/s) die lokale Geschwindigkeit des Wassers und β der Böschungswin-kel sind. Wenn die Körner gut im Verbund verzahnt liegen, kann d bis auf die Hälfte vermindert werden. Zu beachten ist aller-dings, dass das Hjulstrøm-Diagramm von dem Fall des gleichförmigen Anströmens ausgeht. Von Erosionsgrundbruch oder rückschreitender Erosion (Bild G09.20) wird gesprochen, wenn durch das Austreten von Sickerwasser aus dem Boden in zunehmendem Umfang Bodenteilchen mitgerissen werden und sich dabei im Boden eine Röhre (Erosionskanal) bildet, die im Endzustand Wasser frei hindurchströmen lässt. Wenn an Sickerwasseraustritts-flächen das hydraulische Gefälle unter den Grenzwerten nach Bild G09.30 liegt, besteht keine Gefahr rückschreitender Erosion, die, wie dieses Bild zeigt, vom Ungleichförmigkeitsgrad des Bodens stark beeinflusst wird.

Bild G09.20: rückschreitende Erosion, Suffosion und Kontakterosion Um Suffosion und Kontakterosion (Bild G09.20) zu vermeiden, sind Filterregeln zu beachten, siehe unten. Man spricht von Suffosion, wenn innerhalb eines Bodens infolge eines hydraulischen Gradien-ten feine Körner in grobe Poren umgelagert werden. Dies ist insbe-sondere bei intermittierend gestuften Böden möglich. Kontakterosi-on tritt auf, wenn ein derartiger Materialtransport an der Grenze zwischen zwei Bodenschichten verschiedener Körnungslinien ent-steht. Die Sicherheit gegen diese Erscheinungen ist von der Filterstabili-tät zwischen benachbarten Bodenbereichen bzw. innerhalb eines gemischtkörnigen Bodens mit Ausfallkörnungen sowie vom hyd-raulischen Gradienten, der die Fließgeschwindigkeit des Wassers bestimmt, abhängig.

Bild G09.10: Hjulstrøm-Diagramm

Bild G09.30: Grenzwert des hydraulischen Gefälles für Erosion

Zone des Strömungsgefälles, das zur Ausspülung führt

Zone der Stabilität

Page 20: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.20

Im Zusammenhang mit dem Deponiebau, bei dem geringmächtige mineralische Dichtungen einem hohen hydraulischen Gefälle ausgesetzt sein können, sind Aussagen zur Kontakterosion zwischen bindigen Dichtungsschichten und benach-barten nichtbindigen Schichten erarbeitet worden. Hier gilt: - Bei gut abgestuftem Kornaufbau, besteht in der Regel kein Risiko von Teilchentransport im Innern einer Boden-

schicht. - Der Nachweis der Sicherheit gegen Suffosion kann sich dann auf Kontaktzonen zwischen feinkörnigen und grobkör-

nigen Schichten beschränken (Kontakterosion). - Zur Überprüfung können Durchlässigkeitsversuche, z.B. nach Davidenkoff, ausgeführt werden, bei dem eine Probe

10 Tage lang mit einem hydraulischen Gradienten von i = 30 durchströmt wird und bei dem an der Austrittsseite ein grober Filter angeordnet ist. HEYER (2001) schlägt eine Versuchsdurchführung mit stufenweiser Steigerung der Gra-diente vor.

- Dabei versucht das in den Filter eindringende Wasser, Teile des durch den Filter gestützten Bodens herauszureißen. Dies gelingt, wenn die Strömungskräfte größer sind als die Zugfestigkeit des Bodens an der Abreißgrenzfläche.

- Die Sicherheit gegen Kontakterosion ergibt sich bei einer vertikalen Durchströmung von unten nach oben (also gegen das Eigengewicht des Bodens (siehe MÜLLNER, 1991) zu

)' - (i D

c6

WP

o

γγ⋅⋅

mit co = Zugfestigkeit des durchströmten Bodens Dp = Durchmesser offener Poren im benachbarten groben Material i = hydraulisches Gefälle γw = Wichte des Wassers γ' = Wichte des Bodens unter Auftrieb Im Zusammenhang mit dem Bau von Hochwasserschutzanlagen treffen das DVWK-Merkblatt zur Wasserwirtschaft 210/1986: Flussdeiche sowie das Merkblatt der Bundesanstalt für Wasser-bau zur Standsicherheit von Dämmen an Bundeswasserstraßen (MSD) Aussagen zur Sicherheit gegen Suffosion und Kontaktero-sion bei nichtbindigen Böden. Falls möglich, ist ein geometrisches Kriterium einzuhalten, nach dem das Verhältnis A50 = D50 / d50 (D50 = mittlerer Korndurchmesser des Filters und d50 der des zu filternden Bodens) einem zulässigen Abstands-verhältnis nach CISTIN und ZIEMS (in CISTIN, 1967) gegenüber-gestellt wird, siehe Merkblatt für die Anwendung von Kornfiltern (MAK, 1989). Dabei ist das zulässige Abstandsverhältnis von der Ungleichförmigkeit der beteiligten Böden abhängig (Bild G09.40). Bei der Beurteilung eines intermittiernd gestuften Bodens hinsicht-lich seiner Suffosionsgefährdung wird dabei der Boden in einen feinen Anteil (d50) und einen groben Anteil (D50) aufgespalten. Von beiden der durch Trennung erzeugten Teilböden wird die Ungleichförmigkeit UI und UII ermittelt. Bei nicht erfülltem geometrischem Kriterium ist ein hydraulisches Kriterium zu überprüfen, also zu untersuchen, ob die Fließge-schwindigkeit und Schleppkraft des Wassers für eine dann mögliche Suffosion ausreicht. Hier liegt das kritische hydrauli-sche Gefälle bei Durchströmung von oben nach unten, von einem feinen in einen groben Boden bereits bei i = 0,05. Bei Strömung von unten nach oben beträgt das kritische Gefälle mit d10 in [mm]:

ikrit = 0,66 + 250

210 Ad

6⋅

.

Subrosion ist darüber hinaus Materialabtransport infolge von chemischen Lösungsvorgängen. Dazu gehören vor allem Karsterscheinungen in Kalk-, Sulfat- und Salinargesteinen, in denen ausgehend von Klüften vom fließenden Grundwas-ser Material ausgelöst wird. Dies führt zu Karsthöhlen und Schloten. Irgendwann werden die Hohlräume so groß, dass sie

Bild G09.40: Diagramm von CISTIN / ZIEMS (CISTIN, 1967)

UII=18

UII=14

UII=10

UII=6

UII=4

UII=2

UII=1

40

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 UI

A 50

zul

.

36

32

28

24

20

16

12

8

4

0

Page 21: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.21

einstürzen. Bei dem Ereignis sprechen wir von einem Erdfall. Das Ergebnis, die in einem Gelände entstandene Hohlform, wird als Doline bezeichnet. Sie kann im Lauf weiterer Ablagerungen wieder plombiert werden.

G.10 Filterregeln

Zur Verhütung von Erosions- oder Suffosionserscheinungen schützt man den durch eine Sickerströmung gefährdeten Boden durch einen Filter. Für die Wahl der Körnung können einerseits die zuletzt dargestellten differenzierten geometrischen und hydraulischen Kriterien für einen gewählten Filter und ein gegebenes Strömungsgefälle angewandt werden. Außerdem haben sich in der Praxis die einfachen Filterregeln des US Corps of Engineers bewährt: (F - Filter, B - Boden) d15 (F) < 5 d85 (B) 4 < d15 (F) / d15 (B) < 20 (G10.10). Bei allgemeinen Anwendungen, wenn die Filterstabilität zwischen zwei Böden nachzuweisen ist, stellt der Filter (F) den grobkörnigeren, der Boden (B) den feinkörnigeren Boden dar. Die genannten Filterregeln beziehen sich auf mineralische Filter. Um die Filterstabilität sicherzustellen, können darüber hinaus geotextile Filter verwendet werden. Hierbei sind die Gesamtdicke eines Filtervlieses sowie die wirksame Öffungswei-te D90,w von Bedeutung. Die Bemessung kann gemäß dem "Merkblatt für die Anwendung von Geotextilien und Geogittern im Erdbau des Straßenbaus" der FGSV vorgenommen werden.

G.11 Hydraulischer Grundbruch und Aufschwimmen

Von hydraulischem Grundbruch wird bei Versagensfällen gesprochen, bei denen in durchlässigen Böden die (nach oben, ungünstig wirkenden) Strömungskräfte die (nach unten, günstig wirkenden) Eigengewichtskräfte überschreiten (wirksame Wichte < 0). Von Aufschwimmen wird bei Versagensfällen gesprochen, bei denen ein statischer Wasserdruck unterhalb einer gering durchlässigen Schicht oder eines Bauwerks größer ist als die Auflast aus dieser Schicht oder diesem Bauwerk. Beim Aushub einer Baugrube in einer Bodenschicht von geringer Wasserdurchlässigkeit muss geprüft werden, ob diese Schicht unter (bezogen auf die Baugrubensohle: artesischem) Wasserüberdruck γw·hw steht, Bild G11.10. Es ist in der Folge unerheblich, ob die Schicht durch den Überdruck angehoben und dadurch zerstört wird oder ob der Strömungsdruck auf der verkürzten Sickerlänge h kritisch wird und einen hydraulischen Grundbruch verursacht. Nach alter Normung (DIN 1054:1976) war daher nachzuweisen, dass eine Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch von

4,1)hh(

h'

wwG ≥

−⋅γ

⋅γ=η (G11.10)

besteht, wobei für γ ' der untere charakteristische Wert einzusetzen ist.

Entsprechend DIN 1054:2005 ist nachzuweisen, dass als möglicher Grenzzustand der Tragfähigkeit ein Versagen eines Gründungskörpers, eines gesamten Bauwerks, einer Bodenschicht oder einer Baugrubenkonstruktion infolge aufwärts gerichteter hydrostatischer Wasserdruckkräfte (Aufschwimmen) nicht eintritt. Der Nachweis dazu muss so geführt wer-den, dass der Bemessungswert der destabilisierenden vertikalen Einwirkungen Vdst,d kleiner oder gleich dem Bemes-sungswert der stabilisierenden ständigen vertikalen Einwirkungen ist.

Vdst,d ≤ Gstb,d

Bild G11.10: hydraulischer Grundbruch bzw. Auf-schwimmen bei gering durchlässiger Schicht unter Baugrubensohle

Page 22: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.22

Nach DIN 1054:2005 sind bei den Einwirkungen (definitionsgemäß gibt es bei Auftriebsnachweisen keine Widerstände) die im Kapitel S, "Bauen im Grundwasser", in der Tabelle von Abschnitt S.3 genannten Teilsicherheitsbeiwerte γF

anzuwenden. Für Lastfall 1 gilt für den hier behandelten Fall: γG,dst = 1,05 und γG,stb = 0,95. Damit ist nachzuweisen: γWasser·hw·γG,dst ≤ γ'Boden·h·γG,stb (G11.20) Im Bereich einer umströmten Spundwand in homogen durchlässigem Boden ist die Stromröhre unmittelbar an der Spundwand hinsichtlich eines hydraulischen Grundbruchs am stärksten gefährdet. Hierzu gibt es in der Literatur ver-schiedene Näherungsverfahren zur Bestimmung der Sicherheit. In Bild G11.20 ist das Kriterium von Terzaghi dargestellt, bei dem Reibungskräfte vernachlässigt sind. Hier wurden Modellversuche berücksichtigt, bei denen der Grundbruch stets durch Anheben eines Bodenprismas von etwa der Breite t/2 auftrat. In den meisten Fällen ist die Tiefe tk = t maßgebend.

Bild G11.20: hydraulischer Grundbruch bei durchströmtem Boden im Bereich einer Spundwand

An der Unterseite des kritischen Bodenprismas ist der mittlere hydrostatische Überdruck

Wba H)

n2nn1(u γ⋅⋅

⋅+

−= .

Statt des Bodenprismas mit der Breite b = t/2 kann auch ein sehr dünnes Prisma, der Stromfaden unmittelbar entlang der Spund-wand, (lim b → 0) betrachtet werden, wie dies auf DAVIDENKOFF zurückgeht. Hier steht eine analytische Lösung

für den Porenwasserüberdruck Δu = hr·γw am Spundwandfuß zur Verfügung (Bild G11.25) mit

3

r

1t'h1

hh++

=

In Höhe des Absenkzieles ist der Wasserüberdruck = 0. Der hydraulische Gradient innerhalb des Bodenprismas ist

i = ((u - 0) / γw ) / tk und die charakteristische Strömungskraft S'k = i·γw·b·tk . Der Teilsicherheitsbeiwert γH zur Ermittlung des Bemessungswerts der Strömungskraft ist nach DIN 1054:2005 vom Untergrund abhängig und beträgt z.B. im Lastfall 2 (Bauzustand) bei günstigem Baugrund (Kies, Kiessand und mindes-

tens mitteldicht gelagerter Mittel- und Grobsand) γH = 1,30 bzw. bei ungünstigem Baugrund (locker gelagerte Böden sowie

bei Feinsand, Schluff und weichen bindigen Böden) γH = 1,60.

Bild G11.25: Wasserdruck bei umströmter Spundwand

1

2

3

1 2

4 4 5 6 7

8

9

10

n = 10m = 4

H

tk

H

t

t/2

tk

∆um

G’

a b

hydrostatischer Über-druck in der Ebene a-b

U

Page 23: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.23

Als günstige Einwirkung steht der Strömungskraft das effektive Eigengewicht des Bodens gegenüber: Das charakteristische effektive Eigengewicht ist hier G'k = γ'·b·tk Der Teilsicherheitsbeiwert für diese günstige ständige Einwirkung beträgt im Lastfall 2 nach DIN 1054:2005 γG,stb = 0,95. Der Nachweis gegen hydraulischen Grundbruch ist dann mit Hilfe der Grenzgleichgewichts-Gleichung zu führen mit S'k·γH ≤ G'k·γG,stb Eckbereiche von umspundeten Baugruben sind aufgrund der räum-lichen Anströmung besonders gefährdet (Bild G11.30) Für Sicher-heitsabschätzungen in diesem Fall und auch bei anderen besonde-ren Randbedingungen gibt es empirische Einflussfaktoren, s. z.B. Grundbautaschenbuch.

G.12 Grundwasserabsenkung, Grundwasserhaltung

Wird in einem Brunnen Grundwasser gefördert, entsteht in seiner Nachbarschaft eine Grundwasserabsenkung. Um eine Baugrube, die unter den Grundwasserspiegel reicht und die nicht abgedichtet wird, trocken zu halten, wird mit einer Grundwasserhaltung der GW-Spiegel bis unter die Baugrubensohle abgesenkt. Absenkziel ist dabei in der Regel ein abgesenkter GW-Spiegel von etwa 0,5 m unterhalb der Baugrubensohle. Zum Zusammenhang von Wassermenge, Durchlässigkeitsbeiwert und Spiegellinie für ebene und zentralsymmetrische Fälle, siehe oben.

G.12.1 Reichweite R

Die Wassermenge q bzw. Q hängt nur schwach von R ab. Deswegen genügt für R eine empirische Abschätzung - für den ebenen Zustand (US Corps of Engineers): k· )h - (H · 1500 R 0= (G12.10), - für den axialsymmetrischen Zustand (SICHARDT, 1927): k· )h - (H · 3000 R 0= (G12.20). Die Gleichungen G12.10 und G12.20 sind nicht dimensionsrein: (H – h0) ist in [m], k in [m/s] einzusetzen. Gleichung G12.20 gilt für den Regelfall, dass der Ersatzradius A einer Brunnenanlage mit mehreren Brunnen bzw. bei einer offenen Wasserhaltung A ≤ 0,4 · R ist. Wenn A größer ist, wird von WEBER (1928) eine Korrektur empfohlen: Rkorr

2 = R2 + A2 (G12.30) Die Gleichungen gelten für den Beharrungszustand, der sich nach dem Auspumpen des Absenktrichters einstellt. Er wird dadurch erreicht, dass mit zunehmender Ausbreitung des Absenktrichters die Anzahl der angezapften Quellen wächst, deren Strömungsrichtung zur Senke hin umorientiert wird, bis schließlich die zuströmende gleich der abgepumpten Was-sermenge ist. Nach WEBER (1928) gilt für die instationäre Phase:

R(t) = 3 · n/tHk ⋅⋅ (t in [s], H in [m]) (G12.40), wobei n der Porenanteil ist.

Bild G11.30: gegenüber hydraulischem Grundbruch besonders gefährdeter Eckbereich

B

Page 24: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.24

G.12.2 Erforderliche Tiefe eines Brunnens, Brunnen-Ergiebigkeit

Das Absenkziel ist im Brunnen nur erreichbar, wenn sein Schluckvermögen (Ergiebigkeit) ausreicht: h0 (siehe Bild G08.150) darf nicht zu klein werden, sonst reicht der Einlauf-querschnitt 2·π·r0·h0 nicht aus. Nach SICHARDT (1927) setzt man empirisch

Qmax = 2 · π · r0 · h0 · 15k

(G12.50).

Hierbei ist k /15 die maximale Einlaufgeschwindigkeit, d.h.

das kritische Gefälle am Brunnenfilter ist imax = 1/15 k . Eine ausführliche Diskussion dieses Versuchsergebnisses findet man bei SZECHY (1965), S. 314, der Zusammenhang ist in Bild G12.10 dargestellt. Die Festlegung der Tiefe eines Brunnens wird damit zu einem iterativen Prozess, vor allem, wenn sie nicht durch eine wasserstauende Schicht in geeigneter Tiefe unter der Baugrubensohle (vollkommener Brunnen) bestimmt wird: Der Brunnendurchmesser richtet sich zunächst nach den verfügbaren Bohrgeräten und Ausbausystemen. Typische Brun-nendurchmesser liegen bei etwa 60 cm bis 1,20 m. Reicht bei einem vollständigen Brunnen und im genannten Durchmesserbereich die Brunnenergiebigkeit nicht aus, um die zutretende Wassermenge zu fassen, so müssen mehrere Brunnen hergestellt werden. Die zutretende Wassermenge bei einer Wasserhaltung (vor allem mit unvollkommenen Brunnen) nach Gleichung G12.50 ist nicht allein vom Absenkziel (H - h0) abhängig, sondern von (H2 - h0

2) und damit auch stark von der Endtiefe des Brun-nens. Ziel der Berechnung der erforderlichen Brunnentiefe ist, sie derart zu bestimmen, dass einerseits die Ergiebigkeit ausreicht, andererseits die mit steigender Brunnentiefe zunehmende Wasserzutrittsmenge nicht überhand nimmt. Da alle Berechnungsergebnisse deutlich von dem nur eingeschränkt genau bestimmbaren Durchlässigkeitsbeiwert k abhängen, ist die Dimensionierung einer Brunnenanlage schwierig. Es empfiehlt sich, eine Wasserhaltung derart zu pla-nen, dass sie aufgrund von Pumpversuchen in den ersten hergestellten Brunnen an die tatsächlichen Erfordernisse an-gepasst werden kann. In der Regel ist die Erfahrung ortskundiger Brunnenbauer hilfreich.

G.12.3 GW-Absenkung durch mehrere Brunnen

Zur Trockenhaltung einer Baugrube werden gewöhnlich mehre-re Brunnen angeordnet. Um die Baugrube von Einbauten und störenden Leitungen freizuhalten, wird ihre Lage gerne am Rand oder außerhalb der Baugrube gewählt. Grundwasser mit mehreren Brunnen geringerer Tiefe abzusenken ist grundwas-serschonender als wenige tiefe Brunnen mit einem tieferen und weiterreichenden Absenktrichter anzuordnen. Wenn man sich eine Baugrube ringförmig mit n Einzelbrunnen umgeben denkt, Bild G12.20, kann man sie als einen großen Ersatzbrunnen mit der n-fachen Kapazität der Einzelbrunnen und dem Ringradius (Ersatzradius) A als Brunnenradius r0 auffassen. Die insgesamt abzupumpende Wassermenge ist dann:

AlnRln

hH· · k Q2

02

−−

π= (G12.50).

Bei sehr langgestreckten Baugruben ist das Denkmodell einer radialen Anströmung nicht mehr haltbar. Es ist dann A = L / 3 zu bevorzugen, wobei L die Länge der Baugrube ist. Bei Baugruben mit A/R > 0,5 wird von WEYRAUCH (HERTH / ARNDTS, 1994) empfohlen, mit Q = k · π · (H2 - h0

2) · (2 · A / R + 0,25) (G12.60) zu rechnen.

Bild G12.10: Zulauf und Fassungsvermögen

Bild G12.20: Ersatzbrunnen für mehrere Einzelbrunnen (nach RIESS, 1996)

)

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Seite Wasser im Baugrund G.25

Da die Brunnen nicht unendlich dicht beieinander stehen, strömt zwischen ihnen Wasser ins Innere des Ringes, so dass das Absenkziel in Ringmitte höher liegt als das des Einzelbrun-nens. Es ist also nachzuweisen, wie tief im Einzelbrunnen ab-gesenkt werden muss, damit das Absenkziel h in allen Punkten der Baugrube gewährleistet ist (zweckmäßigerweise 50 cm unter dem Arbeitsplanum). Dazu wird auf eine Ableitung von FORCHHEIMER (1898) zu-rückgegriffen, die eine Abschätzung zur sicheren Seite darstellt: n Brunnen stehen in einem GW-Träger. Sie haben alle dieselbe Reichweite R und denselben Brunnenradius r0 und fördern Wassermengen q1, q2 ..qn. Ihre Abstände von einem zu unter-suchenden Punkt (Bild G12.30) seien x1, x2 ..xn (<< R ). Die resultierende Wirkung aller n Brunnen ergibt im betrachteten Punkt eine Absenkordinate y. Da Gleichung G12.50 auf beliebi-ge Punkte des Absenktrichters anwendbar ist, gilt k · π · (H2 - y2) = Q1 · (ln R - ln x1) + Q2 · (ln R - ln x2) + ...+ Qn · (ln R - lnxn) (G12.70). Wenn alle Brunnen in etwa gleich ergiebig sind, kann man annehmen, dass sie auch ungefähr dieselbe Wassermenge, nämlich Qi = Q / n, fördern: Q1 = Q2 =...= Qn. Somit ist

Q = k · π ·) xln... xln x(ln - R ln n

) y-(H nn21

22

+++⋅⋅

(G12.80).

Gleichung G12.80 lässt sich auch anwenden, um den Spiegelunterschied zwischen 2 beliebigen Punkten mit den Ab-

senkordinaten y und y zu berechnen: Man setzt dann y anstelle von H und (ln x1 + .. +ln xn) anstelle von n · ln R

ein. Die FORCHHEIMERsche Gleichung G12.80 setzt an sich voraus, dass die Einflussbereiche der Einzelbrunnen einen höchstens einfach zusammenhängenden Bereich bilden, also keine geschlossene Ringfläche. Dadurch wird Q zu groß und das Absenkziel am Einzelbrunnen zu tief berechnet.

G.12.4 Grundwasser-Entspannung

Wenn in wenig wasserdurchlässigem Boden eine Baugrube ausgehoben wird, wirkt die angegrabene Schicht meist als GW-Sperrschicht gegen tiefer anstehende, durchlässige Schichten, die unter vollem hydrostatischem Wasserüberdruck stehen, Bild G12.40. Die gleiche Wirkung stellt sich auch im Feinsand ein, der über einem Mittel- bis Grobsand ansteht.

Wenn sich nach Gleichung G11.20 keine ausreichende Sicherheit gegen Aufschwimmen ergibt, muss der Wasserüber-druck reduziert, d.h. das GW entspannt werden. Dazu werden Entspannungsbrunnen, Bild G12.50, gesetzt. Bei der Be-rechnung ersetzt man in den Gleichungen für den Fall des freien GW-Spiegels den dort variablen Strömungsquerschnitt durch die konstante Schichtdicke hu der wasserführenden Schicht und erhält folgende Gleichungen:

Bild G12.30: Abstände zwischen einem zu unter-suchenden Punkt und den Brunnen (1,2,...n), gestrichelt sind Kreise mit Radius x um die Punkte 1,2...n dargestellt.

Bild G12.40: Gespanntes Grundwasser unter Bau-grube

Bild G12.50: Entspannungsbrunnen

1 2

n

x1 x2

xn

Page 26: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.26

0

u InrInRhH · h · · k · 2 Q

−−

π= (G12.90).

Typisch ist, dass q nur linear vom gewünschten Absenkziel abhängig ist, so dass zur Entspannung relativ kleine Pum-penleistungen genügen. Wenn hu relativ groß ist und die Brunnen tief genug reichen, bildet sich im GW-Träger teilweise ein freier GW-Spiegel bis zum Schnitt mit der Deckschicht aus. Auch dieses Problem lässt sich unter den o.g. Vorausset-zungen in gleicher Weise geschlossen lösen, indem man die Differentialgleichung G08.130 für den brunnennahen Be-reich kombiniert mit dem entsprechenden Ansatz für die GW-Entspannung im ferneren Bereich und die Übergangsstelle aus der Bedingung y = hu bestimmt (TESSENDORFF, 1961).

G.12.5 Offene Wasserhaltung

Wenn das GW nur geringfügig abgesenkt werden muss oder der erwartete Grundwasserzufluss gering ist, wird eine offene Wasserhaltung, Bild G12.60, angelegt: Drängräben oder bes-ser: in Gräben verlegte und mit Kies eingeschüttete Dränrohre leiten das Wasser zu einem oder mehreren Pumpensümpfen, Bild G12.70, von denen aus es in eine Vorflut gepumpt wird. Die Drängräben werden zunächst ringförmig an der Peripherie der Baugrube angeordnet. Darüber hinaus ist es zweckmäßig, rasterförmig in Abständen von etwa 5 m bis 20 m die Baugrube querende Gräben vorzuse-hen. In den Gräben wird zur filterstabilen Trennung in der Regel zuunterst ein Filtervlies verlegt, auf dem die Dränleitung liegt. Wird sie mit Kies eingeschüttet, dann kann die Wasserhaltung auch während der Bewehrungs- und Betonierarbeiten an der Bodenplatte bzw. bis zum Erreichen der Auftriebsicherheit ord-nungsgemäß weiter betrieben werden. Auch der Pumpensumpf ist so auszubilden, dass er nicht ver-schlammt. Es empfiehlt sich, die Sohle des Pumpensumpfes mit einer ca. 40 cm dicken umgekehrten Filterschicht (grobe Fraktion oben) abzudecken. Falls die Wassermenge für eine offene Wasserhaltung berechnet werden muss, wird die gesamte Baugrube wie ein großer Brun-nen behandelt. Allerdings wird man in der Praxis eine offene Wasserhaltung eher nach Erfahrung einrichten, da sie im Regel-fall außer dem abzuleitenden Grundwasser auch gleichzeitig das Tagwasser abführt.

Bild G12.60: offene Wasserhaltung (SZECHY, 1965)

Bild G12.70: Pumpensumpf mit Pumpe

Page 27: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.27

G.12.6 Konstruktion eines Brunnens

Für die GW-Haltungen werden im Bohrverfahren hergestellte Brunnen erforderlich. Typische Durchmesser liegen zwischen 0,6 m und 1,2 m. Sie werden jedoch entsprechend ihrem Ausbau-durchmesser z.B. 10" (10 Zoll = 25,4 cm), 300 mm oder 400 mm bezeichnet. Die Bohrtiefe ergibt sich aus der Berechnung der Ergiebigkeit bzw. aus der Unterseite der grundwasserführenden Schicht, zuzüglich der Bauhöhe für die Tauchpumpe (Bild G12.80). Nach dem in der Regel verrohrten Bohren wird der Brunnen so ausgebaut, dass er im wasserführenden Bereich Wasser ent-nehmen lassen kann, darüber aber so gegen den umgebenden Boden abgedichtet wird, dass der Brunnen keinen vertikalen Wasserweg zwischen geohydraulisch voneinander getrennten Schichten darstellt. Der Ausbau besteht zuunterst aus dem unten geschlossenen Sumpfrohr. Darüber folgt das Filterrohr, ein häufig mit überbrück-ten Schlitzen mit auf den Boden abgestimmter Schlitzweite ver-sehenes Rohr aus PVC oder (Edel-)Stahl. Das Filterrohr wird im Tiefenbereich der wasserführenden Schicht eingebaut. Hier wird der Ringraum zwischen Filterrohr und Bohrlochwandung mit einem Filtermaterial verfüllt. Das Filtermaterial besteht aus Kies mit einer Körnung, die entsprechend der o.g. Filterregeln auf den Untergrund abzustimmen ist. Gelegentlich wird sogar ein zweistu-figer Filter erforderlich. Zweck des Filters ist, einen ausreichen-den Druckabfall bis zum Rohr zu gewährleisten und eine Erosion des Bodens in den Brunnen hinein zu verhüten. Oberhalb des Filterrohres wird bis zum Brunnenkopf ein Vollrohr eingebaut. In diesem Bereich wird der Ringraum zwischen Bohrlochwand und Rohr mit Tonkugeln oder einer Zementierung abgedichtet. Zwi-schen Filterkies und Dichtungsmaterial wird ein Gegenfilter (Sand) zwischengeschaltet. In diesen Brunnenausbau wird die Tauchpumpe eingebaut (am Brunnenkopf angehängt), deren Motor unten liegt (zur Kühlung stets im Wasser) und die das Wasser über ein Steigrohr an die Geländeoberfläche führt. Die Förderleistung der in Deutschland gebräuchlichen PLEUGER-Pumpen geht aus Bild G12.90 hervor. Die einge-zeichneten Kennlinien sind Einhüllende für jeweils Pumpen einer Bauart; Beispiele für Kennlinien einer einzelnen Pumpe sind gestrichelt eingetragen. Im Übrigen geben diese Geraden die erforderliche Leistung bei günstigstem Wirkungsgrad an, der im optimalen Drehzahlbereich 75 %, normalerweise aber etwa 60 % ist. Mit dem Wirkungsgrad η beträgt die erforderliche Anschluss-leistung

N = η367

hQ⋅⋅

[kW] (G12.100)

(Q = Fördermenge in [m³/h]; h = manometrische Förderhöhe in [m]). Da die Förderleistung bis zum Erreichen des stationären Absenkzustands abnimmt und dann konstant bleibt, kann es wirtschaftlich sein, statt einer großen zwei kleinere Tauchpumpen einzuhängen und eine davon später abzuschalten. Keinesfalls darf eine Pumpe bei nachlassender Ergiebigkeit eines Brunnen mit dem Druckschieber geregelt werden. Auch ein Hohlsog soll vermieden werden; man schaltet dann den Brunnen besser ganz ab.

Bild G12.80: Tauchpumpe

Bild G12.90: Bemessungsdiagramm für Tauch-pumpen (nach Unterlagen der Fa. PLEUGER)

Page 28: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.28

Die Filterfläche eines Brunnen sollte bei längerer Betriebsdauer wegen möglicher Verschlämmung, Verkalkung oder Verockerung (bei eisenhaltigem Wasser) um 15 % überbemessen werden. Bei der Bemessung der Brunnenlänge muss auch der Steilabfall der Sickerlinie im Filterbereich (Bild G08.150) berück-sichtigt werden, da der Bohrlochdurchmesser 2·ro in die Berechnung der Ergiebigkeit eingeht. Es empfiehlt sich, dafür zwei Meter zusätzliche Filterrohrlänge vorzusehen. Es ist nicht zu empfehlen, an der Installation der Brunnen für eine GW-Haltung zu sparen, da in der Regel nicht die Einrichtungs- sondern die Betriebskosten wirtschaftlich ausschlagge-bend sind. Um das Risiko eines Stromausfalls zu vermeiden, müssen Notstromaggregate ausreichender Kapazität vorgehalten wer-den.

G.12.7 (Setzungs-)Schäden durch GW-Absenkung

Die GW-Absenkung ist eine weiträumige Baumaßnahme, die in der gesamten Umgebung die effektiven Vertikalspannun-gen durch Wegfall des Auftriebs vergrößert und so zu Gebäudesetzungen Anlass geben kann. Ein weiterer Nachteil kann darin liegen, dass zuvor wassergesättigte Bodenschichten jetzt belüftet werden, so dass z.B. Holzpfähle zu faulen und Stahl zu korrodieren beginnt oder sich die Zersetzung eines Torfes verändert. Auch das Ausspülen von Feinteilen und die Lösung von Kalk, Gips oder Salz kann zu Verformungen führen. In gewissem Umfang lässt sich der Absenktricher begrenzen, indem man das abgepumpte Wasser z.B. bereits vor der nächsten benachbarten Gebäudeflucht über Schluckbrunnen wieder in den Boden (aber bitte nicht in den Keller!) ein-speist. Dabei entsteht ein Wasserkreislauf mit erhöhten Fördermengen.

G.12.8 Vakuumwasserhaltung

Die Entwässerung mittels Tiefbrunnen ist auf Bodenarten beschränkt, deren k-Wert oberhalb 10-5 m/s liegt. Stein- und Blockpackungen lassen sich noch nicht, feinkörnige Böden mit einem merklichen Kapillarpotential lassen sich nicht mehr durch die einfache Schwerkraft-Entwässerung dränieren. Bei Feinsanden und Schluffen, die schon bei geringen Porenwasserüberdrücken zum Ausfließen neigen (Fließsand), hat sich das von STRECK (STEINFELD, 1951) in Deutschland eingeführte Vakuumverfahren ausgezeichnet bewährt. In Baugrundsituationen, in denen wasserführende Feinsandlagen möglich sind, sollte auf einer Tiefbaustelle stets eine Va-kuumanlage kurzfristig verfügbar sein, weil man derartige Einlagerungen oft erst beim Aushub feststellen kann. Wird die Vakuumwasserhaltung mit Hilfe von einzelnen kleinen Brunnen kleinen Durchmessers vorgenommen, können dies in den Boden gerammte, perforierte, dünne Rohre sein (Lanzen, Abessinierbrunnen, Wellpoints). Alternativ ist es möglich, eine Dränleitung in den Untergrund bis etwa 6 m Tiefe mit Hilfe einer Tiefenfräse zu verlegen, und diese an Vakuumpumpen anzuschließen. Bild G12.100 zeigt einen Querschnitt durch eine vakuument-wässerte Böschung. Die Wasserfassung erfolgt durch einge-spülte (3 bis 5 min Spüldauer) oder eingerammte Lanzen, die wegen der geringen Reichweiten in 1 m bis 2 m Abstand anzu-ordnen sind. Die praktisch erreichbare Absenktiefe liegt bei 6 m, d.h. bei größeren Absenktiefen müssen mehrere Staffeln einge-setzt werden. Die Lanzen werden gruppenweise an einen ge-meinsamen Sammelstrang angeschlossen; auf je 50 m Strang-länge kommt eine Vakuumpumpe (Membranpumpe), die einen ständigen Unterdruck von 70 kN/m² aufrechterhalten muss. Da die Wassermengen klein sind, ist die Vorausberechnung meist entbehrlich. Nach KOVACS (SZECHY, 1959) ist

Q = k · π · AlnRln

hHγsp1

22

w −−

⋅⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡⋅Δ

+ (G12.110)

(s - Absenktiefe, pΔ - Unterdruck) - eine Gleichung, deren Brauchbarkeit von HERTH / ARNDTS (1994) bestätigt wird. Der Vorteil des durch eine Vakuumanlage gesteigerten Druckgefälles lässt sich auch bei den oben beschriebenen Brun-nen anwenden (Vakuumtiefbrunnen), wenn man sie oben luftdicht verschließt und im Aufsatzrohr durch eine getrennte Pumpe den Unterdruck erzeugt. Das Wasser muss dann durch ein Schleusenventil mittels Tauchpumpe nach außen

Bild G12.100: vakuumentwässerte Böschung (SZECHY, 1959)

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Seite Wasser im Baugrund G.29

gedrückt werden. Die im Ausland verbreitete „Wellpoint“-Methode entspricht in der Einrichtung dem Vakuumverfahren, wird dort aber auch bei grobkörnigen Böden ohne Anwendung eines Unterdrucks eingesetzt.

G.12.9 Elektro-Osmose

Wenn im Boden ein elektrisches Gleichstromfeld erzeugt wird, verursacht der Potentialunterschied zwischen Anode und Kathode eine Diffusion des Porenwassers zur Kathode, d.h. der Wassergehalt nimmt in der Umgebung der Anode ab und an der Kathode, die man als Filterrohr ausbildet, zu. Der Boden darf keinen zu niedrigen elektrischen Widerstand haben, sonst geht der größte Teil der hineingesteckten elektrischen Energie durch Aufheizen verloren. Das Verfahren wird, zumal seit Entwicklung des Vakuum-Verfahrens, selten angewendet, weil der Energieaufwand be-trächtlich ist und es nur funktioniert, wenn der Boden genügend freies Porenwasser enthält, also einen Wassergehalt nahe der Fließgrenze hat (SMOLTCZYK, 1962). In solchen Böden wird man aber kaum eine freie Böschung herstellen. Das Verfahren ist gelegentlich zur Stabilisierung von Rutschhängen (HENKE, 1970) und zum Abbau von Porenwasser-überdrücken in Böden mit k-Werten unter 10-7 m/s verwendet worden (CHAPPELL / BURTON, 1975; siehe dazu GRAY, 1976), bei denen eine Verringerung des Wassergehaltes um wenige Prozent bereits Erfolg bringt.

G.12.10 Anwendungsbereiche

Die Schwerkraftentwässerung mit Hilfe von Tiefbrunnen ist vor allem für Sande und Feinkiese geeignet. Die Absenktiefe ist nicht begrenzt, da Tauchpumpen eingesetzt werden, die das Wasser nach oben drücken. In stärker durchlässigen Kiesen steigen bei größeren Absenktiefen die zu fördernden Wassermengen und die Reichweite einer Wasserhaltung so stark an, dass anstelle von Absenkungen die Ausführung dichter Baugruben geboten ist. Die Vakuumwasserhaltung hat ihren optimalen Anwendungsbereich in Schluffen und Feinsanden. Der erforderliche Ab-stand der erforderlichen Vakuumbrunnen nimmt mit der Feinkörnigkeit ab. Horizontale, vakuumentwässerte Dränstränge haben bei der Entwässerung ausgedehnter Flächen oder auch bei (Rohrleitungs-)Gräben häufig Vorteile gegenüber einzelnen Lanzen. Die Absenktiefe ist bei einfachgestaffelten Anlagen auf etwa 6 m begrenzt. Falls (breiige) Tone entwässert werden müssen, kann eine gekoppelte Anwendung von Dränelementen (vertikale Drän-dochte), einer Auflast (Konsolidation), eines im Austrittsbereich der Dräns aufgebrachten Vakuums und / oder Elektro-Osmose zielführend sein. Offene Wasserhaltungen sind in bindigen Böden auch bei großer Absenktiefe möglich und zweckmäßig, in nichtbindigen Böden sind damit nur geringe Absenktiefen realisierbar.

G.13 Bemessungswasserstand, Auftriebssicherheit

Wasser im Baugrund bewirkt auf in ihn einbindende Bauwerke einen Wasserdruck. Bodenplatten und Wände von Bautei-len sind auf diesen Wasserdruck zu bemessen. Außerdem ist nachzuweisen, dass die Auftriebssicherheit des derart belasteten Bauwerks gegeben ist. Zur Sicherstellung der Auftriebssicherheit stehen das Eigengewicht des Bauwerks, die Heranziehung benachbarter Bodenbereiche sowie Verankerungen zur Verfügung. Für die genannten Nachweise ist ein maßgebender Bemessungswasserstand von Bedeutung. Zu seiner Festlegung im Zusammenwirken mit Dräneinrichtun-gen, Grundwasserspiegelbegrenzungssystemen, Umläufigkeitseinrichtungen, natürlich vorhandenem Fließgefälle, Grund-wassersperren etc. wird im Abschnitt "Bauen im Grundwasser" eingegangen.

G.14 Bodenverflüssigung, Setzungsfließen

Wenn ein wassergesättigter Boden, z.B. durch eine Erschütterung, einer Verdichtungswirkung unterzogen wird, das Wasser aber nicht so schnell abfließen kann, wie dies die angestrebte dichtere Lagerung der Bodenteilchen erfordert, kommt es zu einer Verflüssigung des Bodens (Liquefaction). Im dann vorhandenen Boden-Wasser-Gemisch können keine Scherbeanspruchungen mehr aufgenommen werden, das Gemisch verhält sich wie eine Flüssigkeit. Dies kann in lockeren Sanden bei Erdbebeneinwirkungen geschehen und hat bereits zu sehr großen Schäden geführt. Auch in locker verfüllten Tagebaugruben, in denen nach Abschluss der Auskohlungsarbeiten das Grundwasser wieder ansteigt, können im Zusammenhang mit sehr kleinen auslösenden Ereignissen aus gleichem Grund Verflüssigungen auftreten (zu langsam abfließendes Porenwasser behindert eine Verdichtung des Bodens). Hier spricht man von Set-zungsfließen, vor allem, wenn die Verflüssigung im Bereich von Böschungen auftritt, die sich dann in kürzester Zeit sehr stark abflachen.

Page 30: Vorl-g-g Wasser Im Baugrund

Seite Wasser im Baugrund G.30

G.15 Schrifttum

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Springer-Verlag, Berlin.