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Sonderdruck aus: ZEITSCHRIFT FÜR METEOROLOGIE Band 17, Heft 9-12, 1966, 316-320 Warum ist die Sahara trocken? Von H. Flohn Mit 2 Abbildungen Zusammenfassung: Ein Vergleich aller subtropischen Trockengebiete zeigt, daß im Bereich Sahara/Arabien das Fehlen sommerlicher Niederschläge in der Breitenzone 18—30° einzigartig ist. Dieser Befund hängt zusammen mit der Asymmetrie des Windfeldes im Bereich der innertropischen Konvergenzzone. Die gemeinsame physikalische Ursache liegt in der gesetzmäßigen Querzirkulation im Delta der sommerlichen tropischen Ost-Strahlströmung, die von oben her verbreitetes Absinken von rund l km/Tag erzwingt. Diese von 75 °E bis etwa 35 °W reichende Querzirkulation läuft in indirektem, energieverbrauchendem Sinne ab; letzten Endes handelt es sich um eine Fernwirkung der atmo- sphärischen Vorgänge über Tibet und Nordindien. Summary: A comparison of all subtropical dry areas reveals the uniqueness of the absence of summer rains in Lat. 18—30°, in the Sahara and the Arabian peninsula. This fact coincides with the asymmetry of the wind pattern near the Intertropical Convergence Zone. Both are produced by the regulär cross-circulation in the exit region of the Tropical Easterly Jet during summer, enforcing wide-spread subsidence of the order of l km per day. Extending between 75 °E and ab out 35 °W, this cross-circulation is an indirect, energy-consuming anti-Hadley cell, which is a farreaching eft'ect of atmospheric processes above Tibet and Northern India. Die Titelfrage erscheint trivial: in jedem Lehrbuch der Klimatologie und anderer beschreibender Disziplinen findet sich hierfür eine Erklärung, die in zutreffender Weise die Aridität der Sahara auf die absinkenden Luftbewegungen in den subtropischen Antizyklonen zurückführt. Sobald wir aber an einen räumlichen Vergleich dieses Trockengebietes mit den übrigen Trockengebieten im Bereich der subtro- pischen Hochdruckzcllcn gehen - das ist an sich eine „klimageographische" Arbeitsweise - und die jahres- zeitliche Verteilung der äußerst seltenen Niederschläge heranziehen, erweist sich die obige Erklärung mindestens als unvollständig. Die aride Zone erstreckt sich im Sommer nicht nur über den ganzen nord- afrikanischen Kontinent, sondern umfaßt den östlichen Atlantik bis etwa 35°W, weite Teile des Nahen Ostens beiderseits des Persischen Golfs bis hin zum Indus, ohne Unterbrechung in einer zonalen Ausdehnung von rund 11000km. Sie fällt räumlich und zeitlich mit einer nahezu stationären HöhenhochzeUe in der ganzen oberen Troposphäre (500 .... 200 mb) zusammen, die auf jeder einzelnen Wetterkarte wieder- zufinden ist, und die an Intensität, Ausdehnung und Persistenz alle anderen Zellen dieser Art übertrifft. Erklärt man diese Höhenhochzelle andererseits durch den Hinweis auf die besonders hohen Temperaturen über der Sahara und den angrenzenden Gebieten, dann ist das ein Zirkelschluß, der dazu noch nicht einmal richtig ist; in Wahrheit liegen die höchsten Temperaturen in der oberen Troposphäre (und damit das Zentrum des 100 mb-Höhenhochs) über Südtibet und Nordindien [4,5], Daß die großräumige Aridität der Sahara keinesfalls problemlos oder gar trivial ist, erhellt aus einem zahlenmäßigen, räumlichzeitlichen Vergleich. Das Ausgreifen gelegentlicher Winterregen bis in das Zentrum, ja ausnahmsweise bis in den Südteil der Sahara über die noch ziemlich regelmäßig einbezogenen Gebirge des Hoggar und Tibestis hinaus ist in keiner Weise ungewöhnlich; überall auf der Nordhalbkugel kommen gelegentliche Regcnfälle beim Vorbeizug tiefer Höhentröge der Westdrift bis gegen 15° Breite, stellenweise sogar bis 10° vor, ja sie erreichen auf der Südhalbkugel sogar die Äquatorialzone. Für die Frühjahrsmonate März-April, z. T. noch Mai, gilt ähnliches: in dieser Jahreszeit sind wetterwirksame Höhentröge keines- falls selten und greifen gerade im Raum Sahara/Vorderasien gelegentlich noch weiter äquatorwärts aus als im Sommer; sie veranlassen dann tropische Störungen (z. B. Ausläufer des Sudan-Tiefs) zur Wande- rung nach Norden. Dagegen dringen die Sommerregen tropischen Ursprungs nur in ganz vereinzelten Aus- nahmcfällen nordwärts über 16-17° Breite hinaus vor; diese Begrenzung ist ungewöhnlich eng und sollte die Aufmerksamkeit des Klimatologen erregen. Erst im Herbst dringen wieder vereinzelte tropische Störungen im Bereich von Höhcntrögcn der Westdrift weit nordwärts vor; dies kann in Extremfällen schon Ende August beginnen, wie der einzigartige Fall eines 40 mm-Regens im Nildelta am 27. 8. 1944 belegt. Der jahreszeitliche Verlauf der Niederschläge in Afrika erhellt am besten aus einem Meridian- schnitt längs 32° N (Abb. 1); Monatskarten des Niederschlags wurden in (6) veröffentlicht. Im Vergleich hierzu greifen über allen anderen Kontinenten die tropischen Sonimerregen regelmäßig viel weiter polwärts aus. In S ü d a f r i k a erstrecken sich die tropischen Sommerregen über Südrhodesien und die Kalahari bis in das Zentrum dieses Subkontinents, wo sie mit den vorherrschenden Sommerregen des Westwindgürtels verschmelzen. So sind in Pretoria (26° S) die Sommerregen immer noch teilweise tropischen Ursprungs (9). In unserem Meridianschnitt längs 32° E ist die Südgrenzc der tropischen Sommer- regen in 24° S gut definiert. Auch in Südamerika ist die Verschmelzung der tropischen mit den außer-

Warum ist die Sahara trocken? - Meteorologisches Institut · the Tropical Easterly Jet during summer, enforcing wide-spread subsidence of the order of l km per day. Extending Extending

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Sonderdruck aus: ZEITSCHRIFT FÜR METEOROLOGIE

Band 17, Heft 9-12, 1966, 316-320

Warum ist die Sahara trocken?Von H. Flohn

Mit 2 Abbildungen

Zusammenfassung: Ein Vergleich aller subtropischen Trockengebiete zeigt, daß im Bereich Sahara/Arabien dasFehlen sommerlicher Niederschläge in der Breitenzone 18—30° einzigartig ist. Dieser Befund hängt zusammen mit derAsymmetrie des Windfeldes im Bereich der innertropischen Konvergenzzone. Die gemeinsame physikalische Ursacheliegt in der gesetzmäßigen Querzirkulation im Delta der sommerlichen tropischen Ost-Strahlströmung, die von obenher verbreitetes Absinken von rund l km/Tag erzwingt. Diese von 75 °E bis etwa 35 °W reichende Querzirkulationläuft in indirektem, energieverbrauchendem Sinne ab; letzten Endes handelt es sich um eine Fernwirkung der atmo-sphärischen Vorgänge über Tibet und Nordindien.

Summary: A comparison of all subtropical dry areas reveals the uniqueness of the absence of summer rains inLat. 18—30°, in the Sahara and the Arabian peninsula. This fact coincides with the asymmetry of the wind patternnear the Intertropical Convergence Zone. Both are produced by the regulär cross-circulation in the exit region ofthe Tropical Easterly Jet during summer, enforcing wide-spread subsidence of the order of l km per day. Extendingbetween 75 °E and ab out 35 °W, this cross-circulation is an indirect, energy-consuming anti-Hadley cell, which isa farreaching eft'ect of atmospheric processes above Tibet and Northern India.

Die Titelfrage erscheint trivial: in jedem Lehrbuch der Klimatologie und anderer beschreibenderDisziplinen findet sich hierfür eine Erklärung, die in zutreffender Weise die Aridität der Sahara auf dieabsinkenden Luftbewegungen in den subtropischen Antizyklonen zurückführt. Sobald wir aber an einenräumlichen Vergleich dieses Trockengebietes mit den übrigen Trockengebieten im Bereich der subtro-pischen Hochdruckzcllcn gehen - das ist an sich eine „klimageographische" Arbeitsweise - und die jahres-zeitliche Verteilung der äußerst seltenen Niederschläge heranziehen, erweist sich die obige Erklärungmindestens als unvollständig. Die aride Zone erstreckt sich im Sommer nicht nur über den ganzen nord-afrikanischen Kontinent, sondern umfaßt den östlichen Atlantik bis etwa 35°W, weite Teile des NahenOstens beiderseits des Persischen Golfs bis hin zum Indus, ohne Unterbrechung in einer zonalen Ausdehnungvon rund 11000km. Sie fällt räumlich und zeitlich mit einer nahezu stationären HöhenhochzeUe in derganzen oberen Troposphäre (500 . . . . 200 mb) zusammen, die auf jeder einzelnen Wetterkarte wieder-zufinden ist, und die an Intensität, Ausdehnung und Persistenz alle anderen Zellen dieser Art übertrifft.Erklärt man diese Höhenhochzelle andererseits durch den Hinweis auf die besonders hohen Temperaturenüber der Sahara und den angrenzenden Gebieten, dann ist das ein Zirkelschluß, der dazu noch nicht einmalrichtig ist; in Wahrheit liegen die höchsten Temperaturen in der oberen Troposphäre (und damit dasZentrum des 100 mb-Höhenhochs) über Südtibet und Nordindien [4,5],

Daß die großräumige Aridität der Sahara keinesfalls problemlos oder gar trivial ist, erhellt aus einemzahlenmäßigen, räumlichzeitlichen Vergleich. Das Ausgreifen gelegentlicher Winterregen bis in das Zentrum,ja ausnahmsweise bis in den Südteil der Sahara — über die noch ziemlich regelmäßig einbezogenen Gebirgedes Hoggar und Tibestis hinaus — ist in keiner Weise ungewöhnlich; überall auf der Nordhalbkugel kommengelegentliche Regcnfälle beim Vorbeizug tiefer Höhentröge der Westdrift bis gegen 15° Breite, stellenweisesogar bis 10° vor, ja sie erreichen auf der Südhalbkugel sogar die Äquatorialzone. Für die FrühjahrsmonateMärz-April, z. T. noch Mai, gilt ähnliches: in dieser Jahreszeit sind wetterwirksame Höhentröge keines-falls selten und greifen gerade im Raum Sahara/Vorderasien gelegentlich noch weiter äquatorwärts ausals im Sommer; sie veranlassen dann tropische Störungen (z. B. Ausläufer des Sudan-Tiefs) zur Wande-rung nach Norden. Dagegen dringen die Sommerregen tropischen Ursprungs nur in ganz vereinzelten Aus-nahmcfällen nordwärts über 16-17° Breite hinaus vor; diese Begrenzung ist ungewöhnlich eng und solltedie Aufmerksamkeit des Klimatologen erregen. Erst im Herbst dringen wieder vereinzelte tropischeStörungen im Bereich von Höhcntrögcn der Westdrift weit nordwärts vor; dies kann in Extremfällenschon Ende August beginnen, wie der einzigartige Fall eines 40 mm-Regens im Nildelta am 27. 8. 1944belegt. Der jahreszeitliche Verlauf der Niederschläge in Afrika erhellt am besten aus einem Meridian-schnitt längs 32° N (Abb. 1); Monatskarten des Niederschlags wurden in (6) veröffentlicht.

Im Vergleich hierzu greifen über allen anderen Kontinenten die tropischen Sonimerregen regelmäßigviel weiter polwärts aus. In Südaf r ika erstrecken sich die tropischen Sommerregen über Südrhodesienund die Kalahari bis in das Zentrum dieses Subkontinents, wo sie mit den vorherrschenden Sommerregendes Westwindgürtels verschmelzen. So sind in Pretoria (26° S) die Sommerregen immer noch teilweisetropischen Ursprungs (9). In unserem Meridianschnitt längs 32° E ist die Südgrenzc der tropischen Sommer-regen in 24° S gut definiert. Auch in Südamer ika ist die Verschmelzung der tropischen mit den außer-

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Alexandria ^

AssuanWadi Haifa

Khartum

Malakal

Juba

Entebbe

Tabora -

Salisbury

Durban

30° N

-20° N

-10° N

-10° S

-20° 5

30° S

0 5 10 25 50 100 150 200 250mmAbb. 1. Meridianschnitt des mittleren Jahresganges der Niederschläge längs 32 °E (Niltal)

tropischen Sommerregen gut ausgebildet; eine kontinentale Wüste existiert nur auf dem begrenztenAltiplano von Bolivien und Nordchile, wo die Trockengebiete im Lee der Anden von der W-Seite im N aufdie E-Seite im S überwechseln. Im andinen Hochland reichen die tropischen Sommerregen mindestens bis21° S. Auch in Mexiko und im SW Nordamerikas verschmelzen im Bereich des Hitzetiefs über Ari-zona — vgl. (1) —die tropischen mit den außertropisch-kontinentalen Sommerregen. Über dem Sub-kontinent von Indo-Pakistan reichen — hier allerdings unter exzeptionellen Bedingungen — Sommer-regen tropischer Herkunft im Räume von Peshawar bis gegen 35° N hinauf. Am eindrucksvollsten ist derVergleich mit Austral ien, wo die tropischen Sommerregen mindestens bis 24—26° S ausgreifcn. Der Unter-schied gegen Nordafrika kann sicher nicht auf die Differenzen in der zonalen Ausdehnung der beiden Kon-tinente (40° Länge gegen 68° in Nordafrika) zurückgeführt werden. Als Folge dieser Ausdehnung der tro-pischen Sommerregen fallen selbst im Zentrum der großen australischen Wüste nirgendwo weniger als100 mm pro Jahr, während in der zentralen Sahara die Isohyete 20 mm (8) weite Flächen umschließt. DieUnterschiede in der Vegetationsbedeckung sind wohlbekannt und werden beim Überfliegen — z. B. auf

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den Routen Sidney-P. Darwin und Khart um -Kairo - anschaulich sichtbar. Es erscheint besonders be-merkenswert, daß in allen Südkontinenten die tropischen Sommerregen weiter polwärts ausgreifen als inNordafrika, obwohl umgekehrt überall im Jahresmittel der thermische Äquator einige Grade nördlich desmathematischen Äquators liegt, und im Gürtel von der Sahara bis zum Indus im Sommer die höchsten.Mitteltemperaturen der Erdoberfläche auftreten.

Bei etwas tieferem Eindringen müssen wir das Problem der sommerlichen Aridität der Sahara spe-zifizieren :

1. Warum dringen ausgerechnet in dem Kontinent, der im Bereich der Wendekreise die größte zonaltAusdehnung hat, die tropischen Sommerregen am wenigsten weit polwärts vor ?

2. Warum bleibt der zentrale Bereich des Hitzetiefs (und seine ganze Nordseite) in der Sahara, inArabien und Belutschistan wolkenlos und trocken, während im allgemeinen erst etwa 200 km südlich dieersten tropischen Schauer auftreten ?

Diese zweite Frage bedarf einer näheren Erläuterung. Obwohl die Tatsache als solche mindestens seitdem letzten Kriege in der Literatur wohlbekannt ist — tatsächlich hat T. Bergeron schon vorher eindring-lich auf die Asymmetrie der innertropischen Konvergenzzone (ITC) hingewiesen —, befriedigt die üblicheErklärung mit dem Gegensatz zwischen der trockenkontinentalen Heißluft im N und der instabilen, feuch-teren und kühleren Äquatorialluft im Süden bei genauerem Hinsehen nicht. Das Phänomen tritt auch nochim Sudan am Nil auf, obwohl dort Luftmassen vom Mittelmeer oder vom Indik her einen kürzeren Wegzurücklegen als vom Atlantik her; diese sind aber ausnahmslos trocken und stabil geschichtet. Die gleichemaritim-äquatoriale Luftmasse vom Indischen Ozean weht im Sommer über Bajasthan und der Wüste Tharr- bei gleicher Mächtigkeit von 1000-1500 m wie in Westafrika - bis zum Himalayarand, ohne (außer inden seltenen zyklonalen Monsunzyklonen) einen Tropfen Regen abzugeben; ihr Dampfdruck bleibt deshalbmit rund 32 mb von der Küste bis nach Rawalpindi im N praktisch konstant.

Ein besonders merkwürdiger Befund ergab sich auf dem äquatorialen Atlantik. Eine Berechnung derDivergenz des Windes div v (aus über 360000 Schiffsbeobachtungen und an 1000 Pilotballon-Daten) alsFunktion des Abstandes zur ITC ergab hier (2) das Auftreten maximaler Konvergenz am Boden 3° südlichder ITC, die nach oben noch weiter nach S (bis 5—6° Abstand) verschoben war. Berechnet man hieraus dieVertikalkomponente w des Windes bis 5 km Höhe und kombiniert diese mit einer tropischen Modell-atmosphäre, so resultiert eine asymmetrische Verteilung des Niederschlags mit < 50 mm auf der N-Seite,aber > 300 mm (pro Monat) 600 km südlich der ITC. Dieser Befund ist höchst seltsam: er ist abgeleitetallein aus dem Windfeld, mitten auf dem Ozean, unter Vernachlässigung aller primären Luftmassenunter-schiede, ergibt aber die gleiche Asymmetrie der vertikalen Windkomponente und der Niederschlags-verteilung wie im Inneren Afrikas. Die räumliche Anordnung von Bewölkung und Niederschlag läßt nurden Schluß zu, daß für eine vielleicht 3—5 km mächtige Schicht die Zone maximaler (hydrodynamischer)Konvergenz und damit maximaler Aufwärtsbewegung gesetzmäßig mehrere Meridiangrade südlich derBodenkonvergenz und der Achse der Hitzetiefs liegt. Die Beschreibung einer vom Boden her flach südwärtsansteigenden ITC liefert ebensowenig eine geeignete Deutung, weil die Zone der äquatorialen W- und SW-Winde gleichmäßig im W bis 1000—1500 m, im E bis etwa 2500 m Höhe reicht, ohne äquatorwärts weiteranzuschwellen. Tatsächlich reichen die Cumulonimben der tropischen So m nierregen weit in die darüber -liegenden Ostwinde hinein und werden von diesen nach W verlagert, im Sommer mit beachtlicher Geschwin-digkeit (30-40 km), die erst mit der Entdeckung einer Starkwindzone oberhalb 300 mb (9 km) verständlichwurde.

Der Befund einer asymmetrischen Verteilung der Größen div v und w führt zu einer rein dynamischenInterpretation der Asymmetrie von Wolken und Niederschlag und läßt die Stabilität und den Wasserdampf-gehalt der Luftmassen als Folge (und nicht als Ursache) erscheinen. Aber die Frage nach der Ursache dieserAsymmetrie des Windfeldes blieb noch völlig offen. Für sie eröffnet sich aber heute eine überraschendeLösung aus einer ganz anderen Fragestellung heraus, nämlich der nach der Dynamik des zuerst 1956 vonP. Koteswaram [7] näher untersuchten tropischen Ost-Strahlstroms. Diese Untersuchung wurde1956 begonnen, im Zusammenhang mit umfangreichen (leider noch immer unveröffentlichten) Arbeiteneines Mitarbeiters zur Aerologie des indischen Sommermonsuns, und nach jahrelanger Materialsammlung1964 veröffentlicht [4].

Der tropische Ost-Strahlstrom erstreckt sich mit verblüffender Beständigkeit in der Richtung -wenn auch mit zeitlichen Schwankungen der Intensität — über ganz Südasien und Nordafrika. Die Isotache30 Knoten (~ 54 kmh) reicht von 130° E (Philippinen) bis 15° W (nahe Dakar), also über rund 16000 kmhinweg. Der Kern des Strahlstroms liegt mit etwa 150 mb — 14 km höher als die Strahlströme der West-drift; er sinkt von N nach S geringfügig ab. Dieser Kern liegt über Indien und Ostafrika etwa in 12° N ; diemittlere Geschwindigkeit beträgt hier 60-70 kt (108-126 kmh), wobei Werte oberhalb 100 kt (Maximum152 kt) keinesfalls selten sind. Da in 10-20° Breite noch durchaus geostrophische Bedingungen herrschen,gehört zu diesem Ost-Strahlstrom ein Warmlufthoch im N und eine Kaltluftregion mit tiefem Höhendruckim S, also in Äquatornähe.

Wie im Bereich jeder Strahlströmung, existiert auch hier gesetzmäßig im Mittel eine quer zur Strahl-stromachse gerichtete Querzirkulation, bei der die Querkomponente des Windes im Einzugsgebiet (hier also

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H. .Flohn, Warum ist die Sahara trocken;1 319

im E) aus N nach der kalten Seite hin gerichtet ist, im ausgedehnten Delta von 75° E bis 15°W über Nord-afrika aber aus S zur warmen Seite hin. Diese Querkomponente kann über Afrika - wo ein weitmaschigesNetz zuverlässiger und homogener Höhenwindmessungen existiert — für die Schicht 500—100 mb (6—16 km)errechnet werden (4); sie erzwingt unterhalb der Strahlstromachse Aufsteigen in der Troposphäre, imNorden dagegen einen Massenüberschuß in der oberen Troposphäre und daher weiträumiges Absinken,Die quantitive Abschätzung der Größe dieser Querzirkulation erfordert möglichst realistische Moden-annahmen (4): wir nehmen ein geschlossenes System an, das südlich der Strahlstromachse durch einevertikale Mauer parallel zur mittleren Strömung begrenzt wird; ihr entspricht im N eine parallele Mauerin der Grenzzone zwischen tropischem Ostwind und außertropischem Westwind, und wir vernachlässigenalle Transporte innerhalb der Stratosphäre oberhalb 100 mb. Dann errechnet sich im Bereich der Strahl-stromachse in 7—14° N — der mit dem Gürtel maximaler tropischer Sommerregen übereinstimmt — einemittlere Hebung von rund l km pro Tag (1.13 cm/s) für ein Gebiet von etwa 4 • 10(i km2, dagegen im Be-reich nördlich des i^ahlstroms ein mittleres Absinken von rund 600 m pro Tag (0,68 cm/s) für ein Gebietvon fast 7 • 10G km2, zwischen 14° und 25° Nordbreite. Dieses nördliche Gebiet umfaßt die Zone der Hitze-tiefs am Boden, beiderseits der in konventioneller Weise definierten ITC, und den nördlich anschließenden

Abb. 2. Idealprofil der WitterungsVerhält-nisse im Bereich der ITC und des

tropischen Ost-Strahlstroms

T = „äquatoriale" TiedruckfurcheJ E — tropische Ost-Strahl Strömung

500hm

Trockengürtel im Zentrum der Sahara. Die klimatologische Verteilung des Niederschlags stimmt alsoverblüffend mit der Vertikalkomponente des Windes überein, die sich aus der Dynamik des Ost-Strahl-stroms in 12—16 km Höhe ergibt (Abb. 2). Der mittlere Betrag der Hebung in der Regenzone südlich derITC von 11 mm/s in 500 mb stimmt ebenso mit dem Wert von 14 mm/s überein, der aus dem Windfeldder unteren Troposphäre über dem Atlantik (in gleicher Position zur ITC) errechnet worden war. Darausresultiert für den Nordsommer, daß die Asymmetrie des unteren Windfeldes, der Bewölkung unddes Niederschlags zu beiden Seiten der ITC allein aus der Dynamik der tropischen Oststrahlströmungabgeleitet werden kann, d. h. von oben aufgeprägt worden ist. Da dieser Ost-Strahlstrom in seinemZentrum über Indien eine notwendige Konsequenz des maximalen Druck- und Temperaturgefälles zwi-schen dem Himalaya und dem äquatorialen Indik darstellt, mit einem in 100 mb über Südtibet (ca. 29° N,88° E) konzentrierten warmen Höhenhoch (5), so erscheint die sommerliche Trockenheit der zentra-len Sahara letzten Endes als eine Fernwirkung der atmosphärischen Vorgänge und Zustände über demtibetischen Hochland und Nordindien (3,5). Auf einen weiträumigen Zusammenhang zwischen derDynamik dieser so überaus beständigen Ost-Strahlströmung und der Niederschlagsverteilung über Süd-asien hat zuerst Koteswaram in einer Diskussion auf dem Monsun-Symposium in Neu-Delhi (Februar 1958)hingewiesen; ein quantitativer Nachweis einer mittleren Zirkulation und ihre Erstreckung über ganz Nord-afrika konnte jedoch erst jetzt (4) geführt werden.

Diese Querzirkulation im Delta der Strahlströmung — das immerhin zwischen 75° E und 35° W mehrals ein Viertel des Erdumfanges umfaßt — ist eine indirekte, energieverbrauchende Zirkulation: sie ist inder Hoho gegen den hohen Druck gerichtet und erzwingt Aufstoigen in der äquatorialem „JiaJtliift",Absinken in der subtropisch-kontinentalen Warmluf t . Im Sinne der heutigen Diskussion um die tro-pische Zirkulation - zu der J. Bjerknes, E. Palmen, H. Riehl, V. P. Starr und Mitarbeiter entscheidendeBeiträge geliefert haben - muß sie als Anti-Hadley-Zirkulation bezeichnet werden, wenn auch diebeiden Äste mit positiver und negativer Vertikalkomponente in ihrer Lage nicht allzusehr vom plane-tarischen Jahresmittel abweichen.

320 H. Flohn, Warum ist die Sahara trocken? Zeitschrift für Meteorologie' Band 17 Heft 3-12

Für alle weiterführenden Fragen — nach der Herkunft der kinetischen Energie, die im Delta teils inpotentielle Energie übergeht, teils in der indirekten Querzirkulation verbraucht wird, nach der entgegen-gesetzten Zirkulation im Einzugsgebiet und nach dem Mechanismus der Umkehr dieser Querzirkulationüber Indien u. a. m. — muß auf (4) verwiesen werden, ebenso auch hinsichtlich weiterer Literatur.

Literatur :

[1] Bryson, R. A., Lowry, W. P., Bull. Am. Meteor. Soc. 36 (1955). 329.[2] Flohn, H., Beitr. Phys. Atrnos. 30 (1957), 18.[3] Flohn, H., in: Monsoons of the World (1958), 75.[4] Flohn, H,, Investigations on the Tropical Eastorly Jet. Bonner Meteor. Abli. 4 (1904).[5] Flohn, H., Austral. Meteor. Mag. 49 (1965), 55.[6] Jackson, 8. P., Climatological Atlas of Africa. CCTA/CSA Lagos-Nairobi 1961.[7] Koteswaram, P., Tellus 10 (1958), 24.[8] Knocli, K., Klimakarten aus dem Weltseuchen-Atlas, Band // und ///.[9] Vowinckel, H., Arcli. Meteor. Geoph. Biokl. B 7 (1955), 11.

Anschrift; Prof. Dr. H. Flohn, Meteorologisches Institut der Universität Bonn, 53 Bonn/Rhein, Kurfürstenstr. 74