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JOT 5 | 2005 56 Vor allem die niedrige Dichte von Aluminiumlegierungen ist für die Automobilindustrie interessant wegen der Möglichkeit, Gewicht einzusparen. Hintergrund bilden verschärfte Abgas- gesetzgebung und steigende Erwar- tungen an die Umweltverträglichkeit. Denn: 10 % Gewichtseinsparung brin- gen etwa 6 % Kraftstoffreduzierung. So werden neben Antriebsstrang und Motorblöcken längst auch Karosserie- teile, ferner Anbauteile wie Front- und Heckklappen aus Aluminium gefertigt. Tendenz steigend. Chemische Eigenschaften Nach Sauerstoff und Silizium ist Aluminium das dritthäufigste Element in der Erdkruste und damit das häufig- ste Metall, gefolgt von Eisen. Aluminium hat, wie Magnesium, eine hohe Affinität zu Sauerstoff. In der Natur kommt es daher nicht gedie- gen, sondern in Form von Sauerstoff- verbindungen vor. Bläst man Alumini- umpulver in eine Flamme, verbrennt das Metall mit Lichtblitzen zu Alumi- niumoxid. Aufgrund dieser Eigen- schaft dient Aluminium auch bei der Herstellung von Sprengstoffen und Feuerwerkskörpern. Die Affinität zum Sauerstoff hat aber auch einen besonderen Vorteil. Denn trotz seines unedlen Charakters ist Aluminium viel unempfindlicher als Eisen. Der Grund: Eine hauchdünne durchsichtige Oxidschicht, nur wenige Moleküllagen dick, die das Metall kor- rosionsbeständig macht und vor den Einflüssen von Luft und Wasser schützt. Die Schicht selbst bildet sich an der Luft und im Wasser bei frisch angeritz- tem Aluminium spontan bereits in Sekundenschnelle aus und ist zwi- schen pH 4,5 und pH 8,5 weitgehend unlöslich. Technisch kann die Oxidschicht im so genannten Eloxal-Verfahren durch anodische Oxidation verstärkt werden, wodurch Verschleißfestigkeit und Kor- R om, erstes Jahrhundert nach Christus. Kaiser Tiberius staunt über das, was er in seinen Händen hält. Glänzend wie Silber, nur viel leichter und weicher ist der Trinkkelch, den ihm ein unbekannter Kunstschmied zum Geschenk gemacht hat. Doch woraus besteht der Pokal? Der Schmied beteuert, dass er das Material aus Ton gewonnen hat. Mehr weiß man nicht. Das zumindest berichtet der antike Historiker und Naturfor- scher Plinius der Ältere. Soweit die Überlieferung. Einige unserer Zeitgenossen behaupten, bei dem Material des Trinkbechers könnte es sich um Aluminium gehandelt haben. Ob Legende, Spekulation oder pure Fantasie, Tatsache ist, dass Aluminium- legierungen heute aus Alltag und Tech- nik nicht mehr wegzudenken sind: Von Alufolie, Kochgeschirr, Getränkedosen über Fenster, Dächer, Bauteilen für Automobile bis hin zu Spezialanwen- dungen wie Spiegel für optische Instru- mente – eine Vielfalt, die das Metall folgenden Eigenschaften verdankt: Leichtigkeit: Aluminium hat nur ein Drittel des Gewichts von Stahl; gute Dehnbarkeit und Verform- barkeit; sehr gute elektrische Leitfähigkeit, gute Wärmeleitfähigkeit; prinzipiell eine gute Beständigkeit gegenüber Luft und Wasser. Wässrige Reinigung von Aluminium Aluminium in der Automobilindustrie: 12-Zylinder-Kurbelgehäuse, hergestellt im Druckgießverfahren Aluminium ist in vielerlei Hinsicht ein faszinierendes Metall: Angefangen vom brillanten Silberglanz über die Vielfalt der Verwendungs- möglichkeiten bis hin zu seinem Verhalten in wässrigen Systemen. Der folgende Beitrag informiert über die Eigenschaften dieses Metalls und erläutert, was bei der wässrigen Reinigung von Aluminium zu beachten ist. REINIGEN & VORBEHANDELN Bild: Honsel

Wässrige Reinigung von Aluminium

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Vor allem die niedrige Dichte vonAluminiumlegierungen ist für dieAutomobilindustrie interessant wegender Möglichkeit, Gewicht einzusparen.Hintergrund bilden verschärfte Abgas-gesetzgebung und steigende Erwar-tungen an die Umweltverträglichkeit.Denn: 10 % Gewichtseinsparung brin-gen etwa 6 % Kraftstoffreduzierung. Sowerden neben Antriebsstrang undMotorblöcken längst auch Karosserie-teile, ferner Anbauteile wie Front- undHeckklappen aus Aluminium gefertigt.Tendenz steigend.

Chemische Eigenschaften

Nach Sauerstoff und Silizium istAluminium das dritthäufigste Elementin der Erdkruste und damit das häufig-ste Metall, gefolgt von Eisen.

Aluminium hat, wie Magnesium,eine hohe Affinität zu Sauerstoff. Inder Natur kommt es daher nicht gedie-gen, sondern in Form von Sauerstoff-verbindungen vor. Bläst man Alumini-umpulver in eine Flamme, verbrenntdas Metall mit Lichtblitzen zu Alumi-niumoxid. Aufgrund dieser Eigen-schaft dient Aluminium auch bei derHerstellung von Sprengstoffen undFeuerwerkskörpern.

Die Affinität zum Sauerstoff hataber auch einen besonderen Vorteil.Denn trotz seines unedlen Charaktersist Aluminium viel unempfindlicher alsEisen. Der Grund: Eine hauchdünnedurchsichtige Oxidschicht, nur wenigeMoleküllagen dick, die das Metall kor-rosionsbeständig macht und vor denEinflüssen von Luft und Wasserschützt.

Die Schicht selbst bildet sich an derLuft und im Wasser bei frisch angeritz-tem Aluminium spontan bereits inSekundenschnelle aus und ist zwi-schen pH 4,5 und pH 8,5 weitgehendunlöslich.

Technisch kann die Oxidschicht imso genannten Eloxal-Verfahren durchanodische Oxidation verstärkt werden,wodurch Verschleißfestigkeit und Kor-

Rom, erstes Jahrhundert nach Christus. Kaiser Tiberius staunt

über das, was er in seinen Händen hält.Glänzend wie Silber, nur viel leichterund weicher ist der Trinkkelch, denihm ein unbekannter Kunstschmiedzum Geschenk gemacht hat. Dochworaus besteht der Pokal? DerSchmied beteuert, dass er das Materialaus Ton gewonnen hat. Mehr weißman nicht. Das zumindest berichtetder antike Historiker und Naturfor-scher Plinius der Ältere.

Soweit die Überlieferung. Einigeunserer Zeitgenossen behaupten, beidem Material des Trinkbechers könntees sich um Aluminium gehandelthaben.

Ob Legende, Spekulation oder pureFantasie, Tatsache ist, dass Aluminium-legierungen heute aus Alltag und Tech-nik nicht mehr wegzudenken sind: VonAlufolie, Kochgeschirr, Getränkedosenüber Fenster, Dächer, Bauteilen fürAutomobile bis hin zu Spezialanwen-dungen wie Spiegel für optische Instru-mente – eine Vielfalt, die das Metallfolgenden Eigenschaften verdankt:◆ Leichtigkeit: Aluminium hat nur

ein Drittel des Gewichts von Stahl;◆ gute Dehnbarkeit und Verform-

barkeit;◆ sehr gute elektrische Leitfähigkeit,

gute Wärmeleitfähigkeit;◆ prinzipiell eine gute Beständigkeit

gegenüber Luft und Wasser.

Wässrige Reinigung von Aluminium

Aluminium in der Automobilindustrie: 12-Zylinder-Kurbelgehäuse, hergestellt im Druckgießverfahren

Aluminium ist in vielerlei Hinsicht ein faszinierendes Metall: Angefangenvom brillanten Silberglanz über die Vielfalt der Verwendungs-möglichkeiten bis hin zu seinem Verhalten in wässrigen Systemen. Der folgende Beitrag informiert über die Eigenschaften dieses Metallsund erläutert, was bei der wässrigen Reinigung von Aluminium zubeachten ist.

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rosionsbeständigkeit der Werkstückeerhöht werden.

Beständigkeit gegenüber Säuren und Laugen

Bei Raumtemperatur ist reinesAluminium gegenüber Salpetersäureund Schwefelsäure weitgehend be-ständig. Dies gilt insbesondere für kon-zentrierte Lösungen, aber auch vonverdünnten Lösungen dieser Säurenwird das Metall weniger stark angegrif-fen als beispielsweise Eisen oder Kup-fer. Bei höheren Temperaturen lösensich die Aluminiumoxide und -hydro-xide allerdings auf, außerdem erfährtdas Metall selbst einen Angriff. Fürverdünnte Salzsäure gilt bereits beiRaumtemperatur: Die schützendeOxidschicht wird glatt aufgelöst, dasGrundmetall stark angegriffen.

Besonders empfindlich sind Alumi-nium und seine Legierungen gegen-über Natronlauge und Kalilauge. Mitdiesen Stoffen kann das Metall sehrschnell aufgelöst werden, wobei Was-serstoff entwickelt wird. Und genaudarin liegt eine Gefahr: Wasserstoff bil-det mit Sauerstoff ein zündfähiges Gas-gemisch, das sich explosionsartig zer-setzen kann.

Zur Verdeutlichung mag folgendeFaustregel dienen: Im Allgemeinen istder Angriff von Natronlauge auf dieOxide und das Grundmetall etwazwanzigmal so groß wie der einer Säurein vergleichbarer Konzentration.

Aluminium und seine Legierungenwerden daher häufig mit Natrium-hydroxid gebeizt. Die entsprechendenAnlagen sind wegen der Wasserstoff-entwicklung geschlossen und verfügenüber eine geeignete Absaugung.

Bei einer alkalischen Behandlungvon Aluminiumlegierungen findet manmanchmal einen grauen bis schwarzenBelag auf der Oberfläche. Verursachtwerden diese Verfärbungen durch dieLegierungs- und Begleitelemente; bei-spielsweise kann es sich um elementa-res Silizium handeln, das ein sehr häu-figer Legierungsbestandteil ist. DieseRückstände können meistens durcheine nachträgliche saure Beizung gutentfernt werden.

Findet man beispielsweise nach derBehandlung gelbliche, graue odergrauschwarze Verfärbungen auf derMetalloberfläche, so kann dies ver-schiedene Ursachen haben: Entwederliegt eine falsche Produktauswahl voroder bestimmte Parameter in der Bad-führung müssen verbessert werden.Neben Reinigungsversuchen emp-fiehlt es sich daher, den Aspekt derMaterialverträglichkeit bereits im Vor-feld zu berücksichtigen, am bestendurch empirische Materialverträglich-keitsprüfungen.

Aber auch aus sicherheitstechni-schen Gründen sollte der Reinigersorgfältig ausgewählt werden; nocheinmal sei hier auf das Gefahrenpoten-zial hingewiesen, das sich aus derBehandlung von Aluminium durchKontakt mit ungeeigneten Reini-gungsmedien ergeben kann.

Prinzipiell kann Aluminium mitgeeigneten Reinigern sauer, neutralund alkalisch behandelt werden. Jenach Verschmutzung der Oberflächewird man zunächst versuchen, miteinem neutralen oder mild alkalischenMedium zu reinigen. Emulsionen las-sen sich mit diesen Systemen in derRegel leicht entfernen.

Bei Aluminiumbauteilen, die inihrer späteren Funktion einer starkenmechanischen Beanspruchung ausge-setzt sind, muss insbesondere die Frei-heit von Partikelschmutz auf der Ober-fläche nach der Reinigung sicherge-stellt sein, damit durch Verschleißbedingte Funktionsbeeinträchtigun-gen vermieden werden.

Besonders hohe Anforderungen anden Reinigungsprozess stellen Parti-kelverschmutzungen, die durch Öleoder Fette auf der Oberfläche anhaf-ten. Mechanik allein reicht in diesemFall nicht aus, denn nur wenn Öle undFette hinreichend entfernt werden,können auch die Partikel vollständigabgelöst werden. Der Reiniger mussdaher über geeignete Tenside undGerüststoffe verfügen, die diesgewährleisten.

Versagen neutrale oder mildalkali-sche Systeme bei dieser Aufgabenstel-lung, so kann auch sauer oder mit stär-ker alkalischen Reinigungsmedienbehandelt werden. Bei der alkalischen

Bekannt ist außerdem eine Korrosi-onsanfälligkeit von Aluminium-Werk-stoffen in wässrigen Medien, wennbestimmte Voraussetzungen gegebensind. So verursachen Schwermetallio-nen, insbesondere Kupfer, aber auchder Chloridgehalt des Wassers einenAngriff auf das Material. Daneben sind◆ der Gehalt an Sauerstoff und

anderen Gasen,◆ die Carbonat- und Nicht-

carbonathärte,◆ die Temperatur und die◆ Strömungsgeschwindigkeit weitere wichtige Einflussfaktoren. DasKorrosionsverhalten des Aluminium-Werkstoffs ist aber auch abhängig vonder jeweiligen Legierung; und zwarnicht nur von deren chemischerZusammensetzung, sondern auch vonFeinheiten wie der Verteilung derLegierungselemente, dem Gefügeauf-bau, der Anzahl und Verteilung vonLeerstellen sowie von der Ober-flächenbeschaffenheit.

Die oben aufgeführten Aspekte sindimmer in Prozessen zu bedenken, beidenen Aluminium-Werkstoffe mit wäss-rigen Medien in Kontakt kommen, alsoauch in der wässrigen Reinigung.

Auf den Punkt gebracht: Ein mögli-cher Materialangriff ist abhängig von ◆ den Eigenschaften der im wäss-

rigen Medium vorhandenen Stoffe,◆ der Konzentration dieser Stoffe,◆ der Temperatur, ◆ der Kontaktzeit der Werkstücke

mit dem Medium,◆ der Oberflächenbeschaffenheit des

Werkstücks und letztendlich auchvom

◆ Aluminium-Legierungssystem.

Reinigung und Prozessführung

Aufgrund dieser komplexen Zusam-menhänge gibt es keinen standardisier-ten Reinigungsprozess für Aluminium-Werkstoffe. Denn neben der Schonungdes Materials soll die Oberfläche nachder Reinigung ja auch den Reinheits-anforderungen entsprechen. Und umbeides zu gewährleisten, sind die sorg-fältige Auswahl eines geeigneten Pro-dukts und eine gut abgestimmte Bad-führung entscheidend.

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Reinigung auf Basis von Natronlauge wer-den Inhibitoren benötigt, die den Angriffauf das Material unterbinden. Zum BeispielSilikate: Während des Reinigungsprozesseswerden diese an der Oberfläche adsorbiertund schützen so vor einem Angriff.

Derartige Reiniger zeigen darüber hin-aus oft eine hohe Reinigungskraft und erge-ben sehr saubere Oberflächen, da die Silika-te ein hohes Schmutztragevermögen haben.Bei der Badführung und Badpflege verlan-gen silikathaltige Medien allerdings einebesondere Aufmerksamkeit, um die Ausfäl-lungen von Kieselsäure zu minimieren.

Fazit

Materialschonung und Oberflächenrein-heit bei der wässrigen Reinigung vonAluminium sind von vielen Parameternabhängig. Neben der Vielfalt möglicher Ver-unreinigungen und den unterschiedlichenLegierungstypen ist für den Reinigungser-folg darüber hinaus auch die Oberflächen-beschaffenheit des Werkstücks relevant.Und die ist abhängig vom Herstellverfah-ren, das heißt ob das Werkstück durch◆ Sandguss,◆ Kokillenguss,◆ Druckguss oder◆ Strangpressenproduziert wurde.

Alle diese Faktoren machen eine sorgfäl-tige Entwicklung des Reinigungsprozessesnotwendig; angefangen von der Auswahldes richtigen Produkts bis hin zur optimalenAbstimmung der Badparameter. Das erfor-dert auf jeden Fall die Zusammenarbeitzwischen Anwender, Reinigungsmittelpro-duzent und Anlagenbauer, in manchen Fäl-len zusätzlich den Dialog mit dem Werk-stoffhersteller.

Übrigens soll Kaiser Tiberius der Legen-de nach den Schöpfer des Trinkkelchs zumTode verurteilt haben – angeblich ausFurcht, durch das neue Metall könne Goldund Silber entwertet werden. Knapp zweit-ausend Jahre später sollte die Weltprodukti-on von Aluminium zirka 25 Millionen Ton-nen betragen. Das konnte Tiberius freilichnicht ahnen. ■

Der Autor: Dr. Ralf Krammer, Wigol W. Stache GmbH, Worms,

Tel. 06241/41410, [email protected], www.wigol.de