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Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wirtschaftsverwaltungs-, Medien- und Informationsrecht Prof. Dr. Ralf Müller-Terpitz Staatsrecht I – Vorlesungs- und übungsbegleitendes Skript zum Grundkurs Staatsrecht I – Stand: August 2010

Vorlesungs- Und Übungsbegleitendes Skript Zum GK StaatsR I

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Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wirtschaftsverwaltungs-, Medien- und Informationsrecht

Prof. Dr. Ralf Müller-Terpitz

Staatsrecht I

– Vorlesungs- und übungsbegleitendes

Skript zum Grundkurs Staatsrecht I –

Stand: August 2010

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Inhaltsverzeichnis

Teil 1: Staatsorganisationsrecht Übersicht 1: Die nationale Normenhierarchie ............................................................. 3 Übersicht 2: Falllösungstechnik .................................................................................. 4 Übersicht 3: Der Gutachtenstil.................................................................................... 5 Übersicht 4: Die Auslegung von Normen.................................................................... 7 Übersicht 5: Verfassungsmäßigkeit eines Bundesgesetzes ....................................... 9 Übersicht 6: Zuständigkeitsprüfung bei Bundesgesetzen......................................... 10 Übersicht 7: Die Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 II GG....................................... 11 Übersicht 8: Ungeschriebene Bundeskompetenzen................................................. 12 Übersicht 9: Zuständigkeitsprüfung bei Landesgesetzen ......................................... 13 Übersicht 10: Das Gesetzgebungsverfahren............................................................ 15 Übersicht 11: Die Staatsstrukturprinzipien (Art. 20, 28 I 1 GG) ................................ 17 Übersicht 12: Das Rückwirkungsverbot .................................................................... 18 Übersicht 13: Schema für die Prüfung einer Rechtsverordnung............................... 20 Übersicht 14: Der Untersuchungsausschuss............................................................ 21 Übersicht 15: Ausführung der Bundesgesetze ......................................................... 22 Teil 2: Verfahrensarten vor dem Bundesverfassungsge richt Übersicht 16: Organstreitverfahren,.......................................................................... 23 Übersicht 17: Abstrakte Normenkontrolle, ................................................................ 24 Übersicht 18: Bund-Länder-Streit, ............................................................................ 25 Übersicht 19: Konkrete Normenkontrolle .................................................................. 27 Übersicht 20: Verfahrensarten im Vergleich ............................................................. 28

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Einfache formelle Bundesgesetze

--------------------------------------------- Rechtsverordnungen

Übersicht 1: Die nationale Normenhierarchie

GG __________________

Einfaches Bundesrecht

_____________________________________

Landesrecht

Landesverfassungsrecht --------------------------------------------------------------

Einfache formelle Landesgesetze ---------------------------------------------------------------------

Rechtsverordnungen/Satzungen

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Übersicht 2: Falllösungstechnik Drei Schritte A. Sachverhalt und Fallfrage erfassen B. Gliederung erstellen C. Ausformulierung der Lösung A. Sachverhalt und Fallfrage erfassen

- Die Fallfrage bildet den Ausgangspunkt für die Erstellung des Rechtsgutachtens. Die weitere Bearbeitung hat sich strikt an ihr zu orientieren. Ausführungen, die sich nicht an der Fallfrage orientieren, sind überflüssig und damit falsch. Daher empfiehlt es sich, die Klausurbearbeitung mit dem Lesen des Bearbeitervermerks zu beginnen.

- Anschließend wird der Sachverhalt - am Besten zweimal – gelesen und relevante Stellen werden hervorgehoben. Es hat sich bewährt, Notizen zu spontanen Einfällen zu machen (die erste Idee ist oft die Beste!). Eventuell werden noch ein Zeitstrahl/eine Personenübersicht angefertigt.

- Tatsächliche Angaben im Sachverhalt sind als wahr hinzunehmen. - Rechtsauffassungen der Parteien sind unverbindlich – sie stellen nur eine

Hilfestellung im Hinblick auf bestimmte Probleme der Klausur dar und sind bei späteren Argumentationen aufzugreifen.

B. Gliederung

- Die Gliederung dient als Orientierungs- und Aufbauhilfe. Sie ist nicht Teil des Rechtsgutachtens, sondern dient vielmehr der eigenen Kontrolle, ob alle im Sachverhalt angelegten Probleme erfasst wurden.

- Die Klausurpraxis zeigt, dass für das Lesen des Sachverhalts und die Erstellung der Gliederung ca. 1/3 der Arbeitszeit einkalkuliert werden sollten.

- Auch die Gliederung hat sich streng am Bearbeitervermerk zu orientieren. C. Niederschrift

- Die Bearbeitung ist im Gutachtenstil zu formulieren (vgl. hierzu Übersicht 3).

- Aus Gründen der Zeitnot ist es unerlässlich, die Hauptprobleme der Arbeit zu erkennen und entsprechend auch die Schwerpunkte bei der Ausformulierung zu setzen. So sind unproblematische Abschnitte kurz zu halten und dafür problemlastige Stellen ausführlich darzustellen.

- Normen sind exakt zu zitieren. - Im Rechtsgutachten wird keine direkte Rede verwendet. - Das Papier wird einseitig mit 1/3 Rand auf der linken Seite beschriftet. - Klare und übersichtliche Untergliederung durch Absätze und Überschriften.

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Übersicht 3: Der Gutachtenstil Der Gutachtenstil zeichnet sich dadurch aus, dass das Ergebnis aus den vorstehenden Erwägungen gefolgert wird und daher am Ende steht. Typische Wörter hierfür sind „daher“, „also“, „folglich“, „deshalb“ etc. A. Einführungsbeispiel zu den einzelnen Schritten Sachverhalt: Drei deutsche Studenten verabreden sich vor der Universität, um gegen die Studiengebühren zu demonstrieren. Sie führen Baseballschläger mit sich, um sie gegen Befürworter von Studiengebühren einzusetzen. Bearbeitervermerk : Können sich die Studenten auf die Versammlungsfreiheit berufen?

1. Schritt: Der Obersatz Ausgangspunkt für das weitere Vorgehen. Das zu behandelnde Problem wird aufgeworfen. Die einschlägige Norm wird zitiert.

Fraglich ist, ob sich die Studenten auf die Versammlungsfreiheit des Art. 8 I GG berufen können.

2. Schritt: Definition Die jeweiligen Voraussetzungen der Norm sind zu nennen und zu definieren. ACHTUNG: Hier nur abstrakte Definitionen. Kein Fallbezug!!

Dies setzt voraus, dass es sich bei den Studenten um Deutsche handelt und das Treffen als Versammlung zu qualifizieren ist. Gem. Art. 116 GG sind all diejenigen Deutsche, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Unter einer Versammlung versteht man eine Zusammenkunft mehrerer Personen mit innerer Verbindung zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks. Des Weiteren muss die Versammlung friedlich und ohne Waffen stattfinden. Eine Versammlung findet dann mit Waffen statt, wenn gefährliche Werkzeuge zum Zwecke ihres Einsatzes mitgeführt werden.

3. Schritt: Subsumtion Es ist zu prüfen, ob die abstrakten Voraussetzungen, die im vorangegangenen Schritt definiert wurden, im konkreten Fall erfüllt sind. Achtung: Schritt 2 und 3 können verbunden werden. So ist es geschickter, bei mehreren Voraussetzungen nach der Definition einer Voraussetzung bereits die

Im vorliegenden Fall besitzen die Studenten die deutsche Staatsangehörigkeit. Daher handelt es sich um Deutsche im Sinne des Art. 116 GG. Weiterhin treffen sich die Studenten, um ihre gemeinsame Ablehnung der Studiengebühren kund zu tun. Sie treffen sich also zur gemeinsamen Willensäußerung in öffentlichen Angelegenheiten und

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Subsumtion anzuschließen und dann mit der Definition der nächsten Voraussetzung fortzufahren.

verfolgen daher einen gemeinsamen Zweck. Die Studenten haben sich nicht zufällig getroffen, sondern haben sich vorher verabredet. Daher besteht zwischen ihnen die geforderte innere Verbindung. Jedoch führen sie Baseballschläger bei sich, um Gegner zu verletzen. Die Versammlung findet daher mit Waffen statt.

4. Schritt Ergebnis Das Ergebnis, das sich aus den Schritten 2+3 ergibt wird festgehalten. Der Bezug zum Obersatz muss hergestellt werden.

Deswegen können sich die Studenten nicht auf die Versammlungsfreiheit des Art. 8 I GG berufen.

B. Zur Darstellung von Meinungsstreitigkeiten

- Führen die verschiedenen Ansichten zu gleichen Ergebnissen: Streit

darstellen und im Ergebnis offen lassen. - bei verschiedenen Ergebnissen: Jeweils Meinung und Ergebnis

darstellen, sich dann für eine Variante entscheiden (keine Alternativlösung).

C. Das Hilfsgutachten

- Im Gutachten ist grundsätzlich weiter zu prüfen (die Prüfung also grundsätzlich nicht abbrechen), auch wenn z. B. die Verfassungsbeschwerde/das Gesetz schon an einer Stelle unzulässig/verfassungswidrig ist. Arg.: Zweck des Gutachtens ist es, alle aufgeworfenen Probleme zu behandeln.

- in der Klausur am besten nichts von einem „Hilfsgutachten“ schreiben, sondern die weitere Untersuchung z. B. folgendermaßen kenntlich machen: „Schon an dieser Stelle ist das Verfahren für unzulässig zu erklären. Zu prüfen ist, ob noch weitere Unzulässigkeitsgründe vorliegen...“

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Übersicht 4: Die Auslegung von Normen A. Allgemeine Grundsätze Die herkömmliche Interpretationslehre unterscheidet im wesentlichen zwischen vier bzw. fünf klassischen Auslegungsmethoden.

I. Grammatische Auslegung

Hierbei ist der bloße Wortlaut, der Wortsinn maßgebend (Verbalauslegung; Wortsinn im allgemeinen Sprachgebrauch).

II. Systematische Auslegung

Hierbei wird auf den logischen, systematischen Gesamtzusammenhang abgestellt, in dem die auszulegende Vorschrift steht. Abzustellen ist auf die Stellung, den Sinn und die Funktion einer Gesetzesvorschrift im Kontext des Gesetzes bzw. der Gesamtrechtsordnung.

III. Teleologische Auslegung

Die Auslegung erfolgt bei dieser Methode aus dem Sinn und Zweck, dem „telos“, der „ratio“ der konkreten Vorschrift. Es wird versucht, die einer Vorschrift maßgeblich zu Grunde liegenden Wert- und Zweckprinzipien zu ergründen und danach den Sinngehalt der Norm festzulegen.

IV. Historische Auslegung

Die historische Interpretationsmethode stellt als subjektive Methode entscheidend auf den Willen des Gesetzgebers, also primär darauf ab, welchen Sinn der Gesetzgeber selbst einer Bestimmung verleihen wollte. Dieser Wille wird aus der historischen Verwurzelung und insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der konkreten Norm entnommen (v.a. Gesetzesmaterialien).

V. Vergleichende Auslegung

Hierbei werden Parallelvorschriften aus anderen Rechtsgebieten herangezogen. Es wird rechtsvergleichend gearbeitet.

Grundsätzlich ist eine Kombination aus allen Ausleg ungsmethoden zu wählen B. Besonderheiten bei der Interpretation der Verfas sung Das BVerfG räumt im Verfassungsrecht den objektiven Methoden (oben I. bis III.) den Vorrang vor den subjektiven Methoden ein. Im Prinzip ist auch bei der Auslegung der Verfassung von den dargestellten Auslegungsmethoden auszugehen. Die Bedeutung, der Rang und die Eigenart bzw.

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die besondere Funktion und der hervorstechende Charakter der Verfassung gebieten aber teilweise eine Modifizierung dieser Interpretationsgrundsätze. Grundsätze aus der Rechtsprechung des BVerfG:

1. Maßgebend ist der „objektivierte Wille des Gesetzgebers“, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (Einbeziehung des rechtlichen und historischen Umfeldes, insb. des systematischen und teleologischen Normzusammenhangs).

2. Vornehmstes Interpretationsprinzip: Einheit der Verfassung.

3. Das Prinzip der Einheit kann aber in einer Verfassung nicht lückenlos sein.

In solchen Fällen hat die Verfassungsinterpretation die Aufgabe der Optimierung und Harmonisierung.

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Übersicht 5: Verfassungsmäßigkeit eines Bundesgesetzes A. Formelle Verfassungsmäßigkeit I. Gesetzgebungskompetenz des Bundes (siehe Übersichten 6 bis 8) II. Gesetzgebungsverfahren (vgl. dazu auch Übersicht 10) 1. Einleitungsverfahren, Art. 76 GG a) Gesetzesinitiative, Art. 76 I GG aa) Bundesregierung (vgl. § 15 I a GOBReg) bb) Mitte des Bundestages (vgl. § 76 GOBT) cc) Bundesrat (vgl. Art. 52 III 1 GG) b) Vorverfahren, Art. 76 II, III GG

2. Hauptverfahren, Art. 77, 78 GG a) Beschluss des Bundestages aa) Beschlussfähigkeit, § 45 GOBT bb) Ordnungsgemäße Beschlussfassung

- Drei Lesungen, vgl. §§ 78 ff GOBT (Verstoß unbeachtlich) - nur Mehrheit der abgegebenen Stimmen, vgl. Art. 42 II 1 GG

b) Beteiligung des Bundesrates, Art. 78 GG aa) Zustimmungsgesetze (Enumerationsprinzip; Zustimmung zwingend) bb) Einspruchsgesetze

3. Abschlussverfahren, Art. 82 GG a) Gegenzeichnung, Art. 58 S. 1 GG b) Ausfertigung und Verkündung im Bundesgesetzblatt B. Materielle Verfassungsmäßigkeit I. Spezielle Anforderungen (z.B. Art. 80 GG bei Rechtsverordnungen) II. Kein Verstoß gegen Grundrechte III. Grundsätze des Art. 20 GG 1. Demokratieprinzip

2. Bundesstaatsprinzip

3. Sozialstaatsprinzip

4. Rechtsstaatsprinzip

a) Bestimmtheitsgebot b) Rückwirkung c) Verhältnismäßigkeit

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Übersicht 6: Zuständigkeitsprüfung bei Bundesgesetzen A. Ausgangspunkt: Art. 30, 70 GG

- Grundsätzlich besitzen die Länder die Gesetzgebungskompetenz

- Ausnahme: Der Bund wird vom Grundgesetz ausdrücklich ermächtigt

B. Ausschließliche Zuständigkeit des Bundes, Art. 7 1, 73 GG

- In diesem Bereich kann der Bund ohne weiteres tätig werden, wenn er einen

der aufgelisteten Kompetenztitel vorweisen kann

- Kompetenzzuweisungen finden sich enumerativ in Art. 73 GG aufgeführt aber auch außerhalb des Katalogs (z.B. Art. 4 III 2, 21 III, 38 III, 105 I GG)

C. Konkurrierende Zuständigkeit des Bundes, Art. 72 , 74 GG

- Kompetenzzuweisung in Art. 74 GG? - Wenn sich darin einen Kompetenztitel findet, besitzt der Bund die volle

Gesetzgebungskompetenz. Die Länder sind nur zuständig, solange und soweit der Bund nicht von seiner Kompetenz Gebrauch macht, Art. 72 I GG. Eine bundesrechtliche Regelung schließt eine landesrechtliche Regelung aus (zeitliche und sachliche Sperrwirkung), es sei denn es handelt sich um eine Regelung auf einem Gebiet des Art. 72 III GG. Hierbei handelt es sich um eine Ausnahme von der Sperrwirkung.

- Teilweise Einschränkung durch Erforderlichkeitsklausel in Art. 72 II GG (vgl.

dazu Übersicht 7)

D. Ungeschriebene Zuständigkeiten

I. Kraft Sachzusammenhangs => Regelung „in die Breite“

II. Annexkompetenz

=> Regelung „in die Tiefe“

III. Kraft Natur der Sache => „begriffsnotwendige“ Regelung

(beachte: wegen Art. 30, 70 GG sind die ungeschriebenen Zuständigkeiten nur sehr zurückhaltend anzunehmen) => vgl. dazu Übersicht 8

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Übersicht 7: Die Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 II GG Gem. Art. 72 II GG wird in einigen Fällen für das Bestehen einer Gesetzgebungs- kompetenz des Bundes noch verlangt, dass eine einheitliche Regelung erforderlich ist.

Art. 72 II GG ist erfüllt, wenn die Regelung erforderlich ist zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse

Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse

Wahrung der Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse

Die Lebensverhältnisse müssen sich in den Län-dern in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialge-füge beeinträchtigender Weise auseinander ent-wickelt haben oder eine derartige Entwicklung muss sich konkret ab-zeichnen. Nicht: einheitliche Lebensverhält-nisse

Rechtseinheit ist die Geltung gleichen Rechts hinsichtlich der gleichen Materie im gesamten Bun-desgebiet. Diese ist zu wahren bei unzumutbaren Behinderungen im länder-übergreifenden Rechtsver-kehr, wenn also durch die bestehende Rechtslage eine Bedrohung für die Rechtssicherheit und die Freizügigkeit besteht. Beispiel: Uneinheitliche Personen-standsregelungen (Ehe, Lebenspartnerschaft)

Wirtschaftseinheit sind rechtlich einheitliche Bedin-gungen für die Wirtschaft. Diese ist bedroht, wenn durch eine unterschiedliche Rechtslage erhebliche Nachteile für die Gesamt-wirtschaft entstehen. Beispiel: Durch verschiedene Aus-bildungsordnungen wan-dern Auszubildende in be-stimmte Länder ab, andere Länder haben dadurch kaum mehr personelles Potential.

Beachten Sie: Bloße Unterschiede zwischen den Lände rn genügen nicht. Diese sind Folge des föderalen Systems der Bundesrepublik. Es muss sich immer um eine bedeutende, erhebliche und zumeist unzumutbare Uneinheitlichkeit handeln. (zur Vertiefung: BVerfGE 106, 62 ff.)

Erforderlich ist die Regelung dann, wenn ein koordiniertes Handeln der Länder in angemessener Zeit die oben genannten Verhältnisse nicht herstellen kann.

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Übersicht 8: Ungeschriebene Bundeskompetenzen - enge Voraussetzungen (Zurückhaltung wegen Art. 30, 70 GG geboten). - drei Fallgruppen: Kompetenz kraft Natur der Sache

Annexkompetenz Kompetenz kraft Sach-zusammenhangs

Voraussetzungen - Die Materie ist von kei- nem Kompetenztitel des GG ausdrücklich erfasst.

- Die Materie kann be- griffsnotwendig nur durch ein Bundesgesetz ge- regelt werden. (Unterscheide: bloße Zweckmäßigkeit). - Indiz: Vergleichbarkeit der Ma- terie mit den Bereichen des Art. 73 GG.

Voraussetzungen - Die Materie ist von kei- nem Kompetenztitel des GG ausdrücklich erfasst. - Die Materie steht in engem sachlichen Zu- sammenhang mit einer geschriebenen Kompe- tenzmaterie. - Die Regelung der Annex- Materie ist erforderlich für die wirksame Regelung der Hauptmaterie (für deren Durchführung und Vorbereitung unerläss- lich); Regelung „in die Tiefe“.

Voraussetzungen - Die Materie ist von kei- nem Kompetenztitel des GG ausdrücklich erfasst. - Eine Materie, für die der Bund die Kompetenz hat, kann nicht ohne Ausgrei- fen in diese Materie sinn- voll geregelt werden; Re- gelung „in die Breite“.

Konsequenz Ausschließliche Bundeszu-ständigkeit

Konsequenz ausschließliche oder kon-kurrierende Bundeskompe-tenz

Konsequenz ausschließliche oder kon-kurrierende Bundeskompe-tenz

Beispiele - Sitz der Bundesorgane - Nationalhymne - Details zur Bundesflagge

Beispiele - Bundeswehrhochschule - Regelung über den Stra-

ßenverkehr behindernde Werbeanlagen

Beispiele - Art. 21 III GG i.V. mit der

Regelung der Wahlwer-bung politischer Parteien.

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Übersicht 9: Zuständigkeitsprüfung bei Landesgesetzen A. Grundregel, Art. 30, 70 GG

Die Gesetzgebungskompetenz liegt grundsätzlich bei den Ländern.

B. Ausschließliche Zuständigkeit des Bundes?

Art. 71, 73 GG oder an anderer Stelle des GG (vgl. Übersicht 6)? Betrifft die Materie einen Bereich, der in die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes fällt, ist das Landesgesetz nichtig.

C. Konkurrierende Zuständigkeit des Bundes? I. Kompetenztitel: Fällt Materie unter den Zuständigkeitskatalog des Art. 74 GG? II. Kompetenzsperre durch Bundesgesetz, Art. 72 I GG? 1. Umfassende bundesgesetzliche Kodifikation?

Wenn ja, kann das zur Nichtigkeit des Landesgesetzes führen (Ausnahme: Art. 72 III GG ist anwendbar). Voraussetzung:

2. Bundesgesetz verfassungsgemäß? Das Bundesgesetz muss seinerseits auch verfassungsgemäß sein. (v.a. Art. 72 II GG ist zu beachten). Nur dann ist das Landesgesetz nichtig, ansonsten bleibt es bestehen, da der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nicht Gebrauch gemacht hat.

3. Bei punktueller Regelung durch den Bundesgesetzg eber: entscheidend, ob der gleicher Regelungsgegenstand durch das Landesgesetz betroffen ist

III. Abweichungskompetenz der Länder, Art. 72 III GG 1. Kompetenztitel : Fällt Materie in den Katalog des Art. 72 III GG?

Die Länder dürfen dann eigene, vom Bundesgesetz abweichende Regelungen treffen. Dazu sind aber die zeitlichen Grenzen des Art. 125 b I 3 GG zu beachten. Folge: Anwendungsvorrang des jüngeren Gesetzes

(Abweichungsfester Kern betroffen?) 2. Art. 125 b GG 3. Probleme: Ist eine vollständige Regelung des gesamten Sachbereichs erforderlich oder ist eine punktuelle Änderung bzw. die Anordnung der Nichtgeltung ausreichend?

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Übersicht 10: Das Gesetzgebungsverfahren A. Einleitungsverfahren

I. Initiativrecht Art. 76 I GG 1. Bundesregierung 2. Mitte des Bundestages (§ 76 GOBT) 3. Bundesrat

II. Weitere Behandlung der Gesetzesinitiative

Vorlagen der Bundesregierung müssen zunächst dem Bundesrat zugeleitet werden, Art. 76 II 1 GG (und umgekehrt, vgl. Art. 76 III 1 GG).

B. Hauptverfahren

I. Beschlussfassung des Bundestags, Art. 77 I 1 GG

1. Beschlussfähigkeit, § 45 GOBT Achtung: Bundestag gilt als beschlussfähig, bis Antrag auf Feststellung der Beschlussunfähigkeit gestellt wurde

2. Abstimmung a) Drei Lesungen, vgl. §§ 78 ff GOBT (Verstoß unbeachtlich) b) Grds. nur Mehrheit der abgegebenen Stimmen, vgl. Art. 42 II 1 GG

II. Beteiligung des Bundesrats

Abgrenzung Einspruchs- und Zustimmungsgesetz: Grds.: Einspruchsgesetz

1. Verfahren bei Einspruchsgesetzen (Orientierung an Art. 78 GG

möglich!) - Einberufung des Vermittlungsausschuss , Art. 77 II 1 GG; dafür

Frist von 3 Wochen, sonst ist Gesetz zustande gekommen, Art. 78 Var. 2 GG

- Nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens: Möglichkeit des Ein-spruchs innerhalb von 2 Wochen mittels wirksamen Beschlusses (Art. 52 III 1 GG), Art. 77 III 1 GG, sonst kommt Gesetz zustande, Art. 78 Var. 3 GG

- Nimmt Bundesrat den Einspruch zurück: Gesetz kommt zustande, Art. 78 Var. 4 GG

- Überstimmung des Einspruchs durch Bundestag, Art. 77 IV GG. ACHTUNG: auf Mehrheitsanforderungen achten! Gesetz kommt zustande, Art. 78 Var. 5 GG

2. Verfahren bei Zustimmungsgesetzen - Vermittlungssauschuss nur fakultativ - Beratung über Zustimmung in angemessener Zeit, Art. 77 IIa GG - Bei Zustimmung: Gesetz kommt zustande, Art. 78 Var. 1 GG

C. Abschlussverfahren, Art. 82 GG

- Gegenzeichnung durch Bundesregierung, Art. 58.1 GG

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- Ausfertigung durch Bundespräsidenten - Verkündung im Bundesgesetzblatt

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Übersicht 11: Die Staatsstrukturprinzipien (Art. 20, 28 I 1 GG) und ihre Merkmale A. Republik: - Gegensatz zur Monarchie, Oligarchie, Plutokratie; - Distanz gegenüber Sonderinteressen; - Gemeinwohlorientierung; - gewähltes Oberhaupt auf bestimmte Zeit. B. Demokratieprinzip: - Volksherrschaft, Art. 20 II 1 GG; - ununterbrochene Legitimationskette; - Art. 20 II 2 GG – in Deutschland parlamentarische, mittelbare, repräsentative,

indirekte Demokratie im Gegensatz zur unmittelbaren; im Bund bisher nur geringe Ansätze für direkte Mitbestimmung des Bürgers;

- Wahlrechtsgrundsätze in Art. 38 I 1 GG; - Parlamentsvorbehalt; - Parteiendemokratie, Art. 21 GG. C. Rechtsstaatsprinzip: - Gewaltenteilung; - Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes; - Normenklarheit und –bestimmtheit; - Rückwirkungsverbot und Vertrauensschutz; - Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeit); - Rechtsschutzgarantie des Bürgers, Art. 19 IV GG. D. Sozialstaatsprinzip: - soziale Sicherheit und Gerechtigkeit; - nur Kernbereiche geschützt, wie z.B. Existenzminimum, Grundlagen der

Sozialversicherung. E. Bundesstaatsprinzip: - Gliederung des Bundesgebiets in Länder mit Staatsqualität (juristische Personen

des öffentlichen Rechts; Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsgewalt), insoweit auch Organisationshoheit;

- Verfassungsautonomie der Länder in Grenzen des Art. 28 I 1 GG – Homogenität statt Uniformität;

- Kompetenzverteilung Bund – Länder, Ausgangsnorm: Art. 30 GG; - Bundestreue und bundesfreundliches Verhalten als ungeschriebene Prinzipien;

Verpflichtung zu wechselseitiger Rücksichtnahme im Rahmen der bundesstaatlichen Ordnung des GG, insbesondere Kompetenzschranke, föderative Gleichbehandlung.

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Übersicht 12: Das Rückwirkungsverbot A. Hintergrund der Rückwirkungsproblematik

I. Art. 103 II GG Für Strafgesetze ist die die Rückwirkungsproblematik in Art. 103 II GG ausdrücklich geregelt.

II. Von der Rückwirkung können aber auch alle anderen Gesetze betroffen sein. Die Rückwirkungsproblematik wird dafür aus dem Rechtsstaatsprinzip (vorrangig in Art. 20 III GG verankert; im Zusammenhang damit ist auch Art. 1 III GG und Art. 20 II GG zu nennen; ausdrücklich auch in Art. 28 I 1 GG als Strukturprinzip genannt) abgeleitet .

Ein Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips ist die Rechtssicherheit insbesondere in der Form des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Vertrauensschutzes. Vertrauensschutz bedeutet Schutz des Vertrauens in die Beständigkeit der Gesetze. Damit können rückwirkende Gesetze kollidieren.

B. Das Rückwirkungsverbot bei belastenden Gesetzen gilt:

I. bei Strafgesetzen uneingeschränkt, Art. 103 II G G

II. bei sonstigen Gesetzen nur eingeschränkt

1. Unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpf ung)

Unechte Rückwirkung: wenn das Gesetz ein Geschehen betrifft, das in der Vergangenheit ins Werk gesetzt, jedoch noch nicht abgeschlossen wurde und die Rechtsfolgen des Gesetzes erst nach seiner Verkündung eintreten. Die Norm knüpft in ihrem Tatbestand an Gegebenheiten vor ihrer Verkün-dung an, um Rechtsfolgen für die Zukunft zu regeln.

Unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig , in Ausnahmefällen unzulässig (Abwägung des Wohls der Allgemeinheit mit Vertrauens-schutzinteressen; besonders ist darauf abzustellen, ob Grundrechte in belastender Weise betroffen sind).

2. Echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolge n)

Echte Rückwirkung liegt vor, wenn der Gesetzgeber nachträglich in Tatbe-stände eingreift, die in der Vergangenheit begonnen und abgeschlossen wurden, deren Rechtsfolgen also vor Verkündung des Gesetzes eingetreten sind. An bereits abgeschlossene Tatbestände werden neue Rechtsfolgen geknüpft.

Echte Rückwirkung ist aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich unzulässig . Ausnahmsweise zulässig ist die echte Rückwirkung, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls oder ein nicht vorhandenes Vertrauen des Einzelnen eine Durchbrechung des

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Grundsatzes gestatten. Folgende Fallgruppen sind anerkannt , in denen eine Ausnahme besteht:

- mit der Regelung war zu rechnen (Problem: ab wann?)→ kein schutzwürdiges Vertrauen möglich

- die Rechtslage war „unklar und verworren“ → kein schutzwürdiges Vertrauen möglich

- die Regelung bewirkt nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen („Bagatellvorbehalt“)

- Nichtige Norm wird durch wirksame ersetzt - „zwingende Gründe des öffentlichen Wohls“ (Fallgruppe

umstritten) (Die Aufzählung ist nicht abschließend)

Schematische Darstellung:

Echte Rückwirkung Unechte Rückwirkung

Zeitraum Bereits abgeschlossen Dauert noch an

Begünstigende Vorschrift Immer zulässig Immer zulässig

Strafgesetze Immer unzulässig Immer unzulässig

Sonstige belastende Vor-schrift

Grundsätzlich unzulässig Grundsätzlich zulässig

Ausnahmen 1. Neuregelung war vorhersehbar

2. alte Regelung war unklar und verworren

3. nichtige Norm wird ersetzt

4. bloße Bagatelle

5. zwingende Gemeinwohlgründe

Vertrauen des Bürgers ist ausnahmsweise besonders schutzwürdig und überwiegt dem öffentlichen Interesse an der Neuregelung

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Übersicht 13: Schema für die Prüfung einer Rechtsverordnung (auf Grundlage einer bundesgesetzlichen Ermächtigungsnorm)

A. Verfassungsmäßigkeit der (bundesgesetzlichen) Er mächtigungsnorm

I. Formelle Verfassungsmäßigkeit

1. Kompetenz (vgl. Übersicht

2. Verfahren

II. Materielle Verfassungsmäßigkeit

1. Anforderungen des Art. 80 GG

a) Zulässiger Ermächtigungsadressat, Art. 80 I 1 GG

b) Hinreichende Bestimmtheit, Art. 80 I 2 GG

aa) Inhalt (welche Fragen) bb) Ausmaß (Grenzen der Regelung) cc) Zweck (Ziel)

2. Sonstiges Verfassungsrecht (Wesentlichkeitstheorie, kein Verstoß gegen Grundrechte etc.)

B. Rechtmäßigkeit der Rechtsverordnung

I. Formelle Voraussetzungen

1. Zuständigkeit des Verordnungsgebers

2. Ordnungsgemäßes Verfahren (v.a. Art. 80 II GG)

3. Verkündung, Art. 82 I 2 GG

4. Zitiergebot, Art. 80 I 3 GG

II. Materielle Voraussetzungen

1. Vereinbarkeit der Rechtsverordnung mit der Ermächtigungsnorm

2. Kein Verstoß gegen höherrangiges Recht (einfache Gesetze, GG)

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Übersicht 14: Der Untersuchungsausschuss

A. Funktion eines Untersuchungsausschusses Kontrolle der Regierung durch das Parlament B. Prüfungsschema

I. Ordnungsgemäße Einsetzung des Untersuchungsausschusses

1. Beschluss des Bundestages (§ 1 II PUAG)

2. Untersuchungsgegenstand muss hinreichend bestimmt bezeichnet worden sein (keine Abänderung des beantragten Gegenstandes aus Zweckmäßig-keitsgründen oder politischen Gründen, § 2 II PUAG)

3. Verfassungsrechtlich zulässiger Untersuchungsgegenstand a) Aufklärung von Tatsachen b) Zuständigkeit des Bundestages

- Wahrung der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, Abgren-zung zu Landesangelegenheiten (Bundesstaatsprinzip)

- kein Engriff in den Kernbereich der anderer Gewalten, Abgren-zung zu anderen Organen (Gewaltenteilungsgrundsatz)

P: Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung c) Öffentliches Interesse am Untersuchungsgegenstand

II. Befugnisse des Untersuchungsausschusses ergeben sich aus dem

Auftrag

III. Verfassungsrechtliche Einwände: entgegenstehende Rechte anderer Verfas-sungsorgane und privater Dritter

C. Rechtsschutz

I. Art. 44 IV GG betrifft nur den Abschlussbericht des Untersuchungsausschus-ses (Ausnahme von Art. 19 IV GG)

II. Rechtsschutz für Verfassungsorgane (Organteile) bei Streitigkeiten über die Einsetzung/Nichteinsetzung von Untersuchungsausschüssen: Organstreitver-fahren gemäß Art. 93 Nr. 1 GG

III. Rechtsschutz für Grundrechtsträger/Bürger: - gegen einzelne Maßnahmen: BGH anrufen (§ 36 I PUAG) - gegen die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen:

Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Nr. 4 a GG.

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Übersicht 15: Ausführung der Bundesgesetze

1. Ausführung der Bundesgesetze durch Landesverwalt ung

a) Bundesaufsichtsverwaltung, Art. 84 GG : - Vollzug der Gesetze durch die Länder, als eigene Angelegenheit der

Länder nach Art. 83 GG (Grundatz) - Rechtsaufsicht des Bundes Art. 84 III GG - Aufsichtsmaßnahmen des Bundes:

• Art. 84 III 2 GG: Entsendung von Beauftragten • Art. 84 IV GG: Mängelrüge • Art. 84 IV GG: Beschluss des BRates auf Antrag der BReg. • Art. 84 V GG: Einzelweisungen

b) Bundesauftragsverwaltung, Art. 85 GG

- Enumerativ, z.B. Art. 87 b II, 87 c, 87 d II, 90 II GG - Rechts- und Fachaufsicht des Bundes Art. 85 IV GG - Weitgehende Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes: Allein die Wahr-

nehmungskompetenz liegt unentziehbar beim Land, die Sachkompetenz nur vorbehaltlich ihrer Inanspruchnahme durch den Bund

- Aufsichtsmaßnahmen: • Art. 85 IV 2 GG: Bericht, Aktenvorlage, Entsendung von

Beauftragten zu allen Behörden • Art. 85 III GG: Weisungsrecht gegenüber obersten

Landesbehörden, in dringenden Fällen auch gegenüber jeder mit der Sache befassten Behörde

2. Ausführung der Bundesgesetze durch bundeseigene Verwaltung, Art. 86

ff. GG � Typ 1: mit eigenem Verwaltungsunterbau Art. 86 S. 1, Alt. 1 GG

Sachgebiete: Art. 87 I 1, 87 b I, 87 b II 1, 87 e I 1, 87 f II 2, 89 II GG

� Typ 2: durch Bundesoberbehörden Art. 86 S. 1 Alt. 1 GG Sachgebiete: Art. 87 III 1, 87 e I 1, 87 f II 2 GG

� Typ 3: durch bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten

des öffentlichen Rechts Art. 86 S. 1, Alt. 2 GG Sachgebiete: Art. 87 II, III, 87 f III GG

� Typ 4: in privatrechtlicher Organisationsform Art. 87 d I 2 GG

Sachgebiet: Art. 87 d I 1 GG

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Übersicht 16: Organstreitverfahren, Art. 93 I Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG

A. Zulässigkeit

I. Parteifähigkeit, Art. 93 I Nr. 1 GG, § 63 BVerfG G 1. Antragsteller 2. Antragsgegner für beide gilt:

- oberste Bundesorgane (Bundespräsident, Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundesversammlung, gemeinsamer Ausschuss)

- „andere Beteiligte“ i.S.d. Art. 93 I Nr. 1 GG (z.B. politische Parteien, Art. 21 I GG, Fraktionen, Ausschüsse, Bundestagspräsident, einzelne Abgeordnete, Gruppen von Abgeordneten i.S.d. § 10 IV GOBT, Bundesminister etc.)

II. Streitgegenstand, Art. 93 I Nr. 1 GG, § 64 I BV erfGG

Streit um gegenseitige Rechte und Pflichten aus dem GG (= konkrete, rechtser-hebliche Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners).

III. Antragsbefugnis, § 64 I BVerfGG

Möglichkeit der Verletzung oder unmittelbaren Gefährdung aus der Verfassung abgeleiteter, eigener Rechte des Antragstellers

Ausnahme: Fraktionen können auch Rechte des Bundestages in Prozessstandschaft geltend machen.

IV. Form, §§ 23 I, 64 II BVerfGG

Schriftform und Begründung; Bezeichnung der angeblich verletzten Grundgesetz-bestimmung.

V. Frist, § 64 III BVerfGG

sechs Monate nach Bekanntwerden der Maßnahme oder Unterlassung.

VI. Rechtsschutzbedürfnis nur ausnahmsweise prüfen, wenn für Fehlen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, z.B. wenn Antragsteller die Rechtsverletzung durch eigenes Handeln hätte vermeiden können.

B. Begründetheit Der Antrag ist begründet, wenn der Antragsteller durch das Verhalten des Antragsgegners tatsächlich in ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist (Prüfungsmaßstab ist das Grundgesetz).

Ist der Antrag zulässig und begründet, stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung gegen eine Bestimmung des GG verstößt, § 67 BVerfGG.

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Übersicht 17: Abstrakte Normenkontrolle, Art. 93 I Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG

A. Zulässigkeit

I. Antragsberechtigung, Art. 93 I Nr. 2 GG, § 76 I BVerfGG Bundesregierung, Landesregierung, ein Drittel der Mitglieder des Bundestags (Einen Antragsgegner gibt es nicht, da es sich um ein objektives Verfahren handelt).

II. Prüfungsgegenstand, Art. 93 I Nr. 2 GG, § 76 I BVerfGG

jede Rechtsnorm, d.h. Bundesrecht wie Landesrecht, auch untergesetzliches Recht sowie Verfassungsrecht; erst nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens, d.h. nach Ausfertigung und Verkündung, aber vor Inkrafttreten möglich.

III. Antragsgrund, Art. 93 I Nr. 2 GG, § 76 I BVerfGG § 76 I Nr. 1 BVerfGG: Norm muss für nichtig gehalten werden. § 76 I Nr. 2 BVerfGG: Norm wurde nicht angewendet und Antragsteller

hält sie für gültig. Problem: § 76 I BVerfGG ist enger gefasst als Art. 93 I Nr. 2 GG. eA: § 76 I BverfGG ist (teil-)nichtig, v.a. das „nur“ aA: § 76 BVerfGG konkretisiert den Art. 93 I Nr. 2 GG hM: § 76 BVerfGG ist verfassungskonform auszulegen, arg:

einfaches Recht kann die Verfassung nicht einschränken; bloße Zweifel reichen damit aus (Beachten Sie: der Streit ist nur zu problematisieren und zu entscheiden, wenn Antragssteller lediglich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit hat) IV. Objektives Klarstellungsinteresse

Ein subjektives Rechtsschutzbedürfnis ist nicht nötig, da es sich um ein objektives Beanstandungsverfahren handelt.

V. Form, § 23 I BVerfGG schriftlich mit Begründung; Eine Frist ist nicht zu wahren.

B. Begründetheit Der Antrag ist begründet, wenn die überprüfte Norm in formeller oder in materieller Hinsicht mit dem als Prüfungsmaßstab heranzuziehenden Recht unvereinbar ist. (Prüfungsmaßstab ist für Bundesrecht allein das Grundgesetz, für Landesrecht das Grundgesetz und sonstiges Bundesrecht, nicht dagegen Landesverfassungsrecht). Bejaht das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß, erklärt es das Gesetz für nichtig (ex tunc), § 78 BVerfGG.

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Übersicht 18: Bund-Länder-Streit, Art. 93 I Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG

A. Zulässigkeit

I. Parteifähigkeit und Prozessfähigkeit, Art. 93 I Nr. 3 GG, § 68 BVerfGG 1. Antragsteller Bundesregierung für den Bund Landesregierung für das Land 2. Antragsgegner wie oben

II. Streitgegenstand, Art. 93 I Nr. 3 GG, §§ 69, 64 I BVerfGG Meinungsverschiedenheiten über gegenseitige Rechte und Pflichten des Bundes oder der Länder aus dem GG (= konkrete, rechtserhebliche Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners).

III. Antragsbefugnis, §§ 69, 64 I BVerfGG Antragsteller muss geltend machen, in eigenen, durch das GG übertragenen Rechten aus dem Bundesstaatsverhältnis möglicherweise verletzt oder unmittelbar gefährdet zu sein.

IV. Form, §§ 23 I, 69, 64 II BVerfGG Schriftform und Begründung; Bezeichnung der angeblich verletzten Gesetzesbe- stimmung.

V. Frist, §§ 69, 64 III BVerfGG

sechs Monate VI. Rechtsschutzbedürfnis

nur ausnahmsweise zu prüfen, wenn für ein Fehlen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, z.B. wenn Antragsteller die Rechtsverletzung durch eigenes Handeln hätte verhindern können.

B. Begründetheit Der Antrag ist begründet, wenn der Antragsteller durch das Verhalten des Antragsgegners tatsächlich in ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. (Prüfungsmaßstab sind vor allem die Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes sowie der ungeschriebene Grundsatz der Bundestreue, ggf. sonstiges Verfassungsrecht insoweit, als es für das Verhältnis von Bund und Ländern von Bedeutung ist).

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Ist der Antrag zulässig und begründet, stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung gegen eine Bestimmung des GG verstößt, §§ 69, 67 BVerfGG.

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Übersicht 19: Konkrete Normenkontrolle Art. 100 I GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG

A. Zulässigkeit I. Vorlageberechtigung (Art. 100 I 1 GG)

- Gerichte (auch Landesverfassungsgerichte) - Gericht ist jeder sachlich unabhängige Spruchkörper, der in einem formell

gültigen Gesetz mit den Aufgaben eines Gerichts betraut und als Gericht bezeichnet wird.

II. Vorlagegegenstand (Art. 100 I 1, 2 GG)

- jedes formell, nachkonstitutionelle Gesetz - formell: vom parlamentarischen Gesetzgeber im dafür vorgesehenen

Verfahren erlassen - nachkonstitutionell: nach Inkrafttreten des GG erlassen - Ausnahmsweise kann auch ein vor Inkrafttreten des GG erlassenes

Gesetz Prüfungsgegenstand sein, wenn dieses vom nachkonstitutionellen Gesetzgeber „in seinen Willen aufgenommen“ wurde.

III. Entscheidungserheblichkeit der Norm (Art. 100 I 1 GG, § 80 II 1 BVerfGG)

- Entscheidungserheblichkeit liegt vor, wenn die Entscheidung bei Gültigkeit der Norm anders ausfallen würde als bei Ungültigkeit.

- Entscheidung: jede gerichtliche Maßnahme, die ein gerichtliches Verfahren oder einen Teil davon endgültig oder vorläufig beendet. Nicht darunter fallen die Entscheidung bloß vorbereitende Maßnahmen.

IV. Überzeugung des Gerichts (Art. 100 I 1 GG )

- Überzeugung von der Nichtigkeit des Gesetzes, die nicht durch verfassungskonforme Auslegung behoben werden kann.

- Zweifel genügen nicht. V. Form der Vorlage (§§ 23 I, 80 II BVerfGG)

- Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss

- Antrag einer Prozesspartei nicht erforderlich, § 80 III BVerfGG B. Begründetheit Der Antrag ist begründet, wenn die überprüfte Norm in formeller oder in materieller Hinsicht mit dem (als Prüfungsmaßstab heranzuziehenden) höherrangigen Recht unvereinbar ist.

Ist die Vorlage zulässig und begründet, erklärt das BVerfG die Norm grundsätzlich für nichtig, §§ 82 I i.V.m. 78 BVerfGG.

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Übersicht 20: Verfahrensarten im Vergleich

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