83
SOZIAL-KULTURELLE ARBEIT Handbuch Orientierung an den Fragen, Kenntnissen und Interessen der NutzerInnen und BewohnerInnen Orientierung an der Bedarfslage im Stadtteil Multikulturelles und generationsübergreifendes Begegnen und Zusammenwirken in Stadtteilen Hilfe zur Selbsthilfe Vernetzung im Stadtteil Gemeinwesen-Entwicklung Förderung von Familien, anderen Lebensgemeinschaften und Nachbarschafts- beziehungen durch informelle Vernetzung Zusammenarbeit von haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen Verbindung von sozialer und kultureller Arbeit an einem Ort Bündelung von Angeboten; Gesamtverwaltung, Gesamt- leitung, Transparenz und Erreichbarkeit

Vska handbuch

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Liebe Leserinnen, liebe Leser (*), Hintergrund für die Erarbeitung dieses Handbuches sind die Erfahrungen, die unser Verband seit 1992 in der Beratungs- und Unterstützungsarbeit mit sozial-kulturellen Einrichtungen in den neuen Bundesländern und speziell 1997/98 im Projekt „Prozeßorientierte Projektberatung und -begleitung" von fünf ausgewählten Häusern (je eins in jedem der neuen Länder) gesammelt hat. Viele der beschriebenen Beispiele stammen aus diesen Projekten. Sie sind sicher nicht repräsentativ für alle sozial-kulturellen Einrichtungen, unterstreichen jedoch die Vielfalt der Arbeit. Deshalb sollten sie auch als Beispiele und nicht als allgemeingültige Richtlinien betrachtet werden. Wir haben besonders die Fragen, Probleme, Aspekte und Ansätze sozial-kultureller Arbeit aufgegriffen, die in diesem Rahmen eine Rolle gespielt haben, am häufigsten angesprochen und diskutiert wurden. Allerdings konnten längst nicht alle Bestandteile dieses umfangreichen Spektrums erfaßt werden.

Citation preview

Page 1: Vska handbuch

SOZIAL-KULTURELLE ARBEIT

Handbuch

Orientierung an den Fragen, Kenntnissen undInteressen der NutzerInnen und BewohnerInnen

Orientierung an der Bedarfslage im Stadtteil

Multikulturelles und generationsübergreifendesBegegnen und Zusammenwirken in Stadtteilen

Hilfe zur Selbsthilfe

Vernetzung im Stadtteil Gemeinwesen-Entwicklung

Förderung von Familien, anderenLebensgemeinschaften und Nachbarschafts-beziehungen durch informelle Vernetzung

Zusammenarbeit von haupt- undehrenamtlichen MitarbeiterInnen

Verbindung von sozialer undkultureller Arbeit an einem Ort

Bündelung von Angeboten;Gesamtverwaltung, Gesamt-

leitung, Transparenz undErreichbarkeit

Page 2: Vska handbuch
Page 3: Vska handbuch

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Vorwort 2

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit 3

Was ist sozial-kulturelle Arbeit? 3Susanne Besch

Wir sind, was wir geworden sind. Zur Geschichte der sozial-kulturellen Arbeit und des Verbandes für sozial-kulturelle Arbeit e.V. 6Eva-Maria Antz

Sozial-kulturelle Arbeit in der DDR und in den neuen Bundesländern 14Gudrun Israel

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit 24Gudrun Israel

• Orientierung an den Fragen, Kenntnissen und Interessen der Nutzerinnen und Bewohnerinnen 28

• Orientierung an der Bedarfslage im Stadtteil 33• Multikulturelles und generationsübergreifendes Begegnen

und Zusammenwirken im Stadtteil 37• Hilfe zur Selbsthilfe 42• Vernetzung im Stadtteil; Gemeinwesen-Entwicklung 44• Förderung von Familien, anderen Lebensgemeinschaften

und Nachbarschaftsbeziehungen durch informelle Vernetzung 49• Zusammenarbeit von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen 53• Verbindung von sozialer und kultureller Arbeit an einem Ort 58• Bündelung von Angeboten; Gesamtverwaltung, Gesamtleitung,

Transparenz und Erreichbarkeit 61

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit in der Übersicht 66Birgit Weber

Knackpunkte: 68Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Projekten in den neuen BundesländernGudrun Israel

Fundraising 71Dr. Friedrich Haunert

Die Autorinnen 75

Der Herausgeber 76

Literaturtips 78

Page 4: Vska handbuch

Liebe Leserinnen,liebe Leser*,

Hintergrund für die Erarbeitung dieses Handbuches sind die Erfahrungen, die unser Verband seit 1992in der Beratungs- und Unterstützungsarbeit mit sozial-kulturellen Einrichtungen in den neuen Bundesländern und speziell 1997/98 im Projekt „Prozeßorientierte Projektberatung und -begleitung“von fünf ausgewählten Häusern (je eins in jedem der neuen Länder) gesammelt hat. Viele der beschriebenen Beispiele stammen aus diesen Projekten. Sie sind sicher nicht repräsentativ für alle sozial-kulturellen Einrichtungen, unterstreichen jedoch die Vielfalt der Arbeit. Deshalb sollten sie auchals Beispiele und nicht als allgemeingültige Richtlinien betrachtet werden.

Wir haben besonders die Fragen, Probleme, Aspekte und Ansätze sozial-kultureller Arbeit aufgegriffen, die in diesem Rahmen eine Rolle gespielt haben, am häufigsten angesprochen und diskutiert wurden. Allerdings konnten längst nicht alle Bestandteile dieses umfangreichen Spektrumserfaßt werden.

Mit diesem Handbuch richten wir uns in erster Linie an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnenvon sozial-kulturellen Projekten in den neuen Bundesländern, an Menschen, die sich für sozial-kulturelle Arbeit interessieren, sich in diesem Rahmen engagieren oder vielleicht selbst eine Einrichtung aufbauen möchten.

Wir wollen dieses Handbuch nicht als Lehrbuch verstanden wissen. Es enthält keine Rezepte oderChecklisten. Es soll vielmehr Anregungen zum Nachdenken geben und den Spaß am kreativen Umgang mit dem Ansatz sozial-kultureller Arbeit wecken, der viele, manchmal auch ungeahnte, Möglichkeiten bietet, selbst etwas zu gestalten und andere zum Gestalten zu animieren.

Das Buch ist aus der Sicht des Dachverbandes geschrieben. Dabei haben wir versucht, so praxisorien-tiert wie möglich zu sein. Manche Aussagen oder Forderungen sind möglicherweise eher idealtypischund es werden viele Feststellungen getroffen. Es liegt in Ihrer Hand, wie Sie damit umgehen und siefür sich interpretieren.

Das Handbuch erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, deshalb sind wir an Rückmeldungen, Anregungen oder Hinweisen Ihrerseits sehr interessiert.

Wir danken den Projekten, die sich darauf eingelassen haben, sich zwei Jahre lang von uns in die Karten schauen zu lassen, gemeinsam mit uns zu arbeiten und zu diskutieren und ihre Erfahrungenanderen zur Verfügung zu stellen.

Gudrun Israel

* Im größten Teil des Handbuches wird zur Vereinfachung die weibliche Form der verschiedenen Bezeichnungen verwendet. Damit sind natürlich auch die männlichen Personen gemeint. Sollte es sich einmal nur um Frauen oder nur um Männer handeln, wird dies entsprechend formuliert.

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

2

Page 5: Vska handbuch

Was ist sozial-kulturelle Arbeit?

Susanne Besch

Mit diesem Beitrag werde ich mein Verständnisvon sozial-kultureller Arbeit darlegen aus derPerspektive einer Quereinsteigerin aus demOsten zu einer Zeit, als viele Diskussionen zudiesem Thema bereits ohne mich gelaufen wa-ren. Während ich mit Begriffen wie „Volks-kunstkollektiv“ und „Leiter des künstlerischenVolksschaffens“ leben konnte und mit den viel-fach geförderten Möglichkeiten im Freizeitbe-reich, habe ich die Verknüpfung sozialer undkultureller Arbeit weniger hinterfragt als allge-mein angenommen. Mit dem Vorhaben, aufmeinen Erfahrungen basierend, kulturelle An-gebote in Werkstätten als Medium für ‘Soziales’wie Begegnung, Kommunikation, Gestaltungund Problembewältigung aufzubauen, fand ichmich in einem unbekannten System wieder undunmittelbar vor die Frage gestellt: Was ist sozial-kulturelle Arbeit?Die Auseinandersetzung mit den Begrifflichkei-ten, den Hintergründen, den Arbeitsansätzen,mit den verschiedenen Positionen und Sichtwei-sen war und ist ein fortschreitender Prozeß.

Die Begriffe „sozial-kulturell“ und „soziokultu-rell“ werden oft synonym verwendet, habenaber bei genauerer Betrachtung verschiedeneHintergründe. Sie sind von verschiedenen ge-sellschaftlichen Strömungen in der Bundesrepu-blik und von unterschiedlichen Wertungen dersozialen und der kulturellen Aspekte geprägtworden. Es gibt viele Überschneidungen im Be-reich der inhaltlichen Arbeit und der Zielgrup-pen, so daß heute Einrichtungen mitunter nichtmehr konkret dem sozial-kulturellen oder demsoziokulturellen Bereich zugeordnet werdenkönnen. Auch wenn sich im Laufe der Zeit dieGrenzen zwischen den beiden Arbeitsansätzenverwischt haben, sollte aus meiner Sicht derHintergrund bei der Verwendung der Begriffenicht außer acht gelassen werden.

Im allgemeinen Verständnis umfassen die Be-griffe „Soziales“ alles, was gesellschaftlichesMiteinander der Menschen ausmacht, und „Kul-tur“ alles, was dieses Miteinander prägt undseinen Ausdruck in der jeweiligen kulturellenIdentität findet. So betrachtet, ist das Sozialeder Umstand, daß Menschen immer miteinan-der in Beziehung stehen, und die Kultur die Artund Weise, wie das geschieht.

So gesehen, lassen sich beide Seiten überhauptnicht voneinander trennen.

Die Begriffe sind aber nicht immer so eindeutigverknüpft, sondern mit Bedeutungen aufgela-den, durch die sie eine absolute Trennung er-fahren. Worte wie Sozialarbeit, Sozialamt, So-zialhilfe beziehen sich auf die untersten gesell-schaftlichen Ebenen, auf Notdürftigkeit, Armut,Pflichtaufgaben, während Kultur oft mit Kunstgleichgesetzt wird und damit eine entgegenge-setzte Wertschätzung erfährt. Sozialverwaltun-gen und Kulturverwaltungen vollziehen genaudiese Trennung. Mit Verknappung der Etatskonzentrieren sich beide Verwaltungen auf ihr„eigentliches“ Anliegen, was eine immer stär-kere Trennung zur Folge hat.

Im Gegensatz dazu werden mit sozial-kulturel-ler und auch mit soziokultureller Arbeit beideBereiche bewußt wieder verbunden, allerdingsmit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Sozial-kulturelle Einrichtungen wie Nachbar-schaftsheime, Bürgerhäuser, Stadtteilzentrenvereinen soziale und kulturelle Arbeit an einemOrt in einer Weise, in der die Kultur eine ganzwichtige Bedeutung als Rahmenbedingung füreinen sozialen Auftrag hat. Kultur bedeutethier das bewußte Schaffen einer kulturvollenAtmosphäre und einer Begegnungskultur, dievon Offenheit, Respekt und Interesse gekenn-zeichnet ist. Hier findet in erster Linie kulturelleoder auch kulturvolle Sozialarbeit statt.

Soziale Arbeit kann nicht im luftleeren Raumgeschehen. Um niedrigschwellige, unverbindli-che Zugänge zu sozialen Einrichtungen zuschaffen, werden die verschiedenen kulturellenMöglichkeiten genutzt. Klassische Zugänge sindCafés, Freizeitangebote wie Kurse und kulturel-le Veranstaltungen, die unverbindlicher sind alsreine Beratungsstellen, bei denen vorausgesetztwird, daß die Nutzerinnen vordergründig miteinem konkreten Problem in das Haus kommen.

Beratung, Information und direkte Hilfen sinddennoch wichtige Bestandteile sozial-kulturel-ler Arbeit, nur daß dabei weniger das Unvermö-gen, die Schwierigkeiten und Defizite der Men-schen, sondern ihre Stärken, Fähigkeiten undInteressen gesehen und gefördert werden. Dasist eine entscheidende Haltung, um Menschennicht an unbrauchbaren Wertesystemen schei-tern zu lassen.

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

3

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

Page 6: Vska handbuch

Die ‘Schwachen’ als eigentliche Zielgruppe dersozialen Arbeit werden nicht aus einer werten-den und normierenden Position heraus gemes-sen. Sie haben Erfahrungswissen, sind Expertenfür ihre Situation. Ihnen zu ermöglichen, ihreSituation klarer zu sehen, ihre Kompetenzen zustärken und entsprechende Ressourcen freizu-setzen, ist ein Ziel sozial-kultureller Arbeit. Ihrepersönliche Situation und die ihrer Gemein-schaft können Menschen nur selber dauerhaftund ihnen angemessen verändern.

Die Menschen werden in ihrer Ganzheit undVielfalt betrachtet, als Bestandteile verschiede-ner sozialer und kultureller Systeme, mit denensie in ständiger Wechselbeziehung stehen, ausdenen heraus Probleme erwachsen können, diewiederum nur mit Wirkung auf das Gesamtsy-stem gelöst werden können. Familienarbeit undgenerationsübergreifende Arbeit gewinnen mitdieser Betrachtungsweise immer mehr an Be-deutung.

Traditionelle Familienstrukturen und herkömm-liche Nachbarschaften haben an Sinngehalt ver-loren. Sie sind einem allgemeinen Wertewandelunterzogen und zum Teil überholt. Von ein-engenden und unzeitgemäßen sozialen undgesellschaftlichen Normen geprägt, sind sie oftvon Intoleranz gegen alles Neue und ‘Fremde’im weitesten Sinne gekennzeichnet.

Die Identitäten sind vielfach gestört, sich wan-delnde geschichtliche und wirtschaftliche Be-dingungen lassen Werte und Normen, auf diesich die Menschen bezogen haben, bröckeln. Einigen Menschen fällt es schwer, sich aufgrundder unrühmlichen deutschen Geschichte mitdem Deutsch-Sein zu identifizieren, anderen isteine DDR-Identität verloren gegangen, wiederandere oder auch die gleichen Menschen habenihren Arbeitsplatz verloren oder ihre Kontaktezu Nachbarn, Freunden oder Familienangehöri-gen.

Soziale und kulturelle Identität bedingen einan-der. Ein gesicherter und anerkannter Platz inder Gesellschaft, in dem Lebensraum, in demsich Menschen bewegen, gehören ebenso dazuwie ausreichende soziale Beziehungen unddurchschaubare gesellschaftliche Rahmenbedin-gungen.

Eine Aufgabe von sozialer und kultureller Ar-beit besteht in der Schaffung von Identität. In-halte identitätsbildender Arbeit sind, Möglich-keiten anzubieten, sowohl soziale Beziehungenknüpfen zu können und Fähigkeiten stärken zukönnen, soziale Bindungen zu stabilisieren und

aufrecht zu erhalten, als auch die gesellschaftli-chen Rahmen verstehen zu können, Zusammen-hänge besser zu durchschauen, um kompeten-ter und selbstbestimmter handeln zu können.

Identität hat zwei Aspekte. Der eine besteht inder Dazugehörigkeit, die Geborgenheit, Nähe,Sicherheit und Wohlbefinden mit sich bringt,und der andere in Abgrenzung, die wichtig istzum Schutz der Gruppen und ihrer Ideen. Daßdie Gruppen sich nicht als ohnmächtig erleben,sich für etwas und nicht gegen etwas definie-ren, ist die Voraussetzung dafür, daß sie dieseAbgrenzung nicht in Rassismus, Fremdenfeind-lichkeit und Aggressivität gegenüber anderenausdrücken, sondern mit gegenseitigem Re-spekt praktizieren.

Respekt und Toleranz setzen die Haltung vor-aus, daß andere Menschen nicht schlechter oderbesser, sondern nur anders sind.

Sozial-kulturelle Arbeit richtet sich an alle Men-schen, unabhängig von ihrem Alter, ihrer Natio-nalität, Herkunft oder Weltanschauung. Spal-tungstendenzen der Gesellschaft sind allgegen-wärtig. Auch wenn das Programm „Offen fürAlle“, das Anfang der 90er Jahre aktuell war,wegen der Beliebigkeit, die dahinter steckenkönnte, umstritten ist, setzt damit sozial-kultu-relle Arbeit der Tendenz, daß soziale Schichtenimmer mehr auseinanderdriften, etwas entge-gen, indem sie die ‘Starken’ ebenso einbindetwie die vermeintlich ‘Schwachen’.

Es gibt genug Themen, die alle betreffen: Kin-dererziehung, Umwelt, Krankheiten, Süchte,Sehnsüchte, Unterhaltung, Gemeinschaft, Sinn-suche - um nur einige zu nennen. Um die Men-schen, die in den Einzugsbereichen wirken oderleben und die in irgendeiner Weise besser zu-rechtkommen als andere, für die Aufgaben so-zial-kultureller Arbeit zu gewinnen, daß sie sichfördernd ins Gemeinwesen einbringen, Projektefinanzieren und durch Know-how unterstützen,bedarf es attraktiver Bedingungen.

Sozial-kulturellen Arbeit wird begleitet von Dis-kussionen über die Standards sozialer Arbeit,von Beschreibungen der Qualitätsmerkmale, einerseits um Kürzungen nicht der Willkür an-heim zu geben, andererseits aber auch, um Vor-handenes effektiver zu nutzen und Ressourcenaller Art neu zu erschließen.

Das Ehrenamt wird viel diskutiert und neu be-wertet. Dabei ist erkennbar, daß nicht mehr nurdie traditionellen Formen von Ehrenamt, etwadie Männer, die jahrzehntelang im Vorstand sit-

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

4

Page 7: Vska handbuch

zen oder die kuchenbackenden Frauen, ge-meint sind, sondern freiwilliges Engagementauf allen Gebieten.

Bedingt durch eine erhöhte Mobilität, planenviele Menschen ihre Lebensabschnitte kürzer.Sie sind eher bereit, kurzfristige und spontanefreiwillige Mitarbeit zu leisten und überschau-bare Initiativen zu unterstützen. Freiwillige Mit-arbeit muß gewollt und organisiert werden.Einbindung ist nach wie vor abhängig von derKultur des Hauses, sie bedarf als Gegenleistunggeeignete Strukturen und Formen persönlicherKontakte und Anerkennung.

Sozial-kulturelle Arbeit wird zeitweise mit demVorwurf konfrontiert, eine Mittelschicht zu be-dienen, ihre Häuser mit Kultur, Ordnung undStruktur auszufüllen, die Gruppen von Bewoh-nerinnen entspricht, die die untersten sozialenSchichten wie Obdachlose, schwer Alkoholkran-ke, zerstörungswillige Jugendliche ausgrenzen.

Bestimmt hat sozial-kulturelle Arbeit einenwichtigen Auftrag, soziale und kulturelle Wertezu erhalten und mitzugestalten und Menschen,die gefährdet sind, durch immer schwierigerwerdende Bedingungen ‘herunterzufallen’,Handlungsspielräume zu eröffnen. Die Aufgabekann aber nicht darin bestehen, Menschen zu‘sozialisieren’, damit sie in die schönen Häuserpassen. Neben der Abrechnung hoher Besucher-zahlen bleibt immer die Frage nach denen, dienicht in das Haus kommen. Es gilt, flexibel underfinderisch andere Formen für Ausgegrenzteund vor allem zusammen mit ihnen zu gestal-ten, ihre Kultur zu akzeptieren.

Intergenerative Einrichtungen stellen erhöhteAnforderungen an die Mitarbeiterinnen undNutzerinnen. Es geht um eine Balance zwischenden zwei Formen der Begegnung, einmal dereinzelnen Menschen in Gemeinschaften untersich und zum anderen der Gruppen untereinan-der und die Begegnung miteinander in einemgewollten Kontext.

Sozial-kulturelle Arbeit hat einen emanzipatori-schen Ansatz, mit dem das Zusammenwirken aller Kräfte in einem Sozialraum wie Vereine,Initiativen, Wirtschaft, Politik und aktive Be-wohnerinnen in den Blickwinkel genommenwerden. Die Gefahr besteht dabei, daß Men-schen in vorgedachte Strukturen gedrängt undsomit institutionalisiert werden können. Umzurückgezogene Menschen in den öffentlichenRaum zu holen, bedarf es sensibler Methoden.Es ist ein langsamer Prozeß, der an den einfach-sten Lebensfragen ansetzt.

Es ist sinnvoll, Begegnungsstätten im Stadtteilvorzufinden, die Kultur, Kommunikation, Infor-mation, Beratung und Hilfeangebote vereinenund von integrierendem und aktivierendemCharakter sind und ermuntern, das Leben selbstin die Hand zu nehmen und die gegebenenMöglichkeiten auszuschöpfen.

Fest steht, daß selbstbestimmtes und eigenver-antwortliches Handeln Unabhängigkeit bedeu-tet.

Sozial-kulturelle Arbeit kann als Experimentier-feld begriffen werden, auf dem möglichst vieleund auch unkonventionelle Wege gesucht wer-den.

Seminarteilnehmerinnen trugen unter demStichwort sozial-kultureller Arbeit eine Vielzahlvon Umschreibungen zusammen, die in irgend-einer Weise etwas damit zu tun haben, an an-derer Stelle ist sozial-kulturelle Arbeit mit denStichworten bürgernah, dezentral, effizient, ko-stengünstig, flexibel und integrativ beschriebenworden.

Begriffe und Namen sind Programm. Sie sindeinerseits vorgeprägt aber andererseits, undentscheidender für jeden einzelnen und fürjede Einrichtung, immer wieder selbst zu defi-nieren und mit Inhalten zu füllen.Die Diskussion geht weiter.

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

5

Page 8: Vska handbuch

1880

Wir sind, was wir geworden sind.Zur Geschichte der sozial-kulturellenArbeit und des Verbandes für sozial-kulturelle Arbeit e.V.

Eva-Maria Antz

Geschichte ist ein Weg, eine Entwicklung. Ein Blick in die Vor- und Entwicklungsgeschichtedes Verbandes für sozial-kulturelle Arbeit e.V.zeigt interessante Ereignisse und Veränderun-gen. Wichtige Impulse für das sich dabei ent-wickelnde Profil waren gesellschaftliche undpolitisch-wirtschaftliche Hintergründe und Ein-flüsse, fachliche Entwicklungen und Diskussio-nen im Bereich der sozialen Arbeit und Ver-bandsentscheidungen selbst. Um diese Ge-schichte deutlich zu machen, werden im folgen-den zentrale Aspekte einzelner Epochenaufgezeigt. Schlagworte aus der jeweiligenZeitgeschichte werden als Hintergrund unkom-mentiert und auch stark vereinfachend be-nannt, ausführlicher beschrieben werden danndie jeweiligen Entwicklungen sozial-kulturellerArbeit und des Verbandes.

Vorab noch ein Hinweis: Der Verband entstandin der „alten“ Bundesrepublik. Die Schlagworteaus der Zeitgeschichte sind demnach Stichwortezur bundesrepublikanischen Realität. Auf dieEntwicklung sozial-kultureller Arbeit in der DDRund in den neuen Bundesländern wird in einemeigenen Beitrag eingegangen.

1. Die WurzelnSchlagworte zur Zeitgeschichte:• 19. Jahrhundert: industrielle Revolution• Verelendung• USA: Einwanderer in den Großstädten• proletarische Wohnviertel

Zur Geschichte der sozial-kulturellen Arbeit:Die Wurzeln der sozial-kulturellen Arbeit rei-chen weit zurück: in London wurde 1884 Toyn-bee-Hall gegründet, 1889 Hull House in Chica-go, die beide als die bekanntesten, frühen Sett-lements gelten. Grundgedanke der Settler beider Einrichtung dieser Organisationen war derWunsch und der Gedanke von sozial bewußtenAkademikerInnen, mitten unter den Armen zuleben, um letztendlich mit ihnen ihr Leben zuverbessern.

„Der Settler kommt zu den Armen als Menschzum Menschen...er kommt ‘to bridge the gulf’,um die Klassengegensätze zu überbrücken. Erhat das Vertrauen in gesetzgeberische und Ver-waltungsmaßnahmen verloren, die das soziale

Problem vom grünen Tisch aus lösen wollen,und er verabscheut die herkömmlichen Formelneiner Wohltätigkeit, die demütigt statt aufzu-richten, demoralisiert statt zu bessern...Leben statt Maschinerie, exakte Kenntnisse derzu bessernden Verhältnisse, in die man sich mit-ten hineinzustellen hat, statt eines unzuverläs-sigen Urteils aus der Vogelschau - das ist seinMotto...“ (1)

So gab es in den 80er Jahren des letzten Jahr-hunderts allein in London 26 Wohnheime in Ar-menvierteln. Zeichnete sich in den ersten Jah-ren diese Bewegung durch eine gewisse „Pro-grammlosigkeit“ aus, so entwickelten sich ausdem konkreten Zusammenleben mit den Armenzunehmend mehr „social settlements“, in de-nen auch andere ehrenamtliche HelferInnen,die nicht unbedingt vor Ort lebten, miteinbezo-gen wurden. So wurden schließlich konkreteBildungs- und Begegnungsangebote durchge-führt, es gab Sprachkurse für Einwanderer (v.a.in Chicago), Klubräume ermöglichten ein gesel-liges Zusammensein usw. Der deutsche Professor Classen war von dieserenglischen Idee begeistert und brachte sie nachDeutschland. Er gründete 1901 das VolksheimHamburg. Nun lebten die MitarbeiterInnenzwar nicht mehr zwischen den Nachbarn derArmenviertel (nur einzelne HelferInnen mach-ten noch diesen Schritt), aber es gab zahlreicheAktivitäten in 6 verschiedenen Stadtteilen:Rechtsauskunftsstellen, Klubs, Debattierabendeusw. Wichtig war ebenfalls die Jugendarbeitund der Einfluß der Jugendbewegungen. Dererste Weltkrieg hinterließ seine Spuren. Im Volks-heim Hamburg entwickelte sich ein immer stär-keres politisches Selbstverständnis, das schließlichauch als „Sozialismus“ definiert wurde.

Das Volksheim will „eine Heimstätte für Ge-meinschaften sein, will die Menschen allerVolksschichten einigen in gegenseitigem Ver-trauen zur Arbeit an der geistigen und sittli-chen Vertiefung des Lebens und zur Stärkungdes Gefühls gegenseitiger Verpflichtung“. So-zialismus - nicht als Wirtschaftssystem oder -prinzip, nicht als Außenform, sondern als Innenzustand, als eine Gesinnung, eine neue Art der Gestaltung der zwischenmenschlichenBeziehungen - wurde proklamiert. (2)

Konkret umgesetzt wurde dieses Selbstver-ständnis in der Schulungsarbeit, in der Erzie-hung zum politischen Denken, in Ansätzen derVolksbildung.

Die zweite wichtige Neugründung in Deutsch-land war 1911 die Soziale Arbeitsgemeinschaft

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

6

Page 9: Vska handbuch

1940Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

7

Berlin-Ost (SAG). Der Pfarrer Friedrich Sieg-mund-Schulze gab sein Pfarramt auf, um in einArbeiterviertel in Berlin zu ziehen. Die von ihminitiierte SAG führte sowohl Volksbildung alsauch fürsorgerische Arbeit durch, deren Zielletztendlich die gesellschaftliche Integrationder Arbeiter war. So diente auch hier die prakti-sche Sozialarbeit der Überwindung von Klassen-gegensätzen, allerdings gab es im Vergleichzum Hamburger Volksheim eine stärkere Beto-nung der fürsorgerischen Aufgaben.

Die Vorläuferin des heutigen Verbandes ent-stand 1925. In diesem Jahr wurde die „DeutscheVereinigung der Nachbarschaftssiedlungen“gegründet.All diese Ansätze verschwanden unter der Herr-schaft der Nationalsozialisten. Die junge Verei-nigung wurde gleich 1933 wieder aufgelöst,einzelne Einrichtungen konnten sich noch hal-ten, aber 1940 wurde dann endgültig auch dieSAG in Berlin geschlossen.

2. Die ersten NachkriegsjahreSchlagworte zur Zeitgeschichte:• Nachkriegszeit• soziale Not: Wohnraum, Arbeit, Hunger• Flüchtlinge• Heimkehrer• Heimatlosigkeit• wirtschaftliche Aufbauhilfe der Alliierten• Re-education-Programme der Alliierten

Zur Geschichte der sozial-kulturellen Arbeit:Nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialis-mus und dem Ende des Zweiten Weltkriegeskam es zu zahlreichen Neugründungen vonNachbarschaftsheimen.Aber was bedeutet überhaupt Nachbarschaft?Es handelt sich dabei um eine Grundform sozia-len Zusammenwohnens, die bestimmt ist vonWir-Empfinden, räumlicher Nähe, Übereinstim-mung/Teilen von Sitten und Bräuchen etc. Spiel-regeln für eine gute Nachbarschaft sind Part-nerschaftlichkeit, Namentlichkeit, Kompromißund Toleranz. (3)Die Nachbarschaftsheime wurden gegründetvon verschiedenen, häufig aus den USA stam-menden Bewegungen. Wichtig waren dieQuäker aber auch andere Träger: in Berlin-Neukölln ging z.B. die Initiative von der YWCA(Christlicher Verein junger Frauen) aus und dasNachbarschaftsheim Urbanstraße, Berlin, wurdemit Mitteln der Klassenlotterie gegründet.Grundanliegen der GründerInnen war ein Ver-ständnis der Nachbarschaftsheime als Beitragzur Mitmenschlichkeit (Hilfeleistungen für Be-dürftige, Arbeitsbeschaffung, Jugendarbeit), alsBeitrag zur Umerziehung der Deutschen (Mit-

bestimmung). Die Ideologie der Nachbar-schaftsheime bestand aus den Begriffen Tole-ranz, Neutralität, Überparteilichkeit. Was der Aufbau dieser Einrichtungen in derRealität der Nachkriegsjahre bedeutete, veran-schaulicht das Beispiel aus Neukölln, Berlin:

Prinzip der Arbeit war, daß die deutsche Jugendfür sich selber etwas aufbauen konnte, nicht ihretwas überzustülpen. Im April 1947 konnte ineinem Gebäude in Neukölln ein Zimmer ge-nutzt werden. Die Armee gab Röntgenplatten,die gereinigt und zu Fenstern verarbeitet wer-den konnten. Das machten die Jugendlichen, zunächst für alte Leute, dann für sich selber.Später brachten sie Mütter und Geschwistermit. YWCA-Gruppen sammelten Kleider, Schu-he, Schokolade... „und ich bekam haufenweisedie Sachen“. Wer eine Stunde Hilfe leistete, be-kam einen Schein und konnte ihn gegen Sachen

einlösen. Frauen haben alte Armeesachen um-gearbeitet. Aus sieben Armeeschlipsen konnteman einen Mädchenrock nähen. Die Jungen ha-ben Tische und Stühle aus Armeebeständenwiederaufgearbeitet.Wichtig war, daß die Frauen aus der Isolationherauskamen, daß sie etwas für sich tun konn-ten. Viele Männer waren gefallen oder noch inGefangenschaft. Im Nachbarschaftsheim konn-ten Frauen etwas für die Familie verdienen undsich gegenseitig helfen und stärken.Die Jugendlichen sollten lernen, Spaß haben,volkstanzen, lesen, schreiben...“ (4)

Die Quäker spielten in dieser Aufbauzeit einewichtige Rolle. Ihr Grundprinzip ist die „Heili-gung des Alltags“ - jede kleine Tat ist wichtig,die Haltung ist wichtig, Hilfe zur Selbsthilfe, Ge-waltlosigkeit, Konsensentscheidungen.

Trotz dieser günstigen Anfangssituation in denersten Nachkriegsjahren geschah der Aufbau imBewußtsein, daß die finanzielle Unterstützungdurch ausländische religiöse Gruppen zurückge-hen würde. Diese Aufbauzeit wurde später oft

Nähstube im Nachbarschaftsheim Urbanstraße

Page 10: Vska handbuch

1950

als „emotionaler Höhenflug“ beschrieben mitechter Begeisterung für den Aufbruch und denAufbau. Diese Zeit wurde vor allem von denen,die dem Faschismus ablehnend gegenüberstan-den, als „Zeit der Befreiung“ verstanden. DieAufarbeitung des Faschismus war dabei aberkaum Thema, es gab auch kritische Einschätzun-gen der Ideologie der „Überparteilichkeit“. Sozeigt K. Niestroy in seiner Diplomarbeit auf,daß FDJ-Gruppen in Westberliner Heimen keineRäume bekamen, und formuliert daraus denVorwurf der Systemanpassung an die Amerika-ner und auch des Antikommunismus. (5)Die Grundstimmung der Aufbauzeit wird vonIngeborg Blauert, die verschiedene Nachbar-schaftsheime in Berlin leitete, so beschrieben:

„Ich glaube einfach, eine Auseinandersetzungmit dem Faschismus war noch gar nicht dran.Wir waren irgendwie zu dicht dran. Und ichmuß sagen, wenn ich es aus meiner eigenenSicht sehe, für mich war das ein Aufbruch! Ichwar zukunftsorientiert. Mich hat das wirklichvon innen her getrieben wieder mitaufzubau-en, so daß ich soviel an das Vergangene, an eine Aufarbeitung nicht dachte. Also das wareine außerordentlich mobile Zeit. Und wir wa-ren ja auch ein bißchen wie die ausgetrockne-ten Schwämme, muß ich sagen. Wir waren nichtnur lernbereit, wir waren willig, wir waren begeistert.“ (6)

3. Die Fünfziger und frühen SechzigerSchlagworte zur Zeitgeschichte:• „Wirtschaftswunderzeiten“• Demokratieaufbau• schaffe, schaffe, Häusle baue• der „Sozialstaat“ Bundesrepublik

Deutschland entsteht

Zur Verbandsgeschichte:1951 wurde der „Verband Deutscher Nachbar-schaftheime“ in Darmstadt gegründet. DiesemDatum war eine intensive inhaltliche Diskussionvorausgegangen. Bedeutete diese juristischeForm des Zusammenschlusses eine Hilfe odereher das Ende der bisherigen Spontaneität undUnmittelbarkeit der Zusammenarbeit? Gleich-zeitig wurde aber auch die Notwendigkeit einerqualifizierten Öffentlichkeitsarbeit immer drin-gender, und so war die erste Zielrichtung desVerbandes die Unabhängigkeit von ausländi-scher Hilfe. Aufgabe der ersten Verbandsge-schäftsführerin, Irma Müller-Edom, wurde dieUnterstützung und Beratung der Heime in Fi-nanzfragen und Öffentlichkeitsarbeit. Unter-stützt wurde sie von Isi Stehr, einer Mitarbeite-rin des AFSC (amerikanischer Quäkerverband),deren Aufgabe „fund raising“ (Mittelbeschaf-

fung) hieß. Schon 1952 wurde der neue deut-sche Verband auf der internationalen Konfe-renz des IFS (Internationale Föderation derNachbarschaftszentren) in Amsterdam auch in-ternational anerkannt, was in der damaligenZeit eine wichtige Wertschätzung und Unter-stützung bedeutete.

Die meisten Nachbarschaftsheime entstandenbis dahin in Berlin und so organisierte sich 1952innerhalb des Verbandes die Landesgruppe Berlin. Die Arbeit in den einzelnen Nachbarschaftsein-richtungen bekam einen neuen Akzent: von derEinzelfallhilfe zur sozialen Gruppe. Gruppen-pädagogik wurde zum zentralen Begriff undGrundverständnis der Arbeit, verknüpft mit einer zunehmenden Professionalisierung dersozialen Arbeit überhaupt.Prägend für die konkrete Arbeit und die fachli-che Diskussion wurde die enge Kooperation mitHaus Schwalbach. Dr. Magda Kelber brachteaus ihrer USA-Emigration die Idee der „socialgroup work“ mit und führte mit KollegInnenzusammen im Haus Schwalbach Fortbildungenfür alle durch, die mit Menschen in Gruppen arbeiteten. Sinnbilder für diese neue Pädagogikwaren das Flanelltuch zur unterstützenden Visualisierung von Diskussions- und Erkenntnis-strukturen, die „Methode 66“, als Form der Beteiligung aller TeilnehmerInnen bei akademi-schen Vorträgen, und viele andere Entdeckun-gen nicht-akademischer Lehrformen.

Haus Schwalbach verstand und lehrte Gruppen-pädagogik als eine pädagogische Form der be-wußten Nutzung und Steuerung von Gruppen-prozessen durch Pädagogen und unterschiedauf diese Weise Gruppenpädagogik von der na-

turwüchsig verlaufenden Gruppenarbeit, diedes Pädagogen nicht bedarf. Magda Kelberkleidete den pädagogischen Anspruch, derGruppenpädagogik als Pädagogik legitimierensollte, in acht pädagogische Grundsätze, die imgroßen und ganzen mit der amerikanischen

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

8

Sommerfest im Nachbarschaftsheim Urbanstraße 1955

Page 11: Vska handbuch

1960

Fachliteratur der 50er und 60er Jahre (etwa: Gi-sela Konopka) übereinstimmten. Die Prinzipiensind: mit der Stärke arbeiten; anfangen, wo dieGruppe steht...und sich mit ihr - ihrem Tempoentsprechend - in Bewegung setzen; Raum fürEntscheidungen geben... und notwendigeGrenzen positiv nutzen; Zusammenarbeit mehrpflegen als Einzelwettbewerb; sich überflüssigmachen; weniger durch traditionelle, persönli-che Führungsmittel (Lohn und Strafe, Lob undTadel) wirksam werden als durch das Gruppen-programm. (7)

Aus heutiger Sicht klingt vieles dieser Prinzipienselbstverständlich - für die Zeit nach dem Fa-schismus waren es ungewohnte und wichtigeSchritte auch zum Demokratielernen.Fürsorgerische Arbeit und Gruppenarbeit er-gänzten sich und gehörten zusammen: wichtigwar oft das Ziel, die BesucherInnen der Einrich-tungen verantwortlich einzubinden, so daß An-sätze der Selbsthilfe entstanden. Ein kurzeSchilderung aus dem Jahre 1954 vom Nachbar-schaftsheim Wuppertal verdeutlicht dies:

„Diese Arbeit lief so selbstverständlich mit, daßwir bisher gar nicht auf den Gedanken kamen,darüber Aufzeichnungen zu machen. Regel-mäßige Besucher unserer Programme oder El-tern unserer Kinder, mit denen wir immer wie-der Einzelgespräche haben, sind dabei inbegrif-fen. Es sind oft Menschen aus dem Bunker, undwir freuen uns darüber, daß der Kontakt dort-hin im Wachsen ist.Ende letzten Jahres hat sich aus Bunkerbewoh-nern eine Arbeitsgemeinschaft als ein ArtSelbsthilfeorganisation konstituiert. Die erstenzwei Sitzungen fanden im Nachbarschaftsheimstatt. Aus ihnen hat sich das Anliegen einerWeihnachtsfeier für die Bunkerkinder ergeben,die ebenfalls in unserem Hause mit etwa 120Teilnehmern stattfand.“ (8)

Ein weiteres erwähnenswertes Beispiel, daswirklich Geschichte gemacht hat, ist das Projekt„meals on wheels“ oder „Essen auf Rädern“ ausdem Nachbarschaftsheim Urbanstraße, Berlin.In den Stichworten zur Vereinschronologieheißt es:

1961Überlegungen zu „MEALS ON WHEELS“ (Quelle: Protokoll der Vorstandssitzung am 7. Juni 1961):Der Verein will, ausgehend von ausländischenErfahrungen, den stationären Mittagstisch um„meals on wheels“ (Essen auf Rädern) erwei-tern. Ein entsprechender Antrag auf Finanzie-rung wird von der Klassenlotterie abgelehnt.

Aber das Sozialamt des Bezirksamtes Kreuzbergzeigt nach wie vor starkes Interesse an der Aus-führung des Planes und ließ durch Herrn Ramsden Vorschlag unterbreiten, von den jetzt aus-gegebenen 150 Essen 50 Essen für die neueSpeisung abzuzweigen.

17.8.1956: Feierstunde zu 5 Jahren „RollendeSpeisung“: täglich werden 325 Portionen er-stellt. (9)

Die zunehmende Professionalisierung in denEinrichtungen zeigte sich auch in der Entwick-lung von Programmheften, Jahresberichten undder Anstellung fester MitarbeiterInnen. Ein Bei-spiel für die Entwicklung von der Bekämpfungder Nachkriegsnot zu einer anderen Selbstver-ständlichkeit verdeutlicht der Weg von der Näh-stube zu Nähkursen im NachbarschaftsheimSchöneberg:

„Die zuvor offene Arbeit der Nähstube wirddurch die Einführung von Kursen abgelöst. Diese sollen jedoch keine starren Formen an-nehmen, sondern der Gruppenarbeit einesNachbarschaftsheimes entsprechen...In den frühen 60er Jahren sind noch viele Frau-en zur Versorgung ihrer Familien auf das Nähenangewiesen. Im Zuge der Verbesserung derwirtschaftlichen Verhältnisse für breite Bevölke-rungsschichten ändert sich allerdings die Bedeu-tung der Nähstube für die Besucherinnen. Das‚Nähen aus der Not heraus’ wird von einemSpaß am Nähen und Nähenlernen abgelöst. EinStolz auf das Gelernte und zugleich die Mög-lichkeit des Kontaktes zu anderen Frauen tretenin den Vordergrund.“ (10)

4. Die 68er und die folgenden JahreSchlagworte zur Zeitgeschichte:• Auseinandersetzung mit gesamtgesellschaftli-

chen und systembedingten Ursachen sozialer Probleme

• Städtebau: die Unwirtlichkeit unserer Städte• Erziehung - antiautoritäre Erziehung - politi-

sches Bewußtsein

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

9

Kinderspeisung im „Mittelhof“ Zehlendorf

Page 12: Vska handbuch

1970

Zur Verbandsgeschichte:In diesen sogenannten „68er Jahren“ war undkam viel in Bewegung. Eingefahrenes und Tra-ditionen wurden in Frage gestellt, es wurdenach gesellschaftlichen und politischen Ursa-chen und Strukturen gefragt und manchesmußte neu formuliert werden. Diese gesell-schaftliche Entwicklung fand in vielen Berei-chen ihren Niederschlag und Ausdruck im Verband.Bedeutende Schritte waren für den Verband1969 die Satzungsänderung, bei der die Zieledes Verbandes um den Aspekt der wissenschaft-lichen Arbeit als Begleitung der Praxis erweitertwurden, und 1971 die Umbenennung des Ver-bandes in „Verband für sozial-kulturelle Arbeit“.

Die gesellschaftspolitische Debatte schlug sich1969 nieder in der Resolution des Verbandes„gesellschaftspolitische Aspekte von Bildungund Bildungsarbeit“. Diese Resolution wurde imRahmen der großen Tagung, die Anfang Mai1969 unter dem Titel „Die Stadt als Raum desdenkenden Aufstandes“ in Berlin stattfand, ver-abschiedet. Hier wurden die Folgen der Debattefür sozial-kulturelle Bildungsarbeit formuliertund deutlich demokratischere Strukturen in denEinrichtungen gefordert.

Stichworte aus der Resolution:Alle in der sozialkulturellen Arbeit Tätigen soll-ten vorrangig beachten: Junge Menschen sindauf die sich stetig verändernden Lebensverhält-nisse vorzubereiten,... Die Überbetonung, dieErfüllung im Berufsleben zu finden, muß zu-gunsten einer Bewußtmachung der Bedeutung

der Freizeit abgebaut werden... Die Überbeto-nung des Leistungsdenkens,..., sollte zugunstender menschlichen Geltung und AnerkennungLeistungsschwächerer, v.a. auch der älterenMenschen abgebaut werden... Es müssen me-thodische Wege zur Überwindung schichten-spezifischer Arbeit in den Bildungseinrichtun-gen gesucht werden...

Vorschläge zu neuen Organisationsstrukturen:Einführung der Drittelparität, Einführung desRätesystems, Geschäftsführung im Rotations-prinzip (kein Heimleiter mehr). (11)

Die Resolution endet mit dem Satz: „Bei derDurchführung dieser Vorschläge können aller-dings hierarchisch-autoritäre Verhaltensweisender Vereinsmitglieder und der Mitarbeiter so-wie Auflagen der Geldgeber hinderlich sein.“(12) Diese realistische Einschätzung hat oft zu-getroffen, andererseits gehen sicher mancheStrukturen heute auf den Aufbruch und die Suche der damaligen Zeit zurück.

Eine entscheidende Entwicklung stellte die zu-nehmende Diskussion um Gemeinwesenarbeitdar.Der Blick ging weg von der engen Hauszen-triertheit und richtete sich auf das soziale Ge-meinwesen. Dieser Blickwechsel hatte auch Fol-gen für das Rollenverständnis des Sozialarbei-ters: weg vom helfenden, betreuenden zum be-ratenden Gemeinwesenarbeiter.Dazu kam eine deutliche Ausbreitung der Nach-barschaftheime in Neubauvierteln der expan-dierenden Städte. Ein Beispiel für den radikalenEinstieg in die Gemeinwesenarbeit findet inBerlin statt: 1970/71 wird das Nachbarschafts-heim Charlottenburg umgewandelt in den Ge-meinwesenverein Heerstraße Nord, aus demspäter (1978) auch ein Gemeinwesenzentrumentsteht.

„Das Nachbarschaftsheim Charlottenburg e.V.hat 1970/71 seine Arbeit von der Waitzstraßeim Altbauviertel Charlottenburg ins Neubauge-biet Heerstraße Nord verlagert. Mit dem Umzugwar auch eine Umorientierung der Arbeit ver-bunden:Der Verein öffnet und bindet sich in besondererWeise an die Siedlung Heerstraße Nord... Er er-möglicht allen sozial arbeitenden Gruppen undPersonen in der Siedlung die Mitgliedschaft undbietet sich an als organisatorische Plattformund juristischer Träger für in Aktion tretendeBewohnergruppen.In seiner sozialen Arbeit praktiziert der Vereinneue Methoden der sozialen Arbeit (Gemein-wesenarbeit), wobei er langfristig Verbesserungder Lebenssituation im Gemeinwesen anstrebt.Mit seiner Gemeinwesenarbeit möchte er be-sonders solche Bewohnergruppen unterstützen,die ihre Interessen und Bedürfnisse nicht ausrei-chend artikulieren und durchsetzen können. Erregt die Bewohner zur Initiative in Gruppen an.Die Arbeitsprozesse der im Siedlungsbereichtätigen Initiativen organisiert er so, daß Lern-und Handlungsprozesse bei sozialen Gruppen

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

10

Hausmusikabend im Nachbarschaftsheim Schöneberg

Page 13: Vska handbuch

1980

(z.B. den im Neubaugebiet lebenden Eltern) inGang gesetzt werden, die den Betroffenen hel-fen, ihre Probleme in gesellschaftlichen Zusam-menhängen zu erkennen, zu artikulieren undsie motiviert, an der Verbesserung ihrer Lebens-situation in der Siedlung mitzuwirken.“ (13)

Die entstehende Fachdiskussion fand auch imVerband einen viel beachteten Ort: es entstanddie Sektion „Gemeinwesenarbeit“, die ab 1970einen eigenen Publikationsteil im RUNDBRIEF,dem Organ des Verbandes, erhielt (bis 1988).

Der gesellschaftskritische Auf- und Umbruch je-ner Zeit zeigte auch Auswirkungen auf die ver-schiedensten Bereiche des Alltags sozial-kultu-reller Arbeit in den Einrichtungen: spürbar wur-de die Suche nach neuen Inhalten und Metho-den vor allem in der Jugendarbeit, die eindeutlich politisierteres Selbstverständnis wider-spiegelte, und in einer veränderten Kinderar-beit, bei der auch die Eltern deutlicher in denBlick kamen. Die Kinderläden boomten, alle redeten von „antiautoritärer Erziehung“. Die„alten“ Nachbarschaftsheime wie auch dieneueren Einrichtungen experimentierten mitden Ansätzen der Gemeinwesenarbeit, es wurde diskutiert und reflektiert.

5. Die späten Siebziger und frühen AchtzigerStichworte zur Zeitgeschichte:• soziale Bewegungen: Frieden, Frauen,

Ökologie, Dritte Welt• Bürgerinitiativen• Jugendarbeitslosigkeit

Zur Verbandsgeschichte:Mitte der Siebziger ist die gesamtgesellschaftli-che Stimmung geprägt von der Schwierigkeit,nach der radikalen Kritik am Bestehenden inder Praxis sich bewährende Alternativen zu ent-wickeln: oft geht die Luft raus, Ernüchterungenmachen sich breit, die Diskussionen um „Basis-demokratie“ haben zu unklaren Rollen- undKompetenzverteilungen geführt.

Konflikte entstehen auch zunehmend bzw. im-mer wieder beim Thema Ehrenamtlichkeit - be-zahlte Arbeit - Professionalisierung. Problemeentstehen, wenn in Mitgliederversammlungendie Mitglieder z.B. von Bürgerinitiativen durchStimmenmehrheiten gegen die MitarbeiterIn-nen arbeiten etc.Vielleicht waren da die entstehenden Bewegun-gen klarere Orientierungen und Zusammen-schlüsse nach den Zeiten der Ernüchterungen?Profilierungen finden statt, zahlreiche Bereichebekommen eindeutige inhaltliche, politischeund professionelle Konturen. Dazu zählen z.B.

Frauenbewegung, AusländerInnenarbeit, Bera-tungsarbeit, Ökologiebewegung, Bürgerinitiati-ven etc.

Ein Beispiel für sich verändernde Profilierung istdie Altenarbeit. Veränderungen von Altsein inder Gesellschaft führen zu Initiativen wie „of-fensives Altern“, Oma-Dienste (organisierteKinderbetreuungsdienste) und auch zu deutlichgenerationsübergreifenden Ansätzen.

„Es zeigte sich also, daß die bestehenden Alten-gruppen im Nachbarschaftsheim Schönebergnicht ausreichend für eine sinnvolle Hilfe zurGestaltung des Alters und auch nicht offen genug für neue Gruppenmitglieder sind. Demgegenüber stand unsere Überlegung, daß denalten Menschen in unserer Gesellschaft dieMöglichkeit gegeben werden muß, ‘nützlich’ zusein. Das glauben wir durch die Integration vonalten Menschen in den Lebensbereich anderer(vor allem auch jüngerer) Gruppen der Gesell-schaft (die zum Teil auch selbst von einer gewis-sen Isolation betroffen sind) z.B. in einem Treff-punkt-Café erreichen zu können.In dieser Situation entstand die Idee, den Gel-ben Laden als zusätzliche Einrichtung der Alten-arbeit mit neuer Zielsetzung zu nutzen.“ (14)

Selbsthilfegruppen werden immer zahlreicherund nehmen einen großen Raum auch in densozial-kulturellen Einrichtungen ein. Selbsthilfeumfaßt dabei die Arbeit nach außen (z.B. Lob-byarbeit) und nach innen (sich selbst helfen).Konflikte um Professionalität und Ehrenamt-lichkeit finden auch hier statt!

In der Jugendarbeit wird die zunehmende Ju-gendarbeitslosigkeit ein unübersehbares Pro-blem: als Antwortversuche werden Beschäfti-gungsinitiativen entwickelt und angeboten undprägen auch den Alltag in den Einrichtungendes Verbandes.Gleichzeitig wird nach neuen Wegen in der Ju-gendarbeit gesucht und die offene Jugendar-beit weiterentwickelt. Außerdem findet einezunehmend bewußte Arbeit mit Jugendlichenunterschiedlicher Nationen statt.

Neben diesen prägenden Entwicklungen in dersozialen Arbeit verschärft sich die Diskussionum den Begriff „Kultur“ und deren Bedeutungfür die Arbeit in den Einrichtungen. Wer machtKultur, was ist Kultur - Kultur von oben odervon unten? Auf der Suche nach Antworten wer-den interessante Projekte von Stadtteilgeschich-te etc. entwickelt. Die Fragen sind drängend.

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

11

Page 14: Vska handbuch

1990

„Kultur- und Sozialarbeit als zwei Seiten einerMedaille. Gerade die Bürger- und Gemein-schaftshäuser haben die Chance, beide Seitenzum Vorschein bringen zu lassen; auch und ge-rade im Verhältnis der Zielgruppen zueinander.Unsere ‘randständigen’ Kinder kämen gar nichtzum Zuge. Wir könnten gar nicht mit ihnenarbeiten, wenn es nicht auch im Hause die Ver-eine und kulturellen Aktivitäten gäbe“, be-schreibt ein Mitarbeiter. „Aber besteht nichtauch die Gefahr der Veränderung, Verschie-bung der Zielgruppenarbeit? Plötzlich arbeitenwir mehr mit denen, die schreiben können, diesich in Stadtteilgeschichte vertiefen, als mit denDisco-Typen, den stets so schwer zu Motivieren-den.Heißt dann Kulturarbeit nicht Ausweichen vorden Problemen, die auch die Sozialarbeit nichtbewältigen konnte? Im Haus entstehen Konflik-te zwischen den alten, ‘traditionellen’ Zielgrup-pen (Kinder, Jugendliche) und den neuen (z.B.Kulturverein). Das verunsichert die professionel-len Mitarbeiter.Das Problem des Verhältnisses Kulturarbeit zubestimmten Zielgruppen ist noch zu wenig re-flektiert. Oder: ist Kulturarbeit Integrationsar-beit gegenüber den unterschiedlichen Gruppenim Stadtteil (Alte-Junge, Einheimische-Auslän-der)? Kann sie neue Kommunikationsmöglich-keiten eröffnen?“ (15)

6. Die Endachtziger und NeunzigerSchlagworte zur Zeitgeschichte:• Die „deutsche Einheit“• Individualisierung• Medienwelt• Ausländerfeindlichkeit• Finanzknappheit• Neue Armut• Freizeitgesellschaft

Zur Verbandsgeschichte:Zahlreiche Aktivitäten und Veränderungen prä-gen die Entwicklung des Verbandes: 1988 fin-det in Berlin die große internationale Tagung„Nachbarschaftheime als Brücken zwischen Kul-turen“ statt. Im Jahre 1989 gründet sich derLandesverband NRW und die Geschäftsstellezieht von Berlin nach Köln um. Die Suche nach einer neuen Verbandsidentitätführt zur erneuten Diskussion „Was ist sozial-kulturelle Arbeit?“ „Offen für jeden - sonst nichts?“Diese Suche bekommt durch die gesamtdeut-sche Entwicklung, die mit der Wende oder Ein-heit oder wie immer dieser Prozeß zu bezeich-nen ist, noch eine viel grundsätzlichere Dimen-sion. Und was bedeutet sozial-kulturelle Arbeitin einer Gesellschaft, die von Individualisierung,

Medienkonsum und -kommunikation geprägtist, und in der die finanziellen Rahmenbedin-gungen immer enger werden? „Was sind dasfür Zeiten“ lautet dann auch der Titel der Jah-restagung des Verbandes 1992.

Die Annäherung zwischen Deutschland-Ost undDeutschland-West mit allen Schwierigkeiten,anfänglichen Distanziertheiten und Vorurteilenfindet im Verband einen konkreten Weg in derPraxis: 1994 findet ein Hospitationsprojekt Ost-West statt. MitarbeiterInnen aus westlichenund östlichen Einrichtungen besuchen sich undlernen gegenseitig die Praxis und einen Aus-schnitt des Arbeitsalltags kennen. Das Projektwird von vielen angefragt und genutzt, und eskommt zu Entdeckungen, Bereicherungen undanhaltenden Kontakten.Vorbereitet und begleitet wurde diese Arbeitdurch das Ost-West-Kontaktbüro in Berlin, das1992 im Rahmen des Bundesprogrammes „Auf-bau freier Träger“ eingerichtet wurde. ZentraleAufgabe dieses Kontaktbüros ist es, den Aufbauneuer Einrichtungen in den neuen Bundeslän-dern beratend zu unterstützen.

Das endgültige Brüchigwerden von alten Errun-genschaften wie Vollbeschäftigung, Sozialpart-nerschaft und sozialstaatlichen Leistungen wirdauch in den Einrichtungen des Verbandes im-mer spürbarer. Sozialstationen, Hauspflege,Schuldnerberatung sind längst selbstverständ-lich gewordene Initiativen der sozialen Arbeit.

Die Diskussion um Lebensweltkonzepte zeigteinen neuen Weg auf, in der Verbindung vonindividueller, subjekthafter Handlungsweiseund gesellschaftlichen Ursachen bzw. Struktu-ren nach anderen Formen der sozial-kulturellenArbeit und der Gemeinwesenarbeit zu suchen.

„Die Lebenswelt stellt den Horizont dar, inner-halb dessen die Menschen handeln; sie aberwird durch gesellschaftliche Strukturen und de-ren Wandel begrenzt und beeinflußt...

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

12

ifs-Tagung in Berlin 1988

Page 15: Vska handbuch

Dies kann für ein GWA-Konzept in mehrfacherWeise fruchtbar werden:Erstens gewinnen wir eine Analyseebene fürGemeinwesenarbeiter. Stadtteilanalysen sinddann nicht mehr die Datenfriedhöfe statisti-schen Materials, sondern es kommt darauf an,die Lebenswelt daraufhin zu untersuchen, wel-che Möglichkeiten sie für die Menschen bereit-hält - diese sind zu unterstützen, zu erweiternund gegebenenfalls neu zu schaffen -, und wel-che Behinderungen sie beinhaltet - diese sindzu beseitigen oder wenigstens zurückzudrän-gen. Je mehr Möglichkeiten politischen, kultu-rellen und sozialen Handelns die Lebensweltbietet, um so mehr Handlungsalternativen imSinne einer produktiven Auseinandersetzungstellt sie für die Menschen zur Verfügung.“ (16)

Die Frage nach Möglichkeiten der Bürgerbetei-ligung und nach der Zukunft des Gemeinwe-sens prägt die aktuelle Arbeit des Verbandes. Sowurde im November 1995 in Berlin eine viel be-achtete Fachtagung unter dem Titel „ZentraleVerwaltung oder bürgernahe Gestaltung? So-ziale und kulturelle Angebote im Wohngebietverantworten“ durchgeführt.

Die immerwiederkehrende Auseinandersetzungum das Besondere der sozial-kulturellen Arbeit,gerade auch in konkreten Anfragen aus demHospitationsprojekt, haben zu der Idee einerQualifizierungsmaßnahme für MitarbeiterInnenaus sozial-kulturellen Einrichtungen geführt.Das Konzept dieser vom Verband vorbereitetenWeiterbildung greift die Grundüberzeugungauf, daß der Ansatz sozial-kultureller Arbeitmehr ist als die Aneinanderreihung von einzel-nen sozialen oder kulturellen Aktivitäten. Er er-möglicht sowohl neu einsteigenden wie auchlangjährigen, haupt- wie ehrenamtlichen Mitar-beiterInnen eine fundierte Auseinandersetzungmit und Weiterentwicklung von theoretischenGrundlagen und praktischen Arbeitsformen sozial-kultureller Arbeit.

(1) Gisela Oestreich: Nachbarschaftsheime ge-stern, heute - und morgen? München/Basel1965, S.40

(2) Gisela Oestreich, a.a.O., S.49

(3) vgl. Gisela Oestreich, a.a.O., S. 19/20

(4) Dieter Oelschlägel, Rückblick und Erinne-rung - 40 Jahre Verband für sozial-kulturelleArbeit, in: RUNDBRIEF 2/91, S. 5

(5) vgl. Zusammenfassung von AnnelieseBaschnagel, o.J., unveröffentlicht

(6) Ingeborg Blauert, in: Gundi Nietfeld, Sozial-kulturelle Arbeit im Wandel der Zeit,Die Geschichte des Nachbarschaftsheims Schöneberg, Berlin 1995, S. 35

(7) C. Wolfgang Müller: Wie Helfen zum Berufwurde, Band 2, Eine Methodengeschichte derSozialarbeit 1945-1985, Weinheim/Basel 1988,S. 60

(8) aus: Arbeitsbericht NachbarschaftsheimWuppertal, Februar 1954, S. 3

(9) 25 Jahre Nachbarschaftsheim Urbanstraßee.V., Stichworte zur Vereinschronologie, 1980

(10) Gundi Nietfeld, a.a.O., S. 77

(11) Gesellschaftspolitische Aspekte von Bil-dung und Bildungsarbeit, 2. Mai 1969

(12) a.a.O.

(13) Konzeptionen für das Gemeinwesenzen-trum Heerstraße Nord in Berlin, in: RUNDBRIEF1/78, S. 38/39

(14) Nachbarschaftsheim Schöneberg, DerNachbar - Modell für eine integrierte Alten-und Gemeinwesenarbeit, in: RUNDBRIEF 3/78,S. 19

(15) Dieter Oelschlägel, Kulturarbeit und Sozi-alarbeit im Stadtteil - Fragen, Widersprüche,Probleme, in: RUNDBRIEF 3/80, S. 47/48

(16) Dieter Oelschlägel, Die Probleme verste-hen lernen - das Lebensweltkonzept, in: Die-ter Oelschlägel: Nachbarschaftsheime und so-zialkulturelle Arbeit, Texte 1981-1991, Duis-burg 1991, S. 79/80

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

13

Page 16: Vska handbuch

Sozial-kulturelle Arbeit in der DDR undin den neuen BundesländernGudrun Israel

Die Vorgeschichte in der DDR

Dieser Beitrag ist ein Versuch, aus heutiger undeher subjektiver Sicht herauszufinden, ob es inder DDR sozial-kulturelle Arbeit gegeben hatund wie und wo sie stattgefunden hat. Gegen-stand der Betrachtungen soll nicht das gesamtesoziale und kulturelle System der DDR sein, son-dern die Ausschnitte, in denen sozial-kulturelleArbeit angesiedelt gewesen ist.

Vorangestellt sei, daß es Nachbarschaftsheimeim Deutschland vor den Zweiten Weltkriegnicht nur im westlichen, sondern auch im östli-chen Teil des Landes gab, so in Dresden, Leipzig,Görlitz, Wernigerode. Dazu gehörte auch dieSoziale Arbeitsgemeinschaft Berlin-Ost (SAG).Alle wurden während der Nazizeit geschlossen.Nach Kriegsende wurde die SAG 1949 neu ge-gründet, erlangte jedoch nicht wieder ihrefrühere Bedeutung. Sie führte in der DDR ihreTätigkeit außerhalb von Berlin mit der Betreu-ung von verhaltensauffälligen Jugendlichenweiter.Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges undder Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungs-zonen wurden die Nachbarschaftsheime (meistmit ausländischer Unterstützung) nur in denwestlichen Zonen einschließlich Westberlin neu-gegründet. Die soziale und kulturelle Nachkriegsentwick-lung in der sowjetischen Besatzungszone hattenur anfangs ähnliche Ansätze wie in den westli-chen. In erster Linie ging es um die Linderungder Nachkriegsnot.

In diesem Rahmen wurde z.B. in Sachsen dieAktion „Volkssolidarität gegen Wintersnot“,die Aktion „Heim und Arbeit“ in Mecklenburgoder „Thüringen-Aktion gegen Not“ ins Lebengerufen. Auch die antifaschistischen Frauenaus-schüsse leisteten einen wichtigen Beitrag. Eswurden Frauen- und Kinderheime, Nähstubenund Wärmehallen eingerichtet, Hilfe für Ob-dachlose und Umsiedler wurde organisiert, denKindern galt besondere Fürsorge.

Kulturarbeit

Später ging es darum, bei den Menschen wie-der Interesse an Kunst und Kultur zu wecken

und ihnen den Zugang dazu zu ermöglichen.Dazu wurde Mitte bis Ende der 40er Jahre eineVielzahl von Organisationen mit den unter-schiedlichsten Zielgruppen gegründet, wie dieFreie Deutsche Jugend, die PionierorganisationErnst Thälmann, der Demokratische Frauen-bund Deutschlands, die Volkssolidarität, die Na-tionale Front, um nur einige zu nennen. DieseOrganisationen hatten sowohl politische (Erzie-hung der Menschen zu bewußten Sozialisten)als auch kulturelle (Organisierung eines vielsei-

tigen kulturellen Lebens) Hintergründe. Siespielten eine wichtige Rolle in der Kultur- undFreizeitarbeit mit Kindern, Jugendlichen und Er-wachsenen.

Dabei wurde der Begriff „sozial-kulturelle Ar-beit“ in der DDR nicht verwendet. Das heißtaber nicht, daß es keine sozial-kulturelle Arbeitgab. Im Gegenteil, sie war wahrscheinlich wei-ter verbreitet als man annehmen könnte. Siewurde größtenteils unter der Bezeichnung„Kulturarbeit“ zusammengefaßt. Es gab Kultur-arbeiterinnen und Klubleiterinnen, die in die-sem Bereich tätig waren, deren Berufsbild jedoch nicht dem der Sozialarbeiterinnen undSozialpädagoginnen, die in der BRD auf diesemGebiet arbeiteten und arbeiten, entsprach. Amehesten mit Sozialarbeiterinnen vergleichbarwaren die Fürsorgerinnen, die aber hauptsäch-lich im Gesundheitswesen und in der Jugendhil-fe eingesetzt waren und sozialarbeiterischeAufgaben wahrnahmen. Dafür gab es sowohleine staatliche als auch eine kirchliche Ausbil-dung. Im Kultur- und Freizeitbereich warenaber auch Lehrerinnen, Erzieherinnen, Künstle-rinnen, Musikerinnen, Pionierleiterinnen undandere Berufsgruppen tätig.

Diese Arbeit fand auf verschiedenen Ebenenstatt. Es gab z.B. die Kulturhäuser, die meist beigrößeren Betrieben aber auch bei den Kommu-nen angesiedelt waren. In den Wohngebietengab es die Klubs der Volkssolidarität, die Wohn-gebietsklubs der Nationalen Front, die Einrich-tungen des Demokratischen Frauenbundes und

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

14

DFD-Frauengruppe

Page 17: Vska handbuch

des Kulturbundes, die kommunalen und dieFDJ-Jugendklubs, Sportvereine, in größerenWohngebäuden die Klubräume der Hausge-meinschaften, um nur eine kleine Auswahl zutreffen. In den Schulen fanden Freizeitveran-staltungen der Pionierorganisation und der FDJstatt. Die Pionierhäuser boten ebenfalls vielfäl-tige Freizeitaktivitäten. Durch die Trennung vonStaat und Kirche in der DDR fand die Arbeit inden Gemeindezentren der Kirchen wenig Be-achtung.

Die Träger dieser Angebote hießen gesellschaft-liche Organisationen. Sie wurden staatlich fi-nanziert und die Arbeitsinhalte wurden größ-tenteils staatlich vorgegeben und gesteuert.Vereine im heutigen Sinne gab es nicht. Mankonnte jedoch in diesen Organisationen Mit-glied werden und zahlte auch einen (geringen)Mitgliedsbeitrag.

Die Arbeit in diesen Einrichtungen fand aller-dings nicht auf der konzeptionellen Grundlagesozial-kultureller Arbeit statt, sondern hatteüberwiegend kulturpolitisch-ideologische Hin-tergründe. Im Vordergrund stand die Entfal-tung einer allseitig entwickelten sozialistischenPersönlichkeit und deren Beitrag zur Stärkungund Weiterentwicklung des Sozialismus. Diesbezog sich sowohl auf den kulturellen als auchauf den Bildungsbereich.

Ein Hintergrund aller dieser Angebote war z.B.auch die Tatsache, daß in der DDR die geringereArbeitsproduktivität durch ein Mehr an Arbeits-kräften kompensiert wurde, welche auch ent-sprechende Regenerationsmöglichkeiten zurVerfügung gestellt bekamen. In diesen Einrich-tungen war all das selbstverständlich, was wirheute mühsam versuchen wiederherzustellen:Die unterschiedlichsten Menschen trafen sich,um gemeinsamen Freizeitinteressen nachzuge-hen, sich kulturell oder künstlerisch zu betäti-gen oder auch um gemeinsam zu feiern. DasSpektrum der Angebote war ebenso breit wieheute und reichte von Volkstanzgruppen,Handarbeitszirkeln, Gesprächsrunden, überBriefmarkentausch, Laientheater oder Diavor-träge bis hin zu Zeichenzirkeln, Schachzirkeln,Naturschutz, den verschiedensten sportlichenAktivitäten usw.

Auch das künstlerische Volksschaffen solltenicht unerwähnt bleiben. Hier hatten Kinderund Jugendliche, Frauen und Männer die Mög-lichkeit, ihre künstlerischen Fähigkeiten z.B. inTanzgruppen, in den Zirkeln schreibender Ar-beiterinnen, in Laienorchestern, in Mal-, Zei-

chen- oder Bildhauerzirkeln unter fachkundigerAnleitung zu entwickeln und zu vervollkomm-nen. Die Ergebnisse ihrer Tätigkeit wurden öf-fentlich in Veranstaltungen, Ausstellungen oderLesungen präsentiert. Höhepunkte dabei warendie regelmäßig stattfindenden Arbeiterfestspie-le, bei denen die besten Beiträge vorgestellt

wurden, die zuvor bei Wettbewerben auf Kreis-und Bezirksebene ausgewählt wurden.

Was es bei all diesen Angeboten und Möglich-keiten kaum gab, waren z.B. Mutter-Kind- oderKrabbel-Gruppen. Da die Frauen als Arbeits-kräfte gebraucht wurden, wurde die überwie-gende Mehrheit der Kinder in Krippen, Kinder-gärten und Schulhorten betreut. Es gab nursehr wenig Mütter (oder Väter), die für die Be-treuung ihrer Kinder ihre Arbeit aufgaben. Dashatte zum Teil auch finanziellen Ursachen, denndie Löhne und Gehälter waren nicht so hoch,daß trotz niedriger Mieten und Preise ein Ein-kommen für den Unterhalt einer Familie ausge-reicht hätte. Im Zuge der sozialpolitischen Maß-nahmen zur Förderung von Familien mit Kin-dern wurde aber den Müttern (oder Vätern)nach der Geburt eines Kindes im Laufe der Zeitimmer mehr Zeit eingeräumt, um ihre Kinderselbst zu Hause zu betreuen. Waren es anfangsnur sechs Wochen, so verlängerte sich dieserZeitraum später auf ein bis eineinhalb Jahre.

Aus dem Zusammensein der Menschenwährend der vielfältigen Freizeitangebote ent-standen auch private freundschaftliche Kontak-te und natürlich auch ‘nützliche’ Kontakte (Be-ziehungen) zu anderen Menschen, die dazubeitrugen, die Mängel z.B. in den Bereichen derVersorgung mit Konsumgütern oder handwerk-lichen Dienstleistungen auszugleichen.

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

15

19. Arbeiterfestspiele Dresden 1976

Page 18: Vska handbuch

Sozialarbeit

Betrachtet man die soziale Seite der sozial-kul-turellen Arbeit in der DDR, so fehlt der sozialar-beiterische Anteil fast ganz. Einen wichtigenBeitrag zur Lösung von sozialen Problemen, fürdie jetzt die Sozialarbeiterinnen zuständig sind,leisteten die Betriebe und Arbeitskollektive.Hier wurden z.B. Alkoholiker oder Haftentlasse-ne integriert und betreut, und das nicht nurwährend der Arbeitszeit, sondern auch in derFreizeit. Die Arbeitskollektive hatten eine großesoziale und kulturelle Bedeutung für den Ein-zelnen. Man arbeitete zusammen und traf sichauch häufig außerhalb der täglichen Arbeit, um

gemeinsam mit Ehepartnern und Kindern Kon-zerte und Theateraufführungen zu besuchen,Sport zu treiben oder Ausflüge zu machen. Die-se Bedeutung ist nach der Wende weitgehendverlorengegangen.

Die Betriebe waren unter anderem auch für dieBetreuung ihrer Seniorinnen sowohl im Freizeit-als auch im sozialen Bereich verantwortlich.Auch die Bewilligung von Kuren und Urlaubs-plätzen und die Zuweisung von Wohnungen er-folgte teilweise über die Sozialabteilungen derBetriebe.

Eine Reihe von Problemen, mit denen wir heutekonfrontiert werden, wie Arbeitslosigkeit, Ob-dachlosigkeit, unverständliche Formulare usw.,waren im gegenwärtigen Ausmaß nicht vorhan-den. Es gab nicht nur das Recht auf Arbeit, son-dern auch die Pflicht zur Arbeit, so daß vonstaatlicher Seite Vollbeschäftigung garantiertwurde. Daß es versteckte Arbeitslosigkeit we-gen Materialmangels oder technischer Schwie-rigkeiten gab, ist unbestritten. Sie führte jedochnicht zum Verlust der materiellen Grundsiche-rung. Mietschulden wurden als Kavaliersdeliktbehandelt und führten nicht zum Verlust derWohnung. Viele Dinge, um die man sich heuteselbst kümmern muß, z.B. Beantragung vonKindergeld, Rente usw., wurden staatlicherseitsautomatisch bearbeitet und gewährt.

Ehrenamt

Die ehrenamtliche Tätigkeit hieß in der DDR ge-sellschaftliche Arbeit und war sehr stark ausge-prägt. Es war praktisch selbstverständlich, teil-weise wurde es auch gefordert, daß sich sowohlErwachsene als auch Kinder und Jugendliche inihrer Freizeit unentgeltlich auf irgendeine Wei-se zum Nutzen der Gesellschaft und der Men-schen betätigten. Dabei gab es die vielfältigstenFormen. Kinder und Jugendliche leisteten z.B.Timurhilfe, entlehnt aus dem Buch „Timur undsein Trupp“ von Arkadi Gaidar. Sie kümmertensich meist um ältere Menschen, kauften für sieein, holten Kohlen aus dem Keller oder erledig-ten für sie beschwerliche Wege. Gesellschaftli-che Arbeit war für sie aber auch, sich aktiv anArbeitsgemeinschaften oder Zirkeln zu beteili-gen, die in den Schulen oder anderen Einrich-tungen wie Pionierhäusern, Stationen JungerTechniker oder Junger Naturforscher, beim DRK,der Feuerwehr usw. stattfanden.

Für Erwachsene gab es ebenfalls eine Vielzahlvon Möglichkeiten. Viele empfanden es z.B.eher als Selbstverständlichkeit denn als ehren-amtliche Tätigkeit, sich über die Volkssolidaritätoder innerhalb der Hausgemeinschaft um ältereMenschen zu kümmern. Dabei wurden zum TeilLeistungen wie Hauswirtschafts- oder Kranken-pflege erbracht, die heute von den Sozialstatio-nen gegen Bezahlung durchgeführt werden.Medizinische Behandlungen erledigten die Ge-meindeschwestern.

Gerade im Rahmen der Volkssolidarität wurdenunzählige Stunden ehrenamtlicher Arbeit gelei-stet. Viele Angebote in den Seniorenklubs fan-den in ehrenamtlicher Regie statt. An ihre Woh-nung gefesselte Frauen und Männer wurden zuSpaziergängen oder zum Besuch des Seni-orenklubs abgeholt. Sie wurden ehrenamtlichmit allem Notwendigen versorgt. Als alter odergebrechlicher Mensch konnte man sicher sein,daß es schnell jemandem auffiel, wenn etwasnicht in Ordnung war. Steckte die Zeitung zweiTage im Briefkasten oder waren die Jalousienmittags immer noch unten, schaute jemand vonder Ortsgruppe vorbei, um nach dem Rechtenzu sehen.

Viele dieser Selbstverständlichkeiten der nach-barschaftlichen, familiären oder ehrenamtli-chen Hilfe und Unterstützung wurden nach derWende von Arbeitsförderprojekten übernom-men. Mit dem Wunsch, den Menschen etwasGutes zu tun, wurden aber auch, und sicher un-beabsichtigt, noch funktionierende nachbar-schaftliche oder familiäre Hilfssysteme zerstört.

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

16

Page 19: Vska handbuch

Ein weiterer Rahmen für ehrenamtliche Tätig-keit zum Wohle aller war das Nationale Auf-bauwerk, das später durch die Subbotniks (ausdem Russischen entlehnte Bezeichnung für frei-

willige Arbeitseinsätze an Sonnabenden) ab-gelöst wurde. Dabei handelte es sich um orga-nisierte Aktionen, zu denen breit aufgerufenwurde und bei denen unentgeltliche Arbeitslei-stungen mit konkreten Zielstellungen erbrachtwurden. Das Spektrum reichte vom Anlegenvon Grünflächen und Parks, dem Einrichten vonKinderspielplätzen oder Freizeitstätten z.B. fürSeniorinnen über Renovierungs- und Instand-haltungsarbeiten in Kindergärten und Schulenbis zum Bau von Sportplätzen oder Gehegen imTierpark. Noch heute erinnern Tafeln an dieEntstehungsgeschichte verschiedener Projekte.Gleichzeitig wurden damit die Ergebnisse eh-renamtlicher Tätigkeit öffentlich gemacht.

Ein großes Maß an ehrenamtlichem Engage-ment wurde im Freizeitbereich deutlich. Dieverschiedensten Zirkel und Arbeitsgemeinschaf-ten wurden ehrenamtlich, auf Honorarbasis,oder von hauptamtlichen Mitarbeiterinnen ge-leitet. Die Menschen, die das in ihrer Freizeit ta-ten, wollten z.B. ihr Wissen und Können an an-dere weitergeben oder gemeinsam mit anderenihre Hobbies pflegen oder sie übernahmen dieLeitung von Sportgruppen.

Ein Teil der Angebote hatte neben der sinnvol-len Freizeitgestaltung, wie die Kultur- und Frei-zeitarbeit in der DDR genannt wurde, noch eineandere Bedeutung. Aufgrund der Situation imVersorgungs- und Dienstleistungsbereich mach-te es sich regelrecht erforderlich, verschiedeneDinge selbst herstellen oder tun zu können. Sogab es Schneider- und Nähzirkel, in denen mo-dische Kleidung für den eigenen Bedarf herge-stellt wurde, oder Handarbeitszirkel, in denenviele Kleinigkeiten gefertigt wurden, die es nurschwer zu kaufen gab. Und es gab Zirkel, in de-nen man Grundkenntnisse des Malerns und Ta-

pezierens, des Klempnerns und anderer hand-werklicher Arbeiten unter fachkundiger Anlei-tung erlernen konnte.

War das sozial-kulturelle Arbeit?

Zum Abschluß dieser sicher nicht vollständigenBetrachtung stellt sich nun die Frage: War dassozial-kulturelle Arbeit oder nicht? Diese Fragekann nicht mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“beantwortet werden. Viele der Merkmale, dieheute für sozial-kulturelle Arbeit gelten, warenvorhanden, wenn auch mit anderen konzeptio-nellen Hintergründen.

Natürlich ist der Ansatz, den Menschen einesinnvolle Freizeitgestaltung zu ermöglichen,nicht von vornherein gleichzusetzen mit demAnsatz der sozial-kulturellen Arbeit. Allerdingswar die damalige inhaltliche Gestaltung im Be-reich der Freizeit- und Kulturarbeit der heuti-gen sehr ähnlich. Menschen der verschiedenenGenerationen trafen sich sowohl innerhalb ih-rer Altersgruppe als auch generationsübergrei-fend, um gemeinsamen Interessen nachzuge-hen. Dieser Ansatz war meist nicht konzeptio-nell verankert, sondern hat sich in der Praxis soergeben. Teilweise wurden generationsüber-greifende Begegnungen aber auch gezielt ge-fördert, wenn auch mit einem anderen Hinter-grund als heute. So gab es regelmäßige Kontak-te zwischen Kindergartengruppen und Seni-oreneinrichtungen durch gegenseitige Besuche,gemeinsame Geburtstags- oder andere Feiernmit Aufführungen von kleinen Kulturprogram-men usw., um die Achtung vor alten Menschenzu vermitteln.

Viele Schulklassen hatten eine Patenbrigade ineinem der örtlichen Betriebe. Kontakte gab esin Form von Betriebsbesichtigungen, Teilnahmevon Vertreterinnen der Patenbrigaden an Ver-anstaltungen der Klassen, gemeinsamen Frei-zeitaktivitäten und Feiern. Hintergrund warhier auch, daß die Kinder und Jugendlichen sichein Bild von ihrem späteren Arbeitsleben ma-chen sollten. Natürlich spielte dabei eine Rolle,daß die DDR sich als Arbeiter- und Bauernstaatdefinierte und Arbeiter und Bauern eine beson-dere Wertschätzung erfuhren. Die Vermittlungdessen war ein Bestandteil der Erziehung derKinder und Jugendlichen. Dazu gehörte auch,daß die Lehrpläne der höheren Klassen in denSchulen das Fach ‘Praktische Arbeit’ enthielten,d.h. die Schüler arbeiteten für einige Stundepro Woche in einem Betrieb.

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

17

Page 20: Vska handbuch

Auch multikulturelle Begegnungen fandenstatt. Es gab eine Vielzahl von sogenanntenVertragsarbeiterinnen aus Polen, Ungarn, Ju-goslawien, Vietnam, Algerien, Angola, Mocam-bique, Kuba usw., die in der DDR eine Ausbil-dung erhielten oder arbeiteten. Studentinnenkamen aus vielen Ländern der Welt. Unterge-bracht waren diese Menschen meist relativ iso-liert in Wohnheimen. Die Arbeitskollektive hat-ten jedoch die Aufgabe, sie zu integrieren undsich auch im Freizeitbereich um sie zu küm-mern. Es wurden Veranstaltungen zum gegen-seitigen Kennenlernen organisiert und es ent-standen viele freundschaftliche Kontakte. Dader Aufenthalt aber zeitlich begrenzt war unddie meisten danach wieder in ihre Heimatlän-der zurückkehrten, hatte die multikulturelle Ar-beit nicht die heutige Bedeutung.

Zur Frage von Hilfe zur Selbsthilfe könnte mansagen, daß es das, was man als Selbsthilfegrup-pen bezeichnen könnte, nur im gesundheitli-chen Bereich gab. Diese Gruppen waren andersorganisiert als heute. Sie wurden fast aus-schließlich von Fachpersonal (Ärzte, Kranken-schwestern) geleitet, die Übernahme von priva-ter Verantwortung war nicht erforderlich undwohl auch nicht erwünscht. Soziale Selbsthilfespielte höchstens im Verborgenen eine Rolle,denn Staat und Partei glaubten zu wissen, wasgut für die Bürgerinnen sei und trafen entspre-chende Maßnahmen. Man könnte aber auch sa-gen, daß private Selbsthilfe ein Teil des tägli-chen Lebens in der DDR war. Zwar war die Ver-sorgung mit Lebensmitteln und Waren des täg-lichen Bedarfs gesichtert, was jedoch darüberhinaus ging, verlangte von den Menschenmanchmal schon ein hohes Maß an Erfindungs-reichtum, Eigeninitiative und ‘Beziehungsar-beit’.

Betrachtet man all das unabhängig von der ge-sellschaftlichen und politischen Situation mit allden politischen, ideologischen und ökonomi-schen Zwängen und Einschränkungen, kannman sagen, daß sozial-kulturelle Arbeit, mit gewissen Abstrichen, in der DDR existiert hat.Dabei lag die Betonung jedoch mehr auf denkulturellen als auf den sozialarbeiterischenAspekten.

Sozial-kulturelle Arbeit in den neuen Bundesländern

Mit der gesellschaftlichen Wende in der DDRund der Vereinigung der beiden deutschenStaaten brach ein Großteil der sozialen und kul-turellen Angebote, die von den Betrieben und

den gesellschaftlichen Organisationen geleistetwurden, zusammen. Manche dieser Einrichtun-gen wurden von den Kommunen übernommen,andere wurden geschlossen.

Es gab die ersten Arbeitslosen und viele Men-schen, die über 50 Jahre alt waren, wurden inden Vorruhestand geschickt. Es entwickeltensich erste Initiativen mit den verschiedenstenZielrichtungen und für die unterschiedlichstenZielgruppen. Die Arbeitsämter stellten ABM-Stellen zur Verfügung. Eine Voraussetzung fürderen Beantragung war die Existenz einer juri-stischen Person z.B. eines eingetragenen Ver-eins. So wurde in den ersten Jahren nach derWende eine Vielzahl unterschiedlichster Ver-eine gegründet. Allerdings gab es darunter nursehr wenige, die im sozial-kulturellen Bereichangesiedelt waren.

Eine Ausnahme dabei waren die östlichen Berli-ner Bezirke und in geringerem Umfang die anBerlin grenzenden Regionen Brandenburgs.Auf der Suche nach geeigneten Tätigkeitsfel-dern besuchte eine Reihe von Interessierten dieWestberliner Nachbarschaftshäuser und anderesozial-kulturelle Einrichtungen. Beim Aufbau ei-gener Einrichtungen erhielten sie Unterstüt-zung von den Häusern und durch den Projekt-berater des Verbandes für sozial-kulturelle Ar-beit, Landesgruppe Berlin e.V., der für die neu-en Einrichtungen im Ostteil der Stadteingestellt wurde. Vorgesehen war von Seitendes Senats, in jedem der Ostberliner Bezirke einNachbarschaftszentrum zu finanzieren. Aller-dings wurde dieses Vorhaben aus finanziellenGründen nur in sechs der elf Bezirke umgesetzt.

Seit Mitte 1992 gibt es auch beim Bundesver-band für sozial-kulturelle Arbeit eine Personal-stelle zur Unterstützung des Aufbaus sozial-kul-tureller Einrichtungen in den neuen Bundeslän-dern durch Beratung vor Ort, Fortbildungsver-anstaltungen und Hospitationsangebote.

Im Herbst 1992 fand ein erstes Treffen sozial-kultureller Einrichtungen aus dem Land Bran-denburg statt, aus dem sich ein Arbeitskreisentwickelte, der sich, vom Verband koordiniert,regelmäßig traf und zu verschiedenen Themenaustauschte. Der aufgrund der ABM-Problema-tik ständige Wechsel der Teilnehmerinnen er-schwerte eine kontinuierliche Arbeit, und dieTatsache, daß niemand aus diesem Kreis dieVerantwortung für die selbständige Weiter-führung des Arbeitskreises übernehmen wollte,führte Ende 1996 zu dessen Auflösung.

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

18

Page 21: Vska handbuch

Konzeptionelle Entwicklung

Obwohl auch in den neuen Bundesländern dasInteresse an sozial-kultureller Arbeit groß war,gab es jedoch kaum Vereinsgründungen mit ge-nerations- und zielgruppenübergreifender Ziel-stellung. Möglicherweise erschien es zum dama-ligen Zeitpunkt leichter und überschaubarer,sich auf eine bestimmte Zielgruppe zu konzen-trieren. Im Laufe der Zeit änderte sich dieseSichtweise.

Viele der Vereine, die wie Pilze aus dem Bodengeschossen waren, wurden von Menschen, dieaus den unterschiedlichsten Gründen ihre Ar-beit verloren hatten, mit dem Ziel gegründet,einen Arbeitsplatz für sich selbst zu schaffen.Die Arbeitsinhalte orientierten sich überwie-gend an den Interessen und Fähigkeiten der po-tentiellen Mitarbeiterinnen und kaum am Be-darf der Bewohnerinnen des Stadtteils/Ortes.Nur in sehr wenigen Fällen wurden Vereine aufeiner starken ehrenamtlichen Basis gegründet,wie der Bürgerladen e.V. in Halle-Neustadt oderdas Frei-Zeit-Haus e.V. in Berlin-Weißensee, oh-ne daß die Schaffung von Arbeitsplätzen imVordergrund stand.

Anfangs entstanden viele Beratungsstellen undBetreuungsangebote z.B. für Arbeitslose, Vorru-heständlerinnen oder Seniorinnen mit dem Ziel,ihnen das Leben unter den neuen gesellschaftli-chen Bedingungen zu erleichtern. Denn es gab

viele neue Formulare, Gesetze, Anträge usw.,von denen sich nicht nur die älteren Menschenüberfordert fühlten. Es wurden größtenteilsHilfs- und Beratungsangebote unterbreitet,aber praktisch keine Hilfe zur Selbsthilfe gelei-stet. Dies hatte zur Folge, daß Menschen, diesich einmal mit einer Frage oder einem Probleman eine Einrichtung gewandt hatten, immerwieder kommen mußten, denn sie wurdennicht befähigt, den Umgang z.B. mit Formula-ren oder Bescheiden zu erlernen, sondern es

wurden ihnen alle Schwierigkeiten abgenom-men. Dies führte zur Abhängigkeit dieser Men-schen von den Einrichtungen.

Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten hätte für die Ein-richtungen in der damaligen Situation bedeu-tet, über kurz oder lang, wenn die Menschensich in den neuen gesellschaftlichen Bedingun-gen eingerichtet hätten, möglicherweise über-flüssig zu werden. Dies hätte auch zum Verlustder gerade geschaffenen Arbeitsplätze geführt.Da aber die Bedeutung und Wichtigkeit derEinrichtungen aus perspektivischen und Kon-kurrenzgründen gesteigert werden mußte (essollte ja auch nach der ABM eine Finanzierunggeben), wurde eine Vielzahl von Hilfs- undDienstleistungsangeboten entwickelt und mitABM-Kräften umgesetzt. Dabei ging es auchum Hilfen und Dienste, die bis dahin ehrenamt-lich z.B. im Rahmen der Volkssolidarität oder alsNachbarschaftshilfe geleistet wurden, wie dasErledigen von Einkäufen und anderen hauswirt-schaftlichen Tätigkeiten für Menschen, die ihreWohnung nicht verlassen konnten, die Beglei-tung bei Arztbesuchen, Behördengängen, Spa-

ziergängen, Kinderbetreuung bei Behördenbe-suchen, Rollstuhlschiebedienste, Besuchsdiensteusw.

Es zeigte sich, daß sich daraufhin ehrenamtlicheHelferinnen, auch wenn sie arbeitslos oder imVorruhestand waren, zunehmend weigerten,weiterhin ihre Zeit für hilfsbedürftige Mitmen-schen zu ‘opfern’, wenn andere für die gleicheLeistung eine Bezahlung erhielten. Damit wur-de unbeabsichtigt eine Entwicklung in Gang ge-setzt, die zum Schwinden noch funktionieren-der ehrenamtlicher und nachbarschaftlicherStrukturen führte. Heute muß viel Energie dar-auf verwendet werden, diese Strukturen wie-derherzustellen.

Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, daß Bera-tungs- und Hilfsangebote allein nicht ausreich-ten, um gerade die Menschen zu erreichen, dieam meisten vom gesellschaftlichen Umbruch

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

19

Page 22: Vska handbuch

betroffen waren, z.B. diejenigen, die von heuteauf morgen ihre Arbeit und somit einen großenTeil ihres Lebensinhaltes und ihrer persönlichenKontakte verloren hatten. Es wurde begonnen,auch kulturelle Veranstaltungen, Gesprächsrun-den oder Kurse in den verschiedensten Berei-chen anzubieten, um die zunehmende Isolationdieser Menschen zu durchbrechen.

Auf diese Weise entwickelte sich die sozial-kul-turelle Arbeit eher ‘aus dem Bauch heraus’, so-zusagen aus Einsicht in die Notwendigkeit. Beiden zahlreichen Gesprächen und Projektbesu-chen, die wir in den neuen Bundesländerndurchführten, stellten wir immer wieder fest,daß in vielen Einrichtungen inzwischen sozial-kulturelle Arbeit gemacht wurde, aber nur sehrwenige wußten, daß es dafür einen Namen undtheoretische und praktische Grundlagen gibt.Hier war unser Ansatzpunkt, Informations- undFortbildungsveranstaltungen zu den Grundla-gen der sozial-kulturellen Arbeit zu organisie-ren und die Umsetzung der neuen Kenntnissein die Praxis zu unterstützen.

Anfangs arbeiteten viele Einrichtungen starkzielgruppenorientiert. Später ergab sich einewachsende Nachfrage nach neuen Konzeptenund Möglichkeiten der Öffnung auch für ande-re Zielgruppen, für die es in der Umgebungkeine Angebote gab aber Bedarf bestand. So funktionierte die Zusammenarbeit zwischenSenioren- und Kindereinrichtungen noch vonfrüher her sehr gut. Neuland war aber dieSuche nach Möglichkeiten, daß z.B. auchJugendliche eine Senioreneinrichtung nutzenkönnen, was bekanntlich nicht ganz problemlosist. Dafür gibt es gelungene Beispiele wie denClub „Brücke“ der Volkssolidarität Havellande.V. in Falkensee, wo Jugendliche und Seniorin-nen gemeinsame Räume nutzen, gemeinsameaber natürlich auch getrennte Veranstaltungendurchführen und sich gegenseitig mit Rat undTat zur Seite stehen.

Um ihre Angebote publik zu machen, lerntendie Träger sehr schnell mit dem Mittel der Öf-fentlichkeitsarbeit umzugehen. Aus handge-schriebenen Zetteln wurden bald mit Compu-tern gestaltete ansprechende Informationsblät-ter. Die Veranstaltungshinweise waren und sindin den Hausbriefkästen zu finden, in Tages- undRegionalzeitungen zu lesen und im Radio zuhören.

Allerdings sind viele Vereine enttäuscht von dergeringen Resonanz, die sie auf ihre umfangrei-chen Bemühungen erhielten und erhalten. Dasliegt nicht etwa an schlechter Öffentlichkeitsar-

beit, sondern z.B. eher daran, daß die Men-schen mit Werbung jeder Art eingedeckt wer-den und spezielle Angebote nicht wahrgenom-men werden. Wer sich in seine vier Wändezurückgezogen hat, fühlt sich vielleicht auchdurch ein Blatt Papier nicht unbedingt ange-sprochen. Das Interesse an einer Einrichtungkönnte dann schon eher durch ein persönlichesGespräch geweckt werden, d.h. die Menschenmüßten gezielt in ihren Wohnungen aufge-sucht werden oder vor dem Supermarkt, imPark oder bei anderen Gelegenheiten ange-sprochen werden. Doch damit tun sich vieleMitarbeiterinnen (nicht nur von Einrichtungenin den neuen Bundesländern) oftmals schwer.Sie warten doch lieber in der Einrichtung aufdie Besucherinnen anstatt ihnen entgegenzu-gehen und ihnen die ersten Schritte ins Haus zuerleichtern und sind dann unzufrieden darüber,daß sie die von ihnen angesprochene Zielgrup-pe nicht erreichen konnten.

Es ist beeindruckend, wie sich die einzelnenHäuser im Laufe der Zeit entwickelt haben.Wurde anfangs das angeboten, was die einzel-nen Mitarbeiterinnen konnten und für richtigund gut für die Nutzerinnen hielten, orientie-ren sich die Angebote nun zunehmend an denInteressen und Fähigkeiten der Nutzerinnenund an den Bedürfnissen der Bewohnerinnender Stadtteile/Orte. Und jede Einrichtung hatihr eigenes Profil mit entsprechenden Arbeits-schwerpunkten entwickelt. Steht z.B. im Stadt-teilzentrum Messemagistrale und im LändlichenSozio-kulturellen Zentrum in Jänschwalde dieKinder- und Jugendarbeit im Vordergrund, so

arbeitet der Bürgerladen in Halle-Neustadt vorallem mit Seniorinnen und Aussiedlerinnen. Eine Gemeinsamkeit aller Einrichtungen ist, daßviele der Angebote so gestaltet sind, daß sieauch von anderen Interessierten genutzt wer-den können und auch genutzt werden.

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

20

Page 23: Vska handbuch

Es wurde und wird eine Vielzahl von neuen Pro-jekten erarbeitet und bewährte Angebote wur-den qualitativ weiter verbessert. AktuelleTrends finden immer schneller ihren Ausdruckauch in der Angebotspalette der Einrichtungen.So hat fast überall das Internet, verbunden mitden Möglichkeiten der Multimediatechnologi-en, Einzug gehalten. Auch die Kreativangeboteverändern sich von Zeit zu Zeit, neue Aus-drucksformen für die Umsetzung der eigenenkreativen Fähigkeiten werden gefunden. Dabeireicht die Spannbreite von Keramikwerkstätten,Handarbeiten und Seidenmalerei über Encau-stic, Embossing und verschiedene Drucktechni-ken bis hin zur Wiederbelebung von altenHandwerken wie Papierschöpfen, Spinn- undWebtechniken oder Korbflechten.

In vielen Einrichtungen sind die verschiedenstengesundheitlichen und sozialen Selbsthilfegrup-pen angesiedelt, die teils eigenverantwortlich,teils mit fachlicher Anleitung arbeiten. Die Räu-me werden auch anderen Vereinen oder Inter-essengruppen zur Verfügung gestellt.

Im sozialen und Jugendhilfebereich gibt es zu-nehmend Projekte, die sich gezielt am Bedarfim Stadtteil/Ort orientieren und die auch finan-ziell gefördert werden und damit zur Absiche-rung der Einrichtung beitragen. Dazu gehörenbetreute Wohnformen für Jugendliche oderminderjährige Mütter, ambulante Maßnahmennach dem Jugendgerichtsgesetz, Familienhilfeund Familienpflege, Betreuungsvereine, sozial-pädagogische Gruppenarbeit und Einzelfallbe-treuung usw.

Inzwischen stoßen viele Einrichtungen an räum-liche, teilweise auch an personelle Grenzen.Hier gilt es, konzeptionelle (und auch finanziel-le) Entscheidungen zu treffen und zu überle-gen, welche Angebote ausgebaut und welchemöglicherweise reduziert werden müssen, obeventuell weitere Räume angemietet werdensollten oder wie bestimmte Angebote personell(ehrenamtlich, Einsatz von Honorarmitteln) ab-

gesichert werden können. Für manche Einrich-tungen ist die Konzeption ein wichtiges Ar-beitsmaterial, und es wird die erforderliche Zeitfür eine regelmäßige Überarbeitung und Ak-tualisierung und auch für die kritische Ausein-dersetzung mit der eigenen Arbeit und der Si-tuation im Stadtteil/Ort reserviert. So kann fest-gestellt werden, ob Konzeption und Programm(noch) mit der Zielstellung des Hauses überein-stimmen oder ob Änderungen erforderlich sind.Gleichzeitig können entsprechende Maßnah-men getroffen werden.

In anderen Einrichtungen ist es noch nicht zurSelbstverständlichkeit geworden, die eigene Ar-beit von Zeit zu Zeit zu überprüfen, um Tenden-zen zu erkennen, darauf reagieren zu könnenund gegebenenfalls die Konzeption entspre-chend zu verändern. Manchmal ist sogar einegewisse Scheu vor Veränderungen festzustellen.Dann heißt es: Das haben wir schon immer sogemacht, warum sollten wir das nun ändern?

Finanzierung und Mitarbeiterinnen

Die Arbeit der freien Träger wurde damals fastausschließlich auf ABM-Basis finanziert. Perso-nal- und Sachmittel wurden großzügig ge-währt. Viele der so entstandenen Einrichtungenund Projekte waren daher sehr gut eingerichtetund ausgestattet.

Bei vielen Vereinen, besonders auch im sozial-kulturellen Bereich, führte die anfänglichgroßzügige ABM-Förderpraxis zu einem extremhohen Personalbestand, der ein hohes Maß anArbeitsteilung und Spezialisierung mit sichbrachte. Auch der kleinste Arbeitsbereich wur-de von einer speziell dafür eingestellten Personbetreut.

Viele der damaligen Mitarbeiterinnen kamenaus sozialen, kultur- oder bildungsbezogenenArbeitsbereichen (ausgebildete Sozialarbeite-rinnen und Sozialpädagoginnen sind bis heuteeher selten in den Einrichtungen zu finden),hatten entsprechende Erfahrungen und ihreMotivation war sehr hoch. Damit verbundenwar auch die Hoffnung, daß nach der zweijähri-gen AFG-Förderung feste Stellen geschaffenwerden könnten.

Doch diese Hoffnung erfüllte sich nur für dieje-nigen, die es geschafft hatten, Pflichtaufgabender Kommunen in Bereichen wie Jugendarbeit,Sozialstationen, Kindertagesstätten, Beratungs-stellen zu übernehmen, oder die mit ihrer Ziel-stellung in eines der kommunalen oder Landes-

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

21

Page 24: Vska handbuch

förderprogramme paßten. Hier hatten jedochmeist die großen etablierten Träger aus denwestlichen Bundesländern mit ihren Erfahrun-gen und ihrem Know-how die Nase vorn. Es ge-lang aber auch einigen sozial-kulturellen Ein-richtungen zumindest einen, seltener mehrere,Arbeitsbereiche auf diese Weise finanziell abzu-sichern. Als Beispiel sei hier das Stadtteilzen-trum Messemagistrale in Leipzig genannt, woder offene Jugendtreff aus kommunalen undLandesmitteln gefördert wird.

Bei den Einrichtungen, mit denen unser Ver-band in Kontakt steht, wird jedoch keine direktals sozial-kulturelle Einrichtung gefördert, denndieser Bereich ist nicht Bestandteil der Pflicht-aufgaben. Eine Ausnahme bildet Berlin, wo so-zial-kulturelle Arbeit eine langjährige Traditionhat und ein Teil der Einrichtungen eine öffentli-che Förderung erhält.

Viele der jungen Vereine mußten demzufolgeweiterhin auf die Instrumente der Arbeitsförde-rung bauen. Die Einführung des § 249h AFG(anteilige Finanzierung durch Bund, Land undeine weitere, von Land zu Land unterschiedli-che, Instutition) als dreijährige Anschlußfinan-zierung für ABM-Stellen verschaffte ihnen einekleine Atempause, wenn auch die Beantragungsehr aufwendig war, da sie an drei Stellen erfol-gen mußte und manchmal noch eine Servicege-sellschaft oder eine andere Institution eine Stel-lungnahme zu dem jeweiligen Projekt abgebenmußte. Voraussetzung für die Bewilligung warjedoch die Mitgliedschaft in einem Wohlfahrts-verband oder die Arbeit im Jugend- oder Um-weltbereich.

Obwohl nicht jede ABM-Stelle als 249h-Stelleverlängert werden konnte, gab es im Endeffektdoch einige Mitarbeiterinnen, die über einenZeitraum von fünf Jahren in den Einrichtungenbeschäftigt waren.

Für die sozial-kulturellen Einrichtungen bedeu-tete das zumindest ein gewisses Maß an Konti-nuität und Stabilität, mit dem der Mitarbeite-rinnenwechsel abgefedert werden konnte, derdurch die in der Zwischenzeit veränderten För-derbedingungen für AB- und 249h-Maßnahmen(Bewilligung nur noch für ein Jahr oder weni-ger, bei Verlängerung Neubesetzung der Stellemit einer anderen Person, Zuweisung von Lang-zeitarbeitslosen ohne entsprechende Qualifika-tion, Notwendigkeit eines finanziellen Eigenan-teils der Träger an der Finanzierung) verursachtwurde.

Diese veränderte Situation blieb jedoch nichtohne Auswirkungen. Die bereits erwähnte hoheArbeitsteilung und Spezialisierung als Folge derteilweise überhöhten Mitarbeiterinnenzahlführte dazu, daß beim Auslaufen einer Maß-nahme und dem damit verbundenen Ausschei-den der jeweiligen Personen ein zeitweiligesVakuum entstand, welches durch die verbliebe-nen Kolleginnen nicht immer ausgefüllt werdenkonnte. Im Vertrauen darauf, daß es irgendwiegelingen würde, die Mitarbeiterinnen zu behal-ten, war versäumt worden, Arbeitsstukturen zuentwickeln, die eine gegenseitige Vertretungermöglichten.

Ein weiteres Problem war, daß im Laufe der Zeitdie Teilnahme der Mitarbeiterinnen an Fort-bildungsveranstaltungen zurückging. Das hatteu.a. finanzielle Gründe, denn die mit derArbeitsförderung verbunden Mittel für Fortbil-dung wurden reduziert oder gestrichen. Aufder anderen Seite entwickelte sich bei manchenVereinsvorständen die Meinung, kein Geld inMitarbeiterinnen zu ‘investieren’, die ohnehinnur für ein Jahr in der Einrichtung arbeitenwürden. Wer sich fortbilden wollte, sollte diesauf eigene Kosten tun. Ein Zugeständnis war,daß ein Teil der Fortbildungszeit als Arbeitszeitangerechnet wurde. Betrachtet man allerdingsdas Verhältnis zwischen den teilweise hohenKosten für Fortbildungsveranstaltungen (incl.Fahrtkosten und Unterkunft) und den Gehäl-tern, die durch veränderte Förderbedingungenim Laufe der Zeit manchmal um mehrere Ge-haltsgruppen gesunken waren, bedurfte esschon eines hohen Maßes an Motivation, einesolche Veranstaltung wahrzunehmen. Umge-kehrt hatten aber auch kostenlos angeboteneFortbildungen meist nur wenig Zuspruch.

Das hatte auch Auswirkungen auf die Identifi-kation der Mitarbeiterinnen mit dem sozial-kul-turellen Arbeitsansatz und dessen Vertiefungund Verankerung in der täglichen Arbeit. Er-schwerend kam hinzu, daß zunehmend berufs-fremdes Personal ohne pädagogische oder son-stige geeignete Kenntnisse eingestellt werdenmußte, und man sich manchmal nicht die Zeitfür eine entsprechende Einarbeitung nahm.Diese reduzierte sich dann auf das eigentlicheArbeitsgebiet, wobei die Einrichtung in ihrerGesamtheit und der sozial-kulturelle Ansatz we-nig Berücksichtigung fanden.

Ehrenamtliche Arbeit

Wie bereits erwähnt, erfolgte in den ersten Jah-ren nach der Wende ein Bruch im Bereich der

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

22

Page 25: Vska handbuch

ehrenamtlichen Arbeit. Die meisten Einrichtun-gen verfügten über so viele Mitarbeiterinnen,daß ehrenamtliche Helferinnen (bis auf die Vor-standsmitglieder) keine Chance erhielten. Dazukam die Angst, den eigenen Arbeitsplatz über-flüssig zu machen, wenn man Ehrenamtlerin-nen in der Einrichtung beschäftigen würde.Wer nach freiwilliger Betätigung fragte, wurdeoftmals abgewiesen. Diese Haltung erwies sichspäter als Bumerang. Denn als die Mittel der Ar-beitsförderung immer spärlicher flossen und eh-renamtliche Mitarbeiterinnen gebraucht wur-den, fand man kaum welche. Auch die Arbeits-losen, von denen man gedacht hatte, daß siedie Zeit und den Wunsch hätten, sich zu enga-gieren, taten das nur in seltenen Fällen. Im Vor-dergrund stand bei ihnen die Hoffnung, baldeinen neuen Arbeitsplatz zu finden. Und des-halb wollten sie sich nicht festlegen.

Um das Ehrenamt zu beleben, wurden in eini-gen neuen Bundesländern Förderprogrammeaufgelegt, die vor allem Vorruheständlerinnen

eine kleine finanzielle Anerkennung als Anreizfür mehr ehrenamtliches Engagement boten.Da die Mittel nicht für alle reichten, die sichnun leichter zur Mitarbeit entschließen konn-ten, entstanden zwei ‘Klassen’ von Ehrenamtli-chen: einige erhielten Geld für ihre Tätigkeit,andere nicht. Meist wurde vereinsintern ver-sucht, einen Ausgleich zu schaffen.

Es gab aber auch Vereine, die von Anfang annur ehrenamtlich arbeiteten und das auch nichtändern wollten, später aber beschlossen, haupt-amtliches Personal einzustellen, um die Arbeitzu professionalisieren und die ehrenamtlichenMitarbeiterinnen, die manchmal im Umfang einer Vollzeitstelle tätig waren, zu entlasten.Manche dieser Vereine wurden aber auch von den Arbeitsämtern gebeten, Träger von AB-Maßnahmen zu werden. Meist machten sichdie Vorstände ihre Entscheidung nicht leichtund angesichts der hohen Arbeitslosenzahlen

wurde die Trägerschaft dann doch übernom-men, was zu einer Veränderung des Profils derEinrichtung und zur Erweiterung und Bereiche-rung der inhaltlichen Angebote beitrug.

Und es gab Vereine, die für sich die Entschei-dung trafen, mit einer geringen Zahl an haupt-amtlichen Mitarbeiterinnen das ehrenamtlicheEngagement so zu entwickeln, zu fördern undzu qualifizieren, daß es zur tragenden Säule derArbeit in der Einrichtung und deren Veranke-rung im Stadtteil wird. Als Beispiel sei hier dasRabenhaus e.V. in Berlin-Köpenick genannt.Nach der ABM-Phase gelang es, eine Förderungüber den Senat zu erhalten. Damit wurden zweiTeilzeitstellen eingerichtet. Gleichzeitig wurdebeschlossen, die Zahl der hauptamtlichen Stel-len nur gelegentlich und projektbezogen durchArbeitsfördermittel aufzustocken und die Be-wohnerinnen der Umgebung so einzubeziehen,daß sie sich das Haus zu eigen machen und dengrößten Teil der Angebote in Eigenverantwor-tung entwickeln und gestalten können. Dabeiwird großer Wert auf die Qualifizierung der eh-renamtlichen Mitarbeiterinnen gelegt. Sie er-halten die Möglichkeit, an Fortbildungen ande-rer Träger teilzunehmen und es werden interneVeranstaltungen organisiert. Inzwischen reichtdas Angebot des Rabenhauses von Mutter-Kind-Gruppen, Computer-, Multimedia- und In-ternetkursen über sportliche Aktivitäten, regel-mäßige Familienwochenenden, einen Schüler-klub, Selbsthilfegruppen bis hin zu internatio-nalen und Familien-Sommercamps undZukunftswerkstätten. Die Höhepunkte der Ar-beit werden in Wort und Bild festgehalten, umdie Entwicklung der Einrichtung mit ihrenHöhen und Tiefen darzustellen.

AusblickDer sozial-kulturelle Bereich in den neuen Bun-desländern ist in Bewegung. Nach manchmalchaotischen Situationen in der Umbruchzeitzeichnen sich inzwischen Linien und Tendenzenab. Der Ausgang dieser Entwicklung ist jedochoffen und es bleibt spannend, deren weiterenVerlauf zu beobachten und zu begleiten.

Geschichte und Konzepte sozial-kultureller Arbeit

23

Page 26: Vska handbuch

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

24

Gudrun Israel

Zur Bedeutung von Qualitäts-merkmalen

Die Entwicklung von „meßbaren“ Qualitäts-merkmalen sozialer und somit auch sozial-kultureller Arbeit gewinnt aufgrund sinkenderMittel und steigender Konkurrenz immer mehran Bedeutung. Die negative Seite der Entwick-lung besteht in der Verringerung der Angebots-vielfalt, die positive Seite dagegen darin, daßein größeres Augenmerk auf die Qualitätgelenkt wird.

Gefragt sind:- Qualitätsmerkmale als meßbare Indikatoren

für Effektivität und Effizienz sozialer/sozial-kultureller Arbeit

- Qualitätsmerkmale als Orientierungshilfe für die Nutzerinnen

- Qualitätsmerkmale als Orientierungsgröße für die Mitarbeiterinnen

- Qualitätsmerkmale als Grundlage für die Verhandlung mit den Geldgebern

Bei der Beantwortung der Frage nach denQualitätsmerkmalen gilt es, die Effektivität derArbeit nicht zu vernachlässigen. Als Fachleuteder sozial-kulturellen Arbeit beteiligen wir unsan der Diskussion mit dem Ziel, bürgernahe,kostengünstige, bedarfsorientierte Angebotevon konkreten sozialen Hilfen und kulturellenEntfaltungsmöglichkeiten für die Bürgerinnenin einem Stadtteil/einem Ort zu entwickeln.

Am Schluß dieses Abschnitts finden Sie eine Auf-stellung der Instrumentarien und Bedingungen,die die Qualitätsmerkmale sozial-kulturellerArbeit beschreiben. Diese Aufstellung ist eineMethode, das Gewirr von Begriffen, Arbeits-ansätzen, Zielgruppen und dergleichen zustrukturieren und übersichtlich darzustellen.Einige Bedingungen gelten für alle Merkmale,wir haben sie jedoch dort plaziert, wo wir ihreBeachtung für besonders wichtig halten. Wirerheben damit nicht den Anspruch auf Vollstän-digkeit.

Die Beschreibung erfolgt aus der Sicht desDach- und Fachverbandes mit dem Ziel, damiteine Grundlage für die Diskussion in den Ein-richtungen selbst und darüber hinaus mit denverschiedenen Auftraggebern für die weiterenVerhandlungen zu schaffen.

Der sozial-kulturelle Arbeitsansatz wird anhandvon neun Merkmalen unter folgenden Gesichts-punkten detailliert beschrieben:

Was ist das?

Wie geht das?

Was braucht es?

Wie kann es überprüft werden?

Was bringt das?

Beispiel

Quellen der Beispiele

Zur besseren Anschaulichkeit wird die Beschrei-bung der Qualitätsmerkmale mit praktischenBeispielen vor allem aus den Einrichtungenuntersetzt, mit denen wir im Rahmen unsereszweijährigen Projektes „Prozeßorientierte Pro-jektberatung und -begleitung des Aufbaus vonsozialräumlich bezogenen Nachbarschafts- undGemeinwesenprojekten in den neuen Bundes-ländern unter besonderer Berücksichtigung derJugendarbeit und des ehrenamtlichen Engage-ments“ zusammengearbeitet haben. Es handeltsich um je eine Einrichtung aus jedem der fünfneuen Bundesländer.

Um eine praktische Vorstellung von der Tätig-keit der Einrichtungen zu vermitteln, die jeweilsunterschiedliche Entwicklungswege durchlau-fen haben und sich auf unterschiedlichem Ent-wicklungsstand befinden, möchten wir diesekurz vorstellen:

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

Page 27: Vska handbuch

Das Ländliche Sozio-kulturelle Zentrum Jänschwalde (Brandenburg)

Das Ländliche Sozio-kulturelle Zentrum Jänsch-walde ist eine Einrichtung der Volkssolidarität

Spree-Neiße e.V. undbefindet sich OrtsteilJänschwalde/Ost. Eswurde im Herbst 1996eröffnet und wird voneiner Mitarbeiterinund einem Mitarbei-ter auf ABM-Basis ge-führt. Die Stellen wur-den für ein drittesJahr verlängert, da-

nach soll eine Festeinstellung erfolgen. Zu ihrerUnterstützung wurden im Sommer 1998 dreiweitere ABM-Kräfte eingestellt.

Das Zentrum befindet sich in einem ehemaligenKindergarten, der von der Gemeinde mietfrei,gegen Zahlung der Betriebskosten, zur Verfü-gung gestellt wird. Das Haus beherbergt aucheinen Judoverein und einen ehrenamtlich ge-leiteten Jugendklub (eigener Verein).

Das Ländliche Sozio-kulturelle Zentrum ist dieeinzige Einrichtung im Ort, die über hauptamt-liches Personal verfügt und sowohl vormittagsals auch nachmittags, teilweise auch in denAbendstunden und am Wochenende geöffnetist. Die Angebote umfassen u.a. offene Kinder-und Jugendarbeit, Projektangebote für die be-nachbarte Grund- und die Gesamtschule, Seni-orenarbeit, Bastel- und Handarbeiten, Kinder-,Jugend- und Seniorenkino, Dorffeste, Ferien-programme, Informationsveranstaltungen zuverschiedenen Themen, Beratungsangebote.

Bei den Beratungsangeboten handelt es sichgrößtenteils um eine erste Kontaktherstellungmit anschließender Vermittlung an andere Insti-tutionen. Spezifische Angebote wie Sozial(hil-fe)-, Schuldner-, Alkohol- oder Drogenberatung

werden, selbst wenn der entsprechende Bedarfmanchmal offensichtlich ist, aufgrund der feh-lenden Anonymität nicht im Ort, sondern eherin den nahegelegenen Städten Cottbus undGuben angenommen.

Ein Schwerpunkt der Arbeit ist die Gemeinwe-senarbeit, die sich aufgrund der Entwicklungdes Stadtteils erforderlich macht. Die Bevölke-rungszahl in Jänschwalde/Ost (z.Z. ca. 1.000 Ein-wohner) ist im Sinken begriffen. Es besteht einWohnungsleerstand von ca. 30% mit steigenderTendenz. Ein Problem ist, daß die Menschen,die nach Jänschwalde/Ost ziehen, überwiegendSozialfälle sind, die aus den größeren Städtenin den Ort ‘abgeschoben’ werden. Die Arbeits-losigkeit ist überdurchschnittlich hoch. Arbeits-plätze in der Umgebung z.B. im Handwerk gibtes kaum. Industrie ist so gut wie nicht mehr vor-handen. Diese Entwicklung läßt erkennen, daßsich hier ein sozialer Brennpunkt entwickelnkann und daß einer solchen Tendenz gezieltgegengesteuert werden muß.

Das Jugendhaus „Obermützkower Storchen-nest“ e.V. in Obermützkow (Mecklenburg-Vorpommern)

Der Verein wurde 1994 gegründet, hat ca. 75Mitarbeiterinnen, teils fest angestellt, teils aufder Basis von Arbeitsförderinstrumenten, und

befindet sich auf einem ehemaligenGutshof mit vielenzum Teil noch unge-nutzten Gebäuden.Schwerpunkt ist dieJugendarbeit. DerVerein ist Träger von

sozialpädagogisch betreutem Wohnen für straf-fällig gewordene Jugendliche, von sozialpäda-gogischer Familienhilfe, von Jugendfreizeitar-beit und von zwei Kindertagesstätten. Es ist ge-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

25

Page 28: Vska handbuch

plant, gemeinsam mit Jugendlichen ein Jugend-café einzurichten und Angebote der mobilenJugendarbeit zu entwickeln.

Zur Zeit wird daran gearbeitet, die an ‘Kinder-mangel’ leidende Kindertagesstätte in Alten-pleen zu einem sozial-kulturellen Zentrum um-zugestalten, d.h. die ungenutzten Räume alsTreffpunkt für die Bewohnerinnen des Ortesherzurichten. Das ehemalige Heizhaus soll fürdie Jugendarbeit genutzt werden, im Haus wirdes verschiedene Werkstätten und Möglichkeitenfür Begegnungen und Freizeitgestaltung geben.

Das Stadtteilzentrum Messemagistrale desBürgervereins Messemagistrale e.V. Leipzig(Sachsen)

Der Bürgerverein Messemagistrale e.V. wurde1991 gegründet. Der Verein nutzte einen ehe-maligen Wohngebietsklub, der nur aus einemRaum bestand und in dem alle Angebote durch-geführt wurden. Das waren Jugendarbeit, Seni-

orenarbeit, Treffen von Interessengruppen deseigenen und von anderen Vereinen, Sportange-bote usw. Schnell stellte sich heraus, daß einSchwerpunkt der Tätigkeit die Jugendarbeitsein mußte, denn es gab im Einzugsgebiet, indem ca. 8.000 Menschen leben, keine entspre-chenden Einrichtungen.

Für die Vielzahl der Angebote war der Raumnicht mehr ausreichend. Deshalb wurde ab

Herbst 1995 mit kommunalen und Landesmit-teln die benachbarte ehemalige Wärmeum-formstation umgebaut. Im September 1996wurde trotz noch nicht endgültiger Fertigstel-lung der Räume begonnen, stundenweise einenoffenen Jugendtreff und kulturelle und Infor-mationsangebote für Erwachsene und Senioreneinzurichten. Von 1991 bis Ende 1996 wurde dieinhaltliche Arbeit von ABM-Kräften unter Anlei-tung des sehr aktiven Vorstandes geleistet.

Anfang 1997 gab es eine erste fest angestellteMitarbeiterin, die als Leiterin des offenenJugendtreffs über die Fachkraftförderung (Co-Finanzierung von Land und Kommune) finan-ziert wurde. 1998 kam eine weitere feste Stelleaus kommunalen Mitteln dazu, daneben gibt esdrei AFG-geförderte Stellen.

Im neuen Haus gibt es drei große Räume. Dergrößte ‘gehört’ der Jugendarbeit und wird alsoffener Treff genutzt, wo die Jugendlichen sichtreffen, Tischtennis, Billard und Kicker spielenund Discos veranstalten können. Ein kleinererRaum beherbergt den Stadtteiltreff mit regel-mäßigen Angeboten für Senioren aber auch mitkulturellen und Informationsveranstaltungenfür alle Bewohnerinnen des Stadtteils und erdient als Veranstaltungsort und Treffpunkt fürandere Vereine, die keine eigenen Räumlichkei-ten haben. Der dritte Raum wird als Büro- undBeratungsraum genutzt. Die Einrichtung einesMädchentreffs ist geplant.Wenn die entsprechenden Mittel beschafftwerden können, soll das Gebäude aufgestocktwerden, um mehrere kleine Räume für dieGruppenarbeit und einen Sportbereich zuschaffen. 1998 wurde ein Teil des Foyers zueinem Gruppenraum umgebaut.

Der Bürgerladen e.V. in Halle-Neustadt (Sachsen-Anhalt)

Der Bürgerladen e.V. wurde 1991 gegründetund arbeitete über längere Zeit ausschließlichehrenamtlich vor allem auf den Gebieten Seni-orenarbeit und Beratung, mit dem Ziel eineraktiven Freizeitgestaltung und der Unterstüt-zung der Menschen, in erster Linie älterer Bür-gerinnen und Bürger, bei der Bewältigung dergesellschaftlichen Veränderungen in den neuenBundesländern.

Ende 1993 begannen acht Frauen ihre Tätigkeitim Rahmen von Arbeitsfördermaßnahmen imBürgerladen e.V. Im Laufe der Zeit erhöhte sichdiese Zahl auf 18. Neben der Tätigkeit dieser

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

26

Page 29: Vska handbuch

Mitarbeiterinnen in den Bereichen Seniorenar-beit, Kreativangebote und Keramik, Gesundheitund Sport, Leseklub, Beratung und Betreuungvon Aussiedlern, Galerie-Café und der Tagesbe-treuung psychisch kranker Menschen gibt esnoch eine ganze Reihe von kulturellen und In-formationsangeboten, die in der Verantwortungvon ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen liegen.

Im Jahr 1997 ist es gelungen, eine institutionel-le Förderung vom Sozialamt der Stadt Halle fürdie Stelle der Geschäftsführung zu erhalten.

Bei der Tagesbetreuung handelt es sich um einin Sachsen-Anhalt einmaliges Projekt, das espsychisch kranken oder labilen, vor allem älte-ren, Menschen nach einem stationären Aufent-halt in einer psychiatrischen Einrichtung oderbei sonstigem Bedarf ermöglichen soll, in einnormales Leben zurückzukehren. Dabei stehtdas Training bzw. die Reaktivierung sozialerund alltäglicher Fähigkeiten und Fertigkeitenim Vordergrund. Dies geschieht in Gesprächs-runden, durch die Teilnahme an Veranstaltun-gen und Angeboten im Haus, gemeinsamesEinkaufen und Kochen, Sport, Spaziergängeusw. Seit Sommer 1998 gibt es für die Leitungdieses Projektes eine Förderung von Sozialamt.Für die kommenden Jahre wird die Finanzie-rung von zwei weiteren Stellen angestrebt.

Das Lobedaer Informations-, Spaß- und Akti-onszentrum LISA in Jena-Lobeda (Thüringen)

Dieses behindertengerechte Zentrum befindetsich in einer umgebauten ehemaligen Kita und

wurde Ende April 1998 eröffnet. Träger ist die Stadt Jena. Ein Teilder Räume wird von der Kom-mune (Allgemeiner Sozialdienst,Erziehungsberatung undSchuldnerberatung) genutzt, derandere Teil wurde an Vereine

vermietet. Das sind ein Keramikverein mit einereigenen Werkstatt, die Lebenshilfe mit Behin-dertenarbeit, die Arbeiterwohlfahrt mit Seni-orenarbeit (diese Räume werden abends Musik-vereinen für Proben zur Verfügung stellt) undein Sportverein. Kleinere Büroräume werden

vom VdK, einem Gesundheitsverein, einem Be-treuungsverein und der Initiative kinderfreund-liches Jena genutzt. Weiterhin gibt es im Hauseine private Gaststätte und eine gewerblicheKampfsportschule.

Der im Haus befindliche Saal kann von den Ver-einen für Veranstaltungen gemietet werden.Der Schwerpunkt liegt derzeit darauf, die Ver-eine zur Zusammenarbeit untereinander zumotivieren und die Arbeit im Haus so zu gestal-ten, daß eine positive Ausstrahlung auf denStadtteil erreicht wird und sich eine Art Nach-barschaftszentrum oder Bürgerhaus mit aktiverBeteiligung der Bürgerinnen und Bürger ent-wickeln kann.

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

27

Page 30: Vska handbuch

Beschreibung der Qualitätsmerkmale

Vorab: Nach unseren Erfahrungen gibt es keineidentischen Stadtteile/Orte und demzufolgeauch keine identischen sozial-kulturellen Ein-richtungen. Aufgrund der manchmal beträchtli-chen Unterschiede ist es schwierig, allgemein-gültige Feststellungen zu treffen. Die folgendeBeschreibung der Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit wollen wir so allgemein undgleichzeitig so konkret wie möglich formulie-ren. Es liegt in Ihrer Hand, diese Ausführungenso zu ‘übersetzen’, daß sie für Ihre jeweiligeEinrichtung angewandt werden können.

Orientierung an den Fragen, Kenntnis-sen und Interessen der Nutzerinnenund Bewohnerinnen

Was ist das?

Die sozialen und kulturellen Angebote richtensich nach den Fragen, Problemen und Wün-schen der Nutzerinnen der Einrichtung. Sie werden an der Planung und Durchführungvon Veranstaltungen beteiligt.

Beispiel aus dem Stadtteilzentrum Messe-magistrale Leipzig:

Einige der Jugendlichen des offenen Treffswollten sich mit Graffiti beschäftigen. Sie tru-gen diesen Wunsch an die Mitarbeiterinnenheran. Gemeinsam ging es ans Überlegen.

Es wurde beschlossen, zuerst eine Arbeitsge-meinschaft Graffiti einzurichten, um die inter-essierten Jugendlichen mit technischen undkreativen Fähigkeiten und Fertigkeiten auszu-statten. Dazu mußte ein Kompromiß mit denanderen Jugendlichen geschlossen werden,denn aufgrund der räumlichen Bedingungenin der Einrichtung bedeutete das, daß

während der Treffen der Arbeitsgemeinschaftder offene Treff geschlossen bleiben mußte. Die Leitung der AG übernahm ein graffiti-erfahrener Jugendlicher aus dem Treff. Dannwurde über Monate hinweg fleißig geübt.Parallel dazu suchten die Jugendlichen nacheiner Möglichkeit, ihre erworbenen Kenntnis-se auf legale Weise anzuwenden. Es gelangihnen, die Leitung des nahegelegenen Super-marktes von ihrem Vorhaben zu überzeugen,so daß sie eine zum Gelände gehörende frei-stehende Mauer gestalten konnten. Dazuwurde das üppig wuchernde Unkraut beseitigtund der Untergrund zum Sprühen vorbereitet.

Auf der Vorderseite der Mauer wurde ein vonihnen entworfenes Bild gesprüht, das zur Ver-schönerung der Umgebung gedacht ist. DieRückseite soll später von Zeit zu Zeit neu ge-staltet werden und als legale Übungsflächedienen. Außerdem wurde mit der Supermarkt-leitung vereinbart, daß die Jugendlichen sichzukünftig darum kümmern, die Fläche um dieMauer herum sauber zu halten.

Wie geht das?

Für den Aufbau eines Stadtteilzentrums, Nach-barschaftstreffs oder Bürgerhauses ist es wich-tig, so viel wie möglich über den Stadtteil/denOrt und seine Bewohnerinnen zu wissen. Für eine entsprechende Stadtteilanalyse werdenalle Informationen und Fakten zusammenge-tragen, die als Grundlage für die Arbeit dienenkönnen: Zur Bevölkerungsstruktur z.B.: • Wieviele Menschen leben im Einzugsgebiet

der Einrichtung? • Welchen Anteil an dieser Zahl haben Kinder,

Jugendliche, Erwachsene, Senioren? • Welchen Prozentsatz machen davon Behin-

derte, Ausländer, Aussiedler, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger aus?

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

28

Page 31: Vska handbuch

Zur Infrastruktur z.B.: • Welche sozialen und kulturellen Einrichtungen/

Träger mit welchen Angeboten gibt es bereits?• Wieviele und welche Schultypen sind

vorhanden? • Wie hoch ist der Versorgungsgrad bei Kinder-

tagesstätten? • Wie ist die medizinische Versorgung? • Wie ist die verkehrsmäßige Erschließung?

usw.

Diese Informationen erhält man z.B. durch An-fragen bei den verschiedenen Ämtern (Einwoh-nermeldeamt, Jugendamt, Sozialamt). In größe-ren Städten gibt es statistische Ämter, bei de-nen entsprechende Angaben erhältlich sind.Probleme mit dem Datenschutz dürfte es keinegeben, da ja keine namentlichen, sondern nurzahlenmäßige Erhebungen gemacht werden.

Aus den gesammelten Informationen lassen sichzahlenmäßige Konzentrationen und Schwer-punkte der künftigen Arbeit ableiten, ohne da-bei den gesamten Stadtteil/Ort und dessen Be-wohnerinnen aus den Augen zu verlieren. Gibtes z.B. einen hohen Seniorenanteil, wird einSchwerpunkt Seniorenarbeit sein. Stellt sich her-aus, daß es keine oder nicht ausreichende An-gebote für Jugendliche gibt, sollte Jugendarbeiteinen größeren Anteil an der Arbeit erhalten.

Wie die inhaltliche Gestaltung der Angeboteaussehen soll, erfährt man am besten im Ge-spräch mit den zukünftigen (bei neuen Einrich-tungen) oder den gegenwärtigen Nutzerinnender Einrichtung. Das heißt also, daß die Men-schen gezielt nach ihren Wünschen, Interessenaber auch nach ihren Problemen befragt wer-den müssen, um nicht am Bedarf vorbei zu pla-nen und zu arbeiten. Bei der Befragung derStadtteilbewohnerinnen wird ihnen zugesi-chert, daß die Auswertung anonym erfolgt, damit sie nicht nur von ihren Wünschen, son-dern auch von ihren Sorgen erzählen. Gleichzei-tig kann erfragt werden, wer bereit ist, sich ak-tiv in die zukünftige Arbeit einzubringen. Hierist es natürlich erforderlich, Namen, Adressen,Telefonnummern festzuhalten, damit man wei-ter in Kontakt bleiben und diese Frauen undMänner in die Arbeit einbeziehen kann.

Neben den persönlichen Gesprächen kann manauch Fragebögen einsetzen. Bei anonymen Aktionen wie der Verteilung in die Hausbriefkä-sten ist der Rücklauf erfahrungsgemäß abereher gering. Es bietet sich daher an, Aktivitätenfür eine Befragung zu nutzen, bei denen vieleMenschen zusammenkommen (Stadtteilfesteu.a.), die man dann persönlich befragen kann.

Die Antworten werden auf einem vorbereiteten(auswertbaren) Fragebogen festgehalten.

Hier als Beispiel Auszüge aus einem Fragebogenaus der Konzeptionsphase des Nachbarschafts-zentrums Bürger für Bürger in Berlin-Mitte:

FragebogenZutreffendes bitte ankreuzen/ergänzen

1. Befürworten Sie ein Nachbarschaftszentrum in Ihrem Kiez?� ja � nein � unter Vorbehalt

2. Mit welchen Personenkreisen wünschen Sie sich im Nachbarschaftszentrum Kontakte?� Vorruheständlern� Senioren� Alleinerziehenden� Alleinstehenden� Jugendlichen� Kindern� anderen Erwachsenen� .................................

3. Welche Beratungs- und Betreuungsangebote würden Sie im Nachbarschaftszentrum in Anspruch nehmen?� individuelle Beratung� offene Treffs� Gesprächskreise zu Themen wie:

..........................................� Bildungsangebote (Vorträge)� Veranstaltungen mit geselligem

Charakter z.B. ..................................� Kurs- und Zirkelangebote z.B.

............................................� Filmveranstaltungen� Exkursionen� Sportliche Betätigung� Selbsthilfegruppen z.B.

...........................................

� Vermittlung sozialer Dienste z.B.� Begleitung bei Behördengängen� Hilfe beim Ausfüllen von Formularen/

Anträgen� stundenweise Kinderbetreuung� Schiebedienste für Behinderte� Hol- und Bringdienste für

Mobilitätseingeschränkte� praktische Lebenshilfe z.B.

� Tips für die Hauswirtschaft� Tips für die Erziehung der Kinder� Tips zur Vorbereitung auf Ehe und

Familie� Tips speziell für Frauen� Tips für gesunde Lebensweise� ............................................

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

29

Page 32: Vska handbuch

4. Welche weiteren Dienstleistungsangebote erachten Sie im Kiez für notwendig?� .....................................................� .....................................................� .....................................................

5. Welche Öffnungszeiten des Nachbarschafts-zentrums wären für Sie angenehm?

vormittags nachmittags abends

Montag bis Freitag � � �Sonnabend � � �Sonntag � � �

6. Wären Sie bereit, mit Ihren Fähigkeiten, Be-rufs- und Lebenserfahrungen das Wirken desNachbarschaftszentrums zu unterstützen?

� ja � nein � bedingt

7. In welcher Weise könnten Sie sich vorstellen, im Nachbarschaftszentrum aktiv zu werden?� Nutzen von Beratungsangeboten� Nutzen von Betreuungsangeboten� Nutzen von Begegnungsangeboten� Nutzen von Bildungsangeboten

� eigenes Wissen/Können einbringen z.B.� durch handwerkliche Hilfe bei Rekon-

struktions- bzw. Instandhaltungsarbeiten� durch Referententätigkeit� durch Zirkel-/Kursleitertätigkeit� Bereitschaft zu ehrenamtlicher Nachbar-

schaftshilfe in folgender Weise:............................................

� Mitarbeit in Gremien des Nachbarschafts-zentrums

8. Besuchen Sie bereits eine Begegnungsstätte, welche?

................................................

Abschließend bitten wir Sie um einige persönli-che Angaben, deren Beantwortung Ihnen frei-gestellt ist, aber in jedem Falle nur unseremAnliegen dienen soll:

Zugehörigkeit zur Bevölkerungsgruppe:� Vorruheständler� Senioren� Alleinstehende� Alleinerziehende� Behinderte� Kinder� Jugendliche

Alter: ...............................................

� männlich � weiblich

Familienstand: .................................Anzahl der im Haushalt lebenden Kinder:

.................................................

Leben in Ihrem Haushalt behinderte Familien-mitglieder?

� ja � nein

Berufserfahrungen als:..............................................

zur Zeit berufstätig:� ja � nein

Bei Interesse zur Mitarbeit oder an einem Gespräch mit uns, teilen Sie uns bitte Ihre Anschrift oder Telefonnummer mit..........................................................

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

Wichtig ist, daß die gesammelten Informatio-nen keinen endgültigen Charakter haben. Siemüssen auch von bereits länger bestehendenEinrichtungen immer wieder aktualisiert wer-den, um ein entsprechendes Reagieren auf aktuelle Ereignisse und Entwicklungen zu ge-währleisten. Das heißt, daß die Angebote einersozial-kulturelle Einrichtung der Entwicklungder Interessenlage der Nutzerinnen Rechnungtragen und sich von Zeit zu Zeit verändern(müssen). Angebote, die über längere Zeitgewünscht und gut angenommen wurden,können sich im Laufe der Zeit als überholt er-weisen. Das kann beispielsweise bedeuten, daßKreativangebote durch Bildungsangebote ab-gelöst werden.

Hier sind Geschick und Kommunikationsfähig-keit der Mitarbeiterinnen der Einrichtung ge-fragt, um solche Trends zu erfassen und durchgemeinsame Planung mit den Besucherinnenneue Angebote zu entwickeln und umzusetzen.Dabei geht es um die Frage was gemacht wer-den soll und wie.

Es geht aber nicht nur darum, die Fragen,Kenntnisse und Interessen der Menschen zukennen, die die Einrichtung bereits nutzen,sondern auch derjenigen, die bisher noch nichterreicht worden sind. Dabei wird überprüft,wer die Einrichtung nutzt und wer möglicher-weise ausgeschlossen ist. Stellt man bspw. imJugendbereich fest, daß die Angebote zu 90%von Jungen genutzt werden, stellt sich die Fra-ge: Was wird mit den Mädchen, sollten für sieeigene Angebote geschaffen werden?

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

30

Page 33: Vska handbuch

Weitere Möglichkeiten sind persönliche Ge-spräche, Präsenz der Mitarbeiterinnen im Stadt-teil/im Ort, ein Tag der offenen Tür, Schnupper-angebote, vielleicht auch einmal eine persönli-che Einladung. Aber auch die Mund-zu-Mund-Propaganda hat dabei einen nicht geringenStellenwert. Wem es in der Einrichtung gefällt,sei es durch gute Angebote oder qualifizierteHilfe in Problemensituationen oder eine ange-nehme Atmosphäre, der wird es sicher in sei-nem Bekanntenkreis weitererzählen.

Eine weitere Möglichkeit, die Bedürfnisse derMenschen festzustellen, sind Stadtteilerkun-dungen. Dabei geht es darum, den Stadtteil/den Ort gezielt und ggf. mit bestimmten Fra-

gestellungen zu erkunden. Das kann z.B. durchdie Mitarbeiterinnen selbst, aber auch als Pro-jekt oder längerfristiges Angebot gemeinsammit den Nutzerinnen der Einrichtung erfolgen.Bei Spaziergängen durch den Stadtteil/den Ortkönnen interessante, wissenswerte oder auchveränderungswürdige Details auf Fotos, Videosoder in schriftlicher Form festgehalten werden.Gesammeltes Bildmaterial und Informationenzum Stadtteil und zur Stadtteilgeschichte kön-nen als Ausstellung oder Dokumentation aufbe-reitet und als Grundlage für die Entwicklungder Angebotsstruktur der Einrichtung genutztwerden.

Ein weiteres Ergebnis von Stadtteilerkundun-gen ist, daß man auch die Treffpunkte von Kin-dern, Jugendlichen oder Senioren außerhalbvon bestehenden Einrichtungen kennenlernt,wo man diese aufsuchen, mit ihnen in Kontaktkommen kann. Mit eigenen Augen zu sehen,mit eigenen Ohren zu hören und dabei Ge-spräche und Stimmungen aufzunehmen, kannmanchmal ein von den bisherigen Erfahrungenabweichendes Bild der Situation imStadtteil/Ort ergeben.

Was braucht es?

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit indiesem Bereich sind z.B., daß die Mitarbeiterin-nen wissen müssen, welche räumlichen, infra-strukturellen (technischen), personellen undfinanziellen Ressourcen in der Einrichtung zurVerfügung stehen. Diese sind natürlich in jederEinrichtung unterschiedlich, genau wie die Mit-arbeiterinnen unterschiedliche Qualifikationenund persönliche Fähigkeiten und Neigungenhaben, die in die Arbeit einfließen.

Ein Schwerpunkt dabei ist, daß alle haupt- undehrenamtlichen Mitarbeiterinnen das Prinzipder Beteiligung der Nutzerinnen des Hausesund der Bewohnerinnen des Stadtteils/des Ortesan der Gestaltung der Angebote mittragen unddementsprechend aktiv sind. Dazu müssen Mo-delle entwickelt werden, die die Beteiligungder Menschen ermöglichen.

Einige Möglichkeiten, wie die Mitarbeit im Vor-stand oder in Beiräten, sind, wenn der Trägerein eingetragener Verein ist, in der Satzungfestgehalten. Es können aber auch Arbeitsgrup-pen gebildet werden, die sich aus haupt- undehrenamtlichen Mitarbeiterinnen, Nutzerinnenund Vorstandsmitgliedern zusammensetzen,und die die Wünsche und Ideen zusammentra-gen und nach Möglichkeiten für deren Umset-zung in die praktische Arbeit suchen.

Entsprechend dem Konzept, dem Profil, denAnsprüchen und Zielen der einzelnen Einrich-tungen kann es auch mehrere Arbeitsgruppengeben, die sich mit unterschiedlichen Themenbefassen, wie die inhaltliche Gestaltung undWeiterentwicklung der Arbeit oder aber Finan-zierungsfragen. Verschiedene Gremien arbeitenmöglicherweise zeitlich begrenzt, wenn es umbestimmte Aktivitäten wie die Vorbereitungund Durchführung eines Stadtteilfestes oderdas Organisieren einer Reise, einer Weihnachts-feier usw. geht. Dazu muß festgelegt werden,welche Kompetenzen und welches Gewicht die-se Gremien erhalten. Können sie z.B. verbindli-che Entscheidungen treffen oder ‘nur’ Empfeh-lungen aussprechen? Gleichzeitig muß sicherge-stellt werden, daß und auf welche Weise(mündliche Berichte, Protokolle) die Informatio-nen aus der Einrichtung in den Gremien undaus Gremien auch bei den entsprechenden Stel-len der Einrichtung ankommen. Das heißt, manbraucht eine entsprechende Dokumentation,ein funktionierendes Informationssystem undes muß Klarheit über die Rollen der beteiligtenPersonen bestehen.

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

31

Page 34: Vska handbuch

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

32

Nachvollziehbare Entscheidungsstrukturenerleichtern und fördern die Beteiligung derNutzerinnen der Einrichtung an der Planungund Durchführung der Angebote. Das heißtauch, daß es selbstverständlich ist, die Hinweise,Wünsche, Fragen und auch Kritik ernst zu neh-men und für die Besucherinnen erlebbar in dertäglichen Arbeit zu berücksichtigen.

Die Weiterentwicklung und Förderung kommu-nikativer Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen sindhierbei eine wichtige Grundlage.

Wie kann es überprüft werden?

Zur Beantwortung der Frage, ob die Angebotetatsächlich (noch) mit den Fragen, Kenntnissenund Interessen der Nutzerinnen der Einrichtungund der Bewohnerinnen des Stadtteils/des Ortesübereinstimmen, gilt es, die Untersuchungser-gebnisse von Stadtteilanalysen und Befra-gungsaktionen regelmäßig auf ihre Aktualitätzu überprüfen. Das kann z.B. geschehen durchBefragung der Besucherinnen oder durch Inter-views im Stadtteil/im Ort. Aber auch die stati-stische Erfassung und Auswertung der Besuche-rinnenzahlen bei den einzelnen Angeboten undVeranstaltungen macht deutlich, ob diese noch‘im Trend’ liegen.

Wenn über einen gewissen Zeitraum erkennbarist, daß die Zahl der Nutzerinnen eines Angebo-tes rückläufig ist, müssen die Ursachen heraus-gefunden werden. Liegen sie z.B. in der inhaltli-chen Gestaltung, in der Gruppenzusammenset-zung, in einer ungünstigen Veranstaltungszeit,laufen Veranstaltungen für ähnliche Interessen-gruppen möglicherweise parallel? Gibt es äußere Faktoren, die nicht ausreichendberücksichtigt wurden, wie Fußball- und andereSportereignisse oder aktuelle Geschehnisse (z.B.umfangreiche Sanierungsmaßnahmen) imStadtteil/im Ort? Oder ist das Interesse an einem bestimmten Angebot tatsächlich nichtmehr im ursprünglichen Umfang vorhanden?

Sind die Ursachen ermittelt, kann man entspre-chend reagieren und Veränderungen vorneh-men, z.B. indem der Englisch- und der Franzö-sischkurs nicht mehr parallel, sondern zeitver-setzt angeboten werden, oder die Möglichkeitgeschaffen wird, die Fußball-WM auf einerGroßleinwand in der Einrichtung zu verfolgenund für diese Zeit die Männergesprächsrundeauszusetzen. Vielleicht kann ein klärendesGespräche mit einer Kursleiterin/einem Kurslei-ter oder einer Teilnehmerin/einem Teilnehmer

geführt werden. Oder es muß ein uninteressantgewordenes Angebot ganz aus dem Programmgestrichen werden.

Bei neuen Angeboten (auch wenn sie aufWunsch der Besucherinnen und Besucher derEinrichtung entstanden sind) braucht es meistetwas Geduld bis sie so laufen, wie es geplantist. Oftmals haben diejenigen, die sich mit denVorbereitungen befaßt haben, viel Zeit, Arbeitund persönliches Engagement investiert. Ent-sprechend hoch ist ihre Erwartungshaltung.Und groß ist dann ihre Enttäuschung, wenndiese Erwartungen nicht sofort erfüllt werden.Dabei ist es durchaus als Erfolg zu werten,wenn ein neues Angebot anfangs ‘nur’ vonzwei oder drei Personen wahrgenommen wird.In dieser Situation sind Strukturen wichtig, indenen auch zwei Personen als Gruppe betrach-tet werden mit entsprechenden Absprachenund Regeln. Außerdem brauchen neue Dingeimmer einige Zeit, bis sie sich etabliert haben.Und diese Zeit müssen sich auch die Verant-wortlichen ‘gönnen’.

Stellt sich später heraus, daß dieses neue Ange-bot doch nicht den Zuspruch hat, der aufgrundder geäußerten Wünsche und Interessen zu er-warten gewesen wäre, kann es gegebenenfallsmodifiziert werden oder aber es wird mit denNutzerinnen und Nutzern die Entscheidunggetroffen, es wieder aus dem Programm zunehmen.

Beispiel aus dem Ländlichen Sozio-kultu-rellen Zentrum Jänschwalde:

Um mehr Erwachsene und auch die beruf-stätigen Bewohnerinnen von Jänschwalde fürdas Haus zu interessieren, wurden Abendver-anstaltungen in Form von Spielrunden ange-boten mit der Möglichkeit, sich zu treffen, zuunterhalten oder bei Spiel und Spaß einen an-genehmen Feierabend zu verbringen. Nachmehreren Terminen, die nur von einzelnenBürgerinnen bzw. gar nicht wahrgenommenwurden, wurde dieses Angebot eingestellt.

Eine andere Möglichkeit im Team zu überprü-fen, ob die eigene Arbeit (noch) den Bedürfnis-sen der Nutzerinnen entspricht, sind Planspieleund Szenarien. Mit Planspielen können Situa-tionen oder Aktivitäten aus der täglichen Ar-beit, Befragungsaktionen usw. nachgespieltwerden, um zu analysieren, was gut gelaufenist oder was beim nächsten mal verbessert oderverändert werden kann oder muß. Dabei habendie Mitarbeiterinnen auch einmal die Möglich-

Page 35: Vska handbuch

keit, in die Rolle von Nutzerinnen oder von eh-renamtlichen Mitarbeiterinnen zu schlüpfenund umgekehrt die Nutzerinnen und die ehren-amtlichen Mitarbeiterinnen in die Rolle derHauptamtlichen, und sie können so erleben,wie die eigene Arbeits-, Verhaltens- oder Vor-gehensweise auf andere wirkt. Daraus lassensich Veränderungen für die Zukunft ableiten.Oder man macht die Erfahrung, daß das, wasgeleistet wurde, in Ordnung war. Lernen vomErfolg bedeutet, auf Funktionierendes aufzu-bauen.

Mit Szenarien werden ausgewählte Teile derPlanspiele auf ähnliche Weise bearbeitet.

Planspiele und Szenarien sind aber nicht nur fürdie Auswertung und Überprüfung von Arbeits-prozessen und -ergebnissen geeignet, sondernauch für deren Vorbereitung. Dabei kann z.B.eine Strategie entwickelt werden für die Durch-führung von Befragungs- oder anderen Aktio-nen. Zu erwartende schwierige Situationenkönnen vorab in verschiedenen Variantendurchgespielt werden. Und man kann sich dannfür die beste Variante entscheiden. Durch dieseArt des Übens und Ausprobierens werdengleichzeitig die kommunikativen Fähigkeitengeschult und es können auch Berührungsängstebei Mitarbeiterinnen abgebaut werden, die z.B.eine Bürgerbefragung durchführen sollen undbefürchten, daß sie nicht an die zu befragen-den Menschen ‘herankommen’.

Was bringt das?

Werden in der täglichen Arbeit zumindest eini-ge der oben beschriebenen Instrumentarien,Bedingungen, Standards und Möglichkeiten derEvaluation und Qualitätsicherung berücksich-tigt, werden in Ihrer Einrichtung die Angebotebürgernah und bedarfsorientiert sein.

Stellen die Bewohnerinnen fest, daß es einenOrt gibt, wo ihre Ideen und Wünsche gefragtsind, wo sie ernst genommen werden, wo sieihren Interessen nachgehen, ihre Fähigkeitenund Kenntnisse entfalten, weiterentwickelnund mit anderen teilen können und wo sie auchHilfe in schwierigen Situationen erhalten kön-nen, identifizieren sie sich auch mit den Zielenund Inhalten der Einrichtung und bringen sichin die Arbeit ein. Letztendlich bedeutet dasauch, daß Menschen mit geringer MobilitätEntfaltungsmöglichkeiten dort vorfinden undihren Interessen nachgehen können, wo siewohnen.

Orientierung an der Bedarfslage imStadtteil

Was ist das?

Die genaue Kenntnis der Lebenslage derBewohnerinnen eines Stadtteils/Ortes ist dieGrundlage für die Entwicklung sozialpädagogi-scher Angebote und Dienstleistungen, die imStadtteil fehlen und an denen ein Bedarf be-steht. Durch ihren stadtteilorientierten Arbeits-ansatz sind sozial-kulturelle Einrichtungen inder Lage, flexibel auf neuentstehende Problem-lagen zu reagieren. Sie stellen nicht nur Dienst-leistungen für die Bewohnerinnen zur Verfü-gung, sondern unterstützen durch basis- undprozeßbegleitende Beratung auch Bürgerinitia-tiven, Interessenvereinigungen usw., die imStadtteil/Ort aktiv sind bzw. werden wollen.

Wie geht das?

Der generations- und zielgruppenübergreifen-de Arbeitsansatz sozial-kultureller Einrichtun-gen hat den Vorteil, daß er flexibles Reagierenauf sich verändernde oder neu entstehendeProblemlagen ermöglicht. Bei rein zielgruppen-orientierten Einrichtungen ist das nur im Rah-men der Zielgruppe möglich. So ist es schon vonder konzeptionellen Gestaltung einer Jugend-einrichtung nicht möglich, Angebote für Senio-ren ins Programm aufzunehmen, wenn z.B. inder Nähe ein Seniorenwohnhaus eingerichtetwird.

Das scheitert an mehreren Punkten: • Die Finanzierung der Einrichtung wird

gefährdet, da sie von ihrer ursprünglichen Zielgruppe abweicht. Die Förderung von Seniorenarbeit über den Bereich Jugendar-beit ist rein haushaltstechnisch nicht möglich.

• Die Ausstattung einer Jugendeinrichtung ist selten für Senioren geeignet.

• Die Konzeption ist nur auf Jugendarbeit ausgelegt.

• Das Personal ist nicht entsprechend ausgebildet.

Sozial-kulturelle Einrichtungen verfügen übereine große Flexibilität in ihren Angeboten. Dieoben beschriebene Situation wäre für sie nichtallzu problematisch. Die Senioren können anbereits bestehenden Angeboten teilnehmenoder es werden entsprechend ihren Wünschenund Interessen neue Angebote entwickelt.

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

33

Page 36: Vska handbuch

Diese Flexibilität bezieht sich nicht nur auf denreinen Freizeitbereich, sondern auch auf sozial-pädagogische Angebote und Dienstleistungen.Wird ein bestimmter Bedarf im Einzugsgebietfestgestellt und es gibt keine entsprechendenAngebote anderer Träger, wird die Einrichtungeine Konzeption entwickeln, sich um die Finan-zierung (so erforderlich) kümmern und schließ-lich das Angebot unterbreiten.

Beispiel aus dem Bürgerladen e.V. Halle:

Im Bereich der Seniorenarbeit wurde dieNotwendigkeit deutlich, für einige ältereBesucherinnen individuelle Angebote in Formeiner gerontopsychiatrischen Tagesbetreuungzu erarbeiten. Diese Menschen befanden sichin Krisensituationen, wie Verlust der Partnerinoder des Partners, Entlassung aus ambulanteroder stationärer psychiatrischer Behandlungoder Verlust der vertrauten Wohngegenddurch einen Umzug. Einige von ihnen warenzwar körperlich jedoch nicht psychisch in derLage, einfache alltägliche Tätigkeiten wie Ein-kaufen, Abwaschen, Wäschewaschen usw. zuverrichten. Sie suchten tagsüber Hilfe und Be-treuung außerhalb der eigenen Wohnung, oh-ne diese aufgeben zu wollen.

1994 wurde daraufhin die „Tagesbetreuung“angeboten. Die vorwiegend älteren Menschenwerden tagsüber mit folgenden Zielstellungenbetreut: Wiedergewinnung bzw. Aufrechter-haltung der Aktivitäten des täglichen Lebens(gemeinsamer Einkauf, Zubereitung vonMahlzeiten, Tischdecken, Abwaschen, gemein-same Vorbereitung von Feiern, Veranstaltun-gen...); Bewegungstraining (Sitzgymnastik,Spaziergänge, Übungen mit Kleingeräten,Tanzen und Singen); Orientierungstraining zuZeit, Ort und Person; (Re)Aktivierung der gei-stigen Fähigkeiten (Lesungen, Spiele, Musik-hören, Musikmachen, kreative Arbeiten mitSeide, Papier, Naturmaterialien, Theater- undKinobesuche); soziale Betreuung und Bera-tung (Gespräche zur persönlichen Situation,

Beratung zu Möglichkeiten der Inanspruch-nahme weiterer sozialer Hilfe, Begleitung beiBehördenangelegenheiten). Die Gäste der Ta-gesbetreuung haben auch die Möglichkeit,gemeinsam mit den übrigen Nutzerinnen anallen anderen Kreativ-, Sport- und Kulturan-geboten in der Einrichtung teilzunehmen.Im Laufe der Zeit wurden viele große undkleine Erfolge sichtbar. So ist es gelungen, dieEntwicklung der anfangs sehr verschlossenenGäste so zu fördern, daß einige von ihnen in-zwischen im Chor mitsingen und sogar beigrößeren Veranstaltungen Texte vorlesen undGedichte rezitieren. Und die Gäste motivierensich auch schon mal gegenseitig. So stand einAusflug auf dem Programm und eine Frauwollte sich nicht beteiligen. Daraufhin sagteeine andere Frau zu ihr: Eben hast du dichnoch beklagt, daß dir die Decke auf den Kopffällt und jetzt willst du hier drin sitzenbleiben.Also, raff dich auf und komm mit! Diese Art der gerontopsychiatrischen Tagesbe-treuung ist bisher einmalig in Sachsen-Anhalt.Denn die Tagesgäste werden nicht als Krankein einer speziellen Einrichtung isoliert, son-dern sie sind in den gesamten Tagesablauf desHauses integriert. Sie bleiben nicht ausschließ-lich unter sich, haben täglich Kontakt mit ge-sunden Menschen und werden auch individu-ell gefördert.

Tritt in einem Stadtteil/Ort ein Problem auf,muß es natürlich jemanden geben, der sich dar-um kümmert und die Lösung dieses Problems inAngriff nimmt. Das heißt, daß der Verein alsTräger einer sozial-kulturellen Einrichtung auchTrägerfunktion für ein bestimmtes Angebotübernimmt.

Beispiele aus dem Jugendhaus „Ober-mützkower Storchennest“ e.V.:

Die Region leidet unter extrem hoherArbeitslosigkeit mit vielen Begleitproblemenwie finanzielle Probleme von Familien,Schwierigkeiten der Eltern bei der Erziehungihrer Kinder, steigende Jugendkriminalität,Alkoholmißbrauch usw. Der Verein setzte sich mit dieser Situation aus-einander und übernahm die Trägerschaft fürdie sozialpädagogische Familienhilfe nach § 31 KJHG. Die Mitarbeiterinnen suchen dieFamilien in ihren Wohnungen auf, beratenund unterstützen sie bei der Lösung von Erzie-hungs- und familiären Problemen. Vorausset-zung dafür ist, daß die Familien auch bereitsind, sich helfen zu lassen. Denn es handeltsich hierbei immerhin um einen ‘Eingriff von

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

34

Page 37: Vska handbuch

außen’ in familieninterne Angelegenheiten.So kommt es auch vor, daß Familien, die Hilfedringend notwendig hätten, diese ablehnen.Erschwerend für die Arbeit in ländlichenGebieten kommt hinzu, daß sich kaum etwas‘verheimlichen’ läßt, d.h. für die übrigenDorfbewohnerinnen wird sichtbar, daß manHilfe benötigt.

Darüber hinaus übernahm der Verein die Trä-gerschaft für ein sozialpädagogisch betreutesWohnen von straffällig gewordenen Jugendli-chen. Dazu wurde auf dem Gelände des Guts-hofes, auf dem sich mehrere Projekte desVereins befinden, ein Gebäude entsprechendhergerichtet. Dort werden die Jugendlichenrund um die Uhr von Fachpersonal betreut.Ihnen wird ein Schul- bzw. Berufsabschluß er-möglicht. Wer weder zur Schule geht nocheine Lehre absolviert, wird zu gärtnerischenund anderen Arbeiten auf dem Hof herange-zogen. Haben die Jugendlichen das 18. Le-bensjahr vollendet, müssen sie die Einrichtungverlassen. Sie erhalten dann Unterstützungbei den ersten Schritten in Richtung selbstän-diges Leben und bei der Suche nach einerWohnung. Im Haus hat jede/r Jugendliche ein eigenesZimmer und es stehen Gemeinschaftsräumezur Verfügung. Gemeinsam mit den Jugendli-chen wurden (strenge) Regeln für eine Haus-ordnung erarbeitet, bei deren Verletzungder/die Betreffende das Wohnprojekt verlas-sen muß. Das gilt z.B. bei Drogengebrauch,mehrfachem Schulschwänzen, unerlaubtemVerlassen des Geländes oder erneuten krimi-nellen Handlungen. Der Bedarf an solchen

Einrichtungen ist (leider) hoch. Der Vereinkann jedoch auf Grund eines amtlich für denOrt festgelegten Schlüssels dort nur 5-6Jugendliche betreuen. Beide Projekte werdenvom Jugendamt gefördert.

Durch institutionelle Vernetzungen und Ab-sprachen der Träger und Verwaltungen werdenInformationen zu (Problem-) Situationen aus-getauscht, auf deren Grundlage der Bedarf fürsozialpädagogische Angebote oder Dienstlei-stungen festgestellt, die Realisierung von ent-sprechenden Vorhaben konzipiert, ein Trägergefunden und die Finanzierung sichergestelltwerden kann.

Was braucht es?

Flexibilität im Umgang mit der Konzeption derEinrichtung ist eine der Bedingungen für dieOrientierung der Arbeit an der Bedarfslage imStadtteil/Ort. Das heißt natürlich nicht, daß dieKonzeption völlig offen gehalten wird. DieGrundlinien müssen immer vertreten werdenund auch in der täglichen Arbeit erkennbarsein. Flexibilität ist jedoch nicht mit Beliebigkeitzu verwechseln. Beliebigkeit macht die Arbeitnicht transparent, sondern diffus und sowohlfür die Nutzerinnen als auch für die Mitarbeite-rinnen nicht mehr nachvollziehbar.

Flexibilität beinhaltet auch, daß man Angebote,für die kein Bedarf mehr besteht, beendet oderunter Aufgaben, die man übernommen und er-füllt hat, einen Schlußstrich zieht. Flexibilitätbedeutet demzufolge nicht notwendigerweise,daß die Einrichtung ständig erweitert wird, weilimmer neue Aufgaben und Angebote dazu-kommen. Es muß ein Maß gefunden werden,daß altbewährte und neue Angebote sich nichtgegenseitig ausschließen oder verdrängen.

Soll die Arbeit in der Einrichtung sich am Bedarfim Stadtteil/Ort orientieren, müssen auch freieKapazitäten für Entwicklungsaufgaben vorhan-den sein. Es sollte also jemanden geben, der dieEntwicklungen im Stadtteil/Ort genau verfolgt,neue Situationen oder Probleme erkennenkann, die entsprechenden Stellen (z.B. Ge-schäftsführung oder Vorstand) in der Einrich-tung darüber informiert. Dann wird gemeinsamüberlegt, ob eigener Handlungsbedarf besteht.Ist das der Fall, wird die Vorgehensweise festge-legt. Meist wird es sich dabei um die Entwick-lung einer Konzeption und die Sicherung derFinanzierung handeln. Für diese Aufgaben mußnatürlich jemand zuständig sein/gemacht wer-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

35

Page 38: Vska handbuch

den. Diese Person/en sollten, sofern sie nichtständig konzeptionell arbeiten, dann auch dieerforderliche Zeit erhalten. Das beinhaltet, daßsie u.U. eine Zeit lang von ihrer täglichen Arbeitbefreit werden.

Beispiel aus dem Ländlichen Sozio-kulturellen Zentrum Jänschwalde:

In zwei bis drei Jahren wird die Gesamt-schule im Ort geschlossen werden, nur dieGrundschule bleibt erhalten. Das bedeutet fürdie Einrichtung, daß ein Teilbereich der Ar-beit, nämlich der Schülertreff, stark an Bedeu-tung verlieren wird. Die Grundschüler dürfendas Schulgelände in Freistunden nicht verlas-sen und die Gesamtschüler, die Freistundenoder die Wartezeit bis zur Abfahrt des Schul-busses im Haus verbracht haben, werden nichtmehr kommen. So stellen sich für das LSZ gleich mehrereAufgaben, an denen konzeptionell gearbeitetwerden muß. Das sind z.B. der Verlust der Ziel-gruppe der Gesamtschülerinnen, die zum Teilvormittags, hauptsächlich aber in den frühenNachmittagsstunden das Haus nutzen; derWegfall von Projekten, die gemeinsam mit derGesamtschule durchgeführt werden; und dieSuche nach Möglichkeiten der Nutzung desdann leerstehenden Schulgebäudes. Seit demBekanntwerden der Entscheidung, die Schulezu schließen, gibt es Überlegungen, mit wel-chen konzeptionellen Ideen dieses entstehen-de Vakuum gefüllt werden kann. Gleichzeitiggeht es auch um die Finanzierung von zweiPersonalstellen zum Sommer des Jahres 2000.Aus diesen Gründen hat der Träger einen Mit-arbeiter freigestellt, damit dieser sich gezieltmit der Situation beschäftigen und konzeptio-nelle Lösungen erarbeiten kann.

So wurde gemeinsam mit den Kindern und Ju-gendlichen überlegt, welche Angebote für sieso interessant wären, daß sie das Haus auch

weiterhin, dann natürlich zu anderen Zeiten,besuchen würden. Erste Ergebnisse der Über-legungen sind bereits sichtbar: Es wurde einkleines (gebrauchtes) Computer-Netzwerk an-geschafft, das zum Erledigen von schriftlichenHausaufgaben wie das Schreiben von Aufsät-zen, das Erarbeiten von Vorträgen usw. ge-nutzt werden kann. Dazu gibt es entsprechen-de Nachschlagewerke in der Bibliothek und

auf CD-Rom. Zusätzlich dazu verfügt das Hausüber einen Internetanschluß, so daß auch dieMöglichkeiten des Suchens, Kommunizierensund Surfens im Internet besteht. Für das Schulgebäude gibt es aufgrund desLehrstellenmangels in der Region die Idee, einAusbildungszentrum mit Wohn-, Unterrichts-und Arbeitsräumen einzurichten. Die konzep-tionellen Vorbereitungen und die Recherche-arbeiten sind bereits angelaufen.

Wer erfolgreich an einer Konzeption arbeitenwill, benötigt auch den Zugang zu Informatio-nen anderer Institutionen und Ämter. Zur ge-nauen Beschreibung der Situation im Stadt-teil/Ort und deren Unterlegung mit konkretenFakten sind diese Informationen genauso not-wendig wie zur Überprüfung der Finanzie-rungsmöglichkeiten oder zur Vermeidung vonAngebotsdoppelungen. Gibt es z.B. bereits einebetreute Wohnform für schwangere minder-jährige Mädchen in der Umgebung, macht eswenig Sinn, eine zweite in unmittelbarer Näheeinzurichten. Dann sollte eher der Weg gewähltwerden, daß das vorhandene Projekt erweitertwird, wenn tatsächlich ein erhöhter Bedarf ansolchen Unterbringungsmöglichkeiten offen-sichtlich wird.

Wie kann es überprüft werden?

Zur Überprüfung der Frage, ob sich die Ange-bote der eigenen Einrichtung wirklich an der

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

36

Page 39: Vska handbuch

Bedarfslage im Stadtteil orientieren, bedarf esder Abstimmung mit den zuständigen kommu-nalen Stellen. Denn nur wenn ein von einer Ein-richtung festgestellter Bedarf auch von diesenbestätigt wird, werden sie bereit sein, ein Ange-bot bzw. eine Dienstleistung auch zu finanzie-ren. Nutzerinnenbefragungen und Umfragenim Stadtteil/im Ort sind weitere Möglichkeitenherauszufinden, ob die bestehenden oder neuentwickelte Angebote dem Bedarf entsprechen.

Beachtung finden sollten auch die Rückmeldun-gen von Stadtteilkonferenzen, von Aktivitätenim Sozialraum, aus Arbeitsgruppen oder ähnli-chen Gremien. Die Informationen, die man aufdiese Weise erhält, geben ebenfalls Aufschlußdarüber, ob die Angebote und Dienstleistungender Einrichtung sowohl von den Bewohnerin-nen des Stadtteils/Ortes als auch von den kom-munalen Stellen als notwendig und richtig be-trachtet werden. Natürlich kann die Einrichtungauch selbst solche Gremien ins Leben rufenbzw. sich an deren Organisation beteiligen.

Die Durchführung von Experten-Hearings trägtdazu bei, die eigene Arbeit unter Einbeziehungder Meinung und der Erfahrungen von Fachleu-ten zu überprüfen und zu hinterfragen.

Was bringt das?

Die Orientierung der Arbeit der Einrichtung ander Bedarfslage im Stadtteil/Ort ist ein entschei-dender Beitrag zum Abbau von Defiziten in dersozialen und kulturellen Versorgung. Dadurchwird gewährleistet, daß Bedarfslagen und posi-tive wie negative Veränderungen schnell er-kannt werden und entsprechend flexibel mitder Entwicklung neuer Angebote und Dienstlei-stungen oder, bei sinkendem oder nicht mehrvorhandenem Bedarf, mit deren Modifizierungoder Streichung reagiert werden kann.

Multikulturelles und generationsüber-greifendes Begegnen und Zusammen-wirken in Stadtteilen

Was ist das?

Menschen unterschiedlichen Geschlechts, unter-schiedlicher Generationen und weltanschauli-cher Orientierungen werden zusammengeführtund dabei gefördert, gruppenspezifische undgemeinsame, stadtteilbezogene Interessen zuverwirklichen.

Wie geht das?

Generationsübergreifende Aktivitäten sind einwichtiger Bestandteil sozial-kultureller Arbeit.Das heißt jedoch nicht, daß alle Angebote fürMenschen der verschiedenen Generationen

konzipiert sein müssen. Denn die unterschiedli-chen Generationen und die damit einhergehen-den unterschiedlichen Altersgruppen habennatürlich stark abweichende Interessen undBedürfnisse. So haben Seniorinnen eher einBedürfnis nach Ruhe, wohingegen Kinder undJugendliche andere Verhaltensweisen habenund auch laut sind. Und Jugendliche wollennicht ständig Rücksicht nehmen müssen, wennsie z.B. Musik in der für sie ‘angenehmen’ Laut-stärke hören wollen. Dazu gehört auch die un-terschiedliche Gestaltung der Räumlichkeitenwas Mobiliar, farbliche Gestaltung, Beleuchtungusw. anbelangt.

Gemeinsame Aktivitäten aller Generationen las-sen sich meist nur über ein gemeinsames Themaund eine gemeinsame Vorbereitung verwirkli-chen. Gemeinsame Themen können z.B. dieVeranstaltung von Festen in der Einrichtung

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

37

Page 40: Vska handbuch

oder im Stadtteil, die Durchführung einesTrödelmarktes oder einer Hilfsaktion usw. sein.Ausgangspunkte für generationsübergreifen-des Begegnen und Zusammenwirken sind in er-ster Linie zielgerichtete Angebote für einzelneBereiche und Zielgruppen. Um das Begegnenund Zusammenwirken zu fördern, lassen sichdann geplante gemeinsame Angebote für dieunterschiedlichen Zielgruppen entwickeln.Denn multikulturelles und/oder generations-übergreifendes Begegnen und Zusammenwir-ken entsteht in den seltensten Fällen von selbst.Hier sind kommunikatives Geschick und Auf-merksamkeit der Mitarbeiterinnen gefragt. Dieverschiedenen Generationen sollten direkt an-gesprochen werden, das Ansprechen muß mög-licherweise auch in verschiedenen Sprachenerfolgen. Dies bezieht sich sowohl auf dieunterschiedlichen Generationen als auch aufdie unterschiedlichen Kulturen.

Es muß auch für die erforderlichen Freiräumefür Begegnungen gesorgt werden. So sollte esin der Einrichtung Räume geben, die zwanglo-ses, unverbindliches Begegnen ermöglichenund fördern. Das sind in vielen Häusern kleineCafés, wo sich die Nutzerinnen der verschiede-nen Angebote treffen und ins Gespräch kom-men können. Da kommt die Seniorensportgrup-pe, um ihren Durst zu stillen, und trifft im Caféauf die Mutter-Kind-Gruppe, die zum Abschlußihres Treffens noch einen Kaffee trinken möch-te, oder auf die Jugendlichen, die noch eineCola trinken wollen bevor sie in den Jugend-treff gehen, der in einer halben Stunde öffnet...Zu einem wirklichen Begegnen wird dieses ‘Zu-sammentreffen’ jedoch erst, wenn sich unterden einzelnen Gruppen auch Gespräche, Kon-takte und Austausch entwickeln.

Will man diesen eher unverbindlichen Charak-ter der Begegnungen durchbrechen, brauchtman ein konkretes Ziel oder Thema, das für alleBeteiligten von Interesse ist und das man ge-zielt verfolgen kann. Hier gibt es viele Möglich-keiten, die allerdings von den Interessen,Kenntnissen und Fähigkeiten der Einzelnen ab-hängig sind. So könnten sich, unabhängig vonAlter und Nationalität, die Hobbyköchinnen zueinem Kochzirkel zusammenfinden. Oder eswird die Gründung einer Theatergruppe in An-griff genommen. Vielleicht gibt es gute Sänge-rinnen und Sänger, die sich zusammentunmöchten. Möglicherweise besteht Interesse aneiner Kabarettgruppe, an einem Selbstverteidi-gungskurs, an der Vorbereitung und Durch-führung eines Kinderfestes, an Erzählcafés usw.Geeignet ist auch die Arbeit in Werkstätten,wobei nicht eine Altersgruppe, sondern ein

Thema im Vordergrund steht, mit Angeboten invielfältigen Bereichen wie Keramik, Foto, Fahr-rad, Moped, Motorrad, Druckerei, Holz- oderMetallbearbeitung, Textilgestaltung, Malenund Zeichnen.

Aufgabe der Mitarbeiterinnen ist es nicht nur,ein offenes Ohr für diese Wünsche zu habenund die Umsetzung der Ideen zu fördern undzu unterstützen, sondern gleichzeitig die Zieleder Einrichtung zu vertreten, die unter ande-rem darin bestehen, Gemeinschaft und Eigen-verantwortung zu fördern.

Die Raumvermietung an Fremdgruppen bietetweitere Möglichkeiten für die Förderung vonBegegnungen. Hier kommen Menschen in dieEinrichtung, die nicht zu den ständigen Nutze-rinnen gehören, sondern in den vorhandenenRäumlichkeiten ihre eigenen Interessen umset-zen möchten. Dabei ergibt sich wiederum eineunverbindliche Begegnungsmöglichkeit mit den‘regulären’ Besucherinnen des Hauses. Dennman trifft sich auf alle Fälle beim Betreten undVerlassen der Räume. Ob es sinnvoll ist, diesespunktuelle Begegnen weiter auszubauen, solltevon Fall zu Fall entschieden werden.

Bei der Nutzung der Räumlichkeiten durchFremdgruppen ist es wichtig, diese Gruppen zukennen und zu wissen, daß deren inhaltlicheArbeit sich mit den Grundsätzen der eigenenArbeit deckt. Keine Einrichtung ist zum Beispielvöllig vor rassistischen oder spiritistischen Grup-pierungen geschützt, deren Haltung anderenMenschen gegenüber diesen Grundsätzen wi-derspricht. Mit Regeln wie grundsätzliches Wer-beverbot und erhöhte Aufmerksamkeit der Mit-arbeiterinnen kann der Mißbrauch der Einrich-tung weitestgehend vermieden werden.

Auch durch Angebote an wechselnden Ortenwerden Begegnungsmöglichkeiten gefördert.

Beispiel aus dem Bürgerladen e.V. in Halle:

Die Mitarbeiterin des Leseclubs entwickeltedie beliebte Angebotsreihe „Musikalisch-literarische Wanderungen“. Bekannte Schau-spielerinnen, Schriftstellerinnen, Sängerinnen,Komponistinnen usw. werden mit Informatio-nen aus ihrem Leben und Ausschnitten ausihrem künstlerischen Schaffen vorgestellt. Jenach Thema werden Filmausschnitte gezeigt,Musikbeispiele ausgewählt oder Auszüge ausBüchern vorgelesen. Da die Vorbereitung die-ser Veranstaltungen sehr zeit- und arbeitsin-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

38

Page 41: Vska handbuch

tensiv ist (es muß jede Menge Material gesich-tet, zusammengestellt und für die Präsentati-on aufgearbeitet werden), überlegte dieMitarbeiterin, wie sie die inzwischen rechtumfangreich gewordene Sammlung weiternutzen könnte. So entstand die Idee, diesesAngebot auch in anderen Einrichtungen derStadt durchzuführen. Die Orte und Terminewerden auch in der eigenen Einrichtungbekanntgegeben, so daß diejenigen, die daseine oder andere gern noch einmal sehenoder hören möchten, dies tun können. Gleich-zeitig kommen so Menschen in Kontakt, diesich in ihren jeweiligen ‘Stammeinrichtungen’nie begegnen würden.

Informationsveranstaltungen und Feste eignensich besonders für generationsübergreifendeAktivitäten. Informationsveranstaltungen wer-den meist für den Stadtteil und seine Bewohne-rinnen wichtige und interessante Themen undProbleme behandeln, z.B. die geplante Sanie-rung von Wohnhäusern, die Schaffung von ver-kehrsberuhigten Zonen im Wohngebiet, dieNeugestaltung der Grünanlagen, oder andereThemen von aktueller Bedeutung wie Informa-tionen zum Mietrecht, zum Rentenrecht, zurGesundheitsproblematik, um nur einige zu nen-nen.

Beispiel aus dem Stadtteilzentrum Messe-magistrale in Leipzig:

Hier findet regelmäßig einmal im Monatder ‘Bürgerstammtisch’ zu den unterschied-lichsten Themen statt. Dabei wird großer Wertdarauf gelegt, die Interessen und Fragen derBewohnerinnen des Stadtteils zu berücksichti-gen. So gab es Fragen zur Qualität und zum

Preis des Trinkwassers. Dazu wurde jemandvom Wasserwerk eingeladen, der den Bürge-rinnen Rede und Antwort stand. Oder eswerden Vertreter des Amtes für Stadtplanung

gebeten, Auskunft zur Entwicklung desWohngebietes zu geben. Aber auch Politikerder Stadt werden eingeladen, um sich den Fra-gen der Menschen zu stellen und sie bei derLösung ihrer Probleme zu unterstützen.Weiterhin werden auch Informationsveran-staltungen zu Alltagsfragen wie gesundeErnährung, Haustierpflege, Tips zur Woh-nungsrenovierung, Leistungen der Kranken-kassen usw. angeboten. Diese Veranstaltungen werden von verschie-denen Altersgruppen genutzt, so auch vonLeuten, die sonst nicht regelmäßig ins Hauskommen. Stadtteil-, Wohngebiets-, Kinder-, Familien-,Sommerfeste usw. sind immer Höhepunkte fürdie Einrichtung und den Stadtteil. In vielenHäusern gibt es inzwischen traditionelle Feste

zu verschiedenen Thematiken und Anlässen. Beideren Vorbereitung und Durchführung sindnicht nur die haupt- und ehrenamtlichen Mitar-beiterinnen gefragt, sondern alle Nutzergrup-pen der Einrichtung können (und sollen) ihrenBeitrag zum Gelingen leisten. Die Beteiligungs-möglichkeiten reichen dabei von handwerkli-chen Arbeiten beim Aufbau und Gestalten vonStänden, über die Aufführung von kleinen Pro-grammen, die Präsentation und/oder den Ver-kauf von Keramik-, Seidenmal-, Bastel- undHandarbeiten aus den einzelnen Bereichen desHauses, bis hin zur Sicherstellung der gastrono-mischen Versorgung oder dem Einwerben vonSpenden.

Bei Stadtteilfesten arbeiten alle interessiertenEinrichtungen, Vereine, Institutionen usw. desTerritoriums und nach Möglichkeit auch derenNutzerinnen gemeinsam an der Vorbereitungund Durchführung. Dabei ist natürlich auch derorganisatorische Aufwand höher. Die Aufga-benverteilung muß koordiniert und der Standder Vorbereitungen regelmäßig überprüft wer-den, die Finanzierung muß sichergestellt, erfor-derliche Genehmigungen müssen eingeholtwerden, die Öffentlichkeitsarbeit darf nichtvergessen werden usw.

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

39

Page 42: Vska handbuch

Die Bedeutung von multikulturellen Begegnun-gen ist natürlich in Stadtteilen/Orten besondersgroß, in denen viele Menschen mit unterschied-lichen kulturellen Hintergründen leben. Dabeigilt wie bei der generationsübergreifenden Ar-beit: Ohne ein spezielles Thema, Ziel oder Inter-esse funktioniert multikulturelles Begegnennicht. Es gilt u.a. auch Begegnungsmöglichkei-ten für die Menschen einer Kultur zu schaffenz.B. durch spezifische Angebote für Frauen,Mädchen, Familien usw., aus denen herausdann multikulturelles Begegnen mit bestimm-ten Zielstellungen entwickelt werden kann.Ziele können z.B. sein: Angebote für bestimmteInteressengruppen wie Näh-, Schneider- oderHandarbeitskurse für Frauen und/oder Mäd-chen, gemeinsame Betätigung in verschiedenenWerkstattbereichen (Holz, Fahrrad, Keramik,Medien) oder die gemeinsame Vorbereitungund Durchführung von kulturellen Veranstal-tungen zum gegenseitigen Kennenlernen odervon Stadtteilfesten.

Beispiel aus dem Stadtteilzentrum Messe-magistrale Leipzig:

Im Umfeld der Einrichtung leben vieleMenschen unterschiedlicher Nationalitätenund demzufolge gibt es eine ganze Reihe kul-tureller Organisationen. Das Stadtteilzentrumstellt Räume für Zusammenkünfte der jeweili-gen Organisationen zur Verfügung. Gleichzeitig wird großer Wert auf das gegen-seitige Kennenlernen sowohl der Organisatio-nen untereinander als auch mit den deutschenStadtteilbewohnerinnen gelegt. Um ein gutesZusammenleben zu fördern, finden mehrmals

jährlich Veranstaltungen statt, bei denen sicheine oder mehrere Nationalitäten mit ihrenSitten und Bräuchen, Musik und Tänzen,Kleidung und Essen vorstellen können. Sokommen alle ins Gespräch und lernen sichgegenseitig kennen und verstehen. Es steht

dann immer ein ganzer Tag unter einem na-tionalen Thema. Es gab bereits einen Afrika-Tag, einen Osteuropa-Tag, einen Lappland-Tag, einen Lateinamerika-Tag.Auch sportliche Wettkämpfe stehen auf demProgramm. So spielen Mannschaften verschie-dener Länder oder gemischte Mannschaftengegeneinander Fußball oder Volleyball. Immermit von der Partie sind natürlich auch diejugendlichen und erwachsenen Nutzerinnender Einrichtung.

Beispiel aus dem Bürgerladen e.V.in Halle:

Auf dem Gelände des Frauen- und Kommu-nikationszentrums, in dem auch der Bürgerla-den beheimatet ist, findet jährlich das Multi-kulturelle Sommerfest statt. Veranstalter sinddie fünf im Haus ansässigen Vereine. Der Tag

beginnt mit einem politischen Frühschoppen,bei dem zu aktuellen Themen diskutiert wird.Dieses Jahr war es die Einführung des Euro. Estreten Kulturgruppen aller in der Stadt vertre-tenen Nationalitäten mit Musik und Tanz auf.Eine internationale Modenschau stand dies-mal auch auf dem Programm. Es gibt Sport-,Spiel- und Bastelangebote für Kinder. AuchKostproben aus der internationalen Küche(arabisch, vietnamesisch, russisch, deutsch)gehören dazu, die von den Vertreterinnen dereinzelnen Länder vorbereitet und angebotenwerden. Die Vereinigung der Binationalen Familien or-ganisierte eine Tombola. Und verschiedeneOrganisationen wie der Eine-Welt-Laden, dasEine-Welt-Haus oder das DRK nutzten dieMöglichkeit, um ihre Arbeit vorzustellen.

Was braucht es?

Fachkompetentes Personal ist eine Grundvor-aussetzung für generationsübergreifende Ar-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

40

Page 43: Vska handbuch

beit. Da es um Menschen aus allen Altersgrup-pen und nicht nur um bestimmte Zielgruppengeht, müssen die betreffenden Mitarbeiterin-nen auch den Zugang zu den verschiedenenGenerationen finden. So wird es sicher eineUmstellung sein für jemanden, der bisher aus-schließlich in der Kinder- und Jugendarbeittätig war und sich nun darüber hinaus auch anjüngere und ältere Erwachsene und Seniorin-nen wenden möchte oder soll.

Hilfreich ist dabei auch der Blick über den Tel-lerrand, um von den Erfahrungen anderer zulernen, neue Ideen in die Arbeit einfließen zulassen, deren Qualität zu verbessern und die eigene Tätigkeit zu reflektieren. Das schließtauch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mitallen Bereichen der eigenen Einrichtung aberauch mit anderen Vereinen, Projekten und Institutionen ein.

Stadtteile/Orte sind keine statischen Gebilde.Die kulturellen und altersmäßigen Strukturender Bevölkerung werden sich im Laufe der Jah-re verändern und damit auch die Interessen undBedürfnisse der Menschen. Diese Veränderun-gen zu erkennen und entsprechend darauf zureagieren, erfordert Flexibilität in Bezug auf dieArbeitsansätze der Mitarbeiterinnen, die Ange-botsstruktur und die konzeptionelle Weiterent-wicklung der Einrichtung.

Für die multikulturelle Arbeit benötigt mansowohl fach-, als auch kultur- und sprachkom-petentes Personal mit reichlich Phantasie undToleranz. Neugier auf andere Kulturen und dieAneignung guter Kenntnisse zu den kulturellenHintergründen der ausländischen Mitbürgerin-nen sind eine wesentliche Voraussetzung für er-folgreiches Handeln. Ein hohes Maß an Tole-

ranz ist erforderlich, um im Umgang mit ande-ren Kulturen Dinge und Erscheinungen zu ak-zeptieren, die auf den ersten Blickungewöhnlich sind. Hat man sich z.B. mit dem unterschiedlichenRollenverständnis von Männern/Jungen und

Frauen/Mädchen aus dem islamischen Kultur-kreis beschäftigt, ist klar, daß Angebote fürdiese Zielgruppen diesem Rollenverständnisentsprechen müssen, wenn man sich nicht selbsteinen Mißerfolg organisieren will. Auch Kenntnisse in der jeweiligen Sprache bzw.die Einstellung von Mitarbeiterinnen der ent-sprechenden Nationalität sind ebenfalls erfor-derlich, da nicht alle Menschen, besonders die,die man erreichen möchte, die deutsche Spra-che ausreichend beherrschen. Es ist leichter, mitihnen in Kontakt zu kommen, wenn man ent-sprechende Sprachkenntnisse hat. Das gilt erstrecht für die Unterstützung und Beratung vonausländischen Mitbürgerinnen in Problemsitua-tionen.

Die Berücksichtigung kultureller Werte undNormen ist eine wichtige Grundlage undVoraussetzung für erfolgreiche multikulturelleArbeit. Dann muß eben auch mal ein männer-freier (oder auch ein frauenfreier) Raumgeschaffen werden, wenn z.B. erreicht werdensoll, daß türkische oder arabische Frauen undMädchen bestimmte Angebote annehmen (dür-fen).

Im Vergleich zu den westlichen Bundesländernspielt in den östlichen Bundesländern die The-matik der islamischen Kultur eher eine unterge-ordnete Rolle. Hier stehen vor allem Aussiedle-rinnen aus den GUS-Staaten, Vietnamesinnenund Kriegsflüchtinge aus der Balkan-Region imBlickpunkt.

Beispiel aus dem Bürgerladen e.V. in Halle:

Unter dem Motto „Reden und besser ver-stehen“ wurde das Projekt MITEINANDER insLeben gerufen. Das Projekt will die Intergrati-on von Aussiedlerfamilien, Flüchtlingen, aus-ländischen und binationalen Partnerschaftenunterstützen. Ansatzpunkte sind die Beratungvon Aussiedlerfamilien und Flüchtlingen, derKontakt zum Verband binationaler Partner-schaften, individuelle Hilfen, die Durch-führung von gemeinsamen Veranstaltungen,die Zusammenarbeit mit Ämtern der StadtHalle, Leitungen der verschiedenen Heime,sowie mit Verbänden, Vereinen und Institutio-nen.In diesem Projekt arbeiten eine deutsche Kol-legin und eine Aussiedlerin gemeinsam an derLösung der verschiedenen Probleme. Dabeigeht es z.B. um das richtige Ausfüllen der ver-schiedensten Anträge, um Hilfestellung beider Arbeits- und Lehrstellensuche, um Bera-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

41

Page 44: Vska handbuch

tung in individuellen Problemsituationen, umdas Erlernen der deutschen Sprache bzw. dieVerbesserung der Sprachkenntnisse oder umdie Begleitung bei Behördenangelegenheiten,bei denen Unterstützung oder Dolmetschlei-stungen notwendig sind.

Wie kann es überprüft werden?

Die Überprüfung der Qualität von multikultu-reller und generationsübergreifender Arbeit er-folgt durch die Dokumentation der spezifischenAngebote, d.h. die Darstellung der Vielfalt derAngebote. Gleichzeitig werden dabei Fragenüberprüft, wie: Haben die Angebote noch oderüberhaupt einen Bezug zum Haus bzw. zu des-sen Aufgabenstellung? Welche Ziele und wel-che Zielgruppen sind erreicht worden? Damit einhergehend sollte ein Abgleich mit derGesamtkonzeption stattfinden.

Regelmäßige Gespräche und aufmerksamesZuhören während der einzelnen Angebote kön-nen zur Überprüfung der Akzeptanz der Teil-nehmerinnen genutzt werden. Dazu zählt auchdie regelmäßige Auswertung gemeinsamerAktionen sowohl mit den Mitarbeiterinnen alsauch mit interessierten Beteiligten. Eine wichti-ge Rolle spielt dabei auch die Auswertung vonPressemitteilungen.

Was bringt es?

Auf diese Weise entsteht ein Ort der Begeg-nung für alle Altersgruppen und Nationalitätenim Stadtteil/Ort und es wird ein aktiver Beitragzum Verständnis und zu sozialem Miteinandergeleistet. Vorurteile werden abgebaut. Sich von‘liebgewordenen’ Abgrenzungen zu trennenund sich selbst als Teil eines größeren Zusam-menhangs zu begreifen, kann manchmal einschmerzlicher Prozeß sein. Aber nur so kannIgnoranz abgebaut werden und Verantwort-lichkeit und Toleranz wachsen.

Hilfe zur Selbsthilfe

Was ist das?

Im Vordergrund der Arbeit steht, Menschen da-bei zu unterstützen, ihre Fragen und Problemeaus eigener Kraft bzw. in einer Gruppe Gleich-gesinnter zu lösen. Das heißt, den Menschen

wird dabei geholfen, ihre eigenen Fähigkeiten(wieder)zuentdecken und so zu vertiefen oderweiterzuentwickeln, daß sie in die Lage versetztwerden, ihre Probleme zu erkennen und aktivan deren Lösung zu arbeiten.

Wie geht das?

Meist wird man als Mitarbeiterin oder Mitarbei-ter einer sozial-kulturellen Einrichtungwährend einer Unterhaltung, bei gemeinsamenTätigkeiten, bei Wanderungen usw., also beiganz ‘normalen’ Angeboten, mit individuellenProblemlagen einzelner Besucherinnen und Be-sucher konfrontiert. Das können z.B. finanzielleoder gesundheitliche Probleme, Erziehungsfra-gen, Auseinandersetzungen mit dem Vermieter,Unzufriedenheit mit einer bestimmten Situati-on im Stadtteil sein.

Die Herangehensweise der sozial-kulturellenArbeit bei der Lösung solcher Probleme ist, die-

sen Menschen entsprechende Kenntnisse zuvermitteln, Handlungsstrategien zu trainierenund sie damit in die Lage zu versetzen, Antwor-ten auf ihre Fragen oder Lösungen für ihreProbleme selbst zu finden. Dies läßt sich fürbetroffene Einzelpersonen und auch für Grup-pen anwenden.

Ein Grundsatz dabei ist, daß nicht ich als Mitar-beiterin oder Mitarbeiter das Problem für eineHilfesuchende oder einen Hilfesuchenden löse,sondern daß ich sie dabei unterstütze und dazubefähige, es selbst zu tun. Ich fülle also nichtmal eben den Wohngeldantrag aus (weil esschneller geht, wenn ich es selbst mache),sondern ich nehme mir Zeit für Erklärungenund passive Hilfeleistungen. So kann erreichtwerden, daß ein Lernprozeß einsetzt, von demdiese Person profitieren kann und dessenErgebnisse auch weiterhin angewendet werden

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

42

Page 45: Vska handbuch

können. Durch die Stärkung der Eigenverant-wortung und der Kompetenzen der Menschenentsteht kein Abhängigkeitsverhältnis zwischendem/der Hilfesuchenden und der Helferin/demHelfer. Insbesondere wenn eine größere Perso-nengruppe betroffen ist, sind Informationsrun-den geeignet, um den Sachverhalt zu beleuch-ten, die Ursachen zu analysieren und Lösungs-wege aufzuzeigen. Je nach Problemlage bietetsich die Initiierung von Selbsthilfegruppen oderBürgerinitiativen an. Das heißt jedoch nicht,daß diese Gruppen auch ständig von hauptamt-lichen Mitarbeiterinnen geleitet werden müs-sen. Nach einer Anfangsphase, in der professio-nelle Unterstützung und Begleitung dazuführen sollten, die Mitglieder der Gruppe zubefähigen, diese selbst zu organisieren und zuleiten, tritt die professionelle Leitung in denHintergrund. Bestehen bleibt dabei das Ange-bot der Beratung von Interessierten und Grup-pen zu spezifischen Themen.

Mitarbeiterinnen der Einrichtung mit entspre-chenden Kenntnissen unterstützen Einzelperso-nen, Selbsthilfegruppen, Bürgerinitiativen,wenn es um Fragen der Organisation geht,oder wenn Krisenintervention oder Mediationerforderlich sind. Da nicht alle Fragen oder Pro-bleme mit Unterstützung der Mitarbeiterinnengelöst werden können, ist die Kooperation mitFachleuten der verschiedensten Bereiche beson-ders wichtig. Viele Einrichtungen haben im Lau-fe der Zeit Karteien entwickelt mit Ansprech-partnern anderer Träger und Institutionen, die

sich auf bestimmte Fachgebiete spezialisiert ha-ben. Dorthin können Hilfesuchende dann ver-mittelt werden. Es ist empfehlenswert, die einzelnen Schritteder Bearbeitung der verschiedenen Problemla-gen festzuhalten, damit diese später in ähnli-chen Situationen wieder verwendet werdenoder als ‘Nachschlagewerk’ für Selbsthilfegrup-pen dienen können. Ebenso hilfreich ist es, eineÜbersicht über bestehende Selbsthilfegruppender verschiedenen Bereiche zu haben, damitHilfesuchende an diese vermittelt werden kön-nen. Es muß ja nicht für jede/jeden, der auf derSuche nach einer solchen Gruppe ist, eine neueeingerichtet werden.

Im Rahmen von Hilfe zur Selbsthilfe wird sicherjede Einrichtung ihre Räume und Infrastrukturzur Verfügung stellen für Bürgerinitiativen undVereine. Das heißt, mit der Nutzung der Räumeist auch die Nutzung der vorhandenen techni-schen und organisatorischen Ressourcen(Telefon, Computer, Kopierer usw.) verbunden.Solche Angebote werden auch von den ver-schiedensten Selbsthilfegruppen angenommen,die oft nur von Zeit zu Zeit einen Raum für ihreTreffen und Veranstaltungen benötigen.

Durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeitkönnen Selbsthilfeangebote für Gruppen oderEinzelpersonen bekanntgemacht werden oderweitere Mitglieder für eine Gruppe gesuchtwerden. Es werden die Möglichkeiten und Er-folge von Selbsthilfegruppen dargestellt, einembreiteren Personenkreis nahegebracht und viel-leicht wird deren Interesse geweckt.

Was braucht es?

Für die Arbeit mit Selbsthilfegruppen und Ein-zelpersonen müssen eigene Räume vorhandensein, die man diesem Personenkreis zur Nut-zung anbieten kann. Das bedeutet natürlichnicht, daß diese Räume ausschließlich für Selbst-hilfearbeit genutzt werden müssen und daßdort keine anderen Aktivitäten stattfinden dür-fen. Die Raumvergabe muß aber entsprechendkoordiniert werden. Den Selbsthilfegruppenkann z.B. eine vorrangiges Nutzungsrecht ein-geräumt werden.Eine verbindliche und entscheidungsbefugteKoordinationsstelle für die Selbsthilfearbeitsollte selbstverständlich sein. Die Gruppen undPersonen brauchen eine feste Kontaktperson,an die sie sich mit ihren Fragen wenden kön-nen. Dabei kann es z.B. einfach nur darumgehen, welcher Raum genutzt wird. Oder es

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

43

Page 46: Vska handbuch

werden bestimmte Materialien oder Gerätebenötigt, die im Haus vorhanden sind, aberherausgegeben werden müssen. Oder es gehtdarum, kompetente Referentinnen zu einembestimmten Thema zu finden. Oder jemandbefindet sich in einer akuten Krise, die profes-sionelles Eingreifen notwendig macht...

Persönliche Befindlichenkeiten und Problemla-gen der Menschen in den verschiedenen Berei-chen der individuellen und sozialen Selbsthilfeerfordern kommunikative Fähigkeiten undAkzeptanz im Umgang mit unterschiedlichenGruppen sowie gute Kenntnisse auf dem Gebietprofessioneller Verfahren in Interaktion, Bera-tung und Krisenintervention.

Je nach Inhalt, Zusammensetzung und Zielstel-lung der Gruppen ist eine unterschiedliche Her-angehensweise notwendig.

Es gibt Gruppen, die vorwiegend nach innengerichtet und klein sind und deren Ziel nebender praktischen Hilfe ein veränderter Umgangmit einem Problem (z.B. chronische Krankhei-ten, Konflikte in der Partnerschaft usw.) ist.

Es gibt Gruppen, die sowohl nach innen (zur Be-wältigung eigener Problemlagen), aber auchstark nach außen wirken (z.B. zum Thema Alko-hol), und die auch auf individuelle Problemla-gen von Betroffenen orientiert sind. Manchmalsind sie auch als Vereine organisiert.

Und es gibt Gruppen, die vorwiegend sozialpo-litisch orientiert sind, und in denen sich Men-schen durch aus Selbstbetroffenheit oder Soli-darität entstandenem Interesse für die Verbes-serung sozialer oder gesundheitlicher Situatio-nen einsetzen. Diese Gruppen sind eher außen-orientiert und zielen mehr auf das soziale Um-feld als auf Individuen (z.B. Bürgerinitiativen).

Manche Gruppen brauchen mehr Unterstüt-zung, manche weniger. Manche brauchen füreine gewisse Zeit professionelle Hilfe im Grup-penfindungsprozeß, bei der Übernahme vonVerantwortung innerhalb der Gruppe oder beiorganisatorischen Fragen. Und andere brau-chen oder wollen keine Hilfe von außen. Das zuerkennen, erfordert auch große Sensibilität.

Wie kann es überprüft werden?

Ob die Mitglieder der Selbsthilfegruppen mitihrer eigenen Arbeit und der Zusammenarbeitmit den Mitarbeiterinnen der Einrichtung, in

denen ihre Treffen stattfinden oder bei denensie angebunden sind, zufrieden sind, kann manz.B. bei Auswertungstagen mit Vertreterinnenund Vertretern der Selbsthilfegruppen erfah-ren. Die Dokumention der Vermietungen gibtAufschluß über die Akzeptanz der räumlichen,technischen und organisatorischen Bedingun-gen durch die Gruppen.

Was bringt es?

Durch die Förderung und Unterstützung vonindividueller und sozialer Selbsthilfe wird dieStärkung und Erweiterung von Eigenverant-wortung und Kompetenz der Menschenerreicht. Damit einher geht der Abbau vonAbhängigkeiten der Betroffenen oder Hilfesu-chenden, wenn sie lernen und dabei unterstütztwerden, die Lösung ihrer Fragen oder Problemeselbst in die Hand zu nehmen.

Vernetzung im StadtteilGemeinwesen-Entwicklung

Was ist das?

Vernetzung im Stadtteil und Gemeinwesen-Entwicklung beinhalten die zielgerichteteEinbeziehung aller im Stadtteil vorhandenen„Einheiten“, wie soziale und kulturelle Einrich-tungen, Vereine, Initiativen, Verwaltung, Politikund Wirtschaft, um unter Einbeziehung der An-wohnerinnen einen Beitrag zur Lösung der an-stehenden Probleme im lokalen Wohnumfeldzu leisten.

Wie geht das?

Eine Möglichkeit, die Vielzahl und Vielfalt derin einem Stadtteil/Ort vorhandenen Träger, Ein-richtungen und Institutionen zu organisierenund zu institutionalisieren, ist der Zusammen-schluß zu gemeinsamen Gremien. Das könnenNachbarschaftskonferenzen, Arbeitskreise,Ausschüsse, Informationsgespräche oder infor-melle Treffen sein.

Der informellen Vernetzung können z.B. Infor-mationsgespräche oder informelle Treffen die-nen. Um z.B. die verschiedenen informellenGruppen oder Szenen anzusprechen, kann mansie an ihren Treffpunkten aufsuchen und dieGelegenheit zu Gesprächen nutzen.

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

44

Page 47: Vska handbuch

Gremien wie Nachbarschaftskonferenzen, Ar-beitskreise oder Ausschüsse sollten, je nach Auf-gabe, auf eine länger- oder kürzerfristige Dauerund die Teilnahme eines festen Personenkreisesangelegt sein. Das ist die Grundlage für dieSchaffung eines Kreises von Personen, die sichkennen(lernen), voneinander wissen, was sietun, und miteinander umgehen können. Die Gründung eines solchen Gremiums basierthäufig auf der Erkenntnis, daß einzelne Perso-nen, Gruppen oder Einrichtungen den Aufga-ben und Anforderungen in ihrer Arbeit oder inihrem Stadtteil/Ort nicht entsprechend begeg-nen können. Durch isoliertes Handeln entste-hen Doppelungen von Angeboten oder Termi-ne werden doppelt belegt, was letztendlich zurineffektiven Nutzung der vorhandenen Res-sourcen führt. Dies läßt sich durch die Abstim-mung und Bündelung von Maßnahmen undAngeboten vermeiden.

Die Arbeit in Gremien, die von den verschiede-nen „Einheiten“ im Stadtteil gebildet werden,dient dazu, aktuelle Informationen über Stadt-teilereignisse zu sammeln, auszutauschen undzu analysieren, Problemlagen zu erkennen undentsprechende gemeinsame Handlungsstrategi-en zu entwickeln und in die Praxis umzusetzen.Hier kann z.B. die Frage nach der Übernahmeder gemeinsamen Trägerschaft zweier odermehrerer Vereine/Institutionen für ein Angebotoder eine Dienstleistung eine Rolle spielen.

Andere Gremien werden zum Erfahrungsaus-tausch zu bestimmten Themen und Arbeits-schwerpunkten, zur Entwicklung von Qualitäts-standards oder zur Fortbildung genutzt. Wiederandere beschäftigen sich mit der Vorbereitungund Durchführung von öffentlichkeitswirksa-men Aktivitäten wie Stadtteil- und Straßenfe-sten oder Aktionstagen.

Allerdings ist die Teilnahme an solchen Gremiennoch nicht mit Vernetzung gleichzusetzen. EineVoraussetzung für Vernetzungsarbeit ist dieEinsicht in die Notwendigkeit der Kooperation,der Bündelung von vorhandenen und der Er-schließung von neuen Ressourcen. Das beinhal-tet auch die gemeinsame Nutzung dieser Res-sourcen. Dies kann eine wichtiger Beitrag zurVerbesserung der täglichen Arbeit sein. Es wer-den Dinge möglich, die sonst z.B. nicht oder nurmit hohem finanziellen, organisatorischen oderpersonellen Aufwand durchgeführt werdenkönnen.

Wünschen sich z.B. die jugendlichen Nutzerin-nen der Einrichtung ein Video-Projekt, so mußdie erforderliche Technik nicht extra ange-

schafft werden, wenn sie beim ‘Nachbarn’ aus-geliehen werden kann. Und möglicherweisekann man sich den Video-Experten gleich mit‘ausleihen’. Im Gegenzug kann die eigene Ein-richtung vielleicht bei der Gestaltung eines neu-en Faltblattes für das Partner-Projekt behilflichsein, das nicht über einen geeigneten Computerverfügt. Für die Bündelung und gemeinsameNutzung der im Stadtteil/Ort vorhandenen Res-sourcen gibt es eine Vielzahl von weiteren Bei-spielen. Angefangen von der gegenseitigenNutzung der Möglichkeiten in den jeweiligenEinrichtungen wie spezielle Werkstätten unddamit verbundene Technik (Keramik/Brenn-ofen, Video/Schnittanlage, Öffentlichkeitsar-beit/Computer...) über die gemeinsame Organi-sation und Durchführung von Ferienfreizeiten,Wochenendcamps oder Stadtteilfesten bis zurNutzung von Angeboten in anderen Einrichtun-gen, welche von der Besucherinnen des eigenenHauses gewünscht, aber aus verschiedenenGründen dort nicht organisiert werden können.Allerdings ist das eher ein Idealzustand, denn inder Praxis spielen Konkurrenzen trotz aller Ver-netzungsstrukturen und -gremien eine nicht zuunterschätzende Rolle.

Vernetzung bedeutet aber nicht nur Verbünde-te in ‘guten Zeiten’, sondern auch Partner inKrisensituationen zu haben oder zu finden. Vernetzungsgremien können dabei auch fürkollegiale Beratung oder zur Entwicklung vonProblemlösungsstrategien genutzt werden.

Beispiel aus dem Stadtteilzentrum Messemagistrale in Leipzig:

Im Bereich der offenen Jugendarbeit wurdein einer Reihe von Leipziger Einrichtungenfestgestellt, daß rechtsorientierte Jugend-gruppen teilweise erfolgreich versuchten, so-genannte ‘befreite Zonen’ zu schaffen, dasheißt, sie okkupierten die Jugendklubs undverdrängten andere Gruppen völlig. Die Mit-arbeiterinnen des Stadtteilzentrums, die bisdahin diese Probleme nicht kannten, suchtenKontakt zu Jugendarbeiterinnen anderer Ein-richtungen, um gemeinsam Maßnahmen undStrategien zu erarbeiten, um solche Erschei-nungen im eigenen und in anderen noch nichtbetroffenen Häusern vorzubeugen bzw. Ge-genmaßnahmen für bereits betroffene Ein-richtungen zu ergreifen. Daraus entwickeltesich ein Arbeitskreis, der sich regelmäßig trifftund sich gezielt mit dieser Problematik inForm von Erfahrungsaustausch, speziellenFortbildungsveranstaltungen und Strategiede-batten auseinandersetzt.

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

45

Page 48: Vska handbuch

Ähnlich problematisch für die betroffenen Häu-ser ist es, wenn Jugendgruppen, die über eineerstaunliche Mobilität verfügen, von Einrich-tung zu Einrichtung ziehen und eine nach deranderen ‘aufmischen’. Dadurch kommt es nichtnur zu einer Verunsicherung oder Vertreibungder Jugendlichen, die hier ihre Freizeit verbrin-gen, sondern auch zur Verunsicherung der an-deren Nutzergruppen des Hauses. Dabei kommtes auch zur Bedrohung von oder Gewaltanwen-dung gegen Personen oder Sachen. Auch hiergilt es, daß sich die Mitarbeiterinnen, aber auchdie Nutzerinnen der betroffenen Einrichtungenzusammenschließen, um gemeinsam eine Lö-sung zu finden und zielgerichtet gegen solcheTendenzen vorzugehen.

Es kann aber auch das Gegenteil der Fall sein:Wird z.B. festgestellt, daß die gleichen Seniorin-nengruppen sich in verschiedenen Einrichtun-gen die ‘Rosinen aus dem Kuchen picken’, solltezur Vermeidung von Überbetreuung und zurKonzentration von Ressourcen eine Arbeitstei-lung vereinbart werden. Das bedeutet idealer-weise, daß eine Einrichtung zugunsten eineranderen die Angebote für Seniorinnen einstelltoder auf spezielle Angebote reduziert, die vonanderen nicht abgedeckt werden. Die so freige-setzten Ressourcen können dann für andereoder neue Arbeitsschwerpunkte eingesetztwerden.

Die verschiedenen Gremien der Vernetzungsar-beit sind auch von großer Bedeutung für Fra-gen der Gemeinwesen-Entwicklung. So bildenNachbarschafts- oder Stadtteilkonferenzen einegeeignete Plattform für die Beteiligung derStadtteilbewohnerinnen bei der Lösung vonkonkreten, stadtteilbezogenen Problemen oder

der Umsetzung von anstehenden Veränderun-gen im Wohnumfeld. Im Vordergrund stehendabei die Interessen, Wünsche und Problemeder Bewohnerinnen. Die Mitarbeiterinnen derEinrichtungen können bei Bedarf ihre professio-nellen Fähigkeiten und Erfahrungen unterstüt-

zend einbringen, z.B. indem sie die Räume unddie Infrastruktur ihrer Einrichtungen oder ent-sprechende Informationen zur Verfügungstellen oder indem sie gemeinsam Strategienentwickeln und Vorgehensweisen trainieren.Bei der praktischen Umsetzung liegen Feder-führung und Verantwortung bei den Bewohne-rinnen. Sie entscheiden auch, welche Form ihrGremium haben soll. Diese ist sicher abhängigvom Arbeitsinhalt und von der voraussichtli-chen Dauer. Es kann beispielsweise ausreichendsein, daß sich betroffene und interessierteStadtteilbewohnerinnen zu einer Bürgerinitiati-ve zusammenschließen, es kann aber auch er-forderlich oder gewünscht werden, einen Bür-gerverein zu gründen, um als juristische Personeinen entsprechenden Handlungsspielraum zuhaben.

Für die Arbeit in den verschiedenen Gremienmit Vernetzungscharakter beschreibt Heinz Altena 14 Funktionen:„Die folgende Beschreibung der einzelnen Posi-tionen hat ausschließlich erläuternden Charak-ter. Jede Einrichtung und jede/r potentielle Teil-nehmer/in muß für sich eine Wertanalyse vor-nehmen. Erst danach kann er/sie/es entschei-den, welche Funktionen für die Arbeit sinnvollsind. Nur ein bewußtes und gewolltes Einlassenkann zu einer fruchtbaren Vernetzung führen.Ein bloßes ‘Schau’n wir mal’ ist eher destruktivund auf Dauer schädlich.

1. Kennenlernen: Das Miteinanderbekanntma-chen ist ausgesprochen nützlich. Es hilft,Schranken zwischen Institutionen, Gruppen undPersonen abzubauen und damit die häufig vor-handenen Ängste und Vorurteile zu revidieren(oder zu bestärken).

2. Kommunikation: Im Gespräch werden Mei-nungen und Haltungen ausgetauscht. Positio-nen werden profilierter und verständlicher. Lobund Tadel braucht nicht aufgestaut, sondernkann zielgerichtet an die Frau oder an denMann gebracht werden.

3. Kontaktaufnahme: Eine ’Face to Face’-Situa-tion ermöglicht einen relativ problemlosen Erst-kontakt. Gerade für eine horizontale Ausrich-tung der Vernetzungsarbeit ist eine nieder-schwellige Kontaktfindung angezeigt.

4. Koordination: Einzelne Aktivitäten undganze Arbeitsbereiche können aufeinanderabgestellt werden. Damit lassen sich personelleund sächliche Ressourcen bündeln und zielge-richteter einsetzen.

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

46

Page 49: Vska handbuch

5. Kooperation: In vielen Fällen wird es sich alsnützlich erweisen, gemeinsam bestimmte Anlie-gen vorzubringen oder konkrete Aufgaben zu-sammen mit anderen zu erledigen. Dies kannzwischen Institutionen oder Personen zu spon-tanen oder längerfristigen Verbindungenführen. Funktionierende Koordinations- undKooperationsstrukturen helfen wiederum, an-dere und anderes exakter wahrzunehmen undkonstruktiv miteinander umzugehen.

6. Konkretion: Koordinations- und Kooperati-onsstrukturen lassen sich leichter aufbauen undfestigen, wenn die Erfahrung konkreter Ge-meinsamkeit gemacht wurde. Es sind nicht diegroßen Entwürfe, die vertrauensbildend wir-ken, sondern die kleinen Schritte und erlebba-ren konkreten Projekte.

7. Konkurrenzabbau: Institutionen und dort be-schäftigte oder engagierte Mitarbeiter/innenstehen ständig unter ungeheurem Anforde-rungs- und Legitimationsdruck. Konkurrenzensind im lokalen Bereich unvermeidlich und invieler Hinsicht durchaus zuträglich. Um aber dienegativsten Auswüchse solcher Konkurrenzsi-tuationen, wie Neid, Mißgunst oder gar Denun-ziationen, zu vermeiden, brauchen die Men-schen einen relativen ’Schonraum’ zur Austra-gung ihrer Ansprüche und Ängste.

8. Konsensbildung: Stadtteilkonferenzen bietendie Möglichkeit, widersprüchliche, sich ergän-zende oder übereinstimmende Ansichten offen-zulegen und wenn nötig oder sinnvoll einemMinimalkonsens zuzuführen.

9. Konfliktaustragung: In allen Institutionen, obFamilie oder Nachbarschaft, Schule oder Kirche,Stadt oder Land, sind Konflikte an der Tages-ordnung. Sie abzuschaffen oder zu ignorieren,wäre ein wenig hilfreiches Unterfangen. Wasgelingen kann und sollte ist allerdings, das Ni-veau des Konfliktaustauschs erträglich zu ge-stalten. Dazu braucht es Formen und Räume.Die Institution ’Stadtteilkonferenz’ ist ein Ort,erträgliche Form zu üben.

10. Kräftebündelung: Ob Konsens oder Konflikt- manchmal ist die Bündelung aller stadtteilrele-vanten Kräfte unverzichtbar. Es bestehen häu-fig genug manifeste oder latente Bedrohungen,die nur gemeinsam zu meistern sind.

11. Konzeptdiskussion: Stadtteilmanagementsollte nachvollziehbar sein. Ob große odergroßartige Gesamtanalysen und -konzepte oderkleine, bescheidene Zielgruppenarbeit - not-wendig und sinnvoll scheint ein reflektiertes

Planen und Vorgehen. Eine Diskussion alter undneuer Maßnahmen und Überlegungen ist häu-fig Garant für ein erfolgreiches Unterfangen.Möglichen Enttäuschungen kann somit vorsorg-lich begegnet werden.

12. Kontrolle: Eine wenig geliebte Maßnahme,sowohl bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiternals auch bei sozialen Dienstleistungen insge-samt. Kontrolle wird häufig gleichgesetzt mitSchnüffelei, Maßregelung und Kompetenzbe-schneidung. Kontrolle, positiv angewendet,kann auch eine unterstützende und bestärken-de Wirkung haben. Hinweise, auch kritische,aus dem Kreis der Stadtteilkonferenz dienenletztlich zur Überprüfung professionellen Han-delns.

13. Kollegiale Beratung: Die dezentrale Arbeits-weise verschiedener Dienste führt zu einer Lö-sung von ihren ’Mutterhäusern’. Es fehlen da-mit die Nestwärme und der alltägliche Aus-tausch. Die Anforderungen vor Ort sind in derRegel größer. Um so mehr ist ein kollegialesFeedback erforderlich.

14. Klatsch und Tratsch: Trotz aller Wichtigkeitund Ernsthaftigkeit, mit der die Menschen beider Sache sind, darf die Entlastungsfunktionderartiger Treffen nicht unterbewertet werden.Dem Arbeitsalltag enthoben, kann sich ein Kli-ma (häufig in Pausen und am Ende der Veran-staltung) entwickeln, das einen Austausch vonamüsanten, intimen und skandalösen Geschich-ten begünstigt.“ (Formen und Funktionen sozi-alräumlicher Vernetzung, in: QS 10)

Was braucht es?

Eine erfolgreiche und effektive Vernetzung imStadtteil/Ort setzt voraus, daß die Notwendig-keit zur Vernetzung erkannt wird und daß siegewollt ist. Die Verbindlichkeit der Teilnahmean entsprechenden Gremien ist selbstverständ-lich. Wer als Vertreterin einer Einrichtung ineinem Gremium mitarbeitet, muß klare Träger-standpunkte vertreten können, das beinhaltet,daß diese Person/en die Standpunkte des Trä-gers kennen müssen und von diesem autorisiertsein müssen, Entscheidungen in seinem Sinnemitzutragen. Das bedeutet wiederum, daßfunktionierende Informationsnetze bestehen,denn die Informationen müssen in mehrereRichtungen fließen: zwischen dem Träger undseiner Vertreterin (und zurück), aber auch zwi-schen den verschiedenen im Gremium vertrete-nen „Einheiten“. Es werden verbindliche For-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

47

Page 50: Vska handbuch

men und Wege festgelegt, um Informationenzu sammeln, festzuhalten, aufzubereiten, zuverteilen und gegebenenfalls zu veröffentli-chen, damit die Arbeit nachvollziehbar undkontrollierbar sein kann. So werden Transpa-renz und Kontrollarbeit als wichtige Bestandtei-le von Vernetzungsarbeit garantiert.

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeitsind auch die Kenntnis der verschiedenen „Ein-heiten“, die im Stadtteil und im Gremium ver-tretenen sind, und die Akzeptanz durch diese„Einheiten“. Wenn man voneinander weiß, wasman tut und welche Ziele man verfolgt, kannman auch gemeinsame Ziele und Strategienfestlegen und verfolgen. Das gilt auch für diegegenseitige Akzeptanz. Wer offen und ehrlichüber seine Arbeit und seine Vorhaben berichtet,erfährt auch die entsprechende Anerkennungder Gesprächspartnerinnen. Wer ‘mauert’ oderIdeen ‘klaut’ oder die Teilnahme als ‘Einbahn-straße’ betrachtet, gerät schnell in Bedrängnisund wird möglicherweise vom Informationsflußausgeschlossen oder ganz aus dem Gremiumgedrängt.

Es bedarf guter Kommunikationsfähigkeitenund Sensibilität in Bezug auf unausgesprocheneStellungnahmen (ablehnende Haltungen, Ab-grenzung), sowohl um die eigenen Meinungenund Ansprüche deutlich zu machen als auch umdie oftmals unterschiedlichen Meinungen undAnsprüche zu einem Konsens zu führen, ent-sprechende Entscheidungen oder Maßnahmenzu treffen oder gemeinsame Strategien zu entwickeln und dabei niemanden unbewußtauszugrenzen.

Wie kann es überprüft werden?

Zur Evaluation und Qualitätssicherung von Ver-netzungsarbeit und Gemeinwesenentwicklunggilt es, eine Überprüfung von Selbstbild undFremdbild der Einrichtung und ihrer Arbeit so-wie deren Auftreten in den Vernetzungsgremi-en vorzunehmen. Es wird analysiert: Wie sehenwir uns selbst und unsere Arbeit? Und wie wirdsie von anderen gesehen? Wie sehen wir unse-ren Beitrag zur Vernetzung? Und wie sehen ihndie anderen? Damit verbunden ist automatischauch eine Imageüberprüfung. Vermitteln wirwirklich das, was wir nach innen und außen ver-mitteln wollen? Stimmt das mit unserem Anlie-gen und unserem Konzept überein? Müssen wirmöglicherweise am Erscheinungsbild, am Auf-treten oder an den Angeboten unserer Einrich-tung und/oder unserer Mitarbeiterinnen arbei-ten?

Dazu gehört auch die regelmäßige Überprü-fung des eigenen Angebots im Kontext sonsti-ger Angebote im Stadtteil. In den Vernetzungs-gremien erfährt man aus erster Hand, was dieeinzelnen teilnehmenden Vereine, Institutio-nen, Initiativen usw. tun, mit welchen Inhaltenund Zielgruppen sie arbeiten, auf welche Ar-beitsbereiche sie sich möglicherweise speziali-siert haben, welche ihrer Angebote erfolgreichsind und welche nicht, welche Probleme oderDefizite sie im Stadtteil erkennen, welche Plänesie haben. Dabei stellt sich schnell heraus, wel-che Angebote doppelt oder mehrfach vorhan-den sind oder welche fehlen. Und es wird er-kennbar, wie sich die eigene Einrichtung mitihren Angeboten in die Gesamtheit der Ange-bote aller Träger einfügt. Werden die vorhan-denen Angebote z.B. mit den Daten aus einerStadtteilanalyse oder mit den Erfahrungen undInformationen der einzelnen Einrichtungen ab-geglichen, läßt sich daraus ableiten, ob Konzen-trationsprozesse (Arbeitsteilung) eingeleitetwerden sollten, ob man auf bestimmte Entwick-lungstendenzen durch die Flexibilisierung derbestehenden Angebote reagieren kann oder obein völlig neues Angebot entwickelt werdenmuß. Dann kann in einem fairen Prozeß geklärtwerden, wer welche Aufgaben, welche Verant-wortungen oder z.B. die Trägerschaft für einenneues Projekt übernimmt.

Überprüft werden kann die Qualität der Ver-netzungsarbeit auch durch die Auswertung derProtokolle der Treffen. Dabei können Entschei-dungs- und Entwicklungsprozesse noch einmalnachvollzogen werden und es lassen sich daraus

Schlußfolgerungen für Verbesserungen oderVeränderungen der Arbeitsweise ziehen. DieRückkopplung zur eigenen Einrichtung bietetdie Möglichkeit zu erfahren, wie die Mitarbei-terinnen aber auch die Nutzerinnen die Bedeu-tung und die Ergebnisse der Mitarbeit in Ver-netzungsgremien und den Wert von Aufwandund Nutzen einschätzen. Denn Mitarbeiterin-nen, die an Vernetzungsgremien teilnehmen,müssen ja während ihrer Abwesenheit vertre-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

48

Page 51: Vska handbuch

ten werden und brauchen dafür Verständnisund Unterstützung von ihren Kolleginnen.

Es können auch verschiedene Fragetechnikenwie Delphi-Befragungen, Fragebögen, Inter-views genutzt werden, um die Akzeptanz derArbeit der Vernetzungsgremien bei den vor Ortansässigen „Einheiten“ festzustellen. Delphi-Be-fragungen wurden ursprünglich als Planungs-und Prognosemethode konzipiert. Inzwischenwurden sie so weiterentwickelt, daß sie auch alsEvaluationsmethode genutzt werden können.Dabei werden Betroffene anonym befragt unddie Ergebnisse an Experten weitergeleitet. Diese kommunizieren nicht untereinander. Siefassen die durchschnittliche Beantwortung derFragen zusammen und geben sie wieder zurückan die Befragten. Dieser Prozeß kann mehrmalswiederholt werden.

Im Alltag muß festgestellt und überprüft wer-den, welche der in den verschiedenen Gremienvereinbarten Ziele in die Praxis umgesetzt undwelche Ergebnisse erreicht wurden.Allerdings können und sollen durch Vernet-zungsarbeit Konkurrenzen nicht völlig beseitigtwerden. In einem Stadtteil/Ort wird es immer inverschiedenen Bereichen konkurrierende Trägerund Angebote geben. Diese Konkurrenz fördertgleichzeitig die Weiterentwicklung der eigenenEinrichtung und die des gesamten Stadtteils.

Was bringt das?

Auf diese Weise kann eine wirksame und ko-stengünstige Koordination aller im Stadtteilwirksamen Ressourcen erfolgen. Eine ehrlicheund faire Zusammenarbeit aller Beteiligten unddie gemeinsame Nutzung der vorhandenen Res-sourcen führten zur einer qualitativen Verbes-serung der eigenen Tätigkeit.

Je nach Inhalt und Zielstellung der Vernet-zungsgremien verbessert sich auch die (Le-bens)Situation der Stadtteilbewohnerinnen, diesich in den gesamten Prozeß mit ihren Ideenund Vorstellungen aber auch mit ihren Kennt-nissen und Erfahrungen einbringen und Verant-wortung bei der Umsetzung ihrer Ziele über-nehmen.

Förderung von Familien, anderen Lebensgemeinschaften und Nachbar-schaftsbeziehungen durch informelleVernetzung

Was ist das?

Familien, andere Lebensgemeinschaften undNachbarschaftsbeziehungen werden gefördertund unterstützt. Dabei werden die vorhande-nen informellen Hilfesysteme berücksichtigtund deren Funktionen gestärkt. BestehendeStrukturen werden unterstützt und neue For-men des Zusammenlebens gefördert.

Wie geht das?

In einem Stadtteil/Ort leben verschiedene Gene-rationen, je nach Struktur, auf mehr oder weni-ger engem Raum und auf unterschiedliche Wei-se zusammen. Es gibt neben der klassischen Fa-milie (Mutter, Vater, Kind/er), alleinerziehendeMütter und Väter, eheänliche oder gleichge-schlechtliche Lebensgemeinschaften mit undohne Kind/er, Wohngemeinschaften von Ju-gendlichen, jungen Erwachsenen, Studentinnenoder Seniorinnen, generationsübergreifendeWohnprojekte und Singlehaushalte unter-schiedlichen Alters. Diese Menschen haben sogesehen erst einmal nur gemeinsam, daß sie inderselben Gegend leben.

Welche Beziehungen und Beziehungsgeflechte(informelle Netzwerke) sich zwischen diesenMenschen entwickeln, ist von verschiedenenFaktoren abhängig. Dazu gehören die unter-schiedlichen persönlichen, beruflichen und kul-turellen Hintergründe der Bewohnerinnen, dieWohn- und Lebensbedingungen, die vorhande-ne Infrastruktur (Kitas, Schulen, medizinischeVersorgung, Arbeitsmöglichkeiten, soziale undkulturelle Angebote, Einkaufsmöglichkeiten,Verkehrsverbindungen), aber auch die unter-schiedlichen sozialen und kulturellen Fähigkei-ten, Kenntnisse, Interessen und Bedürfnisse.

Wie kann es gelingen, dieses komplexe Gebildemit seinen strukturellen Vor- und Nachteilen zuüberschauen, existierende Beziehungen zu er-kennen und deren Weiter- bzw. Neuentwick-lung zu fördern? Ein Ansatzpunkt ist, Räumeund Gelegenheiten zu schaffen und auch zuinszenieren, damit Menschen sich begegnenkönnen. Dazu eignen sich u.a. generationsüber-greifende Aktivitäten, wie sie im Abschnitt„Multikulturelles und generationsübergreifen-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

49

Page 52: Vska handbuch

des Begegnen und Zusammenwirken in Stadt-teilen“ beschrieben werden.

Auch Nachbarschaftsfeste sind eine Möglich-keit. Sie sind auf den unmittelbaren Wohnbe-reich (Kiez) bezogen und man erreicht damit,daß die Menschen, die sich möglicherweise täg-lich begegnen sonst aber keine Kontakte unter-

einander haben, sich kennenlernen und ins Ge-spräch kommen, dabei gemeinsame Interessenoder Bedürfnisse entdecken und nach Betäti-gungsmöglichkeiten oder Möglichkeiten dergegenseitigen Unterstützung suchen.

Für die Mitarbeiterinnen der Einrichtungen sindsolche Feste auch eine Gelegenheit, im Ge-spräch mit den Besucherinnen oder bei der Aus-wertung der Veranstaltung Informationen zusammeln, die für die Entwicklung und Förde-rung von informellen Netzwerken wichtig sind.Wird z.B. deutlich, daß im Kiez viele Familienmit Kindern leben, kann es darum gehen, An-gebote in den Bereichen Familienberatung, -er-holung und -bildung zu entwickeln oder bereitsvorhandene Angebote entsprechend den Be-dürfnissen der Familien zu erweitern. Den Be-griff „Familie“ verwenden wir bei unseren Be-trachtungen im erweiterten Sinne, das heißt erumfaßt alle Formen des Zusammenlebens vonFrauen, Männern und Kindern und nicht aus-schließlich Ehepaare mit Kindern.

So kann es erforderlich sein, eine Erziehungs-oder Trennungsberatungsstelle einzurichten,wenn sich eine Konzentration von problemati-schen Familiensituationen abzeichnet. Für Fami-lien in einer schwierigen finanziellen Lage, mitbeengtem Wohnraum oder in Krisensituationenkönnen (kostengünstige) Familienerholungsan-gebote mit oder ohne sozialpädagogischer Be-treuung organisiert werden.

Eine wichtige Rolle spielt auch die Familienbil-dung. Dabei können Eltern und/oder KinderKenntnisse für die Überwindung von Krisensi-tuationen, für die bessere Bewältigung des All-

tags, für einen qualifizierteren Umgang mitein-ander erwerben. Oder sie können Fähigkeitenauf einem gemeinsamen Interessengebiet erler-nen und ausbauen. Weitere Angebote der Fa-milienbildung sind auch Kurse rund um die Ge-burt und Erziehung von Kindern (Geburtsvorbe-reitung, Stillen, Säuglings- und Kinderpflege,Schwangeren-, Säuglings- und Kindergymnastikund -massagen, Erziehungsmethoden, Umgangmit der Pubertät).

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Möglich-keiten, gemeinsame Aktivitäten vonEltern/Großeltern und Kindern/Enkeln zu för-dern wie gemeinsames Singen und Spielen,sportliche, künstlerische oder handwerklicheBetätigung, Wanderungen.

Auch Selbsthilfegruppen mit unterschiedlichenInhalten wie Still-, Krabbel-, Mutter/Vater-Kind-Gruppen, Gruppen pflegender Angehöriger,können zur Unterstützung der informellen Ver-netzung beitragen. Denn meist reduzieren sichdie Kontakte und Beziehungen der Menschenuntereinander nicht ausschließlich auf die Teil-nahme an den Treffen, sondern sie bestehenauch darüber hinaus.

Beispiel aus dem Nachbarschaftshaus„Donizetti“ in Berlin-Hellersdorf

Ein Schwerpunkt der Arbeit des Nachbar-schaftshauses „Donizetti“ ist die Förderungvon Familien sowohl durch Angebote im Frei-zeit- als auch im Beratungs- und Bildungsbe-reich. Die Palette reicht von der Geburtsvorbe-reitung, Stillgruppen, Mutter-Kind-Gruppen,Gruppen nach dem Prager Eltern-Kind-Pro-gramm (PEKiP), über Sportangebote für Müt-ter und Tagesmütter mit Kleinkindern, Famili-en- und Nachbarschaftsfeste, Schülerklub,Freizeitangebote für Vorschulkinder und de-ren Eltern, Gesprächskreise zu Erziehungsfra-gen z.B. zum Thema „Erziehen mit Herz undVerstand“ oder „Gewaltfreie Erziehung“ bishin zur psychologischen Einzelberatung fürFamilien und alleinerziehende Eltern in Pro-blemsituationen.Dabei wird großer Wert darauf gelegt, daßdie Angebote so gestaltet werden, daß sie vonEltern und Kindern und auch von Großelterngleichermaßen genutzt werden können.Betätigungsmöglichkeiten gibt es z.B. im Mal-zirkel, im Koch- und Backzirkel, in der Holz-werkstatt, in der Keramikstube oder im Sport-bereich. Die Angebote werden je nach Inhaltund Bedarf von hauptamtlichen Mitarbeiterin-nen angeleitet oder sie finden in ehrenamtli-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

50

Page 53: Vska handbuch

cher Verantwortung statt. Nicht selten ergibtsich die Konstellation, daß sich die älterenschulpflichtigen Geschwister nachmittags imSchülerklub betätigen, während ihre Geschwi-ster im Vorschulalter zum Basteln, Spielenoder zu sportlichen Aktivitäten kommen unddie Eltern sich im Café zusammenfinden.

Betrachtet man die Wohnsituation der Men-schen, kann es angebracht sein, Beratung fürneue Wohnformen, z.B. Wohngemeinschaftenfür Seniorinnen, Alleinerziehende oder Behin-derte, altersgerechtes Wohnen anzubieten odergenerationsübergreifende Wohnprojekte zuentwickeln. Oder man kann Unterstützungbeim Wohnungstausch leisten, wenn festge-stellt wird, daß Familien mit beengtem Wohn-raum sich vergrößern, Seniorinnen oder Allein-lebende aus einer für sie zu großen in eine klei-nere Wohnung ziehen möchten.

Eine weitere Möglichkeit, die informelle Ver-netzung zu fördern, sind Tauschringe.

Beispiel aus dem Nachbarschaftsheim Urbanstraße e.V. in Berlin-Kreuzberg:

Im Nachbarschaftsheim Urbanstraße e.V. istder Kreuzberger Tauschring angesiedelt. Hierhaben Menschen (nicht nur mit schmalemGeldbeutel) die Gelegenheit, Dinge oderDienstleistungen durch den Einsatz von Zeitund nicht von Geld zu erwerben. Dabei gehtes nicht unbedingt um einen direkten Tauschzwischen zwei Personen, sondern es ent-wickelt sich oft eine ganze Kette (Frau Xschneidet Herrn Y die Haare, dafür fährt HerrY die gehbehinderte Frau Z zum Arzt). Es wirdnicht Leistung gegen Geld, sondern Leistunggegen Leistung bzw. Zeit gegen Zeit ge-tauscht. Als Form der Kontrolle und ‘Abrechnung’,werden für die Mitglieder des TauschringsZeitkonten mit einer ‘Verrechnungseinheit’meist in Form einer imaginären Währung(Kreuzer in Berlin-Kreuzberg, Heller in Berlin-Hellersdorf) eingerichtet. Beim Wert derWährung gibt es unterschiedliche Ansätze.Beim Kreuzberger Tauschring wird der ‘Preis‘für jede erbrachte Leistung vorher zwischenden Tauschpartnerinnen frei in Kreuzern aus-gehandelt. Manche Tauschringe tauschen nurZeit gegen Zeit (z.B. eine Stunde Fensterput-zen für eine Stunde Hilfe bei der Gartenar-beit), andere legen ‘Kosten’ für die einzelnenLeistungen fest (z.B. kostet eine Stunde Haus-aufgabenhilfe 5 X, eine Stunde Computerar-beit 3 X).

Die eigenen und die von anderen in Anspruchgenommen Leistungen werden im Tauschring-Büro als Soll und Haben auf dem Zeitkontoverbucht. Dadurch ergibt sich ein Überblicküber erbrachte Leistungen. Und es wird deut-lich, wer möglicherweise nur Leistungen er-bringt und selbst keine in Anspruch nimmtoder wer nur Leistungen anderer nutzt, ohnesich selbst einzubringen. Um einemMißbrauch des Systems vorzubeugen, wurdeein Kreditlimit von 300 Kreuzern nach obenund unten festgelegt.

Die Koordination und Organisation des Tauschrings erfolgt ehrenamtlich. ‘Vergütet’wird diese Tätigkeit durch eine festgelegteSumme, die von den Zeitkonten der Mitglie-der den Konten der Koordinatorinnen gut-geschrieben wird. Zu den Aufgaben der Koor-dinatorinnen gehört neben dem Führen derZeitkonten auch die Organisation der regel-mäßigen Treffen der Mitglieder und dieZusammenstellung der angebotenen und ge-suchten Leistungen, damit im Bedarfsfall dieentsprechenden Tauschpartnerinnen schnellvermittelt werden können.

Es wird ein jährlicher Mitgliedsbeitrag erho-ben, damit Kosten wie Porto, Telefon und Ko-pien abgedeckt werden können. Die Ober-grenze der Mitgliederzahl liegt nach den Er-fahrungen des Kreuzberger Tauschrings beica. 150 Personen, denn sonst wird der ‘Verwal-tungsaufwand’ so groß, daß er nicht mehr ehrenamtlich realisiert werden kann, und dieÜberschaubarkeit geht verloren.

Während Tauschringe eher auf ein größeresTerritorium bezogen sind, damit Angebot undNachfrage auch wirklich ausgewogen sein kön-nen, konzentriert sich Nachbarschaftshilfe aufden unmittelbaren Wohnbereich, das heißt, aufdie Mitbewohnerinnen des eigenen oder derumliegenden Häuser. In manchen Häusern gibtes gut funktionierende Nachbarschaftskontakteeinschließlich Nachbarschaftshilfe, in anderennicht. Ein Ansatzpunkt für die Mitarbeiterinnender sozial-kulturellen Einrichtungen ist es, dieseStrukturen zu stärken, zu fördern bzw. derenEntwicklung zu unterstützen. Dabei hat ihreTätigkeit meist einen vermittelnden Charakter.Sie werden auf Menschen aufmerksam (ge-macht), die Hilfe im täglichen Leben benötigen,und sie kennen oder suchen Menschen, die die-se Hilfe leisten können und wollen.

Eine aktive Nachbarschaftshilfe kann z.B. älte-ren oder behinderten Menschen ein relativselbstbestimmtes Leben in der eigenen Woh-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

51

Page 54: Vska handbuch

nung ermöglichen und sie sind, außer im medi-zinischen Bereich, nicht auf professionelle undoftmals selbst zu finanzierende Dienstleistun-gen angewiesen. Sie können so lange wie mög-lich in der ihnen vertrauten Umgebung leben,der Umzug in ein Heim kann verhindert oderhinausgezögert werden.

Nachbarschaftshilfe bezieht sich aber nicht aus-schließlich auf die Unterstützung von altenoder behinderten Mitmenschen, auch Familienmit Kindern sind dankbar, wenn Nachbarnabends nach den Kindern sehen, wenn sie selbstnicht zu Hause sind, oder wenn die Kinder amNachmittag von einer vertrauten Person be-

treut werden können, bis die Eltern von der Ar-beit kommen. Nachbarschaftshilfe hat viele Fa-cetten, die vom Entgegennehmen von Paketen,dem Ausführen des Hundes über Babysittingund Einkaufen bis zur Begleitung bei Spazier-gängen oder Behördenbesuchen und kleinenReparaturarbeiten reichen. Eine wesentlicheRolle spielt dabei die Gegenseitigkeit der Hilfe.

Was braucht es?

Die Förderung von Familien, anderen Lebensge-meinschaften und Nachbarschaftsbeziehungendurch informelle Vernetzung ist in erster LinieBeziehungsarbeit. Beziehungen zu den Men-schen und zwischen ihnen müssen aufgebaut,Kontakte gepflegt und weiterentwickelt wer-den. Wenden sich Menschen in Krisensituatio-nen an Mitarbeiterinnen mit der Bitte um Un-terstützung und Beratung, müssen sie in der La-ge sein, beratend und vermittelnd tätig werdenzu können. Dazu bedarf es eines hohen Maßesan Kompetenz in Beratung und Mediation.

Die Besucherinnen der Einrichtung und Bewoh-nerinnen des Stadtteils mit denen die Mitarbei-terinnen in Kontakt kommen, haben so unter-schiedliche Hintergründe, Interessen, Wünsche

und Probleme, daß Sensibilität für unterschied-liche Sichtweisen notwendig ist.

Nicht immer stimmt die Lebensphilosophie derMenschen mit der eigenen überein und nichtimmer ist das, was aus der Sicht der Mitarbeite-rinnen richtig ist, auch wirklich die Lösung fürdie jeweilige Person in ihrer ganz persönlichenSituation. Das heißt, andere Meinungen, An-sichten und Lebenssituationen werden akzep-tiert. Eingriffe, die die Veränderung der persön-lichen Situation von Hilfesuchenden bewirkensollen, können nur dann erfolgen, wenn die Be-troffenen das selbst wollen.

Wie kann es überprüft werden?

Zur Überprüfung der Tätigkeit im Bereich derFörderung von Familien, anderen Lebensge-meinschaften und Nachbarschaftsbeziehungendurch informelle Vernetzung sind Rückmeldun-gen von anderen, mit diesen Fragen befaßtenInstitutionen, wie Schulen, SozialpädagogischeDienste, Erziehungsberatungsstellen hilfreich.Man kann Angebote, Erfahrungen und Qua-litätsstandards abgleichen, eventuelle Defizitefeststellen und gemeinsame Lösungsstragienfür Problemsituationen entwickeln. In bestimm-ten Fällen wird eine direkte Zusammenarbeitangebracht sein oder es werden einzelne Angebote oder Dienstleistungen in die eigeneEinrichtung geholt. Beispielsweise kann, denentsprechenden Bedarf vorausgesetzt, eineZweigstelle der Erziehungsberatung im Hauseangesiedelt oder in eigener Trägerschaft über-nommen werden.

Gibt es in der Einrichtung ein Projekt oder Plä-ne zur Arbeit mit jugendlichen Straftäterinnen,ist die Rückkopplung mit der Jugendgerichtshil-fe eine Möglichkeit, die Qualität der eigenenArbeit zu überprüfen bzw. Qualitätsmerkmalefestzulegen. Ablesen läßt sich der Erfolg u.a. ander Rückfallquote oder, wenn präventiv gear-beitet wird, an der Verringerung der Anzahl derStraftaten.

Das Wohnungsamt ist ein Kooperations- undAnsprechpartner für alle mit den Wohnbedin-gungen der Stadtteilbewohnerinnen verbunde-nen Fragen.

Wie in allen Bereichen der sozial-kulturellen Ar-beit sind auch hier regelmäßige oder gelegent-liche Auswertungsgespräche mit allen Beteilig-ten eine gute Möglichkeit herauszufinden, obdie speziellen Angebote den Bedürfnissen und

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

52

Page 55: Vska handbuch

Wünschen der Menschen entsprechen, was be-sonders gut funktioniert und wo noch Ansatz-punkte für Veränderungen gesehen werden.

Was bringt es?

Das Ergebnis der Arbeit ist eine Stabilisierungvon Beziehungsgefügen im Stadtteil und zwi-schen seinen Bewohnerinnen. Viele der kleinenund für manche Menschen beschwerlichen Din-ge des Alltags können innerhalb dieser Gefügeohne größeren Aufwand auf nachbarschaftli-cher Ebene erledigt werden. Professionelle Hilfemuß nur dann in Anspruch genommen werden,wenn sie wirklich erforderlich ist.

Die Mitarbeiterinnen der Einrichtungen könnenals Vermittlerinnen, bei Bedarf auch als profes-sionelle Helferinnen, einen Beitrag zur kon-struktiven Bewältigung von Generationskon-flikten leisten, indem sie beispielsweise Ge-sprächsrunden organisieren und moderieren,generationsübergreifende Aktivitäten gemein-sam mit den Bewohnerinnen planen und durch-führen oder in akuten Konfliktsituationen alsVermittlerinnen zur Verfügung stehen.

Daraus ergeben sich positive Sozialisationsef-fekte für alle Bewohnerinnen eines Stadtteils/Ortes. Die Lebensqualität und das Zusammen-leben der verschiedenen Generationen verbes-sern sich spürbar.

Zusammenarbeit von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen

Was ist das?

Ehrenamtliche Arbeit erweitert und ergänzt dieReichweite der professionellen Angebote vonNachbarschaftseinrichtungen. Sie umfaßt Frei-willigendienste und die Mitwirkung an Ent-scheidungsprozessen auf allen Ebenen der Ein-richtungen. Sozial-kulturelle Einrichtungen sindsowohl Einsatzfelder ehrenamtlicher Tätigkeitals auch Ausgangsorte bürgerschaftlichen Enga-gements.

Die aktuelle Situation in der sozial-kulturellenArbeit ist gekennzeichnet von einem Wandelgesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politi-scher Rahmenbedingungen. Dementsprechendwird auch von einem Wandel des Ehrenamteshin zu „bürgerschaftlichem Engagement“ ge-sprochen. Die Begriffe sind vielfältig, unter-

schiedlich besetzt und unterschiedlich benutzt:Ehrenamt, freiwillige Arbeit/Tätigkeit, bürger-schaftliches Engagement. Dennoch meinen die-se Begriffe in der Regel zunächst das gleiche,nämlich freiwillige, unbezahlte, sozialeund/oder kulturelle Arbeit Einzelner für sichund für das Gemeinwohl bzw. im Gemeinwe-sen. Die Sprache verrät gleichwohl, in welchemSelbstverständnis, welchem geschichtlichenoder politischen Rahmen solche Arbeit gesehen,bewertet und verstanden wird. Gleichzeitig zei-gen zahlreiche Untersuchungen, daß sich dieMotivationslage der engagierten Bürgerinnenwandelt. Die Bedürfnisse nach mehr Freiraum,Selbstbestimmung, Zeitsouveränität und per-sönlicher Entwicklung werden immer zentralerund bestimmender.

Wie geht das?

Sozial-kulturelle Einrichtungen sind Orte fürbürgerschaftliches Engagement, für Menschen,die in eigener Verantwortung etwas für sichselbst oder gemeinsam mit anderen etwas fürihren Stadtteil tun wollen (z.B. Verkehrsberuhi-gung, Spielplatzsituation, Probleme mit Vermie-tern).

Ehrenamtliches Engagement ist ein wichtigesQualitätsmerkmal der sozial-kulturellen Arbeit.Sie lebt und entwickelt sich maßgeblich durchdie freiwillige Betätigung und Beteiligung derNutzerinnen an der Gestaltung der Angeboteund der gesamten Arbeit der Einrichtung. Eh-renamtliche Mitarbeit ist ein Ausdruck der Iden-tifizierung der Bürgerinnen mit den Zielen undInhalten sozial-kultureller Einrichtungen undder Bereitschaft, Verantwortung dafür zu über-nehmen. Sie bietet den Menschen Möglichkei-ten, ihren Interessen nachzugehen, ihre Kennt-nisse und Fähigkeiten mit anderen zu teilenbzw. anderen zur Verfügung zu stellen undgleichzeitig Einfluß auf die Entscheidungs-, Ent-wicklungs- und Gestaltungsprozesse der Ein-richtung und darüber hinaus auch des Stadtteilsnehmen zu können.

Beispiel aus dem Rabenhaus e.V. in Berlin-Köpenick:

Ein Anwohner einer vielbefahrenen Straßeim Stadtteil wandte sich an die Mitarbeiterin-nen des Rabenhauses, da er durch diese Situa-tion seine Lebensqualität massiv beeinträch-tigt sah. Er suchte nach Gleichgesinnten, mitdenen er sich für die Einrichtung einer ver-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

53

Page 56: Vska handbuch

kehrsberuhigten Zone einsetzen wollte. DieMitarbeiterinnen machten daraufhin einenAushang für die Bewohnerinnen mit der Bitteum Beteiligung. Der Aufruf war erfolgreichund innerhalb von kurzer Zeit entstand eineBürgerinitiative, die ihre Treffen im Raben-haus durchführte und von den Mitarbeiterin-nen Unterstützung in verschiedenen Fragenerhielt. Dabei ging es u.a. um organisatorischeHilfe, die Nutzung der Kenntisse der Mitarbei-terinnen im Umgang mit Verwaltungen, dasFinden der richtigen Ansprechpartnerinnen,Öffentlichkeitsarbeit usw.Diese Bürgerinitiative arbeitete sehr enga-giert, scheiterte allerdings leider an bürokrati-schen, gesetzlichen und verwaltungstechni-schen Hindernissen.

In manchen Einrichtungen gibt es traditionellein großes ehrenamtliches Engagment mit kla-ren Zuständigkeiten, wie im Bürgerladen e.V. inHalle oder im Frei-Zeit-Haus e.V. in Berlin-Weißensee. Andere Einrichtungen versuchenseit Jahren, freiwillige Mitarbeiterinnen zur Be-reicherung ihrer Arbeit oder zur Unterstützungder Hauptamtlichen zu finden.

Doch wie kann man Menschen dafür gewinnen,sich auf ehrenamtlicher Basis zu engagieren?Ein Patentrezept gibt es nicht. Positive Erfah-rungen gibt es z.B. mit der Durchführung vonInformationsveranstaltungen, bei denen dieArbeit der Einrichtung und entsprechendeBetätigungsfelder für interessierte Menschenvorgestellt werden. Man kann auch bei den un-terschiedlichsten Gelegenheiten, wie dem Tagder offenen Tür, Werbung für ehrenamtlicheArbeit betreiben. Benötigt man Unterstützungfür klar definierte Tätigkeiten, kann man einenAushang im Fenster oder im Schaukasten ma-chen. Allein ein Zettel mit der Aufschrift „Su-chen Ehrenamtliche“ wird aber wahrscheinlichwenig Beachtung finden.

Beispiel aus dem Rabenhaus e.V. in Berlin-Köpenick:

Die Mitarbeiterinnen des Rabenhausessuchten jemanden, der ihnen bei der Korre-spondenz mit einer Partnereinrichtung inFrankreich behilflich sein konnte, denn in derEinrichtung gab es niemanden, der des Fran-zösischen mächtig war. Über eine ‘Suchanzei-ge’ im Schaufenster wurde ein Mann gefun-den, der diese Aufgabe übernehmen konnte.Als dann ein gemeinsames Sommercamp mitden französischen Partnern geplant wurde,organisierte er einen Französisch-Kurs. Weil

sich aus dieser bis dahin einmaligen Aktion einregelmäßiger Austausch entwickeln sollte,wurde für diesen Mann und für diesen Zweckeine AFG-Stelle beantragt, so daß er die Mög-lichkeit erhielt, aus dem ehrenamtlichen Enga-gement in eine bezahlte Stelle zu wechseln.Durch seine Tätigkeit fanden über mehrereJahre hinweg verschiedene deutsch-französi-sche Begegnungen sowohl in Deutschland alsauch in Frankreich mit unterschiedlichen Teil-nehmerinnen (Kinder und Jugendliche/Famili-en/Seniorinnen) statt. Inzwischen hat er dasRentenalter erreicht und arbeitet jetzt ehren-amtlich im Vorstand.

Die Suche nach ehrenamtlichen Mitarbeiterin-nen erfordert eine konkrete Zielstellung. Bevorman sich an entsprechende Personen oder Per-sonengruppen wendet, muß klar sein, wo, mitwelchem Ziel und in welchem zeitlichen Rah-men sie eingesetzt werden sollen. Als Vorberei-tung kann z.B. eine Art Katalog erarbeitet wer-den, der Möglichkeiten und Formen für ehren-amtliches Engagment und die dafür erforderli-chen strukturellen Bedingungen enthält. Somuß für bestimmte Tätigkeiten Platz, bspw. einSchreibtisch mit Computer, vorhanden sein bzw.eingerichtet werden, wenn schriftliche oder ge-stalterische Dinge erledigt werden sollen. Esgeht also darum, Arbeitsplätze und -formen fürehrenamtliche Arbeit zu schaffen.

Wenden sich Nutzerinnen der Einrichtung oderStadtteilbewohnerinnen an die Mitarbeiterin-nen auf der Suche nach Möglichkeiten, ihre Zeitund/oder ihre speziellen Fähigkeiten, Erfahrun-gen und Kenntnisse anderen zugänglich zu ma-chen, oder suchen sie nach einem bestimmtenAngebot und signalisieren gleichzeitig, daß sieauch bereit wären, die Verantwortung für dieDurchführung zu übernehmen, ist ein solcherKatalog von Vorteil. Es kann sofort festgestelltwerden, welche Art von Betätigung benötigtwird und welche Bedingungen (Anforderungenan die zukünftigen ehrenamtlichen Mitstreite-rinnen, entsprechende Arbeitsbedingungen,räumliche Voraussetzungen) damit verbundensind. Im persönlichen Gespräch können danndie genauen Modalitäten (zeitlicher Rahmen,Befugnisse, Verbindlichkeit) geklärt werden. Beineuen Ideen und Vorschlägen wird gemeinsamüberlegt, ob, wie und wo diese umgesetzt wer-den können.

Es empfiehlt sich, einen festen Ansprechpartnerfür ehrenamtliche Mitarbeiterinnen in der Ein-richtung zu haben, sowohl für den Erstkontakt,damit Interessentinnen nicht von einem zumanderen geschickt werden, als auch für die wei-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

54

Page 57: Vska handbuch

tere Zusammenarbeit. Die Zuständigkeit für diekonkrete Arbeit wird dabei meistens bei denMitarbeiterinnen der einzelnen Arbeitsbereicheliegen, in denen die Interessierten dann tätigsind. Das hängt mit dem direkten Bezug zu denfachlichen und inhaltlichen Zielstellungen die-ser Bereiche zusammen.

Die Qualität der ehrenamtlichen Arbeit insozial-kulturellen Einrichtungen zeichnet sichjedoch nicht allein dadurch aus, daß es enga-gierte freiwillige Mitarbeiterinnen gibt. Wichti-ger ist die Gestaltung der Zusammenarbeit zwi-schen ihnen und den hauptamtlich Beschäftig-ten, der gleichberechtige Umgang miteinandersowie die gegenseitige Respektierung und An-erkennung. Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen alsbillige Hilfskräfte zu betrachten, die vielleichtzum Putzen oder Kaffeekochen eingesetzt wer-den können, widerspricht diesen Prinzipien völ-lig, ist aber leider in manchen Einrichtungen(noch) zu beobachten.

Für die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen be-deutet die Zusammenarbeit mit ehrenamtlichEngagierten aber nicht nur Unterstützung fürdie eigene Arbeit und/oder Bereichung der An-

gebote der Einrichtung, sondern auch zusätzli-che Arbeit. Wenn die Zusammenarbeit gutfunktionieren soll, müssen die Ehrenamtlichenauch mit entsprechenden Fähigkeiten undKenntnissen ausgestattet werden. Sie brauchen,je nach Tätigkeitsbereich, in größerem oder ge-ringerem Umfang Beratung, Unterstützungund Qualifizierung.

Es geht nicht nur darum, daß sie in der Einrich-tung eine sinnvolle und für sie selbst zufrieden-stellende Betätigung oder Aufgabe finden, son-dern sie müssen auch wissen, in welchen Zusam-menhängen sie das tun. Das beinhaltet, ihnenz.B. die Konzeption und die Strukturen desHauses und ihre Einbindung darin vorzustellen.Auch Vertrauen gehört dazu.

Für bestimmte Tätigkeiten, wie Vorstandsar-beit, Leitung von Gruppen oder Arbeit mitschwierigen Zielgruppen, sind spezielle Kennt-nisse erforderlich. Dafür brauchen Ehrenamtli-che Unterstützung durch die Hauptamtlichenund es sollte ihnen die Möglichkeit eingeräumtwerden, sich, wenn gewünscht, entsprechendund auf Kosten des Trägers qualifizieren zukönnen.

Dabei ist es nicht immer einfach, geeigneteFortbildungen für ehrenamtliche Mitarbeiterin-nen zu finden. Wer im Arbeitsprozeß steht,kann meist nicht ohne weiteres an Wochenta-gen tagsüber an einer Veranstaltung teilneh-men, sondern muß auf die Abendstunden oderdas Wochenende ausweichen. Es besteht aberauch die Möglichkeit, daß die Fortbildung vonden hauptamtlichen Mitarbeiterinnen über-nommen wird, oder daß sich mehrere Trägerzusammentun und eine gemeinsame Wochen-endveranstaltung durchführen.Beratung für ehrenamtliche Mitarbeiterinnenkann aus mehreren Gründen erforderlich sein.Es können in einer ehrenamtlich geleitetenGruppe Probleme auftreten, die nicht aus eige-ner Kraft gelöst werden können. Es kann sichum inhaltliche oder strukturelle Veränderungs-wünsche von einzelnen Gruppenmitgliedernoder der Gruppenleitung handeln. Es kann umGestaltungs- oder Organisationsfragen gehen.Aber auch bei persönliche Fragen oder Proble-men der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen kannBeratungsbedarf bestehen.

Daraus ergibt sich, daß eine gute Zusammenar-beit zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeiterinnen die Grundlage für eine positiveEntwicklung der Qualität der ehrenamtlichenArbeit bildet. Und es wird deutlich, daß für die-se Zusammenarbeit auch Zeit eingeplant wer-den muß und daß sie nicht im Selbstlauf funk-tioniert. Ehrenamtliches Engagement wird alsBestandteil der täglichen Arbeit betrachtet unddie Menschen, die sich engagieren, werdenauch in den Arbeitsablauf der gesamten Ein-richtung einbezogen. Dazu können Entschei-dungsgremien geschaffen werden, in denenhaupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnenüber die verschiedensten Dinge, die die Einrich-tung und deren Arbeit betreffen, gemeinsamdiskutieren und entscheiden. In vielen Häusern gibt es ständige oder zeitwei-lige Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen The-men. Sie beschäftigen sich z.B. mit Fragen derProgrammgestaltung, der Finanzen, der Öffent-lichkeitsarbeit, mit der Vorbereitung von Festenusw. Es können aber auch rein ehrenamtlicheGremien sein.

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

55

Page 58: Vska handbuch

Beispiel aus dem Frei-Zeit-Haus e.V. inBerlin-Weißensee:

Hier gibt es eine Programmkommission,eine Finanzkommission und eine Kommissionfür Öffentlichkeitsarbeit, in denen Haupt- undEhrenamtliche gemeinsam arbeiten. Die Bau-kommission wurde nach Abschluß der Bauar-beiten wieder aufgelöst.Auf rein ehrenamtlicher Basis arbeitet der Hel-ferinnenkreis, der aus ca. 15 Personen bestehtund sich in eigener Regie um das Café und diegastronomische Betreuung von Veranstaltun-gen kümmert. Gleichzeitig werden die haupt-amtlichen Mitarbeiterinnen bei ihren vielseiti-gen Aufgaben unterstützt. Die Helferinnentreffen sich regelmäßig am Monatsende, umdie Aufgaben zu besprechen, die sich aus demProgramm des Folgemonats ergeben.Außerdem gibt es einen ehrenamtlichen Kran-kenbesuchsdienst, der sich einmal im Monattrifft, feststellt, wer krank ist, und diese Men-schen dann besucht.Werbung für die ehrenamtliche Mitarbeitmacht das Frei-Zeit-Haus z.B. im Programm-heft. Interessierte werden gebeten, sich imBüro zu melden oder sich im Rahmen des„Marktes der Möglichkeiten“ über bereits exi-stierende Betätigungsmöglichkeiten zu infor-mieren oder neue Ideen einzubringen.

Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen als Partnerin-nen ernst zu nehmen, ist die wichtigste Aner-kennung freiwilliger/ehrenamtlicher Leistun-gen. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein,daß die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen (undauch die Nutzerinnen) ehrenamtliches Engag-ment entsprechend würdigen. Die Art und Wei-se, wie die Anerkennung geschieht, kann sehrverschieden sein und hängt von den Möglich-keiten der Einrichtung aber auch von den Be-findlichkeiten der ehrenamtlichen Mitarbeite-rinnen ab. Manche/r möchte keinen öffentli-chen Dank, dann ist eine ganz persönliche Wür-digung angebracht. Andere freuen sich übereinen Artikel in der Stadtteilzeitung, über einenBlumenstrauß oder eine kleine Aufmerksam-keit.

In manchen Einrichtungen gibt es traditionelle‘Zeremonien’. Es werden Ausflüge oder Feier-stunden nur für die freiwilligen Mitarbeiterin-nen organisiert. Hausfeste, Mitgliederversamm-lungen oder andere Veranstaltungen werdengenutzt, um das Engagement öffentlich zu wür-digen.

Was braucht es?

Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit vonhaupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnenbraucht man eine klare Aufgabenstellung. Eswird (gemeinsam) festgelegt, welche Aufgabenzu erledigen sind und wer sie übernimmt. Dazugehören auch geklärte Verantwortungen, Rol-len und Zeiteinheiten. Wer sich ehrenamtlichengagieren möchte, muß wissen, ob und wel-che Verantwortungen übernommen werden(sollen), welche Entscheidungsbefugnisse, Rech-te und Pflichten damit verbunden sind und wel-cher zeitliche Umfang angedacht ist. Ist ein be-fristeter Zeitrahmen absehbar, z.B. für die Vor-bereitung, Durchführung und Nachbereitungeines Festes oder einer anderen Veranstaltung,oder soll es ein längerfristiger Einsatz, z.B. dieLeitung eines Kurses, eines Kreativangebotesoder einer Selbsthilfegruppe, sein. In einer Tätigkeitsbeschreibung, die alle ent-sprechenden Angaben enthält (vergleichbar miteiner Stellenbeschreibung), können diese Datenfestgehalten werden. Dadurch lassen sich Un-klarheiten vermeiden und Grundlagen für dieÜberprüfbarkeit und Transparenz sowohl fürdie ehrenamtliche Durchführung einer Tätig-keit als auch für die Zusammenarbeit mit denhauptamtlichen Mitarbeiterinnen herstellen.

Auch für ehrenamtlich Engagierte ist es wichtig,nachvollziehbare Entscheidungsstrukturen undMitbestimmungsmodelle vorzufinden und mit-entscheiden zu können. Sie müssen wissen, wel-che Entscheidungen auf welcher Ebene odervon welchem Gremium getroffen werden, da-mit sie sich mit Fragen, Wünschen oder Ideenan die entsprechenden Stellen wenden und sichan Entscheidungsprozessen beteiligen können.Das kann die Mitarbeit im Vorstand oder in ver-schiedenen internen Arbeitsgruppen, -ausschüs-sen oder -kommissionen sein. Das setzt voraus,daß Ehrenamtliche gleichberechtigte Mitgliedereines solchen Gremiums sind, daß ihre Meinun-gen und Ideen genauso in Entscheidungspro-zesse einfließen wie die der Hauptamtlichen.

Selbstverständlich müssen getroffene Entschei-dungen auch bei den betreffenden Stellen oderPersonen ankommen, das heißt, auch die eh-renamtlichen Mitarbeiterinnen brauchen denZugang zu diesen Informationen. Der Informa-tionsfluß muß entsprechend organisiert wer-den.

Es besteht auch die Möglichkeit, daß ehrenamt-liche Mitarbeiterinnen die Einrichtung bei ex-ternen Veranstaltungen oder in Stadtteil- bzw.

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

56

Page 59: Vska handbuch

kommunalen Gremien (Stadtteil-, Jugendhilfe-,Sozialausschuß usw.) vertreten. Es müssen nichtimmer Vorstandsmitglieder sein. Allerdings soll-ten die betreffenden Personen entsprechendvorbereitet werden, denn als Verteterinnen derEinrichtung müssen sie auch deren Standpunktedarstellen.

Für die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen be-deutet die Zusammenarbeit mit Ehrenamtli-chen, daß sie über Innovationsbereitschaft ver-fügen und unterschiedliche Motivationen ak-zeptieren. Freiwillig Engagierte haben eigeneIdeen und Vorstellungen und sie erhalten dieMöglichkeit, diese umzusetzen, auch wennmanches neu oder ungewöhnlich sein sollte,vorausgesetzt es handelt sich um Aktivitäten,die sich im Rahmen der Konzeption der Einrich-tung bewegen.

Die Motivation zu ehrenamtlicher Arbeit kannunterschiedlich sein. Manche/r möchte sich ein-fach nur nützlich machen ohne besondere Ver-antwortung zu übernehmen. Einige stellen ho-he Ansprüche an sich selbst und auch an ande-re, gehen sehr bewußt mit ihrer Rolle um. An-dere wollen nur gelegentlich tätig werden undsich nicht auf eine längerfristige regelmäßigeTätigkeit festlegen. Wieder andere sind bereit,sehr viel Zeit und Arbeit zu investieren.

Der Anspruch an die hauptamtlichen Mitarbei-terinnen ist, diese unterschiedlichen Motivatio-nen zu respektieren. Das bedeutet aber auch,daß die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtli-chen nicht immer einfach ist. Von den Haupt-amtlichen wird verlangt, daß sie sich auf jedePerson individuell einstellen. Es gilt herauszu-finden, wer welches Maß an Unterstützung, An-leitung und/oder Zuwendung benötigt und werselbständig und eigenverantwortlich tätig seinkann und will. Auch Geduld und Toleranz sindmanchmal vonnöten. Stimmen die Vorstellun-gen der Hauptamtlichen nicht mit der Arbeits-weise der Ehrenamtlichen überein, sollte das

nicht dazu führen, daß sie bestimmte Dingenicht mehr tun dürfen, weil sie durch haupt-amtliche Routine schneller oder besser erledigtwerden könnten.

Wie kann es überprüft werden?

Die Qualität der Zusammenarbeit kann zumBeispiel durch ein Stimmungsbarometer beihaupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnenüberprüft werden. In Gesprächen oder bei Be-fragungen in der Einrichtung können Stimmun-gen schnell erkannt werden. Es wird deutlich,ob die Haupt- und Ehrenamtlichen aber auchdie Nutzerinnen zufrieden oder unzufriedensind, ob es Unstimmigkeiten oder gar Konfliktegibt, ob ehrenamtliches Engagement tatsäch-lich akzeptiert und respektiert wird. Stellen sichMißverhältnisse heraus, wird nach den Ursa-chen gesucht und gemeinsam daran gearbeitet,diese zu beseitigen. Denn eine gespannte At-mospäre in der Einrichtung oder in einzelnenBereichen wird auch von den Nutzerinnenwahrgenommen und kann im schlimmsten Fallzur Rufschädigung im Stadtteil führen.

Das Image und die Akzeptanz der Einrichtungim Stadtteil geben ebenfalls Aufschluß darüber,ob sie von den Bewohnerinnen als Ort aner-kannt ist, wo diese sich aktiv betätigen, einbrin-gen, mitbestimmen, mitentscheiden könnenund wo ihre Interessen, ihre Meinungen undWünsche gefragt sind.Statistische Auswertungen geben Aufschlußüber die Anzahl der ehrenamtlichen Mitarbeite-rinnen und der ehrenamtlich geleisteten Ar-beitsstunden oder die Teilnehmerinnenzahl beiehrenamtlich geleiteten Angeboten usw. Dazumuß festgelegt werden, welche Daten erfaßtwerden, auf welche Weise das geschieht undwer dafür verantwortlich ist.

Mit Hilfe von Aufgaben- und Zielanalysen kön-nen positive wie negative Entwicklungstenden-zen festgestellt werden. Die bisherige Entwick-lung kann erfolgreich sein und beibehaltenwerden. Sollten sich Veränderungen erforder-lich machen, können entsprechende Maßnah-men getroffen und Schritte eingeleitet werden.

Zur Überprüfung eignen sich auch gemeinsameAuswertungstage und Supervision. Bei Auswer-tungstagen geht es um eine intensive und kon-struktive Auseinandersetzung zu aktuellen in-haltlichen, strukturellen, organisatorischen undanderen Fragestellungen, die sich auf die Zu-sammenarbeit zwischen haupt- und ehrenamt-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

57

Page 60: Vska handbuch

lich Tätigen beziehen. Supervision ist eine Mög-lichkeit, Situationen, Prozesse oder Problememit Hilfe einer außenstehenden Person zuanalysieren, zu bewerten und positiv zu beein-flussen.

Eine Zukunftswerkstatt kann Möglichkeiten fürdie perspektivische Weiterentwicklung der Zu-sammenarbeit zwischen haupt- und ehrenamtli-chen Mitarbeiterinnen aufzeigen. Dabei geht esdarum, Ideen, Vorstellungen und Wünsche auf-zugreifen, sie auf ihre Realisierbarkeit zu prü-fen und nach Wegen für die Umsetzung in derpraktischen Arbeit zu suchen.

Was bringt das?

Durch eine funktionierende Zusammenarbeitvon haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterin-nen wird die Einrichtung zu einem Ort für bür-gerschaftliches Engagement. Interessierte Bür-gerinnen haben hier die Möglichkeit, gemein-sam mit Gleichgesinnten ihren Interessen nach-zugehen und gleichzeitig selbst Verantwortungfür deren Umsetzung aber auch für die Gestal-tung der Arbeit der Einrichtung zu überneh-men, sich an Entscheidungs- und Entwicklungs-prozessen zu beteiligen und damit etwas fürsich selbst und für andere zu tun.

Durch die Förderung des ehrenamtlichen Enga-gements kann die Nutzung der verschiedenenKenntnisse und Fähigkeiten zur aktiven Le-bensweltgestaltung unterstützt und zielgerich-tet entwickelt werden. Menschen aktivierenund motivieren andere, indem sie sie an ihrenFähigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen teil-haben lassen. Damit leisten sie einen aktivenBeitrag zur Gestaltung ihres eigenen Lebensund befähigen damit gleichzeitig ihre Mitmen-schen, selbst Einfluß auf ihre eigene Lebensqua-lität zu nehmen.

Verbindung von sozialer und kultureller Arbeit an einem Ort

Was ist das?

Soziale und kulturelle Arbeit gehören zusam-men. In beiden Bereichen steht die Kommuni-kations- und Ausdrucksfähigkeit der Menschenin ihrer direkten Umgebung im Mittelpunkt.Die soziale und kulturelle Eigeninitiative wirdgefördert.

Wie geht das?

Sozial-kulturelle Einrichtungen sind Orte, wosich Menschen der verschiedenen Generationenin den unterschiedlichsten Lebenssituationenbegegnen. Diese Menschen werden nicht nachdem Schubladenprinzip nach den Problemen,die sie vielleicht haben, eingeteilt, sondern siewerden als Menschen betrachtet, die vor allenDingen über spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten,Erfahrungen und Interessen verfügen. Ansatz-punkt sind also nicht ihre Defizite, sondern ihreRessourcen. Diese werden meist im kulturellenBereich sichtbar. Dabei wird der Begriff „Kul-tur“ als Kultur für alle und Kultur von allen, alsAlltagskultur, als Kultur des Umgangs miteinan-der verstanden. Alle, die es möchten, könnendie Angebote des Hauses nutzen, indem sieselbst aktiv werden, sich in die Gestaltung die-ser Angebote einbringen oder indem sie dieRolle von Konsumentinnen einnehmen.

Durch den stadtteilorientierten Ansatz dersozial-kulturellen Arbeit wird Kultur vor Ortund als Alltagskultur gefördert.

Ein Anliegen von sozial-kultureller Arbeit ist,Kultur als Basis für Identität und Lebenssinn zubetrachten und zu leben. Die Stadtteilbewoh-nerinnen haben die Möglichkeit, durch die Er-füllung ihrer kulturellen und kreativen Bedürf-nisse ihre Lebensqualität zu verbessern. Da-durch daß sie in der Einrichtung die entspre-chenden Voraussetzungen dafür vorfinden unddiese, wenn sie es wünschen, auch eigenverant-wortlich und initiativreich gestalten können,wächst ihre Identifizierung mit dem Haus undmit dem Stadtteil, was wiederum die eigeneIdentität stärkt.

Durch die Anwendung und Verknüpfung vonsozialen und kulturellen Methoden werdenniedrigschwellige Zugänge und Rahmenbedin-gungen geschaffen. Dabei wird angestrebt, daßsich vertrauensvolle Kontakte und Beziehungenzwischen den Nutzerinnen der Angebote undden Mitarbeiterinnen der Einrichtung ent-wickeln. In Zusammenhang mit den kulturellenAngeboten können die Mitarbeiterinnen auchsoziale Problemlagen einzelner Personen oderGruppen erkennen und gemeinsam Lösungswe-ge erarbeiten oder über Hilfsangebote infor-mieren.

Die Vielfalt kreativer Möglichkeiten wie Werk-stätten, Theatergruppen, Gestaltung von Zei-tungen, Internetseiten usw. zu nutzen, eröffnetChancen, über die kreative Betätigung gemein-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

58

Page 61: Vska handbuch

sam mit anderen Menschen, die eigene Lebens-situation ganz anders zu erfahren und an dieserErkenntnis zu wachsen. Als wichtige Erfahrungkann z.B. erlebt werden wie Gemeinschaft

funktioniert, die an einem Thema arbeitet, wieman den eigenen Platz in dieser Gemeinschaftausfüllt, Verantwortung übernimmt, Anerken-nung bekommt, inspiriert wird. Diese kleinenGemeinschaften spiegeln Lebenssituationen wi-der. Wer in diesen und durch diese Gemein-schaften neue Lösungsansätze gefunden hat,hat gute Chancen, auch das alltägliche Lebenerfinderischer zu bewältigen.

Wollen sich Menschen auf eigenverantwortli-cher und selbstorganisierter Basis kulturell undkreativ betätigen, stehen ihnen Räume undAusstattung zur Verfügung.

Beispiel aus dem NachbarschaftshausPfefferberg in Berlin Prenzlauer Berg:

Das Nachbarschaftshaus Pfefferberg hateine Keramikwerkstatt, die zusammen mitden Nutzerinnen ausgebaut und eingerichtetwurde. Sie erfüllt eine wichtige Funktion alsOrt der generations- und zielgruppenüber-greifenden Begegnung und kreativen Betäti-gung. Dabei steht die Förderung von Gemein-schaft, Gemeinschaftssinn und Eigenverant-wortung im Mittelpunkt. Das oberste Prinzipist, daß Geben und Nehmen ausbalanciert seinsollen. Dienstleistungen stehen nicht im Vor-dergrund, es wird vielmehr darauf geachtet,daß die Nutzerinnen alles selbst machen kön-nen und für eine Leistung eine Gegenleistungerbringen. So werden auch Arbeiten erledigt,die in der Werkstatt anfallen. In dieser Werkstatt gibt es Gruppen (Kinder,Jugendliche, Erwachsene, Eltern-Kind-Grup-pen), die zwar auf den ersten Blick unabhän-gig voneinander arbeiten, aber in vieler Hin-sicht miteinander zu tun haben. Sie müssendie Werkstatt zeitlich und platzmäßig mitein-ander teilen. Schon deshalb ist es wichtig,

Werkstattregeln gemeinsam zu diskutierenund festzulegen.Gemeinsame Projekte aller Gruppen weckendas Bewußtsein, daß die Werkstatt nur in derGemeinschaft funktionieren kann. Der Früh-jahrsputz, gemeinsame Ausstellungen der ent-standenen Werke, Verkauf von selbst herge-stellten Dingen beim Trödelmarkt (der Gewinnfließt in die Werkstattkasse), gemeinsame Wo-chenendfahrten, sind über Jahre zu festen Be-standteilen der Gemeinschaft geworden. Alldas wird von den Werkstattnutzerinnen in Ei-genregie organisiert und durchgeführt. Siebetrachten die Werkstatt als ihre eigene, diesie mitgestalten können, wo sie mitbestimmenkönnen und für die sie sogar einen Schlüsselerhalten können, um individuell arbeiten zukönnen.Dieser Prozeß kann nicht völlig dem Selbstlaufüberlassen werden. Es werden immer wiederfachliche und vermittelnde Kompetenzenbenötigt, die von einer Mitarbeiterin wahrge-nommen werden. Sie hat eine Beobachtungs-und Steuerungsfunktion, um die Werkstatt füralle offen zu halten, zu verhindern, daß sievon bestimmten Gruppen ‘okkupiert’ wirdund darüber hinaus als Ansprechpartnerinpräsent zu sein. Gleichzeitig ist sie das Bin-deglied zwischen der Werkstatt und der ge-samten Einrichtung.

Auszüge aus der Werkstatt-Ordnung

KERAMIK-WERKSTATT-FIBELFÜR ALLE NUTZERiNNEN

Das Keramik-Handwerk und die Organisationder Werkstatt erfordern Absprachen und Ein-sicht in die nicht immer gleich zu erkennende Logik. Mit dieser Fibel soll diese Logik ver-ständlich gemacht werden.

Es gibt 3 Regeln, die von allen NutzerInneneingehalten werden müssen:

➊ Geben und Nehmen müssen sich die Balancehalten. Die Nutzung der Werkstatt kostet 10 DM pro Monat, für das Dasein.

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

59

Page 62: Vska handbuch

Das Habenwollen fertig gebrannter Sachen er-fordert einen den Material- und Brennkostenangemessenen Obolus, d.h., sie müssen aus-gelöst werden. Je nach Gruppe und Absprachekann das in Form von Geld, Naturalien (z.B.Speis und Trank) oder ehrenamtlicher Arbeitgeschehen.➋ Die Werke anderer werden nicht angefaßt.Gründe: Ungebrannte Sachen sind sehr zer-brechlich und aufgetragene Farben und Glasu-ren sind oft nicht wischfest.➌ Das Sofa ist altehrwürdig und schonungsbe-dürftig, darum darf nicht darauf herumgehüpftwerden.

… Es folgen Hinweise zum Umgang mit Mate-rial und Werkzeug…

Was braucht es?

Zur Verbindung von sozialer und kultureller Ar-beit an einem Ort ist eine Definition der Schnitt-stelle von Sozial- und Kulturarbeit erforderlich.Jede Einrichtung muß entsprechend ihren An-geboten, den Fähigkeiten ihrer haupt- und eh-renamtlichen Mitarbeiterinnen und ihrer Struk-tur herausfinden, wo diese Schnittstelle liegtund wie sie zur Förderung der Nutzerinnen undzur Befriedigung ihrer sozialen und kulturellenBedürfnisse entwickelt wird.

Dazu benötigen die Mitarbeiterinnen fachlicheund konzeptionelle Kompetenz in den Metho-den der kulturellen und sozialen Arbeit undentsprechende Qualifizierungsmöglichkeiten.

Auch Kreativität und Experimentierfreude sindgefragt. Damit verbunden ist die Offenheit fürUngewohntes, denn die Tätigkeit in sozial-kul-turellen Einrichtungen ist auf Grund der Viel-schichtigkeit der Angebote, des generations-und zielgruppenübergreifenden Ansatzes undder Orientierung an den Bedürfnissen und In-teressen der Stadtteilbewohnerinnen ein stän-diger Entwicklungsprozeß. Dabei kommen Mit-arbeiterinnen nicht selten mit Menschen undderen Lebenssituationen in Kontakt, die nichtdem ‘gängigen’ Lebensmodell entsprechen.Dann gilt: Ungewöhnliche Umstände erfordernungewöhnliche Herangehensweisen.

Hohe Kommunikationsbereitschaft und profes-sionelle Sensibilität sind nötig, um den unter-schiedlichen Ansprüchen der verschiedenen Ge-nerationen und Zielgruppen gerecht zu wer-den. Man muß sich immer wieder auf neue

Menschen und Situationen einstellen, diese ein-schätzen und entsprechende Schlußfolgerun-gen ziehen können.

Wie kann es überprüft werden?

Die Nutzung der Angebote wird dahingehendüberprüft, ob die kulturellen Angebote auch einen sozialen Hintergrund haben. Es erfülltnicht den Zweck der Verbindung von sozialerund kultureller Arbeit an einem Ort, wennMenschen aus der ganzen Stadt zu rein kultu-rellen Veranstaltungen gelockt werden. Dasmacht zwar eine hohe Besucherzahl aus, aberdiese Besucherinnen entwickeln keine weiter-gehendere Beziehung zum Haus. StatistischeAuswertungen von Benutzerinnenzahlen soll-ten auch einmal daraufhin überprüft werden.

Die Beobachtung des Stimmungsbarometers imStadtteil gibt Aufschluß über die Akzeptanz,die Attraktivität und das Image des Hauses beiden Bewohnerinnen und darüber, ob die ‘Kul-tur’ der Einrichtung bei allen Schichten Anklangfindet. Besucherinnenprofile machen deutlich,ob Gruppen möglicherweise ausgeschlossensind oder bevorzugt werden.

Es lohnt sich, auch die Anfragen zu erfassen,die nicht sofort abgedeckt werden können.Dann kann ggf. eine entsprechende Reaktionerfolgen. Je nach Art der Anfragen kann gleich-zeitig herausgefunden werden, über welche‘Schätze’ (Fähigkeiten und Kenntnisse) dieStadtteilbewohnerinnen verfügen, die in dieweitere Arbeit einfließen können.

Was bringt es?

Die Verbindung von sozialer und kultureller Ar-beit an einem Ort trägt zur Stärkung von Kom-munikations- und Ausdrucksformen der Bürge-rinnen bei. Durch kulturelle und kreative Betäti-gung können die Menschen ihre sozialen Kom-petenzen erweitern. Das führt zu einerVerbesserung der Lebensqualität.

Der Stadtteil erfährt eine Aufwertung, indemsich die Menschen positiv mit ihm identifizie-ren, weil sie dort (fast) alles vorfinden, was einehohe Lebensqualität ausmacht.

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

60

Page 63: Vska handbuch

Bündelung von Angeboten; Gesamtver-waltung, Gesamtleitung, Transparenzund Erreichbarkeit

Was ist das?

Die gemeinsame Leitung der verschiedenen Be-reiche stellt ein gemeinsames Profil der Ange-bote sicher, ermöglicht die Bündelung der zurVerfügung stehenden Ressourcen und sichertdie notwendige Flexibilität und eine klare Ori-entierung der Nutzerinnen.

Gemeinsame Verwaltung begünstigt eine opti-male und kostengünstige Nutzung der vorhan-denen Ressourcen und Kompetenzen.

Wie geht das?

Am Anfang steht eine Idee, die die Grundlagefür die Entwicklung einer Gesamtkonzeptionbildet. Für deren Gestaltung kann die Auswer-tung von Stadtteilanalysen und Bewohnerin-nenbefragungen genutzt werden. Daraus erge-ben sich die Schwerpunkte für die Arbeit. DieInteressen, Wünsche und Bedürfnisse der(zukünftigen) Nutzerinnen sollten in die Pla-nungsarbeit einfließen und doppelte Angebotevermieden werden. Mit der Erarbeitung einerKonzeption für die gesamte Einrichtung wirdder Grundstein für die weitere Arbeit gelegt.

Da sich der Stadtteil und die Interessen und Be-dürfnisse seiner Bewohnerinnen im Laufe derZeit verändern, gilt es, von Zeit zu Zeit die Kon-zeption zu aktualisieren. Dabei kann überprüftwerden, ob die aktuellen Angebote noch mitder Konzeption und den Bedürfnissen der Nut-zerinnen übereinstimmen. Veränderungen wer-den in die Konzeption eingearbeitet.

Sowohl bei der Erarbeitung der Gesamtkonzep-tion als auch bei deren Aktualisierung solltenalle Bereiche des Hauses einbezogen werden,damit gewährleistet werden kann, daß sich dieMitarbeiterinnen mit dem gesamten Haus, sei-ner Entwicklung, seiner Philosophie und nichtnur mit ihrem eigenen Arbeitsbereich identifi-zieren.

Damit kann gleichzeitig sichergestellt werden,daß die Mitarbeiterinnen voneinander wissen,was sie tun, wie und warum sie es tun. Das isteine wichtige Voraussetzung für die Kooperati-on der einzelnen Bereiche untereinander und

es kann Auskunft gegeben werden, wennStadtteilbewohnerinnen oder andere Personenetwas über die Arbeit des Hauses und die Mög-lichkeiten, die sich ihnen hier bieten, wissenmöchten. Auch bei der Mitarbeit in Stadtteil-gremien, wo die Mitarbeiterinnen meist als Ver-treterinnen der Einrichtung und nicht nur ihresArbeitsbereiches auftreten, sind die entspre-chenden Kenntnisse von Vorteil.

Eng verbunden mit der Gesamtkonzeption istdie Verantwortung für die Philosophie der Ein-richtung, denn wer sich für sozial-kulturelle Ar-beit entscheidet, entscheidet sich für einen Ar-beitsansatz, der besondere Hintergründe undAnsprüche hat, die in der täglichen Arbeit ge-lebt werden und das inhaltliche Bild einer sol-chen Einrichtung ausmachen.

Diese Philosophie zeichnet sich unter anderemdadurch aus, daß sozial-kulturelle Einrichtun-gen sich an alle Menschen richten, unabhängigvon Herkunft, Nationalität und Geschlecht. Sieist stadtteilorientiert, generations- und ziel-gruppenübergreifend. Es geht darum, etwasgemeinsam mit den Menschen und nicht nurfür die Menschen zu tun. Der Mensch wird inseiner Ganzheit betrachtet. Ansatzpunkte fürdie gemeinsame Arbeit sind die Fähigkeiten,Kenntnisse, Interessen und Bedürfnisse derMenschen. Die Verbindung von sozialer undkultureller Arbeit an einem Ort garantiert, daßsoziale und kulturelle Bedürfnisse gleicher-maßen aufgegriffen und bearbeitet werden.Dabei können die unterschiedlichsten Wegeund Methoden genutzt und mit Phantasie, in-novativen Ideen und Experimentierfreudigkeitgestaltet werden.

Gute Organisation, Koordination und Koopera-tion sind durch die fachlich und inhaltlich sehrverschiedenen Bereiche eine Grundvorausset-zung für das Funktionieren einer sozial-kultu-rellen Einrichtung. Viele der vorhandenen Räu-me werden mehrfach und von den unterschied-lichsten Gruppen/Bereichen des Hauses und vonaußerhalb genutzt, also muß die Belegung derRäume organisiert werden. Aber auch der Ablauf und die Gestaltung derArbeit in der Einrichtung als Ganzes sollte orga-nisiert, Zuständigkeiten und Verantwortungenfestgelegt werden. Das funktioniert am ehe-sten, wenn alle bereit sind, sich auch außerhalbihres Arbeitsbereiches für das Haus einzusetzen.Dabei geht es sowohl um die kleinen Dinge desAlltags als auch um größere Veranstaltungenwie Stadtteil-, Straßen-, Hausfeste, Tagungen,die das ganze Haus betreffen und einer ent-sprechenden Organisation bedürfen.

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

61

Page 64: Vska handbuch

Die für die einzelnen Arbeitsbereiche erarbeite-ten Programme sollten zusammengeführt undfür die Nutzerinnen in einer verständlichen undübersichtlichen Form aufbereitet werden. Fürdie Veröffentlichung und Werbung ist eine ge-meinsame Öffentlichkeitsarbeit nützlich. DieHerstellung, der Druck und die Verteilung vonProgramm- und Werbematerialien können zen-tral organisiert werden und diese Stelle infor-miert regelmäßig Presse und Rundfunk. Son-deraktionen oder -veranstaltungen könnenebenfalls auf diese Weise bekanntgemacht wer-den.

Überlegt werden sollte auch, wie die Sammlungund Weitergabe von Informationen erfolgt. Be-sonders in großen Häusern mit vielen Mitarbei-terinnen und mehreren Standorten ist es wich-tig, dafür praktikable Modelle zu finden, da esmeist nicht möglich ist, regelmäßige Bespre-chungen mit allen Kolleginnen durchzuführen.Um den Informationsfluß und den entsprechen-den Rücklauf zu gewährleisten, kann z.B. nachdem Delegationsprinzip verfahren werden, d.h.jeder Bereich ist mit einer Person vertreten, diedie Informationen an die und von den anderenMitarbeiterinnen weitergibt. Oder es könnenzentrale Postfächer eingerichtet und die Infor-mationen dort abgeholt werden. Möglich istauch eine Umlaufmappe oder die Versendungvon Informationen per Fax. An Bedeutung ge-winnt auch die Nutzung von neuen Technologi-en wie E-Mail oder Internet, mit denen eineschnelle Information und Rückantwort erleich-tert wird. Jede Einrichtung kann für sich selbstentscheiden, welcher Weg für sie geeignet ist.

Es ist wichtig, daß auch die ehrenamtlichen Mit-arbeiterinnen in den Informationsfluß einbezo-gen werden.

Die Gesamtverwaltung einer Einrichtung hatviele Vorteile. Zum einen können dadurch dieMitarbeiterinnen der einzelnen Bereiche entla-stet werden, da sie sich neben der inhaltlichenArbeit nicht übermäßig mit verwaltungs- undfinanztechnischen Fragen beschäftigen müssen.Weiterhin wird dadurch ein Gesamtüberblicküber Finanzierungsfragen möglich. Für die Ge-schäftsführung und den Vorstand wird die fi-nanzielle Situation der Einrichtung auf einenBlick erkennbar, die erforderlichen Daten wer-den an einer Stelle gesammelt und müssennicht erst von den einzelnen Arbeitsbereichenabgefragt werden. Dabei sollten natürlich auchdie Mitarbeiterinnen dieser Bereiche einenÜberblick über ihre Finanzen haben, damit sieentsprechend ihren Befugnissen darüber verfü-gen können. Diese Befugnisse sollten von der

Geschäftsführung, der Verwaltung und/oderdem Vorstand gemeinsam mit den Mitarbeite-rinnen festgelegt werden.

Die Finanzierungsfragen betreffen jedoch nichtnur die Verwaltung und Abrechnung der aktu-ell vorhandenen Mittel. Immer mehr in denBlickpunkt rückt heute die Erschließung zusätz-licher oder neuer Finanzierungsquellen. Dafürist es hilfreich, in der Einrichtung eine zentralePerson zu haben, die sich, intensiver als das denMitarbeiterinnen neben der inhaltlichen Arbeitin ihren Bereichen möglich ist, mit Finanzie-rungsmöglichkeiten beschäftigt und als An-sprechpartnerin zur Verfügung steht.

Sozial-kulturelle Einrichtungen umfassen meistmehrere unterschiedliche Arbeitsbereiche. Da-bei treten immer wieder Fragen, Probleme,Klärungs- oder Diskussionsbedarf auf, die alleBereiche bzw. das Haus als Einheit betreffen.Das können z.B. Fragen der Entwicklung des eh-renamtlichen Engagments, der Öffentlichkeits-arbeit, der Qualifizierung usw. sein. Diese über-geordneten Themen sollten herausgefiltert undentsprechend bearbeitet werden, um in der Ein-richtung klare Standpunkte herzustellen undHerangehensweisen abzustimmen.

Was braucht es?

Die wichtigste Arbeitsgrundlage ist ein über-prüfbares Gesamtkonzept. Es beinhaltet dieZiele und Inhalte und deren Umsetzung in diePraxis und bildet den Rahmen für alle Aktivitä-ten. Die Rahmenbedingungen sollten so gestal-tet werden, daß sie genügend Raum für Verän-derungen und Weiterentwicklungen bieten.Dadurch daß sich die Arbeit an den Bedürfnis-sen im Stadtteil und an den Interessen, Kenntis-sen und Fähigkeiten der Nutzerinnen des Hau-ses orientiert, kann es erforderlich werden, dasKonzept zu modifizieren, es der Entwicklungder praktischen Arbeit anzupassen, neue Vorha-ben aufzunehmen oder konzeptionell auf sichabzeichnende Veränderungen zu reagieren. Eine wichtige Rolle spielt dabei, daß dies imRahmen der Philosophie des Hauses und dessozial-kulturellen Ansatzes geschieht.

Ein angemessenes Informationswesen undnachvollziehbare Entscheidungsstrukturen tra-gen dazu bei, die Arbeit sowohl für die Mitar-beiterinnen als auch für die Nutzerinnen trans-parent zu machen. Es sollten Wege und Mög-lichkeiten gefunden werden, den Informations-fluß zwischen Geschäftsführung, haupt- und

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

62

Page 65: Vska handbuch

ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Nutzerin-nen so zu organisieren, daß Informationen soschnell wie möglich an den betreffenden Stel-len ankommen, auch der Rücklauf sollte funk-tionieren. Regelmäßige Mitarbeiterinnenbe-sprechungen können ein gangbarer Weg sein.Garantiert werden sollte aber auch, daß Infor-mationen, die in der Zwischenzeit eintreffenund vor dem nächsten Gespräch bearbeitetwerden müssen, die Adressatinnen schnell errei-chen.

Es geht aber nicht nur darum, daß alle regel-mäßig informiert werden. Die Mitarbeiterinnenkönnen und sollten sich auch selbst informie-ren. Dazu gehört auch, daß diese Informatio-nen weitergegeben werden. Das bezieht sichsowohl auf interne als auch auf Informationenvon außen. Informationen wie spezielle Fortbil-dungsangebote, Berichte oder Unterlagen zuverschiedenen Themen, Material über andereEinrichtungen usw. können an zentraler Stellegesammelt und von den Mitarbeiterinnen ein-gesehen werden. Diese Sammlungen könnenauch als Umlauf durch die einzelnen Bereichegehen.

Die tägliche Arbeit in einer Einrichtung ist im-mer auch mit dem Treffen von Entscheidungenauf verschiedenen Ebenen (Vorstand, Geschäfts-führung, Bereichsleitung) verbunden. Damiteinher geht die Schaffung von Entscheidungs-strukturen, die festlegen, wer welche Entschei-dungen auf welcher Ebene mit welchen Befug-nissen trifft bzw. treffen kann. Diese Strukturenwerden von Einrichtung zu Einrichtung unter-schiedlich sein. Entsprechend der organisatori-schen Strukturen kann z.B. die Hauptverant-wortung beim Vorstand liegen. Der Vorstandkann eine Geschäftsführerin/einen Geschäfts-führer einstellen, der/dem alle oder genau defi-nierte Entscheidungskompetenzen übertragenwerden. Geklärt werden sollte auch, welcheEntscheidungen von Bereichs- oder Projektleite-rinnen getroffen werden können, ob und mitwem sie sich vorher möglicherweise abstimmenmüssen usw.

Werden Entscheidungen getroffen, empfiehltes sich auch zu überlegen, wie diese weiterge-leitet werden. Klare Regelungen fördern dabeiTransparenz und beugen Mißverständnissenund Unklarheiten vor. Beauftragt z.B. der Vor-stand eine Mitarbeiterin mit einer bestimmteAufgabe, ohne die Geschäftsführung/Projektlei-tung zu unterrichten, welche dann verwundertist, daß andere Arbeiten liegenbleiben, kanndas zu Verunsicherungen auf beiden Seitenführen. Deshalb sollten entsprechende generel-

le Regelungen getroffen und eingehalten wer-den. Geschäftsverteilungspläne und Arbeits-platzbeschreibungen sind dabei eine Hilfestel-lung.

Weitere wichtige Voraussetzungen für eine er-folgreiche Arbeit sind Kooperation und Kom-munikationsfähigkeit. Die einzelnen Arbeitsbe-reiche einer Einrichtung sollten Möglichkeitender Zusammenarbeit nutzen. Das kann z.B. dieDurchführung gemeinsamer Projekte sein oderdie Mitarbeiterinnen können sich gegenseitigvertreten, wenn sie auch über Grundkenntnissein den jeweiligen anderen Bereichen verfügen.

Aber auch die Kooperation zwischen denhaupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen,der Geschäftsführung und dem Vorstand sollteso funktionieren, daß alle einbezogen undernst genommen werden, damit die täglicheArbeit möglichst reibungslos und in guter Qua-lität stattfinden kann.

Dabei spielen Kommunikationsfähigkeit unddie Bereitschaft zum Konsens eine wichtige Rol-le. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Zu-sammenarbeit der Mitarbeiterinnen unterein-ander und natürlich auch in der Arbeit mit denNutzerinnen der Einrichtung, der Arbeit imStadtteil, der Kooperation mit anderen Einrich-tungen und Institutionen, der Mitarbeit in denverschiedensten Gremien, der Öffentlichkeitsar-beit, der Verhandlung mit Geldgebern usw.

Für eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit sollteim Vorfeld überlegt werden, mit welchem Zielsie erfolgen soll. Geht es darum, das aktuelleProgramm bekannt zu machen, kann ein ande-res Herangehen notwendig sein als bei geziel-ter Pressearbeit oder bei einem Angebot, dasauf eine bestimmte Zielgruppe zugeschnittenist.

Die Verteilung von Monats-, Halbjahres- oderJahresprogrammen kann z.B. durch Auslegen inder Einrichtung und/oder an anderen Stellen imStadtteil (Behörden, Läden, Arztpraxen) gesche-hen. In Einzelfällen könnte die Zusendung perPost angebracht sein. Viele Einrichtungen ha-ben dafür bereits ein entsprechendes Verteilsy-stem entwickelt. Die aktuellen Tages- oder Wo-chenprogramme oder Auszüge daraus könnenin (kostenlosen) Stadtteil- oder Regionalzeitun-gen oder über lokale Rundfunksender veröf-fentlicht werden. Für Höhepunkte, wie Stadt-teilfeste oder einmalige Veranstaltungen kom-men auch Plakat- oder andere Werbeaktionenin Frage. Wenig erfolgreich ist im allgemeinendie Bestückung von Hausbriefkästen mit Wer-

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

63

Page 66: Vska handbuch

bematerial, da diese Informationen in der Flutvon anderer Werbung untergehen.

Zur Öffentlichkeitsarbeit gehört natürlich auchdie Pressearbeit. Fast überall ist es inzwischenselbstverständlich, daß zu besonderen Veran-

staltungen Pressevertreterinnen eingeladenoder eigene Artikel an die Presse gegeben wer-den. Dabei wird die Presse nicht nur genutzt,um Erfolge der Arbeit in der Einrichtung öffent-lich darzustellen, sondern auch um Druck aufdie Politik auszuüben oder die Solidarität vonBewohnerinnen oder anderen Einrichtungen imStadtteil zu gewinnen, wenn es z.B. um dieSchließung von Einrichtungen oder Mittelkür-zungen geht. Ebenso kann die Presse genutztwerden, um auf Mißstände oder Problemlagenim Stadtteil aufmerksam zu machen und umMenschen aufzurufen, sich an deren Beseiti-gung zu beteiligen. Eine Voraussetzung dafürist auch die regelmäßige Kontaktpflege mit derlokalen Presse und Rundfunk- und Fernsehsen-dern.

Durch die Vielfalt und Flexibilität der Angeboteund Betätigungsmöglichkeiten und durch diedamit verbundenen meist ebenso vielfältigenFinanzierungsformen sind betriebswirtschaftli-che und Verwaltungskompetenz wichtige Vor-aussetzungen für das Funktionieren der Einrich-tung. Bestandteile der Qualitätsentwicklungund -sicherung sollten auch Fortbildungs- undSchulungsangebote sein.

Wichtig ist auch die Erreichbarkeit der Einrich-tung. Sie sollte einen publikumswirksamenStandort haben, damit sie von den Bewohnerin-nen des Stadtteils zu Fuß oder mit einem gerin-gen zeitlichen Aufwand erreicht werden kann.

Für die gesamte Arbeit einer Einrichtung solltenInnovations- und Risikobereitschaft, Visions-und Motivationsfähigkeit gefordert und geför-dert werden. Dadurch kann die flexible undschnelle Reaktion auf Veränderungen im Stadt-teil und Veränderungen der Interessen und Be-dürfnisse der Menschen gewährleistet werden.Neue Ideen können aufgegriffen oder ent-wickelt und innovativ und mit Mut zum Risikoumgesetzt werden. Sozial-kulturelle Einrichtun-gen sind das Bindeglied zwischen ihren Nutze-rinnen und dem gesamten Stadtteil. Sie über-nehmen gemeinsam mit den Bürgerinnen Ver-antwortung für dessen Gestaltung. Dabei kanndie Entwicklung von Visionen für den Stadtteil,und daraus resultierend für die zukünftige ei-gene Arbeit, hilfreich sein. Das erfordert vonden Mitarbeiterinnen ein hohes Maß an Moti-vationbereitschaft, auch als Voraussetzungdafür, andere Menschen zum Mitmachen zu ge-winnen.

Wie kann es überprüft werden?

Die Durchführung von überschaubaren Selbst-Evaluationsprojekten in den einzelnen Berei-chen und in der Gesamteinrichtung kann eineMöglichkeit zur Überprüfung der Arbeit sein.Unter einer bestimmten Frage- und Zielstellungund mit verschiedenen methodischen Herange-hensweisen betrachten die Mitarbeiterinnender einzelnen Bereiche und des gesamten Hau-ses ihre eigene Arbeit. Die Ergebnisse könnendie Grundlage für die Veränderung, Weiterent-wicklung oder Beibehaltung der inhaltlichenArbeit sein.

Hilfreich bei der Überprüfung und Weiterent-wicklung der eigenen Arbeit kann auch eineFremdevaluation sein. Das kann z.B. im Formvon Organisations- oder Qualitätsanalysen oderSupervision geschehen. Dabei bietet der Blickvon außen, der nicht durch ‘Betriebsblindheit’oder tägliche Arbeitsroutine verschleiert ist,eine gute Möglichkeit, Kritikpunkte herauszu-arbeiten oder Bestätigung für die Qualität derArbeit zu erhalten. Soll eine Fremdevaluationerfolgreich stattfinden, ist deren Akzeptanzdurch die Mitarbeiterinnen förderlich.

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

64

Page 67: Vska handbuch

Prozeßorientiert sollte ein Abgleich der Kon-zeptionen mit den sich verändernden Lebens-und Problemlagen im Stadtteil erfolgen. Dabeiwird deutlich, ob und inwieweit Veränderun-gen eingetreten oder abzusehen sind und obund welche Auswirkungen diese auf die Arbeitder Einrichtung hatten oder in der Zukunft ha-ben sollten/könnten. Möglicherweise erforderndiese Veränderungen eine Modifizierung derKonzeption eines Bereiches oder des ganzenHauses.

Für Transparenz und Überschaubarkeit kannu.a. die Dokumentation von Kosten und Finan-zierung sorgen. Daraus wird ersichtlich, welcheMittel aus welchen Quellen in welche Bereichefließen und wie sie dort verwendet werden. Er-kennbar wird auch, wo Reserven oder Finanzie-rungslücken bestehen und wie sie ausgeglichenwerden.

Durch die Auswertung der Öffentlichkeitsarbeitkann man z.B. einen Überblick erhalten überdie Präsenz des Hauses in den Medien. Aberauch der Vergleich von Aufwand (Investitionvon Zeit und Geld) und Nutzen (wieviele Men-schen wurden tatsächlich erreicht) von Werbe-aktionen kann festgestellt werden.

Was bringt es?

Das Ergebnis der erfolgreichen Arbeit sozial-kultureller Einrichtungen sind bürgernahe, fle-xible, kostengünstige soziale und kulturelle An-gebote, die zur Verbesserung der Lebensbedin-gungen der Bürgerinnen im Gemeinwesen bei-tragen.

Bürgernahe und flexible Angebote entstehendurch die Orientierung an den Interessen,Kenntnissen, Fähigkeiten und Wünschen derStadtteilbewohnerinnen. Die Nutzung der vor-handen räumlichen, materiellen, zeitlichen,strukturellen und personellen Ressourcen durchdie unterschiedlichsten Gruppen führt zu einerökonomische Auslastung der Einrichtung.Durch den stadtteilorientierten Ansatz vonsozial-kulturellen Einrichtungen tragen sie zurVerbesserung der Lebensbedingungen derBewohnerinnen bei.

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

65

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit in der ÜbersichtBirgit Weber

Page 68: Vska handbuch

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

66

Was ist das?

BESCHREIBUNG DER ZIELE

Wie geht das?

INSTRUMENTARIEN

ORIENTIERUNG AN DEN FRAGEN,KENNTNISSEN UND INTERESSEN

DER NUTZERINNEN UND BEWOHNERINNEN

ORIENTIERUNG AN DER BEDARFS-LAGE IM STADTTEIL

MULTIKULTURELLES UND GENERATIONSÜBERGREIFENDES

BEGEGNEN UND ZUSAMMEN-WIRKEN IN STADTTEILEN

HILFE ZUR SELBSTHILFE

VERNETZUNG IM STADTTEIL GEMEINWESEN-ENTWICKLUNG

FÖRDERUNG VON FAMILIEN,ANDEREN LEBENSGEMEIN-SCHAFTEN UND NACHBAR-

SCHAFTSBEZIEHUNGEN DURCHINFORMELLE VERNETZUNG

ZUSAMMENARBEIT VON HAUPT-UND EHRENAMTLICHEN

MITARBEITERINNEN

VERBINDUNG VON SOZIALERUND KULTURELLER ARBEIT AN

EINEM ORT

BÜNDELUNG VON ANGEBOTEN;GESAMTVERWALTUNG,

GESAMTLEITUNG, TRANSPARENZUND ERREICHBARKEIT

Die Menschen sind bei der Planung und Durchführung derVeranstaltungen beteiligt. Die Hilfe und die Angebote rich-ten sich nach ihren Fragen, Problemen und Wünschen.

Sozialpädagogische Angebote und Dienstleistungen, dieim Stadtteil fehlen und an denen ein Bedarf besteht.Flexible Antworten auf neuentstehende Problemlagen.Basis- und prozeßbegleitende Beratung.

Menschen unterschiedlichen Geschlechts, unterschiedli-cher Generationen und weltanschaulicher Orientierungenwerden zusammengeführt und dabei gefördert, gruppen-spezifische und gemeinsame, stadtteilbezogene Interessenzu verwirklichen.

Im Vordergrund der Arbeit steht: Menschen dabei zu un-terstützen, ihre Fragen und Probleme aus eigener Kraftbzw. in einer Gruppe Gleichgesinnter zu lösen.

Zielgerichtete Einbeziehung aller im Stadtteil vorhande-nen „Einheiten“ - wie soziale, kulturelle Einrichtungen,Vereine, Initiativen, Verwaltung, Politik und Wirtschaft.Beiträge zur Lösung der anstehenden Probleme im lokalenWohnumfeld unter Einbeziehung der AnwohnerInnen.

Berücksichtigung und Funktionsstärkung der informellenHilfesystemeAusgleich von DefizitenVerknüpfung von familialen und stadtteilbezogenen Netzwerken

Ehrenamtliche Arbeit erweitert und ergänzt die Reichweiteder professionellen Angebote von Nachbarschafts-einrichtungen. Sie umfaßt Freiwilligendienste und die Mitwirkung an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenender Einrichtungen.

Soziale und kulturelle Arbeit gehören zusammen. In bei-den Bereichen steht die Kommunikations- und Ausdrucks-fähigkeit der Menschen in ihrer direkten Umgebung imMittelpunkt. Die soziale und kulturelle Eigeninitiative wirdgefördert.

Die gemeinsame Leitung der verschiedenen Bereiche stelltein gemeinsames Profil der Angebote sicher und ermög-licht die Bündelung der zur Verfügung stehenden Ressour-cen und sichert die notwendig Flexibilität und eine klareOrientierung der NutzerInnen.Gemeinsame Verwaltung begünstigt deren optimale undkostengünstige Nutzung.

� Stadtteilerkundungen� Stadtteilanalysen� Befragung der StadtteilbewohnerInnen� Bildmaterial, Stadtteilgeschichte� Gemeinsame Planung durch MitarbeiterInnen und

BesucherInnen� Reagieren auf aktuelle Ereignisse und Entwicklungen

� Flexibilität in den Angeboten� Übernahme von Trägerfunktionen� Institutionelle Vernetzung und Absprachen

� zielgerichtete Angebote für einzelne Bereiche� geplante gemeinsame Angebote� Freiräume für Begegnungen� Raumvermietung an Fremdgruppen� Angebote an wechselnden Orten� Informationsveranstaltungen, Feste

� Informationsrunden� Dokumentation, Öffentlichkeitsarbeit� Beratung von Interessierten und Gruppen� Organisation, Krisenintervention, Mediation� Kooperation mit Fachleuten� Räume und Infrastruktur zur Verfügung stellen für

Bürgerinitiativen und Vereine

� Teilnahme an und/oder Initiierung von Nachbar-schaftskonferenzen, Arbeitskreisen, Gremien, Informa-tionsgesprächen, Ausschüssen und informellen Treffen

� aktuelle Information über Stadtteilereignisse� gemeinsame Trägerschaft� gemeinsame Nutzung von Ressourcen

� generationsübergreifende Aktivitäten� Familienberatung/ -erholung/ -bildung� Beratung für neue Wohnformen� Wohnungstausch� Tauschringe� Nachbarschaftshilfe� Nachbarschaftsfeste

� Informationsveranstaltungen� Werbung für ehrenamtliche Arbeit� Anerkennung freiwilliger Leistungen� Arbeitsplätze und -formen für ehrenamtliche

Arbeit schaffen� Beratung, Unterstützung, Qualifizierung� Entscheidungsgremien schaffen

� soziale und kulturelle Methoden� Organisation und Koordination� Kultur für alle und Kultur von allen verstehen� Kultur vor Ort und als Alltagskultur fördern� Vielfalt kreativer Möglichkeiten nutzen� Kultur als Basis für Identität und Lebenssinn� Räume und Infrastruktur zur Verfügung stellen

� Organisation und Kooperation� Informationssammlung und Weitergabe� Entscheidung für übergeordnete Themen� Gesamtkonzeption erstellen und aktualisieren� gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit� Verantwortung für die Philosophie der Einrichtung� Gesamtüberblick über Finanzierungsfragen

Qualitätsmerkmalesozial-kultureller

Arbeit

Page 69: Vska handbuch

Qualitätsmerkmale sozial-kultureller Arbeit

67

Was braucht es?

BEDINGUNGEN UNDSTANDARDS

Wie kann es überprüft werden?

EVALUATION UNDQUALITÄTSSICHERUNG

Was bringt es?

ERGEBNIS

� Klarheit über vorhandene Ressourcen� Beteiligungsmodelle für alle� nachvollziehbare Entscheidungsstrukturen� übersichtliches Informationssystem� Rollenklarheit� kommunikative Fähigkeiten� handhabbare Dokumentation

� Flexibilität� freie Kapazitäten für Entwicklungsarbeit� Sicherung der Finanzierung� Zugang zu Informationen anderer Institutionen und

Ämter

� fach-, kultur- und sprachkompetentes Personal� Blick über den Tellerrand� Bereitschaft zur Zusammenarbeit� Flexibilität� Berücksichtigung kultureller Werte und Normen� Phantasie und Toleranz

� eigene Räume� verbindliche und entscheidungsbefugte Koordinations-

stelle� kommunikative Fähigkeiten und Akzeptanz im

Umgang mit unterschiedlichen Gruppen� professionelle Verfahren in Interaktionen, Beratung

und Kriseninterventionen

� klare Trägerstandpunkte� funktionierende Informationsnetze� Kommunikationsfähigkeiten� Transparenz und Kontrollarbeit� Kenntnis der verschiedenen „Einheiten“� Akzeptanz durch die „Einheiten“

� Kompetenz in Beratung und Mediation� Sensibilität für unterschiedliche Sichtweisen

� klare Aufgabenstellung� geklärte Verantwortungen, Rollen und Zeiteinheiten� nachvollziehbare Entscheidungsstrukturen� nachvollziehbare Mitbestimmungsmodelle� Innovationsbereitschaft� Akzeptanz unterschiedlicher Motivationen

� Definition der Schnittstelle Sozial- und Kulturarbeit� fachliche und konzeptionelle Kompetenz in Methoden

der kulturellen und sozialen Arbeit� Kreativität und Experimentierfreude� hohe Kommunikationsbereitschaft� Offenheit für Ungewohntes� professionelle Sensibilität

� überprüfbares Gesamtkonzept� angemessenes Informationswesen und nachvollzieh-

bare Entscheidungsstrukturen� Kooperation und Kommunikationsfähigkeit� Innovations-/Risikobereitschaft, Visions-/Motivations-

fähigkeit� wirksame Öffentlichkeitsarbeit� betriebswirtschaftliche und Verwaltungskompetenz

� Überprüfung von Untersuchungsergebnissen und tat-sächlichen Programmen; BesucherInnenbefragungen

� Interviews im Stadtteil� Statistische Auswertung� Beschreibung der Ziele und Ergebnisse� Szenarien� Planspiele

� Abstimmung mit zuständigen kommunalen Stellen� NutzerInnenbefragungen� Umfrage im Stadtteil� Rückmeldung von Stadtteilkonferenzen, Sozialraum,

AGs und ähnlichen Gremien� Experten-Hearings

� Dokumentation der spezifischen Angebote� Abgleich mit der Gesamtkonzeption� Überprüfung der Akzeptanz bei den TeilnehmerInnen� regelmäßige Auswertung gemeinsamer Aktionen� Auswertung der Pressemitteilungen

� Auswertungstage mit VertreterInnen der Selbsthilfe-gruppen

� Dokumentation der Vermietungen

� Überprüfung von Selbstbild und Fremdbild� Imageüberprüfung� regelmäßige Überprüfung des eigenen Angebots im

Kontext sonstiger Angebote im Stadtteil� Protokolle der Treffen� Rückkopplung zur eigenen Einrichtung� Delphi-Befragung

� Rückmeldung von anderen, mit diesen Fragenbefaßten Institutionen, wie Schulen, Sozialpädago-gische Dienste, Erziehungsberatungsstellen

� Jugendgerichtshilfe� Wohnungsamt� Auswertungsgespräche mit allen Beteiligten� Kooperation mit Vereinen

� Stimmungsbarometer bei haupt- und ehrenamtlichenMitarbeiterInnen

� statistische Auswertung� Aufgaben- und Zielanalysen� gemeinsame Auswertungstage und Supervision� Befragung im Stadtteil� Zukunftswerkstatt

� Überprüfung der Nutzung der Angebote� statistische Auswertung von NutzerInnenzahlen� Stimmungsbarometer im Stadtteil� BesucherInnenprofile� Erfassung von Anfragen

� Durchführung von überschaubaren Selbst-Evaluations-proj. in den einzelnen Bereichen u. in der Gesamteinr.

� regelmäßiger Abgleich der Konzeptionen mit den tatsächlichen und geäußerten Bedürfnissen der StadtteilbewohnerInnen

� Dokumentation von Kosten und Finanzierung� Auswertung der Öffentlichkeitsarbeit� Fremdevaluation

bürgernahes, bedarfsorientiertes AngebotEntfaltungsmöglichkeiten im Stadtteil

Abbau von Defiziten in der sozialen und kulturellenVersorgung der Stadtteile

ein Ort der Begegnung für alle Altersgruppen undNationalitäten im Stadtteilaktiver Beitrag zu Verständnis und sozialem Mit-einander

Stärkung und Erweiterung von Eigenverantwortung undKompetenz der MenschenAbbau von Abhängigkeiten

wirksame und kostengünstige Koordination aller imStadtteil wirksamen Ressourcen

Stabilisierung von Beziehungsgefügenkonstruktive Bewältigung von Generationskonfliktenpositive Sozialisationseffekte

Ort für bürgerschaftliches EngagementNutzung verschiedener Kenntnisse und Fähigkeitenzur aktiven Lebensweltgestaltung

Stärkung von Kommunikations- und Ausdrucksformender BürgerInnen zur Verbesserung der LebensqualitätAufwertung des Stadtteilspositive Identifikation mit dem Stadtteil

kostengünstige, flexible, bürgernahe soziale und kulturelle Angebote zur Verbesserung der Lebens-bedingungen der BürgerInnen im Gemeinwesen

Page 70: Vska handbuch

Erfahrungen aus der Zusammenarbeitmit Projekten in den neuen Bundeslän-dern

Gudrun Israel

Im Folgenden möchte ich noch einmal im zusam-mengefaßter Form Erscheinungen, Fragen undProbleme aufgreifen, die mir bei der Zusammen-arbeit mit sozial-kulturellen Projekten in denneuen Bundesländern besonders aufgefallensind. Sie hängen teilweise mit den politischenund gesetzlichen Rahmenbedingungen zusam-men und nicht jede Einrichtung ist von allen die-ser Themen betroffen, sie sind jedoch weit ver-breitet. Die Auseindersetzung damit ist als Hilfe-stellung für die tägliche Arbeit gedacht.

Entstehung und Aufbau der EinrichtungenBetrachtet man die Gründungsphase und die Ent-stehung der Einrichtungen, so sind diese in derRegel von viel Enthusiasmus, Motivation undHoffnung bei den Gründerinnen und Mitarbeite-rinnen gekennzeichnet. Die wenigsten Einrich-tungen entwickelten und entwickeln ihre Ange-bote aber auf der Grundlage von Stadtteilanaly-sen. Bekannt war anfangs meist nur die Einwohn-erzahl des Einzugsgebietes. Es wurden kaumweitergehendere Informationen eingeholt oderBefragungen der Stadtteilbewohnerinnen durch-geführt, um darauf basierend zumindest Grund-züge wie die altersmäßige Struktur zu erkennenund sich mit bestimmten Angeboten an spezielleZielgruppen zu richten.

Ausschlaggebend für die inhaltliche Arbeit wa-ren fast ausschließlich die Interessen, Fähigkei-ten, Ideen und Wünsche der haupt- und ehren-amtlichen Mitarbeiterinnen. Diese wurden nichtunbedingt daraufhin überprüft, ob sie auch denInteressen und Bedürfnissen der Bürgerinnenentsprechen.

Es ist jedoch eine zunehmende Orientierung anden Bedürfnissen im Stadtteil zu beobachten,von denen die Mitarbeiterinnen durch die Nutze-rinnen des Hauses und in Gesprächen erfahren.Auch Finanzierungsgründe spielen dabei eineRolle. Zur Stabilisierung der Arbeit sollten zumin-dest Teilbereiche finanziell abgesichert werden.Dabei sind die Erfolgsaussichten am größten,wenn es sich um Pflichtaufgaben der Kommunenhandelt, die sich mit den Bedürfnissen der Men-schen im Stadtteil decken. Dazu gehören Jugend-arbeit, Familienhilfe und Familienpflege, die

Übernahme von Kindertagesstätten usw. Hiergibt es sicher für die eine oder andere Einrich-tung noch Möglichkeiten, tätig zu werden. Dazuist es hilfreich, die Entwicklung im Stadtteil ge-nau zu beobachten, um Tendenzen schnell zu er-kennen, entsprechende Konzepte zu entwickelnund die Finanzierung zu sichern. Dabei könntemanchmal ein wenig mehr Mut zum Risiko för-derlich sein.

Auswirkungen der Struktur der ArbeitsfördermaßnahmenVon großer und weitreichender Bedeutung sinddie Bedingungen, die durch die Politik und Praxisder Arbeitsfördermaßnahmen in den neuen Bun-desländern entstanden sind. Nach wie vor wirddie überwiegende Mehrheit der Mitarbeiterin-nen sozial-kultureller Einrichtungen über Arbeits-fördermittel finanziert. Nach einer fünfjährigenrelativ gesicherten ABM- mit anschließender249h-Finanzierung dreht sich das AFG-Karussellnun immer schneller. Die Maßnahmen greifennur noch kurzfristig. Mitarbeiterinnen könnenhäufig nur noch für ein Jahr oder gar einen nochkürzeren Zeitraum beschäftigt werden. Das kannzur Stagnation, im schlimmsten Fall zur Verringe-rung der Qualität der Arbeit führen.

Hinzu kommt, daß die umfangreiche Nutzungvon Arbeitsfördermaßnahmen auch enormeKräfte bindet. Der bürokratische und verwal-tungstechnische Aufwand hat im Laufe der Jahrestark zugenommen, Formulare ändern sich stän-dig, die Antrags-, Umsetzungs- und Abrech-nungsverfahren werden immer komplizierterund aufwendiger. Teilweise wird eine monatlicheAbrechnung verlangt und die Mitarbeiterinnenhaben minutiöse Nachweise des zeitlichen undinhaltlichen Ablaufs ihrer Arbeit zu führen. Er-staunlicherweise lassen sich viele Träger von die-sem Aufwand nicht abschrecken. Nur wenige leh-nen es ab, auf dieser Basis zu arbeiten.

Bedingt durch die anfangs großzügige Bewilli-gung von Arbeitsfördermaßnahmen verfügenviele Einrichtungen bis heute über überpropor-tional viele Mitarbeiterinnen im Vergleich zurGröße der Einrichtung, zum Inhalt der Angeboteund zur Zahl der Nutzerinnen. In Verbindung mitdem Auslaufen dieser Maßnahmen ist kaum dar-über nachgedacht worden, die Arbeit perspekti-visch nach den Grundsatz „Weniger ist vielleichtmehr“ neu zu strukturieren, so daß sie effektivund in gleicher oder sogar höherer Qualität vonweniger Personal getan werden kann, um auf

Knackpunkte

68

Knackpunkte

Page 71: Vska handbuch

diese Weise vielleicht die eine oder andere festeStelle zu schaffen. Alle Anstrengungen liefenvielmehr darauf hinaus, diese Stellen mit anderenPersonen neu zu besetzen. Das schlägt sich bisheute in einer hohen Arbeitsteilung und Speziali-sierung der Mitarbeiterinnen, aber auch in derKurzfristigkeit ihrer Tätigkeit nieder. Daraus ent-wickelt sich eine Spirale ohne Ende. Dazu trägt auch die veränderte Förderpolitik derArbeitsämter bei. Es werden in erster Linie lang-zeitarbeitslose Personen vermittelt, die nicht un-bedingt für soziale, kulturelle und pädagogischeArbeit qualifiziert sind. Demzufolge und durchdie Tatsache,daß es über Jahre hinweg nur seltengelungen ist, feste Stellen zu schaffen, ist der An-teil entsprechend qualifizierter Mitarbeiterinnen,die es anfangs gab, stark zurückgegangen.

Durch die Beibehaltung der hohen Anzahl vonMitarbeiterinnen, die immer weniger entspre-chende Qualifikationen mitbringen, wird zwarweiterhin eine große Angebotsvielfalt bereitge-stellt, sie führt aber auch dazu, daß einige Mitar-beiterinnen für sich Nischen suchen und finden,um nicht in ihrem eigentlichen Arbeitsbereichtätig werden zu müssen.

Mangelnde Kenntnisse und Fähigkeiten erschwe-ren oder verhindern es, die Nutzerinnen der Ein-richtung und die Stadtteilbewohnerinnen im Sin-ne des sozial-kulturellen Ansatzes zu aktivierenund zu motivieren, selbst tätig zu werden undsich für die Berücksichtigung ihrer Wünsche undBedürfnisse einzusetzen. Es entwickelt sich beimanchen Mitarbeiterinnen vielmehr der Wunsch,Menschen betreuen zu wollen. Denn dieser Wegist für sie einfacher zu bewältigen. In einigen Be-reichen ist Betreuung sicher angebracht, in ande-ren jedoch nicht.

Das wird z.B. im Seniorenbereich besonders deut-lich. Es ist für viele hauptamtlichen wie ehren-amtlichen Mitarbeiterinnen immer noch schwerzu verstehen, daß Seniorinnen nicht ständig be-treut werden müssen. Auch wenn die älterenMenschen ein arbeitsreiches Leben hinter sich ha-ben und sich im Alter lieber bedienen lassenmöchten, kann es nicht im Sinne von sozial-kultu-reller Arbeit sein, dies zu fördern. Auch Seniorin-nen haben Fähigkeiten, Kenntnisse und Kompe-tenzen, die sie einbringen können, um etwas inder Einrichtung und für die Einrichtung und da-mit für sich selbst zu tun. Dadurch kann sich ihrLebensgefühl deutlich verbessern. Denn viele äl-tere Menschen leben mit dem Gefühl, allein,nicht mehr gebraucht und ausgeschlossen zusein. Gerade sozial-kulturelle Einrichtungen mitihren vielfältigen Angeboten, Begegnungs- undBetätigungsmöglichkeiten können dem entge-

genwirken. Läßt man diese Menschen sich jedochimmer an den ‘gedeckten Tisch’ setzen, wirddurch diese oftmals gar nicht notwendige Be-treuung das Gegenteil erreicht. Sie bleiben passivund werden nicht dazu motiviert, sich selbst aktivzu beteiligen.So sollte z.B. bei der Einstellung neuer Mitarbei-terinnen darauf geachtet werden, daß Aufgabenvorhanden sind oder gefunden werden, die ihrenKenntnissen und Fähigkeiten entsprechen. Es istwenig förderlich für die Qualitätsentwicklungeiner Einrichtung, für die Weiterentwicklung dessozial-kulturellen Ansatzes und auch für das per-sönliche Lebensgefühl der Mitarbeiterinnen,wenn die Kluft zwischen Anspruch und Möglich-keiten zu groß ist. Und die Praxis hat gezeigt,daß es kaum möglich ist, Mitarbeiterinnen, diekeinen eigenen Bezug zu dieser Arbeit mitbrin-gen, innerhalb der kurzen Zeit, die sie in der Ein-richtung arbeiten, umfassendes Wissen zu ver-mitteln.

Aufgrund der Kurzfristigkeit der Arbeitsverhält-nisse und der Verringerung oder völligen Strei-chung der Fortbildungsmittel aus den Arbeitsför-derprogrammen wird immer weniger in Weiter-bildung im sozial-kulturellen Bereich investiert.Es werden nur dann Veranstaltungen wahrge-nommen, wenn sie im Ort oder in der näherenUmgebung und kostenlos stattfinden. Meist sinddas Veranstaltungen für spezielle Arbeitsberei-che, Fortbildungen im Bereich der sozial-kulturel-len Arbeit werden oft als weniger wichtig be-trachtet.

Im Laufe der Zeit hat sich auch die Motivationder Mitarbeiterinnen verändert. Waren sie an-fangs hochmotiviert und engagiert, in der Erwar-tung, daß es irgendwie weitergehen würde, kamspätestens dann die Ernüchterung, wenn die Stel-len ausliefen und keine Anschlußfinanzierunggefunden werden konnte. Inzwischen stellt sichdie Situation so dar, daß von vornherein klar ist,daß die Stellen befristet sind und eine Verlänge-rung nur in Ausnahmefällen erfolgt. Dies wirktsich positiv wie negtiv auf die Motivation derMitarbeiterinnen aus. Einige engagieren sichstark in der Hoffnung, später zu den Ausnahmenzu gehören, andere machen ‘Dienst nach Vor-schrift’ oder versuchen, sich eine angenehme Zeitzu machen. Wenn es trotz entsprechender Anlei-tung nicht gelingt, die Motivation der Mitarbei-terinnen positiv zu beeinflussen, werden abernur in seltenen Fällen entsprechende Konsequen-zen gezogen, wie z.B. die Beendigung des Ar-beitsverhältnisses vor Ablauf der Probezeit, dieauch bei Arbeitsfördermaßnahmen festgelegtwerden kann. Die Aufzählung all dieser Problembereiche zeigt,

Knackpunkte

69

Page 72: Vska handbuch

daß die Rahmenbedingungen, wie sie in den Ar-beitsverträgen und -bedingungen der Mitarbei-terinnen zum Ausdruck kommen, sehr unter-schiedliche Ebenen betreffen: das Verhältnis Mit-arbeiterinnen - Größe und Ausrichtung der Ein-richtung, Fragen der Motivation, derWeiterbildung und auch der grundlegenden Aus-richtung und der Qualität der Arbeit. Aber sinddiese Rahmenbedingungen immer die einzige Er-klärung für die vorhandenen Entwicklungen?Wie lassen sich Motivation und Qualität geradein bzw. trotz dieser Rahmenbedingungen erhal-ten, stärken, weiterentwicklen? Wie können an-dere Bedingungen geschaffen werden? Wo wirdan Alternativen gearbeitet?

Öffnung und Präsenz der Einrichtungen im StadtteilEin wesentliches Merkmal sozial-kultureller Ar-beit ist die Arbeit mit den Menschen im Stadtteilund damit auch die Öffnung der Einrichtung fürden Stadtteil. So sind die Mitarbeiterinnen derEinrichtungen bei Veranstaltungen, Festen undanderen Aktivitäten im Stadtteil mit Ständen,Programmen, Angeboten usw. vertreten undkommen auf diese Weise in Kontakt mit anderenPersonengruppen als den Nutzerinnen der Ein-richtung. Es ist jedoch in vielen Einrichtungeneine gewisse bis große Scheu der Mitarbeiterin-nen zu beobachten, außerhalb solcher Aktivitä-ten auf die Menschen im Stadtteil zuzugehenoder sie in ihren Wohnungen oder an Treffpunk-ten aufzusuchen und anzusprechen. Man gibtsich lieber mit dem zufrieden, was man hat, alsdas Risiko einzugehen, auch einmal Ablehnungzu erfahren. Daraus ergibt sich, daß nur die Mei-nungen und Wünsche der Nutzerinnen der Ein-richtung einholt werden und die übrigen Bewoh-nerinnen des Stadtteils außen vor bleiben.

In diesem Zusammenhang ist auch die Haltungvieler Mitarbeiterinnen zu sehen, lieber in derEinrichtung auf die Menschen zu warten, anstattauf sie zuzugehen, Schwellenängste abzubauenund ihnen die ersten Schritte ins Haus zu erleich-tern. Diese Wartehaltung kann auch zu den Ursa-chen dafür gehören, daß Mitarbeiterinnen ent-täuscht sind, wenn sie trotz intensiver Vorberei-tung und Öffentlichkeitsarbeit für ein Angebotnicht die gewünschte oder erwartete Resonanzerhalten. Das trifft besonders auf Angebote zu,die nicht für einen großen, sondern für einenganz speziellen Personenkreis konzipiert sind.Dann sollte man sich auch nicht scheuen, dieseMenschen gezielt anzusprechen oder sie persön-lich, schriftlich oder telefonisch zu informieren,wenn die entsprechenden Daten verfügbar sind.Weit verbreitet ist auch die Annahme, daß Ange-bote von Anfang an in vollem Umfang genutzt

werden müssen. Auch die anfängliche Teilnahmevon weniger als der erwarteten Anzahl von Per-sonen ist ein Erfolg! Das zu akzeptieren fälltmanchmal schwer, man sollte sich jedoch die Zeitnehmen, ein Angebot wachsen zu lassen, ohne esvorschnell enttäuscht wieder aus dem Programmzu nehmen. Wenn sich nach einer bestimmtenZeit herausstellt, daß es tatsächlich nicht auf Zu-spruch stößt, sollte versucht werden, die Ursa-chen herauszufinden. Liegt es daran, daß das An-gebot nicht genügend bekanntgemacht wurde?Liegt es an der Uhrzeit, zu der es stattfindet?Oder besteht wirklich kein Bedarf an diesem An-gebot?...

Auch eine Einrichtung braucht Zeit um sich ent-wickeln zu können und dieser Prozeß hört nieauf. Die Eröffnung einer Einrichtung ist gleichzei-tig der Beginn ihrer Veränderung. Sie kannnatürlich nicht ins Uferlose wachsen, sondern esgeht darum, Veränderungen im Stadtteil durchflexibles Reagieren aufzugreifen und die Arbeitder Einrichtung entsprechend zu modifizieren.Das zu wissen und damit kreativ und innovativumgehen zu können, ist eine wichtige Vorausset-zung für das erfolgreiche Wirken im Stadtteil.

ZusammenfassungDiese ‘Knackpunkte’ spielen in den Einrichtungenin unterschiedlicher Weise und Konzentrationeine Rolle. Solche Erscheinungen zu kennen undzu erkennen, eröffnet die Möglichkeit, förderndoder gegensteuernd zu handeln und damit zurWeiterentwicklung und Sicherung der Qualitätder sozial-kulturellen Arbeit beizutragen.

Wir möchten Sie dazu ermutigen, auf dem einge-schlagenen Weg weiterzugehen, denn sozial-kul-turelle Arbeit ist ein wichtiger Beitrag zur Verbes-serung der sozialen und kulturellen Lebensbedin-gungen der Menschen im Stadtteil/Ort, der durchdie Aktivierung und Motivierung der Bewohne-rinnen letztendlich von ihnen selbst geleistetwird.

Dazu bedarf es aber auch entsprechender Rah-menbedingungen. Einerseits werden diese vonden Einrichtungen selbst geschaffen (Standort,Arbeitschwerpunkte, Mitarbeiterinnen, Finanzie-rung usw.), andererseits werden sie von Politikund Gesellschaft vorgegeben. Die Rahmenbedin-gungen können sozial-kulturelle Arbeit fördernoder behindern. So kann sich der sozial-kulturelleArbeitsansatz auf Dauer nur durchsetzen, wenndie Bereitschaft der Mitarbeiterinnen und derEinrichtung zu langem Atem und Phantasie vor-handen ist und Politik und Verwaltung ihrer Ver-antwortung gerecht werden. Vielleicht lassensich gemeinsame Wege suchen.

Knackpunkte

70

Page 73: Vska handbuch

Fundraising

71

Dr. Friedrich Haunert

Sozial-kulturelle Arbeit lebt von der Beteiligungder Menschen, von Vernetzung im Gemeinwe-sen. Sie formuliert ihre Ziele aus den Bedarfsla-gen im Stadtteil heraus. Sozial-kulturelle Arbeitgeht über den Bereich der Pflichtaufgaben hin-aus. Angebote und Dienstleistungen, die in dasGebiet der freiwilligen Leistungen der kommu-nalen Verwaltungen fallen, werden in vielenFällen nicht oder nicht ausreichend finanziert.Deshalb ist Fundraising notwendig, um diedafür erforderlichen Mittel oder Mittel für zu-sätzliche Aktivitäten einzuwerben.

Was ist Fundraising?

International wird mit Fundraising die Mittelbe-schaffung nichtkommerzieller Einrichtungenbezeichnet, wie es wörtlich übersetzt heißt. Mitbestimmten Instrumenten, die im weiterennäher erläutert werden, wird einer bestimmtenMarketingstrategie folgend versucht, möglichstviele Menschen in die gemeinnützigen Ziele einer Organisation einzubeziehen, sie zu Betei-ligten, zu Freunden zu machen und von ihnenbzw. mit ihnen gemeinsam zusätzliche und fürdie Arbeit notwendige Ressourcen zu er-schließen. Auf diese Ressourcen besteht keinRechtsanspruch und sie fließen nicht regel-mäßig, auch wenn mitunter staatliche Quellenangezapft werden. Privatpersonen haben alsRessourcen-Quelle die größte Bedeutung.

Die Ziele sozial-kultureller Arbeit konkurrierenmit den Zielen anderer nichtkommerzieller Ein-richtungen um Geld, Aufmerksamkeit, Know-how, Sachwerte und Zeit potentieller Förderer.Diese immer knapperen Ressourcen sind alsodas angepeilte Ergebnis der Bemühungen.

Jede Organisation verfügt über erhebliches Ver-mögen - freilich im übertragenen Sinn. All diePhantasie, Kreativität, die Lösungspotentialefür gesellschaftliche Fragen, die Projekte, dasfreiwillige soziale Engagement usw. sind aus-baufähig. Lediglich Geld für sozial-kulturelleArbeit besorgen zu wollen, wäre zu kurz gegrif-fen. Somit ließe sich Fundraising auch mit „Ver-mögensentwicklung” übersetzen.

Wenn Fundraising nicht als reine Beschaffungvon Geld zum Überleben einer Organisation inschlechten Zeiten begriffen wird, verringert sich

die Gefahr, daß es nur als Selbstzweck betrie-ben wird anstatt als strategische Management-aufgabe mit dem Ziel, die gemeinnützigenZwecke und gesellschaftlichen Visionen langfri-stig zu erreichen.

Zahlen

In Deutschland scheint die Bereitschaft derBevölkerung, sich aktiv an der Zielerreichunggemeinnütziger Organisationen zu beteiligen,etwas geringer ausgeprägt als im europäischenVergleich. Aber im Vergleich zum Mutterlanddes Fundraising, den USA, sieht es geradezumager aus. Auch unter der Berücksichtigung,daß es dort keine Kirchensteuer gibt und über40% der US-amerikanischen privaten Mittel reli-giösen Zwecken zugute kommen, sind die ca.150 Mrd. $ ein Vielfaches der geschätzten 4 bis8 Milliarden Spendenmark in Deutschland.

Bei uns werben nur 250 von geschätzten 25.000spendensammelnden Non-Profit-Organisatio-nen 80% aller privaten Drittmittel ein. Weiter-hin läßt sich feststellen, daß etwa 80-90% dereingeworbenen Mittel von Privatpersonen,aber nur etwa 5% von Wirtschaftsunternehmenstammen. Inwieweit dieses im einzelnen auchfür Gemeinwesenprojekte, Nachbarschafts-vereine und Stadtteilinitiativen zutrifft, müßtevon der Fundraising-Forschung erst noch unter-sucht werden.

Fundraising-Grundregeln

Sozial-kulturelle Arbeit ist in Deutschland vonstaatlichen Zuwendungen vielfach abhängigund stark geprägt. Jede Quelle prägt den Emp-fänger; niemand beißt die Hand, die ihn füttert.Sozial-kulturelle Arbeit ist jedoch immer schonauf eine Finanzierung aus vielen Quellen ange-wiesen. Einerseits geht nichts ohne Zuwendun-gen für staatliche Pflichtaufgaben. Andererseitslassen sich viele der zumeist ambitionierten Pro-jekte nur mit ideeller Unterstützung Freiwilliger,mit Förderung durch Stiftungen, materiellerUnterstützung durch Firmen und vor allemdurch Geld-, Zeit- und Sachspenden von Privat-leuten realisieren.

Sozial-kulturelle Arbeit ist auf bürgerschaftli-ches Engagement angewiesen und fördert En-gagementbereitschaft. Nur wer darum gefragt

Fundraising

Page 74: Vska handbuch

wird, gibt auch etwas ab - und es muß immerzugefragt werden. Obwohl die häufigste Antwort„Nein” lautet, muß weitergefragt werden - waseine wichtige Regel im Fundraising darstellt.Eine weitere wichtige Regel ist der Dank. Aber - und hier unterscheidet sich Fundraisingfür Gemeinwesenarbeit in Deutschland nichtsonderlich vom Fundraising für Kultur, für Schu-len, Wohlfahrtsverbände oder Kinderläden - allzu selten noch wird Fundraising als Manage-mentaufgabe begriffen, die sie zweifellos darstellt. Immer noch zu selten wird professio-nalisiertes Fundraising betrieben; das bedeutetzielgerichtet, geplant, systematisch, langfristig,eingebunden in andere Aktivitäten des sozialenMarketing und der sozialen Kommunikation zuhandeln. Fundraising wird leider oft als lästigeNebenaufgabe angesehen und nicht als zentra-le Aufgabe von Vorstand und Geschäfts-führung.

Jede sozial-kulturelle Organsiation muß für ihrelaufende Arbeit und für besondere ProjekteMittel aus den verschiedensten Quellen er-schließen.

Fundraising-Ziele, -Instrumente und Planung

Fundraising-Ziele können neben der Erschließ-ung von Ressourcen (Geld, Zeit, Sachwerte oderKnow-how) die Verringerung der aufzuwen-denden Fundraising-Kosten, die Steigerung derZufriedenheit von Fördernden, Fundraisingmit-arbeitern, Angebotsnutzern und der Öffentlich-

keit, die Verbesserung des eigenen Images so-wie die Öffentlichkeitsarbeit darstellen. Um die-se Ziele zu erreichen, stehen eine Reihe von In-strumenten zur Verfügung, die einer möglichstgenauen Planung entsprechend eingesetzt wer-den. Zweckmäßig scheint eine Differenzierungin kurz-, mittel- und langfrstige Instrumente,um die eigenen Fundraising-Ziele effizient zuerreichen. Der Phantasie sind bei der Entwick-

lung neuer Instrumente keine Grenzen gesetzt -außer die eigenen.

Kurzfristige Fundraising-Instrumente(Auswahl):

· Spendenbriefe (Mailings)· Sammlungen· Mitgliederwerbung· PR-Materialien/Freianzeigen/Rundfunkspots· „Events”: Feste/Flohmarkt/Tombola· Telefon-Fundraising, z.B. für Sachspenden

Mittelfristige Fundraising-Instrumente(Auswahl):

· Verkauf von Produkten und Dienstleistungen (Merchandising)

· Lotterien· Akquisition von Geldbußen bei Gerichten und

Staatsanwaltschaften· Kommunale (bezirkliche) Sondermittel· Anträge bei Förderstiftungen· Sozial-Sponsoring

Langfristige Fundraising-Instrumente(Auswahl):

· Gründung einer eigenen Stiftung· Erbschafts-Fundraising· Großspendenakquisition· Programme für Freiwillige· Aufbau von Förderkreisen

Eine Strategie zur Erreichung langfristiger Zieleerfordert eine langfristige Planung, der sich diemittelfristige Planung von Zielen für den Zeit-raum von 2-3 Jahren unterzuordnen hat. Fürdie kurzfristige Planung muß die Organisationentsprechend flexibel sein und genügend Raumlassen. Es werden Aktivitäten entfaltet, um diemittel- und langfristigen Planungen vorzuberei-ten und zu begleiten. Oft ist auch eine schnelleReaktion auf unvorhersehbare Krisen und ver-änderte Rahmenbedingungen nötig.

In der Praxis haben sich folgende Planungsschritte bewährt:

Situationsanalyse

Wichtige Teilschritte sind die Feststellung derinternen und externen Faktoren und Rahmen-bedingungen, des Ist-Zustands der Einrichtung,Fragen nach Leitbild, Selbstbild, Stärken und

Fundraising

72

Page 75: Vska handbuch

Fundraising

73

Schwächen, interner Bereitschaft zum Fundrai-sing, Analyse der Fundraising-Erfahrungen, derAdreßbestände auf Fundraising-relevante Infor-mationen, des Bedarfs, der Finanzsituation, derKonkurrenten, des Images etc.

Zielfestlegung

Hier sollen zunächst die grobe Richtung be-stimmt werden und grundsätzliche Ziele, auchdie wichtigsten Fundraising-Ziele, formuliertwerden. Will der Verein bspw. expandieren, inneue Arbeitsfelder eindringen, Kernkompeten-zen stärker herausstellen, unabhängiger wer-den von öffentlicher Finanzierung, Mitgliederstärker einbinden, Ressourcen für Fundraisingeinsetzen? Es können z.B. in Bezug auf Firmen-kooperationen in Übereinstimmung mit demLeitbild Grundsätze aufgestellt werden (Spon-soring ja-nein; Branchen, mit denen nicht ko-operiert wird etc.). Wichtig: Bereitschaft zumFundraising innerhalb der Einrichtung verstär-ken, Freiwillige einbinden!

Operationalisierung von Zielen

Oberziele müssen so formuliert werden, daß sie zu umsetzungsfähigen, realistischen undmeßbaren Zielvorgaben werden.

Überlegungen zu und Festlegung von konkreten Maßnahmen und Strategien

Den operationalisierten Zielen werden jeweilsdie passenden Fundraising-Quellen und -Instru-mente zugeordnet. Die Ergebnisse der Situati-onsanalyse werden natürlich berücksichtigt.Mögliche Folgen für Besteuerung und Gemein-nützigkeit müssen in den ÜberlegungenBerücksichtigung finden.

Entwicklung von Jahresplan, Festlegung von Zeitplan, Investitionen und Zuständig-keiten

In diesem wichtigen Planungsschritt zeigt sich,ob zuvor ehrlich analysiert und recherchiertwurde. Wenn sich jetzt bspw. herausstellt, daßes nicht genügend Zeitkapazitäten gibt, warvielleicht die Analyse ungenau oder es wurdennicht die passenden Instrumente gewählt. ZumBeispiel wird der immense Aufwand einer Ko-operation mit der Wirtschaft im Rahmen vonSponsoring meistens völlig unterschätzt.

Durchführung der Maßnahmen

Die Umsetzung der geplanten Fundraising-Akti-vitäten sollte mit einer exakten Planung relativreibungslos ablaufen - so die Theorie. In derRealität gilt: „Alles was schiefgehen kann, gehtschief!” Deshalb die Ratschläge: immer wiederfragen; testen, testen, testen, testen; Daten-bankpflege (alle Aktivitäten nutzen, um dieFundraising-Datenbank mit Ideen und vor allemAdressen zu füllen).

Kontrolle

Den Förderern gegenüber werden angemesse-ne Formen des Danks (zeitnahe Versendung derSpendenquittungen, Anrufe, Briefe, Veranstal-tungen, Ehrungen, Angebote zur Mitentschei-dung, Informationen über Projekterfolge undSpendenverwendung etc.) gewählt, die vorabgeplant wurden.

Nach Abschluß der jeweiligen Maßnahmen mußeine Wirkungskontrolle stattfinden (z.B. Aus-wertung der Medienresonanz). Aufgrund derSituationsanalyse und Zieloperationalsierung isteine Soll-Ist-Analyse möglich.

In dieser Phase finden auch die Projektdoku-mentation und Prozeßkontrolle statt, um dieBefähigung der Einrichtung zum Lernen zu er-höhen. Die Einrichtung befindet sich innerhalbder prinzipiell unendlichen Planungsschleife er-neut in der Situationsanalyse.

Fundraising ist eine Investitionsentscheidung

Fundraising-Maßnahmen sollten idealtypisch inder dauerhaften Pflege von Kontakten mitmöglichst vielen Förderern und deren Einbin-dung in die langfristige Planung münden. AusFirmenspendern können Sponsoren werden,aus Einmalspendern Mitglieder und Freiwillige,aus Großspendern sogar Erblasser etc.

Zunächst muß also innerhalb einer Organisationdie Entscheidung getroffen werden, Mittel fürden Einstieg in die langfristige Vermögensent-wicklung der sozial-kulturellen Einrichtung zustecken, anstatt sich aktionistisch von einemFundraising-Projekt zum nächsten zu hangeln.Mittel müssen für Beratung, Fortbildung, Litera-tur, geeignete Hard- und Software, PR-Material,Konzept- und Projektentwicklung und vielesmehr bereitgestellt werden. Ohne eine beherz-te Entscheidung in diesem Sinne wird über vieleJahre jedes Fundraising nur dahindümpeln;

Page 76: Vska handbuch

meistens so lange, bis einer Organisation buch-stäblich das Wasser bis zum Halse steht. Dochdann ist es oft schon zu spät, denn niemandspendet Beifall oder Geld für ein sinkendesSchiff.

Fazit

Die Diskussion um Mittelbeschaffung und Fi-nanzierung sozial-kultureller Einrichtungen istso alt wie diese Einrichtungen selbst. Der Be-griff Fundraising und das systematische Einwer-ben von Mitteln sind aber ebenso neu, wie dasBewußtsein, zunächst erhebliche Investitionenin längerfristige Aktivitäten tätigen zu müssen.

Die wichtigsten Hemmfaktoren beim Fundrai-sing sind fehlende Zeit, mangelnde Professiona-lität, Aktionismus, mangelhafte strukturelleVoraussetzungen der Einrichtungen, fehlendeÖffentlichkeitsarbeit sowie mangelndes Selbst-bewußtsein.

Die wichtigsten Stärken sozial-kultureller Ein-richtungen liegen in den weitverzweigten Netz-werken und Kooperationserfahrungen mit vie-len gesellschaftlichen Gruppen und Partnern,der langjährig bewiesenen bedeutsamen Arbeitfür das Gemeinwesen, der fachlichen Qualifika-tion der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter, einer in manchen Fällenzumindest gesicherten Grundfinanzierung unddem prinzipiellen Interesse vieler lokaler Medi-en sowie der Politik, die bürgerschaftliches En-gagement bekanntermaßen gestärkt sehenmöchte.

Neue Initiativen sowie bestehende Einrichtun-gen, denen die staatlichen Mittel bis zur Exi-stenzgefährdung gekürzt zu werden drohen,denken vielleicht über die prinzipielle Fragenach, inwieweit sich sozial-kulturelle Arbeit inDeutschland unabhängig von „Staatsknete”weiterentwickeln läßt. Am weitesten geht hierwohl das Community Organizing. Fundraisingmit solcher Intensität zu betreiben, daß Perso-nal und Betrieb dauerhaft nur aus privatenQuellen gesichert werden, scheint bei uns fürabsehbare Zeit aber nur in Ausnahmefällen eine realistische Perspektive darzustellen.Gleichwohl können mit Ideen, motivierten Frei-willigen, einem langen Atem und einer hohenFrustrationstoleranz beachtliche Fundraising-Er-folge erzielt werden, die einen Rückgang deröffentlichen Förderung kompensieren und dieUmsetzung zusätzlicher Projekte ermöglichenkönnten.

Hier liegt die große Chance des Fundraising.Projekte, die mit Unterstützung privater Förde-rer realisiert werden können, sind ein wichtigerBaustein für die Profilierung einer Einrichtungund geben den Nährboden für weitere unab-hängige Projekte ab, die desto unkonventionel-lere Antworten auf gesellschaftliche Problemeim Gemeinwesen geben, je unabhängiger sievon staatlicher Finanzierung sind. Fundraisingbedeutet auch, daß man Kontakte zu den Bür-gern herstellt und diese Kontakte pflegt, waszur Erhöhung der Qualität sozial-kultureller Ar-beit beitragen kann.

Fundraising

74

Page 77: Vska handbuch

Die Autorinnen

75

Eva-Maria Antz,geb. 1957, wohnt in der Nähe von Köln, ausgebildet als Sonderschullehrerin, gearbeitet als Bildungs-referentin immer in sicherer Entfernung zur Institution Schule. Zugang zu Aspekten sozial-kulturellerArbeit über verschiedene Etappen in der eigenen Biografie, mit Neugierde 1995 eingetaucht in dieGeschichte des Verbandes im Rahmen der Vorbereitung der Qualifizierungsmaßnahme des Verbandesfür sozial-kulturelle Arbeit e.V. (1995-1998). Seit November 1998 im Verband im Projekt ProBE (Projektzur Unterstützung und Weiterentwicklung bürgerschaftlichen Engagements in sozial-kulturellenEinrichtungen) tätig.

Susanne Besch,geb. 1955, Diplom-Ingenieurin für Nachrichtentechnik, Leiterin des künstlerischen Volksschaffens, Diplom-Sozialpädagogin, Naturwissenschaftliches Studium, später Kulturarbeit in der DDR Mitbegründerin und seit 1991 Mitarbeiterin des Nachbarschaftshauses Pfefferberg in Berlin Prenzlauer BergBerufsbegleitendes Studium der Sozialarbeit/SozialpädagogikBesondere Erfahrungen in der kreativen und sozial-kulturellen Arbeit in Werkstätten

Friedrich Haunert,geb. 1957, Diplom-Pädagoge, Dr. philSeit 1994 gemeinsam mit Dr. Reinhard Lang Aufbau der Arbeitsstelle Fundraising, die als Projekt „Part-nership“ seit 1998 vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin getragen wird.Im Auftrag der Paritätischen Akademie Organisationsberatung, Qualifizierung, Information und Pro-jektentwicklung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinnütziger Organisationen zu Fundraising,Sozial-Sponsoring, Sozialmarketing.Lehrbeauftragter an der Katholischen Fachhochschule für Sozialwesen, Berlin, im StudienschwerpunktGemeinwesenarbeit/Gemeinwesenökonomie.Adresse:Partnership - Arbeitsstelle FundraisingHaus der ParitätTucholskystr. 1110117 Berlin

Gudrun Israel,geb. 1960, Diplom-Sprachmittlerin, SozialarbeiterinSeit 1992 Mitarbeiterin des Verbandes für sozial-kulturelle Arbeit e.V. Arbeitsschwerpunkte: Beratung und Begleitung des Aufbaus sozial-kultureller Einrichtungen in denneuen Bundesländern als Projektberaterin für Nachbarschafts-, Gemeinwesen- und Jugendprojekte,Bildungsreferentin, Projektleiterin der „Prozeßorientierten Projektberatung und Begleitung vonsozial-kulturellen Einrichtungen in den neuen Bundesländern“

Birgit Weber,geb. 1957, Diplom-SozialpädagoginSeit 1992 Geschäftsführerin des Verbandes für sozial-kulturelle Arbeit e.V. (Bundesverband)

Die Autorinnen

Page 78: Vska handbuch

Der Verband für sozial-kulturelle Arbeit e.V.versteht sich als bundesweiter Dach- und Fach-verband für Einrichtungen, Vereinigungen undProjekte der sozial-kulturellen Arbeit. Der Ver-band wurde 1951 gegründet. Damals schlossensich zwölf Nachbarschaftsheime in Westberlinund Westdeutschland zum „Verband DeutscherNachbarschaftsheime e.V.“ zusammen. Inzwi-schen sind auch Bürgerzentren und andere so-ziale Zentren im Verband organisiert.1971 erfolgte aufgrund der Veränderung undWeiterentwicklung der inhaltlichen Arbeit derMitgliedseinrichtungen die Umbenennung in„Verband für sozial-kulturelle Arbeit e.V.“

Zur Zeit sind 65 Einrichtungen dem Verbanddurch direkte oder indirekte Mitgliedschaft ver-bunden. Sie verteilen sich über die ganze Bun-desrepublik. Ca. 50 weitere Einrichtungen -hauptsächlich in den neuen Bundesländern -werden unterstützt und beraten durch unserOst-West-Kontaktbüro in Berlin. Die Bundesge-schäftsstelle befindet sich in Köln. In Berlin undNordrhein-Westfalen gibt es Landesgruppen, inHessen existiert eine Arbeitsgruppe, die sich re-gelmäßig trifft.

Alle angeschlossenen Einrichtungen und Projek-te sind rechtlich selbständig.

Der Verband repräsentiert auch die Idee unddie Arbeit der Nachbarschaftsheime, Bürger-zentren, Projekte der Gemeinwesenarbeit etc.nach außen. Der RUNDBRIEF, die Verbandszeit-schrift, erscheint regelmäßig seit 1965. Die Ge-schichte der sozialen Arbeit in Deutschland seitMitte der 60er Jahre, insbesondere auch der Ge-meinwesenarbeit, ist darin dokumentiert. DieInhalte setzen sich aus Fachbeiträgen verschie-dener Autorinnen, Praxisberichten und Berich-ten von Tagungen, Seminaren und Forschungs-projekten zusammen.

Der Verband ist auf nationaler Ebene Mitgliedim Paritätischen Wohlfahrtsverband, im Pa-ritätischen Bildungswerk und im Deutschen Ver-ein für öffentliche und private Fürsorge und aufinternationaler Ebene Mitglied in der Interna-tionalen Föderation der sozial-kulturellen Nach-barschaftszentren (International Federation ofSettlements and Neighbourhood Centres - IFS).Daneben arbeitet der Verband aktiv in derEuropa-Gruppe des IFS mit.

Ein kurzer Auszug aus unseren Projekten:

Tagungen

Im November 1999 findet die Tagung „Bürger-gesellschaft und Sozialstaat - Die Zivilgesell-schaft gestalten“ statt. Sie wird ein Forum sein,auf dem die mit diesem Thema verbundenenFragen unter Beteiligung von hauptberuflichenund freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern sozial-kultureller Einrichtungen, ehren-amtlichen Vorständen sowie Zuständigen ausVerwaltung und Politik diskutiert werden kön-nen. Die Erfahrungen der Praktiker werden inden Zusammenhang der aktuellen sozialpoliti-schen Debatte gestellt und dadurch neu be-leuchtet. Wir bieten Möglichkeiten zum Dialogmit Wissenschaft und Politik, in der Hoffnung,daß beide Seiten, Praktiker wie Theoretiker, da-von profitieren.

Das Projekt ProBE

ProBE steht für „Projekt zur Unterstützung undWeiterentwicklung des bürgerschaftlichen En-gagements in sozial-kulturellen Einrichtungen“.Zentrales Ziel ist es, Voraussetzungen einer ge-lungenen bürgerschaftlichen Mitarbeit in sozial-kulturellen Einrichtungen herauszuarbei-ten und für die Einrichtungen in Form einesQualitätshandbuches nutzbar zu machen.

Das Projekt geht mit seiner Untersuchung bei-spielhaft in mehreren Einrichtungen den Fragennach:Welche Faktoren waren bisher für eine erfolg-reiche Zusammenarbeit mit engagierten Bürge-rinnen maßgebend?Können diese Faktoren auf die heutigen Anfor-derungen übertragen werden?Welche Faktoren müssen weiter- bzw. neuent-wickelt werden?

Es werden elementare Merkmale von bürger-schaftlichem Engagement untersucht. Das Vor-haben geht davon aus, daß maßgebende Fakto-ren für eine Zusammenarbeit mit engagiertenMenschen sich sowohl im persönlichen Profilder in den Einrichtungen handelnden Men-schen als auch in den Strukturen der Organisati-on, in den Kommunikationsstrukturen und denPartizipationsmöglichkeiten widerspiegeln.

Der Herausgeber

76

Der Herausgeber

Page 79: Vska handbuch

Der Herausgeber

77

Das Projekt ProBE (November 1998 bis Oktober2000) wird gefördert vom Bundesministeriumfür Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Prozeßorientierte Projektberatung und Begleitung

Seit Januar 1997 führt der Verband das Projekt„Prozeßorientierte Projektberatung und Beglei-tung des Aufbaus von sozialräumlich bezoge-nen sozial-kulturellen Nachbarschafts- und Ge-meinwesenprojekten in den neuen Bundeslän-dern unter besonderer Berücksichtigung der Ju-gendarbeit und des ehrenamtlichenEngagements“ durch.

Im Rahmen dieses Projektes arbeiten wir überzwei Jahre mit je einer Einrichtung aus jedemneuen Bundesland zusammen. Die Einrichtun-gen wurden in Gesprächen zwischen unseremVerband, den Vorständen und den Mitarbeite-rinnen der Projekte ausgewählt. Schwerpunkteder gemeinsamen inhaltlichen Arbeit sind dieprozeßorientierte Beratung der Projekte vorOrt und die Begleitung des jeweiligen Entwick-lungsprozesses sowie das Training der haupt-und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen vor Ortmit dem Ziel der Verstetigung und Festigungder Strukturen. Die Dokumention der Erfahrun-gen aus diesem Projekt erfolgt in Form des vorliegenden Handbuches.Die Förderung dieses Projektes erfolgte überdas Bundesministerium für Familie, Senioren,Frauen und Jugend.

Qualifizierungsmaßnahme

Die Qualifizierungsmaßnahme fand von Okto-ber 1996 bis September 1998 als berufsbeglei-tende Fortbildung für haupt- und ehrenamtli-che Mitarbeiterinnen in sozial-kulturellen Ein-richtungen statt. Sie ermöglichte sowohl neueinsteigenden als auch langjährigen Mitarbeite-rinnen eine fundierte Auseinandersetzung mitund Weiterentwicklung von theoretischenGrundlagen und praktischen Arbeitsformen so-zial-kultureller Arbeit.

Die Fortbildung setzte sich aus vier Bestandtei-len zusammen: 7 Kurswochen (fünftägig in ge-schlossenen Fortbildungsgruppen für ca. 25 Teil-nehmerinnen), offene Bausteine (10 dreitägigeSeminare für ca. 25 Teilnehmerinnen), Hospita-tionen (jeweils 14tägig im ersten oder letztenDrittel der Fortbildung). Das Projekt wurde fi-nanziell gefördert vom Bundesministerium fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend und ein-

zelnen Bundesländern. Dadurch war es möglich,die gesamte Fortbildung kostengünstig anzu-bieten. Informationen zum und Erfahrungen aus demQualifizierungsprojekt und aus der Arbeit desVerbandes sind auf einer CD-Rom zusammenge-stellt, die beim Verband erhältlich ist.

Fachveranstaltungen

Neben den regelmäßigen Jahrestagungen ver-anstaltet der Verband Fachtagungen zu aktuel-len Fragen. Die Tagung „Zentrale Verwaltung oder bürger-nahe Gestaltung“ (November 1995) setzte sichbeispielsweise mit den Fragen nach der Zukunftdes Gemeinwesens auseinander. Über 200 Ex-pertinnen diskutierten über die Chancen sozial-kultureller Arbeit zwischen zentraler Verwal-tung oder bürgernaher Gestaltung. Dokumen-tationen zu den Tagungen sind beim Verbanderhältlich.

Die Bestandsaufnahme sozial-kultureller Einrichtungen in Deutschland

Als Grundstein zu einer bundesweiten Verbin-dungs- und Vernetzungsstelle für sozial-kultu-relle Einrichtungen führten wir eine bundeswei-te Befragung durch. Im weiteren Verlauf wur-den die Daten ausgewertet, ein Modell der Ver-netzung zur gegenseitigen Unterstützung wirderarbeitet. Die ersten Ergebnisse sind in Formeiner Datenbank beim Verband erhältlich.

Hospitationsprojekt

Vom 1.7.1993 bis 31.12.1993 fand ein Austauschvon Mitarbeiterinnen verschiedener Einrichtun-gen in Ost- und Westdeutschland statt.Aus insgesamt 10 Bundesländern sowie ausWest- und Ostberlin haben sich 41 Einrichtun-gen an dem Hospitationsprojekt beteiligt. 37Personen ließen sich auf eine Hospitation im je-weils anderen Teil Deutschlands ein. Die Teil-nehmerinnen plädierten für eine Fortsetzungund Ausweitung dieses Projektes. Im Vorder-grund stand das Kennenlernen anderer Arbeits-weisen. Wichtig war es, einen anderen Blick-winkel anzunehmen und das eigene Hinter-grundwissen zu erweitern. Aus dem erfolgrei-chen Projekt entstand das Qualifizierungs-projekt.

Page 80: Vska handbuch

Gerhard Buck: Gemeinwesenarbeit und kom-munale Sozialplanung. Untersuchung zur sozialpolitischen Funktion und zur historischenEntwicklung eines Handlungsfeldes der Sozial-arbeit, Hofgarten Verlag Berlin 1982

Gisela Oestreich: Nachbarschaftsheime gestern, heute - und morgen?, Ernst ReinhardtVerlag, München 1965

Qualitätssicherung durch Zusammenarbeit, QS 10, Materialien zur Qualitätssicherung in derKinder- und Jugendhilfe, Hrsg. Bundesministeri-um für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,Bonn 1997

Frahm/Magel/Schüttler (Hrsg.): Kultur - ein Entwicklungsfaktor für den ländlichen Raum,JEHLE, München 1994

Wolfgang Hinte/Fritz Karas: StudienbuchGruppen- und Gemeinwesenarbeit. EineEinführung für Ausbildung und Praxis,Neuwied/Frankfurt am Main 1989

Dieter Oelschlägel: Zum aktuellen Stand derfachwissenschaftlichen Diskussion in der sozial-kulturellen und in der Gemenwesenarbeit, in:RUNDBRIEF 1/95

Dieter Oelschlägel: Begegnungsstätten alsStadtteilagenturen. Rahmenbedingungen undHandlungsansätze, in: projekt i - Forum„Bürgerhäuser für morgen“: Bürgerhäuser alsStadtteilagenturen. Soziale und kulturelleStadtentwicklung unter Beteiligung vonBürgerhäusern. ILS, Dortmund 1998, 1-11

Dieter Oelschlägel: Gemeinwesenarbeit.Zwischen stadtteilorientierter Dienstleistungund Selbsthilfe, in: Soziale Arbeit 42/1993/1/2-10

Nando Belardi: Neue Bundesländer: Gemein-wesenarbeit tut not!, in: Sozial (SI:SO)1/1996/1/54-57, SiegenUlrike Fuchs (Hrsg.): Soziale Arbeit im Stadtteil.Probleme verwalten oder Leben gestalten.ISKA, Nürnberg 1993 (Berichte und Materialienaus der sozialen und kulturellen Arbeit)

EREV (Hrsg.): Sozialpädagogische Familienhilfezwischen Familientherapie und Gemeinwesen-arbeit - Methodische Ansätze in der Sozial-pädagogischen Familienhilfe, Hannover 1993(EREV Schriftenreihe 4/93)

Dietmar Freier: Orte sozialer Zusammenarbeit.Gemeinwesenorientierte Ansätze für den Aus-bau des Konzeptes Sozialstationen, in: Blätterder Wohlfahrtspflege 140/1993/7+8/228-230

Bürgerhäuser für morgen. Zentren der sozialen,kulturellen und ökologischen Innovation. Ein Ideenbuch. Hrsg. vom ILS Dortmund, waz-Druck, Duisburg 1992

Sabine Bachmair et al.: Beraten will gelerntsein. Ein praktisches Lehrbuch für Anfänger undFortgeschrittene, Weinheim 1994

Kirsten Ebbe/Peter Friese: Milieuarbeit. Grund-lagen präventiver Sozialarbeit im lokalenGemeinwesen, Stuttgart 1989

Lothar Böhnisch, Klaus Blanc: Die Generations-falle. Von der Relativierung der Lebensalter,Sammlung Luchterhand 1989

Hebenstreit-Müller, Rudolf Pettinger:Miteinander lernen, leben, engagieren - Neuesoziale Netze für Familien. Theorie und Praxisder Frauenforschung, Kleine-Verlag, Bielefeld 1991

Monika Alisch (Hrsg.): Stadtteilmanagement.Voraussetzungen und Chancen für die sozialeStadt. Leske + Budrich, Opladen 1998Gerd Iben/Anke Drygala/Irma Bingel/RudolfFritz: Gemeinwesenarbeit in Sozialen Brenn-punkten. Aktivierung, Beratung und kooperati-ves Handeln. Juventa, Weinheim 1992

Wolfgang Hinte: Von der Stadtteilarbeit zumStadtteilmanagement. Sozialraumorientierungals methodisches Prinzip sozialer Arbeit, in:Blätter der Wohlfahrtspflege 139/1992/5/119-122

Multikulturelles Zusammenwirken

Wolfgang Benz: Integration ist machbar/Ausländer in Deutschland, Verlag C. H. BeckMünchen 1993,

Irene Hübner: „...wie eine zweite Haut“/Ausländerinnen in Deutschland, Beltz Verlag,Weinheim, Basel 1985

Literaturtips

78

Literaturtips

Page 81: Vska handbuch

Literaturtips

79

Helmut Schweitzer Hrsg. Dietrich Thränhardt:Der Mythos vom interkulturellen Lernen, LITVerlag, Münster, Hamburg 1994

Ralf-Erik Posselt, Klaus Schumacher: Projekt-handbuch: Gewalt und Rassismus, Verlag an derRuhr, Mülheim an der Ruhr 1993

Multikulturelle Gesellschaft als Lebensform/Wirklichkeit, Zukunftsvision oder Bedrohung?(Ein Reader für MultiplikatorInnen in der Schuleund in der Jugendarbeit), Hrsg. IDA/Informa-tions-, Dokumentations- und Aktionszentrumgegen Ausländerfeindlichkeit für eine multikul-turelle Zukunft e.V., Düsseldorf 1992

Interkulturelle Pädagogik vor dem Hintergrundeiner multikulturellen Gesellschaft (Ein Readerfür MultiplikatorInnen in der Schule undJugendarbeit), Hrsg. IDA Düsseldorf

Matthias Betz: Multikulturelle Feste/Projektemit Kindern und Jugendlichen, Hrsg. BNWBayerisches Jugendrotkreuz, München 1996

Nachbarschaftsheime als Brücken zwischen denKulturen, in: Informationsdienst zur Ausländer-arbeit 1988

Selbsthilfe

Praxishandbuch für Selbsthilfekontaktstellen,Hrsg. ISAB Institut für sozialwissenschaftlicheAnalysen und Beratung 1993

Selbsthilfe 2000. Perspektiven der Selbsthilfeund ihre infrastrukturelle Förderung, ISAB 1996

Selbsthilfe und Selbsthilfeunterstützung in derBundesrepublik Deutschland, ISAB 1996

Michael Lukas Möller: Selbsthilfegruppen,Rowohlt-Verlag 1978

Norbert Wohlfahrt, Helmut Breitkopf: Selbsthil-fegruppen und soziale Arbeit - eine Einführungfür soziale Berufe, Lambertus Verlag 1995

Klaus Bahlki, Wolfgang Thiel: Jenseits desHelfens - Professionell unterstützte Selbsthilfe-gruppen, Lambertus Verlag 1991

C. W. Müller: Selbsthilfe - ein einführendes Lesebuch, Beltz-Verlag 1993

Ehrenamt

Martina Otto-Schindler: Berufliche und ehren-amtliche Hilfe. Perspektiven der Zusammen-arbeit. Eine empirische Studie zu Bedingungenund Erfahrungen in der sozialen Arbeit, Univer-sitätsverlag Rasch, Osnabrück 1996

Wolf Rainer Wendt: Professionelle Sozialarbeitund freiwilliges Bürgerengagement sind keinWiderspruch. Der Auftrag ist es, die Kompetenzder Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichenund zu wahren. in: Blätter der Wohlfahrtspfle-ge 9/95

Roland Schmidt: Bürgerschaftliches Engage-ment bricht Verkrustungen auf. Die Wiederge-winnung von Gemeinschaftlichkeit : das Profilvon Bürgerengagement in einer individualisier-ten Welt, in: Blätter der Wohlfahrtspflege 9/95

Ruth Brack: Freiwillige Tätigkeit und Selbsthilfeaus der Sicht beruflicher Sozialarbeit, PaulHaupt, Bern 1986

Fundraising

Manfred Bruhn, Jörg Tilmes: Social Marketing.Einsatz des Marketing für nichtkommerzielleOrganisationen. Stuttgart, Berlin, Köln 1989

Marita Haibach: Handbuch Fundraising.Spenden, Sponsoring, Stiftungen in der Praxis.Frankfurt/Main, New York 1998

Reinhard Lang, Friedrich Haunert: HandbuchSozial-Sponsoring. Grundlagen, Praxisbeispiele,Handlungsempfehlungen. Weinheim, Basel1995

Detlef Luthe: Öffentlichkeitsarbeit für Non-profit-Organisationen. Eine Arbeitshilfe. Augsburg 1994

Maecenata Dokumentationszentrum DeutscheStiftungen (Hrsg.): Maecenata Stiftungsführer1996. München 1996

Stiftung Mitarbeit, Die Paritätische Geldbera-tung e.G. (Hrsg.): Wie Stiftungen fördern. Ar-beitshilfen für Selbsthilfe- und BürgerinitiativenNr. 15. Bonn 1997

Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtver-band e.V., Prokon Verlag (Hrsg.): Vereine. EineArbeitshilfe zur Gründung von sozialtätigenVereinen. Frankfurt/Main 1995

Page 82: Vska handbuch

Literaturtips + Impressum

Rupert Graf Strachwitz (Hrsg.): Dritter Sektor -Dritte Kraft. Versuch einer Standortbestim-mung. Stuttgartt 1998

Veröffentlichungen der Nachbarschaftshäuser

Elfi Witten: Offen für alle. Nachbarschaftszen-tren in Berlin, Hrsg. Verband für sozial-kulturel-le Arbeit, Landesgruppe Berlin e.V. 1995

Nachbarschaftsheim Mittelhof e.V. (Hrsg.): 40Jahre „Mittelhof“ Nachbarschaftsheim BerlinZehlendorf, Berlin 1987

Nachbarschaftsheim Urbanstraße e.V. (Hrsg.):Räume für Freiräume, Generationen gemein-sam im Stadtteil, 40 Jahre NachbarschaftsheimUrbanstraße e.V., Berlin 1995

Gundi Nietfeld: Sozial-kulturelle Arbeit im Wan-del der Zeit. Die Geschichte des Nachbarschafts-heimes Schöneberg. Hrsg. NachbarschaftsheimSchöneberg e.V., Berlin 1995

Veröffentlichungen des Verbandes für sozial-kulturelle Arbeit e.V.

Sozial-kulturelle Arbeit, Bestandsaufnahme derArbeit in den Nachbarschafts-, Bürgerzentrenund Gemeinwesenprojekten, Köln 1991

40 Jahre Verband für sozial-kulturelle Arbeite.V., Köln 1991

Dokumentation der Fachtagung „Zentrale Verwaltung oder Bürgernahe Gestaltung? Soziale und kulturelle Angebote im Wohn-gebiet verantworten“, 1996

Dokumentation der Konzeptions-, Informa-tions- und Durchführungsphase der Qualifizie-rungsmaßnahme für haupt- und ehrenamtlicheMitarbeiterinnen aus sozial-kulturellen Einrich-tungen, Köln 1998

Der RUNDBRIEF des Verbandes erscheint halb-jährlich seit 1965. Er enthält praxisorientierteund wissenschaftliche Beiträge zu aktuellenFragen und Problemen der sozial-kulturelleArbeit und Gemeinwesenarbeit, Informationen,Stellungnahmen usw. Informationen zu den Inhalten erhalten siebeim Verband.

Impressum

Herausgeber:Verband für sozial-kulturelle Arbeit e.V.Slabystraße 11, 50735 KölnDezember 1998

Redaktion: Gudrun Israel

Layout: Jörg H. Fischer

Fotos: Bürgerladen e.V., HalleBürgerverein Messemagistrale e.V., LeipzigJugendhaus „Obermützkower Storchen-nest“ e.V.Kiek in e.V., BerlinKiezspinne Nachbarschaftlicher Interessen-verbund e.V., BerlinLändliches Sozio-kulturelles ZentrumJänschwaldeNachbarschaftsheim Mittelhof e.V., BerlinNachbarschaftsheim Schöneberg e.V., BerlinNachbarschaftsheim Urbanstraße e.V., BerlinNUSZ ufaFabrik, Nachbarschafts- und Selbsthilfezentrum e.V., BerlinRabenhaus e.V., BerlinStadt Jena, TiefbauamtStadtteilausschuß 61 e.V., BerlinVerband für sozial-kulturelle Arbeit e.V.

Gefördert durch

80

Page 83: Vska handbuch

Wir sind

ein Dach- und Fachverband für sozial-kulturelle Einrichtungen

Sie erreichen uns

BundesgeschäftsstelleSlabystraße 1150735 KölnTelefon: 0221/760 69 59Fax: 0221/760 79 05E-Mail: [email protected]

Wir bieten

Beratung und Unterstützung derMitgliedseinrichtungen

Organisation von Erfahrungsaustauschund Kommunikation der Mitgliedsein-richtungen untereinander

Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für MitarbeiterInnen der Einrichtungen

Unterstützung und Hilfe beim Aufbauneuer Einrichtungen

Durchführung wissenschaftlicherUntersuchungen über die Grundlagender sozial-kulturellen Arbeit

Interessenvertretung der Mitglieder nach außen

Öffentlichkeitsarbeit (Verbandszeitschrift RUNDBRIEF, Kontakt zur Presse etc.)

Verbindungen mit verwandtenEinrichtungen im In- und Ausland

Büro Berlin und IFS-Europa-BüroTucholskystraße 1110117 BerlinTelefon: 030/280 961 07Fax/AB: 030/280 961 08

Verband für sozial-kulturelle Arbeit e.V.