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Bayerische Akademie der Wissenschaften, München, 18. Juli 2017
Wahrheit als Obsession und Option:Wissenskämpfe im Internet
Christoph Neuberger
# 2
► Google Trends: Suchwort-Häufigkeit (Deutschland, 5 Jahre)
„Lügenpresse“
„postfaktisch“
# 3
► Google Trends: Suchwort-Häufigkeit (weltweit, 5 Jahre)
„fake news“
„post-truth“
# 4
► Google Trends: Suchwort-Häufigkeit (weltweit, 5 Jahre)
„alternative facts“
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# 6
► Gliederung1. Einführung
2. Häufung von fake news
3. Haltungen zur Wahrheitsfrage
4. Was ist die „Wissensordnung“?
5. Erosion der Wissensordnung
6. Neuformatierung der Wissensordnung
# 7
► Fälschungen im Journalismus
Hitler-Tagebücher im „stern“ (1983)
Michael Borns gefälschte Beiträge in TV-Magazinen (1996)
Tom Kummers gefälschte Interviews im SZ-Magazin (2000) u.a.
(1977)
# 8
► Häufung von fake news (1) Ursachen für die Zunahme:
Disintermediation im Internet Polarisierung des politischen Diskurses
Journalismus
Rezipient
Rezipient
Rezipient
► Öffentlichkeit der traditionellen Massenmedien
Quelle
Quelle
Quelle„Gatekeeper“
► Öffentlichkeit im Internet
Quelle
Quelle
Quelle
Journalismus
Nutzer
Nutzer
Nutzer
# 11
► Öffentlichkeit im Internet
Quelle
Quelle
Quelle
Journalismus
Nutzer
Nutzer
Nutzer
# 12
# 13
► Häufung von fake news (2)Überblick: Marwick & Lewis (2017); Müller & Denner (2017)
Entstehen von fake news: Manipulationstechniken: strategic narratives (falsche Geschichten) (Khaldarova & Pantti 2016)
factitious informational blends (Halbwahrheiten) (Rojecki & Meraz 2016)
false flags (falsche Herkunft) cloaked websites (falsche Identität des Anbieters) (Farkas et al. 2017)
tainted leaks (verschmutzte Leaks) (Hulcoop et al. 2017)
social bots (automatisierte Verbreitung) (Hegelich 2016)
Grad der Verbreitung: Reichweiten-Analysen (Silverman 2016; Allcott
& Gentzkow 2017)
Befragungen (Allcott & Gentzkow 2017; Barthelet al. 2016; forsa 2017)
# 14
► Häufung von fake news (3) Faktoren, welche die Verbreitung von fake news fördern:
Bestätigungstendenz (z.B. Garrett 2011; Del Vicario et al. 2016; Shin et al. 2016)
indirekte Verbreitung: agenda-setting von fake news websites über partisan media (Vargo et al. 2017)
Wirkung von fake news: geringe Verbreitung von fake news als Hindernis, Zweifel am
Einfluss auf US-Präsidentschaftswahl 2016 (Hampton & Hargittai 2016; Allcott & Gentzkow 2017)
aber hohe Akzeptanz einzelner Verschwörungstheorien
# 15
► Glaube an Verschwörungstheorienrepräsentative Befragung, 2016, Deutschland
Schultz et al. (2017: 256)
# 16
► Häufung von fake news (4) Prüfung von unsicheren Nachrichten: Intermediäre (boyd 2017),
fact-checking im Journalismus (PolitiFact, BBC, tagesschau: Faktenfinder, BR: Faktencheck u.a.) und auf Blogs (mimikama.at u.a.), Verifizierungs-Software (Fletcher et al. 2017; Heller 2017)
Aufklärung von fake news: Gegeninformationen mit wenig Erfolg auf Twitter (Shin et al. 2016); fact-checking websites mit geringem Einfluss auf andere Medien (Vargo et al. 2017), aber mit Einfluss auf Politiker (Nyhan & Reifler 2014); Hindernisse sind backfire effect (Peter & Koch 2016) und echo chambers (Zollo et al.
2015); kompetente Mediennutzer (forsa 2017)?
# 17
► Trennung von Fakten und Fiktionen
Reuters Institute Digital News Survey: Newman (2017: 20)
# 18
► Gliederung1. Einführung
2. Häufung von fake news
3. Haltungen zur Wahrheitsfrage
4. Was ist die „Wissensordnung“?
5. Krise der Wissensordnung
6. Neuformatierung der Wissensordnung
# 19
► Haltungen zur Wahrheitsfrage (1)1. Wahrheit als Gegenstand:
Moralisierung des Diskurses („Lüge“) professionelle Strategie des Journalismus (Legitimation,
Immunisierung gegen Kritik, Abgrenzung gegenüber Konkurrenz) (Tuchman 1971; Waisbord 2013)
2. Bestätigungstendenz: Rezeptionsverhalten: selective exposure, motivated reasoning,
echo chambers (Schweiger 2017)
ideologisches bzw. populistisches Wahrheitsverständnis (Havel 1989; Müller 2017)
# 20
► Werbung mit der Wahrheit
# 21
► Bild-Schlagzeilen
# 22
► Haltungen zur Wahrheitsfrage (1)1. Wahrheit als Gegenstand:
Moralisierung des Diskurses („Lüge“) professionelle Strategie des Journalismus (Legitimation,
Immunisierung gegen Kritik, Abgrenzung gegenüber Konkurrenz) (Tuchman 1971; Waisbord 2013)
2. Bestätigungstendenz: Rezeptionsverhalten: selective exposure, motivated reasoning,
echo chambers (Schweiger 2017)
ideologisches bzw. populistisches Wahrheitsverständnis (Havel 1989; Müller 2017)
# 23
Schaffner & Luks (2017)
# 24
► Haltungen zur Wahrheitsfrage (1)1. Wahrheit als Gegenstand:
Moralisierung des Diskurses („Lüge“) professionelle Strategie des Journalismus (Legitimation,
Immunisierung gegen Kritik, Abgrenzung gegenüber Konkurrenz) (Tuchman 1971; Waisbord 2013)
2. Bestätigungstendenz: Rezeptionsverhalten: selective exposure, motivated reasoning,
echo chambers (Schweiger 2017)
ideologisches bzw. populistisches Wahrheitsverständnis (Havel 1989; Müller 2017)
# 25
► Haltungen zur Wahrheitsfrage3. extreme Skepsis:
Borderline-Journalismus (Haas 2004)
Wissenschaft: Radikaler Konstruktivismus
4. alternative Zugänge zur Wirklichkeit: fundamentalistisches, esoterisches, mystisches Wahrheitsverständnis
5. Egal-Haltung: „bullshit“ (Frankfurt 2006; Nielsen 2015)
# 26
► Gliederung1. Einführung
2. Häufung von fake news
3. Haltungen zur Wahrheitsfrage
4. Was ist die „Wissensordnung“?
5. Krise der Wissensordnung
6. Neuformatierung der Wissensordnung
# 27
► Erkenntnistheorie skeptische Einwände führen zu einem „schwächeren Wissens-
begriff“ (Willaschek 2015: 186)
epistemische Prinzipien (Lenk 1986; Baumann 2015; Willaschek 2015): Methoden als regelgeleiteter Prozess der Rechtfertigung Offenheit des Erkenntnisprozesses, da nur vorläufige Anerkennung
von Wissen (Falsifikationismus) Unterscheidbarkeit von Gewissheitsgraden („gute“ und „schlechte“
Gründe, um Geltungsanspruch „Wahrheit“ zu rechtfertigen)
# 28
► Wissensordnung (1) Umsetzung epistemischer Prinzipien in der institutionellen
Wissensordnung (Goldman 1999)
Wissensordnung: normierte Methoden für den Wissensprozess
Phasen des Wissensprozesses, deren Ablauf methodisch normiert ist: Wissensgenese Wissensprüfung Wissensverbreitung
# 29
► Wissensordnung (2) Rationalitäten in unterschiedlichen Kontexten:
wissenschaftliche Rationalität (Weingart 2001)
weitere professionelle Rationalitäten (Abbott 1988; Brentel 1999)
Alltagsrationalität des Publikums (Schütz 1972; Brosius 1995; Kruglanski et al. 2009)
journalistische Rationalität: Überbrücken von Rationalitäten zwischen Teilsystemen (Kohring 2016: 172) und innerhalb von Teilsystemen (Reich 2012)
Hierarchie in der Wissensgesellschaft: Wissenschaft (und professioneller Journalismus) als epistemische Autoritäten (Weingart 2001)
For-schung
Publika-tion in Fach-
medien
Rezep-tion,
Diskurs
Publi-kum
Journa-lismus
PR u.a. Quellen
Publikumsöffentlichkeit
Wissenschaftliche Fachöffentlichkeit
Wissenschaftler/innen
unterschiedliche AkteureWirt-schaft
Politik
# 31
► Gliederung1. Einführung
2. Häufung von fake news
3. Haltungen zur Wahrheitsfrage
4. Was ist die „Wissensordnung“?
5. Krise der Wissensordnung
6. Neuformatierung der Wissensordnung
# 32
► Nachrichtennutzung verlagert sich ins Internet Hauptquelle für Nachrichten (in %), repräsentativ für Internetnutzer/innen in 36 Ländern
Reuters Institute Digital News Survey: Newman (2017: 10)
For-schung
Publika-tion in Fach-
medien
Rezep-tion,
Diskurs
Publi-kum
Wissen-schafts-journa-lismus
Wissen-schafts-PR u.a. Quellen
Publikumsöffentlichkeit
Wissenschaftliche Fachöffentlichkeit
Gatekeep
er-Sch
welle
Wirt-schaft
Politik
Publikation nach
Prüfung und
Auswahl
For-schung
Publika-tion in Fach-
medien
Rezep-tion,
Diskurs
Publi-kum
Wissen-schafts-journa-lismus
Wissen-schafts-PR u.a. Quellen
Publikumsöffentlichkeit
Wissenschaftliche Fachöffentlichkeit
Politik
Wirt-schaft
► Partizipation, Interaktion und Transparenz im Internet: Senken der Gatekeeper-Schwelle
Open Science
Open Peer Review
Open Access
Disintermediation
Open Data
Aggrega-toren,
Suchma-schinen, Rankings
Foren
Self Publishing
Transparenz
Citizen Journalism
Personal Branding
For-schung
Publika-tion in Fach-
medien
Rezep-tion,
Diskurs
Publi-kum
Wissen-schafts-journa-lismus
Wissen-schafts-PR u.a. Quellen
Publikumsöffentlichkeit
Wissenschaftliche Fachöffentlichkeit
Wissenschaftler-Laien-Schwelle
Wirt-schaft
Politik
For-schung
Publika-tion in Fach-
medien
Rezep-tion,
Diskurs
Publi-kum
Wissen-schafts-journa-lismus
Wissen-schafts-PR u.a. Quellen
Publikumsöffentlichkeit
Wissenschaftliche Fachöffentlichkeit
► Partizipation, Interaktion und Transparenz im Internet: Senken der Wissenschaftler-Laien-Schwelle
Wissens-zugang
Citizen Science
Bürger-dialog
Wirt-schaft
Politik
Crowd-funding
Kampagnen
# 37
► Krise der Wissensordnung Phasen: Reihenfolge der Phasen wird flexibler (erst publizieren,
dann prüfen – statt: erst prüfen, dann publizieren)
Kontexte: Kollaps der Kontexte; Entgrenzung: zwischen Fach-, Publikumsöffentlichkeit; bisherige nicht-öffentliche Individual-und Gruppenkommunikation wird öffentlich (soziale Medien); Rationalitäten vermischen sich, Orientierung an Normen wird fraglich, Spielräume für Täuschung (fake news)
Hierarchie: Konkurrenz und Konflikte zwischen Wissens-anbietern; Kritik an epistemischen Autoritäten („Lügenpresse“, „Antiakademismus“)
Publikum: Gewissheitsgrad von Behauptungen variiert erheblich oder ist unsicher; fehlende Rahmenhinweise oder Rahmen-täuschung
# 38
► „Lügenpresse“-Debatte (seit 2014)
# 39
► Kritik am Journalismusz.B. bei Krüger (2012, 2016); Ulfkotte (2014); Meyer (2015):
These der Intentionalität: Journalisten verfolgen gemein-same, untereinander abgestimmte politische Absichten.
These der Verflechtung: Elitejournalisten sind mit Eliten aus Politik und Wirtschaft verflochten und vertreten deren Interessen in den Medien. Alternativ: Journalisten bilden eine Gegenelite zur Politik (Meyer 2015).
These der Homogenisierung: Unter dem Einfluss von Elitejournalisten und Leitmedien berichten und kommentieren die Medien homogen.
These des Vertrauensverlusts: In der Folge verliert der Journalismus an Vertrauen im Publikum.
# 40
► Vertrauensverlust des Journalismus?repräsentative Befragungen in Deutschland
Reinemann/Fawzi (2016)
# 41
► Vertrauensverlust des Journalismus? repräsentative Befragung in Deutschland
Quiring/Schultz (2017), Ifak
# 42
► Gliederung1. Einführung
2. Häufung von fake news
3. Haltungen zur Wahrheitsfrage
4. Was ist die „Wissensordnung“?
5. Krise der Wissensordnung
6. Neuformatierung der Wissensordnung
# 43
► Gestaltungs- und Regulierungsoptionen professioneller Journalismus:
neue Verifizierungspraktiken neue Formen der Transparenz („Was wir wissen – was wir nicht
wissen“) und Offenheit für Kritik Prüfung auch außerhalb des eigenen Angebots (fact-checking,
gatewatching) Finanzierung?
partizipative Wissensgenese und -prüfung (wisdom of crowds, crowdsourcing)
Intermediäre: Anerkennen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung
Publikum: Förderung von Medienkompetenz
Wissenschaft: Forschung, Wissenschaftskommunikation
# 44
► Literatur Marwick, A., & Lewis, R. (2017). Media manipulation and disinformation online. New
York: Data & Society Research Institute. (Download: http://datasociety.net)
Müller., P., & Denner, N. (2017). Was tun gegen „Fake News“? Eine Analyse anhand der Entstehungsbedingungen und Wirkweisen gezielter Falschmeldungen im Internet.Potsdam: Friedrich-Naumann-Stiftung. (Download: http://www.freiheit.org)
Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften & Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (2017). Social Media und digitale Wissenschaftskommunikation. Analyse und Empfehlungen zum Umgang mit Chancen und Risiken in der Demokratie. Stellungnahme. (Download: http://www.acatech.de)
Neuberger, C. (2017). Journalistische Objektivität. Vorschlag für einen pragmatischen Theorierahmen. Medien & Kommunikationswissenschaft, 65(2), 406-431.
Neuberger, C. (2014). Social Media in der Wissenschaftsöffentlichkeit. Forschungsstand und Empfehlungen. In P. Weingart & P. Schulz (Hrsg.), Wissen – Nachricht – Sensation. Zur Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien (S. 315-368). Weilerswist: Velbrück. (Download: http://www.acatech.de)
Schultz, T., Jackob, N., Ziegele, M., Quiring, O., & Schemer, C. (2017). Erosion des Vertrauens zwischen Medien und Publikum? Media Perspektiven, (5), 246-259.(Download: http://media-perspektiven.de)
# 45
Christoph [email protected]