7
TESLA Linear-Collider Projekt Voruntersuchungen zum TESLA Linear-Collider Projekt Mit der Fertigstellung des TESLA Technical De- sign Report (TDR) wurde im Berichtszeitraum ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Realisie- rung des Zukunftsprojekts für einen 500–800GeV supraleitenden Elektron-Positron Linear-Collider mit integriertem Röntgenlaser-Labor erreicht. Am Beschleuniger-Kapitel (Part II) des TDR haben über 400 Wissenschaftler und Ingenieure aus 13 Ländern mitgearbeitet. In diesem Teil des Reports werden die technische Auslegung und die Beschleuniger- physikalischen Aspekte des supraleitenden Linear- beschleunigers sowie aller für den Collider und den Free Electron Laser (FEL) erforderlichen Sub- Systeme beschrieben. TESLA Projektvorschlag Beim Linear-Collider werden Elektronen und Positro- nen in zwei 15 km langen gegenläufigen Beschleuni- gern auf eine Endenergie von 250GeV beschleunigt und in der zentralen Wechselwirkungszone zur Kolli- sion gebracht. Die Energiezufuhr geschieht in supralei- tenden Hochfrequenzresonatoren mit einer Feldstärke von etwa 23MV/m. Diese neue Technologie wurde von der internationalen TESLA Kollaboration ent- wickelt und an der Testanlage (TTF) bei DESY er- folgreich erprobt. Die Technologie mit supraleitenden Niob-Resonatoren ermöglicht aufgrund der hohen Ef- fizienz des Beschleunigers und der exzellenten Strahl- qualität eine bessere Kollisionsrate (Luminosität) als ein konventioneller Linearbeschleuniger. Die hervorra- gende Strahlqualität und -stabilität macht den TESLA- Beschleuniger ebenfalls zu einem idealen Treiber für eine Röntgen-FEL Anlage, die integraler Bestand- teil des vorgeschlagenen Projekts ist. Eine Kosten- schätzung für den Linear-Collider wurde anhand von Industriestudien für die Massenfertigung der Haupt- komponenten der Anlage erarbeitet. Die Gesamtkosten für den 500 GeV Collider wurden zu 3.136 Milliarden ermittelt. Als dominierende Anteile entfallen davon etwa ein Drittel auf die supraleitenden Beschleuniger- Module, jeweils etwa ein Sechstel auf das Hochfre- quenzsystem sowie auf den Bau des 33 km langen Tun- nels und der Hallen. Die zusätzlichen Kosten für das Röntgen-FEL Beschleunigersystem belaufen sich auf 0.241 Milliarden . Der TESLA TDR wurde im März 2001 im Rahmen eines internationalen Kolloquiums der Öffentlichkeit vorgestellt. Das große Interesse am TESLA-Projekt wurde durch die Teilnahme von annähernd 1000 Wis- senschaftlern an dieser Veranstaltung eindrucksvoll un- terstrichen. Das hohe Maß an Aufmerksamkeit, das der TESLA Projektvorschlag in der internationalen Ge- meinschaft der Hochenergie-Physiker genießt, wurde ebenfalls beim Treffen der amerikanischen Teilchen- und Beschleuniger-Physiker in Snowmass (USA) im Sommer 2001 deutlich. Bei diesem nur alle fünf Jahre stattfindenden dreiwöchigen Treffen wurden die Zu- kunftsperspektiven der Teilchenphysik intensiv disku- tiert, mit dem klaren Ergebnis, dass ein Linear-Collider bei den mit TESLA erreichbaren Energien das nächste international zu realisierende Projekt sein soll. Gleich- zeitig begann in Snowmass ein Prozess des detaillier- ten Vergleichs der für so eine Anlage vorgeschlagenen technischen Lösungen: während die bei DESY koordi- nierte Kollaboration auf Supraleitung setzt, arbeiten die Beschleuniger-Experten in den USA (SLAC, Stanford) und Japan (KEK, Tsukuba) an der Optimierung der konventionellen Technologie mit Kupfer-Resonatoren. Vorbereitung des Planfeststellungs- verfahrens für TESLA Die Freie und Hansestadt Hamburg und das Land Schleswig-Holstein haben im Jahr 1998 einen Staats- 225

Voruntersuchungen zum TESLA Linear-Collider ProjektVoruntersuchungen zum TESLA Linear-Collider Projekt Mit der Fertigstellung des TESLA Technical De-sign Report (TDR) wurde im Berichtszeitraum

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • TESLA Linear-Collider Projekt

    Voruntersuchungen zumTESLA Linear-Collider Projekt

    Mit der Fertigstellung des TESLA Technical De-sign Report (TDR) wurde im Berichtszeitraum einwichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Realisie-rung des Zukunftsprojekts für einen 500–800 GeVsupraleitenden Elektron-Positron Linear-Collidermit integriertem Röntgenlaser-Labor erreicht. AmBeschleuniger-Kapitel (Part II) des TDR haben über400 Wissenschaftler und Ingenieure aus 13 Ländernmitgearbeitet. In diesem Teil des Reports werdendie technische Auslegung und die Beschleuniger-physikalischen Aspekte des supraleitenden Linear-beschleunigers sowie aller für den Collider undden Free Electron Laser (FEL) erforderlichen Sub-Systeme beschrieben.

    TESLA Projektvorschlag

    Beim Linear-Collider werden Elektronen und Positro-nen in zwei 15 km langen gegenläufigen Beschleuni-gern auf eine Endenergie von 250 GeV beschleunigtund in der zentralen Wechselwirkungszone zur Kolli-sion gebracht. Die Energiezufuhr geschieht in supralei-tenden Hochfrequenzresonatoren mit einer Feldstärkevon etwa 23 MV/m. Diese neue Technologie wurdevon der internationalen TESLA Kollaboration ent-wickelt und an der Testanlage (TTF) bei DESY er-folgreich erprobt. Die Technologie mit supraleitendenNiob-Resonatoren ermöglicht aufgrund der hohen Ef-fizienz des Beschleunigers und der exzellenten Strahl-qualität eine bessere Kollisionsrate (Luminosität) alsein konventioneller Linearbeschleuniger. Die hervorra-gende Strahlqualität und -stabilität macht den TESLA-Beschleuniger ebenfalls zu einem idealen Treiber füreine Röntgen-FEL Anlage, die integraler Bestand-teil des vorgeschlagenen Projekts ist. Eine Kosten-schätzung für den Linear-Collider wurde anhand vonIndustriestudien für die Massenfertigung der Haupt-komponenten der Anlage erarbeitet. Die Gesamtkosten

    für den 500 GeV Collider wurden zu 3.136 Milliarden €ermittelt. Als dominierende Anteile entfallen davonetwa ein Drittel auf die supraleitenden Beschleuniger-Module, jeweils etwa ein Sechstel auf das Hochfre-quenzsystem sowie auf den Bau des 33 km langen Tun-nels und der Hallen. Die zusätzlichen Kosten für dasRöntgen-FEL Beschleunigersystem belaufen sich auf0.241 Milliarden €.

    Der TESLA TDR wurde im März 2001 im Rahmeneines internationalen Kolloquiums der Öffentlichkeitvorgestellt. Das große Interesse am TESLA-Projektwurde durch die Teilnahme von annähernd 1000 Wis-senschaftlern an dieser Veranstaltung eindrucksvoll un-terstrichen. Das hohe Maß an Aufmerksamkeit, dasder TESLA Projektvorschlag in der internationalen Ge-meinschaft der Hochenergie-Physiker genießt, wurdeebenfalls beim Treffen der amerikanischen Teilchen-und Beschleuniger-Physiker in Snowmass (USA) imSommer 2001 deutlich. Bei diesem nur alle fünf Jahrestattfindenden dreiwöchigen Treffen wurden die Zu-kunftsperspektiven der Teilchenphysik intensiv disku-tiert, mit dem klaren Ergebnis, dass ein Linear-Colliderbei den mit TESLA erreichbaren Energien das nächsteinternational zu realisierende Projekt sein soll. Gleich-zeitig begann in Snowmass ein Prozess des detaillier-ten Vergleichs der für so eine Anlage vorgeschlagenentechnischen Lösungen: während die bei DESY koordi-nierte Kollaboration auf Supraleitung setzt, arbeiten dieBeschleuniger-Experten in den USA (SLAC, Stanford)und Japan (KEK, Tsukuba) an der Optimierung derkonventionellen Technologie mit Kupfer-Resonatoren.

    Vorbereitung des Planfeststellungs-verfahrens für TESLA

    Die Freie und Hansestadt Hamburg und das LandSchleswig-Holstein haben im Jahr 1998 einen Staats-

    225

  • TESLA Linear-Collider Projekt

    vertrag für die Schaffung der planerischen Vorausset-zung für die Errichtung und den Betrieb von TESLAabgeschlossen. In dem Vertrag wurde festgelegt, dassfür das Projekt ein gemeinsames Planfeststellungsver-fahren (PFV) mit einer integrierten Umweltverträg-lichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen ist. Die Plan-feststellungsbehörde und Anhörungsbehörde ist dasOberbergamt (OBA) in Clausthal-Zellerfeld.

    Auf der Basis des TDR wurde die Vorbereitung desPFV weitergeführt. Mit einer Ingenieurgemeinschaft(IG) wurde ein Vertrag zur Erstellung der Planunter-lage abgeschlossen. In einem Workshop Ende April2001 wurde der Rahmen dafür festgelegt. Mitarbeitervon DESY und unabhängige Ingenieure für die Geneh-migungsplanung, die Projektsteuerung, die Umweltpla-nung und die hydrogeologischen Untersuchungen erar-beiten in einem Team die Planunterlage. Die Verträgemit den unabhängigen Planern orientieren sich dabeian Partnerschaftsmodellen. Darüber hinaus haben sichbei DESY Arbeitsgruppen gebildet, die die technischenRahmenbedingungen für die TESLA-Planungsgruppeausarbeiten. Von allen TESLA-Planern werden die glei-chen Werkzeuge benutzt. Von Anfang an wird dreidi-mensional konstruiert. Alle benötigten Karten liegenals Vektorgrafik vor. Es wird ein gemeinsames elektro-nisches Archivierungssystem (,,Engineering Data Ma-nagement System“ EDMS) benutzt.

    Dem Vorschlag einer elektronischen Abgabe, Vertei-lung und öffentlichen Auslegung der Planunterlage hatdas OBA bereits jetzt zugestimmt.

    Eine erste Demonstrationsversion der digitalen Planun-terlage liegt bereits vor. Für diese Unterlage sind bereitsdie dreidimensionalen Konstruktionen und die Vektor-karten eingesetzt worden. Eine gedruckte Version wirdebenfalls zur Verfügung gestellt.

    Zeichnungen, Vorträge, Bilder, Filme und weitere Infor-mationen stellt die TESLA-Planungsgruppe TPL pla-nungsbegleitend intern in einer speziellen Homepagezur Verfügung.

    Da der TESLA-Tunnel direkt unter der Kirche von Rel-lingen verläuft, sind im Berichtszeitraum Referenzmes-sungen an der Kirche begonnen worden, um die na-türlichen Bewegungen des Bauwerks zu untersuchen.Dafür wurden sowohl im Kirchenschiff als auch imAußenmauerwerk Messmarken angebracht. Die Mes-sungen werden über einen längeren Zeitraum durchge-

    führt, um die tages- und jahreszeitlichen Bewegungenzu ermitteln.

    Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsstudie UVSwird auch das Schutzgut Wasser untersucht. DESYhat ein hydrogeologisches Fachgutachten in Auftraggegeben. Die erste Stufe auf der Basis von vorhande-nen Bohrungen ist bereits fertig gestellt. Für die er-weiterte zweite Stufe wurden im Berichtszeitraum ins-gesamt 16 Probebohrungen an acht Hallenstandortenund entlang der Tunneltrasse abgeteuft. Diese Boh-rungen werden auch bereits für Baugrunduntersuchun-gen verwendet. Die UVS ist mit dem PlanungsstandApril 2001 abgeschlossen worden. Eine Anpassungan den neuesten Stand und der Landschaftspflege-rische Begleitplan (LBP) werden im Jahr 2002 be-arbeitet.

    Mit der Technischen Universität Hamburg-Harburgwurde ein Kooperationsvertrag zur Untersuchung desSchwingungsverhaltens des Baugrundes entlang derTESLA-Trasse abgeschlossen.

    Im Rahmen der TDR-Begutachtung durch den Deut-schen Wissenschaftsrat wurde eine alternative Lösungfür den vom Collider-Betrieb weitgehend unabhängi-gen Betrieb der Röntgenlaseranlage eingereicht. Diesealternative Lösung, die als Übersicht in Abbildung 125dargestellt ist, basiert auf dem TDR-Vorschlag. Zu-sätzlich wurde ein knapp drei Kilometer langer Be-schleunigertunnel in die Planung mit aufgenommen,der an der Kältehalle Borstel beginnt. Dieser Tunnelnimmt alle Komponenten auf, die in der integriertenLösung auf den ersten Kilometern angeordnet warenund weitgehend zusammen mit dem Beschleuniger fürdie Hochenergiephysik genutzt wurden. Die alternativeLösung ist teurer, bietet aber wesentlich mehr Flexibi-lität gegenüber der integrierten Lösung. Für die alter-native Lösung hat sich bereits die modulare Planungder Bauwerke bewährt. Das gesamte Verzweigungs-bauwerk müsste nur geringfügig nach Osten verscho-ben werden, um unnötige Ablenkungen zu vermeiden.DerzusätzlicheBeschleunigertunnelkönntedannaneinbereits geplantes Verzweigungsbauwerk angeschlossenwerden. Für die zusätzliche Versorgung des separatenX-FEL-Beschleunigers mit Helium und für die zusätz-lichen Modulatoren müsste die Versorgungshalle Bors-tel erweitert werden. Die Abmessungen blieben jedochinnerhalb des für die Umweltplanungen vorgegebenRahmens.

    226

  • TESLA Linear-Collider Projekt

    Abbildung 125: Ausschnitt aus dem TESLA-Lageplanmit einem getrennten XFEL Beschleunigertunnel.

    TESLA Test Facility (TTF)

    LINAC-Betrieb und Erweiterungen

    Im Rahmen der Voruntersuchungen zum TESLA-Projekt wird bei DESY der Linearbeschleuniger derTESLA Test Facility betrieben. Gleichzeitig wird die-ser TTF-LINAC als Treiber für einen Freie-ElektronenLaser (FEL) genutzt.

    Im Berichtszeitraum konnte der Beschleuniger in derRegel im 24-Stunden-Betrieb genutzt werden. Hier-bei standen zunächst Studien zur Beschleunigerphy-sik im Vordergrund. Ab dem Sommer lag der Schwer-punkt dann im Bereich des FEL-Betriebs. Erste Ex-perimente nutzten den erzeugten FEL-Strahl, um das

    Verhalten von Probenmaterial im intensiven Photonen-strahl zu untersuchen. Zwei Betriebsunterbrechungenvon jeweils vier Wochen erlaubten den Wechsel zwi-schen verschiedenenExperimenten. Am 22. Septembergelang es, bei der Wellenlänge von 100 nm Sättigungzu erreichen, also die maximal mögliche Verstärkung.Hiermit erreicht der TTF-FEL eine bislang unerreichteLeuchtstärke.

    Das Jahr 2001 begann mit den letzten Vorbereitungenfür den Betrieb mit 800 µs langen Pulszügen. Nacheinigen abschließenden Tests konnte ein System zurÜberwachung von Strahlverlusten erfolgreich in Be-trieb genommen werden. Ein Strahlverlust von deut-lich unter einem Prozent führt innerhalb von wenigenMikrosekunden zur Abschaltung der Elektronenquelle.Im Bereich der Undulatoren gelten noch schärfere Be-dingungen.

    Ende Januar wurde der TTF-LINAC erstmals mit vol-ler Strahllast betrieben. Ein 800 µs langer Pulszug miteinem Strahlstrom von 8 mA erreichte eine Energievon fast 240 MeV. Hierbei betrug die Ladung der ein-zelnen Elektronenpakete 3.5 nC und der zeitliche Ab-stand der Pakete 444 ns (Abb. 126). Dieses Ergebnisentspricht den TESLA-Parametern mit ausreichenderGenauigkeit.

    Im Anschluss an den Betrieb mit langen Pulszü-gen wurde die Beschleunigungsfeldstärke im erstenTTF-LINACAbschnitt aufetwa2 MV/mabgesenkt,ummöglicherweise auftretende strahlinduzierte Schwin-gungen in den supraleitenden Resonatoren zu untersu-chen. Die Folgefrequenz der Elektronenpakete wurdeauf 54 MHz heraufgesetzt und die Intensität der ein-zelnen Pakete mit einer frei wählbaren Frequenz umbis zu 90% moduliert. Das so erzeugte Anregungs-spektrum ist geeignet, eventuell vorhandene Schwin-gungsmodi in den Resonatoren anzuregen, die dannwiederum auf den Elektronenstrahl zurückwirken. Einmit einer Ablage relativ zur Strahlachse eingeschos-sener Elektronenstrahl kann so genannte Dipolmodenanregen. Ein Strahllagemonitor weist diese Anregun-gen nach. Es wurde eine Vielzahl von Moden gemessen.Von Interesse war die Güte der Moden, aber auch derUnterschied im Verhalten der einzelnen supraleitendenResonatoren. Die Auswertung ist noch immer nicht ab-geschlossen. Unter anderem konnten aber aus der Mes-sung Rückschlüsse auf einen Fehler in der Anordnungder Antennen erfolgen, die diese Schwingungsmodenbedämpfen sollen.

    227

  • TESLA Linear-Collider Projekt

    Abbildung 126: Bunchladung und Energieunschärfe während eines 800 µs langen Bunch-zuges in der TESLA Test Facility.

    Wakefields

    Parallel zur Optimierung des FEL-Betriebes wurden imFrühjahr Experimente zu einem weiteren, den Elektro-nenstrahl möglicherweise stark beeinflussenden Effektabgeschlossen. So genannte ,,Wakefields“, unmittelbarzu vergleichen mit der Bugwelle eines Schiffes in einemschmalen Kanal, entstehen, sobald ein Paket von sehrvielen Elektronen durch ein enges Strahlrohr geführtwird. Für den FEL-Betrieb wurde die Rauigkeit derInnenwände der Undulatorkammern diskutiert. EineReihe von theoretischen Modellen sagte unterschied-lich starke Effekte voraus. Aus diesem Grund wurdeunmittelbar hinter dem Undulator eine Anordnung mitmehreren austauschbaren Rohren verschiedener Rauig-keit installiert. Die tatsächlich entstehenden Wakefieldswurden über einen speziellen Schirm ausgekoppelt undin ihrem Frequenzspektrum analysiert. Im Bereich um500 GHz, einer Frequenz, die unmittelbar durch die

    Länge der Elektronenpakete bestimmt ist, konnte einesehr gute Übereinstimmung zwischen der Vorhersageund den gemessenen Daten gefunden werden. Auf ei-nem Schirm hinter einem Spektrometermagneten wirdeine energieabhängige Intensitätsverteilung beobach-tet, die als ein Zerreißen des Elektronenpaketes ent-lang seiner Flugrichtung zu verstehen ist (Abb. 127).Nimmt dieser Effekt überhand, so kann der FEL nichtmehr arbeiten.

    Im Rahmen eines etwa vierwöchigen Umbaus wurdeim Mai 2001 der Aufbau zur Untersuchung von Wake-fields gegen einen so genannten ,,Beam TrajectoryMonitor“, eine Art Lochkamera zur Bestimmung desEntstehungsortes der Undulator-Strahlung, getauscht.Weiterhin wurde das RAFEL-Experiment (,,Regene-rative Amplifier FEL“) modifiziert und im Bereichder LINAC-Infrastruktur das erste Multibeam-Klystroneingebaut. Dieses 10 MW Klystron ist der Proto-

    228

  • TESLA Linear-Collider Projekt

    Abbildung 127: Wakefields, die durch den Strahlstrom an den Rauigkeiten der Strahl-rohrwände induziert werden, bewirken Änderungen in der Intensitätsverteilung eines Bun-ches. Die untere Verteilung wurde an einem Strahlrohr gemessen, dessen Oberfläche durchSandstrahlen aufgeraut worden war.

    typ eines TESLA-Klystrons, das im Unterschied zuherkömmlichen Klystrons mehrere Elektronenstrahlenverwendet.

    Dunkelstrom

    Bereits während der Betriebsunterbrechung konnteder durch Feldemission entstehende Dunkelstrom dersupraleitenden Resonatoren im zweiten Beschleuni-gerabschnitt untersucht werden. Für diese Messungwurde die Strahlführung unterbrochen, um den durchden Beschleunigerabschnitt erzeugten Dunkelstrom-Elektronenstrahl nach dem Austritt aus einem dünnenEdelstahlfenster direkt auf der Achse abzustoppen undseine Intensität zu bestimmen. Zum einen stellte sichhierbei heraus, dass der achte Resonator im zweitenBeschleunigerabschnitt sehr viel Dunkelstrom erzeugt,während die anderen Resonatoren akzeptable Strömezeigen, zum anderen konnte die später im Jahr durch-geführte Messung am ersten Beschleunigerabschnittvorbereitet werden. Diese im November durchgeführteMessung ergab bei einer maximal möglichen mittle-ren Beschleunigungsfeldstärke von 21.5 MV/m einen

    Dunkelstrom von deutlich unter 1 µA, ohne den drit-ten Resonator dieses ersten Beschleunigerabschnitteswaren es nur etwa 100 nA. Dies ist mit den Annahmenfür TESLA verträglich.

    FEL-Betrieb

    Seit dem Sommer stand der FEL-Betrieb im Vorder-grund. Neben der Nutzung des FEL-Photonenstrahlsfür die Untersuchung des Ab- bzw. Verdampfens vonOberflächen unter Einwirkung des sehr intensiven Pho-tonenstrahls sowie der Streuung von Photonen an sogenannten Clustern stand die weitere Optimierung derFEL-Verstärkung im Vordergrund. Um Sättigung zu er-reichen, wurde unter anderem mit Hilfe eines an der TUDarmstadt geschriebenen Programms der Bereich derElektronenquelle mit sehr hoher Präzision ausgerichtet.Die Ablage des Elektronenstrahls wurde in Abhängig-keit von der Einstellung von Strahlführungsmagnetengemessen. Das Programm simulierte den Strahltrans-port und ermittelte die notwendigen Korrekturen in derAufstellung.

    229

  • TESLA Linear-Collider Projekt

    Für das Verständnis des optimierten FEL-Betriebs istweiterhin die gründliche Untersuchung der Intensitäts-erhöhung durch Verkürzung der Elektronenpakete im sogenannten Bunch-Kompressor Voraussetzung. Die Ver-kürzungwirddurchunterschiedlicheLaufzeiten ineinermagnetischen Schikane realisiert. Nach einer leichtenEnergiemodulation im ersten Beschleunigerabschnittlegt der niederenergetischere Kopf des Paketes in derSchikane eine längere Strecke zurück als der höher-energetische Schwanz. Dies bewirkt die Verkürzungdes Paketes, birgt aber die Gefahr, dass die bei derAblenkung in den Magneten der Schikane entstehendeSynchrotronstrahlung die Strahlqualität verschlechtert.In der Tat kann bei relativ kurzen Elektronenpaketen dasvon den hinten fliegenden Elektronen abgestrahlte Lichtdie vorn fliegenden einholen und diese beeinflussen. Eskommt zu einer kohärenten Abstrahlung von Synchro-tronstrahlung, und die Intensitätsverteilung entlang derFlugrichtung wird stark beeinflusst. Ein einzelnes Pa-ket kann, ähnlich wie oben für Wakefields beschrie-ben, regelrecht zerreißen, so dass im Undulator für denFEL-Prozess kein wohldefinierter kurzer und intensi-ver Puls mehr zur Verfügung steht. Eine Reihe vonMessungen führte zu einem tieferen Verständnis die-ser kohärenten Abstrahlung von Synchrotronstrahlung.Die Messungen müssen jedoch mit einer im Novemberin den Bunch-Kompressor eingebauten flacheren Vaku-umkammer wiederholt werden. Sie kann das Ergebnislaut Theorie beeinflussen.

    Verbesserte Instrumentierung

    Eine Reihe weiterer Verbesserungen kann hier nurkurz aufgezählt werden. So wurde zum Beispiel diePräparation der Kathoden in der Elektronenquelledeutlich verbessert, was eine merkliche Verringe-rung des Dunkelstroms und damit auch eine sehrstark abgeschwächte Aktivierung der Strahlführungzur Folge hat. Wesentlich waren auch die Arbeitenan den Diagnoseelementen zur Strahlstrommessung.Hier galt es, die Messgenauigkeit und die Zuverläs-sigkeit zu erhöhen, so dass diese so genannten To-roide im Maschinen-Interlock zum Einsatz kommenkönnen. Der Test eines neu entwickelten schnellenStrommonitors wird künftig die Strahlüberwachungfür jedes einzelne Elektronenpaket erlauben. Dies giltauch für den geplanten zeitlichen Abstand der Pa-

    kete von 111 ns. Ein weiterer Drahtmonitor zum Aus-messen der Elektronenstrahlprofile konnte ebenso er-folgreich in Betrieb genommen werden wie auch alleStrahllagemonitore im Bereich der ersten beiden Undu-latorabschnitte. Eine neu aufgebaute Elektronik wirdzur Überwachung der Flugzeit der Elektronenpaketeim Bereich des Bunch-Kompressors eingesetzt. EineOnline-Dosimetrie mit Hilfe von Lichtwellenleitern(LWL) wurde in Zusammenarbeit mit dem Hahn-Meitner-Institut in Berlin und dem Fraunhofer-Institutin Euskirchen weiter verbessert. Die Messung mitLWL entlang dem TTF-LINAC wurde in das Kon-trollsystem integriert. Eine neue Messmethode mit ge-wickelten LWLs erlaubt eine schnelle und empfind-liche Online-Messung der Ortsdosis an definiertenPositionen.

    Der auf Seite 233 im Detail beschriebene FEL-Betriebprofitierte sehr von der Tatsache, dass der TTF-LINACseit dem Sommer auch vom Hauptbeschleunigerkon-trollraum (BKR) aus gesteuert werden kann. Hierbeiwurde insbesondere der FEL-Nutzerbetrieb vom BKRaus ermöglicht. Die erforderlichen Konsolen wurdeninstalliert. Nachdem einige Teilsysteme bereits in derVergangenheit von Partnerinstituten, zum Beispiel ausParis, betreut und gesteuert wurden, konnte im Spät-sommer erstmalig der gesamte LINAC auch aus Italienbedient werden. Ein weiterer wichtiger Schritt auf demWeg zu einem gemeinsamen, partnerschaftlich betrie-benen LINAC ist die Einführung eines elektronischenLogbuches, das von verschiedenen Arbeitsplätzen zu-verlässig beschrieben und gelesen werden kann. AlleGrafiken von Messergebnissen sowie Statusbilder kön-nen von verschiedenen Rechnern direkt in das Logbuchgeschrieben werden. Die Texteingabe und die Darstel-lung erfolgen über einen Standardbrowser wie Net-scape. Neueste Internet-Technologien wie XML, XSLund JAVA Servlets werden verwendet, um das Logbuchzu verwalten und darzustellen. Nach einigen kleine-ren Korrekturen wurde das elektronische Logbuch vonden Benutzern so gut angenommen, dass die Papier-form aufgegeben wurde. Mit diesem neuen Logbuchkönnen jetzt alle Mitglieder der TESLA Kollaborationsowie die Experten in ihren Büros sehr viel stärkeran den Ergebnissen und Problemen des Beschleuni-gerbetriebs teilhaben. Die Wahl von offenen Internet-Standards ermöglicht einen zukünftigen Ausbau dieserTechnologien zur weiteren Integration von verteiltenInformationen.

    230

  • TESLA Linear-Collider Projekt

    Dies ist der Weg zu einem globalen Beschleuniger-Netzwerk, in dem Komponenten nicht nur in aus-wärtigen Instituten entwickelt und gebaut werden,sondern nach der Installation auch die dauerhafte Be-treuung der Beschleunigersektionen möglich ist. DerAufstellort des Beschleunigers wird unwichtiger. Einpartnerschaftlicher Betrieb ist möglich. Im Augustwurde begonnen, den TTF-LINAC Betrieb statistischzu erfassen. So ist es möglich, neben der gesamten

    Betriebsdauer von inzwischen über 11 000 StundenAngaben über die Aufteilung der Strahlzeit zu ma-chen. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass die ty-pische Effektivität in FEL-Betriebszeiten inzwischenoberhalb von 75% liegt. Die durch Ausfälle bedingtenBetriebsunterbrechungen liegen über Wochen gemit-telt unter 20%. Insgesamt waren im Berichtszeitraumetwa 2500 Stunden FEL-Betrieb für von HASYLABdurchgeführte Experimente möglich.

    231