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1 1. Einleitung: Stationenlernen, was ist das? Frank Lauenburg: Der Imperialismus © Persen Verlag Vorwort I – Theorie: Zum Stationenlernen 1. Einleitung: Stationenlernen, was ist das? Unsere Gesellschaft wird seit geraumer Zeit durch Begriffe der Individualisierung gekennzeichnet: Ri- sikogesellschaft heißt es bei Ulrich Beck 1 , Multiop- tionsgesellschaft nennt sie Peter Gross 2 und für Gerhard Schulze ist es eine Erlebnisgesellschaft 3 . Jeder Begriff beinhaltet einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt, doch egal wie wir diesen Prozess bezeichnen, die Individualisierung – hier zu verste- hen als Pluralisierung von Lebensstilen – schreitet voran. Damit wird die Identitäts- und Sinnfindung zu einer individuellen Leistung. Diese Veränderun- gen wirken sich zwangsläufig auch auf die Institu- tion Schule aus. Damit lässt sich vor allem eine Heterogenität von Lerngruppen hinsichtlich der Lernkultur, der Leistungsfähigkeit sowie der indivi- duellen Lernwege feststellen. Darüber hinaus legt beispielsweise das Schulgesetz Nordrhein-West- falen im § 1 fest, dass: „Jeder junge Mensch […] ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage und Herkunft und sein Geschlecht ein Recht auf schuli- sche Bildung, Erziehung und individuelle Förde- rung“ hat. Das klingt nach einem hehren Ziel – die Frage ist nur: Wie können wir dieses Ziel errei- chen? Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass es nach meiner Einschätzung nicht das pädagogische Allheilmittel gibt, welches wir nur einsetzen müss- ten und damit wären alle (pädagogischen) Pro- bleme gelöst. Trotz alledem möchte ich an dieser Stelle die Methode des Stationenlernens präsen- tieren, da diese der Individualisierung Rechnung tragen kann. Merkmale des Stationenlernens ‚Lernen an Stationen’ bezeichnet die Arbeit mit ei- nem aus verschiedenen Stationen zusammenge- setzten Lernangebot, das eine übergeordnete Pro- 1 Vgl.: Beck, Ulrich: Risikogesellschaft – Auf dem Weg in eine andere Moderne. Berlin 1986. 2 Vgl.: Pongs, Armin; Gross, Peter: Die Multioptionsgesellschaft. In: Pongs, Armin (Hrsg.): In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? – Gesellschaftskonzepte im Vergleich, Band I. München 1999, S. 105–127. 3 Vgl.: Schulze, Gerhard: Die Erlebnisgesellschaft – Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt/Main, New York 1992. blematik differenziert entfaltet.4 Schon an dieser Stelle wird offensichtlich, dass für diese Methode unterschiedliche Begriffe verwendet werden. Je- dem Terminus wohnt eine (mehr oder weniger) an- ders geartete organisatorische Struktur inne. In den meisten Fällen werden die Begriffe Lernen an Stationen und Stationenlernen synonym verwen- det. Hiervon werden die Lernstraße oder der Lern- zirkel unterschieden. Bei diesen beiden Varianten werden in der Regel eine festgelegte Reihenfolge sowie die Vollständigkeit des Durchlaufs aller Sta- tionen verlangt. Daraus ergibt sich zwangsläufig (rein organisatorisch) auch eine festgelegte Ar- beitszeit an der jeweiligen Station. Eine weitere Unterscheidung bietet die Lerntheke, an welcher sich die Schülerinnen und Schüler mit Material be- dienen können, um anschließend wieder (meist ei- genständig) an ihren regulären Plätzen zu arbei- ten. Von diesen Formen soll das Lernen an Stationen bzw. das Stationenlernen abgegrenzt werden. Diese Unterrichtsmethode ist hier zu verstehen als ein unterrichtliches Verfahren, bei dem der unter- richtliche Gegenstand so aufgefächert wird, dass die einzelnen Stationen unabhängig voneinander bearbeitet werden können. Die Schülerinnen und Schüler können die Reihenfolge der Stationen so- mit eigenständig bestimmen; sie allein entschei- den, wann sie welche Station bearbeiten wollen. Damit arbeiten die Lernenden weitgehend selbst- ständig und eigenverantwortlich (bei meist vorge- gebener Sozialform, welche sich aus der Aufga- benstellung ergeben sollte). Um der Heterogenität Rechung zu tragen, werden neben den Pflichtstati- onen, die von allen bearbeitet werden müssen, Zu- satzstationen angeboten, die nach individuellem Interesse und Leistungsvermögen ausgewählt werden können. Aufgrund der Auffächerung des Gegenstandes in unterschiedliche Schwerpunkte und der Untertei- lung in Pflicht- und Zusatzstationen, bietet es sich an, bei der Konzeption der einzelnen Stationen un- terschiedliche Lernzugänge zu verwenden. Auch hier wäre eine weitere schülerspezifischere Diffe- renzierung denkbar. Folglich ist es möglich, einen 4 Lange, Dirk: Lernen an Stationen. In: Praxis Politik, Heft 3/2010, S. 4. zur Vollversion

Vorwort I Theorie: Zum Stationenlernen · Imperialismus und Kolonialismus" sind also nicht dasselbe. Imperialismus ist in mancher Hinsicht der Begriff mit der umfassenderen Bedeutung,

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Page 1: Vorwort I Theorie: Zum Stationenlernen · Imperialismus und Kolonialismus" sind also nicht dasselbe. Imperialismus ist in mancher Hinsicht der Begriff mit der umfassenderen Bedeutung,

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1. Einleitung: Stationenlernen, was ist das?

Frank Lauenburg: Der Imperialismus

© Persen Verlag

Vorwort

I – Theorie: Zum Stationenlernen

1. Einleitung: Stationenlernen,

was ist das?

Unsere Gesellschaft wird seit geraumer Zeit durch

Begriffe der Individualisierung gekennzeichnet: Ri-

sikogesellschaft heißt es bei Ulrich Beck1, Multiop-

tionsgesellschaft nennt sie Peter Gross2 und für

Gerhard Schulze ist es eine Erlebnisgesellschaft3.

Jeder Begriff beinhaltet einen anderen inhaltlichen

Schwerpunkt, doch egal wie wir diesen Prozess

bezeichnen, die Individualisierung – hier zu verste-

hen als Pluralisierung von Lebensstilen – schreitet

voran. Damit wird die Identitäts- und Sinnfindung

zu einer individuellen Leistung. Diese Veränderun-

gen wirken sich zwangsläufig auch auf die Institu-

tion Schule aus. Damit lässt sich vor allem eine

Heterogenität von Lerngruppen hinsichtlich der

Lernkultur, der Leistungsfähigkeit sowie der indivi-

duellen Lernwege feststellen. Darüber hinaus legt

beispielsweise das Schulgesetz Nordrhein-West-

falen im § 1 fest, dass: „Jeder junge Mensch […]

ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage und

Herkunft und sein Geschlecht ein Recht auf schuli-

sche Bildung, Erziehung und individuelle Förde-

rung“ hat. Das klingt nach einem hehren Ziel – die

Frage ist nur: Wie können wir dieses Ziel errei-

chen?

Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass es

nach meiner Einschätzung nicht das pädagogische

Allheilmittel gibt, welches wir nur einsetzen müss-

ten und damit wären alle (pädagogischen) Pro-

bleme gelöst. Trotz alledem möchte ich an dieser

Stelle die Methode des Stationenlernens präsen-

tieren, da diese der Individualisierung Rechnung

tragen kann.

Merkmale des Stationenlernens

„‚Lernen an Stationen’ bezeichnet die Arbeit mit ei-

nem aus verschiedenen Stationen zusammenge-

setzten Lernangebot, das eine übergeordnete Pro-

1 Vgl.: Beck, Ulrich: Risikogesellschaft – Auf dem Weg in eine andere

Moderne. Berlin 1986.2 Vgl.: Pongs, Armin; Gross, Peter: Die Multioptionsgesellschaft. In:

Pongs, Armin (Hrsg.): In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich?

– Gesellschaftskonzepte im Vergleich, Band I. München 1999,

S. 105–127.3 Vgl.: Schulze, Gerhard: Die Erlebnisgesellschaft – Kultursoziologie

der Gegenwart. Frankfurt/Main, New York 1992.

blematik differenziert entfaltet.“4 Schon an dieser

Stelle wird offensichtlich, dass für diese Methode

unterschiedliche Begriffe verwendet werden. Je-

dem Terminus wohnt eine (mehr oder weniger) an-

ders geartete organisatorische Struktur inne. In

den meisten Fällen werden die Begriffe Lernen an

Stationen und Stationenlernen synonym verwen-

det. Hiervon werden die Lernstraße oder der Lern-

zirkel unterschieden. Bei diesen beiden Varianten

werden in der Regel eine festgelegte Reihenfolge

sowie die Vollständigkeit des Durchlaufs aller Sta-

tionen verlangt. Daraus ergibt sich zwangsläufig

(rein organisatorisch) auch eine festgelegte Ar-

beitszeit an der jeweiligen Station. Eine weitere

Unterscheidung bietet die Lerntheke, an welcher

sich die Schülerinnen und Schüler mit Material be-

dienen können, um anschließend wieder (meist ei-

genständig) an ihren regulären Plätzen zu arbei-

ten.

Von diesen Formen soll das Lernen an Stationen

bzw. das Stationenlernen abgegrenzt werden.

Diese Unterrichtsmethode ist hier zu verstehen als

ein unterrichtliches Verfahren, bei dem der unter-

richtliche Gegenstand so aufgefächert wird, dass

die einzelnen Stationen unabhängig voneinander

bearbeitet werden können. Die Schülerinnen und

Schüler können die Reihenfolge der Stationen so-

mit eigenständig bestimmen; sie allein entschei-

den, wann sie welche Station bearbeiten wollen.

Damit arbeiten die Lernenden weitgehend selbst-

ständig und eigenverantwortlich (bei meist vorge-

gebener Sozialform, welche sich aus der Aufga-

benstellung ergeben sollte). Um der Heterogenität

Rechung zu tragen, werden neben den Pflichtstati-

onen, die von allen bearbeitet werden müssen, Zu-

satzstationen angeboten, die nach individuellem

Interesse und Leistungsvermögen ausgewählt

werden können.

Aufgrund der Auffächerung des Gegenstandes in

unterschiedliche Schwerpunkte und der Untertei-

lung in Pflicht- und Zusatzstationen, bietet es sich

an, bei der Konzeption der einzelnen Stationen un-

terschiedliche Lernzugänge zu verwenden. Auch

hier wäre eine weitere schülerspezifischere Diffe-

renzierung denkbar. Folglich ist es möglich, einen

4 Lange, Dirk: Lernen an Stationen. In: Praxis Politik, Heft 3/2010, S. 4.

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Station 0 – Begriffsklärung: Eine Mindmap erstellen

Station 1 – Imperiale Motive:

Einen Bericht verfassen

Station 2 – Kolonisation Afrikas:

Einen Lexikonartikel verfassen

Station 3 – Eroberung eines Landes:

Perspektivwechsel im Bild

Station 4 – Direkte oder indirekte Herr-

schaft? Ein Gutachten erstellen

Station 5 – „Kongo-Konferenz“:

Fragen entwickeln

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Laufzettel

zum Stationenlernen

Das Streben der europäischen Mächte nach Weltmacht am Beispiel des Imperialismus

Zusatzstation A – Braucht Deutsch-

land Kolonien? Einen Zeitungsartikel

verfassen

Zusatzstation B – „latecomers“:

Eine Antwort formulieren

Zusatzstation C – Konflikte in den

Kolonien: Ein Interview führen

Zusatzstation D – Folgen des Kolonia-

lismus: Die Bienenkorbmethode

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Frank Lauenburg: Der Imperialismus© Persen Verlag

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Zusatzstation A Aufgabe

Braucht Deutschland Kolonien? Einen Zeitungsartikel verfassen

Nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich 1870/71 und der damit folgenden Reichseinigung und Grün-dung des Deutschen Kaiserreiches unter preußischer Führung meinte der Reichskanzler Fürst Otto von Bis-marck immer, dass „Reich sei saturiert“ (gesättigt). Er wollte damit für mehr Akzeptanz des Deutschen Rei-ches bei den europäischen Großmächten werben. Außerdem wollte er sich aus den kolonialen Streitigkeiten vor allem zwischen England und Frankreich heraushalten und den Bestand des Kaiserreiches sichern. Im Laufe der 1880er-Jahre verstärkten sich jedoch die Stimmen, dass Deutschland sich auch am „Wettlauf nach Afrika“ beteiligen müsse, um seine Macht ausweiten zu können. In der Folge wurden heftigste Debatten dar-um geführt, ob Deutschland auch Kolonien besitzen sollte oder nicht.

Aufgabe:

Stelle dir folgende Situation vor: Du bist ein junger Journalist und sollst für die Zeitung

„Geschichtliche Nachrichten“ einen Artikel über die Debatten zur deutschen Kolonialfrage

schreiben.

1. Erarbeite dir hierfür zuerst das Material.2. Stelle die zentralen Argumente gegenüber: Notiere in einer Tabelle die Position und Begründung Fried-

rich Fabris und demgegenüber die Position und Begründung von Wilhelm Liebknecht.3. Formuliere nun den Artikel, indem du die unterschiedlichen Positionen gegenüberstellst. Abschließend

solltest du ein eigenes Urteil fällen.Bedenke dabei, dass das dein erster Artikel für deine Zeitung werden soll – er sollte also spannend und interessant formuliert sein. Dein Chef soll doch schließlich deine Qualitäten erkennen und dir künftig wei-tere Aufträge geben!

Zusatzstation B Aufgabe

„latecomers“: Eine Antwort formulieren

Aufgabe:

Formuliere eine Antwort auf die Frage des Zeus.

1. Beschreibe zuerst alles, was du auf dem Bild siehst (Personen, Größenverhältnisse, Bildvor-der- und -hintergrund, Text etc.).

2. Erkläre die einzelnen Symbole auf dem Bild. Erkläre deren Verwendung. Tipp: Die Person links im Vordergrund soll die Germania darstellen, also als Symbol für

Deutschland dienen. Die weiteren Personen im Vordergrund stehen (v. l. n. r.) für England, Russ land, Frankreich und Österreich.

3. Stelle nun die zentrale Bildaussage dar.4. Deutschland wird in der Kolonialpolitik als „latecomer“ (Spätkommer) bezeichnet. Überlege dir

konkrete Gründe, die dazu geführt haben können. Einige Hinweise erhältst du in der Zusatzsta-tion A.

5. Formuliere nun einen Antwortsatz auf die Frage des Zeus.

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Frank Lauenburg: Der Imperialismus

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Station 0 Material

Begriffsklärung: Eine Mindmap erstellen

Der Begriff beschreibt ein System, in dem die Bevölkerung eines Landes von einer frem-

den Nation in Abhängigkeit gebracht und […] beherrscht wird. Ziel des „Imperialismus“

war die Bildung von Kolonialreichen, die von den „Imperialmächten“ wirtschaftlich aus-

gebeutet werden konnten. Der klassische „Imperialismus“ bezeichnet somit etwa die

5 Phase von 1870 bis 1950, die Zeit zwischen Aufbau und Untergang der großen Welt-

reiche England und Frankreich.

Quelle: Goppold, Matthias; Goppold, Uwe: Wissen aktuell Geschichte – Wann war? Was war? Wer war? München

2001, S. 297.

Für den Imperialismus (von lat. imperium = das Reich, später das Großreich, Weltreich)

sind unterschiedliche Verständnisse zu unterscheiden.

(1) Allgemein versteht man darunter das Streben politischer Mächte, über die eigenen

Staatsgrenzen hinaus territorial zu expandieren [sich auszudehnen; F. L.] oder ihren

5 politischen, wirtschaftlichen, militärischen und/oder kulturellen Einflussbereich auf

Kosten der unterworfenen […] Gesellschaften auszudehnen.

(2) Im spezifischen Verständnis wird damit die Politik […] in den drei Jahrzehnten vor

dem I. Weltkrieg (Epoche des Imperialismus) bezeichnet, die noch nicht unter Kolonial-

herrschaft gefallenen Territorien unter sich aufzuteilen.

Quelle: Nohlen, Dieter: Imperialismus. In: Nohlen, Dieter (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik. München 2011, S. 198f.

Zum Imperialismus gehört auch der Wille und das Vermögen eines imperialen Zen-

trums, die eigenen nationalstaatlichen Interessen immer wieder als imperiale zu definie-

ren […]. Imperialismus impliziert [beinhaltet; F. L.] also nicht bloß Kolonialpolitik, son-

dern „Weltpolitik“, für welche Kolonien nicht allein Zwecke in sich selbst, sondern auch

5 Pfänder in globalen Machtspielen sind. Die seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts

bei den Großmächten beliebte Idee, Kolonien […] durch Tausch […] zum Austarieren

der internationalen […] Machtbalance einzusetzen, ist typisch „imperialistisch“ und ei-

nem „kolonialistischen“ Denken fremd, das Kolonien als dauerhaft „erworben“ oder „an-

vertraut“ betrachtet. Imperialismus wird von den Staatskanzleien, Außen- und

10 Kriegsministerien geplant und ausgeführt, Kolonialismus von Kolonialbehörden und

„men on the spot“. […]

„Imperialismus“ und „Kolonialismus" sind also nicht dasselbe. „Imperialismus“ ist in

mancher Hinsicht der Begriff mit der umfassenderen Bedeutung, sodass „Kolonialis-

mus“ geradezu als sein Spezialfall erscheint.

Quelle: Osterhammel, Jürgen: Kolonialismus – Geschichte – Formen – Folgen. München 2012, S. 27 f.

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18Frank Lauenburg: Der Imperialismus

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Station 2 Material 1

Kolonisation Afrikas: Einen Lexikonartikel verfassen

Stand der Kolonisation Afrikas um 1830

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22Frank Lauenburg: Der Imperialismus© Persen Verlag

Station 5 Material

Kongo-Konferenz: Fragen entwickeln

Bis in die 1870er-Jahre war das Innere Afrikas noch weitgehend unerschlossen (siehe Station

2) und nur etwa zehn Prozent des Kontinents in europäischer Hand. Die europäische Präsenz

beschränkte sich hauptsächlich auf Handelsniederlassungen an den Küsten, von denen aus

seit dem 18. Jahrhundert Kakaobohnen, Öle, Bauholz, Kautschuk, Elfenbein, Gold5 und Edelsteine verschifft wurden. Vor allem aufgrund klimatischer und geografischer Bedin-

gungen war es bis dahin nur wenigen Europäern gelungen, weiter in das Landesinnere vorzu-

stoßen.

Seit den 1880er-Jahren wandelte sich die Situation grundlegend: Innerhalb von weniger als

zwei Jahrzehnten teilten diverse Kolonialmächte nahezu den gesamten afrikanischen Konti-10 nent unter sich auf. Ausgehend von der britischen Presse wurde diese Phase als „Wettlauf

nach Afrika“ („scramble for Africa“) bezeichnet. Jede europäische Nation, die sich als Groß-

macht verstand, wollte sich an diesem „Wettlauf“ beteiligen.

Angesichts des steigenden Konkur-

renzdrucks wurden auch Gebiete in 15 Besitz genommen, die wirtschaftlich

nahezu keinen Nutzen besaßen.

Britische und französische Politiker

gingen verstärkt zu „präventiven“

Annexionen über, um zu verhindern, 20 dass ihnen ein Konkurrent zuvor-

kam.

Um Konflikte zu beseitigen und die

Einflussgebiete aller Mächte auf

dem Kontinent zu ordnen, trafen 25 sich Vertreter der führenden europä-

ischen Mächte vom 15. November

1884 bis zum 26. Februar 1885 zu einer Konferenz in Berlin. Auf dieser „Berliner Westafrika-

konferenz“ (auch als „Kongo-Konferenz“ bezeichnet) wurde Afrika zum „herrenlosen Land“

erklärt und auf dem Papier aufgeteilt. Ohne Rücksicht auf jegliche Besitzansprüche und 30 Souveränitätsrechte der afrikanischen Bevölkerung, ihrer Sprachen und Kultur, wurden will-

kürliche Grenzen durch den Kontinent gezogen, Völker auseinandergerissen und fremde oder

gar feindliche Ethnien in einem Territorium vereinigt.

Am Ende der Konferenz wurden allgemeine „Spielregeln“ für die Inbesitznahme neuer Ge-

biete vereinbart, um koloniale Rivalitäten künftig auszuschließen: Bei Annexionen reichten 35 das Hissen einer Fahne oder Vertragsschlüsse mit den lokalen Machthabern nicht mehr aus;

vielmehr musste die Übernahme eines Gebietes den anderen Mächten rechtzeitig bekannt

und durch eine erkennbare Präsenz vor Ort mit festen Stützpunkten (z. B. Handelsstationen,

Polizeitruppen) kenntlich gemacht werden. Diese Vereinbarung beschleunigte den „Wettlauf“

der europäischen Staaten und die formelle Besitznahme von Territorien.

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III – Literatur- und Quellenverzeichnis

Frank Lauenburg: Der Imperialismus

© Persen Verlag

III – Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Monografien und Sammelbände

Alter, Peter: Der Imperialismus – Grundlagen, Prob-

leme, Theorien. Stuttgart 1985, S. 431

Auweck-Schäfer, Sophie: Probleme der weiblichen

Berufsberatung. In: Arbeit und Beruf 1, Nr. 11

(1922), S. 414–416.

Bruch, Rüdiger; Hofmeister, Björn (Hrsg.): Deutsche

Geschichte in Quellen und Darstellungen, Band 8.

Stuttgart 2000, S. 253 ff.

Erbe, René: Die nationalsozialistische Wirtschaftspoli-

tik 1933–1939 im Lichte der modernen Theorie. Zü-

rich 1958.

Gärtner, Emil Robert: Kroatien in Südslawien. Histo-

risch-politische Studie. Berlin 1944, S. 168 ff.

Goppold, Matthias; Goppold Uwe: Wissen aktuell Ge-

schichte – Wann war? Was war? Wer war? Com-

pact Verlag GmbH, München. Wissen aktuell Ge-

schichte, Erstausgabe 2001, 544 Seiten

Gritschneder, Otto: Bewährungsstrafe für den Terroris-

ten Adolf Hitler – Der Hitler-Putsch und die bayri-

sche Justiz. Verlag C.H.Beck. München 1990

Grünfeld, Judith: Mütter und Töchter. In: Frauenwelt 6

(1929), S. 249.

Gründer, Horst: Der moderne Imperialismus. Düssel-

dorf 1980, S. 95 f.

Gründer, Horst (Hrsg.): „… da und dort ein junges

Deutschland gründen“ – Rassismus, Kolonien und

kolonialer Gedanke vom 16. bis zum 20. Jahrhun-

dert. München 1999, S. 152 ff.

Hanotaux, Gabriel: L’energie francaise. Paris 1902, S.

361 ff.

Helbig, Ludwig (Hrsg.): Imperialismus – Das deutsche

Beispiel. Frankfurt/Main, S. 60 f.

Hellmann, Manfred (Hrsg.): Die russische Revolution.

München 1964, S. 312 ff.

Heymann, Carl: Urkunden zum Separatistenputsch im

Rheinland im Herbst 1923. Berlin 1925, S. 3

Hitler, Adolf: Mein Kampf. München 1942, S. 31 ff., S.

69f., S. 154, S. 378, S. 741, S. 772

Hurewitz, Jacob C.: Diplomacy in the Near and Middle

East, Bd. I. Cambridge University Press. London/

New York 1956, S. 19 ff.

Junker, Detlef [u. a.] (Hrsg.): Deutsche Parlamentsde-

batten II, 1919–1939. Frankfurt/ Main 1971, S. 180 f.

Mason, Timothy: Arbeiterklasse und Volksgemein-

schaft. Opladen 1975, S. 847 ff.

Michalka, Wolfgang: Das Dritte Reich, Bd. 2. München

1985, S. 290 f.

Michaelis, Herbert; Schraepler, Ernst (Hrsg.): Ursa-

chen und Folgen – Vom deutschen Zusammen-

bruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuord-

nung Deutschlands, Band 1. Berlin 1959, S. 374 ff.

und S. 396 f., Band 6. Berlin o. J., S. 282 f., Band 9.

Berlin o. J., S. 429 ff., Bd. 10, Berlin 1965, S. 568 ff.

Mommsen, Wolfgang: Imperialismus – Seine geistigen,

politischen und wirtschaftlichen Grundlagen. Ham-

burg 1977, S. 48 f.

Nohlen, Dieter: Imperialismus. In: Ders. (Hrsg.): Klei-

nes Lexikon der Politik, S. 198–199. Verlag

C.H.Beck, Auflage 5, überarbeitete und erweiterte

Auflage (18. Februar 2011). München 2011

Osterhammel, Jürgen: Kolonialismus – Geschichte

– Formen – Folgen. Verlag C.H.Beck, Auflage 7,

vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

(23. August 2012). München 2012

Steininger, Rolf: Der Nahostkonflikt. Frankfurt/Main

2003, S. 73.

Sutor, Bernhard; Detjen, Joachim: Politik – Ein Studi-

enbuch zur politischen Bildung. Paderborn 2001, S.

471 ff.

Treue, Wilhelm: Hitlers Denkschrift über den Vierjah-

resplan 1936. In: Vierteljahreshefte für Zeitge-

schichte 3, 1955, S. 204 ff.

Wilson, Woodrow: Why We Are At War. Messages to

the Congress January to April. New York, London

1917. S. 7 ff.

Zweig, Stefan: Die Welt von Gestern. Stockholm 1942,

S. 356 f.

2. Bildnachweise

Titelillustration

Mele Brink, Aachen

Seite 8

Kamerun- Ebolowa: Bundesarchiv, Bild 146-1982-173-

09A / Fotograf: o. Ang.

Seite 14

Koffer: Oliver Wetterauer, Stuttgart

Seite 18

Karte von Afrika: akg-images

Seite 19

Karte von Afrika. Diese Datei ist lizensiert unter der

CC-BY-SA-2.0-DE Lizenz. URL: upload.wikimedia.

org/wikipedia/commons/5/59/Afrika_Kolonisation_

Farben.png

Seite 20

Politische Karikatur: Henry Meyer, Le Petit Journal,

16.1.1898

Seite 22

Kongokonferenz: Adalbert von Rößler, 1884

Seite 24

„Die Theilung der Erde“: Kladderadatsch vom

18.8.1878, Seite 416

zur Vollversion

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