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WARUM GRENZWERTE SCHÄDIGEN, NICHT SCHÜTZEN – ABER AUFRECHTERHALTEN WERDEN BEWEISE EINES WISSENSCHAFTLICHEN UND POLITISCHEN SKANDALS Mit Beiträgen von Franz Adlkofer, Karl Hecht, Lebrecht von Klitzing, Klaus Kniep, Wilhelm Mosgoeller, Karl Richter, Hans-Christoph Scheiner, Ulrich Warnke Wirkungen des Mobil- und Kommunikationsfunks Eine Schriftenreihe der Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e. V. Heft 4

Warum Grenzwerte schädigen - nicht schützen - KompetenzInitiative

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Page 1: Warum Grenzwerte schädigen - nicht schützen - KompetenzInitiative

WARUM GRENZWERTE SCHÄDIGEN, NICHT SCHÜTZEN –ABER AUFRECHTERHALTEN WERDEN

BEWEISE EINES WISSENSCHAFTLICHEN UND POLITISCHEN SKANDALS

Mit Beiträgen von Franz Adlkofer, Karl Hecht, Lebrecht von Klitzing, Klaus Kniep, Wilhelm Mosgoeller, Karl Richter, Hans-Christoph Scheiner, Ulrich Warnke

Wirkungen des Mobil- und KommunikationsfunksEine Schriftenreihe der

Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch,Umwelt und Demokratie e. V.

Heft 4

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Wirkungen des Mobil- und Kommunikationsfunks

Eine Schriftenreihe der Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch,Umwelt und Demokratie e. V. Heft 4

Herausgegeben von Prof. Dr. med. Karl Hecht, Dr. med. Markus Kern, Prof. Dr. phil. Karl Richter und Dr. med. Hans-Christoph Scheiner

Redaktion: Prof. Dr. Karl Richter in Zusammenarbeit mit Uwe Dinger und Peter Hensinger

Internationaler und interdisziplinärer Beirat:Biowissenschaften, Umweltwissenschaften und Medizin:Dr. med. Christine Aschermann, Dr. rer. nat. Alfonso Balmori (Spanien), Dr. med. Wolf Bergmann,Dr. med. Karl Braun von Gladiß, Dr. med. Horst Eger, Prof. Dr. med. Rainer Frentzel-Beyme, Dr. med. Claudio Gomez-Perretta, Dr. med. Joachim Mutter, Dr. med. Gerd Oberfeld (Österreich),Dr. med. dent. Claus Scheingraber, Dipl. Met. Walter Sönning (Medizinmeteorologe), Dr. rer. nat. Ulrich Warnke, Prof. Dr. med. Guido ZimmerPhysik, Biophysik und Technik:Prof. Dr. rer. nat. Klaus Buchner, Prof. Dr. rer. nat. Eberhard Ganßauge, Prof. Dr. rer. nat. Klaus Goebbels, Prof. Dr. Gerard Hyland (England), Vladislav. M. Shiroff, Dr. Ing. Dipl. Phys. Volker Schorpp, Dr. rer. nat. Dipl.-Phys. Stefan SpaarmannBaubiologie: Wolfgang Maes, Prof. Dr. rer. nat. Anton Schneider, Katharina Gustavs (Kanada)Rechts- und Sozialwissenschaften:Prof. Dr. jur. Erich Schöndorf, Dr. jur. Eduard Christian Schöpfer (Österreich), Dr. rer. pol. Birgit Stöcker, (1. Vorsitzende des Bundesverbands Elektrosmog e.V.)Interdisziplinäre Kooperation:Arnfrid Astel (Schriftsteller), Dipl.-Biol. Heike-Solweig Bleuel (Biologie, Umweltdidaktik), Andrea Klein (Interkulturelle Kommunikation /England), Prof. Dr. phil. Ernst Liebhart (Experimentelle und Klinische Psychologie), Prof. Dr. phil. Dr. h.c. Walter Müller-Seidel (Literaturwissenschaft, Wissenschaftsgeschichte), Prof. Dr. phil. Jochen Schmidt (Literaturwissenschaft, interdisziplinäre Kooperation), Prof. Dr. theol. Werner Thiede (Evang. Theologie)Internationale Partnerschaften:Uwe Dinger und Dipl. Ing. Lothar Geppert (Co-Präsidenten von Diagnose-Funk. Umweltorganisationzum Schutz vor Funkstrahlung /Deutschland und Schweiz),Daniel Oberhausen (Physiker im Wissenschaftlichen Beirat von Priartem/Frankreich), Jeannot Pesché (Redaktion Electrosmognews /Luxemburg),Ingrid Pastl-Dickenson (Director of the Bio Electromagnetic Research Initiative /BEMRI),Cindy Sage, MA (Mitinitiatorin der BioInitiative Working Group und Mitherausgeberin ihres Reports /USA),Don Maisch (EMFacts Consultancy, Australien)

Bildnachweise: Kompetenzinitiative e.V.

Alle Urheberrechte vorbehaltenSt. Ingbert, 1. Auflage September 2009

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Warum Grenzwerte schädigen, nicht schützen –aber aufrechterhalten werden. Beweise eines wissenschaftlichen und politischen Skandals

Den Grenzwerten für die Strahlung von Funk-Techniken fehlt die lebenswissenschaftliche und rechtliche Grundlage

Vorwort der Herausgeber

Zusammenfassung der Ergebnisse

Welchen Wert haben Grenzwerte? Dr. rer. nat. Lebrecht von Klitzing

Zur Geschichte der Grenzwerte für nichtionisierende StrahlungProf. Dr. med. Karl Hecht

Die ICNIRP-Richtlinien-Kritik von Prof. Dr. Neil Cherry Dr. med. Hans-Christoph Scheiner

Der Nachweis athermischer Wirkungen elektromagnetischer Felder belegt den Anachronismus der geltenden Grenzwerte

Prof. Dr. med. Franz Adlkofer

Bestätigungen athermischer Wirkungen. Ein Bericht über Ergebnisse der jüngst abgeschlossenen ATHEM-Studie

Prof. Dr. med. Wilhelm Mosgoeller

Ein Wirkmechanismus der Schädigung ist beweisbar! Dr. rer. nat. Ulrich Warnke

Grenzwerte – juristisch beleuchtet Prof. Dr. jur. Klaus Kniep

Politik im Konflikt mit Demokratie und Menschenrechten Prof Dr. phil. Karl Richter

Grenz- und Vorsorgewerte für Hochfrequenzbelatungen (HF)im weltweiten Vergleich

Zu den Autoren

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Mit Beiträgen von Franz Adlkofer, Karl Hecht, Lebrecht von Klitzing, Klaus Kniep,Wilhelm Mosgoeller, Karl Richter, Hans-Christoph Scheiner, Ulrich Warnke

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BioInitiative Working Group, BUND und die Kompetenzin-itiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratiesind sich wissenschaftlich einig: Die fortschreitende Über-lagerung unserer Lebenswelt durch elektromagnetische Fel-der im Gefolge des Mobil- und Kommunikationsfunks zähltzu den großen und unterschätzten Gefahren der Gegenwart.Die Gefährdungen und Schädigungen, um die es dabei geht,betreffen die Organisation des menschlichen Lebens undsämtliche Regelkreise der Natur. Ihr letztlicher Grund istdie Tatsache, dass biologische Organismen auf die Informa -tion der natürlichen Magnetelder angewiesen sind, die zurGrundausstattung des lebenden Planeten ge hören. Überla-gert man diese Selbstregulation der Natur mit einer immergrößeren Dichte technisch erzeugter Felder, so stört undzerstört man in wenigen Jahrzehnten, was die Evolution desLebens im Verlauf von Millionen von Jahren aufgebauthat.1

Dass die Grenzwerte dabei technisch erzeugte Strahlungs-intensitäten zulassen, die milliardenfach über der natürli-chen Hintergrundstrahlung liegen dürfen2, signalisiert be -reits die Distanz der Funkpolitik zum Stand lebenswissen-schaftlicher Erkenntnis. Sie hat die Geschichte der Grenz-wer te von Anfang an bestimmt. Seit 1955 orientiert sichde ren Festlegung an physikalischen Gesetzen der Thermo-dynamik, die keinen Unterschied zwischen lebender undtoter ‚Materie’ machen. Dabei wird angenommen, dassSchä digungen durch hochfrequente Strahlung nur thermi-scher Natur sein können, oder auch, dass nur thermischeWirkungen den Organismus zu schädigen vermögen. Seitdem Ende des vorigen Jahrhunderts wurde diese Theorie mitden Grenzwertvorschlägen der ICNIRP wiederbelebt, vonder WHO weiterempfohlen und von manchen – keineswegsallen – Staaten übernommen, darunter Deutschland. Ob-wohl das EU-Parlament solchen Grenzwertvorschlägen in-zwi schen eine überdeutliche Absage erteilt hat, gehörtDeutschland auch zu jenen Ländern, die an der Wärme-theorie und daraus abgeleiteten Grenzwerthöhen weiter-hin festhalten.

So z.B. versichert eine Stellungnahme der Strahlenschutz-kommission (SSK) am 14. Mai 2009: „Der einzige bislangge sicherte biophysikalische Wirkmechanismus elektroma-gnetischer Felder im fraglichen Frequenzbereich 10 MHz -10 GHz (,Hochfrequenz’) und technisch verwendeter Inten-sitäten ist die Erwärmung von Gewebe (,thermische Effek -te’), die zu thermoregulatorischen Reaktionen des Organis-mus oder, wenn diese nicht ausreichend sind, zu unphysio-logischen Temperaturanstiegen und Schädigungen führenkönnen.“ Nach derzeitiger Faktenlage bestehe daher auch„keine Veranlassung, die bestehenden Grenzwerte zu senken.“In einer Pressemeldung des Informationszentrums Mobil-funk (IZMF) vom 20. Juli 2009 räumt Dr. rer. nat. MatthiasOtto auch letzte Zweifel an der guten Verträglichkeit dervertriebenen Techniken für Kinder und Embryonen aus: Gel-tende Grenzwerte bieten „nach heutigem Kenntnisstandausreichenden Schutz auch für Kinder, Schwangere oderandere besonders empfindliche Menschen". Der Widerspruchzum Stand industrieunabhängiger wissenschaftlicher Er-kenntnis freilich könnte kaum größer sein.3

Schon der ‚Vater’ des Grenzwerts von 1955, Prof. H. P.Schwan, hat seine eigene Theorie wenig später wieder inZweifel gezogen. Und die ICNIRP-Richtlinie ist bereits 1999von Prof. Dr. Neil Cherry, der sie im Auftrag der neuseelän-dische Regierung zu prüfen hatte, als Ergebnis eines re-duktionistischen und betrügerischen Umgangs mit demStand wissenschaftlicher Erkenntnis entlarvt worden. Ver-suche von Dr. Michael Repacholi, dem früheren Chairmander ICNIRP und späteren umstrittenen Vorsitzenden der zu-ständigen WHO-Abteilung, gerichtlich eine Rücknahme derKritik zu erwirken, haben die Kritik nur bestätigt und er-härtet – vor höchsten australischen Gerichten. Man könntedie Wärmetheorie von 1955 und ihre Wiedergeburt in derICNIRP-Richtlinie also getrost als anachronistische Fehlin-terpretationen des Lebens abtun, würde sie nicht von heu-tigen Regierungen noch immer zur Grundlage ihrer Schutz- philosophie – und damit zur Gefahr für die gesamte Bevöl-kerung gemacht.

Vorwort der Herausgeber

1 Vgl. Warnke, U. (2007): Bienen, Vögel und Menschen. Die Zerstörung der Natur durch ‚Elektrosmog’; Hecht, K. (2009): Der Wert der Grenzwerte für Handystrahlungen. Internetpublikation der Kompetenzinitiative e.V. (http://www.broschuerenreihe.net/online/der-wert-der-grenzwerte.html ).

2 Vgl. ebda. S. 11.

Den Grenzwerten für die Strahlung von Funk-Techniken fehlt die lebenswissenschaftliche undrechtliche Grundlage

Vorwort

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Die Fortschritte lebenswissenschaftlicher Erkenntnis habeninzwischen auf vielen Wegen sichtbar gemacht, dass diegrößten Gefahren für Mensch und Natur nicht von thermi-schen, sondern von athermischen Wirkungen ausgehen, diedirekt in die informationsverarbeitenden Prozesse des Ge-hirns und der Zellen eingreifen. Wenn dieser Stand der Er-kenntnis anachronistischen Theoremen geopfert wird, kannman nur schließen, dass Gesundheits- und Umweltschutzin falschen Händen liegen. Unzureichende Fachkompetenz,egoistische Motive, vor allem aber die Unterordnung vonGe sundheit und Umwelt unter wirtschaftliche Interessensind die wichtigsten Gründe dieser Fehlentwicklung. Indu-strie- und staatsgefällige ‚Experten’, die Regierungen be-raten und die Öffentlichkeit ‚aufklären’, zeigen das alles oftin einem innigen Verbund. Ein realistischer Gesundheits-und Umweltschutz, der auch gesetzliche Vorsorgegeboteberücksichtigt, ist auf dieser Grundlage nicht zu erwarten.

Wer sich für geltende Grenzwerte, vorgeschlagenen Alter-nativen oder auch die großen Grenzwertdifferenzen vonLand zu Land interessiert, findet im Anhang tabellarischeAngaben. Dass Grenzwertvorschläge wie der SalzburgerWert von 2002 oder der vom BUND geforderte Vorsorge-wert von 2008 z. T. millionenfach unterhalb der amtlichenGrenzwerte liegen, ist nur ein weiteres Indiz der beobach-teten fachlichen und politischen Distanz zum Stand le-benswissenschaftlicher Erkenntnis.

Prof. Dr. med. Karl Hecht Dr. med. Markus Kern Prof. Dr. phil. Karl Richter Dr. med. Hans-Christoph Scheiner

3 Vgl. den Forschungsbericht von Ulrich Warnke: Sensible Bereiche biologischer Wirkung, in: Richter, K., und Zimmer, G. (Hg.): Die Gefährdung und Schädigung von Kindern durch Mobilfunk, St. Ingbert 2008, S. 17-28.

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Eben deshalb sind nicht konkrete Grenzwertvor-schläge das Ziel dieser Schrift. Sie analysiert Grund-lagen und Folgen der staatlichen Grenzwertpolitikund zeigt, dass diese Grundlagen einer wissenschaft-lichen und juristischen Prüfung nicht Stand halten.Sie schließt daraus, dass der gegenwärtigen Politikdes Mobil- und Kommunikationsfunks die fachlicheund rechtliche Legitimation fehlt. Und sie fordert allefür diesen Sachverhalt verantwortlichen oder davonbetroffenen Gruppen der Gesellschaft auf, daraus dienotwendigen Konsequenzen zu ziehen.

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Zusammenfassung der Ergebnisse

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Schrift

Warum Grenzwerte schädigen, nicht schützen –aber aufrechterhalten werden. Beweise eines wissenschaftlichen und politischen Skandals

In der vorliegenden Schrift untersuchen acht Wissenschaft -ler, ob geltende Grenzwerte ihren Maßstäben von Wissen-schaftlichkeit, Rechtsstaatlichkeit, Gesundheits- und Um -weltschutz genügen. Dies geschieht mit besonderem Bezugauf das deutsche Beispiel. Doch die Probleme, um die es da -bei geht, sind von globaler Bedeutung.

In seinen Ausführungen Welchen Wert haben Grenzwerte?fragt der Medizinphysiker Dr. rer. nat. Lebrecht von Klitzingnach den wissenschaftstheoretischen und methodologi-schen Prämissen, die den Vorgang der Grenzwertfestlegungbestimmt haben. Am Beispiel der umstrittenen ICNIRP-Vor-schläge, die in Deutschland in die 26. Verordnung zum Bun-desimmissionsschutzgesetz eingegangen sind, zeigt er dieganze Fragwürdigkeit des wissenschaftlichen Vorgehens.Die biologische Wirkung elektromagnetischer Felder wurdeausschließlich nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten derEnergieabsorption definiert, der „(lebende) Mensch“ damitzum „Bestandteil eines (toten) thermodynamischen Sys -tems“ degradiert. Von Klitzing sieht das gewählte Verfahrender Grenzwertfestlegung schon „im philosophischen, ethi-schen oder auch religiös-christlichen Sinne“ als anfecht-bar. In „medizinisch-biowissenschaftlicher Hinsicht“ jedochscheint es ihm „absolut inakzeptabel“ – ein Verstoß gegenalle Standards „seriöser Wissenschaftlichkeit“.

In seinem Beitrag Zur Geschichte der Grenzwerte für nich-tionisierende Strahlung kritisiert der bekannte Neurophy-siologe Prof. Dr. med. Karl Hecht die Grenzwerte aus ge -schichtlicher Perspektive. Er zeigt zunächst, wie unterschied-lich die Geschichte der Grenzwerte in West und Ost ver-laufen ist. Im Westen führten militärische und ökonomischeBedürfnisse, gestützt auf die Theorie ausschließlich ther-mi scher Wirkungen, schon vor über fünf Jahrzehnten zuGrenzwerten von großer Höhe. In der UdSSR sorgten Schutz- vorschriften für den beruflichen Umgang mit elektroma-gnetischen Feldern für ein umfängliches Datenmaterialüber gesundheitliche Schädigungen und tausendfach nied-rigere Grenzwerte. Erstmals erhielt man dabei auch Datenüber die Langzeitwirkungen elektromagnetischer Felder.Hecht bekam vom Bundesamt für Telekommunikation(heute Bundesnetzagentur) sogar den Auftrag, das Daten-material und eine damit befasste ausgedehnte russisch-sprachige Forschung auch für die deutschen Verhältnissezugänglich zu machen. Doch als seine Studie schließlich1997 vorlag und auf breiter Grundlage Stresswirkungen und

ab einer Wirkungsdauer von 10 Jahren auch eine immerdeutlichere Zunahme chronischer Erkrankungen nachwies,verschwanden die Ergebnisse rasch in den Archivregalendes Auftraggebers. Auch das zunächst bekundete Interessedes zuständigen Ministers war erloschen. Hechts Folgerung:„Es ist an der Zeit echte Forschungen zur Grenzwertfestle-gung zu betreiben, die von unabhängigen Wissenschaftlerndurchgeführt werden. Die gegenwärtigen Grenzwertfestle-gungen für nichtionisierende Strahlung schützen weder dieGesundheit der Bürger unseres Staates noch die Weltbe-völkerung.“

Mit der ICNIRP-Richtlinien-Kritik von Prof. Dr. Neil Cherrybeleuchtet der Allgemein- und Umweltmediziner Dr. med.Hans-Christoph Scheiner ein höchst fragwürdiges Kapitelder Grenzwertgeschichte, das bis heute auch den Schutzder Gegenwart begrenzt. Die von den ICNIRP-Guidelinesempfohlenen und von der WHO weiterempfohlenen Grenz-werte wurden von vielen Ländern übernommen. In Deutsch-land wurden sie 1998 von der Strahlenschutzkommissionzur Grundlage der weiteren Funk-Politik gemacht. Die neu-seeländische Regierung aber gab ihrem Berater Prof. Dr.Neil Cherry den Auftrag, die Vorschläge vor ihrer Einfüh-rung zu prüfen. In seiner ICNIRP-Guideline-Critique von1999 konnte der Umweltphysiker zeigen, wie fahrlässig undgeradezu betrügerisch die ICNIRP-Empfehlungen mit demStand der Forschung umgehen. Vorliegende Erkenntnisseetwa zur Gentoxität der Strahlung, zu einem deutlich er-höhten Krebsrisiko oder dem bereits bekannten ‚Mikrowel-lensyndrom’ werden weitestgehend ignoriert. Soweit Stu-dien mit bezeugten schädlichen Wirkungen tatsächlich be-rücksichtigt werden, werden sie „falsch dargestellt, falschinterpretiert und falsch gebraucht“ (Cherry). Höchste Ge-richte Australiens und Neuseelands haben der Kritik Cher-rys Recht gegeben. Im Jahr 2000 durfte er auch das EU-Parlament über Gefahren der Funk-Techniken für Europaund seine Bürger informieren.

In seinem Beitrag Der Nachweis athermischer Wirkungenelektromagnetischer Felder belegt den Anachronismus dergeltenden Grenzwerte zeigt der Biochemiker und Medizi-ner Prof. Dr. med. Franz Adlkofer, wie weit die Diskrepanzzwischen den überholten Grundannahmen geltender Grenz-wertpolitik und dem aktuellen Stand heutiger Erkenntnisin zwischen gewachsen ist. Die allgemeine Kritik Adlkofers:„Seit den Anfängen der Hochfrequenzforschung angenom-

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mene athermische Wirkungen wurden inzwischen durchHunderte von experimentellen Beobachtungen bezeugt,auch bei sehr niedrigen Strahlungsintensitäten. Dass sievon wissenschaftlichen Gremien, die Regierungen und In-dustrie beraten, noch immer geleugnet werden, widersprichtjeder wissenschaftlichen und gesundheitspolitischen Ver-nunft.“ Adlkofers spezielle Kritik an den geltenden Grenz-werten richtet sich gegen die Ausblendung gut gesicherterErkenntnisse, aber auch den Umgang mit noch bestehendengravierenden Forschungslücken. Kritisiert wird die Nichtbe-rücksichtigung der Wirkung von Frequenz, Signalcharakte-ristik und Expositionsdauer; das Ignorieren von Auswirkun-gen einer niederfrequenten Komponente der Strahlung; vorallem aber auch die Vernachlässigung der Risiken für be-sonders gefährdete Gruppen wie Kinder und Jugendliche.Das Fazit des Beitrags: Sicherheit und Vor sorge sind nichtgewährleistet – weil auch die Unabhängigkeit der For-schung nicht gewährleistet ist.

Adlkofers zusammenfassende Beurteilung der Forschungs-lage wird mit dem Studienbericht Bestätigungen athermi-scher Wirkungen. Ein Bericht über Ergebnisse der jüngstabgeschlossenen ATHEM–Studie von Prof. Dr. med. Wil-helm Mosgoeller um aktuelle Erkenntnisse zum Themaathermischer Wirkungen ergänzt. Der Wiener Entwicklungs-und Zellbiologe hat das auf die Frage athermischer Wir-kungen konzentrierte Forschungsprojekt ATHEM von 2002bis 2008 koordiniert. Es bestätigt die Existenz athermischerEffekte und die Ergebnisse der Reflex-Studie. Bestätigt wer-den auch bereits beschriebene Veränderungen der Gehirn-funktion und Gehirnphysiologie. Das Forscher-Team fandDNA-Brüche in bestimmten Zellen, aber auch charakteri-stische Unterschiede der zellulären Reaktionen – je nachArt der untersuchten Zellen. Bei den empfindlichen Zellenzeigten intermittierende Expositionsmuster mehr DNA-Brü-che als eine kontinuierliche (pausenlose) Bestrahlung. Auchwenn den Befunden nicht in allen Fällen Krankheitswertzukommt, bestätigen sie durchweg Effekte, die nicht ener-gieabhängig – d.h. ohne thermische Wirkungen – zustandegekommen sind. Da sich die Schutz-Normen geltender Grenz- werte jedoch auf das Dogma zurückziehen, dass nur ther-mische Wirkungen zu berücksichtigen sind, ist beides zuüberprüfen: das Dogma und die daraus abgeleiteten Wer te.

Ein Wirkmechanismus der Schädigung ist beweisbar! fol-gert der Biowissenschaftler Dr. rer. nat. Ulrich Warnke. Vonder Behauptung der Verantwortlichen, dass ein Wirkmecha -nismus der Schädigung bis heute weder bekannt noch über-haupt vorstellbar sei, gehen seine Ausführungen aus. Dochsie widersprechen mit aller Deutlichkeit: „Es gibt nicht nureinen ,denkbaren’, sondern sogar einen vollkommen plausi-blen Wirkungsmechanismus, der Erbgutschäden und allean deren beschriebenen Symptome auch bei so energiear-men Feldern erklären kann“. Warnke erläutert diesen Wirk-mechanismus und stellt fest, „dass der bisherige Sicher-heits-Ansatz zur Grenzwertbestimmung des Mobil- und

Kommunikationsfunks an den Gegebenheiten vorbeigeht“.Doch nicht nur in der Unhaltbarkeit geltender Grenzwerte,sondern auch in der besonderen Frage von Wirkmechanis-men deuten sich damit juristische Folgerungen an. Denn istder bislang dementierte Wirkmechanismus tatsächlich innachprüfbarer Weise bekannt, so ist auch in dieser Hinsichteine neue Situation gegeben, die vom Staat eine wissen-schaftliche und juristische Neubewertung des einschlägi-gen Gesundheits- und Umweltschutzes der Bevölkerungverlangt.

In Grenzwerte – juristisch beleuchtet zeigt der Rechtswis -senschaftler Prof. Dr. jur. Klaus Kniep zunächst die mangel-hafte Rechtsgrundlage der 26. BImSchV, mit der dieICNIRP-Grenzwerte für Deutschland übernommen wordensind. Er stellt weiter fest, dass die Bundesregierung ihrerge setzlichen Pflicht, die Grenzwerte dem aktuellen Standwissenschaftlicher Erkenntnis anzupassen, bislang nichtnachgekommen ist. Insbesondere werden Verstöße gegendeutsche und europäische Bestimmungen staatlicher Vor-sorge sowie des Umweltrechts geltend gemacht. Auch dieInfragestellung der Grenzwerte seitens des Europa-Parla-ments weist darauf hin, dass im Fall der Grenzwerte zumSchutz vor nichtionisierender Strahlung nicht mehr von ei -nem verlässlichen Schutz der Bevölkerung ausgegangenwer den kann. Das gilt auch insofern, als die Fragen einesbesonderen Risikos für Kinder sowie möglicher Langzeit-wirkungen aus dem Deutschen Mobilfunk Forschungspro-gramm ausgespart worden sind. Die stereotype gerichtlicheNutzung der Grenzwerte zur Abweisung von Klagen, ohneweitere Beweisaufnahmen zuzulassen, verstoße außerdemgegen Grundprinzipien der Gewaltenteilung. Die Ausfüh-rungen empfehlen, die „Veränderung einer als unhaltbar ge-sehenen Situation durch eine Feststellungsklage gegen dieBundesregierung zu suchen“.

Im Beitrag Politik im Konflikt mit Demokratie und Men-schenrechten bestätigt Prof Dr. phil. Karl Richter die juris-tische Kritik aus einer sozialkritischen Perspektive, welchedie Situation der Betroffenen im Blick hat. Am Beispiel desDeutschen Mobilfunk Forschungsprogramms wird gezeigt,wie Entwarnungen geradezu programmiert wurden – wasjede Vorsorge zur Farce macht. Analysen zum deutschen‚Strahlenschutz’ dokumentieren am Beispiel bekannter Mit-glieder der Strahlenschutzkommission (SSK), wie gut indu-strielle und staatliche Wünsche bedient werden, währendder Auftrag zum Schutz von Gesundheit und Umwelt nichtmehr erkennbar ist. An den Erfahrungen der von ei nem sol-chen Verständnis von ‚Strahlenschutz’ betroffenen Bürgerwird gezeigt, auf wie vielen Wegen die betriebene Politikdes Mobil- und Kommunikationsfunks gegen Grund- undSchutzrechte verstößt. Der österreichische Jurist Dr. jur.Eduard C. Schöpfer kann mit Bezug auf den Konflikt vonMobilfunk und Menschenrecht urteilen: „Die Untätigkeitdes Staates auf dem Gebiet des Umwelt- und Gesundheits-schutzes dürfte sich als derzeit größte – bislang offenbar

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Zusammenfassung der Ergebnisse

unerkannte – Gefahr für den Rechtsstaat erweisen.“ EinAusblick auf benachbarte Vorschläge des BUND, wie einean dere und bessere Entwicklung aussehen könnte, be-schließt die Ausführungen.

Die in dem Heft vereinten Analysen wurden unterdem Aspekt medizinisch-biowissenschaftlicher undjuristisch-sozialwissenschaftlicher Fragestellungengeschrieben. Sie ergänzen sich zu dem zweifelsfreienErgebnis, dass der betriebenen Politik des Mobil- undKommunikationsfunks die wissenschaftliche, juristi-sche und demokratische Legitimation fehlt. Sie stel-len übereinstimmend fest, dass geltende Grenzwertenicht schützen, sondern Bevölkerung und Umwelt ge-fährden und schädigen.

Eine Koalition von Regierungen, Industrien und in-strumentalisierten ‚Experten’ gestattet sich einen Um-gang mit dem Stand der Erkenntnis und der Gesamt-heit der Bürger, der nicht von Geboten der Vorsorge,sondern von ökonomischen Interessen bestimmt ist.Er prägt eine Gesundheitspolitik, die auch in volks-wirtschaftlicher und zukunftspolitischer Hinsicht krankist. Der australische Umweltphysiker Prof. Neil Cherryhat dieses System des wissenschaftlichen und politi-schen Handelns bereits vor zehn Jahren in gerichtlichbestätigter Weise als betrügerisch entlarvt. Die Fort-schreibung dieses Betrugs ist mit den Erkenntnissendieser Schrift auch zu einer Gefahr für den demokra-tischen Rechtsstaats geworden. Die Schrift sieht un-abhängige Wissenschaftler und kritische Demokratengefordert, diese Gefahr nicht länger hinzunehmen.

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Parallel zu der hier vorgelegten Broschüre haben wir unter unserer Internetadresse www.bro-schuerenreihe.net eine eigene Rechercheseite eingerichtet, die wichtige Literatur zum Thema zu-gänglich macht, darunter auch bereits vergriffene Publikationen.

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Welchen Wert haben Grenzwerte? Nach den beobachtetenVerhaltensmustern geht es in dieser Frage nicht nur darum,inwiefern uns Grenzwerte schützen, sondern ebenso sehrdarum, inwiefern sie uns auch gefährden und schädigenkönnen, während den dafür Verantwortlichen die Über-nahme der juristischen Verantwortung erspart bleibt. AmBeispiel der 26. Verordnung zum Bundesimmissionsschutz-gesetz (26. BImSchV), die den Schutz der deut schen Bevöl-kerung vor den biologischen Wirkungen elektromagne-tischer Felder regelt, soll dieser Doppelsinn gezeigt werden.

Die Wirkung elektromagnetischer Felder auf biologische Sys-teme wird heu te ausschließlich über die phy sikali schen Ge-setzmäßigkeiten der Energieabsorption beschrieben. Dassdie Energietransformation bei ausreichender Leistungs-flussdichte auch in men schlichen Geweben zu einer kriti-schen Erwärmung führt, die den Gesetzmäßigkeiten desEnergieerhaltungssatzes folgt, wird niemand bestreiten. Umeinen Maßstab für die zu tolerierende Temperaturerhöhungzu haben, verglich man die Wirkungen der technischenStrahlung mit der elektro magnetischen Strahlung der Son -ne. Man ging von der Alltagserfahrung aus, dass ein Son-nenbad bei der in unseren Breiten üblichen Leistungs-flussdichte von etwa 500 W/m2 normalerweise vom Men-

schen einige Zeit ohne erkennbare Schäden überstandenwerden kann. Erst ein Zuviel an Strahlung führt zum Son-nenbrand. Will man diesen vermeiden, ist die Lösung desProblems zunächst relativ einfach: Man wird die Bestrah-lung entweder zeitlich begrenzen oder durch eine ‚Ab-schirmung’ verringern, was einem Aufenthalt an wenigerexponierten Orten entspricht.

Genau diese Überlegungen bilden die Grundlage der Grenz-werte für elektromagnetische Felder. Bei einer angenom-menen Gesamthautoberfläche von 2 m2 und einseitiger Ex- position (beim Sonnenbad) errechnet sich eine Leistungs-absorption von 500 W/m2. Die Absenkung dieses Basiswertsauf 10% soll eine kritische Temperaturerhöhung und/oderHautschäden vermeiden, was rechnerisch also den Wert von50 W/m2 ergibt. Vorsorglich wird dieser noch einmal um80% reduziert, also auf 10 W/m2. Schematisch dargestelltund zusammengefasst also:- Sonneneinstrahlung: ca. 500 W/m2

- Oberfläche des menschlichen Körpers: ca. 2 m2

- nur eine Körperhälfte der Sonne zugewandt

- Leistungsdichte also: 500 W/m2

Dr. rer. nat. Lebrecht von Klitzing

Welchen Wert haben Grenzwerte?

Welchen Wert haben die Grenzwerte?

1. Der Mensch – Bestandteil eines physikalischen Systems?

Immer wieder erfahren wir, dass Schadstoffe der verschie-densten Art in die Umwelt gelangt sind. Immer wieder stelltsich dabei die Frage der Gefahr für die Bevölkerung. Immerwieder verfährt die öffentliche Stellungnahme dann aberauch nach dem Muster: „Es bestand zu keiner Zeit eineakute Gefährdung, da die Grenzwerte eingehalten wurden.“

Auch für den Fall möglicher Überschreitungen von Grenz-werten ist gesorgt: ‚Vorsorglich’ möge die Be völkerung Fens-ter und Türen geschlossen halten und sich nicht im Freienaufhalten, wird dann z.B. empfohlen; oder ähnlich: Manmöge eine Speise nur ein mal pro Woche verzehren. Abwei-chungen von diesem Informationsmuster gibt es vor allemdann, wenn es wirklich einmal gefährlich wird. In ei nemsolchen Fall erfährt man, meist mit beträchtlicher Zeitver-zögerung, dass man an einem ,GAU’ (Größter Anzunehmen-der Unfall) noch einmal vorbei gekommen sei, unmittelbarbe troffene Teile der Bevölkerung aber zu vorsorglicher undlediglich ‚prophylaktischer Beobachtung’ in ein Kran ken -haus gebracht worden seien. Stellen sich – wider Erwarten!– nach längerer Zeit Nachwirkungen heraus, die sich derÖffentlichkeit nicht länger verheimlichen lassen, liegen dieStandard argumente ebenfalls fest: Ein kau sa ler Zusam-

menhang mit der erfolgten Exposition lässt sich nicht ‚sta-tistisch haltbar’ darstellen, zumal bei der ärztlichen Akut-versorgung nichts Auffälliges festgestellt werden konnte.Jeder Verdacht, es könnte den Zusammenhang doch gege-ben haben, wird schließlich von einem in Auftrag gegebe-nen Gutachten widerlegt, das auch ein plausibles Wir -kungsmodell zur Beurteilung jeglicher Kausalität vermisst.

„Bei unserem heutigen Wissensstand kann und darf es dieseBeobachtungen gar nicht geben“ – so das zweite Mus terder Argumentation. Es wird vor allem gewählt, wenn sichz.B. im nähe ren Umfeld von kerntechnischen An lagen eineZunahme von Leu kämieerkrankungen statistisch belegenlässt, obwohl geltende Grenzwerte nicht überschritten wor-den sind. So wurde z.B. in der seit 2008 geführten Diskus-sion um das Atomkraftwerk Gundremmingen versucht, Be- unruhigungen der Bevölkerung mit dem Hinweis zu begeg-nen, dass sich die Häufung von Erkrankungen im näherenUmfeld des Kernkraftwerks schon deshalb nicht auf eineschwache Exposition zurückführen lasse, weil es dafür keinWirkungsmodell gibt. In solchen Fällen den Beschwichti-gungen von Umweltministern zu glauben, kann lebensge-fährlich sein.

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In der DIN/VDE 0848, der ,Mutter’ der Entwicklung der hierdiskutierten Grenz werte, sieht die technische Anweisungwie folgt aus:Messung am Phantom (Nachbildung des menschlichenKörpers)Fragestellung: Kommt es während der Exposition zu einerkritischen Temperaturerhöhung (> 0,5 K)?Expositionszeitraum: 6 min Feldquelle: cw-Strahler (anstatt modulierter HF-Emittent)Messwerterfassung: MittelwertbildungHypothese: Nach 6 Minuten ist das thermische Gleichge-wicht erreicht (DIN/VDE 0848)

Überprüft wurde die Hypothese an menschlichen Leichenim österreichischen Forschungszentrum Seibersdorf.

- Sicherheitswert: 10% → 50 W/m2

- sogenannter ,Vorsorgewert’: Reduzierung auf 20%

- verbleibende zumutbare Belastung:10 W/m2

10 W/m2 ergeben sich auf diesem Berechnungswege also –mit geringer Fre quenzabhängigkeit – als Grenzwert für dieDauerexposition in hochfrequenten elektromagnetischenFeldern. Deutlich geworden ist dabei aber auch, dass der(lebende) Mensch als Bestand teil eines (toten) thermody-namischen Systems behandelt wurde.

Das geschieht eher noch augenfälliger in der weiteren na-turwissenschaftlich-technischen Untermauerung der Be-rechnung. Ein Phantom, das dem Men schen in den einfa-chen physikalischen Eigenschaften – insbesondere des Was-sergehalts – entsprach, wurde mit Temperatursonden aus-gestattet und einem Hochfrequenzfeld ausgesetzt. Bei demoben genannten Sonnenbad war eine Erhöhung der Kör-pertemperatur von 0,5K als tolerabel angesehen worden.Von der Annahme ausgehend, dass ein Temperaturgleich-gewicht nach sechs Minuten erreicht ist, wurde nun alsoauch sechs Minuten exponiert. Und um eine allgemeineGültigkeit zu erreichen, bediente man sich eines nicht modulierten Hochfrequenzfelds, eines sog. cw-Strahlers(cw=continuous wave).

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Doch bis in dieses Detail hinein zeigt sich auch dieganze Problematik des naturwissenschaftlich-techni-schen Vorgehens: Es de gradiert den Menschen zumBestandteil eines thermodynamischen Systems. Mankann bereits fragen, ob das im philosophischen, ethi-schen oder auch religiös-christlichen Sin ne akzepta-bel ist. Aber man wird in diesem Zusammenhang nochentschiedener betonen, dass es in medizinisch-bio-wissenschaftlicher Hinsicht absolut inakzeptabel istund jeder seriösen Wissenschaftlichkeit widerspricht.

2. Fragwürdige Folgen einer fragwürdigen Theorie

Die Grenzwertfestlegung verfuhr nach dem Motto: „Wasder Mensch mit seinen Sinnen nicht unmittelbar wahr-nimmt, kann keine Wirkung haben“. Den Wünschen von Mi-litär und Indus trie, die die Geschichte der Grenzwerte sehrweit bestimmt haben, kam das sehr entgegen. Denn dasProblem der elektromagnetischen Feldwirkungen auf Bio-systeme wurde damit für den nichtthermisch-biologischenBereich als nicht existent beurteilt. Aus dem gesamtenSpektrum elektromagnetischer Wirkungen, dem wir ausge-setzt sind, wurden nur der Bereich des Sicht baren und derdaran angrenzende Wär mebereich als mögliche Wirkgrö-ßen angesehen.

Die ModulationEin weiterer Faktor der Wirkung wurde ebenfalls nicht be-rücksichtigt, nämlich die Art der Modulation. Der in den Be-rechnungen zugrunde gelegte cw-Strahler ist von der Rea li-tät der heute eingesetzten funktechnischen Kommunika-tion denkbar weit entfernt. Erst die Änderung des cw-Strah-lers (Modulation) ermöglicht danach die Kom munikation(AM = Amplitudenmodulation, FW=Frequenzmodulation).Wieder ganz anders funktioniert die ‚Zeitschlitzmodulation’,die dadurch gekenn zeichnet ist, dass die digitalisierte undkomprimierte Information in streng periodisch emittierten

Hochfrequenzpaketen übertragen wird (s. Abb. S. 12).

Kontinuierliche und gepulste EmissionEnergetisch betrachtet besteht zwischen der Wirkung bei-der Quellen der Strahlung kein Unterschied. In medizinisch-biowissenschaftlicher Hinsicht jedoch ist die Glühlampeun auffälliger Alltag, während die streng periodischen Blitz-folgen des Stroboskops bei entsprechender Veranlagungepileptische Anfälle auslösen können. Das zeigt nur an ei -nem konkreten Beispiel, wa rum es unzulässig ist, die biolo-gische Relevanz allein über thermodynamische Ge setz-mäßigkeiten zu de finieren.

gemittelte Leistungen

20 Watt

20 Watt

Glühlampe (20 W)

Stroboskopröhre (20 Ws)

Pulsdauer 1 ms, Pulsfolge 1 sPulsleistung 20.000 W

Page 12: Warum Grenzwerte schädigen - nicht schützen - KompetenzInitiative

Spannungspegel

Spannungspegel

Spannungspegel

Spannungspegel

Zeit Zeit

Zeit Zeit

cw-Signal Amplitudenmodulation

Frequenzmodulation Zeitschlitzmodulation

Welchen Wert haben die Grenzwerte?

Die Dauer der WirkungDer Umgang mit dem Faktor ‚Zeit’ gehört zu den noch weitgrößeren Problemen. Die Grenzwerte nach der 26. BImSchVbeziehen sich auf einen Expositionszeitraum von sechs Mi-nuten. Welche Problematik in diesem Vorgehen steckt, zeigtein Vergleich mit der Toxikologie, also der Wissenschaft, diesich mit Giftstoffen befasst. Für den Toxikologen ist es einegeläufige Tatsache, dass eine toxische Wirkung, die bei ho -her Dosierung einer Substanz erreicht wird (akute Wirkung),auch bei niedriger Dosierung erreicht werden kann, wenndie Einnahme in geringer Dosis über einen entsprechendlängeren Zeitraum erfolgt. Hohe wie niedere Dosen einerSubstanz können also zum gleichen biologischen Effektführen. Selbst der Tod ist nicht zwingend die Konsequenzeiner letalen Einmaldosis. Er ist immer die Konsequenz einerletalen Dosis.

Im Vergleich mit der Wirkung elektromagnetischerStrahlung heißt das: Der thermische Effekt berück-sichtigt nur die akuten Reaktionen (analog der aku tenToxizität). Der athermische Effekt durch die Langzeit-exposition in schwachen Feldern bleibt unberück-sichtigt (Ana logie: chronische Toxizität). Das gilt übri -gens nicht nur für die Exposition in elektromagneti-schen Feldern, sondern überall, wo uns Grenzwerte voretwas schützen sollen.

Page 13: Warum Grenzwerte schädigen - nicht schützen - KompetenzInitiative

12

13

3. Wen schützen die Grenzwerte?

Aus allem ergibt sich die Frage, wen Grenzwerte eigentlichschützen. Wie gezeigt worden ist, schützen sie jedenfallsnur sehr bedingt die Bevölkerung.

Der Vergleich mit Vorgängen im Niederfrequenzbereich lie-fert eine erste Antwort. Bei einer Diskussion der 26. Verord-nung zum Bundesimmissionsschutzgesetz (26. BImSchV)wurde 1996 für den Bereich der magnetischen 50 Hz-Feldervorgeschlagen, den Grenzwert für die Allgemeinbevölke-rung von 100µT auf 10µT herabzusetzen. Doch die Indus -trie widersetzte sich dem mit aller Macht – und der alteWert blieb. Dabei darf hinzugefügt werden, dass der Wertvon 100µT praktisch nirgends erreicht wird, sofern mannicht als Sitzplatz einen Transformator wählt. StaatlicherSchutz – mit der Zielgruppe Mensch?

Das angedeutete Problem zieht sich wie ein roter Fadendurch alle Grenzwerte. Für toxische Stoffe gilt z.B. als of-fizielle Strategie noch immer der MAK-Wert (Maximale Ar-beitsplatzkonzentration) für eine Einzelsubstanz. Dabei istseit langem bekannt, dass zwei Substanzen nach einem un-

bekannten Algorithmus kumulativ auf den Menschen wir-ken, ,1+1’ also hinsichtlich der biologischen Wirkung undBewertung keineswegs immer ‚2’ sein muss.

Noch abenteuerlicher ist die industriegestützte politischeAussage, dass eine Beimischung von weniger als 0,9 % angenveränderten Nahrungsmitteln biologisch tolerabel sei.Warum ausgerechnet 0,9%? Wissenschaftlich lässt sich dieZahl nicht begründen. Und die wissenschaftliche Literaturweist ohne solche Quantifizierungen warnend auf das unsalle betreffende Problem hin.

Wie wäre es, wenn der vor Wahlen umschmeichelteBürger Position bezöge und die politisch Verantwort-lichen fragte, warum sie so mit der Wahrheit und mitMenschen umgehen, auch wer die Verantwortung fürdie Folgen übernimmt. Vielleicht würde auch schongenügen einfach zu fragen, wie es Kinder tun, wennsie vor einem Rätsel stehen: Wer? Warum? Wohin?

Page 14: Warum Grenzwerte schädigen - nicht schützen - KompetenzInitiative

Zur Geschichte der Grenzwerte für nichtionisierende Strahlung

Prof. Dr. med. Karl Hecht

Zur Geschichte der Grenzwerte für nichtionisierende Strahlung

Während des Zweiten Weltkriegs erhielt die Nachrichten-technik mit hochfrequenten elektromagnetischen Strahlun -gen einen enormen Entwicklungsschub, dies ganz besondersauf Seiten der Supermächte USA und UdSSR. Angesichtsder großen militärischen Bedeutung der Strahlung wurdedie Frage möglicher gesundheitlicher Schädigungen zu-nächst nicht gestellt. Erst Anfang der 50er Jahre des 20.Jahrhunderts häuften sich in den USA medizinisch-wissen-schaftliche Berichte über die mögliche Gefahr von hoch-frequenter Strahlung (auch als ‚Mikrowellenstrahlung’ be- zeichnet).

Auf einem Mikrowellenkongress in der Mayoklinik von Ro-chester (Minnesota) trafen sich 1955 Experten aus Ärzte-kreisen, Militär, Forschungseinrichtungen und Industrie.Nach kontroversen Diskussionen setzte sich ein Vorschlagvon Prof. Dr. Hermann P. Schwan von der Universität Phil-adelphia durch. Er war von der physikalischen Wärmetheo-rie bestimmt und vertrat für Arbeiter, die mit Mikrowellenzu tun hatten, einen Grenzwert von 10 mW/cm2 als höchst-zulässige Leistungsdichte.1,2

Dieser aus dem ,hohlen Bauch’ und nach ausschließlichphy sikalischen Kriterien festgelegte Grenzwert wurde inden USA 1957/1958 von Heer, Marine und Luftwaffe, derBell-Telefongesellschaft und der General Electric Companyals amerikanische ,Probenorm’ eingeführt. Mit der Grün-dung der NATO gelangte er auch nach Westeuropa.3 Zuvor,

1953, hatte die Telefongesellschaft Bell aufgrund medizini -scher Befunde bei Arbeitern einen Grenzwert von 0,1 mW/cm2

festgelegt.4

Ärzte und Wissenschaftler der USA erhoben immer wiederBefunde, die durch die thermischen Wirkungen nicht er-klär bar waren und für athermische /biologische Wirkungensprachen. In einer langen Reihe von Konferenzen, in denensolche Beobachtungen zur Sprache kamen, erlangte dasRichmonder Symposium von 1969 besondere Bedeutung.Die Theorie athermischer biologischer Wirkungen fand hierebenso viel Zustimmung wie Ablehnung.

Immerhin trug das Symposion dazu bei, auch die Regierungder USA nachdenklich zu stimmen: Sie veranlasste 1969einen Regierungsreport, der 1971 unter dem Titel Ein Pro-gramm zur Kontrolle der elektromagnetischen Umweltver-seuchung veröffentlicht wurde. Der von neun Experten er -stellte Bericht spiegelte die wachsende Verbreitung der Mi-krowellentechniken in Industrie und Kommunikationswe-sen wider, aber auch eine neue amtliche Besorgnis angesichtsei ner zunehmenden Gesundheits- und Umweltgefährdung.Er warnte: „Wenn nicht in naher Zukunft angemessene Vor-kehrungen und Kontrollen eingeführt werden, die auf einemgrundsätzlichen Verständnis der biologischen Wirkungenelektromagnetischer Strahlungen basieren, wird die Mensch- heit in den kommenden Jahrzehnten in ein Zeitalter derUmweltverschmutzung durch Energie eintreten, welche mit

1 Als Bezeichnung für die Leistungsdichte (Feldstärke) verwenden wir jene, wie sie zu damaliger Zeit über Jahrzehnte üblich war. In heute gebräuchlicheren Angaben entsprächen 10 mW/cm2 einem Wert von 100 W/m2 bzw. 100.000.000 µW/m2.

2 Schwan 1953; Schwan und Piersol 1954.3 Brodeur 1980.4 Hirsch und Parker 1952; Brodeur 1977.

1. Zur Geschichte des Grenzwerts West

Zwischen der Geschichte der ,Grenzwerte West’ für hoch-frequente elektromagnetische Strahlung und einer entspre -chenden Geschichte der ,Grenzwerte Ost’ muss deutlichun terschieden werden. Der Grenzwert Ost liegt z.B. – bezo -gen auf die damaligen Angaben der Leistungsdichte inmW/cm2 mit 0,01 mW/cm2 – drei Zehnerpotenzen unterdem des Westens mit 10 mW/cm2. Beim Grenzwert Ost wer-den die tägliche Einwirkungsdauer und die Betriebsweisebe rücksichtigt – als ‚Dauerstrich’ im Fall kontinuierlicher,

als ‚Impuls’ im Fall gepulster, also unterbrochener Strah-lung. Die gepulste Betriebsweise ist für die Gesundheit desMenschen gefährlicher als Dauerstrich, wie ähnlich auchbeim Lärm. Dies gilt ganz besonders dann, wenn die Im-pulse nicht regelmäßig sondern stochastisch, d.h. unregel-mäßig ablaufen. In der westlichen Forschung werden Kurz -zeituntersuchungen, in der östlichen Langzeituntersuchun-gen vorgenommen.

Page 15: Warum Grenzwerte schädigen - nicht schützen - KompetenzInitiative

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der chemischen Umweltverschmutzung von heute vergleich-bar ist.

Die Folgen einer Unterschätzung oder Missachtung der bio-logischen Schädigungen, die infolge lang dauernder Strah-lungsexposition auch bei geringer ständiger Strah lenein-wirkung auftreten könnten, können für die Volksgesund-heit einmal verheerend sein.“5

Auch der ‚Vater’ des geltenden Grenzwerts, Prof. Schwan,war jetzt um eine Revision des Wertes bemüht, dessen Ein-führung er 1955 empfohlen hatte. Doch in der Praxis derweiteren Entwicklung setzten sich die Wünsche der Mili-tärs und der Industrie durch. Sie sorgten für die Beibehal-tung der hohen Werte und die Leugnung aller Mikro -wellenschäden – dies auch mit dem Ziel, gesetzliche Auf-lagen zu erschweren und Entschädigungsansprüchen vor-zubeugen.

5 Brodeur 1980, 1977; Claery 1969.6 In westlichen Ländern sind besonders die Arbeiten der russischen Autoren Zinaida Gordon (1970, 1966), Presman (1970; in englischer Sprache),

Malysev und Kolesnik (1968) bekannt geworden.7 Gordon 1966.8 Gordon 1966.9 Gordon 1966.

Bei unverantwortlich überhöhten Grenzwerten undder wissenschaftlich nicht begründbaren Theorie le-diglich thermischer Wirkungen ist es bis heute ge-blieben. Aber es spricht nicht für die Verlässlichkeitdes deutschen Strahlenschutzes, dass so weit Stan-dards festgeschrieben werden, die sich militärischenund ökonomischen Bedürfnissen verdanken und aufeiner nicht haltbaren wissenschaftlichen Theorie be-ruhen. Die spätere Umbenennung von mW/cm2 inW/m2 bzw. µW/m2 und die Einführung des mysteriö-sen SAR-Werts sind demgegenüber nur irreführendeKosmetik und können über den befremdlichen Befundnicht täuschen.

2. Zur Geschichte des Grenzwerts Ost

Wenn ich nachfolgend über die Geschichte des GrenzwertsOst berichte, so tue ich es auch als Zeitzeuge. Ich hatteJahr zehnte lang wissenschaftliche Kooperationsverträgemit verschiedenen medizinisch-wissenschaftlichen russi-schen Instituten. Ich konnte u. a. an Forschungsprojektenmitwirken, die sich unter weltraummedizinischen Aspektenmit der biologischen Wirkung elektromagnetischer Felderbeschäftigten und in deren Rahmen vor allem Tierexperimen-te durchgeführt wurden. Als gewähltes ausländisches Mit-glied der Russischen Akademie der Medizinischen Wissen-schaften hatte ich Zugang zu internen Informationen.

Schon in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg(1950-1960) gab es in der Sowjetunion flächendeckendeAktivitäten zur Erforschung der Wirkung von Mikrowellen-strahlen auf den Menschen. Begründet waren sie zum einenin weltraummedizinischen Interessen, die nur den Insidernnäher bekannt waren. Aber sie waren zum anderen auchvon arbeitsmedizinischen und arbeitshygienischen Überle-gungen geleitet.6

Seit 1948 wurden z.B. im Moskauer Institut für Industrie-hygiene und Berufskrankheiten7 – im Verbund mit verschie -denen Kliniken – mehr als 1.000 Personen in Langzeitun-tersuchungen von mehr als 10 Jahren untersucht. Als typi-sche Erscheinungen des Mikrowellen-Syndroms wurden be-

schrieben: neurovegetative Störungen, Neurosen, De pres-sionen, Tagesmüdigkeit, Leistungseinbuße, Schlaflosigkeit,Kopfschmerzen, kardiovaskuläre Regulationsänderungenverschiedenster Art, Hyperaktivität und inneren Unruhe.Festgestellt wurde auch, dass sich die Symptome mit an-steigender Expositionsdauer verstärkten und die Sensibili-tät gegenüber Mikrowellenstrahlungen zunahm, was fürkumulative Effekte nichtionisierender Strahlung sprach.8

Auch das Zusammenwirken der elektromagnetischen Fel-der mit Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Lärm, Lichtinten-sität und Lebensgewohnheit wurde bei den Untersuchun-gen berücksichtigt. Zinaida Gordon, deren Arbeiten auch inden USA bekannt waren, forderte in einer arbeitsmedizini-schen Schrift, Schutzvorschriften für den Umgang mitHochfrequenzfeldern strikt einzuhalten.9

Bereits im November 1958 wurden vom Minister des Sowje-tischen Gesundheitswesens Sicherheitsmaßnahmen für Per-sonen im Bereich von Mikrowellen-Generatoren angeordnet.Die Ergebnisse regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen wur-den genutzt, um den Schutz gegenüber elektro mag ne ti schenStrahlungen weiter zu verbessern. Bei diesen Untersuchun-gen, die Pflicht waren, wurden vor allem funktionel le Sym-ptome, vor allem jene des Gehirns, erfasst, um so früh wiemöglich Therapie- oder Prophylaxemaßnahmen einzuleiten.

Page 16: Warum Grenzwerte schädigen - nicht schützen - KompetenzInitiative

Folgende funktionelle Befunde wurden bei langzeitiger Be-lastung durch elektromasgnetische Felder erhoben und alsgesundheitsschädigend eingestuft:

Objektiv erhobene Befunde:- Neurasthenie (Nervenerschöpfung),

neurotische Symptome- EEG-Veränderungen (Zerfall des Alpha-Rhythmus

bis Theta- und vereinzelt Delta-Rhythmus)- Schlafstörungen- Deformation der biologischen Rhythmushierarchie- Störung im hypothalamischen-hypophysären

Nebennierenrindensystem (Stressregulationssystem)- arterielle Hypotonie (niedriger Blutdruck), seltener

arterielle Hypertonie (Bluthochdruck), Bradykardie oder Tachykardie (langsame oder schnelle Herzfrequenz)

- Verlangsamung der Funktionen des Herz-Kreislauf-Systems

- Überfunktion der Schilddrüse- Potenzstörungen- Verdauungsfunktionsstörungen- Verlangsamung der Sensormotorik- Ruhetremor der Finger- Haarausfall- Tinnitus- erhöhte Infektionsanfälligkeit10

Subjektive Beschwerden:- Erschöpfung, Mattigkeit- Tagesmüdigkeit- schnelles Ermüden bei Belastung- Einschränkung der körperlichen und geistigen

Leistungsfähigkeit- Konzentrations- und Gedächtnisverminderung- Konzentrationsschwäche- Kopfschmerzen- Kopfschwindel- Schweißausbrüche- spontan auftretende Erregbarkeit aus hypotoner

Reaktionslage, besonders bei Anforderungen- Herzschmerzen, Herzrasen11

Als Grenzwerte Ost legten staatliche Verordnungen in ver-schiedenen Ländern des Ostens von den 70er Jahren an fürden Arbeitsplatz folgende Begrenzungen der Belastung fest:

USA zum Vergleich: 10,0 mW/cm2 ohne Angabe der Einwir-kungsdauer und Betriebsweise.

Für Belastungen unabhängig von Beruf und Arbeitsplatzwurde der Grenzwert in allen Ostblockländern einheitlichauf 0,01 mW/cm2 festgelegt, immerhin tausendfach unterdem geltenden US-Grenzwert. Der Schutz wurde per Staats- dekret geregelt. Eine solche Strategie praktizierter Vorsorgelässt sich bis in die Politik der jüngsten Vergangenheit hin-ein verfolgen. Ähnlich wurden auch in Polen und Tschechiendie Gefahren der Mikrowellenstrahlung schon früh erkannt,zahlreiche Forschungen betrieben und in den Grenzwertre-gelungen berücksichtigt.

Man sollte auch in Deutschland zur Kenntnis nehmen, dasses bis heute in Russland eine hochrangige Forschung gibt,die der Wirkung elektromagnetischer Felder nachgeht. EinNationales Komitee für nicht ionisierende Strahlenwirkun-gen (RCNIRP) unterstützt diese Bemühungen durch Jahres-berichte, wissenschaftliche Publikationen und Symposien.In jüngeren Stellungnahmen empfiehlt es der russischenBevölkerung: - Mobiltelefone sollten nicht verwendet werden von

Kindern unter 18 Jahren, Schwangeren, Patienten mit neurologischen Erkrankungen, Neurasthenie, Psycho- pathien, Psychosen, Neurosen, Schlafstörungen, Gedächtnisverlust und Epilepsie-Syndrom.

- Mobiltelefongespräche sollen generell so kurz wie möglich gehalten werden und 15 Minuten pro Tag nie überschreiten.

- Symptome einer Mikrowellenerkrankung sollen Gesundheitsbehörden gemeldet werden.

10 Drogitschina et al. 1966; Drogitschina und Sadtschikowa 1968, 1965, 1964; Gordon 1966; Ginsburg und Sadtschikowa 1964; Kapitanenko 1964.11 Rubzowa 1983; Rakitin 1977; Drogitschina et al. 1966; Gordon 1966; Drogitschina und Sadtschikowa 1965, 1964; Piskunova

und Abramowitsch-Poljakow 1961.12 Zeitzeuge Karl Hecht. Los Angeles Times 07.02.1976; Agentus Associated Press 28.02.1976; New York Times 08.06.1976;

Agentur Reuter 26.06.1976.

Zur Geschichte der Grenzwerte für nichtionisierende Strahlung

Dauer derMikrowellen-Exposition proTag (Einwirk-kungszeit)

Ganztägig,8 Stundenmaximal

Bis 3 Stunden(UdSSR: bis 2Stunden)

Bis zu 20Minuten

Maximal zulässige mittlere Leistungsdichte in mW/cm2

UdSSR,Polen

ehemaligeCSSR

ehemaligeDDR

Betriebs-weise

0,010,025

0,01

0,065

0,025

0,2

0,08

0,1

0,05

0,5

0,25

1,0

0,5

Dauerstrich

Impuls

Dauerstrich

Dauerstrich

Impuls

Impuls

0,1

1,0

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13 Hecht und Balzer 1997; Hecht 2009. 14 Auftrags-Nr. 4231/630402 vom 14.11.1996, Zusammenfassung von ca. 100 Seiten.15 Der Autor K. Hecht besitzt die Kopien dieser wissenschaftlichen Arbeiten in russischer Sprache.16 Balzer und Hecht 1999, Hecht 2001a und b; Hecht und Zappe 2001. 16

17

Gefordert wird vor allem auch, die Forschung zur Wirkungvon Mobiltelefonen auf die menschliche Gesundheit zu in-tensivieren.

Man wird die russische Entwicklung nicht glorifizieren. Da-gegen spricht schon die bekannte Episode einer Bestrah-lung der amerikanischen Botschaft, die eine Vielzahl vonmutmaßlichen Opfern hinterließ und den Einsatz der Mi-krowellen auch für den ‚Kalten Krieg’ belegt.12 Es soll abernoch bemerkt werden, dass gegen die Mikrowellenstrah-lung der USA-Botschaft in Moskau von 1962-1979 kaumProteste seitens der USA erhoben wurden. Wenn schwacheProteste erfolgten, wurde seitens der Sowjets argumentiert:Ihr Grenzwert liegt um das 10.000-fache höher als dieseBestrahlung.

Dennoch ist die Geschichte des Grenzwerts Ost ein Gegen-modell, das zeigt, wie anders die Aufgaben von Wissen-schaft, Strahlenschutz und Politik geregelt werden konnten,wo ökonomische Interessen nicht den Schutz der Bevölke-rung behinderten.

Dabei sollte folgender Fakt unserer Aufmerksamkeit nichtentgehen. Der aktuelle Grenzwert Ost lag um ganze drei

Zehnerpotenzen unter dem Grenzwert West. Die Dauerbe-strahlung der amerikanischen Botschaft erfolgte mit einerFeldstärke, die um vier Zehnerpotenzen niedriger war alsder Grenzwert West (0,001 mW/cm2 pulsierend). Dieses Bei-spiel zeigt, dass dieser sehr niedrige Wert der Feldstärkekei neswegs gesundheitliche Schädigungen ausschließt. Daslässt folgern, dass bei der Festsetzung der Grenzwerte un-bedingt noch andere Faktoren zu berücksichtigen sind, z.B.:Die Frequenz, ganz besonders die stochastische Frequenz-variabilität, ist ein sehr wichtiger Parameter sowie Ampli-tude und Aplitudenmodulation.

Die Feldstärke ist also auch kein zureichendes Schutzmaßfür die Grenzwertbestimmung, wie es ,R’ und ,Rad’ bei denRöntgenstrahlen so nicht waren. Eine weitere Absenkungder Grenzwerte führt sicher nicht zu befriedigenden Ergeb-nissen, solange dabei nicht Faktoren berücksichtigt werden,die für einen realistischen Schutz weitaus wichtiger sind.13

Ein ganz entscheidender Faktor, dessen Berücksichtigungbei der Grenzwertbestimmung unverzichtbar ist, ist die Ein-wirkungsdauer – sowohl die tägliche als auch die täglichein Monaten und Jahren.

3. Erkenntnisse aus Langzeitforschungen und Muster ihrer ‚Entsorgung’

Die seit Anfang der 60er Jahre in der UdSSR und dem spä-teren Russland angeordneten Vorsorgeuntersuchungen ha -ben entscheidend dazu beigetragen, dass das Land über eineinzigartiges Informationsmaterial zur Langzeitwirkungelek tromagnetischer Felder verfügt. Es sollte zur Kenntnisgenommen werden, bevor wir der Generation unserer Kin-der erstmals ein Leben verordnen, das von der Geburt bisans Ende den biologischen Wirkungen der Strahlung aus-gesetzt sein wird.

Im Jahre 1996, als wir noch ein privates Institut für Stress-forschung betrieben, wurden wir vom Bundesamt für Tele-kommunikation (Mainz) – später unter der Bezeichnung,Regulierungsbehörde’, dann als ,Bundesnetzagentur’ be-kannt – beauftragt, eine Recherche der russischsprachigenFachliteratur der Jahre 1960-1996 zur Thematik Biologi-sche Wirkungen elektromagnetischer Felder im Frequenzbe -reich 0-3 GHz auf den Menschen zu erstellen.14 Wir sichtetenca. 1.500 wissenschaftliche Arbeiten und erhielten Zugangzu der wichtigen Moskauer Leninbibliothek, zu Bibliothe-

ken der Lomonosow-Universität und weiteren Moskauer In-stituten. In die geforderte Zusammenfassung bezogen wir878 wissenschaftliche Arbeiten ein.15

Doch anders, als vereinbart, erhielten wir nach derÜbergabe der Studie zu den Langzeitbeobachtungenkeine offizielle Einschätzung der Ergebnisse. Die ur-sprünglich in Aussicht genommene Präsentation imBun desumweltministerium fand auch nicht statt. Wiewir später erfuhren, sind die umfangreichen Unterla-gen – die besagte 120-seitige Zusammenfassung unddrei Ordner mit Kopien der Originalarbeiten – auchsofort im Archiv abgelegt worden. Da keine vertrag-lichen Einschränkungen vorlagen, publizierten wirTeile unserer Studie.16 Die Resonanz auf die Veröf-fentlichung war auch international außerordentlichgroß. Doch Lesern, die Einblick in den Originalberichtverlangten, wurde von der Regulierungsbehörde zu-

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17 Persönliche Mitteilung an K. Hecht.18 S. u. a. Gordon 1966.19 Lindsley 1951.20 Selye 1953.

21 Selye 1953.22 siehe Virchow 1868.23 Schandry 1998. 24 Hecht und Balzer 1997.

Zur Geschichte der Grenzwerte für nichtionisierende Strahlung

Die UdSSR hatte alle unter der Wirkung von RF- (Radiofre-quenz) und Mikrowellen Tätigen gesetzlich verpflichtet,sich jährlich mindestens einmal einer Gesundheitskontrolledurch Arbeitsmediziner und Arbeitshygieniker zu unterzie-hen.18 Diese Verpflichtung galt u.a. für Elektrizitätswerke,elektrische Umschaltstationen, Elektroindustrie, Funksta-tionen, Radarstationen, für das Flughafenpersonal, die Elek-tronikindustrie und die Elektrotechnik. Die untersuchendenÄrzte waren nicht Angestellte des Werks, sondern des staat- lichen Gesundheitswesens und somit von der jeweiligenWerk leitung unabhängig.

Die umfangreichen Aufzeichnungen, die sehr genau auchden Faktor der Einwirkungsdauer der elektromagnetischenFelder berücksichtigen, gestatten eine verallgemeinerteSta dienklassifizierung der Entwicklung pathologischer Pro-zesse:

DreiphasenentwicklungErstens: InitialphaseIn den ersten 1-3 Jahren wurde vorwiegend eine sympathi-kotone (erregende) Initialphase nachgewiesen, deren dreiSubphasen allein oder in Folge über den Zeitraum von 3-5Jahren auftreten konnten.

Erste Subinitialphase: Ausgeprägte sympathikotone Akti-vierungsphase. Diese Phase ist mit der Alarmphase des Se-lyeschen allgemeinen Adaptationssyndroms und mit derunspezifischen Aktivierung nach Lindsley vergleichbar.19

Zweite Subinitialphase: Leistungsfördernde, erhöhte sym-pathikotone Reaktionsphase. Sie ist als Eustressreaktionbzw. im Sinne einer emotionellen Aktivierung als Resis -tenzphase zu interpretieren.20

Dritte Subinitialphase: Adaptive, ausgleichende Phase mitgeringer sympathikotoner Auslenkung. Die Körperfunktio-nen befinden sich noch im Bereich der Homöostase (Gleich-gewicht der innen Funktionen eines Menschen), so dassNormalwerte gemessen werden, obgleich sich latente, zeit-

weilig erscheinende Beschwerden schon äußern können.Auch diese Phase ist noch der Resistenzphase nach Selyezuzuordnen.21

Zweitens: Prämorbide oder Frühphase einer chronischen ErkrankungNach 3-5 Jahren Einwirkungsdauer treten schwach sicht-bare und/oder stärker werdende pathologische Entwicklun-gen einer Neurasthenie (Erschöpfung des Nervensystems),Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit in Erscheinung.

Drittens: ErschöpfungssyndromAusgeprägte neurasthenische Symptomatik (Erschöpfungdes Nervensystems) mit zunehmenden pathologischen Ent-gleisungen des Regulationssystems, neurotische und neur-asthenische Symptomatik, Schlafstörungen, Ta gesmüdig-keit, generelle Erschöpfung sind dominierende Erschei-nungsbilder. Einwirkungsdauer > 5 Jahre. Von einigen Au-toren wird noch eine vierte Phase vorgeschlagen, und zwarals manifestiertes Krankheitsbild nach > 10 Jahren. Dieschematische Darstellung des klassischen Phasenverlaufsund der Stadienklassifizierung haben wir in Abbildung 1dargestellt.

Es ist aber bekannt, dass die Menschen nicht alle gleicher-maßen auf äußere Reizeinflüsse reagieren.22 Die Psycho-phy siologie vertritt eine individuell spezifische Reaktionund verwirft auf Grund von entsprechenden Untersuchun-gen eine reizspezifische Reaktion des Menschen.23 Wir ha -ben in Abbildung 2 Modellbeispiele möglicher individual -reaktiver phasenunabhängiger Prozesse schematisch dar-gestellt, wie sie sich nach unserer Recherche der Langzeit-vorgänge beobachten lassen.24

Hinsichtlich der Sensibilität oder Resistenz lassen sich deut- lich drei Gruppen von Reaktionen unterscheiden: 1. GruppeSofort und/oder heftig reagierend (= Elektrosensible)2. GruppeSpäter reagierend (im Sinne der Dreiphasenentwicklung)3. GruppeSehr spät oder nicht reagierend (= Elektroresistente)

Bei diesen Unterschieden der Reaktion spielen verschiedeneFaktoren eine Rolle. Plechanow weist mit Nachdruck daraufhin, dass der Ausgangszustand des Biosystems für die Wir-kung von EMF von größter Bedeutung ist: „Wenn infolgeendogener oder exogener Prozesse das untersuchte Biosy-

nächst gesagt, dass es ein solches Papier nicht gebe.17

Anfragen, ob Vertreter des Bundesumweltministeri-ums die Recherche eingesehen hätten, wurden miteinem ,Nein’ beantwortet.

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18

19

Abb. 1: Schema der Stadien der Erkrankungsentwicklung nach Langzeiteinwirkung von EMF-Strahlung im Vergleich mit den Stadien (, und) des Allgemeinen Adaptationssyndroms nachHans Selye [1953]: I = Aktivierungs-Phase, A = Aktivierung (Erregung), B = positive Stimulie-rung, C = adaptive Phase, II = latente schwache pathologische Entwicklung, III = starke patho-logische EntwicklungDarstellung auf der Grundlage der Ergebnisse einer Literaturrecherche [Hecht und Balzer 1997; Hecht 2009 Internet]

Abb. 2: Mögliche individuelle pathologische Reaktivität nach EMF-Langzeitwirkung (nicht andie zeitlichen Phasen gebunden) beim Menschen im Vergleich mit den drei Stadien des Allge-meinen Adaptationssyndroms nach Hans Selye [1953]Darstellung auf der Grundlage der Ergebnisse einer Literaturrecherche [Hecht und Balzer 1997]

unspezifischeAktivierung/Reaktion

Sympathikus

3 5 10 15

1 Alarm

Homöostase

ParasympathikusErschöpfung desunspezifischen

Reaktionssystems

t / Jahre

2 Resistenz

3 Erschöpfung

Regulations-starre

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Zur Geschichte der Grenzwerte für nichtionisierende Strahlung

25 Plechanow.26 S. u.a. Schliephake 1932.

Die Geschichte der Grenzwerte West für nichtionisie-rende Strahlung ist eine Geschichte pseudowissen-schaftlicher Festlegungen, die auf bestimmte Inte-ressengruppen, vor allem Industrie und Militär, zu-rückgehen. Die wesentlich niedrigeren Grenzwerte derehemaligen Sowjetunion – heute Russland und GUS-Staaten – erscheinen daneben vergleichsweise seriösbegründet. Doch auch sie sind nach dem heutigen Er-kenntnisstand nicht mehr akzeptabel, weil sie keinensicheren Schutz der Gesundheit des Menschen bieten,wie entsprechende Untersuchungen zeigen. Es mussdavon ausgegangen werden, dass die gegenwärtigverwendeten Parameter der Grenzwertbestimmunggenerell ungeeignet sind, den Schutz von Menschengegen die Wirkung nichtionisierender Strahlung zuregeln, weil sie die Eigengesetzlichkeiten biologischerOrganismen, speziell die hoch organisierten Funktio-nen des menschlichen Gehirns, nicht berücksichtigen.

4. Die Vernachlässigung der Biologie

27 Hecht und Balzer 1997; Hecht 2009.28 EEG (Elektroenzephalografie), EKG (Elektrokardiografie),

EMG (Elektromyografie, Muskelelektrizität), EDA (elektrodermale Aktivität) usw.

Die athermischen Wirkungen nichtionisierender Strahlungmüssen unbedingt berücksichtigt werden – auch wenn man-cher unberechtigt und unbegründet noch immer behaup-tet, dass es sie gar nicht gibt. Die athermische /biologischeWirkung nicht ionisierender Strahlung dringt schon mitschwacher Leistungsflussdichte in informationsverarbei-tende Prozesse des menschlichen Gehirns ein und wirkt wiejeder exogene Stimulus, z.B. Lärm.

Hochfrequente Wellen von schwacher Leistungsflussdichtekönnen das Mikrowellensyndrom – nach wiederholtem oderdauerndem Einfluss – infolge kumulativer Wirkung auslö-sen, ohne dass dabei thermische Wirkungen auftreten. Daswurde 1932 erstmals von dem deutschen Arzt Dr. Schlie-phake und seither noch oft beobachtet und beschrieben.

Es gibt für den menschlichen Organismus keine spezifische,nach technischen Parametern ausgerichtete Mikrowellen-

reaktion.26 Alle Mikrowellen bewirken im menschlichen Kör-per unspezifische Reaktionen in der Art einer Stressreaktion.27

Es ist die zentrale Frage einer Festlegung von Grenzwertenfür nichtionisierende Strahlung, ob sie den Bedingungender Biologie Rechnung trägt.

Noch ein Fakt muss unbedingt berücksichtigt werden. DerMensch ist seinerseits ein elektromagnetisches Lebewesen.Es ist in vielen Untersuchungen nachgewiesen worden, dassseine natürliche Organisation durch unnatürliche elektro-magnetische Felder empfindlich gestört werden kann. AlleFunktionen – vor allem die des Nervensystems – laufen aufder Grundlage rhythmischer elektrophysiologischer Vor-gänge ab. Die medizinische Diagnostik bestätigt uns diesauf vielen Wegen.28

Die Grundlage für die Entwicklung der Elektrizität im Or-ganismus sind die Elektrolyte (Mineralien), die den Ener-

stem in einem Zustand geringer Resistenz ist, können zu-sätzliche Feldeinwirkungen rasch zur Entstehung von chro-nisch-pathologischen Prozessen, sogar mit tödlichen Folgenführen.“25

Aus den Ergebnissen unserer Recherche ergeben sich fürdie allgemeinen Probleme der Grenzwerte für nichtionisie-rende Strahlung u.a. die folgenden Konsequenzen:- Es bestehen begründet Zweifel, dass die Leistungs-

dichte das alleinige Kriterium der Beurteilung darstel-len kann. Wichtig sind auch die Parameter der Frequenz und der Amplitude von athermischer nichtionisierender Strahlung.

- Die Absorptionsrate muss von vornherein als Schutz- kriterium ausgeschlossen werden, weil sie als Maß für die Wirkung auf einen physikalischen Körper, nicht aber für die Thermoregulation des menschlichen Körpers geeignet ist.

- So wichtige Faktoren wie Tageseinwirkungszeitdauer, Jahreseinwirkungszeitdauer, Elektrosensibilität, Alter, Geschlecht und der Gesundheitszustand der Betrof-fenen müssen zu zentralen Kriterien der Grenzwertfest-legung gemacht werden.

- Was bisher überhaupt nicht berücksichtigt wurde, aber in der Praxis eine enorme Rolle spielt, sind die mögli-chen Interaktionen der EMF-Strahlung mit anderen schädlichen Wirkfaktoren wie z.B. Lärm, chemischen Schadstoffen aller Art, Sonnenmagnetstürmen u.a.

- Ein Ergebnis der russischen Forschungen ist auch, dass gepulste EMF-Strahlung bei einer Feldstärke von 0,001 mW/cm2 und darunter noch gesundheitliche Schäden anrichten kann, was durch das ,Moskauer Signal’ deut-lich unterstrichen wurde.

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gie- und Informationsaustausch gewährleisten. Als Elektro-lyte werden alle Mineralien bezeichnet, die auf Grund vonDissoziationen in Anionen und Kationen elektrische Leitfä-higkeit erzeugen. Elektrolyte sind faktisch alle Mineralien inIonenform – die Kationen positiv, die Anionen negativ ge-laden. Die Elektrolyte halten die biologische Elektrizität desMenschen aufrecht. Als Elektrolythaushalt wird die Ge-samtheit des Stoffwechsels der in den Körperflüssigkeitengelösten Ionen verstanden.

Die Elektrolyte stellen faktisch den Akku der Elektrobiolo-gie des Menschen dar, die den menschlichen Energiehaus-halt im Gleichgewicht hält. Wenn dieser Akku schwach ist,lässt auch die menschliche Energie nach; wenn er leer ist,ist der Mensch tot. Alles spricht dafür, dass technisch er-zeugte elektromagnetische Felder die elektrophysiologi-schen Regulationen des gesamten menschlichen Orga nis-mus empfindlich stören und Krankheiten hervorrufen können.

Abb.: Schematische Darstellung: Der Mensch ein elektrisches Wesen mit Modellbeispielender optimalen Elektrolytregulation und deren Störungen [Hecht, Hecht-Savoley 2008, Spurbuch Verlag]

optimaleElektrophysiologie

Elektrophysiologiebei Dysmineralose

Elektrophysiologiebei schwerer

chronischer Erkrankung

erloscheneElektrophysiologie

im Todesfall

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+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-

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Zur Geschichte der Grenzwerte für nichtionisierende Strahlung

Die vor mehr als einem Jahrhundert entdeckte Röntgen-strahlung wurde zuerst als harmlos eingestuft, bevor manentdeckte, wie gesundheitsschädigend sie ist. Die 1928 ein-geführte Maßeinheit des Röntgen (R) war ein für Physikergeeignetes, für Mediziner falsches Maß. Die Unsicherhei-ten der Bewertung forderten jahrzehntelang zahlreicheStrahlenopfer. Sie haben u. a. zahlreiche Angehörige derBundeswehr geschädigt, die an Radarsendeanlagen arbei-teten, deren Angehörigen aber auch in Todesfällen oft jeg-liche Entschädigung verwehrt wird.29

Es ist bekannt, dass technische Anlagen und Gerätedurch elektrische, magnetische und elektromagneti-sche Einwirkungen von außen gestört, ja außer Be-trieb gesetzt werden können, z.B. durch Blitze oderMagnetstürme der Sonne. Das zwingt zu notwendi-gen Schutzvorkehrungen. Darf man diese dem weit-aus sensibler organisierten Lebewesen Mensch vor -enthalten? Auch wenn sein Organismus dank mehroder minder ausgeprägter Adaptionsfähigkeiten nichtimmer sofort auf die Einwirkungen reagiert, speicherter die Einwirkungen im Gedächtnis und kann bei an-haltender Einwirkungsdauer nach Jahren und Jahr-zehnten mit erheblichen gesundheitlichen Schädendarauf reagieren.

Außer für Nervensystem und Gehirn gilt das ähnlichauch für andere ,Vitalparameter’ des Menschen, dieschon bei kurzzeitiger Einwirkung von EMF-Stimulie-rung aus ihrem Eigenrhythmus gebracht werden:Herzschlagrhythmus, Blutdruck, Änderung der Blut-fließgeschwindigkeit oder der Viskosität. KurzzeitigeEinwirkungen von EMF kann der Mensch auf Grundnatürlicher Schutzmechanismen bewältigen – waszumindest für Gesunde gilt. Kranke oder Elektrosen-

Die nachweisliche Fehleinschätzung der Wirkung vongesundheitsschädigenden Strahlen sollte sich am Bei-spiel der athermischen nichtionisierenden Strahlungnicht fortsetzen. Die von Staat, Industrie und ihrenHel fern bisher jahrzehntelang praktizierten Strategiender Verharmlosung können bereits in einem Jahrzehntverheerende Folgen für die Gesundheit größerer Be-völkerungsgruppen haben.

sible können aber schon bei kurzzeitiger Einwirkungsehr empfindlich reagieren.

Ein vertretbarer Grenzwert für nicht ionisierendeStrahlung muss aber auch Kranke und Elektrosensi-ble vor vermeidbaren Leiden und Schädigungen ihrerGesundheit schützen. Sie aus der Gesellschaft auszu-grenzen, zu ‚eingebildeten Kranken’ zu stempeln undin psychiatrische Anstalten abzuschieben, wie diesimmer häufiger geschieht, ist für eine demokratischeZivilisation kein gangbarer Weg. Das gilt ebenso fürein dogmatisches Festhalten an überholten Grenz-werten, das Opfer schafft, aber keinen Schutz dermündigen Bürger bietet.

Grenzwerte betreffen sehr häufig den Schutz hoherGüter wie Gesundheit, Umwelt und Zukunft. Nir-gendwo ist also ein Höchstmaß an wissenschaftlicherSorgfalt, an Verantwortungsbewusstsein und wissen-schaftlicher Unabhängigkeit mehr gefordert als dort,wo es um ihre Festlegung geht. Nirgendwo begegnetman ihnen heute aber auch in geringerem Umfang alsdort, wo untaugliche Grenzwerte für nichtionisie-rende Strahlung gerechtfertigt werden!

5. Die Fehleinschätzung der Röntgenstrahlen darf sich mit der elektromagnetischen Strahlung nicht wiederholen!

29 Umfangreiche Dokumentation bei K. Hecht 2009.

Wir wissen noch nicht alles, um die athermischenWirkungen von EMF verlässlich einschätzen zu kön-nen. Aber unser Wissen ist heute schon ausreichend,um die Entwarnungen auf der Grundlage von Kurz-zeitstudien als verantwortungslos einstufen zu kön-nen. Mit dem jahrzehntelang aufrechterhaltenenbe trügerischen Dogma, es gebe nur thermische undkeine Beweise für athermische Wirkungen auf denMenschen, muss endlich Schluss gemacht werden. Esist an der Zeit echte Forschungen zur Grenzwertfest-legung zu betreiben, die von unabhängigen Wissen-schaftlern durchgeführt werden. Die gegenwärtigenGrenzwertfestlegungen für nichtionisierende Strah-lung schützen weder die Gesundheit der Bürger un-seres Staates noch die Weltbevölkerung.

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AnhangPublikationen von Karl Hecht aus den letzten Jahren zur EMF-Strahlungswirkung auf den Menschen

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Die ICNIRP-Richtlinien-Kritik von Prof. Dr. Neil Cherry

Dr. med. Hans-Christoph Scheiner

Die ICNIRP-Richtlinien-Kritik von Prof. Dr. Neil Cherry

Mit der Dementierung athermischer Wirkungen hochfre-quen ter Felder überging die ICNIRP u.a. längst anerkannteErgebnisse der Biometeorologie3. Dabei wäre gerade sie inder Lage gewesen, Eckdaten von EMF-Intensitäten weit un -ter dem ,LOAEL’ (Lowest Observed Adverse Effect Level) zuliefern. ,Wetterfühlige’ z.B. fühlen sich bei Hochdrucklagenmit einer natürlichen Hintergrundstrahlung von 0,27 µW/m²wohl; Tiefdruckfronten mit 27,0 µW/m² dagegen führen zuKopfschmerzen, Müdigkeit, Depressionen und anderen ve-getativen Störungen – weit unterhalb jeder thermischenIntensität.4

Die große Sensibilität des menschlichen und tierischen Or-ganismus wurde in den 70er Jahren durch die internationalsehr beachteten Isolationsversuche des Max-Planck-In s -

tituts für Verhaltensphysiologie belegt5 und auch im Tier-versuch bestätigt.6 In lichtabgeschirmten Bunkerräumenwurde die elektromagnetische Hintergrundstrahlung mitHilfe spezieller Eisenummantelungen ausgeschaltet (‚Fara-day’scher Käfig’). Gruppen von Versuchspersonen wurden fürzumindest eine Woche von Tageslicht und -rhythmus iso-liert. Dabei dehnte sich die subjektive ,Tageslänge’ durchim mer längere Aktivitätsphasen bei gleichbleibenden Schlaf-phasen bis auf 36 Stunden aus. Ohne die ,Zeitgeberfunk-tion’ der ultraschwachen ,Schumann-Resonanzen’ desyn-chronisierte der zirkadiane Tag-Nacht-Rhythmus. Durch einkünstliches ,Schumann-Resonanz-Signal’ von 10 Hz und 8,3µW/m² konnte diese Entgleisung wieder behoben werden-in einem athermischen Bereich 500.000 bis 1.000.000-fachunterhalb geltender Grenzwerte!

1 International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection, in München eingetragener Privatverein, dem die demokratische Legitimation fehlt. Seine Verflechtungen mit den Organen des Strahlenschutzes sind in Deutschland besonders eng: Mitglieder der ICNIRP wurden Mitglieder der SSK, und das Büro der ICNIRP ist im Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) untergebracht.

2 Jan. 2000 erschien eine noch umfangreichere 190seitige Fassung der Cherry-Kritik. (www.umfeldbiologie.de/index-Dateien/Page916.htm ).– Cherry bietet stets ausführliche Dokumentationen der Forschungslage. Die hier genannten Titel bieten nur eine exemplarische Auswahl.

3 Wissenschaft von der Wirkung des Wetters auf lebende Systeme.4 Lotmar, R. et al. (1969); s. auch die wegweisenden Arbeiten von Schumann, W. O. (1952, 1954, 1966) und König, H. L. (1959, 1974 a und b).5 Dazu die Arbeiten von R. Wever (1969, 1974).6 Dowse, H. B. und Palmer, J. D. (1969).7 S. www.icnirp.de/documents/emfgdlger.pdf .

1. Nichtberücksichtigung der Biometeorologie

Die heute in vielen Ländern geltenden Grenzwerte gehen aufRichtlinien der ICNIRP1 zurück. So problematisch und ana-chronistisch ihre wissenschaftlichen Grundlagen auch seinmögen: Von der WHO weiterempfohlen und von vielen Län-dern in Verordnungen und Gesetze überführt, sind sie nochimmer die aktuelle Realität. In Deutschland wurden sie vonder Deutschen Strahlenschutzkommission (SSK) 1998 1 zu 1übernommen und von der Bundesregierung zur Grundlageihrer Funk-Politik gemacht.

Die neuseeländische Regierung war vorsichtiger. Sie beauf-

tragte ihren wissenschaftlichen Berater, den neuseeländi-schen Umweltphysiker Prof. Dr. Neil Cherry, mit einer Über-prüfung der empfohlenen Grenzwerte und ihrer wissen-schaftlichen Begründung. Im Oktober 1999 legte Cherryseine 110 Seiten umfassende ICNIRP-Guideline-Critique vor.Sie bot einen repräsentativen Überblick über die bis dahinvorliegende Forschung zu athermischen Wirkungen hoch-frequenter elektromagnetischer Felder.2 Und sie bewiesnicht nur die Unhaltbarkeit der von der ICNIRP vorgeschla-genen Grenzwerte, sondern auch schwerwiegende Mängeldes wissenschaftlichen Vorgehens.

2. Kaum Beachtung der Gentoxizität

Liest man die ICNIRP-Guidelines7, mit denen dann auch dieSSK ihre Grenzwerte begründet, ist man erstaunt, dassbeide Gremien der so wichtigen Frage der Gentoxizität

ganze 20 Zeilen widmen. Kaum eine halbe Seite wird alsodem kollektiven genetischen Risiko für die Weltbevölkerungund künftige Generationen, aber auch dem damit vermehr-

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8 Noch ausführlicher in dieser Schriftenreihe Adlkofer, F. et. al.: Wie empfindlich reagieren die Gene auf Mobilfunkstrahlung? (Wirkungen des Mobil- und Kommunikationsfunks H. 3), St. Ingbert 2008.

9 Vgl. Selvin (1992) sowie Hammet und Edison (1997).10 Stand 1998; über 10 Jahre später sind es weit mehr.

Der ‚Lowest Observed Adverse Effect Level’ (LOAEL), derniedrigste Strahlenpegel von HF-EMF, unter dem die Aus-lösung von Krebs bereits nachgewiesen worden ist, wurdevon ICNIRP und SSK bei der Grenzwertfestsetzung ignoriert.Epidemiologische Beobachtungen um Hochfrequenzsenderwie den Sutra Tower (San Francisco)9 haben an der Aus-wertung der Krebsfälle bei Kindern und Jugendlichen in denWohngebieten rund um den Turm gezeigt, dass eine hoch-signifikante Dosis-Wirkungs-Beziehung besteht: Schon beinur 500 µW/m² war das Krebsrisiko nahezu verdoppelt.

Im Fall einer krebsauslösenden Chemikalie hätte in einem

solchen Fall die gesetzliche Verpflichtung bestanden, dieVorsorgewerte zum Schutz der Bevölkerung mindestens umden Faktor 10 bis 100 zu senken. Umgerechnet auf das Bei-spiel der Strahlenexposition hätte die SSK einen Grenzwertvon 50 bis 5 µW/m² empfehlen müssen. Bedenkt man, dassProf. O. Johannson in seiner Auswertung der epidemiologi-schen Daten von H. Dolk (1997) rund um Sendemasten be-reits bei 30 µW/m² ein vermehrtes Aufkommen von Me -lanomen festgestellt hat, hätten die Grenzwerte nach um-weltchemischen Standards gar auf 3,0 bis 0,3 µW/m² ab-gesenkt werden müssen!

3. Nichtbeachtung des „Lowest Observed Adverse Effect Level (LOAEL)

Dr. Michael Repacholi, ehemaliger Chairman der ICNRIP,hatte 1997 in einem viel beachteten Tierversuch an trans-genen (genveränderten) Mäusen unter üblicher Mobilfunk-strahlung ein 2,4-fach erhöhtes Krebsrisiko festgestellt(Repacholi 1997). Seine Studie wird im ICNIRP-Text zwaraufgeführt (S. 32), aber nicht im Sinne eines Risikohinwei-ses bewertet. Übergangen werden von der ICNIRP auch 10weitere bereits damals vorliegende Tierstudien, die ein si-gnifikant erhöhtes Krebsrisiko belegen. Arzneimittel etwamüssten im Fall ähnlicher tierexperimenteller Ergebnissevom Markt genommen werden.

Von insgesamt weit über 100 kritischen Studien10 griff dieICNIRP ganze 13 heraus, um auch sie durch Weglassungenoder Fehlinterpretationen entsprechend zu entschärfen. Be-

sonders eindrucksvoll zeigt sich das am ursprünglich falschzugeordneten Zahlenmaterial der Lilienfeld-Studie (1978)und ihrer sachlich-statistischen Richtigstellung durch denrenommierten Epidemiologen Prof. I. R. Goldsmith (1996,1997). Die Daten gehen auf eine Episode des Kalten Kriegesim Zeitraum von 1953 bis 1976 zurück, in dem die Sowjetsdie US-Botschaft in Moskau mit Radar von durchschnitt-lich 10.000-20.000 µW/m² bestrahlt hatten. Betroffen wa -ren 4500 Botschaftsangehörige. Verglichen wurde diese,Mos kau-Gruppe’ mit einem weniger bestrahlten Kollektivvon 7500 Personen anderer US-Ostblockbotschaften. Ob-wohl in den Innenräumen der Moskauer US- Botschaft nur200 bis 1000 µW/m², ein Bruchteil der Au ßen-Inten sitätender Strahlung zu messen war, zeigte die ,Moskau-Gruppe’ein 2 bis 3-fach höheres Leukämie-Risiko. Weibliche Brust-

4. Verharmlosung des Krebsrisikos

ten individuellen Krebsrisiko gewidmet. Dabei lagen bei Er-scheinen der ICNIRP-Guidelines (1994) und ihrer deutschenÜbernahme durch die SSK (1998) längst Arbeiten vor, diedas Bestehen solcher Zusammenhänge belegen. Doch dieICNIRP folgert: „keine Signifikanz“.

Nach den Arbeiten von Larsen A. I. (1991) und Quellet-Hell-strom und Stewart (1993) muss sie zwar ein „erhöhtes Ri-siko an Fehlgeburten und Geburtsfehlern“ einräumen. Den -

noch resümiert die ICNRIP, und mit ihr dann die SSK: „Trotzder im Allgemeinen negativen Ergebnisse dieser Studienwird es schwierig sein, ohne weitere epidemiologische Da -ten über stark exponierte Personen und präzisere Expositi-onsermittlungen eindeutige Schlüsse über die Reproduk-tionsgefährdung zu ziehen.“ Wie dramatisch seither dieNachweise gentoxischer Wirkungen zugenommen haben,bezeugt in dieser Schrift der Beitrag von Franz Adlkofer.8

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Die ICNIRP-Richtlinien-Kritik von Prof. Dr. Neil Cherry

Unberücksichtigt blieben schließlich auch umfangreicheepidemiologische Studien wie die von K. H. Mild (1998), derbei 11.000 Skandinaviern nachwies, dass bei jedem zweitenHandynutzer Symptome auftraten, die man als ,Mikrowel-len-Syndrom’ bezeichnet: Kopfschmerzen, Schwindel, Kon-zentrationsstörungen, Erschöpfung, Schlaflosigkeit, Ohr ge-räusche, Abreißen der Gedanken u.a.m. Solche Symptome,die auch von anderen internationalen Forschern wie z.B. A.H. Frey (1998) beobachtet wurden, konnte R. Santini (1998)

auch bei 530 Anrainern um 18 Antennenanlagen nachwei-sen. Sowohl die kurzfristig massiv exponierten Han dy-Nut-zer als auch die deutlich geringer, aber permanent expo-nier ten Anrainer von Mobilfunkantennen gaben da bei ein-deutig eine Dosis-Wirkung-Relation zu erkennen. Auch dasalles wurde von der ICNRIP ignoriert – wie ähnlich z.B. dieEMF-bedingte Absenkung des Schlaf- und AbwehrhormonsMelatonin, die Forscher wie R. Reiter (1994, 1996) nach-gewiesen hatten.

11 Wie die ICNIRP ihre Empfehlungen noch immer rechtfertigt, zeigt ihre jüngste Stellungnahme: Exposure to high frequency electromagnetic fields, biological effexts and health consequences (100 kHz-300 GHz), 2009. Kritisch dazu u.a. Cindy Sage, Mitherausgeberin des BioInitiative-Reports, www.diagnose-funk.org/gesundheit/bioinitiative/cindysage-kommentarzumicnirp-bericht.html

5. Das Mikrowellensyndrom wurde ignoriert

M. Repacholi klagte auf die Rücknahme der Vorwürfe.Doch die höchsten Gerichte Australiens und Neusee-lands gaben Prof. Cherry Recht. Daher konnte er imJahre 2000 vor dem EU-Parlament auf die große Ge-sundheitsgefährdung der Bürger durch Mobilfunk undEMF hinweisen.

Inzwischen hat das EU-Parlament geltenden Grenz-werten eine eindeutige Absage erteilt. Doch für dieICNIRP und die von ihr beratenen Regierungen scheintheute nicht einmal das Votum des Parlaments euro-päischer Bürger ein Motiv, sich einer realistischenPrüfung fragwürdiger Grenzwertregelungen zu stel-len.11

Neil Cherry fasst seine Beobachtungen wie folgt zusammen:

und Genital-Karzinome kamen 4 bis 5-mal so häufig vor;das Hirntumorrisiko stieg auf das Zwanzigfache. Die ICNIRPaber sah „keinen Beweis für eine er höhte strahlenbedingteMorbidität und Mortalität.“

Die gleiche Fehlinterpretation erfuhr auch die sog. Korea-krieg-Studie von C. D. Robinette (1980). Auch deren Über-prüfung durch Goldsmith (1995) belegt signifikante Aus-wirkungen von Radar-Strahlen. An verschieden exponier-ten Vergleichsgruppen eines Kollektivs von 40.000 Solda-ten der US-Marine und Unterschieden hinsichtlich derErkrankungsrate (‚Morbidität’), der Sterblichkeit (‚Mortali-tät’) sowie der Krebs- und Leukämie-Rate kann Goldsmith

die Dosis – Wirkung – Relation deutlich zeigen. Doch mitHilfe einer falschen Zuordnung der Vergleichsgruppenmacht die ICNIRP auch diese Studie zu einem Kronzeugenfür die Unbedenklichkeit von Radarstrahlen und behauptet,dass Auswirkungen auf die Gesundheit nicht aufgetretenseien. Nach allem überrascht nicht mehr, dass die ICNIRPauch das signifikant erhöhte Krebs- und Leukämieaufkom-men rund um Fernseh- und Rundfunktürme verschweigt,wie es z. B. in epidemiologischen Studien aus Australien(Hocking et. al. 1996), Großbritannien (Dolk et. al. 1997),Ha waii (Mascarinec und Cooper 1993), Italien und dem Va-tikan (Michelozzi et. al. 1998) beobachtet worden ist.

„Ich zeige klar und schlüssig, dass hier eine Vorein-genommenheit gegen die Entdeckung und die Aner-kennung von schädlichen Wirkungen besteht, dieso weit geht, dass die vor handenen Studien, welchediese Wirkungen beweisen, ig no riert werden, und dieausgewählten Studien falsch darge stellt, falsch in-terpretiert und falsch gebraucht werden. Die ICNIRP-Bewertung von Wirkungen wurde durchgesehen undals ernst fehlerhaft befunden. Sie enthält ein Mus- ter von Voreingenommenheiten, bedeutenden Fehlern,Weg lassungen und absichtlichen Verdrehungen.“

Cherrys Kritik an den ICNIRP-Richtlinien und ihrerÜbernahme durch die WHO hatte ein Nachspiel: Dr.

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Literatur

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Der Anachronismus der geltenden Grenzwerte

Prof. Dr. med. Franz Adlkofer

Der Nachweis athermischer Wirkungen elektro-magnetischer Felder belegt den Anachronismusder geltenden Grenzwerte

Der zunehmende Bedarf an Strom und die Ausbreitung vonkabellosen Technologien aller Art haben in den letztenJahrzehnten dazu geführt, dass derzeit jeder Bürger, gleich-gültig wo er sich gerade aufhält, einer komplexen Mischungvon elektrischen, magnetischen und elektromagnetischenFeldern unterschiedlicher Frequenzen und unterschiedlicherHerkunft ausgesetzt ist. Am stärksten belastet ist die Bevöl -kerung heute durch die Strahlung, die vom selbst genutz-ten Mobiltelefon ausgeht, gefolgt von der durch die dazugehörenden Basisstationen. Die technische Nutzung hoch-frequenter elektromagnetischer Felder (HF-EMF) ist jedochnoch keineswegs abgeschlossen, sie scheint eher erst amAnfang zu stehen (1). Was dies für die Gesundheit und dasWohlbefinden des Menschen bedeutet, ist trotz der Jahr-zehnte zurückreichenden Forschung noch weitgehend un-geklärt.

In diesem Beitrag werden biologische Wirkungenelektromagnetischer Felder unterhalb der Grenzwerteals athermisch, solche oberhalb der Grenzwerte alsthermisch eingeordnet. Der Unterschied zwischen

thermisch und athermisch ist deshalb so bedeutsam,weil geltende Grenzwerte die Bevölkerung entspre-chend der obigen Definition ausschließlich vor ther-mischen Wirkungen, nicht aber vor athermischenschüt zen können (2). Sollte also der Nachweis er-bracht werden können, dass es zusätzlich zu den ther-mischen auch athermische Wirkungen von pa tho-physiologischer Relevanz gibt, wäre den geltendenGrenzwerten jede wissenschaftliche Grundlage ent-zogen. Das ist letztlich der Grund für die Hartnäckig-keit, mit der die Verantwortlichen aus Politik, Indus-trie und Wissenschaft die thermische Natur aller ge-sundheitlich relevanten Wirkungen elektromagneti-scher Felder behaupten und das Vorkommen ather-mischer Wirkungen bestreiten. Würde nämlich dieExistenz athermischer Wirkungen von gesundheitli-cher Bedeutung zugegeben werden, bräche das ge-samte Grenzwertgebäude in sich zusammen.

1.1 Forschungsvorgaben durch Militär und IndustrieDie Geschichte der Erforschung biologischer Wirkungenelektromagnetischer Felder geht zurück bis in die Zeit vordem Zweiten Weltkrieg. Erste Untersuchungen wurden anmedizinischen Hochschulen – insbesondere in den USA,Frankreich und Deutschland – mit dem Ziel durchgeführt,die Strahlung therapeutisch nutzbar zu machen. Bei Aus-bruch des Krieges wurde diese Forschungsrichtung zu Gun-s ten der technischen Nutzung insbesondere für militärischeZwecke weitgehend aufgegeben. Die wissenschaftliche Dis-kussion darüber, ob exponierte Personen auch gesundheit-lichen Risiken ausgesetzt sein könnten, worauf bereitsfrühe Beobachtungen hingewiesen hatten, verlief von An-fang an kontrovers. Befunde dieser Art wurden verharmlostoder gänzlich abgestritten.

Vor allem Militär und Industrie, die das technische Poten-zial elektromagnetischer Felder rasch erkannt hatten, waren

1. Historischer Rückblick auf die Entwicklung der Grenzwerte

von Beginn an der Meinung, dass Risiken jeder Art fürMensch und Umwelt gar nicht vorstellbar seien. In dieserÜberzeugung sahen sie sich insbesondere von Herman PaulSchwan (1915-2005), einem unmittelbar nach dem Kriegnach Amerika ausgewanderten deutschen Wissenschaftler,bestätigt, der den Grundsatz aufstellte, dass athermischeWirkungen den Gesetzen der Physik widersprechen. Dieseunbewiesene Behauptung hat bei der Festlegung des Grenz- wertes für die Exposition mit HF-EMF das Denken und Han-deln der Industrie und ihrer wissenschaftlichen Zuarbeiterbis heute bestimmt (3,4,5,6). Schwans spätere Sichtweise,die auch spezifisch biologische athermische Wirkungenelektromagnetischer Felder nicht mehr ausschloss und da -mit den Interessen von Industrie und Militär widersprach,blieb weitgehend unbeachtet.

Militär und Industrie waren mit Unterstützung ihrer wis-senschaftlichen Zuarbeiter von Anfang an mit Erfolg be-müht, die Annahme athermischer biologischer Wirkungen

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2. Grenzwertfestlegung

von HF-EMF zu entkräften. Sie erweckten damit den Ein-druck, dass jegliche weitere Suche nach solchen Strahlen-wirkungen überflüssig und reine Geldverschwendung sei.Forschern, die dem widersprachen, wurde die finanzielleUnterstützung ihrer Arbeit entzogen. So setzte sich schließ-lich die Vorstellung durch, dass alle biologischen Strahlen-wirkungen mit einer systemischen Erwärmung des Orga nis-mus zu erklären sind und es keine Beweise für spezifischeoder selektive Strahlenwirkungen unterhalb der von Militärund Industrie anerkannten Grenzwerte gibt. Die Industriekonnte diese Grundlage für die Erstellung der Grenzwertebis zum heutigen Tag erfolgreich verteidigen; die Rolle desMilitärs ist demgegenüber bescheidener geworden.

1.2 Grenzwertfestlegung unter vorrangig wirtschaftlichen InteressenDie wesentlich von wirtschaftlichen Interessen geleitetenVorstellungen von der Unschädlichkeit elektromagnetischerFelder unterhalb der auf ausschließlich thermischen Kurz-zeitwirkungen beruhenden gegenwärtigen Grenzwerte wur-den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dervon ihr anerkannten Internationalen Kommission zumSchut ze vor nicht-ionisierenden Strahlen (ICNIRP) über-nom men. Beide Organisationen versichern bis heute, dassdie Mobilfunkstrahlung kein Risiko für die Gesundheit derMenschen darstellt, wenn die bestehenden Grenzwerte, die

nach ihrer Meinung einen sicheren Schutz bieten, einge-halten werden. Diese Vorstellung, der sich zahlreiche, wennauch nicht alle nationalen Entscheidungsgremien ange-schlossen haben, hat zur Folge, dass die Förderung von For-schung, die von dieser Voraussetzung abweicht, bis heuteweitgehend unterblieben ist, weil ihr angeblich die Begrün -dung fehlt.

Trotz der beruhigenden Stellungnahmen von WHO und IC-NIRP, in Deutschland auch der Bundesregierung, ist dieKontroverse, ob mit Auswirkungen elektromagnetischerStrahlung auf Mensch und Natur zu rechnen ist oder nicht,bis heute nicht abgeschlossen, sondern hat seit einigenJahren eher an Heftigkeit zugenommen. Zwar wurden auchbei einer internationalen Konferenz der industrienahen For-schungsgemeinschaft Funk e. V. (FGF), die im November2008 in Stuttgart stattfand (7), grundlegenden Forschungs-ergebnissen, die für spezifisch biologische Wirkungen elek-tromagnetischer Felder unterhalb der Grenzwerte sprechen,immer noch keine Bedeutung beigemessen. Als Zugeständ-nis muss jedoch die Schlussfolgerung gewertet werden,dass die Unterscheidung zwischen thermischen und ather-mischen Wirkungen von HF-EMF akademisch durchaus in-teressant sei, dass man bei der Abschätzung der Risikenaber weiterhin ‚pragmatisch’ vorgehen müsse – was im Fol-genden geschehen soll.

Die Festlegung von Grenzwerten ist für Regierungen eineübliche Maßnahme zum Schutz der Bevölkerung vor che-mischen oder physikalischen Belastungen, die eine Gesund -heitsgefährdung zur Folge haben können. Grenzwerte ge -ben die obere Grenze – z.B. von schädlichen Substanzen imTrinkwasser, von Ozon in der Luft, von Lärm in Wohngebie-ten usw. – an, die zum Schutz der menschlichen Gesundheitnicht überschritten werden darf. Grundlage der Grenzwert-festlegung ist der jeweils aktuelle Stand wissenschaftlicherForschung.

2.1 Grenzwerte auf der Grundlage spezifischerAbsorptionsraten (SAR)Die für den Mobilfunk errichteten Grenzwerte, die Men-schen vor gesundheitlichen Gefahren schützen sollen, be-ruhen auf der Erkenntnis, dass die Energie hochfrequenterelektromagnetischer Strahlung im menschlichen Körper inWärme umgewandelt wird. Wenn ein bestimmtes Maßüberschritten wird, ist dies für die menschliche Gesundheitnicht zuträglich. Die ICNIRP (2) hat als gesundheitlicheWirkungsschwelle für den Ganzkörperbereich eine spezifi-sche Absorptionsrate (SAR) von 4,0 W/kg Körpergewichtangenommen, was ungefähr dem Anstieg der Körpertem-peratur um 1 Grad Celsius innerhalb von 30 Minuten ent-spricht. Unterhalb dieser Wirkungsschwelle gibt es nach derÜberzeugung der ICNIRP keine gesundheitlichen Beein-

trächtigungen. Um jedoch auf der sicheren Seite zu sein,hat die ICNIRP aus der angenommenen Wirkungsschwelleeinen Basisgrenzwert für die Allgemeinbevölkerung abge-leitet, der ein Fünfzigstel der Wirkungsschwelle, also 0,08W/kg, beträgt. Damit sind nach Überzeugung der ICNIRPauch Personengruppen wie Kranke, Schwangere, Kinder undAlte, die auf eine besondere Rücksichtnahme angewiesensind, hinreichend geschützt.

Bei der Ganzkörper-SAR wird – wie der Name sagt – dieLeistungsabsorption über die gesamte Körpermasse gemit-telt. Dies ist sinnvoll, sofern sich die der Strahlung ausge-setzten Menschen im Fernfeld einer Basisstation oder eineranderen Funksendeanlage befinden. Der Ganzkörper-SARsteht die Teilkörper-SAR gegenüber, die von Bedeutung ist,wenn HF-EMF wie beim mobilen Telefonieren aus dem Nah-feld lokal auf den Körper einwirken. Mit der Einführungeiner Teilkörper-SAR hat die ICNIRP verhindert, dass hohelokale SAR-Werte in der gemittelten Ganzkörper-SAR un-tergehen, was zur Folge haben könnte, dass ein Schutz vorlokalen Schädigungen nicht gewährleistet ist. Bei der Fest-legung des Teilkörper-SAR-Grenzwertes ist darüber hinausauch berücksichtigt worden, dass es Gewebe, wie z.B. dasmenschliche Auge gibt, deren ungünstige Thermoregulati-ons eigenschaften einen schnellen Temperaturanstieg zurFolge haben. Beim so bestimmten Teilkörper-SAR-Grenz -

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Der Anachronismus der geltenden Grenzwerte

wert von 2,0 W/kg, der über 10 Gramm Gewebe gemitteltist, wurde wiederum ein Sicherheitsfaktor von 50 berück-sichtigt.

Zur direkten Messung der spezifischen Absorptionsrate wirdein standardisiertes Phantom-Modell des menschlichenKopfes benutzt. Die Oberfläche besteht aus einer 2-3 mmdicken Kunststoffschale. Der Phantomkopf ist mit einer spe-ziellen Flüssigkeit gefüllt, die den dielektrischen Eigen-schaften des Kopfgewebes angepasst ist. Eine elektrischeFeldsonde in der Flüssigkeit, die mittels eines Computersgesteuert wird, liefert die für die SAR-Bestimmung erfor-derlichen Messdaten. Die Basisgrenzwerte sind in Tabelle 1zusammengefasst.

Tabelle 1: Basisgrenzwerte für die spezifische Absorptions-rate (SAR) für die HF-EMF-Exposition der Bevölkerung imFrequenzbereich 100 kHz bis 10 GHz (2)

2.2 Abgeleitete GrenzwerteSpezifische Absorptionsraten können nur dort gemessenwerden, wo die Wechselwirkung zwischen elektromagneti-schen Feldern und dem Körpergewebe stattfindet, also imKörperinneren. Eine solche Messung ist am lebenden Orga-nismus praktisch unmöglich. Am Phantom ist sie schwierig

und mit erheblichen Kosten verbunden. Aus praktischenGründen hat die ICNIRP deshalb für die Überprüfung vonImmissionen so genannte ‚abgeleitete Grenzwerte’ entwick -elt, die als elektrische, magnetische Feldstärke oder Leis -tungsflussdichte am Ort der Einwirkung angegeben werden.Die in Tabelle 2 angegeben Werte stellen sicher, dass dieSAR-Grenzwerte nicht überschritten werden.

Tabelle 2: Abgeleitete Grenzwerte der elektrischen Feld-stärke E, der magnetischen Feldstärke H, der magnetischenFlussdichte B und der Leistungsflussdichte LFD (2) für dieAllgemeinbevölkerung

Die von der ICNIRP erstellten Grenzwerte für die Expositionder Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0Hz - 300 GHz) wurden vom Rat der Europäischen Union am12. Juli 1999 übernommen und den Mitgliedsstaaten zurAnnahme empfohlen. Ob sie den vom Bundesamt für Strah-lenschutz (BfS) im Jahre 2005 festgelegten Kriterien zurgesellschaftlichen Akzeptabilität eines Strahlenrisikos ge-nügen, ist gegenwärtig eine offene Frage (Kasten 1) (8).

Kasten 1aus: Positionsbestimmungen des BfS zu Grundsatzfragen des Strahlenschutzes

Gesellschaftliche Akzeptabilität eines StrahlenrisikosAls anzustrebendes bzw. zu unterschreitendes Risikoniveau hat sich in der internationalen Diskussion für schwer-wiegende Erkrankungen der Bereich zwischen 1 in 1.000.000 und 1 in 10.000 pro Lebenszeit herausgebildet. Dabeigilt allgemein, dass der überwiegende Teil der exponierten bzw. potentiell exponierten Bevölkerung auf dem Niveauvon 1 in 1.000.000 zu schützen ist. Ist dieses Risikoziel für alle Individuen nicht zu erreichen, so ist ein Abweichenfür die am höchsten exponierten Personen bis zu einer Risikoschranke von 1 in 10.000 zulässig, wenn auf der Basisdes Minimierungsgrundsatzes niedrigere Risiken nicht erzielt werden können.

3. Stand der Forschung

3.1 Strahlenexposition aus dem Nahfeld Es ist gesichertes Wissen, dass die Mobilfunkstrahlung un-terhalb des SAR-Wertes von 2,0 W/kg – also des Grenzwer -tes, der für die Nahfeldexposition beim mobilen Te lefonie-ren gilt – das Elektroenzephalogramm (EEG) messbar ver-ändert, was mittels Hirnstromableitung mehrfach nachge-wiesen wurde (9,10,11). Ungeklärt ist lediglich, ob diesen

Veränderungen pathophysiologische Bedeutung zukommt.Darüber hinaus belegen die Ergebnisse zahlreicher experi-menteller Untersuchungen aus Labor- und Tierversuchen,dass Struktur und Funktion der Gene verschiedenermenschlicher und tierischer Zellen zum Teil weit unterhalb2,0 W/kg beeinträchtigt werden (12). Was gentoxische Ver-änderungen durch HF-EMF angeht, die Voraussetzung für

Mittelungsmasse

Ganzkörper 0,08 W/kg

2,0 W/kgKopf-Rumpf 10 g Teilkörper

Basisgrenzwerte in SAR

Frequenz

400 MHz

900 MHz

1.800 MHz

2.100 MHz

E (V/m)

28

41

58

61

H (A/m)

0,073

0,11

0,15

0,16

B (µT)

0,092

0,14

0,19

0,2

LFD (W/m2)

4,5

9,0

10,0

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31

4. Allgemeine Kritik an den geltenden Grenzwerten

4.1 Unterschiede zwischen Biosystemen und toter MaterieEs steht heute außer Frage, dass es zwischen der natürli-chen elektrischen Aktivität des menschlichen Körpers undden elektromagnetischen Feldern aus der Umwelt, deren In-tensität als Folge des technischen Fortschritts in den letz-ten Jahrzehnten stetig zugenommen hat, zu einer Wech -selwirkung kommt. Da organisches Gewebe aus lebendenZellen besteht, die große und kleine Moleküle mit elektri-schen Ladungen enthalten, und physiologische Vorgängewie die Nervenleitung auf elektrischen bzw. elektrochemi-schen Prozessen beruhen, ist eine Einwirkung der Mobil-funkstrahlung auf Biosysteme selbst bei geringer Feldstärkeschon aus theoretischen Gründen nicht verwunderlich.

Die von der Zuverlässigkeit der Grenzwerte überzeugten, inder Regel industrienahen Wissenschaftler sind offensicht-lich nicht fähig oder willens zu erkennen, dass zwischeneinem lebenden Organismus und einem mit einer leitfähi-gen Flüssigkeit gefüllten Plastikkopf, wie er bei der Festle-gung des Grenzwertes verwendet wurde, gravierende Un -

terschiede bestehen. Sie sind selbst dann nicht beunruhigt,wenn sie erfahren, dass elektronische Einrichtungen undGeräte wie z. B. Infusionspumpen auf Intensivstationendurch die vom Mobiltelefon oder anderen Quellen ausge-hende Strahlung empfindlich gestört werden können(24,25). Sie setzen im Gegenteil voraus, dass das biologi-sche System des Menschen Funktionsstörungen entwedervon Anfang an verhindert oder nach ihrem Auftreten raschkorrigiert. Häufig mag das auch tatsächlich zutreffen. Dochwie das Phänomen der Elektrosensibilität zeigt, ist dieseFehlerfreundlichkeit offensichtlich sehr unterschiedlichausgeprägt.

4.2 Strahlenwirkungen unterhalb der GrenzwerteDie 1998 erfolgte Festlegung der Grenzwerte durch die IC-NIRP (2) beruht auf der Annahme, dass es außer der längstbekannten Wärmewirkung von HF-EMF keine anderen fürdie Grenzwertfindung relevanten Wirkungen gibt. So ge-nannte athermische Wirkungen unterhalb der festgelegtenGrenzwerte sind unberücksichtigt geblieben mit der Be-gründung, dass ihr Vorkommen nicht bewiesen ist. Schon

die Entstehung von chronischen Krankheiten sein können,hat Hugo Rüdiger kürzlich in einer Literaturübersicht 101Publikationen ausgewertet. Dabei stellt er fest, dass in 49Arbeiten über gentoxische Wirkungen von HF-EMF berich-tet wird; dass in 9 weiteren Arbeiten die gentoxischen Wir-kungen von bekannten chemischen oder physikalischenAgenzien durch HF-EMF verstärkt werden, ohne dass HF-EMF sich selbst als gentoxisch erwies; dass jedoch auf deranderen Seite in 49 Arbeiten keinerlei Hinweis auf gento-xische Wirkungen erhalten wurde (13). Ergebnisse dieserArt stützen die Vermutung, dass der in mehreren epide-miologischen Studien bei Mobiltelefonnutzern nach 10 undmehr Jahren beobachtete Anstieg des Hirntumorrisikoskausal mit der Strahlenbelastung zusammenhängen könnte(12, 14).

Natürlich stört die Tatsache, dass die Ergebnisse der Grund-lagenforschung so widersprüchlich sind, was sich nur z. T.aus den Unterschieden der benutzten Zellsysteme, der Ver-suchsanordnungen sowie der Nachweismethoden von un-terschiedlicher Sensitivität und Spezifität erklärt (15,16).Doch die zahlreichen positiven Befunde können durch nochso viele negative nicht entwertet werden. Um Licht in die-ses Dunkel zu bringen, wäre transparente, zielorientierteund von Interessenskonflikten freie Forschung erforderlich,wie sie im Bereich der Mobilfunkforschung nicht die Regelist.

3.2 Strahlenexposition aus dem FernfeldIm Vergleich zur Datenlage bei der Nutzung des Mobiltele-fons im Nahfeldbereich ist das Wissen um die Wirkungen

der von Basisstationen ausgehenden Strahlung weitaus un-bestimmter. Thermische Wirkungen können bei dieser ausder Ferne kommenden Strahlung wegen deren geringer In-tensität mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Band-breite der Belastung der Bevölkerung liegt lediglichzwischen 0,01 und gut 10 Prozent des in Deutschland fürBasisstationen geltenden Grenzwertes (Tabelle 2) (17). Den-noch wird in der wissenschaftlichen Literatur zunehmendüber gesundheitsschädliche Beeinträchtigungen berichtet(18). Es wird sogar vermutet, dass bei Langzeitexpositionauch das Krebsrisiko ansteigen könnte. Neuere Arbeitenweisen insbesondere darauf hin, dass unter der Strahlungaus dem Fernbereich vor allem elektrosensible Personen lei-den, zu denen bis zu 5 Prozent der Bevölkerung gezähltwerden können (19). Vor allem diese Menschen, aber auchandere ohne Hinweis auf eine solche Anamnese, klagenwegen der Strahlenexposition über eine Vielfalt körperli-cher und psychischer Störungen (20, 21, 22). Der Grund fürdiese schwer zu fassende Symptomatik könnte auf einerFunktionsstörung des Zentralnervensystems beruhen, diedurch die Strahlung bewirkt wird (23). Wegen der Wider-sprüchlichkeit der Literatur ist es gegenwärtig nicht mög-lich, von gesicherten Erkenntnissen auszugehen. Doch dieHinweise auf das tatsächliche Vorkommen solcher strah-lenbedingter Störungen der Gesundheit haben inzwischendeutlich an Gewicht gewonnen.

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Der Anachronismus der geltenden Grenzwerte

1998 war eine solche Annahme kaum noch zu rechtferti-gen. In der Zwischenzeit haben aber zahlreiche neue Stu-dien gezeigt, dass unterhalb des Grenzwertes, der für dieNutzung des Mobiltelefons von Bedeutung ist und für Kopfund Rumpf 2,0 W/kg beträgt, in isolierten menschlichenund tierischen Zellen biologische Wirkungen auftreten, diefür die Entstehung von Krankheiten relevant sind (12,13).Eigene Untersuchungen, denen zufolge menschliche Fibro-blasten nach einer 24-stündigen Exposition gegenüberGSM 1800 (Global System for Mobile Communications; 2.Mobilfunkgeneration) bereits bei einem SAR-Wert von 0,3W/kg, gegenüber UMTS (Universal Mobile Telecommunica-tions System; 3. Mobilfunkgeneration) sogar schon beieinem SAR-Wert von 0,05 W/kg mit einen signifikanten An-stieg von DNA-Strangbrüchen reagieren, tragen zu dieserErkenntnis bei (26, 27). Selbst die Zuverlässigkeit der ab-geleiteten Grenzwerte für die Strahlung, wie sie von denBasisstationen ausgeht, muss mehr und mehr angezweifeltwerden. Bei elektrosensiblen Menschen (19), aber auch beiPersonen ohne gesteigerte Reaktionsbereitschaft wird zu-nehmend über das Auftreten gesundheitlicher Störungenunterschiedlichster Art berichtet, die durchaus von derStrahlenbelastung abhängen könnten (20, 21, 22, 23, 28). Sokann mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgegangenwerden, dass die Strahlung von Basisstationen auch weitunterhalb der Grenzwerte eine Fehlstimulation des Zen-tralnervensystems bewirkt und auf diese Weise das mensch-liche Befinden beeinträchtigt (23).

4.3 Mögliche WirkungsmechanismenBei der Festlegung der Grenzwerte durch die ICNIRP warmedizinischer Sachverstand ganz offensichtlich nicht er-wünscht. Kritiker der Annahme athermischer Wirkungen derMobilfunkstrahlung weisen routinemäßig darauf hin, dassder Energiegehalt der Mobilfunkstrahlung bei weitem nichtausreiche, um eine chemische Bindung aufzubrechen. DieseAnnahme ist jedoch falsch, da alle wesentlichen bis jetztnachgewiesenen Wirkungen wohl auf indirektem Wege zu-stande kommen. Sie sind möglicherweise auf die Freiset-zung von Sauerstoff- und Stickstoffradikalen, auf eineteil weise Hemmung der DNA-Reparatursysteme oder aufmikrothermale Veränderungen der Zellmembran zurückzu-führen, wie sie erst vor kurzem nachgewiesen worden sind.Diese Mechanismen der Strahlenwirkung werden unmittel-bar nach Beginn der Exposition ausgelöst.

Wie Rony Seger und Mitarbeiter (30) sowie Ulrich Warnkein seinem Beitrag zeigen, wird durch die Freisetzung vonRadikalen eine Kaskade von intrazellulären Ereignissen an-gestoßen, die für Veränderungen der Signaltransduktion,der Gen- und Proteinexpression sowie die Entstehung vonGenschäden verantwortlich sein kann, die wir in vitro mes-sen können. Jan Gimsa von der Universität Rostock trug beider oben erwähnten Konferenz in Stuttgart vor, dass dieVerteilung der elektrischen Energie in den Schichten derZellmembran verschieden ist und um einen Faktor bis 10

höher sein kann als in der Zellmembran als Ganzes (6).Diese Angaben wurden durch den Beitrag von Markus An-tonietti vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenz-flächenforschung in Potsdam gestützt, der als Modell fürdie Zellmembranen Öl/Wasser- und Wasser/Öl-Emulsionenverwendete und dabei eine höchst unterschiedliche Ener-gieabsorption feststellte (6, 29).

Es ist folglich zu vermuten, dass der menschliche Or-ganismus wegen seiner elektrischen und elektroma-gnetischen Eigenaktivität auf von außen einwirkendeFeldbelastungen reagiert, dies aufgrund der athermi-schen Wirkungen weit unterhalb der geltenden Grenz- werte. Die Gleichsetzung des menschlichen Organis-mus mit toter Materie, wie bei der Festlegung derGrenzwerte geschehen, war von Anfang an ein Irrweg,der zu vermeiden gewesen wäre, wenn medizinischerSachverstand dabei eine Rolle gespielt hätte. Aus demgegenwärtigen Stand der Forschung ergibt sich zwei-felsfrei die Schlussfolgerung, dass die Positionen derWHO, der ICNIRP, der Europäischen Union (EU) unddes Großteils ihrer Mitgliedstaaten mit dem gegen-wärtigen Stand des Wissens nicht in Einklang zu brin-gen sind. Seit den Anfängen der Hochfrequenzfor-schung angenommene athermische Wirkungen wur-den inzwischen durch Hunderte von experimentellenBeobachtungen bezeugt, auch bei sehr niedrigenStrahlungsintensitäten. Dass sie von wissenschaftli-chen Gremien, die Regierungen und Industrie bera-ten, noch immer geleugnet werden, widerspricht jederwissenschaftlichen und gesundheitspolitischen Ver-nunft.

Bei dieser Sachlage wird der Verdacht zur Gewissheit,dass dieses Leugnen athermischer Wirkungen nur derAbsicherung geltender Grenzwerte dient und dass derVerrat wissenschaftlicher wie politischer Verantwor-tung dabei billigend in Kauf genommen wird. Die Be-völkerung hat folglich keinen Anlass, dem an gebli-chen Schutz durch gegenwärtige Grenzwerte zu ver-trauen. Sie kann zwar sicher sein, dass die geltendenGrenzwerte tatsächlich nicht überschritten werden.Dies hat jedoch weder mit gesundheitspolitischer Ver-nunft noch mit Rücksichtnahme oder gar Menschen-freundlichkeit zu tun. Es ist ausschließlich daraufzu rückzuführen, dass die Grenzwerte auf Betreibenvon Militär und Industrie von Anfang an weit höherangesetzt wurden, als es zum Funktionieren der Tech-nologie erforderlich gewesen wäre.

Auch heutige Kritiker der Entwicklung stellen dieMöglichkeit schnurloser Kommunikation nicht prin-zipiell in Frage. Sie fordern zum einen Senkungen derGrenzwerte und einen Abbau aktueller Strahlenbela-

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stungen, der möglich wäre, ohne die Kommunikationgrundsätzlich zu gefährden. Sie plädieren zum ande-ren für die Weiterentwicklung von innovativen Tech-

nologien schnurloser Kommunikation, die menschen-und umweltverträglicher sind als die gegenwärtigeingesetzten.

5. Spezielle Kritik an den geltenden Grenzwerten

Die ICNIRP hat in ihren Statuten festgelegt, dass die Grenz-werte im Verlauf der Jahre dem jeweiligen Stand des Wis-sens angepasst werden müssen. Dass dies seit 1998 trotzdes großen Zugewinns an Wissen nicht geschehen ist, dürf -te damit zusammenhängen, dass sich die Ergebnisse in allenForschungsbereichen, also in Epidemiologie, bei Tierexperi-menten und in der Grundlagenforschung im Labor, zu wi-dersprechen scheinen. Wissenschaftlichen Publikationenmit positiven Ergebnissen stehen ebenso viele mit negati-ven Ergebnissen gegenüber. Die ICNIRP nimmt für sich dasRecht in Anspruch, zwischen guter und schlechter For-schung zu entscheiden – und gut scheint ihr alles, was kei -ne Gefährdung von Mensch und Umwelt annimmt. Aberauch die ICNIRP wird sich der längst fälligen Revision derGrenzwerte nicht auf Dauer widersetzen können. Das er-gibt sich bereits aus der allgemeinen Kritik an den beste-henden Grenzwerten. Eine Reihe neuerer Erkenntnisse, diebis jetzt bei ihrer Erstellung völlig unberücksichtigt geblie-ben sind, wird die Revision unumgänglich machen.

5.1 Abhängigkeit der biologischen Wirkung vonFrequenz, Signalcharakteristik und Expositions-dauer

Die athermischen biologischen Wirkungen von HF-EMF sind nicht nur von der Feldstärke der Strahlungund damit vom SAR-Wert abhängig, sondern werdenvon weiteren Parametern mit bestimmt: der Frequenzder Trägerwelle, der Polarisation, der Pulsung, der Mo-dulation, der Expositionsdauer, ob intermittierendoder kontinuierlich, usw. Selbst im technischen Be-reich scheint die Störanfälligkeit elektronisch ge-steuerter Geräte von der Frequenz abhängig zu sein(24). Besonders wichtig sowohl für die Informations-übertragung als auch die biologische Strahlenwirkungist die Art der Modulation, die sich im Wesentlichenin Frequenzmodulation, Amplitudenmodulation undPulsmodulation unterteilen lässt (31, 32). Igor Belyaevhat als erster darauf hingewiesen, dass die gentoxi-sche Wirkung der UMTS-Strahlung die der GSM-Strahlung möglicherweise aufgrund der besonderenArt der Signalzusammensetzung übertrifft (33).

Die UMTS-Systeme verwenden als Signale Breitbandmikro-wellen, die offensichtlich biologisch besonders wirksame

Fre quenzen enthalten. Diese Hypothese wird durch erst vorKurzem publizierte Ergebnisse der Arbeitsgruppe von Be-lyaev gestützt, die die gentoxische Wirkung der UMTS-Strahlung bestätigen (34). Die Ergebnisse der REFLEX-Studie und ihrer Folgeuntersuchung sowie die eines Expe-riments mit Mäusen am Fraunhofer-Institut in Hannoverwei sen in dieselbe Richtung. Schwarz et al. stellten fest,dass gentoxische Wirkungen der UMTS-Strahlung in mensch- lichen Fibroblasten bereits bei einem SAR-Wert von 0,05W/kg nachzuweisen sind. Dieser Wert macht gerade einVierzigstel des geltenden Grenzwertes von 2,0 W/kg aus(27). Bei der GSM-Strahlung war unter sonst vergleichba-ren Bedingungen ein deutlich höherer SAR-Wert von 0,3W/kg erforderlich, um die DNA-Strangbruchrate signifikantzu erhöhen (26). Tillman et al. zeigten in ihrem Experimentmit Mäusen, dass während der Tragezeit im Mutterleib undnach der Geburt lebenslang mit UMTS bestrahlte Tiere (4,8bzw. 48 W/m2) im Vergleich zu unbestrahlten Kontrolltierensignifikant häufiger an Lungen- und Lebertumoren er-krankten, wenn die Muttertieren zu Beginn der Tragezeitmit der krebserzeugenden Substanz Äthylnitrosoharnstoffbehandelt worden waren (35). Eine Leistungsflussdichte von4,8 W/m2, also die Hälfte des Grenzwertes, der für UMTS-Basisstationen gilt, war für das verstärkte Krebswachstumausreichend. In der im selben Forschungsinstitut zuvordurch geführten PERFORM-A-Studie mit Ratten hatte sichdie GSM-Strahlung als weitgehend unwirksam erwiesen(36). Dafür, dass die Wirkung der UMTS-Strahlung stärkerist als die der GSM-Strahlung, sprechen auch die Ergeb-nisse der holländischen TNO-Studie (27). In einem kontrol-liertem Versuch waren die der UMTS-Strahlung gegenüberexponierten Personen sehr wohl in der Lage, die Strahlen-wirkung aufgrund der bei ihnen aufgetretenen Befindlich-keitsstörungen zu erkennen, während ihnen dies bei derGSM-Strahlung weit weniger gelang.

5.2 Besondere Verhältnisse bei Kindern

Dringend der Klärung bedarf weiterhin die Frage, obdie geltenden Grenzwerte der Gruppe der Kinder undJugendlichen gerecht werden, die inzwischen zu deneifrigsten Nutzern des Mobiltelefons zählt. In Deutsch-land besaßen bereits 2007 an die 80 Prozent der 14bis 17 Jahre alten Mädchen und kaum weniger männ-liche Jugendliche ein Mobiltelefon (37). Dass dieser

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Der Anachronismus der geltenden Grenzwerte

Die verstärkte Absorption im Knochenmark von Kindernkönnte auch die ansteigende Leukämierate erklären, die seiteinigen Jahrzehnten parallel zur Ausbreitung von techno-logischen Anwendungen elektromagnetischer Felder zu be-obachten ist. Niederfrequente wie hochfrequente elektro -magnetische Felder müssen bei dem gegenwärtigen Standder Forschung als mögliche Mitursache in Betracht gezogenwerden (42, 43).

Eine erhöhte Gewebsempfindlichkeit bei Kindern, wie sievon vielen Wissenschaftlern vermutet wird, erscheint an-gesichts der besonderen physiologischen Verhältnisse mög-lich, bedarf aber weiterer Abklärung. Auch kann nichtausgeschlossen werden, dass sich frühkindliche Belastun-gen als Spätfolgen bemerkbar machen. Was z.B. im Kin-desalter als Leukämie in Erscheinung tritt, könnte sich –nach einer mehr oder weniger langen Latenzzeit – später imLeben als (Mit)Ursache bei der Entstehung chronischer Er-krankungen wie z.B. von Hirntumoren oder neurodegene-rativen Störungen auswirken. Wegen der hohenLebenserwartung von Kindern sind für Spätfolgen zeitlichkaum Grenzen gesetzt. Dass mit den bestehenden Grenz-werten der besonderen Situation von Kindern und Jugend-lichen noch weniger als bei Erwachsenen Rechnunggetragen wird, braucht im Hinblick auf die beschriebeneSachlage nicht weiter betont zu werden.

Die International Agency for Research on Cancer (IARC) hatELF-EMF bereits im Jahr 2001 als mögliche Ursache für diekindliche Leukämie eingestuft (42). Im REFLEX-Projekt wur -de gezeigt, dass eine intermittierende Exposition von mensch-lichen Fibroblasten gegenüber ELF-EMF gentoxische Wir -kungen zur Folge hat. Ein signifikanter Anstieg der DNA-Strangbruchrate wurde bei 35 µT festgestellt (46). Die gen-toxische Wirkung von ELF-EMF, die dafür spricht, dass diein epidemiologischen Studien beobachtete Zunahme derLeukämie bei Kindern auf die Strahlung zurückzuführen ist,ist vor kurzem von der Arbeitsgruppe von Primo Schär ander Universität Basel ohne jede Einschränkung bestätigtworden (47). Dennoch ist nicht erkennbar, dass die politischVerantwortlichen daraus irgendwelche Konsequenzen ziehen.Der geltende Grenzwert für ELF-EMF liegt in Deutschlandgegenwärtig bei 100 µT und ist in höchstem Maße revisions-bedürftig. Von der bisherigen Obergrenze dieses Grenzwer-tes ausgehend, hat die ICNIRP vermutlich keine Ver an-lassung gesehen, auch nur darüber nachzudenken, ELF-EMFin die Grenzwertfindung bei der Mobilfunkstrahlung miteinzubeziehen. Bei der zu erwartenden Revision der Grenz-werte im Mobilfunkbereich wird auch zu dieser Problema-tik Stellung bezogen werden müssen.

Trend längst auch in weit jüngere Jahrgänge hinein-reicht, darf als gesichert angenommen werden. Beikeinem der geltenden Standards sind die geringereGröße, die größere physiologische Empfindlichkeitund die höhere Leitfähigkeit des Kopfes von Kindern,Jugendlichen und Frauen berücksichtigt. Aufgrund deranatomischen und physiologischen Verhältnisse er-gibt sich aber, dass das Gehirn von Kindern bei Nut-zung des Mobiltelefons deutlich mehr Strahlungs-energie aufnimmt als dasjenige Erwachsener und dassdie Strahlung bei Kindern noch dazu tiefer in das Ge-hirn eindringt. Verschiedene Untersuchungen habengezeigt, dass die Strahlenabsorption bei gleicher Ex-position im Gehirn von Kindern unter acht Jahren an-nähernd doppelt so hoch ist wie bei Erwachsenen; imKnochenmark, von wo Leukämien ihren Ausgang neh-men, muss im Vergleich zu Erwachsenen sogar voneiner um den Faktor zehn und mehr erhöhten Ab-sorptionsrate ausgegangen werden (38, 39, 40, 41).

Neben der HF-EMF-Hauptkomponente enthält dieMobilfunkstrahlung auch eine ELF-EMF-Neben kom -ponente. An der Oberfläche des Mobiltelefons wirdeine durch die Batterie bedingte magnetische Fluss-dichte bis zu 25 µT erreicht (44), von der bis jetzt le-dig lich bekannt ist, dass sie das Ruhe-EEG desMen schen beeinflusst (45). Hinzu kommen die Kom-ponenten für die Modulation (<1Hz … 1500 Hz). Inzahlreichen epidemiologischen Studien wird ein er-höhtes Leukämierisiko bei Kindern gefunden, wenn diedurchschnittliche ELF-EMF-Belastung 0,2 µT über-schritten hat (42, 43).

5.3 ELF-EMF-Komponente bei Mobiltelefonen

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6.1 Offizielle Gesundheitspolitik im Wider-spruch zum Stand der ForschungSeit dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden von Politikund Industrie und den sie beratenden Wissenschaftlern ent-gegen dem Stand des Wissens folgende Vorstellungen ver-treten:1. Alle bekannten biologischen Strahlenwirkungen sind

ausschließlich thermischer Natur. 2. Unterhalb der geltenden Grenzwerte, die auf der

Grundlage thermischer Wirkungen erstellt wurden, gibt es keine biologischen Wirkungen von patho-physiologischer Relevanz.

3. Unter dieser Voraussetzung ist die Frage nach unter-schiedlichen Wirkungen in Abhängigkeit von Frequenz, Pulsung, Modulation, usw. irrelevant.

4. Infolgedessen bieten die geltenden Grenzwerte der Bevölkerung einen verlässlichen gesundheitlichen Schutz vor den Risiken elektromagnetischer Strahlung.

6. Schlussfolgerungen

Jede dieser Behauptungen ist mit hoher Wahrscheinlichkeitfalsch und mit dem Stand wissenschaftlicher Erkenntnissenicht zu vereinbaren. Der Irrtum beruht vor allem darauf,dass der Grenzwertfindung ausschließlich physikalischeMessgrößen zugrunde liegen, die mit biologischen Wirkun-gen nichts gemein haben müssen. Dies hat die WHO bereits1981 klar gestellt, als sie erklärte, ,,dass Grenzwerte, dieauf der Grundlage spezifischer Absorptionsraten festgelegtwurden, ungeeignet sind, biologische Systeme wie denmenschlichen Organismus vor den Gefahren der Hochfre-quenzstrahlung zu schützen“ (Kasten 2) (48). Dass die WHOvon dieser Erkenntnis im Lauf der Jahre wieder Abstand ge-nommen hat, ist wohl am besten mit der inzwischen be-kannt gewordenen engen Zusammenarbeit zwischen ihrund der Industrie zu erklären.

Kasten 2übersetzt aus: WHO 1981: Environmental health criteria for radiofrequency and microwaves

In Abwesenheit ausreichenden Wissens über die Interaktionsmechanismen zwischen der Mikrowellenenergie undbiologischen Systemen und im Lichte der den SAR-Werten anhaftenden Einschränkungen können folgende Schlüssegezogen werden:

- Der SAR-Wert allein kann nicht für die Extrapolation der Wirkungen von einem biologischen Systems auf ein anderes oder für die Extrapolation der biologischen Wirkungen von einer Frequenz auf die andere verwendet werden.

- Expositionskurven, die einen bestimmten SAR-Wert für eine festgelegte Masse innerhalb des Mikrowellen/HF- Energiespektrums anzeigen, können für die Vorhersage einer entsprechenden Durchschnittserwärmung einer Masse benutzt werden, vorausgesetzt, die Daten hinsichtlich der Wärmeverteilung entsprechen einander in der Wärmeverteilungsdynamik. Solche Kurven dürfen jedoch nicht die einzige Grundlage sein, um biologische Wirkungen oder Gesundheitsrisiken innerhalb des Mikrowellen/HF-Spektrum vorherzusagen, da es nach heutigemWissen nicht möglich ist, davon auszugehen, dass eine bestimmte Energieabsorptionsrate für gegebene Strahlungsfrequenzen immer gleiche biologische Wirkungen verursacht.

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Der Anachronismus der geltenden Grenzwerte

6.2 Offizielle Gesundheitspolitik im Wider-spruch zur Positionsbestimmung des BfS Das BfS hat 2005 in seiner Positionsbestimmung zur Ge-fahrenabwehr nicht-ionisierender Strahlung gefordert „Hin -weise auf biologische Effekte“ ernst zu nehmen und dem

„Prinzip der Vorsorge“ Rechnung zu tragen, dies ganz be-sonders im Hinblick auf die Gruppe der „Jugendlichen undHeranwachsenden, bei denen eine besondere Strahlenemp-findlichkeit bisher nicht ausgeschlossen werden kann“ (8).

Kasten 3aus: Positionsbestimmungen des BfS zu Grundsatzfragen des Strahlenschutzes

Gefahrenabwehr durch SchutzmaßnahmenDer verantwortungsvolle Umgang mit Risiken setzt ganz allgemein voraus, dass neben die Abwehr von Gefahrendurch das Ergreifen von Schutzmaßnahmen das Prinzip der Vorsorge als eigenständige Maßnahme tritt […]. Im Be-reich der nicht-ionisierenden Strahlung gilt zwar ein durch eine Wirkungsschwelle charakterisiertes Schadensein-trittskonzept. Aber auch hier gibt es Hinweise auf biologische Effekte unterhalb dieser Schwellen, deren ge sund-heitliche Relevanz derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden kann. […] Zwar sind die Energien nicht-ioni-sierender hochfrequenter elektromagnetischer Felder zu niedrig, um zur Krebsinduktion beizutragen. Es werdenaber in der wissenschaftlichen Diskussion Mechanismen zur Krebspromotion diskutiert. Aus diesem Grund ist auchhier Vorsorge angezeigt, insbesondere bei Jugendlichen und Heranwachsenden, bei denen eine besondere Strah-lenempfindlichkeit bisher nicht ausgeschlossen werden kann.

Kasten 4aus: Positionsbestimmungen des BfS zu Grundsatzfragen des Strahlenschutzes

Perspektive 2005Die im Bereich ionisierender Strahlung und in der Gesundheitspolitik allgemein anerkannte Notwendigkeit der Vor-sorge ist im Bereich der nicht-ionisierenden Strahlung bisher noch nicht in das Bewusstsein der Bevölkerung ge-langt; dies gilt es bei der ohnehin überfälligen Regelung zum Schutze gegen die Gefahren nicht-ionisierenderStrahlung zu ändern.

In der gleichen Positionsbestimmung fordert das BfS 2005,die Risiken nicht-ionisierender Strahlung und die Notwen-digkeit der Vorsorge auch im „Bewusstsein der Bevölke-rung“ zu verankern, um einer „überfälligen Regelung zumSchutze gegen die Gefahren nicht-ionisierender Strahlung“den Boden zu bereiten (8). Was heute tatsächlich geschieht,

entspricht dem Gegenteil dieser Forderung. Die Bevölke-rung wird in der fahrlässigsten Weise mit regierungsamtli-chen Entwarnungen versorgt, die Aufklärung von Schulen,Umweltärzten und Elternhäusern weitgehend dem Infor-mationszentrum Mobilfunk e.V. (IZMF), der Interessenver-tretung der Mobilfunkindustrie anvertraut.

Warum das BfS sich mit seinen zutreffenden Vorstellungennicht durchsetzen kann, wirft zahlreiche Fragen auf. DerWahrheit am nächsten dürfte wohl die Annahme kommen,dass dem BfS auf Weisung von oben die Hände gebundensind, im Sinne der ursprünglichen Aufgabenbestimmungtätig zu werden. Es scheint nicht in der Lage zu sein, diezum Schutze der Bevölkerung erforderlichen Maßnahmengegen den Willen der politisch Weisungsbefugten zu er-greifen und durchzusetzen. Offensichtlich wird das Wirkeneiner Behörde behindert, auf deren Unabhängigkeit es imInteresse eines realistischen Gesundheits- und Umwelt-schutzes entscheidend ankäme.

6.3 Absicherung der offizielle Gesundheitspolitikdurch ,geeignete’ wissenschaftliche BeraterDie guten und berechtigten Vorschläge des BfS bedeutetenfür die staatliche Politik des Mobil- und Kommunikations-funks eine wachsende Gefahr, von einem von ihnen selbsteingesetzten Beratungsgremium des fahrlässigen Umgangsmit den Risiken des Mobilfunks und der Gesundheit der Be-völkerung geziehen zu werden und die politische Glaub-würdigkeit einzubüßen. Um dieser Gefahr zu begegnen undrichtige Einsichten guten Gewissens ignorieren zu können,sorgen zu ,Experten’ ernannte Wissenschaftler, die widerbesseres Wissen oder aus Unbedarftheit jegliches Risiko inAbrede stellen, deshalb für die Rechtfertigung der politi-schen Entscheidungen. Kritische Einwände von so genann-ten ,Bedenkenträgern’ werden auf dieser Grundlage a priori

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als unsinnig eingestuft; die Verteidigung industrieller Pro-fite avanciert zum gesundheitspolitisch unbedenklichenSchutz ‚volkswirtschaftlicher’ Interessen.

Die vor Kurzem erfolgte Berufung eines Wissenschaftlers,der für besonders gute Beziehungen zur Mobilfunkindustriebekannt ist, in die Strahlenschutzkommission (SSK) des BfSund seine gleichzeitige Ernennung zum Leiter des Aus-schusses Nichtionisierende Strahlen, des wichtigsten ein-schlägigen Beratungsgremiums der Bundesregierung, ist indiesem Zusammenhang ein Vorgang von symptomatischerBedeutung. In geradezu militanter Weise hat der Berufenedie Behauptung der Unschädlichkeit der Mobilfunkstrah-lung zum Markenzeichen seines Wirkens gemacht. SeineEntwarnungen und beharrlichen Bestätigungen der Grenz-werte scheinen geeignet, eine Politik des Nichtstuns undder Verharmlosung bis auf Weiteres ,wissenschaftlich’ ab-zusichern. Seine offensichtlich den Interessen von Politikund Industrie angepasste Einstellung wird aber auch da-durch befördert, dass von der Industrie finanzierte For-schungsvorhaben fast ausschließlich an ähnlich ,geeignete’Wissenschaftler vergeben werden, die im Gegensatz zu un-abhängigen Forschern fast regelmäßig zu einem Nuller-gebnis kommen (49, 50).

6.4 Absicherung der offiziellen Gesundheitspoli-tik durch das Deutsche Mobilfunk-Forschungs-programm (DMF)Das DMF wurde von 2002 bis 2008 unter Federführung desBfS in zahlreichen Forschungseinrichtungen größtenteils inDeutschland durchgeführt. Die Kosten betrugen Euro 17 Mio.,wovon von der Industrie die Hälfte übernommen wordenwar. Das DMF kommt in seiner von der SSK des BfS vorbe-reiteten zusammenfassenden Bewertung zu der Erkenntnis,dass insgesamt kein Anlass besteht, die Schutzwirkung dergeltenden Grenzwerte vor gesundheitlichen Risiken in Zwei- fel zu ziehen. Eine solche Aussage ist mit den verfügbarenForschungsergebnissen nicht annähernd in Einklang zu brin- gen (12, 31). Betroffen macht insbesondere das Eingeständ-nis, dass das DMF auf die wichtigsten Fragen keine ab -schließende Antwort geben kann. So wird eingeräumt, dassman wenig über mögliche Langzeitfolgen der Mobilfunk-strahlung bei Erwachsenen weiß, und dass bei Kindern„nichts“ anstelle von „wenig“ zu setzen ist. Durch das Feh-len der Antworten auf entscheidende Fragen wird die ent-warnende Botschaft der Bundesregierung nicht einmaldurch die im eigenen Forschungsprogramm erhaltenen Er-gebnisse gedeckt, erst recht nicht durch den sich aus derinternationalen Literatur ergebenden Stand des Wissens.Mit der vagen Empfehlung an die Bevölkerung, im Umgangmit dem Mobiltelefon ein bisschen vorsichtig zu sein, wirddie Bundesregierung ihrer Aufgabe, für eine verantwor-tungsvolle und vorausschauende Gesundheitspolitik zu sor-gen, nicht gerecht.

6.5 Chaos in der internationalen GrenzwertfestlegungDas Misstrauen in die Methoden zur Grenzwertfestlegungund die Unsicherheit bezüglich der Zuverlässigkeit der vonder WHO und der EU empfohlenen Grenzwerte haben dazugeführt, dass trotz großer Bemühungen eine einheitlicheRe gelung bis heute nicht erzielt werden konnte. Die natio-nalen Regierungen von mindestens neun Mitgliedstaatender EU, darunter Griechenland, Polen und vor kurzem auchBelgien, sind den Grenzwertempfehlungen der EU nicht ge-folgt. Sie haben für Basisstationen ebenso wie Russland,China, und die Schweiz Grenzwerte festgelegt, die deutlichunterhalb den von der ICNIRP empfohlenen liegen und alsVorsorge gelten können, so lange sie nicht durch neue For-schungsergebnisse in Frage gestellt werden. Im Großher-zogtum Luxemburg ist ein Höchstwert von 3 Volt/Meter fürdas elektrische Feld eines Senders vorgeschrieben, der sichin der Nähe von menschlichen Behausungen befindet. In derSchweiz ist der Grenzwert um den Faktor 100 niedriger alsin Deutschland, muss allerdings nur an Orten mit ,sensibler’Nutzung, z. B. im Umfeld von Schulen und Kindergärten,strikt eingehalten werden und gilt nur für eine einzelne An-lage. In Liechtenstein ist dieser Anlagegrenzwert gegenüberder Schweiz nochmals um den Faktor 100 gesenkt worden.Offenbar wird die Verpflichtung auf das Vorsorgeprinzipzum Schutze der Bürger von Land zu Land ganz unter-schiedlich interpretiert. Mit gutem Grund hat auch das Eu-ropäische Parlament seine Zweifel an geltenden Grenz -werten zum Ausdruck gebracht und eine Revision der Grenz-werte gefordert. Und mit Recht hat es damit indirekt auchdeutlich gemacht, dass Regierungen von Mitgliedsstaaten,die an den jetzigen Grenzwerten festhalten, ihrer Pflichtzum Bevölkerungsschutz wohl nicht gerecht werden.

6.6 Vorsorgeprinzip

Laut Eurobarometer haben 70 Prozent der europäi-schen Bürger Zweifel, ob der Mobilfunk wirklich soharmlos ist wie von Politik und Industrie behauptetwird (51). Die Hinweise auf mögliche gesundheits-schädliche Wirkungen sind nach Auffassung einer zu-nehmenden Anzahl von Wissenschaftlern auch deutlichgenug, um ihre Berücksichtigung zu fordern. Selbstfür verbleibende Ungewissheiten könnte das Risikodes Nichtstuns weit größer sein als dasjenige vonMaßnahmen zu einer wirksamen Risikobegrenzung.

Die Politik hat bei dieser Voraussetzung die gesetzli-che Aufgabe zu prüfen, ob die Sicherheit der Bevöl-kerung wirklich gewährleistet ist, der Schutz derKin der in ganz besonderer Weise. Da ein ausreichen-der Schutz mit dem gegenwärtigen Grenzwertsystemnicht erreichbar erscheint, sollte dieses so schnell wie

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Der Anachronismus der geltenden Grenzwerte

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Da Organisationen wie WHO und ICNIRP trotz der in-zwischen vorliegenden Vielzahl von Forschungser-gebnissen, die die Grundlagen ihrer Grenzwertbe-stimmung beseitigen, bis heute keinen Anlass dafürsehen, die von ihnen 1998 vorgeschlagenen Grenz-werte zu senken (56, 57), ist es mehr denn je die Auf-gabe einer unabhängigen Wissenschaft, die Einlösungder Verpflichtung zur Vorsorge von der Politik zu ver-langen und diese bei der Verwirklichung der Aufgabedann auch zu unterstützen. Und es ist das gute Rechtvon Bürgern, von ihren politischen Repräsentanteneine Gesundheits- und Umweltpolitik zu fordern, diesich auf unabhängige Wissenschaftler stützt. Die Ein-führung immer neuer Techniken – wie z.B. WiMax,TETRA und vermutlich bald auch LTE –, deren biologi-sche Wirkungen noch unerforscht sind, wäre dannohne vorausgehende Prüfung nicht länger möglich.Die skrupellose Ausübung politischer und wirtschaft-licher Macht auf Kosten von Gesundheit und Umweltwäre es auch nicht. Und industriegefällige Wissen-schaftler, die anachronistische Grenzwerte bestätigenund nicht einmal vor Versuchen zurückschrecken,durch Verleumdungskampagnen den Fortgang der For- schung aufzuhalten, würden nicht länger zu Strah-lenschutzbeauftragten gemacht. Eine Vision, für diees sich lohnt, als Bürger und Wissenschaftler zukämp fen!

Literatur

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Bestätigungen athermischer Wirkungen

Prof. Dr. Wilhelm Mosgoeller (Projekt-Koordinator)

Bestätigungen athermischer Wirkungen.Ein Bericht über Ergebnisse der jüngst abgeschlossenen ATHEM - Studie

In der Frage athermischer Wirkungen betrifft die Studie auchdas Problem der Grenzwerte. In den westlichen Industrie-län dern liegt ihrer Festlegung bekanntlich die Annahme zu-grunde, dass dabei nur thermische Wirkungen zu berück-sichtigen sind. Inzwischen muss aber als weitgehend gesi-chert gelten, dass es auch athermische Wirkungen gibt, unddies weit unter den derzeitigen Grenzwerten. Mit der star-ken Verbreitung des Mobilfunks und einer entsprechendgroßen Zahl privat und beruflich exponierter Personenstellte sich also die Frage, ob auch Expositionen unterhalbder derzeitigen Grenzwerte gesundheitlich relevant seinkönnen.

Es war das Ziel der Studie, deren Ergebnisse hier vorgestelltwerden, den Fragen athermischer Wirkungen hochfrequen-ter elektromagnetischer Felder weiter nachzugehen. Dafürwurden Experimente mit GSM-1800 und UMTS unter sehrgut kontrollierten Bedingungen zum Thema Immunologie,Gentoxikologie und Proteinhaushalt an menschlichen Zel-len durchgeführt.

1.1 Untersuchte FragestellungenIm Rahmen der Studie wurden insbesondere folgende Fra-gestellungen betrachtet:

1. Hintergrund und Motivation zur Studie (2002 bis 2008)

2. Studiendesign

3. Ergebnisse

3.1 Untersuchungen am MenschenFür die Exposition von menschlichen Probanden wurde eineneuartige Expositionsanlage gebaut, die zuverlässige Dop-pelblindstudien ermöglicht. Bei den Untersuchungen an ge-sunden menschlichen Probanden wurden Auswirkungen vonFeldern des GSM-900 und der UMTS-Technologie doppel-blind untersucht, durchwegs bei Feldstärken unterhalb der

aktuellen Grenzwerte. Einige Ergebnisse bestätigten inter-nationale Untersuchungen; andere waren neu. Die wichtigs-ten sind: - Zunehmende Veränderungen des EEG im Alpha-Spektrum.- Der Effekt war ab ca. 5-10 Minuten Exposition, und - 50 Minuten nach Ende der Exposition feststellbar.

Alle Experiment- und Arbeitspläne wurden internationalbegutachtet (peer-reviewed) und befürwortet.

Die Experimente wurden ,doppelblind’ durchgeführt, umsubjektive Sichtweisen auszuschalten. Es wurden jeweils

- Beeinflussung der Gehirnfunktion - Beeinflussung des Körperabwehrsystems (Immunsystem)- Hinweise auf ein Krebsrisiko - Hinweise auf die Zellfunktion

1.2 Zur Frage der Grenzwerte Das Thema ist komplex, der Wunsch nach schnellen wissen-schaftlichen Antworten zunächst legitim. Doch schnelle undtrotzdem exakte Antworten sind bei komplexen Fragestel-lun gen kaum zu erwarten.

Für die Frage menschlicher Gesundheit sind Untersuchun-gen am Menschen oder an menschlichen Zellen ausschlag-gebend. Zur speziellen Frage eines möglichen Krebsrisikosist die Epidemiologie federführend. Insgesamt müssen Stu-dienergebnisse aller Untersuchungsarten in die Begründungder Grenzwerte einbezogen werden, wenn diese die Bevöl-kerung schützen und der Industrie Investitions-Sicherheitgeben sollen. Zugleich mit der Wissenschaft sind dabeiauch Politik und Rechtssprechung gefordert, einen gesund-heits- und umweltpolitisch akzeptablen Konsens zu suchen.

Schein-Exposition und echte Exposition verglichen. Wäh-rend der Durchführung des Experiments wussten weder dieExperimentleiter, deren Mitarbeiter noch die untersuchtenProbanden über die tatsächlichen ExpositionsbedingungenBescheid.

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Unter Exposition fand sich eine schnellere Reaktionszeit,allerdings auf Kosten der Richtigkeit von Entscheidungen:Kürzer fielen die Reaktionszeiten insbesondere bei falschenAntworten aus.

Es zeigte sich, dass Reaktionen des Zentralnervensystemsbei Exposition mit 0,1 W/kg oder 1 W/kg auftreten, und dieVeränderungen sogar nach dem Ende der Exposition nochanhalten. Geht man von der Annahme nur thermischer Wir-kungen aus, hätten diese Effekte gar nicht auftreten dürfen.Sie sind also ein weiterer Beleg für die Existenz athermi-scher Wirkungen.

3.2 Exposition von Zellen ,In-vitro’ Für drei Untersuchungs-Teams und ihre In-vitro-Experi-mente an menschlichen Zellen wurde eine Expositionsan-lage aus der Schweiz importiert, die sich inzwischen auchinternational bewährt hat.

3.3 Immunologische Untersuchungen Im Falle von zwei immunologischen Untersuchungen wurdebei GSM wie auch UMTS kein expositionsbedingter Effektgefunden. Dies gilt für die zwei intrazellulären Botenstoffe(Zytokine) IL-2 und IFN-Gamma aus Blutzellen. Sie erwiesensich als robust gegenüber der Strahlung. Gleiches gilt fürdie Untersuchung der so genannten Killerzellen, also von Zel- len, deren Funktion darin besteht, Tumorzellen abzutöten.

3.4 DNA-BrücheEs wurde mit der Comet assay Methode untersucht, ob dieGSM- und UMTS-Feldexposition Brüche in der DNA verur-sacht. Dabei fanden sich Zellen, die empfindlich auf dieStrahlung reagierten (z. B. Fibroblasten), und solche, diekeine Effekte zeigten (z.B. Lymphozyten). Die DNA-Brüche inden empfindlichen Zellen fanden sich unabhängig davon,ob die Zellen kontinuierlich oder intermittierend (5 Min ,an’,10 Min ,aus’) exponiert wurden.

Bei kontinuierlicher Exposition mit UMTS Feldern fand sicheine Dosisabhängigkeit der Effekte. Nach 24-stündiger Ex-position wurden DNA-Brüche mit sehr niedrigen (0,05 W/kg)bis hohen (2 W/kg) Intensitäten beobachtet. Weiters fandsich eine Zeitabhängigkeit bei Expositionszeiten von 8, 12,16, 20, 24 und 48 Stunden mit einer SAR von 0,1 W/kg. Bei4 Stunden fanden sich bei dieser Intensität keine Effekte.Die DNA-Bruchraten waren ab 8 Stunden signifikant erhöhtund nahmen mit größerer Dauer der Exposition zu. Ab 20Stunden waren die Werte gleichbleibend hoch.

Bei diskontinuierlicher Exposition (,an’- und ,aus’-Phasen)mit UMTS-Feldern wurden verschiedene Gespräch-Pause-Kombinationen untersucht (5-10, 5-20, 10-10, 10-20 Min.).Bei 0,1 W/kg fanden sich bei allen Kombinationen signifi-kant erhöhte DNA-Bruchwerte. Bei GSM-1800 wurden bis-herige Befunde, die DNA-Brüche zeigten, bestätigt. Mitdiskontinuierlicher Exposition wurden SAR-Werte von 0,05- bis 2 W/kg getestet. Bei den empfindlichen Zellen fandensich signifikant erhöhte DNA-Bruchraten.

3.5 Untersuchungen von ProteinenFür Experimente zur Proteom-Analyse wurden die gleichenZellen (Bindegewebszellen und Lymphozyten) genommenwie bei früheren Untersuchungen zu DNA-Schäden.1

Dabei bestätigte sich der Befund, dass es empfindliche undunempfindliche Zellen gibt. Bei den Bindegewebszellen undJurkat-Zellen wurde expositionsbedingt eine erhöhte Syn-the serate gefunden, die bei Lymphozyten nicht deutlichauftrat.

Im Gegensatz zu früheren Untersuchungen wurde nicht nurdie Proteinmenge in der Zelle untersucht, sondern auch dieNeubildungsaktivität (Synthese) unter Exposition. Dabeiwurde erstmalig gezeigt, dass die Exposition zu Mobilfunk-strahlen eine deutliche Veränderung im Proteinsynthese-Profil bewirkt. Die gefundenen Effekte waren bei der Expo-sition mit SAR 2 W/kg reproduzierbar und statistisch hochsignifikant, sie traten bereits bei einer SAR von 0,1 W/kgauf, also bereits bei niedrigen Feldstärken. Der Effekt ist ca.4 Stunden nach Expositionsbeginn messbar, wenn auchnicht statistisch signifikant.

Die Erwärmung der Proben in der Anlage wurde konstantklein gehalten und kontrolliert. Während der Exposition tra-ten keine erfassbaren Temperaturveränderungen auf. DieTemperaturerhöhung in den bestrahlten Proben war zuniedrig (< 0,2 °C), um die Veränderungen als ,thermisch be-dingt’ zu erklären.

Die erhöhte Syntheserate bildet sich nach Beendigung derExposition innerhalb von 2 Stunden zurück; die Protein-synthese erreicht dann wieder den normalen Zustand. Dadie Temperaturen lange vorher ausglichen waren, ist dieseDynamik ebenfalls kaum im Sinne ,thermischer’ Wirkungenerklärbar.

1 Vgl. Diem et al., Mutation Research, 583, 178-183 (2005); REFLEX, European Union Project QLK4-CT-1999-01574, http://www.verum-foundation.de (2004); Schwarz et al., Int.Arch. Occup. Environ. Health 81, 755-767 (2008).

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4. Zur Frage: thermisch und athermische Wirkungen

Unter athermischen Effekten elektromagnetischer Felderverstehen wir solche, die durch bloße Wärme-Zufuhr vonaußen – also ohne HF-EMF-Einfluss – nicht zustande kom-men. Alle positiven Projekt-Befunde traten jedoch bei nied-rigen Feldstärken und so geringen Erwärmungen auf, dassman nicht von thermischen Effekten sprechen kann.

Es braucht eine gewisse Zeit, bis die Effekte auftreten. Für

die EEG-Veränderungen konnte somit ein lange bekanntesund wiederholt festgestelltes Reaktionsmuster bestätigtwerden. Der Befund, dass beispielsweise die expositionsbe-dingten EEG-Veränderungen auch nach der Exposition, alsodeutlich nach dem Ende des Wärmetransfers, und dem er-folgten Wärmeausgleich fortbestehen, spricht gegen denWärmetransfer als dahinterliegenden kausalen Wirkme-chanismus. Er spricht für einen athermischen Effekt.

6. Besonders betroffene Personengruppen

Die DNA- und Protein-Veränderungen waren erst nach län-ger er Expositionszeit vorhanden. Nach vier Stunden warensie feststellbar, nach 8 Stunden wurden sie zuverlässig be-ob achtet. Das macht die Ergebnisse besonders auch für Lang-zeit- und Viel-Telefonierer relevant.

Nachdem es sich bei den DNA-Brüchen um biologische Ef-fekte handelt, die erst nach Jahren der Exposition gesund-heitlich wirksam werden können, können vor allem Ju -gendliche und Kinder von Vorsorgemaßnahmen profitieren.Weitere Forschungen scheinen dringend erforderlich!

5. Bedeutung der wissenschaftlichen Befunde

Nicht alle Projekt-Funde und Publikationen sollten inZusammenhang mit gesundheitlichen Folgen disku-tiert werden. Insbesondere die gefundenen Effekte amgesunden Probanden haben nur bedingt Krankheits-wert (z.B. EEG-Veränderungen). Bedeutsam ist aber,dass die beobach teten Befunde auf der Grundlageeines reinen energetischen Wirkmodells (Gewebe-Er-wärmung) gar nicht auftreten dürften. Genau dieser,thermische’ Wirk mechanismus liegt aber den derzeitgeltenden Grenzwerten zugrunde.

Weiter haben sich Befunde bestätigt, dass es zu Be-ginn der Exposition eine effektfreie Zeit gibt. Bei denGehirnströmen beträgt sie einige Minuten, bei denProteineffekten ca. 4 Stunden. Dies ist ein klarer Hin-weis, dass man Effekte durch zeitliche Einschränkungder Expositionsdauer verhindern kann.

Einige Zellen, beispielweise die Bindegewebszellen,waren sensibel, andere Zellen wie die ruhenden Lym-phozyten zeigten keine Veränderungen – weder bei

den immunologischen Untersuchungen noch an derDNA oder im Proteom. Soweit in der vorliegenden Li-te ratur also negative Befunde an Lymphozyten alsWiderspruch zu positiven Befunden an anderen Zellendiskutiert wurden, löst sich damit der scheinbare Wi-der spruch auf.

Die gefundenen strahlungsinduzierten Effekte warennicht immer streng Dosis-abhängig, wie man es vonthermischen Wirkungen erwarten sollte. Einige Zellenreagierten sogar stärker, wenn nach 5-minütiger Ex-position für 10 Minuten pausiert wurde (intermittie-ren de Exposition). Auch das spricht für einen ather-mischen Wirkmechanismus.

Insgesamt sind die Ergebnisse der Studie eine weitereBestätigung der Existenz sogenannter athermischerEffekte. Sie zeigen aber auch, dass ein Handy-Telefo-nierer mögliche Risiken durch einen vernünftigen Um-gang mit dem Mobilfunk deutlich einschränken kann.

Bestätigungen athermischer Wirkungen

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7. Vorsorge- und Schutzmaßnahmen

Eine wichtige Schlussfolgerung der Studie ist aber,dass man die Exposition und das eigene Risiko miteinfachen Maßnahmen deutlich verringern kann:- Abstand halten: Die Freisprechfunktion ermöglicht

beim Telefonieren einen größeren Abstand. - Beim Kauf: Ein Handy mit niedrigem SAR-Wert

wählen! (Siehe dazu: http://www.bfs.de/bfs, http://www.handywerte.de)

- Wenn möglich: das Festnetz nutzen! - Das Mobiltelefon in eine Tasche packen, nicht am

Körper tragen!- Im Auto die Freisprech-Funktion aktivieren oder –

noch besser – ein Mikrophon mit Außenantenne verwenden!

- Möglichst nicht bei schlechtem Empfang telefonieren (z.B. im Keller oder Aufzug)!

- Kein stundenlanges Telefonieren! - Mach mal Pause !

Nach Beendigung einer Handy-Nutzung erscheinenexpositionsfreie Pausen angezeigt. Denn da die Wir-kungen auf die Proteinsynthese (Zellstress) nach ca. 2Stunden (methodisch bedingter Beobachtungszeit-raum) ab dem Ende der Exposition nicht mehr er-kennbar sind, spricht das für eine Normalisierung derProtein-Syntheserate innerhalb von weniger als 2Stunden. Genauere Angaben zu diesem Punkt müssenjedoch erst noch durch künftige Untersuchungen er-mittelt werden.

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Ein Wirkmechanismus der Schädigung ist beweisbar

Mobil- und Kommunikationsfunk kann Krankheiten auslö-sen, verstärken und verbreiten: Das sagen seit Jahrzehntendie Erkenntnisse zahlreicher neutral eingestellter For-scher/innen. Genauer: Magnetische und elektromagnetischeFelder von Technologien wie Mobilfunk, Rundfunk undFernsehen oder z.B. auch weit verbreiteten Funkhilfen fürComputer- und Ableseinformationen können den Organis-mus von Lebewesen gefährden und schädigen. Auch schwe -re Schädigungen sind möglich, die sogar Auswirkungen indie nächste Generation haben, wie z.B. Gentoxizität, ver-minderte Fruchtbarkeit durch Spermienschädigung, em-bryonale Entwicklungsstörungen und Krebs.

Es gibt mehrere Forschungsberichte des Autors, die denStand experimenteller und epidemiologischer Ergebnisseauf diesen Gebieten zusammenfassend beschreiben.1 Dochdie breite Öffentlichkeit erfährt kaum etwas über das Po-tenzial dieser Gefahren. Sie wird nicht gewarnt, sondern imGegenteil von offizieller Seite in eine trügerische Scheinsi-cherheit gewiegt. „Es gibt nach derzeitiger wissenschaftli-cher Erkenntnis keine Gefährdung der Menschen unterhalbder Grenzwert-Empfehlungen“ (26. BImSchV), wird der Be-völkerung von den verantwortlichen Politikern und Behör-den stereotyp so oder ähnlich laufend versichert. UndEx perten-Gremien, die unsere Politiker beraten, führen er-gänzend noch ins Feld, dass die beschriebenen Funktions-störungen und Schädigungen durch Mobil- und Kom mu-nikationsfunk offensichtlich nicht kausal den elektroma-gnetischen Feldern angelastet werden können und die ernstzu nehmende internationale Forschung dies bestätige.

Wie kann es zu derart unterschiedlichen Einschätzungenkommen?

1. Das Postulat eines ‚fehlenden Wirkmechanis-mus’ ist falschTatsache ist, dass epidemiologische Studien für sich gese-hen nur Trends und Wahrscheinlichkeiten abgestufter Plau-sibilität ergeben. Wirklich ‚bewiesen’ ist ein bestimmtesPhänomen erst, wenn der Wirkmechanismus seiner Entste-hung bekannt ist. Die Beschwichtiger fühlen sich in dieser

Frage sehr sicher. Es gebe keinen ,denkbaren’ Wirkungsme-chanismus für schädigende Wirkungen bei so quanten-energetisch geringen Schwingungen und Feldern, wie sieim Mobil- und Kommunikationsfunk verwendet werden,wird immer wieder versichert. Doch was bedeutet die phy-sikalische Einschätzung als ‚quantenenergetisch gering’ ausder Sicht aktueller biowissenschaftlicher Erkenntnis?

Tatsächlich würde man normalerweise erwarten, dass diebiologische Antwort auf schwache und sehr schwache Ma-gnetfelder und Hochfrequenzschwingungen des Mobil- undKommunikationsfunks durch das – quantenenergetischstärkere – thermische Rauschen des Organismus maskiertwird. Denn bei Temperaturen von 20-40°C, wie sie im Or-ganismus vorkommen, sind Moleküle und ihre Bausteineständig in ungeordneter Bewegung. Ein energetisch gerin-gerer Impuls kann diese Bewegungen nicht entscheidendverändern. Schädigende Effekte kann es demnach nichtgeben, solange die angeblich schädigenden Felder in diesemRauschen verschwinden und eine Temperaturerhöhung ver-hindert wird. Genau das garantieren die geltenden ,Grenz-werte’, und alle weltweit im Umfeld von Politik und In -dustrie arbeitenden ,Experten’ übernehmen einer vom an-deren diese Argumentation.

Dr. rer. nat. Ulrich Warnke

Ein Wirkmechanismus der Schädigung ist beweisbar!

1 Warnke 2005a, c, 2007a, b, 2008, 2009.

Doch fataler Weise ist gerade dieser zentrale Punktder Beschwichtigungsargumentation falsch.Es gibt nicht nur einen ,denkbaren’, sondern sogareinen vollkommen plausiblen Wirkungsmechanismus,der Erbgutschäden und alle anderen beschriebenenSymptome auch bei so energiearmen Feldern erklä-ren kann, wie gleich zu zeigen sein wird.

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452 Juli 2008; s. http://www.emfforschungsprogramm.de/int_forschung/wirk_mensch_tier/Studien_EMF.html

Die Fehlinterpretationen führen zwangsweise zu voll-kommen falschen Schlussfolgerungen, die schon heu -te zahlreiche Opfer fordern. Eine deutliche Fehl ein-schätzung dieser Art war z.B. im Juli 2008 die aktuelleStellungnahme des Bundesamtes für Strahlenschutz(BfS) zum BioInitiative Report: „Der Bericht der ‚Bio-Initiative Working Group’ weist deutliche wissen-schaftliche Schwächen auf: Insbesondere werden Ver- mischungen der gesundheitlichen Wirkungen von nie-derfrequenten und hochfrequenten Feldern vorgenom-men, die fachlich nicht zulässig sind,“ wurde festge-stellt.2 Diese Kritik zielt auf den Inhalt des 600-seiti-gen Forschungsbericht A rationale for a biologically-bas ed exporsure standard for electromagnetic radia-tion, der die Europäische Umweltagentur in Kopenha-gen, die höchste europäische Umweltbehörde, zu ent-schiedenen Warnungen vor den Risiken bewogenhatte.

Man darf fragen: Was zeichnet die Wissenschaftlerdes BfS fachlich gegenüber jenen vierzehn Wissen-schaftlern aus, die im BioInitiative Report ihr Wissenaus Jahrzehnten wissenschaftlicher Erfahrung undForschung dargelegt haben? Was berechtigt zu einerKritik angeblicher „wissenschaftliche Schwächen“ desReports, wenn die vorgebrachten Urteile richtiger denganzen Dilettantismus der Kritiker offenbaren? Denngerade die durchaus korrekte Darstellung einer ge-sundheitlichen Beeinflussung sowohl durch nieder-frequente als auch durch hochfrequente Felder im Be -richt der BioInitiative Working Group entspricht exaktder wissenschaftlich sauberen und nachvollziehbarenWahrheitsfindung! Besonders schwer hinnehmbar istein solcher Umgang mit der Wahrheit, wo er die Bera-tung der politisch Verantwortlichen und damit das Niveau des Gesundheits- und Umweltschutzes be-stimmt.

2. Die Forderung beliebiger Reproduzierbarkeitvon Ergebnissen ist auf komplex funktionie-rende Bioorganismen nicht anwendbarEs gibt einen zweiten Punkt, den die Beschwichtiger immerwieder für ihre Behauptungen der Unbedenklichkeit gel-tend machen. Im Vergleich verschiedener, scheinbar analo-ger Experimente zeigt sich oftmals eine sehr eingeschränkteReproduzierbarkeit von Ergebnissen. Die Verantwortlichenal ler Gruppierungen leiten aus solcher ‚Nichtreproduzier-barkeit’ die vermeintliche Berechtigung ab, beunruhigendeErgebnisse zu ignorieren und ihnen jegliche Beweiskraft ab-zusprechen.

Die Situation, die sich ergibt, ist paradox: In Experimentensind z.B. schwer geschädigte Zellen und Organismen, teil-wei se auch kranke Personen beobachtet worden. Doch Wie-derholungsexperimente finden nichts oder jedenfalls nichtsGravierendes. Aus der rechnerischen Addition von ‚Plus’ und‚Minus’ wird dann die ‚Null’ abgeleitet, also das Fehlen ei -nes belastenden Befunds. Mit hohem Aufwand wird in sol-chen Fällen auch regelmäßig in der Öffentlichkeit ver -breitet, dass es für schädigende Effekte des etabliertenMobil- und Kommunikationsfunks „nach heutigem Wissen“keine Beweise gibt.

Solche Entwarnungen auch seitens staatlicher Autoritätenhaben entscheidend zu einem sorglosen Umgang mit denTechniken des Mobil- und Kommunikationsfunks beigetra-gen, der Kinder und Jugendliche heute in ganz besondererWei se gefährdet. Dabei ist die Grundlage der Beschwichti-gungen mehr als brüchig. Denn dass Arbeiten mit bestim m-ten Ergebnissen nicht beliebig reproduzierbar sind, heißtkeinesfalls, dass die erbrachten Ergebnisse nicht relevantsind und vergessen werden können!

Die Nichtreproduzierbarkeit ist eine unmittelbare Folge derEigenart und Eigengesetzlichkeit biologischer Wirkungen,um die es geht. Schon die Konstellationen einwirkenderphysikalischer Kräfte sind kompliziert und kaum wieder-holbar. Das gilt erst recht für die biologischen Regulationenmolekularer Systeme und Zellsysteme (in vitro) bzw. vonOrganismen und ihrer Physiologie (in vivo), die im Einzelnennicht alle gemessen werden können.

Die wichtigste wissenschaftliche Spielregel bezüglich derReproduzierbarkeit fordert: Alle Komponenten eines Ver-suchs müssen exakt bekannt sein, um auch den Wiederho-lungsversuch genau danach aufstellen zu können. Dochdiese Spielregel der Wissenschaft wird bei Reproduktions-versuchen mit Personen regelmäßig verletzt. Denn einer-seits kann das Spektrum der Einflusskomponenten nie exaktkonstant gehalten werden. Andererseits wird ein initialer

biophysikalischer Wirkprozess bei den Einwirkungen desMobil- und Kommunikationsfunks schon deshalb weder be-rücksichtigt noch überhaupt gesucht, weil es ihn lt. Voran-nahme ja gar nicht geben kann!

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Ein Wirkmechanismus der Schädigung ist beweisbar

3. Ein nachprüfbarer und vollkommen plausiblerWirkmechanismus ist bekanntGegen die Behauptung, dass ein Wirkmechanismus derSchädigung bislang nicht bekannt ist, zeigen wir im Folgen-den das Modell eines plausiblen Wirkungsmechanismus, dasin allen Einzelheiten dem Stand des Wissens entspricht. Eskann erklären: - Warum schon äußerst geringe Leistungsdichten bzw.

Nahfeldstärken, deren Quantenenergien zu schwach zur Ionisierung wie auch zur Temperaturerhöhung sind, erhebliche physiopathologische Schädigungen hervor-rufen können;

- warum Menschen, Tiere und Zellsysteme von Fall zu Fall so unterschiedlich auf diese Energien reagieren und eine Reproduzierbarkeit auch gar nicht erwartet werden kann, wenn bestimmte physikalische und biologische Rahmenbedingungen der Experimente unberücksichtigt bleiben.

Drei-Ebenen-Mechanismus eines schädigenden EffektsBei Wirkmechanismen müssen wir stets mindestens dreiunterschiedliche Niveaus des Geschehens unterscheiden:1. Der primäre Mechanismus ist sozusagen der ‚Initial-

prozess’, in dem Physik und Chemie ineinander über- gehen.

2. Der sekundäre Mechanismus zeigt, wie sich die Folgen dieses Initialprozesses im Zellgeschehen auswirken, welche Moleküle sich verändern und mit dieser Verän-derung spezifische Funktionen auslösen.

3. Der tertiäre Mechanismus schließlich beschreibt, wie Physiologie und Pathologie auf die Änderungen der ersten beiden Stufen reagieren, wie also die Zelle, das Zellmilieu oder der Organismus Regelsysteme aktivie-ren, die gegenüber ihrem normalen Funktionieren ent-gleisen und schließlich zusammenbrechen.

Der Störungs- und Schädigungsmechanismus, der alle dreiEbenen betrifft, basiert auf einer Verschiebung der Redox-Balance des Organismus durch magnetische und elektro-magnetische Felder, was zu nitrosativem und oxidativemStress mit weitreichend pathologischen Folgen führen kann.Zugrunde liegt die Veränderung der Menge des Freien Ra-dikal-Gases Stickstoffmonoxid und des Biradikal-GasesSau erstoff. Beide werden dann vermehrt aktiv.

Was heißt das und welche Wirkungen sind damit verbun-den? Hier gehe es vor allem um die Erläuterung des primä-

ren Mechanismus der Schädigung, der sich dann in die bei- den anderen Ebenen der Wirkungszusammenhänge hineinfortsetzt. Auch die Aufklärung seiner zellbiologischen Fol-gen hat in der jüngeren Vergangenheit enorme Fortschrittegemacht.3 Eine kürzlich erschienene populärwissenschaft-liche Zusammenfassung dokumentiert den Stand der Er-kennt nis.4

3 Friedman et al. 2007.4 Verein zum Schutz.der Bevölkerung 2009.5 Warnke-Übersicht 2007, 2008.6 z.B. Kwon et al. 2003, Kern et al. 2005.7 Warnke-Übersichten 2004, 2005, 2007, 2008.8 Der Spin ist eine physikalische Eigenschaft; man kann ihn sich als Rotationsmoment vorstellen.

Zahlreiche Untersuchungsergebnisse beweisen diever mehrte Bildung Freier Radikale in Zellen und Orga -nismen, dies sowohl im magnetischen Niederfrequenz-als auch im Hochfrequenzfeld. Die Leistung dieserwirk samen Felder liegt mehrere Größenordnungenun terhalb der mittleren Energie des thermischen Rau-schens.5 Dass ein Ungleichgewicht von Freien Radika-len und Antioxidanzien aber unweigerlich zu Krank -heit führt, ist seit Langem bekannt.6 Mit dem gleich zubeschreibenden Initialprozess zusammen wird ver-ständlich, warum zahlreiche Untersuchungsergeb-nis se folgerichtig weit unterhalb der mittleren Ener-gie des thermischen Rauschens Schädigungen vitalerund reproduktiver Funktionen der Organismen nach-weisen konnten – sowohl im magnetischen Nieder-fre quenz- als auch im Hochfrequenzfeld.7

Der Initialprozess: Wo Physik in Chemie übergehtDoch wie kommt es zur vermehrten Radikalbildung im ma-gnetischen und elektromagnetischen Feld? Im Mittelpunktdes gesamten Geschehens steht die Elektronenwanderungzwischen Molekülen innerhalb des Organismus. ‚Elektronen-reich’ bezeichnet man mit Reduktion, ‚elektronenarm’ mitOxidation – den vielfältigen Übergang abgekürzt: Redox. AlsZwischenstadien der Elektronenübergänge entstehen immerwieder Moleküle mit ,unabgesättigten’ Elektronen, die auchFreie Radikale genannt werden. Oder Moleküle werdenener getisch z.B. durch Licht angeregt und geben dann Elek-tronen an andere Moleküle ab, wobei wiederum Freie Radi-kale entstehen.

Kommen Freie Radikale in enge Nachbarschaft, dann schlie-ßen sich diese Moleküle (als Kationen und Anionen) zu Ra-di kalpaaren zusammen, wobei eine Spinkopplung8 der bei -den freien Elektronen stattfindet. Daraus resultieren kurz-lebige Verbindungen, die zwischen einem Singulett- (diebeiden Spins zeigen in entgegengesetzte Richtungen) und

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Abb. 1: Singulett- und Triplett-Zustände (Spins, s. Anm. 3) mit Intersystem Crossing (ISC) durchSpin-Flip. ISC entsteht durch schwache Magnetfelder und sehr schwache Hochfrequenzfelder.

9 Ritz et al. 2000.10 Buchachenko 2000.

einem Triplettzustand (die beiden Spins zeigen in gleicheRichtungen) hin und her pendeln können. Man spricht vonS1⇔T1 – Interkonversion oder Intersystem Crossing (ISC)(Abb. 1).

Triplett-Zustände (T1) können nicht durch direkte energe-tische Anregung entstehen. Sie entstehen aber durch dieIn tersystemübergänge S1⇔T1 aus Singulett-Zuständen(S1). Entscheidend für das hier verfolgte Thema ist: DieseÜbergänge werden durch Magnetfelder und durch Hoch-fre quenzschwingungen erreicht. Das geschieht, weil Magnet-felder und Hochfrequenzschwingungen eine Spin-Umkehr(Spin-Flip) bewirken und deshalb S1⇔T1 möglich werden.

4. Warum diese biologischen Reaktionen gefährlich werden könnenDie Bildung Freier Radikale infolge der Einwirkung niederfrequenter und hochfrequenter MagnetfelderMan muss nun wissen, dass eine schnelle Rekombinationder Radikalpaare in ungefährliche Produkte gewöhnlich nurüber den Singulett-Zustand funktioniert. Wenn aber durch

schwache magnetische Felder und ebenso schwache elek-tromagnetische Hochfrequenzfelder ein Spin-Flip erzeugtund damit ISC vom Singulett- zum Triplettzustand hin be-wirkt wird, ist diese Rekombination nicht mehr so leichtmöglich. Selbst Magnetfelder unterhalb der magnetischenErdfeldstärke (50µT) produzieren noch einen signifikantenAnstieg des Triplettniveaus.9

Die Triplett-Stadien mit ihren parallelen Elektronenspinskommen für Reaktionen nicht in Frage (Pauli-Prinzip), sodass Triplett-Paare dann gehäuft zu Freien Radikalen disso -ziieren müssen.10 Triplett-Zustände, deren Radikale in dieUm gebung diffundieren, haben die Neigung, schädliche Fol- geprodukte zu erzeugen. Die Feld-Einflüsse aber haben ih-rerseits auch die Tendenz, die Rückbildung vom Triplett- inden Singulett-Zustand zu stören.

Fazit: Aus der Umgebung stammende schwache Magnet-fel der und Hochfrequenzschwingungen erhöhen die Aus-beu te von Freien Radikalen und toxisch wirkenden Folge-produkten.

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Ein Wirkmechanismus der Schädigung ist beweisbar

Magnetfeld und Hochfrequenzschwingungen sindeine Reaktions-Einheit1. Schwache MagnetfelderSchwache Magnetfelder in Größenordnungen kleiner oderetwas größer als das Erdmagnetfeld können bei vermehrtenTriplettzuständen die Bildung Freier Radikale um 10 bis 40%erhöhen. Sowohl statische Magnetfelder der natürlichenUmgebung als auch statische und niederfrequente Magnet -felder aus technischer Quelle haben diese Wirkung auf denOrganismus.

2. Schwache HochfrequenzschwingungenDer Systemübergang vom Singulett- zum Triplettsystemund zurück (InterSystemCrossing ISC) bedeutet eine Spin -umkehr. Dieser ‚Spinflip’ geschieht in einer definierten Zeit,unterliegt also einer charakteristischen Frequenz (Aktionpro Zeiteinheit). Diese charakteristische Frequenz ist direktmit den Einfluss nehmenden Magnetfeldern korreliert.Hochfrequenzschwingungen, die mit dieser charakteristi-schen Frequenz in Resonanz liegen, können das normaleISC zerstören. Bei den heute üblichen Magnetfeldern (Erd-feld und technisch erzeugten Magnetfeldern) liegen die Re-sonanzfrequenzen im Bereich 0,1 bis 100 MHz (Wellen-längen cm–, m– Bereich), können sich aber durch Nahfeld-bereiche auch stärker verschieben. Voraussetzung ist, dassdie Kraftvektoren aller beteiligten Komponenten nicht par-allel orientiert sind. Als Resultat können vermehrt Triplett-zustände auftreten.

Die Evolution hat diesen Singulett-Triplett-Prozess bei Le-bewesen im Einflussbereich natürlicher Felder offensicht-lich optimiert, damit er nicht zur Schädigung entartet. Dietechnisch erzeugten magnetischen und elektromagneti-schen Felder zerstören nun diese Feinabstimmung und er-zeugen damit pathologische Verhältnisse.

Damit wird deutlich, dass sowohl durch Verschiebung desnatürlichen magnetischen Feldes als auch durch Verschie-bung des natürlichen Hochfrequenzfeldes Störungen desMolekulargefüges im Organismus auftreten.

Das alles geschieht Temperatur-unabhängig Der Spin von Elektronen ist nicht besonders stark von ther-malen Stoßprozessen abhängig;11 die Spin-Effekte durchexterne Magnetfelder (als Präzession) sind überhaupt nichtvom thermischen Rauschen abhängig.

11 Ritz et al. 2000.12 Halliwell 1999.13 Miyamoto et al. 2003a, 2003b.14 Martinez et al. 2003.

5. Schlussfolgerungen aus dem neuen ModellIst das hier vorgestellte Modell der gegenseitigen Ab-hängigkeit von magnetischen und elektromagnetischenFeldern bei pathologischen Effekten relevant – undda von gehen wir aus –, sind alle bisherigen Experi-mente zur Grenzwertfindung im Design falsch ange-legt. Das Konzept der Grenzwertfestlegung ist dannalso grundlegend zu revidieren. Die möglichen Schä-digungen sind primär nicht an Größen von Leistungs-flussdichten und SAR-Werten elektromagnetischerStrah lung gebunden, wie bei allen Grenzwertbetrach-tungen bisher vorausgesetzt worden ist; diese spielenim Gegenteil nur eine ganz untergeordnete Rolle. DieSchädigungen kommen vielmehr zustande, weil stati-sche und niederfrequente magnetische Felder techni-schen Ursprungs mit den neuen elektromagnetischen

Daraus ist zu schließen, dass der bisherige Sicherheits-An-satz zur Grenzwertbestimmung des Mobil- und Kommuni-kationsfunks an den Gegebenheiten vorbeigeht.

Die Gefährlichkeit des EffektsTriplett-Zustände, im Übermaß gebildet, sind allein schondeshalb potenziell gefährlich, weil dieser Zustand den über-all vorhandenen molekularen Sauerstoff umwandeln kann.Dabei entsteht als Reaktionsprodukt der hoch reaktive Sin-gulett-Sauerstoff 1O2 (1∆g).

Die Folge dieses Überangebots an Singulett-Sauerstoff sindZerstörungen biologisch funktioneller Strukturen; z.B. ent-steht auch die gefürchtete Lipid-Peroxidation.12 Dieser Pro-zess kann sich zur Potenzierung aufschaukeln, wenn a)wäh rend der Lipid-Peroxidation Peroxinitrit anwesend ist,b) eine Selbstreaktion von Peroxyl-Radikalen (Russel-Me-chanismus) stattfindet und eine lawinenartig fortschrei-tende 1O2 Bildung in Gang setzt.13

Das bedeutet: Die verfügbare Menge von 1O2 ist sensitiv fürmagnetische und elektromagnetische Felder und wird beientsprechender Konstellation stark vermehrt. Außerdementsteht zusammen mit dem ebenfalls höheren Stickstoff-monoxid eine Kaskade weiterer hoch toxischer Substanzenwie Peroxinitrit. Mutationseffekte und die Zerstörung vonTeilen der DNA sind dann die unausweichliche Folge.14

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15 Die komplizierten Reaktionszusammenhänge, die hier nur angedeutet werden können, erläutert eingehender die neue Veröffentlichung Warnke 2009.

Frequenzbändern im Kilohertz- und MegahertzbereichWirkungen eingehen, für die der Organismus nichtgerüstet ist. Es geht dabei aber eben nicht um ther-mische Wirkungen, sondern um Resonanzen undKraftkonstellationen, die messtechnisch bisher nichterfasst werden.15

Das Modell erklärt die immer wieder zu beobachtendehohe Variabilität von Reaktionen und Effekten beiMenschen, aber auch Tieren und Pflanzen. Diese –wissenschaftlich gut erklärbare – Variablität darfnicht länger als Bestätigung der gängigen Auffassunggenutzt werden, dass ,nach heutigem Wissen’ keineBeweise der Gefährdung und Schädigung erbrachtwerden können.

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Warnke U. (2009): Ein initialer Mechanismus zu Schädigungseffekten durch Magnetfelder bei gleichzeitig einwirkender Hochfrequenz des Mobil- und Kommunikationsfunks. umwelt.medizin.gesellschaft 3 (in press)

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Grenzwerte – juristisch beleuchtet

Prof. Dr. jur. Klaus Kniep

Grenzwerte – juristisch beleuchtet1

1.1In der Diskussion um die Gefährlichkeit von Mobilfunk-strahlungen taucht immer wieder der Begriff ,Grenzwert’auf.2 In Deutschland ist dafür vor allem die 26. Verordnungzur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzesvom 16.12.1996 verantwortlich (BImSchV; BGBl I, S. 1966).Dort ist in § 2 aufgeführt, dass Hochfrequenzanlagen zumSchutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen so zu errich-ten und zu betreiben sind, dass in ihrem Einwirkungsbe-reich in Gebäuden oder auf Grundstücken, die zum nicht nurvorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind,auch bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung undunter Berücksichtung von Immissionen durch andere orts-feste Sendefunkanlagen die im Anhang 1 bestimmten Grenz- werte der elektrischen und magnetischen Feldstärken fürden jeweiligen Frequenzbereich nicht überschritten werden.Dabei sind in diesem Anhang u.a. die Frequenz (f) in Mega-herz (MHz) und der Effektivwert der Feldstärke, quadratischgemittelt über 6-Minuten-Intervalle, aufgeführt.

1.2Auch die Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) vom20.08.20023 weist in § 3 darauf hin, dass zur Begrenzungelektromagnetischer Felder (EMF) bestimmte Werte alsGrenzwerte einzuhalten sind.

Rechtsgrundlage für die 26. BImSchV ist die Bestimmungdes § 23 Abs. 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes(BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom14.05.1990 (BGBl I, S. 880), zuletzt geändert durch Gesetzvom 09.10.1996. Eine Änderung der Verordnung (VO) vom16.12.1996 ist nicht erfolgt, obgleich das BImSchG zwi-schenzeit lich mehrfach geändert wurde. Die Bestimmungdes § 23 BImSchG beschreibt die Anforderungen an die Er-richtung, die Beschaffenheit und den Betrieb nicht geneh-

1. Rechtsgrundlage

1 Kutscheidt NJW 1997, 2481 ff.; Herkner: Mobilfunkanlagen, 1. A. 2006; Determann NJW 1997, 2501 ff.; Herkner BauR 2006, 1399 ff.; Deutscher Bundestag, Drucksache 16/11557 vom 18.12.2008.

2 BVerfG 28.02.2002, NJW 2002, 1638 ff. und 24.01.2007, NVwZ 2007, 805 ff.; BGH 13.02.2004, NJW 2004, 1317 ff.; VGH BW Beschluss vom 02.03.2004, VBl BW 2004, 262 ff.

3 BGBl I, S. 3366, geändert am 07.07.2005 (BGBl S. 1970).4 Vgl. Herkner: Mobilfunkanlagen 2006, S. 229 ff.5 Zur Arbeit der ICNIRP Herkner a.a.O., S. 68 ff.6 NVwZ 2008, 1215 ff.

migungsbedürftiger Anlagen, wozu auch Mobilfunkanlagengehören. Unter § 23 Abs 1 Nr. 2 wird zwar aufgeführt, dassdie von Anlagen ausgehenden Emissionen bestimmteGrenzwerte nicht überschreiten dürfen. Doch nähere An-gaben, welche Grenzwerte dies sind, auch welche – z. B. na-tionale oder internationale – Behörde sie festlegen soll,werden nicht gemacht.

1.3Auch in der sogenannten Selbstverpflichtung der Mobil-funknetzbetreiber vom 05.12.20014 sind allgemeine Hinwei- se über Grenzwerte enthalten. Daraus ergibt sich u.a., dassdie in Deutschland geltenden Grenzwerte mit den wissen-schaftlich abgesicherten Empfehlungen der Internationa-len Strahlenschutzkommission (ICNIRP) identisch sind.5

Wei ter wird darauf verwiesen, dass die deutsche Strahlen-schutzkommission (SSK) in ihrer Empfehlung vom 14.09.2001die wissenschaftliche Tragfähigkeit der Grenzwerte bestä-tigt und keine Notwendigkeit gesehen hat, die geltendenGrenzwerte der 26. BImSchV unter Vorsorgeaspekten zuverschärfen, obwohl sie weiteren Forschungsbedarf gege-ben sieht.

1.4Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatsich in seiner Entscheidung vom 03.07.20076 mit der Be-deut ung von Grenzwerten beschäftigt. Nach Ansicht desEGMR beruhen die Grenzwerte, auf die sich die deutschenBehörden im konkreten Fall gestützt haben, auf überein-stimmenden Empfehlungen verschiedener nationaler undinternationaler Bewertergremien. Leider hat das Gericht esunterlassen anzugeben, welche Bewertergremien gemeintsind, so dass die Aussage nicht nachvollziehbar ist. Das istauch deshalb bedenklich, weil das Gericht andererseits demEinzelnen unter Bezugnahme auf Art. 8 I EMRK ein Rechtauf Achtung seiner Wohnung zugebilligt hat. Eine Verlet-

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2. Beurteilung der Grenzwertproblematik

7 Kniep in: Haus + Grund Württemberg 2008, Heft 10, Seite 16: „Zweifel an Bewertung der Studien“.8 Kniep in: ZMR 2003, 173 f. und Anm. 372 in Herkner a.a.O., S. 106.9 Dazu Kutscheidt NJW 1997, 2485.10 Kutscheidt NJW 1997, 2486.11 Dazu Sachs Kommentar GG 4. A. Art. 20 RdNr., 123 ff., 126.12 Dazu Kutscheidt a.a.O.13 Belyaev, Igor: Non-thermal Biological Effects of Microwaves, Microwave Review 2005; Tagungsband 1st Hellenic Congress on the Effects of

Electromagnetic Radiation, Mai 2008; Untersuchung athermischer Wirkungen elektromagnetischer Felder im Mobilfunkbereich (ATHEM), hrsg.: Allg. Unfallversicherungsanstalt, Wien 2009.

14 Dazu Herkner a.a.O., S. 68 ff.

zung dieses Rechts wird aber nicht nur in der sichtbarenund körperlichen Verletzung, sondern auch in einer nichtsichtbaren und nicht körperlichen Verletzung durch Lärm,Immissionen, Gerüche oder ähnliche Einwirkungen gesehen.

1.5Auch bei der Vorstellung der Ergebnisse des Deutschen Mo-bilfunk Forschungsprogramms (DMF; Stand 15.05.2008),das anteilig aus Haushaltsmitteln des Bundesumweltmini-steriums und der vier Mobilfunk-Netzbetreiber finanziertwurde7, wird u.a. zum Ausdruck gebracht, dass die Ergeb-

nis se des DMF keinen Anlass geben, die Schutzwirkung derbestehenden Grenzwerte in Zweifel zu ziehen (S. 6). Gegendiese Einschätzung bestehen jedoch nicht nur erheblicheBedenken, weil der Nachweis der Unschädlichkeit der Mo-bilfunk-Technologie nach Aussage der Studie nicht zu er-brin gen ist (S. 7). Die Bedenken sind noch gravierender an -gesichts der Tatsache, dass mögliche Langzeitschäden so-wie eine mögliche besondere Gefährdung der Kinder, wiesie von Teilen der vorliegenden Forschung bezeugt werden,im Rahmen des DMF nicht ausführlich untersucht wordensind.

2.1Bei der Beurteilung der Grenzwertproblematik im Mobil-funk bereich ist von der Rechtsgrundlage des BImschG aus-zugehen. Der Gesetzgeber hat zwar in § 23 des Gesetzes dieVorgaben für die Anforderungen an die Errichtung, die Be-schaffenheit und den Betrieb von Mobilfunkanlagen fest-gelegt und die Bundesregierung zum Erlass einer ent spre-chenden Rechtsverordnung ermächtigt. Gegen diese Ver-ordnung bestehen jedoch erhebliche Bedenken.8 So ist nichtgeregelt, wer die Grenzwerte festlegt. Die Verordnung ent-hält nach wie vor keine genauen Vorsorgeanforderungen9,obwohl seit Erlass einige Jahre verstrichen sind und in § 4der VO für Niederfrequenzanlagen gewisse Vorgaben ge-macht werden.

Nach Kutscheidt10 gewinnen Grenzwerte erst durch dieFestlegung eines Mess- und Berechnungsverfahrens Be-deutung; die reinen Zahlenwerte sind ohne jede Aussage-kraft. Die VO beinhaltet aber kein Mess- und Berech-nungsverfahren, sondern verweist in § 5 nur ganz allgemeinu.a. auf die Verfahren der DIN VDE 0848 Teil 1, AusgabeMai 1995. Auch gegen solche Weiterverweisungen und dieunklare Formulierung in § 5 der VO bestehen erheblicherechtsstaatliche Bedenken.11 Es fehlt hier an der rechts-staatlich geforderten Bestimmtheit.

Der Verordnungsgeber geht mit der Grenzwertfestsetzungdavon aus, dass unterhalb dieses Wertes grundsätzlich kei -ne Gesundheitsgefahr besteht.12 Hierbei war es lange um-

stritten, ob durch die VO nur die bekannten thermischenWir kungen zu berücksichtigen sind. Inzwischen ist jedochweit gehend unbestritten, dass es auch athermische Wir-kun gen gibt.13 Dies bedeutet, dass die VO auch drittschüt-zende Wirkung entfaltet. D.h. die Nachbarn haben im Ein -wirkungsbereich einer Anlage einen Anspruch auf fehler-freie Immissionsentscheidungen der zuständigen Behörden,und zwar – meiner Meinung nach – sowohl unterhalb alsauch oberhalb der festgelegten Grenzwerte. Der BGH hatin der Entscheidung vom 13.02.2004 (NJW 2004, 1317 ff.)bestätigt, dass die 26. BImSchV keine Vorsorgekomponenteenthält, und weiter zum Ausdruck gebracht, dass der Ein-haltung der Grenzwerte eine Indizwirkung für unwesentli-che Beeinträchtigungen zukommt. Eine Unterschreitungvon Grenzwerten zwingt aber nicht dazu, eine Beeinträch-tigung als ,unwesentlich’ einzustufen; sie bietet nur einen,Anhalt’ für eine freie Beweiswürdigung im Zusammenhangmit den sonstigen Beweisergebnissen. Gegebenenfalls hatder Betroffene die Möglichkeit auch bei Unterschreiten desvorgegebenen Grenzwertes eine unzulässige Beeinträchti-gung darzutun.

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In Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht der Artikel2 II 1 GG und 20 a GG sind die Grenzwerte außerdemlaufend zu überprüfen. Dabei fragt sich bereits, ob einprivater Verein14 wie die ICNIRP, dessen biowissen-

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Grenzwerte – juristisch beleuchtet

2.2Dabei wird diese deutsche Umweltsicht immer stärker durchdas europäische Umweltrecht, insbesondere Art. 174 desEG-Vertrags vorgeprägt.17 An diese Vorgaben sind auch diedeutschen Gesetzgebungsorgane gebunden.18 Insbesonderehat die Rechtsprechung die Aufgabe, Legislative und Exe-kutive dort zu korrigieren, wo sie ihre Pflichten aus Art. 20a GG verletzen.19 Dazu gehört u.a. auch die Pflicht unbe-stimmte Rechtsbegriffe des Umweltrechts vorsorgebezogenauszulegen, also z. B. § 5 der 26. BImSchV bzw. den an dieVerwaltung adressierten Auftrag im Sinne des § 23 IBImSchG laufend zu überprüfen und gegebenenfalls anzu-passen. Wenn – wie das BVerfG in seiner Entscheidung vom24.01.2007 (NVwZ 2007, 805 ff.) zum Ausdruck bringt –,keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse zumMobilfunkstrahlenrecht vorliegen, dann ist es angesichtsder erheblichen Proteste der Bevölkerung20 zum Schutz der

15 BVerfG in NJW 2007, 805.16 Dazu Sachs a.a.O., Art. 20 a, RdNr. 33 ff.17 Calliess/Ruffert: Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. A. Art. 174, RdNr. 25ff.18 Vgl. Sachs a.a.O., Art. 20 a, RdNr. 55 a.19 Vgl. Sachs a.a.O., Art. 20 a, RdNr. 60, 61 ff.20 So liegen u.a. bei den Landtagen von Baden-Württemberg bzw. Bayern zahlreiche Petitionen auf diesem Gebiet vor.21 Ähnlich Budzinski NVwZ 2009, 160 ff.

Gesundheit verfassungsrechtlich untragbar auf die Vorgabeweiterer Schutzpflichten zu verzichten. Das gilt um somehr, wo sich die Proteste in erheblichem Umfang auf Er-kenntnisse internationaler Forschung berufen können. Einegerichtliche Beweisaufnahme – ggf. bei den Zivil- und Ver-waltungsgerichten – drängt sich bei dieser Sachlage gera-dezu auf; ein Ermessensspielraum ist meines Erachtensnicht mehr gegeben.21

Mit der Drucksache 16/11557 vom 18.12.2008 hat die Bun-desregierung den Bundestag über Forschungsergebnisse be-züglich möglicher Immissionsminderungen und gesund -heitlicher Auswirkungen der gesamten Mobilfunktechnolo-gie informiert. Dabei hat sie unter Bezugnahme auf die Er-gebnisse des DMF22 die Ansicht vertreten, dass kein Anlassbesteht die Schutzwirkung der bestehenden Grenzwerte inZweifel zu ziehen. Ähnlich wird z. B. in der Broschüre WasSie schon immer über Mobilfunk wissen wollten23 des Infor-mationszentrums Mobilfunk die Ansicht vertreten24, dasseine Verschärfung der Grenzwerte nicht notwendig sei. Sol-chen Ansichten der Regierung und der Mobilfunkindustrieist schon mit dem Hinweis darauf zu widersprechen, dasssich zwischenzeitlich das europäische Parlament ausführ-lich mit der Problematik beschäftigt und deutliche Grenz-wertsenkungen empfohlen hat.25 Doch auch die Tatsache,dass in anderen Ländern niedrigere Grenzwerte gelten, legtunter Vorsorgegesichtspunkten solche Senkungen nahe. Siescheinen auch gut möglich, weil die hohen Grenzwerte fürdie technische Gewährleistung der Kommunikation nichtbenötigt werden. Hinzu kommt, dass auch in der Drucksa-che 16/1155726 auf wissenschaftliche Unsicherheiten derBeurteilung möglicher besonderer Risiken für Kinder sowiemöglicher Langzeiteinwirkungen hingewiesen wird. Zu-gleich mit der Fragwürdigkeit einer einseitigen Interpreta-tion der Forschungslage zeigt auch das die Notwendigkeit,die Grenzwerte baldigst dem Stand der Erkenntnis anzu-passen, insbesondere unter Vorsorgungsgesichtspunkten.

schaftliche Kompetenz auch nach den Recherchendieser Schrift offensichtlich sehr begrenzt ist, im de-mokratischen Rechtsstaat die richtige Instanz fürGrenzwertregelungen und deren Überprüfung ist. Esdürfte aber auch nicht genügen, wenn die Grenzwerte– wie im Falle des DMF – durch ein Forschungspro-gramm bestätigt werden, dessen Finanzierung dieMobil - funkbetreiber zu 50% der Kosten übernom-men haben, was hier und auch sonst die Festlegungder Forschungsprioritäten und die Auswahl geeigne-ter Forscher in erkennbarer Wei se beeinflusst hat.Zwar hat das BVerfG15 die Ansicht ver treten, dass diegeltenden Grenzwerte nur dann verfassungsrechtlichbeanstandet werden können, wenn erkennbar ist, dasssie die menschliche Gesundheit ganz un zureichendschützen. Diese Rechtsprechung beachtet aber zuwenig die Nachbesserungspflicht des Verordnungsge-bers, insbesondere unter Beiziehung des Art. 20 a GG.Mit diesem Artikel wird ein Staatsziel normiert, näm-lich die Zukunftsverantwortung aller Staatsorgane.Der Umfang des Schutzauftrages16 beinhaltet u. a.Vermeidung solcher Aktivitäten, die mit SicherheitUmweltgüter schädigen würden, Gefahrenabwehr,Gefahrenvorsorge sowie Risikovorsorge unterhalb derGefahrenschwelle.

2.3Angesichts der wissenschaftlichen Kontroversen, derfragwürdigen Auslegung des Deutschen MobilfunkForschungsprogramms und der Praxis des BVerfG so -wie anderer Ge richte ist gegenwärtig wohl nicht miteiner Absenkung der problematisch überhöhten Grenz-

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22 Vgl. Drucksache 16/11557, S. 10.23 Informationszentrum Mobilfunk, 4. A. 2008.24 4. A. 2008, S. 30 ff.25 Budzinski a.a.O., Anm. 8.26 Seite 11.27 Fellenberg-Karpenstein, NVwZ 2006, 1133 ff.28 VGH Kassel, NVwZ 2006, 1195.29 BVerfG, NVwZ 2006, 922.

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werte zu rechnen. Es stellt sich deshalb die Frage, obeine solche Absenkung nicht durch die Erhebung einerFeststellungsklage27 gegen den Bund als Normgeberder 26. BImSchV erreicht werden kann. Sowohl derVGH Kassel28 als auch das BVerfG29 haben in beson-deren Fällen Feststellungsklagen gegen die Bundes-republik als zulässig angesehen. So hat das BVerfGmehrfach (z. B. BVerfGE 74, 102 f. und BVerfGE 104,65ff.) zum Ausdruck gebracht, dass ein Beschwerde-führer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung hi -naus alle ihm zur Verfügung stehenden prozessualenMöglichkeiten ergreifen sollte, um eine Korrektur gel-tend gemachter Verfassungsverletzungen zu erwirkenoder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern.

Die Einschaltung von Landtagen für Petitionen zurVerminderung der Grenzwerte war bisher wenig er-folg reich. Gerichtsurteile orientieren sich an den Grenz-werten und lassen weitere Beweiserhebungen kaumzu. Das bestärkt solche Überlegungen, die Verände-rung einer als unhaltbar gesehenen Situation durcheine Feststellungsklage gegen die Bundesregierung zusuchen. Doch empfiehlt sich darüber erst zu ent-scheiden, wenn die im September 2009 neu gewählteBundesregierung an den bisherigen Vorgaben der 26.BImschV festhalten sollte.

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Politik im Konflikt mit Demokratie und Menschenrechten

Die Wege wissenschaftlicher Erkenntnis waren immer auchvon Irrwegen begleitet. Die Ermittlung des Grenzwerts von1955 nach physikalischen, nicht medizinisch-biowissen-schaftlichen Prinzipien war ein solcher Irrweg. Dass er nacheinem halben Jahrhundert rasanter lebenswissenschaftli-cher Fortschritte noch immer die Gesundheits- und Um-weltpolitik fundiert, erklärt sich nicht aus wissen schaft-licher, sondern ökonomischer und machtpolitischer Logik.

Am Beispiel des Deutschen Mobilfunk Forschungspro-gramms (DMF) zeigen wir im Folgenden, wie Staat, Indus -trie und ihre ‚Experten’ gemeinsam dafür sorgen, dass einephysikalische Interpretation des Lebens gegen alle Fort-schritte lebenswissenschaftlicher Erkenntnis aufrechter-halten wird. Wir zeigen aber auch, was für Demokratie undMenschenrechte dabei herauskommt.

Prof. Dr. phil. Karl Richter

Politik im Konflikt mit Demokratie und Menschenrechten

1. Wie Grenzwertbestätigungen organisiert werden

Zeitnah zur Verkündung der Ergebnisse des Deutschen Mo-bilfunk Forschungsprogramms haben drei nicht-staatlicheForschungsprogramme ihre Ergebnisse der Öffentlichkeitvor gestellt: der BioInitiative Report (2007), die BUND-Posi-tion Für zukunftsfähige Funktechnologien (2008) und dieSchriftenreihe Wirkungen des Mobil- und Kommunikations -funks der Kompetenzinitiative e.V. (2007 ff.; vgl. www.bro-schuerenreihe.net). Alle kommen übereinstimmend zu demErgebnis, dass ein hohes Gefährdungs- und Schädigungs-potenzial der elektromagnetischen Felder nicht mehr ge-leugnet werden kann. Alle betonen mit besonderem Nach -druck die großen Langzeitrisiken und die besondere Gefahrfür Kinder. Und alle stellen fest, dass die Grenzwerte in le-bensgefährlicher Weise überhöht sind – z. T. bis zum Mil-lio nenfachen vernünftiger Vorsorgewerte.

Die Verkündung der Ergebnisse des Deutschen MobilfunkForschungsprogramms im Juni 2008 hat sich über alle Er-kenntnisse dieser Art hinweggesetzt. Zwar räumte der zu-ständige Minister ein, dass man den Fragen von Lang zeit-schäden und einer möglichen besonderen Gefährdung vonKindern noch nicht nachgehen konnte. Insgesamt aber kön -ne er die Öffentlichkeit bezüglich behaupteter Risiken desMobilfunks beruhigen und versichern, dass kein Anlass be-stehe, an der Schutzwirkung geltender Grenzwerte zu zwei-feln.

Geht man der Geschichte des DMF nach, erkennt man frei-lich, dass diese Entwarnungen schon mit der Aufstellungdes Programms weitgehend vorprogrammiert waren. Dendiskreten Einstieg in die Lenkung der wissenschaftlichenWahrheitsfindung bildete bereits die Regelung der Finan-zierung. Dass von der Mobilfunkindustrie bezahlte For-schun gen überwiegend zu anderen Ergebnissen gelangenals industrieunabhängig finanzierte, ist bekannt. Doch auchstaatlich mitfinanzierte Forschungen sind nicht so unab-hän gig, wie gern betont wird. Im vorliegenden Fall hatten

Staat und Mobilfunkindustrie vereinbart, sich die Projekt-kosten von 17 Millionen Euro zu teilen. Nach Aussagen vonInsidern hat eine solche Mitfinanzierung seitens der Mo-bil funkindustrie aber stets auch deren Mitbestimmung zurFolge, was geforscht wird und wer die Forschungsaufträgebekommt.

Auch wenn ein solcher Einfluss der Industrie natürlich nichtzugegeben wird, dürfte er maßgeblich dazu beigetragen ha -ben, so unbequeme Fragen wie Langzeitwirkungen oder gardie mögliche Gefährdung von Kindern, der wichtigstenKlientel der Mobilfunkindustrie, aus dem Forschungspro-gramm auszusparen. Er wird ebenso dafür mitverantwort-lich sein, dass die größte Zahl biowissenschaftlicher Ein zel-projekte in die Hand von Prof. Dr. rer. nat. Alexander Lerchlgelegt wurde, der für seine Industrienähe wie seine ver-lässlichen Entwarnungen und Grenzwertbestätigungen be-kannt ist.

Solche Verlässlichkeit hat sich für A. Lerchl und seine Auf-traggeber inzwischen in jeder Hinsicht bezahlt gemacht.Für seine Verdienste um den deutschen Strahlenschutzwurde A. Lerchl zum Vorsitzenden der Strahlenschutz-Kom-mission für nichtionisierende Strahlung ernannt. Staat undIndustrie haben mit seiner Berufung die Aufrechterhaltungder Grenzwerte in optimaler Weise gesichert. Nur die Ver-läss lichkeit des Gesundheits- und Umweltschutzes wurdeweiter eingeschränkt.

„Die Ergebnisse des DMF geben insgesamt keinen Anlass,die Schutzwirkung der bestehenden Grenzwerte in Zweifelzu ziehen“, heißt es im Abschlussbericht zu dem Forschungs-programm.1 Immerhin räumt er auch einen ‚Klärungsbedarf’ein, den man als gravierend ansehen darf. Die Frage einesbesonderen Risikos für Kinder sei so komplex, dass ihre Ab-klärung „aufgrund der Vielzahl ungeklärter Einzelaspekteim Rahmen der Laufzeit des DMF“ gar nicht möglich gewe-

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2. Was Strahlenschutz sein sollte und was daraus geworden ist

sen sei (S. 32). Ebenso habe man nicht klären können, was„über einen Zeithorizont von 10 Jahren hinaus“ geschieht -„sowohl für Erwachsene als auch für Kinder“ (S. 41). Dassdie Forschung bereits genügend weiß, um wegen der Kin-der und beobachteter Langzeitwirkungen mehr als besorgtzu sein und Entwarnungen auszuschließen, wird nicht hin-zugefügt.2 Prof. K. Hecht berichtet in seinem obigen Bei-trag, wie die Ergebnisse umfassender Langzeitforschun gen,als sie ab einem Zeitraum von 10 Jahren eine signifikanteZunahme chronischer Erkrankungen bezeugten, unverzüg-lich in deutschen Archiven verschwanden. Das DMF führtdie Strategien des Verbergens und Verschweigens diskreter,aber auch in einem weit größeren Umfang fort. Der BUNDurteilt: „Einen ,Klärungsbedarf’ mit der Fortsetzung desGroßversuchs in der Bevölkerung zu quittieren, zeugt ehervon einer Missachtung grundrechtlicher Pflichten.“3

In einer Analyse des DMF wirft Dr. H.-Peter Neitzke, der andem Programm selbst mitgewirkt hat, dem Projektverlaufvor: „Auf neue (z. T. sehr deutliche) Befunde wird nicht ein-

ge gangen und es fehlen durchgängig kritische Anmerkun-gen zur Aussagekraft der Studien, bzw. kritische An mer-kungen der Autoren ‚fallen unter den Tisch’“. Anders als alleanderen Forschungsnehmer habe die Gruppe um AlexanderLerchl, der die größte Zahl von Einzelprojekten übertragenwur de, jedes dieser Einzelprojekte für Grenzwertbestäti-gungen genutzt. „Hinsichtlich der bestehenden gesetzlichenGrenzwerte […] bieten die hier dargestellten Befunde keineGrundlage für eine Empfehlung zur Senkung“, erfährt manzu dem einen Projekt. Es ergebe sich „kein Handlungsbe-darf im Hinblick auf die Notwendigkeit der Senkung derGrenz werte“, lautet das Fazit aus einem anderen. Ähnlichbekommt man es auch in allen anderen Fällen mitgeteilt.Neitzke kritisiert nicht nur den Übereifer, mit dem Lerchlseine Auftraggeber mit Grenzwertbestätigungen versorgt,sondern auch die methodologischen Schwächen des Vor-gehens. Er stellt fest: Ob „Handlungsbedarf im Hinblick aufdie Festsetzung neuer Grenzwerte“ bestehe, lasse sich nichtnach „den Ergebnissen eines einzelnen Experiments“ ent-scheiden.4

1 DMF Abschlussbericht, Juni 2008, S. 6.2 Vgl. Richter, Karl und Zimmer, Guido (Hg.): Die Gefährdung und Schädigung von Kindern durch Mobilfunk, St. Ingbert 2008 (Wirkungen des Mobil-

und Kommunikationsfunks 4), und Bleuel, Heike-Solweig (Hg.): Generation Handy, St. Ingbert 2007. – Zur Frage der Langzeitforschungen die Ausführungen von Karl Hecht in diesem Heft und seine dort angegebenen Beiträge.

3 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND): Für zukunftsfähige Funktechnologien (Positionen 46), Berlin 2008, S. 18.4 Neitzke, H. P.: Deutsches Mobilfunkforschungsprogramm I. In: EMF-Monitor 3/2008; hier auch die Zusammenstellung der Zitate zur Bestätigung

der Grenzwerte.5 Bundesamt für Strahlenschutz: Leitlinien Strahlenschutz, 2005, S. 54.6 Europäische Umweltagentur: Späte Lehren aus frühen Warnungen: Das Vorsorgeprinzip 1896-2000 (2001), dt. Übers. hg. vom Bundesumweltamt 2004.

Die Strategien der Verharmlosung und Entwarnung habendie Geschichte der Grenzwerte von Anfang an bestimmt.Sie haben dafür gesorgt, dass unverantwortliche Grenz-wert höhen seit über einem halben Jahrhundert mit schein-wissenschaftlichen Begründungen aufrechterhalten wer -den. Sie konnten aber nicht verhindern, dass der Wider-spruch zwischen einer anachronistischen Begründung derGrenzwerte und dem aktuellen Stand lebenswissenschaft-licher Erkenntnis immer größer geworden ist.

In Deutschland sind es ironischer Weise die ‚Strahlenschutz’-Gremien, die diesen Zustand zugleich verschleiern und auf-rechterhalten, was sich bei dem Auftrag und der Geschichteder Institutionen nicht von selbst versteht. Noch 2005 for-dert das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in seiner Po-sitionsbestimmung zur Gefahrenabwehr nichtionisierenderStrahlung, „Hinweise auf biologische Effekte“ ernst zu neh-men und dem „Prinzip der Vorsorge“ Rechnung zu tragen.Dies gelte ganz besonders im Hinblick auf die Gruppe der„Jugendlichen und Heranwachsenden, bei denen eine be-sondere Strahlenempfindlichkeit bisher nicht ausgeschlos-sen werden kann“.5

Solchen Aufgabenbestimmungen konnte man uneinge-schränkt beipflichten. Sie werden auch einer mahnendenSchrift der Europäischen Umweltagentur gerecht, die ausder Überschau eines Jahrhunderts versäumter Vorsorge dieFolgerung ableitet, dass es für eine gesundheitspolitischwie volkswirtschaftlich verantwortbare Politik keine Alter-native zum Vorsorgeprinzip gibt.6 Doch nirgendwo wird in-zwischen strikter gegen solche Einsichten verstoßen als inder jüngeren Entwicklung des Strahlenschutzes. Angesichtsdieser Tatsache verwundert es nicht, wenn ein Gutachtendes Deutschen Wissenschaftsrats dem Bundesamt fürStrah lenschutz erhebliche Entfernungen vom ursprüngli-chen Gründungsauftrag und Anfälligkeiten für private Auf-traggeber vorwerfen konnte.7 Noch weiter aber hat sich dieStrahlenschutzkommission (SSK), die die Bundesregierungberät, von den ursprünglichen Strahlenschutzaufgaben ent-fernt.

Eine Äußerung von Prof. Roland Glaser z.B., Mitglied derSSK, stellt die Beschwichtigung der Bevölkerung, nicht dieAufgabe der objektiven Risikovorsorge in den Vordergrund:„Eine wichtige und nicht abklingende Aufgabe besteht

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Politik im Konflikt mit Demokratie und Menschenrechten

darin, den unbegründeten Bedenken des Bürgers bezüglichmöglicher Gefahren durch hochfrequente Felder durchsach liche Aufklärung entgegenzuwirken.“8 Prof. Kiefer, eben- falls der SSK angehörend, bewies uns vor geraumer Zeit,wie diese aufklärende Beschwichtigung aussieht. Sein Vor-trag dementierte nicht nur alles an beunruhigenden Er-kennt nissen, sondern bewies der Öffentlichkeit die Un-schädlichkeit eines Handys sogar mit einem Geigerzähler!9

Doch kaum ein anderer Wissenschaftler setzt sich gegen-wärtig auf ähnlich vielen Wegen so engagiert über alle Ge-bote der Unabhängigkeit und Vorsorge hinweg wie Prof Dr.rer. nat. Alexander Lerchl, der schon erwähnte Vorsitzendeder SSK für nichtionisierende Strahlung.10

Schon lange vor seiner Berufung auf diesen Posten ist derWissenschaftler der privaten Jacobs-Universität Bremenzahlreichen Mitgliedern unserer Initiative mit seiner enga-gierten Mitwirkung an Ärzte-Schulungen der Mobilfunkin-dustrie aufgefallen. Schon damals haben wir kein Hehl ausunserer Auffassung gemacht, dass Lerchls unkritisches Ein-treten für die Bedürfnisse der Mobilfunkindustrie und damitverbundene Ausblendungen weltweit verfügbarer Erkennt-nisse mit der gebotenen Unabhängigkeit und Verantwor-tung des Wissenschaftlers nicht vereinbar sind. Heutedür fen wir uns wundern, dass solche Voraussetzungen fürden Vorsitz einer Strahlenschutzkommission qualifizieren.Und erstaunt beobachtet man schließlich sogar die Tatsa-che, dass Lerchl nichts dabei findet, sich auch als obersterStrahlenschützer weiterhin für die Ärzteschulungen derMo bilfunkindustrie zu engagieren – offensichtlich blind fürUnvereinbarkeiten und Interessenkonflikte.11

Die umweltärztlichen Fortbildungsangebote des Informati-onszentrums Mobilfunk (IZMF), der Interessenvertretungder Mobilfunkbetreiber, sind Bestandteil des übergeordne-ten IZMF-Projekts Mobilfunk und Gesundheit. Die Gemein-schaft der Mobilfunkbetreiber versichert mit diesem ProjektKindern, Eltern, Schulen, Ärzten, Journalisten und Po - liti-kern die Unschädlichkeit der vertriebenen Technologien, so-

fern Grenzwerte eingehalten werden. Doch nicht nur mitseinen Grenzwertrechtfertigungen und der Beteiligung anden Ärzteschulungen hat sich Lerchl auch in den Dienstdieses übergreifenden Industrieprojekts gestellt. Fast nochwertvoller dafür ist seine bekannte Kampagne gegen dieReflex-Studie und die UMTS-Studie von 2008.

Man versteht gut, dass die Hinweise auf gentoxische Wir-kungen der Mobilfunkstrahlung für die Interessen der Mo-bilfunkindustrie gefährlich waren, und Lerchl selbst hat dasgelegentlich sehr deutlich gesagt: „Sollten sie sich bestäti-gen, wäre dies nicht bloß ein Alarmsignal, sondern der An-fang vom Ende des Mobilfunks, da DNA-Schäden die ersteStufe der Krebsentstehung sind.“12 Aber so verständlich da -mit Lerchls Eifer auch in dieser Frage ist: Nach dem Standder Auseinandersetzungen ist seine Kampagne gescheitert,weil sie die angeblichen Fälschungen einer an beiden Pro-jekten beteiligten Mitarbeiterin nicht beweisen konnte. Sieist in einem rechtsstaatlichen Sinne gescheitert, weil Ver-dächtigungen in einem solchen Fall nicht Aufklärung, son-dern Rufmord sind. Und sie ist in wissenschaftlicher Hin -sicht gleich doppelt gescheitert, weil der Lärm der öffent-lichen Verdächtigungen die Aufmerksamkeit auch auf alljene Forschungen gelenkt hat, die die Ergebnisse beiderStudien längst bestätigt haben.13

In einer für seine Kampagne also nicht sonderlich günstigenSituation hat Lerchl das Mobilfunkforum des IZgMF in sei-nen Dienst gestellt, das mit dem Ehepaar Schall und einerkleinen Schar von Schreibern und Decknamen für seinehemmungslose Diffamierlust bekannt ist.14 Alle bekannte-ren Mobilfunkkritiker, auch alle bekannteren Mobilfunkop-fer waren bereits ausgiebig Gegenstand unqualifizierterDiffamierungen und hämischer Kommentare. Da sich selbstfrühere Freunde und Forenschreiber von diesem herunter-gekommenen Diffamierbetrieb abgewandt haben und se-riöse Wissenschaftler auch mit rüdesten Diffamierungennicht provoziert werden konnten, das Forum mit etwaigenRechtfertigungen aufzuwerten, drohte ihm nach dem Ver-

7 www.wissenschaftsrat.de/texte/7259-06.pdf . Vgl. auch den Beitrag von Ulrich Warnke in diesem Heft. Als Beispiel auch die Unterschiede der Beurteilung des Forschungsstandes nach dem von uns online publizierten Forschungsbericht Die Gefährdung und Schädigung der Tiere.

8 So in der Festschrift: 15 Jahre Forschungsgemeinschaft Funk, 2007, S. 26.9 Vgl. http://www.buerger-machen-mobil.de/html/5_mobilbericht.html 10 Zu dem folgenden Bericht meine ausführliche Dokumentation in: Adlkofer, Franz, et al.: Wie empfindlich reagieren die Gene auf Mobilfunkstrahlung?

(Wirkungen des Mobil- und Kommunikationsfunks Heft 3), S. 48 - 60.11 So in Stuttgart am 22.04.2009 im Rahmen einer Veranstaltung des IZMF.12 Lerchl, Alexander: Die Fälscher im Labor und ihre Helfer, 2008, S. 43.13 Dazu die Forschungsberichte in der Anm. 10 zitierten Broschüre Wie empfindlich reagieren die Gene auf Mobilfunkstrahlung?

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lust der Moral auch das Ende der Beachtung. Lerchl abererkannte die beiderseitige Chance einer Partnerschaft derungleichen wissenschaftlichen Formate bei so ausgepräg-ter Verwandtschaft der Bestrebungen. Er schrieb für dasForum und wertete es damit auf, stellte es aber auch in denDienst seiner industriegefälligen Kampagnen. Die Diffa-mierungen sind seither in neuer Weise ‚zielführend’ gewor-den. Während die Unhaltbarkeit der Vorwürfe längst er -wiesen ist, dürfen sie sich hier in Gefälligkeitsrezensionenfortpflanzen. In der Form geradezu ‚serieller’ Diffamierun-gen werden all jene Ärzte zum Gegenstand foraler Hämege macht, die ein Gegenmodell zu jenen Ärzteschulungender Mobilfunkindustrie angeboten haben – die Lerchl of-fen sichtlich für den natürlicheren Modus umweltärztlicherFortbildung hält. Und Prof. Dr. med. Franz Adlkofer, dessenName mit den erwähnten Studien zur Gentoxizität elektro-magnetischer Felder unlösbar verbunden ist und auch füreinen wichtigen neuen Projektentwurf steht, wird zum vor-nehmsten Angriffsziel des Forums gemacht.15

Wäre Lerchl ein x-beliebiger Wissenschaftler, könnte manüber manches Kuriosum leichter hinwegsehen. Geht es je-doch um ein Amt, dem Gesundheit und Umwelt von 80 Mil-lionen Menschen anvertraut und ausgeliefert sind, wirdman nach der Vereinbarkeit der erkennbaren Aktivitäten mitden Lerchl übertragenen Schutzaufgaben fragen dürfen. DieVorstellung von ‚Strahlenschutz’, wie er sein sollte undnicht sein sollte, lässt sich am vorliegenden Fall auch gutpräzisieren. Schöpft ein Strahlenschützer, wie ihn sich Bür-ger und unabhängige Wissenschaftler vorstellen, Verdacht,dass eine Studie von größter Bedeutung gefälscht seinkönnte, sind folgende Schritte wissenschaftlich selbstver-ständlich. Der Wissenschaftler wird zunächst prüfen, ob ermögliche Fälschungsvorwürfe beweisen kann. Er wird wei-

ter prüfen, ob die Fälschungen durch nachbarschaftlicheForschungsergebnisse bestätigt oder widerlegt werden.Lässt sich auch das nicht hinreichend deutlich entscheiden,wird er zur Klärung der Frage die notwendige unabhängigeForschung fordern. Das Handeln von Alexander Lerchl be-legt in allen drei Punkten die genau entgegengesetzte Lo gik.Er perpetuiert Fälschungsvorwürfe, die nach wissenschaft-lichen und rechtsstaatlichen Gesetzen des Umgangs mit derWahrheit nicht aufrechtzuerhalten sind. Die Frage nach dermöglichen Bewahrheitung durch nachbarschaftliche Stu-dien stellt er vorsorglich nicht erst. Denn sein Sinnen ist er-kennbar darauf gerichtet, beunruhigende Forschungen zuvernichten und die Weiterführung zu blo ckieren.

In einer Stellungnahme zum ‚Phänomen Lerchl’ urteilt FranzAdlkofer: „Bei dieser Sachlage muss die Frage gestattetsein, welche Interessen Prof. Lerchl in seiner Funktion alsBe rater der Bundesregierung zu einem wichtigen Umwelt-thema eigentlich vertritt. Dass es nicht die Interessen derBevölkerung sind, sollte für jeden erkennbar sein, der weiß,dass es den Mobilfunk in der heutigen Form auf keinen Fallgäbe, wenn bei seiner Zulassung die Prinzipien gegoltenhätten, wie sie bei der Vermarktung chemischer Produkteüblich sind. Diese Tatsache, die inzwischen für die Mehr-zahl der in diesem Bereich tätigen unabhängigen Wissen-schaftler Geltung haben dürfte, erzwingt die Annahme, dasses ausreichende Gründe gibt, an der Eignung des Prof.Lerchl für die Position als Leiter des Ausschusses für nich-tionisierende Strahlen im SSK des BfS Zweifel anzumel-den.“15a

14 Es ist bekannt, dass Foren, die schlecht geführt werden und zudem anonymisierte Aussagen über andere gestatten, zu Diffamierungen einladen. Für Mobilfunkforen scheint das angesichts der Dynamik der Auseinandersetzungen in ganz besonderer Weise zu gelten. Im Fall eines Forums von Ralf Wölfle, das einen Professor, der auch Mitglied unseres Vorstands ist, als „Angstprediger“, „Wichtigtuer“, „Psychopathen“ und Vertreter „lästiger Kopf-läuse“ benannt hatte, sind wir erfolgreich mit einer juristischen Abmahnung dagegen vorgegangen. Im Fall das IZgMF-Forums der Eheleute Schall haben sich ungezählte Diffamierungen inzwischen zum Bild eines Forums mit breiten Schmuddelzonen addiert, für die uns die Nicht-Beachtung im Regelfall der bessere Weg schien. Wir sind bei dieser Haltung auch in Fällen geblieben, in denen es zweifelsfrei um justiziable Beleidigungen ging (wenn z.B. Prof. Richter als „Richter und Henker“ angesprochen wurde, was bekannte Konnotationen zum Hitler-Reich beinhaltet, oder Prof. Adlkofer mit Idi Amin bzw. Pol Pot verglichen wurde). Wenn unser oberster Strahlenschützer jedoch nicht davor zurückschreckt, sich sogar dieses dürftigen Formats für seine industriegefälligen Ziele zu bedienen, ist es an der Zeit, mit der Frage der Funktion auch die nach der Würde seines Amtes aufzu-werfen. Jedenfalls hat es bisher noch niemand geschafft, den deutschen Strahlenschutz in einer so breiten Palette beobachtbarer Aktivitäten so sehr der Lächerlichkeit und Verachtung preiszugeben wie Alexander Lerchl. Zahlreichen Kollegen vermittelt sein Handeln nicht nur den Eindruck einer erstaunlichen Blindheit für berufsethische Grenzen, sondern auch den Eindruck einer Werteordnung, in der Profite den Vorrang vor Gesundheit und Menschenleben haben.

15 Zu dem MOPHORAD-Projekt, auf das hier angespielt wird, eingehender die Anm. 10 zitierte Broschüre Wie empfindlich reagieren die Gene auf Mobilfunkstrahlung?; S. 44-47.

15a Demnächst auf unserer Internetseite www.kompetenzinitiative.net unter der Rubrik Aktuelle Berichte und Stellungsnahmen (Nr. 6).56

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Das Lebensfeindliche der Grenzwerte hat sich inzwischenauf vielen Wegen in eine menschenfeindliche gesellschaft-liche Praxis übersetzt. Unter Berufung darauf werden An-ten nen in Abständen zu Wohnungen, Schulen oder Kin der-gärten aufgestellt, die nach dem Stand unabhängiger Er-kenntnis eine unverantwortliche Zwangsbestrahlung be-deuten. Die geltenden Grenzwerte haben sie möglich ge -macht, prägen nach dem Umgang mit der Wahrheit aberauch den Umgang mit den Betroffenen.

Die dabei deutschlandweit beobachtbaren Grenzwerterfah-rungen haben den staatlichen Gesundheitsschutz heute fürimmer mehr Menschen zur Farce gemacht. Tausende vonMenschen hatten inzwischen Gelegenheit, sich davon zuüberzeugen. Wir demonstrieren die exemplarischen Erfah-rungen hier an einem Beispiel, das 33 Menschen mehr alsein Jahr hindurch in Atem gehalten hat.16 Im Umfeld von dreiAntennenstandorten hatten sie eine deutliche Zunahmevon Störungen und Erkrankungen beobachtet. Dass aucheinige Kleinkinder und Tiere seit dem Aufstellen der Anten-nen auffällige Symptome zeigten, machte noch wahrschein-licher, dass es sich nicht um bloße Einbildungen handelnkonnte. Nachdem dies auch ärztliche Gutachten beschei-nigt hatten, wandten sich die Betroffenen an die zuständi-gen Gesundheitsbehörden, schließlich das zuständige Mi -nisterium. Statt der erhofften Gesundheitsbeamten er-schien ein Messtechniker vor Ort, der mit den Messergeb-nissen bis in Medienverlautbarungen hinein gleich auch dieDiagnose stellte: Angesichts eingehaltener und sogar deut-lich unterbotener Grenzwerte könne es sich nur um Einbil-

dungen und psychische Störungen handeln. Vieles sprachdafür, dass die Gesundheitsämter offenbar sogar von hö-herer Stelle angewiesen worden waren, sich nicht um dieBetroffenen zu kümmern. In Bayern wurden solche Vorgän -ge von den Verantwortlichen sogar eingeräumt. Selbst wenndie Grenzwerte nicht zu beanstanden wären, ginge es umVerstöße gegen gesetzlich geregelte Gesundheitsaufgabendes Staates. Sind die Grenzwerte aber auch noch schutz-untauglich, offenbart sich der Staat seinen Bürgern in einerwürdelosen Verfassung.

Besonders fatal ist das Verhalten der Gerichte, worauf derBeitrag von Prof. Kniep bereits hingewiesen hat. Da sich dieGerichte an den Grenzwerten orientieren, müsste ein mut-maßlich geschädigter Bürger letztlich Folgendes leistenkönnen, um eine gerichtliche Anerkennung seiner Schädi-gungen zu erreichen: Er müsste nicht nur beweisen, dassdie beobachteten Schädigungen keine andere (Mit)Ursachehaben können. Er müsste auch beweisen können, dass dieGrenzwerte falsch sind und alle aufgebotenen ‚Experten’nicht den wahren Stand der internationalen Erkenntnis ver-treten. Wer aber kann das? Der juristische Weg ist damit –staatlich gewollt – zu einem praktisch aussichtslosen Un-terfangen geworden. Die Grenzwerte, die das Recht aufVorsorge sichern sollten, sind faktisch zu einem Instrumentdes Staates geworden, dieses Recht zu unterdrücken. DieGleichschaltung im Zeichen der Grenzwerte hat die demo-kratische Gewaltenteilung für immer mehr Menschen ineinem Maße aufgehoben, das der Verfassung des demokra-tischen Rechtsstaats widerspricht.

Alexander Lerchl erweist sich mit allen Beobachtun-gen als verlässlichster Anwalt industrieller Interessen.Berät er aus einer solchen Einstellung heraus diedeut sche Bundesregierung, sichert er der Mobilfunk-industrie eine massive Mitwirkung an der Gestaltungder deutschen Regierungspolitik. Wird er auch nochzum Vorsitzenden einer Strahlenschutzkommissioner nannt, übernimmt die Mobilfunkindustrie auch dieMitgestaltung des deutschen Gesundheits- und Um-weltschutzes. Aus der Sicht der Mobilfunkindustrie istdas zweifellos ein riesiger Fortschritt ihres ProjektsMobilfunk und Gesundheit, das nur noch unscharf

gegen den deutschen Strahlenschutz abgegrenzt ist.Aus der Sicht gut informierter Staatsbürger und Steu-er zahler aber lassen Ernennungen dieser Art fragen,warum ein Staat bei Berufungen auf einen so sensi-blen und einflussreichen Posten die Verlässlichkeit fürProfitinteressen so offenkundig über Gesundheit undUmwelt stellt. Ist das die Folge, wenn sich ein Staatdie Ausbreitung einer in den Wirkungen noch uner-forschten Technik mit horrenden Summen bezahlenlässt und die Förderung unabhängiger Forschung ver-nachlässigt?

3. Wie Grenzwerte die Demokratie entwerten

16 Vgl. den Bericht 33 Saarländer bitten die EU um Hilfe, http://www.buerger-machen-mobil.de/html/4_mobilbericht.html

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Die Verstöße der betriebenen Funk-Politik gegen Geistund Buchstabe des deutschen Grundgesetzes, aberauch gegen EU-Gesetze und die europäische Men-schenrechtskonvention bleiben dabei auf das Problemder Vorsorge keineswegs beschränkt:- Gefährdet sind alle. Doch der Schutz gerade auch

der Schwächeren und Sensibleren ist ein beson-deres Qualitätsmerkmal jeder Demokratie. Im vorliegenden Fall bescheinigt ihnen der Staat mit Hilfe seiner ‚Experten’, dass es sie nicht gibt oder geben darf.

- Art. 1 GG erklärt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Analog lautet auch Artikel 1 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union. Wie verträgt sich diese Bestimmung mit einer Politik, die Sensible zu Simulanten stempelt und immer mehr Menschen zumutet, kommerziellen Interessen zuliebe in Kellern, Wohnwägen und Schutzanzügen zu leben und immer häufiger Wohnungen und Häuser aufgeben zu müssen?

- Auch Politiker berufen sich gern auf den Schutz ihrer Privatsphäre, der auch der Familie und den eigenen ‚vier Wänden’ gilt. Wie aber steht es um diesen Schutz, wenn uns eine unerwünschte und nach dem Stand der unabhängigen Forschung schädliche Strahlung rund um die Uhr an jeder Stelle der Wohnung erreichen darf?

- Wir haben ein Nachbarschaftsrecht, das Nachbarn vor wechselseitigen Übergriffen schützen soll. Ist es im Licht seiner Bestimmungen nicht geradezu pervers, wenn jeder sein Dach geschäftstüchtig für Antennen vermieten darf, deren hauptsächlicheStrahlenbelastung der Nachbar zu tragen hat?

- Zu den Aufgaben der Demokratie gehört der Schutz des Eigentums (Artikel 14 GG). Die Wert-minderungen aber, die sich aus der Nähe zu Mobilfunkmasten ergeben, reichen bis zur Unverkäuflichkeit von Immobilien und damit zur faktischen Enteignung.

- Zu den wichtigsten Verheißungen der Demokratie gehört die von Politikern aller Farben gern betonte ‚soziale Gerechtigkeit’. Wie verträgt sich diese Beteuerung mit einer staatlich geschützten gesell -schaftlichen Praxis, die den einen gestattet, ihre Profite mit der Gefährdung und Schädigung anderer zu erkaufen?

17 Geißler, Heiner: Was würde Jesus heute sagen? Die politische Botschaft des Evangeliums, 9. A. Reinbek bei Hamburg 2006, u.a. S.154. 18 Friedrich Harrer: Die Flucht aus der Verantwortung – rechtliche, politische und kulturgeschichtliche Perspektiven, in: Kommerz, Gesundheit und

demokratische Kultur, hg. von K. Richter und H. Wittebrock, S. 157 ff. 19 Schöpfer, Eduard CH.: Grund und menschenrechtliche Defizite im Bereich des Mobilfunks am Beispiel Österreichs, in: Karl, Wolfram und Schöpfer,

E. C.: Mobilfunk, Mensch und Recht, Salzburg 2006, S. 73-92, Zitat S. 88.

Das alles ist nicht demokratische Marktwirtschaft, sondernZeichen ihrer kapitalistischen Entgleisung, deren heutigeErscheinungsformen auch Dr. Heiner Geißler in einem be-kannten Buch kritisiert.17 Im Zuge der Funk-Politik habensie auch das demokratische Rollenverständnis im Verhält-nis von Staat und Bürgern dramatisch verändert. Der Bür-ger, Souverän und Subjekt der Demokratie, wurde zumObjekt staatlicher Freilandversuche gemacht. Und ein Staat,der die verfassungsrechtliche Verantwortung dafür trägt,dass sich das Profitstreben der Industrie nicht zu Lasten derBevölkerung auswirkt18, ist mehr den je auch selbst in dieGeschäfte der Industrie verstrickt.

Das Vorsorgeprinzip fordert ein Tätigwerden des Staates,sobald die Möglichkeit einer Schädigung gegeben ist. ImFall der Funk-Techniken rechtfertigt der Staat seine Untä-tigkeit mit einer Forderung von eindeutigen Beweisen, diein den Lebenswissenschaften schon seit über hundert Jah-ren als überholt gilt. Der österreichische Jurist Dr. jur. Edu-ard C. Schöpfer, der sich seit langem mit dem Konflikt vonMobilfunk und Menschenrecht auseinandersetzt, stellt inseinem Beitrag Grund- und menschenrechtliche Defizite imBereich des Mobilfunks am Beispiel Österreichs fest: „DieUntätigkeit des Staates auf dem Gebiet des Umwelt- undGesundheitsschutzes dürfte sich als derzeit größte – bis-lang offenbar unerkannte – Gefahr für den Rechtsstaat er-weisen. Der gesetzgeberischen Untätigkeit kann der Ein -zelne oder etwa eine Bürgerinitiative nämlich nichts Wirk-sames entgegen setzen.“19

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Politik im Konflikt mit Demokratie und Menschenrechten

Wir stehen heute in vielfacher Hinsicht in Krisen, die dasEr gebnis skrupelloser Profitgier gesellschaftlicher Gruppen,einer kurzsichtigen politischen Überordnung der Ökonomieüber die Ökologie, auch der Macht über die Moral sind. Derletztlich Leidtragende aber ist in allem der Bürger. Ob Kli-ma wandel, Artensterben oder Finanzkrise: die Folgen mutenihm Verluste von neuartiger Größenordnung zu. Mehr dennje sollte eine von diesen Verlusten betroffene Bevölkerungdeshalb von den politisch Verantwortlichen erwarten dür-fen, dass sie gut informiert, umsichtig beraten und frei vomEinfluss egoistischer Interessengruppen handeln. Die Poli-tik des Mobil- und Kommunikationsfunks sehen wir vonallen drei Forderungen, die auch Forderungen einer ver-tretbaren Zukunftspolitik sein müssten, gleich weit ent-fernt.

Goethe war in seinem Faust II wohl einer der ersten, die aufdiesen Zusammenhang hingewiesen haben. Er scheint darinauch Wahlzeiten vorausgeahnt zu haben, in denen uns un-sere Mitschuld an den Störungen des Gemeinwesens be-wusst werden sollte:Am Ende hängen wir doch abVon Creaturen die wir machten. (V. 7003 f.)

4. Wie eine zukunftsfähige Entwicklung aussehen könnte

In seiner Positionsbestimmung Für zukunftsfähigeFunktechnologien (2008) kommt der BUND zu demErgebnis, dass eine „Wende in der Kommunikations-technik […] dringend erforderlich“ ist. Die Schrift prä-zisiert die generellen Schritte, in denen sich einesolche Wende vollziehen müsste: - „Stopp des Ausbaus und Begrenzung der

bisherigen Funkanwendungen […].“- „Gesundheitsverträgliche Ausgestaltung von

Funktechnologien“ der herkömmlichen Art nach dem Prinzip möglicher Strahlenminimierung; Ausbau neuer schnurgebundener Techniken; Übergang zu zukunftsweisenden schnurlosen Techniken wie den mobilen optischen Übertra-gungstechniken.

- „Einführung gesetzlicher Regelungen zum Schutz und zur Vorsorge vor gesundheitlichen Wirkungen sowie zum Schutz von Lebewesen […]“; vor allem auch „Schutz vor ungewollter Einstrahlung in den privaten Bereich“.

- „Offener Diskurs mit allen Akteuren und Betroffe-nen der Funktechnologien“, mit dem Ziel der Verwirklichung eines solchen Programms.20

Auch die Verfasser dieser Schrift sehen keine Alter-native zu einer solchen grundsätzlichen Wende. Siehalten eine solche Wende auch deshalb für unver-zichtbar, weil zwischen dem Umgang mit der Naturund dem Zustand der Gesellschaft ein unlösbarer Zu-

20 Für zukunftsfähige Funktechnologien, S. 3, weiter ausgeführt S. 36-42.21 So der Schlusssatz unseres Memorandums zur Mobilfunkpolitik vom 16.06.2009

(http://www.kompetenzinitiative.de/aktivitaeten/berichte-und-stellungnahmen/memorandum-zur-mobilfunkpolitik.html

sammenhang besteht: Wohlstand und sozialer Friedelassen sich nicht dauerhaft sichern, solange dieMenschheit auf immer neuen Wegen gegen die NaturKrieg führt.21

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Grenz- und Vorsorgewerte für Hochfrequenzbelastung (HF) im weltweiten Vergleich:

µW/m² nW/cm² V/m

20.000.000 2.000.000 87 Niederlande für UMTS

10.000.000 1.000.000 61 Deutschland 26. BImSchV für UMTS (1997) England, Schweden, Finnland, Japan für UMTS ICNIRP, WHO, EU-Ratsempfehlung, SSK für UMTS USA, Kanada, Österreich für E-Netze DIN/VDE 0848 für die Bevölkerung, Thermische Effekte

9.000.000 900.000 58 Deutschland 26. BImSchV für E-Netze (1997), England, Schweden, Finnland, Japan (E-Netz), ICNIRP, WHO, EU-Rat

6.500.000 650.000 49 Niederlande für D-Netze

6.000.000 600.000 47 USA, Kanada, Österreich (D-Netze)

4.500.000 450.000 42 Deutschland 26. BImSchV für D-Netze (1997), England, Schweden, Finnland, Japan (E-Netz), ICNIRP, WHO, EU-Rat

2.000.000 200.000 27 Australien, Neuseeland für D-Netze

1.200.000 120.000 21 Belgien (2001) ohne Wallonien (siehe 3 V/m)

1.161.000 116.100 20 Italien

1.000.000 100.000 19 ehem. DDR (1988) für max. 2 Stunden Exposition (TGL Arbeitsschutz)

100.000 10.000 6 ehem. DDR (1988) für max. 20 Stunden Exposition (TGL Arbeitsschutz). Italien für Gebäude in denen man sich länger als 4 Stunden aufhält

100.000 10.000 6 Schweiz für E-Netze und UMTS (Vorsorge für empfindliche Nutzung), Luxemburg, Liechtenstein (bis 2013). Summe aller Anlagen: Polen, Ungarn, Bulgarien, China, Russland

45.000 4.500 4 Schweiz für D-Netze (2000, Vorsorge für Orte mit empfindlicher Nutzung, 1 Anlage)

24.000 2.400 3 Belgien: nur Wallonien (2001; 2007), Trentino (Prov. Trento)

20.000 2.000 2,7 Ehemalige Sowjetunion

10.000 1.000 2 Trentino (Prov. Trento) in sensiblen Zonen (Schulen, Altersheime, Krankenhäuser)

1.000 100 0,6 Stadt Salzburg u. Land (Summe aller Anlagen 1999), Salzburger Resolution, getragen von 19 Wissenschaftlern (2000), in Liechtenstein ab 2013

100 10 0,2 Europäisches Parlament (Wissenschafts-Direktion STOA, 2001), BUND (2008)

10 1 0,06 Landessanitätsdirektion Salzburg, Summe GSM im Freien (2002)

1 0,1 0,019 BUND, Vorsorgestandard für Gebäude/Grundstücke, die zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sind ( 2008)

0,1 0,01 0,006 Mikrowellen - Sonneneinstrahlung auf die Erde, nicht gepulst (Leitgeb u. a.)

0,01 0,001 0,002 Resolution, Bürgerforum für Ruhebereiche (1999)

ca. 0,01 bis 1

0,001 bis 0,1

0,002 bis 0,02

Zivilisatorischer Durchschnitt in Häusern (Maes 1995-2000), in-zwischen deutlich angestiegen, auf ca. 100-10.000 µW/m2 in Städten

ca. 0,001 0,0001 0,000 6 Optimale Funktion eines D- oder E-Netz-Handys

ca. 0,0001 0,000 01 0,000 2 Optimale Funktion eines UMTS-Handys (inhouse) (noch ausreichend bei 1/10 davon), CONNECT Heft 10/2005 Mindeststrahlung laut Schweizer Konzessionsvertrag für D-Netze im Freien

0,000 001 0,000 0001 0,000 02 Natürliche Hintergrundstrahlung (Neitzke)

D-Netze: ~900 MHz, E-Netze ~1800 MHz, E-Netz (USA) ~1900 MHz, UMTS ~2100 MHz, WLAN+Bluetooth+Mikrowelle ~2.400 MHz Baubiologische Richtwerte (Vorsorgewerte) für Schlafbereiche: Elektromagnetische Wellen nicht auffällig* Schwach auffällig* stark auffällig* extrem auffällig* (Hochfrequenz) un-/gepulst bis 0,1 µW/m² 0,1 – 10 µW/m² 10 – 1.000 µW/m² über 1.000 µW/m²

* Auffällig bzgl empfohlenem Zielwert (0,1 µW/m²) nach SBM 2008, Basis sind mehrere 10.000 Erfahrungswerte (Maes, VDB usw.) Angaben teilweise leicht auf- oder abgerundet, Stand: Juli 2009

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Zu den Autoren

Prof. Dr. med. Franz Adlkofer, (Berlin /München); Arzt fürInnere Medizin; Max-Planck-Institut für Biochemie Mün-chen, dann Freie Universität Berlin; 20 Jahre in der Industrietätig; seit 1992 Geschäftsführer der Stiftung Verum, seit2002 Mitglied des Stiftungsrats.

Prof. Dr. med. Karl Hecht, (Berlin); emeritierter Neurophy-siologe der Charité der Berliner Humboldt-Universität; ex-perimentelle und klinische pathol. Physiologie, Stress-,Schlaf-, Chrono-, Umwelt- und Weltraum-Medizin.

Dr. rer. nat. Lebrecht von Klitzing, visit. Prof. (CN), (Stok-kelsdorf); Biochemiker und Medizinphysiker; bis 2002 ander Medizinischen Universität zu Lübeck; gegenwärtig Lei-tung des Instituts für Umweltphysikalische Messungen GbRin Stockelsdorf.

Prof. Dr. jur. Klaus Kniep, RA (Heilbronn); u.a. Staatsrecht,Umweltrecht, Rechtsschutz; Tätigkeiten im Verteidigungs-ministerium, 1971-1995 in der Geschäftsführung einer In-dustrie- und Handelskammer, akad. Vorlesungen, seit 1995Tätigkeit als Rechtsanwalt.

Prof. Dr. med. Wilhelm Mosgöller, (Wien); Entwicklungs-und Zellbiologe an der Medizinischen Universität Wien;2002 bis 2008 Koordinator des ATHEM-Projekts im Auftrageiner Versicherungsgesellschaft.

Prof. Dr. phil. Karl Richter, (St. Ingbert /Saarbrücken); eme-ritierter Literaturwissenschaftler der Universität des Saar-landes; kulturwissenschaftliche und interdisziplinäre For -schungen zu Interferenzbereichen der Wissenschaften.

Dr. med. Hans-Christoph Scheiner, (München); Allgemein-medizin, Umweltmedizin, Naturheilverfahren, Psychothera-pie; Institut für Holistische Medizin in München.

Dr. rer. nat. Ulrich Warnke, (Saarbrücken); Biowissenschaft-ler der Universität des Saarlandes; Biomedizin, Umweltme-dizin und Biophysik; Gründungsmitglied der Gesellschaftfür Technische Biologie und Bionik, Universität des Saar-landes.

Über die Kompetenzinitiative zum Schutzvon Mensch, Umwelt und Demokratie e.V.

Die Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch,Umwelt und Demokratie e.V., die mit ihrer Arbeit auchüber Deutschland hinaus viel Zustimmung gefundenhat, ist ein eingetragener und als gemeinnützig aner-kannter Verein. Über sei ne Ziele informieren das Grün-dungsprogramm Gesundheit ist keine Handelsware!und die Satzung. Beides ist abrufbar unter der Inter-netadresse www.kompetenzinitiative.net, die auchwichtige Ergebnisse bisheriger Arbeit dokumentiert.

Die Initiative, deren Arbeit von drei Arbeitsstellen inSt. Ingbert, Kempten und Dornach (Schweiz) aus ge-leitet wird, versteht sich als internationale, interdis-ziplinäre und überparteiliche Vereinigung. Sie enga-giert sich für eine notwen dige Wende der Gesund-heits- und Umweltpolitik, dies ins besondere auf demGebiet des Mobil- und Kommunikationsfunks. DiesemAnliegen ist auch die Schriftenreihe Wirkungen desMobil- und Kommunikationsfunks gewidmet (vgl.www.broschuerenreihe.net ). Auch erste Übersetzun-gen von Heften dieser Reihe sind inzwischen unterder angegebenen Internetadresse abrufbar; anderesind noch in Arbeit.

Wir sind mit unserer wissenschaftlichen und gesell-schaftspolitischen Arbeit dringend auf Hilfe ange-wiesen. Wer uns unterstützen möchte, kann der Ini-tiative als aktives oder unterstützendes Mitglied bei-treten oder unsere Arbeit mit einer Spende fördern.

Konto der Kompetenzinitiative e.V.: RaiffeisenbankKempten, Kto.-Nr. 1020-102, BLZ 733 699 02; IBAN: DE42 7336 9902 0001 0201 02 | BIC: GENO-DEF1KM1

Informationen unter [email protected] über das Mitgliedersekretariat:Kompetenzinitiative /Competence Initiative, Postfach 15 04 48, 70076 [email protected]

Zu den Autoren

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Heft 3:Wie empfindlich reagieren dieGene auf Mobilfunkstrahlung?Stand der Forschung – Entwarnungenund Intrigen – Vorschlag zur Selbst-hilfe Mit Beiträgen von Prof. F. Adlkofer,Prof. I. Y. Belyaev, K. Richter und V. ShiroffSt. Ingbert 2008; Preis 6 EuroEnglische Übersetzung als Internet-Publikation 2009; französische undspanische Übersetzungen in Arbeit.

Die Beiträge dieser Schrift zeigen, wasweltweit an gentoxischen Wirkungenelektromagnetischer Felder insbeson-dere des Mobilfunks bekannt ist. Sieerklären, was für eine besondere Schäd-lichkeit der UMTS-Strahlung spricht.Und sie verweisen übereinstimmenddarauf hin, dass es in allem vorwie-gend um Langzeiteffekte und athermi-sche Wirkungen geht. Beides aber wur-de bei der Festlegung geltender Grenz-werte nicht berücksichtigt.

Mehr zu den Schriften dieser Reiheunter www.broschuerenreihe.net; Bestelladressen umseitig

Heft 2:Die Gefährdung und Schädigungvon Kindern durch Mobilfunk.Ärztliche Beobachtung - wissenschaft- lich Erkenntnis – gesellschaftliche ErfahrungMit Beiträgen von Heike-SolweigBleuel, Markus Kern, Karl Richter,Cindy Sage, Cornelia Waldmann-Sel-sam, Ulrich Warnke und Guido ZimmerSt. Ingbert 2008; Preis 6 EuroItalienische Übersetzung erscheint im Herbst 2009.

Von der Diskrepanz zwischen interna-tionalen Warnungen und deutschenEntwarnungen ausgehend, zeigt dieseSchrift, warum Kinder durch den Mo-bilfunk in ganz besonderer Weise ge-fährdet sind. In der Mehrzahl ihrer Ka-pitel informiert sie über den aktuellenStand der medizinischen und biowis-senschaftlichen Erkenntnis. Gezeigtwird dabei, an wie vielen Stellen derKreislauf des Lebens von den Wirkun-gen elektromagnetischer Felder be-troffen ist, aber auch, wie fahrlässigdie Verantwortlichen damit umgehen.

Bisher sind in der Schriften-reihe Wirkungen des Mobil-und Kommunikationsfunks derKompetenzinitiative e.V. erschienen:

Heft 1:Bienen, Vögel und Menschen.Die Zerstörung der Natur durch ‚Elektrosmog’Ulrich WarnkeKempten 2007, 2. A. 2008; Preis 5 EuroEnglische Übersetzung als Internet-Publikation 2008; französische undspanische Übersetzung in Arbeit.

Die Schrift beschreibt und erklärt diesich bereits abzeichnenden Folgen derEntwicklung: „Bienen und andere In-sekten verschwinden, Vögel meidenbestimmte Plätze und sind an anderenOrten desorientiert. Der Mensch leidetan Funktionsstörungen und Krankhei-ten; und soweit sie vererbbar sind, gibter sie als Vorschädigungen an dienächsten Generationen weiter“ (S. 40).

Kompetenzinitiativezum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e.V.

DIE GEFÄHRDUNG UND SCHÄDIGUNGVON KINDERN DURCH MOBILFUNK

Ärztliche Beobachtung –wissenschaftliche Erkenntnis – gesellschaftliche Erfahrung

Mit Beiträgen von Heike-Solweig Bleuel, Markus Kern, Karl Richter, Cindy Sage, Cornelia Waldmann-Selsam, Ulrich Warnke und Guido Zimmer

Wirkungen des Mobil- und KommunikationsfunksEine Schriftenreihe der

Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch,Umwelt und Demokratie e. V.

Heft 2

WIE EMPFINDLICH REAGIEREN DIEGENE AUF MOBILFUNKSTRAHLUNG?

Stand der Forschung – Entwarnungen und Intrigen –Vorschlag zur Selbsthilfe

Mit Beiträgen von Franz Adlkofer, Igor Y. Belyaev, Karl Richter und Vladislav M. Shiroff

Wirkungen des Mobil- und KommunikationsfunksEine Schriftenreihe der

Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch,Umwelt und Demokratie e. V.

Heft 3

BIENEN, VÖGEL UND MENSCHENDie Zerstörung der Natur durch ‚Elektrosmog’

Ulrich Warnke

Wirkungen des Mobil- und Kommunikationsfunks

Eine Schriftenreihe der Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch,

Umwelt und Demokratie

Heft 1

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Zu dieser Schrift

„Die in dem Heft vereinten Analysen wurden unter dem Aspekt medizinisch-biowissenschaftlicher und juri-stisch-sozialwissenschaftlicher Fragestellungen geschrieben. Sie ergänzen sich zu dem zweifelsfreien Ergebnis,dass der betriebenen Politik des Mobil- und Kommunikationsfunks die wissenschaftliche, juristische und de-mokratische Legitimation fehlt. Sie stellen übereinstimmend fest, dass geltende Grenzwerte nicht schützen,sondern Bevölkerung und Umwelt gefährden und schädigen. Eine Koalition von Regierungen, Industrien undinstrumentalisierten ‚Experten’ gestattet sich einen Umgang mit dem Stand der Erkenntnis und der Gesamt-heit der Bürger, der nicht von Geboten der Vorsorge, sondern von ökonomischen Interessen bestimmt ist. Erprägt eine Gesundheitspolitik, die auch in volkswirtschaftlicher und zukunftspolitischer Hinsicht krank ist. Deraustralische Umweltphysiker Prof. Neil Cherry hat dieses System des wissenschaftlichen und politischen Han-delns bereits vor zehn Jahren in gerichtlich bestätigter Weise als betrügerisch entlarvt. Die Fortschreibungdieses Betrugs ist mit den Erkenntnissen dieser Schrift auch zu einer Gefahr für den demokratischen Rechts-staats geworden. Die Schrift sieht unabhängige Wissenschaftler und kritischer Demokraten gefordert, diese Ge-fahr nicht länger hinzunehmen.“ (Aus der Zusammenfassung)

Informationen zur Schriftenreihe Wirkungen des Mobil- und Kommunikationsfunks der Kompetenzinitiativezum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e.V. unter:www.broschuerenreihe.net (mit ergänzenden Recherche-Seiten). Mehrere der Broschüren sind hier auch inÜbersetzungen zugänglich.

Möglichkeiten der Bestellung:

Bürgerwelle e.V., Dachverband der Bürger und Initiativen zum Schutz vor Elektrosmog: Lindenweg 10, D-95643 TirschenreuthTel.: 09631/795736; Fax: 09631/795734 E-Mail: [email protected] Internet: www.buergerwelle.de

Diagnose-Funk, Umweltorganisation zum Schutz vor Funkstrahlung: Goetheanumstrasse 18, CH-4143 DornachTel.: 0041(0)61 /702 07 79 E-Mail: [email protected] Internet: www.diagnose-funk.org

Buchhandel: ISBN 978-3-9812598-2-7Preis: 6,00 EUR; 5,00 EUR bei Abnahme eines Kartons mit 60 Broschüren (jeweils zuzügl. Porto)