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Warum feiern wir Weihnachten? Author(s): Clara L. Nicolay Source: Monatshefte für deutsche Sprache und Pädagogik, Vol. 12, No. 10 (Dec., 1911), pp. 293- 299 Published by: University of Wisconsin Press Stable URL: http://www.jstor.org/stable/30167185 . Accessed: 21/05/2014 06:51 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . University of Wisconsin Press is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Monatshefte für deutsche Sprache und Pädagogik. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.78.109.52 on Wed, 21 May 2014 06:51:29 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Warum feiern wir Weihnachten?

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Warum feiern wir Weihnachten?Author(s): Clara L. NicolaySource: Monatshefte für deutsche Sprache und Pädagogik, Vol. 12, No. 10 (Dec., 1911), pp. 293-299Published by: University of Wisconsin PressStable URL: http://www.jstor.org/stable/30167185 .

Accessed: 21/05/2014 06:51

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

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Monatshefte fur deutsche Sprache und Piidagogik.

(Friiher: Pldagogische Monatshefte.)

A MONTHLY DEVOTED TO THE STUDY OF GERMAN AND PEDAGOGY.

Organ des

Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.

abrgang XII. Dezember 911. Deft o.

Warum feiern wir Weihnachten ?

Von ClEra L. Nicolay, Allen Scho6l, Newton, Mass.

Warum feiern wir Weihnachten? Diese Frage ist so alt wie das Fest selbst, und die Antwort, so ver-

schieden sie auch je nach Person, Zeit und Ort ausfallen mag, wird doch darauf hinauslaufen: weil wir einen Strahl des Lichts, eine Woge warmer Lebensglut wenigstens einmal iiber die triibe, kiihle, diimmernde Welt ausgiessen miissen.

Die Winter-Sonnenwende, gerade wenn die Zeit neu knospenden Le- bens am weitesten entfernt scheint, wurde von vielen Vilkern, nicht nur den nordischen, als Festzeit erlesen. Den R6mern brachte sie ihre Satur- nalien, eine Woche ausgelassenen Frohsinns, in der man sich in die Tage

des goldenen Zeitalters zuriick triumte. Sie begann am 16. Dezember und schloss daher, wo das christliche Weihnachtsfest anfing. Es gab grosses Schmausen; Geschenke wurden ausgetauscht, alle Streitigkeiten wurden zeit'weilig beigelegt. Vor allem aber war es die grosse Feierzeit der Sklaven. Fiir eine Woche fiel das Joch von ihrem Nacken und wie der Stier an wohlgefiillter Krippe, so rastete sein Treiber von der schwe- ren Feldarbeit, vom Bau und dem Einerlei freudloser Frohn.-Fiir eine Woche waren die Sklaven die Meister und die Herren und Damen warte- ten ihnen auf. Wie streckten sich die miiden Schultern auf den unge-

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illonatshefte fiir dezutsche Sprache und Pidagogik.

wohnten Polstern, wie mundete die Festkost nach einem Jahre kiimmerli- chen Lebens! Man denke sich irgend einen gekriuselten und gesalbten Rufus oder Glaucus, der bekranzt auf dem Ruhebette des Tricliniums lehnt, und seine Befehle erteilt:

"Giesse noch einige Schalen Falerners in den Mischkrug, oh Titus Sempronius!" oder:,,Cajus Cornelius, schneide mir noch eine Scheibe von der fetten Brust des Pfauhahns, und wiirze sie gut mit der piquanten Sauce von Cumae!"

Im Budoir der Matrone aber mochte eine Lydia oder Myra am ver- goldeten Sessel lehnen und ihre Haarfrisur im silbernen Spiegel mustern. Mit nachliissiger Stimme fltete sie wohl:

,,Kannst du nicht, oh Antonia Pia, mir diese Reihe der Stirnlick- chen etwas fester drehen?" oder: ,,Stecke doch die Fibula ein wenig h- hler, Julia Octavia, dass der Faltenwurf des Peplums reicher wird !"

Glaucus und Rufus wussten sehr wohl, dass, sobald die Aedilen der Stadt die Festzeit fiir geschlossen erkliren wiirden, ihrer die grasste Tracht Priigel wartete, die je auf ihren Riicken gehagelt war; und Lydia und Myra, sollten sie sich die geringste Nachlissigkeit bei der Toilette ihrer Herrinnen zu schulden kommen lassen, wiirden es fiihlen, was es heisst, wenn eine silberne Nadel bis zum Elfenbeingriff in ihre hiibschen Schultern getrieben wiirde. Doch der Geist der Saturnalien war in der Luft, und man hatte doch eine Woche lustiger, lachender Gegenwart, da- rum carpe diem!

Ist es denn anders heutzutage? Die Weihnachtszeit ist die rechte Feierzeit des ,,holden Leichtsinns", den, Gott sei Dank, uns die Natur gegeben. Wir sehen den armen Familienvater all seine tirichten, herzer- quickenden Einkiiufe machen, ohne Riicksicht auf den drohenden Aedi- len, der bald genug das Mietsbuch. die Fleischerrechnung, den Steuer- mahnzettel und iihnliche Neujahrsgriisse iiberreichen wird.

Die hiuslich intime Seite des Weihnachtsfestes tritt in ihrer reinsten Schanheit im Norden auf. Der Norden hat uns auch die echten Dichter des Christfestes gegeben, niimlich Charles Dickens in England, Andersen in Diinemark, Theodor Storm in Deutschland.

Umziige, Scherz und Schabernack karakterisieren den Siiden; vor allem aber die Krippen, welche zeigen, wie die Kirche sich den besten Teil des Festes vorbehalten.-In der Provence sind es die Heiligen Drei

Konige, die Magier aus dem Osten, um welche sich Sage, Lied und vor allem heilig geheimnisvolle Kindheitserinnerungen scharen. Wer je dem liebenswiirdig grossen Barden der Provence, wer Friedrich Mistral gefolgt ist, als er mit seinen kleinen Gefihrten als Kind hinausgezogen war, um dem Zuge der Magier zu begegnen und ihnen Weihnachtskuchen zu brin-

gen, wer den fernen Stimmen in der violetten Diimmerung des friil da- hinsterbenden Wintertages gelauscht, wer dann am nichsten Tage in der

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1Warunm feier wir Weihnachteln?

stattlichen Mas, dem Heim des reichen ijl- und Weinbauers, das geriusch- roll lustige Weihnachtsfest mitgefeiert hat, der weiss, dass an diesen iiber- reich besetzten Tafeln manch uralt heilige Sitte bewahrt wird, die schon herrschte, ehe der Gesang der Troubadours an Ritterhbfen, und das be- scheiden schalkhafte Lied des Jongleurs in gastfreien Bauernhiiusern die frohe Kunde von dem Kinde zu Bethlehem anstirnmten.

In Italien finden wir den einen hohen Festtag des ganzen Jahres. IDa ist kein Handeln und Feilschen; auch ider Armste sitzt mit den Sei- nen beim bescheidenen Festmahl, hat sein Huhn, seine Feigen, seinen ro- ten Wein, und-traurig pathetischer Anblick-hinter den Eisengittern der Gefiingnisse dringen sich die bleichen Gesichter der Gefangenen, denn wer noch irgend jemand auf der Welt sein eigen nennt, der ist sicher, dass ihm heute ein Besuch, eine Gabe zu teil wird. Am zweiten J anuar aber findet in der Beffana (verdorben von Epiphania) ein verfriih- ter Fasching mit seinem tollen Treiben, mit Maskenspiel und einem klei- nen Jahrmarkt statt. Im ganzen Siiden, auch in Frankreich, werden Ge- schenke erst zu Neujahr ausgetauscht. In den letzten Jahren hat aller- dings der Weihnachtsbaum und die damit verbundene Bescherung in grisseren Stidten ihren Eingang gefunden.

Doch die echte Weihnacht verlangt Schnee und Eis, und die legio- nen, wo die Natur mit diesen Gaben nicht kargt, sind die echte Heimat der Christfeier.

Auch der Norden hatte sein grosses heidnisches Fest, die Julfeier, zur Zeit der Winter-Sonnenwende. Das erste was das herannahende Chri- stentum tat, war, dies seinem eigenen Festkalender einzuverleiben. Die alten Recken der Nordlande, der Elb- und Rheinufer, Frieslands, Diine- marks, Skandinavien und Islands waren nicht leicht zu bekellren. Sie hielten fest an den alten Gttern, die ihnen so lange treu gewesen, und die Missionsprediger fanden manchmal nach hartem und mannhaftem Kampf ihr Grab unter Odins Eichen oder dem Ahorn des roten Thors. Doch gab es auch manchen schlachtmutigen Bischof, welcher der Meinung war, dass die Furchen fiir die neue Saat mit dem Schwerte gezogen und mit Blut begossen w erden miissten. Manch ein hartkipfiger Jarl oder Than, der sich durchaus nicht ,,waschen" lassen wollte, der darauf be- stand, am Julfest Pferde zu schlachten und seinen Met aus Ross-Schdeln zu trinken, musste sich allerhand unangenehmen Prozeduren unterziehen, wie das herabwiirgen lebendiger Nattern, der Verlust einiger iiberzihli- gen Gliedmassen, wie Finger und Nase. Es ist wahr, (ie Recken wehr- ten sich tapfer und blieben den unwillkommenen Bekehrern nichts schul-

dig. Aber ein paar Mirtyrer mehr haben noch keiner Kirche etwas ge- schadet, noch gereichte es dem starken Bischof zur Unehre, wenn er gute Blutrache fiir seine geschorenen Miinner nahm, und da geschah es denn, dass die Gewalt der IRede und die V'berzeugungsgriinde der Schwerter dem

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onaslefte fir deutsche Sprache und Pdidagogik1.

neuen Glauben allmrihlig Herzen und Hiuser ffneten. So erreichte der weisse Christus auch das, was den Recken wie den tapfern Weibern, dem zappenden Siiugling wie dem Greise, der miide triiumend langvergange- nen Taten nachsann, das Nichste und Liebste, das Ehrwiirdigste und Ge- heimnisvollste war, das heilige Julfest. Es war die Zeit, we die CGtter lerniederstiegen, wo Allvater Odin im dunkelblauen Mantel in Wiirde dahinfuhr, ja, es nicht verschmihte, an der Tiir des freien Mannes zu hal- ten und mit dem Wirte und dessen Waffenbriidern das gewaltige Methorn zu leeren. Dae kam auch Frau Fricka oder Berchta, die Gttermnutter, (ie Schiitzerin des Hauswesens, und sah zu, wie.Kiiche und Keller bestellt waren, und ob die Spinnerinnen den Flachs von Rocken gesponnen hat- ten. Frau Holle schiittelte ihre Betten, dass die Flocken stoben; Frey, der Sonnenhelle, Iam auf seinem goldenen Ebr geritten, wobei freilich unzalhliges anderes Borstenvieh sein Leben lassen musste; der Julblock lo- derte, und die freundlichen Licht-, die neckischen Schwarzalbn versteck- ten sich unter Backtriigen und in Ofenecken. Die Kirche war zu king, diese Zeit wie die heiligen Eichen auszurotten, wie Opferaltaire einzurei- sen. Wer ist denn der festeste, von tausend Wurzelfasern durchzogene Erdengrundi was ist die stiirkste Granitquader gegen den lebendigen Bo- den des enschenherzens? So nahm denn die Kirche das altheilige Fest in ihre weiten Arme und weihte es dem lieblichsten, dem unsbchuldig rein- sten ihres glorreichen Heeres, dem Kindlein Jesus. Frau Fricka im blauen Mantel, nicht dem dunkeln Stunrmmantel des Gatten, nein, dem schn lichtblauen des heitern Himmels, wurde die Gnadenmutter Maria, und vielleicht geht man nicht zu weit vom Wege ab, wenn man in dem

heiligen Joseph mit seinen treuen Eckartsziigen die abgetnte Gestalt Walvaters erkennt.

Es existiert eine Art Kirchenkalender vom Ende des fiinften Jahr- hunderts, das sogenannte Sacramentorium Gelasium, das den Jahresan- fang mit der Nativitit zusammen in die letzte Woche des Dezembers legt; dies wnrde bestlitigt im Sacrametoriunz Gregorianum, welches dem r - mischen Bischof Gregor dem rossen (599--604) zugeschrieben wird. So hatten nun die neuen Christen ein schines, grosses, frommes Fest an Stelle des geliebten Julfestes. Es machte ihnen nicht allzuviel aus, zu Ehren welches Gottes sie ihre feisten Schweinchen und fetten Giinse schlachte- ten, ihre Xpfeschnitzen und Gewiirzkringelein buken, und vor allem, wem sie ihr Bier brauten! Die strengen Missionsprediger waren auch keines-

wegs abgeneigt, an all den guten Dingen teilzunehmen, und in Klistern wie Laienhiusern ichzten die Tische unter wiirzigen Lasten. Da die

ungefiigen Tiiuflinge sich nun im ganzen so gut betrugen, und germani- sche Gastfreundschaft dem Priester gem den Ehrenplatz einriumte, so zeigte sich asuch die Mutter Kirche entgegekommend, und gab ihnen manchen der alten Lieblinge unter einem nenen Namen wieder. Vor

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Waium feiern wir WVeihnachteln ?

allem war es einer unter den Gattern der Germanen, an denen ihr Herz hing, der jugendlich schSne Baldur, der lichte Gott, dem keins der ge- schaffenen Wesen feind war, der friih gestorben. Es war kein anderer als der Heiland selbst, der unter Baldurs Namen schon lange im Volke gelebt hatte, und die liebliche Friihlingsgdttin Freya vertauschte den Blhi- tenkranz mit einer Sternenkrone und ward eine andere Gestalt der Heiligen Jungfrau; nicht, gleich der Fricka, die gnadenreiche Mutter, sondern die Himmelskinigin. Es versteht sich von selbst, dass alle die Grundgestalten des christlichen Gatterhaushaltes auf italienischen und byzantinischen Konzilien bis auf die Details ihrer Kleidung festgestellt wurden, aber der germanische Geist nahm die fremden, blutlosen Gestal- ten mnd flsste ihnen ureigenes Leben ein, indem er sie mit den altge- wohnten Lieblingen verschmolz. Allvater Odin aber hat sich von kirch- licher Oberaufsicht frei gemacht. Nachdem er viele Jabre lang als wil- der Jiger mit seinem Walkiirengefolge und allerhand anderm Gesindel sich einen recht schlehten Namen gemacht hatte, kehrte er zu Tugend mund Achtbarkeit zuriick, und ist noch heute mit Apfelsack und Rute als Knecht Ruprecht ein geelbrter und gefiirchteter Gast. Seine modernste Entwickelung ist als ,,Fatlher Christmas" in EJngland und Amerika.

Der iibermiitige Geist des Julfestes wirkte bald zuriick auf die Kirche.

Sie gab hiibsche Schaustellungen: die Geburt, den Stall mit Ochs und Eselein, die heilige Jungfrau mit dem Jesuskinde, die anbetenden Hirten und Weisen aus dem Morgenlande; alle wurden greifbar vorge- fiihrt-so beginnt mit Weihnachts- und Osterspiel die Wiedergeburt des Dramas. Es waren nicht linger Puppen, wie vor der Krippe, nein, leben- dige Menschen, die umherwandelten, sprachen, handelten, und die anti- phonischen Messen mit manchmal recht loser Unterhaltung unterbrachen. Bald erweiterte sich der Kreis heiliger Personen; Laien und allerlei Siin- der fanden ihre Aufnahme, und mit den Siindern natiirlich der Erzfeind, der Teufel. Von den Streichen, welche dieser den armen Schiichern spielt, die sich tirichterweise in seinen Schutz begeben, und der Art wie ihm von den Frommen ihrerseits mitgespielt wurde, kommen wir in ge- rader Linie zum alten Freund Hanswurst.

Die iibetwiltigende Spannung der Andacht ldste sich in gesunden Humor aus, und die derben Spiisse verschonten niemand, weder Herzog noch Kanig, weder Bischof noch Papst. So finden wir einen iilteren Hir- ten, Mack, der, wiihrend die andern anbetend vor der Krippe knieen, hin- geht und einen Hammel stielt, wofiir ihm natiirlich die iiblichen Priigel zu teil werden. Wenn am Ende der Schelm unter Zetergeschrei vom Gottseibeiuns geholt wird, wenn ein diebischer Diener seinem Herrn erst andere betriigen hilft und ihn dann selbst um den Gewinn seiner Schel- meri bringt, so haben wir im Beginne der Weihnachtsspiele die Samen,

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Mlionatshcfle fur deutsche Sprache und Piidagogik.

aus denen die ganze Zunft der Kammerdiener und Kammerkiltzchen der romanischen K omndien cinerseits, andrerseits aber die Faust-TragSdien emporwuch sen.

Im Kasperletheater, in italienischen Marionetten, in der englischen Punch and Judy show haben wir noch bis zurn heutigen Tage die letzten

Spuren jenes urwiisigen Humors der Weihnachtsspiele, wo der Teufel und seine Grossmutter die Stelle weltlicher wie poetischer Gerechtigkeit iiber- nehmen.

Selst. Berlin, das niiclterne Berlin, kann sich eines Original-Weih- nactsspieles riilllen. Es ward verfasst von Heinrich Knust, oder Knaust, einem HIamburger von Geburt, der aber in Berlin lebte und sei- nen Namen zu Henricus Knustius lateinisiert hatte. Sein Stiick war be- titelt:

,,Ein sehr schSn und niitzlich Spiel von der lieblichen Geburt unseres Herrn Iesu Christi zu Kalln an der Spree gehalten."*)

Bemerkenswert ist auch eine Moralitiit mit dem Titel: Kurtze Co- medien von der Geburt des Herrn Christi.-Sie wurde zu Weihnachten des Jahres 1559 am Hofe des Kurfiirsten Johann Georg im kbniglichen Schlosse zu Berlin aufgefiihrt. Die Ausstattung war sehr einfach, aber die Schauspieler waren um so interessanter. Zuerst erschienen zwlf Mu- sikanten, als Engel verkleidet, setzten sich an einen schmucklosen Holz- tisch und sangen Kaspar Riigers Choral: Ihr Christen leudt-habt itz- und Freud-". Dann erschienen die Hirten, die Heiligen Drei KS- nige, der Stern, Joseph und Maria, das Christkindlein, wvihrend der Ar- gumcntator erziihlte, erkliirte und mnoralisierte. Unter den Darstellern werden genannt: der kleine Markgraf Friedrich von Brandenburg, das Christkindlein; das Prinzlein war am 22ten Miirz 1558 geboren, also noch uicht zwei Jahre alt; spiiter ward er Grossmeister des Johanniterorden. Die Prinzen Christian und Johann Ernst, neun und sieben Jar alt, als Magier, deren dritter von dem zehnjihrigen Markgrafen Johann Georg von Hohezollern dargestellt wurde. Die kleinen Markgriifinnen Magda- lene und Agnes, acht und sechs Jahr alt, waren unter den Engeln. Die Jungfrau Maria aber war die fiinfzehnjiihrige Elisabeth von Mannsfeld- Hornestidt: andere Personen waren Sahne und TSchter des Adels, wie ;uch einige Biirgerkinder. So trocken sich auch die Beschreibung dieser Weimnachtskomdie liest, sie zeigt wie den Hohenzollern im Kurhut wie in der Kaiserkrone Weihnachten ein frohes Familienfest war.

Wir finden nichts vom Weihnachtsbaur in den alten Beschreibun-

gen.-Er ist wohl ein tberrest der aus der Kirche ins Haus versetzten Krippe, um so mehr, als er in den Liindern, welche die streng kirchliche

* Geschichte des kinipglichen Theaters zu Berlin. von Udo Brachvogel; Band I.

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Die Carnegie-Stiftg zur Firderung des UnterichIs.

Weihnachtsfeier beiehalten haben, nicht .urwiichsig ist. Die alte Sitte, eine kleine Schafhiirde ins Moos an einem Fusse hinzubauen, deutet auf den Stall und die Krippe. Er ist ein allgemeiner Ausdruck germanischer Wadliebe, die Lichter aber sind entschieden kirchlichen Ursprungs.

Das Weihnachtlied ist so alt als das Fest selbst, das mit dem grossen Englischen Gruss eingeleitet wurde. Wir finden es in alien Literaturen, geistlich und weltlich, alse frommen Choral, als Hymnus, als Kinder- oder Schelmenliedlein. Der eine Ton aber geht durch alle, wie ein Leitmotiv, das sich in die Kliinge der Musik mischt, das aus den Farben der tausende und abertausende von Bildern uns entgegenschimmert: W eihnachten ist ein Freudenfest. Nicht das Osterfest, die Friihlings- und Auferstehungs- feier, nein, das Fest des kalten Mittwinters, ist das ware Kinderfest, die Zeit, wenn die Welt jung wird, wenn Sorge und Hader fir einen Augen- blick versinken, wenn das Herz sich auftut in Mitleid und Liebe. Wer

horcht nicht auf, wenn eine lang vergessene Weihnachtsmelodie ertant? Mag sie in hohen Kathedralen von vollen Ch6ren, mag sie in einem Seiten- glisschen von einer schrillen Kinderstimme gesungen werden - die uralte Weihnachtweise findet ihren Wiederhall auch im stumpfsten Ohr, im kiil- testen Herzen, und wie die Glockentine dahinziehen, hallt es noch heut, und mage nie verhallen: Ehre sei Gott in der Hhe - Friede auf Erden!

Die Carnegie-Stiftung zur Forderung des Unterrichts.*

(The Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching.)

Von Dr. Rudolf Tombo, se., New York.

Am 16. April 1905 richtete 'Carnegie einen Brief an cine Anzahl Pri- sidenten und Professoren der fliihrenden Universititen, sowie hervorra-

gende Finanzmlinner des Landes, in dem er auf die mangelhafte Besol- dung der Lehrer der Colleges und Universitiiten hinwies und die ebenso mangelhafte Altersversorgung. Er habe daher beschlossen, die Summe von 10 Millionen Dollar zu stiften, aus deren Zinsen Ruhegehilter fiir die Lehrer von Universitiiten, Colleges und technischen Hochchulen in den Vereinigten Staaten, Canada und Neufundland bezaht werden sollen, soweit solche Anstalten nicht vom Staat unterhalten wiirden oder mit einer kirchlichen Sekte in Verbinduneg stiinden. Und zwar sollen diese Ruhegehislter nicht als mildtitige Untcrstitungen. angesehen werden, son- dern als solche, auf welche jeder Lehrer einer Anstalt, die von der Stif-

Nach einem Vortrag, gehalten im Verein deutscher Lelrer von New York und Umgegend am 13. Mai 1911.

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