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204 | Phys. Unserer Zeit | 4/2010 (41) www.phiuz.de © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim MAGAZIN | mus können Vögel nicht schneller fliegen als gemäß dieser Relation: Je größer die Masse ist, desto kleiner muss die Geschwindigkeit sein – ein gegenläufiges Verhalten zu obigem Ergebnis. Trägt man dieses Resultat auch in Abbildung 1 ein, so findet man eine maximale Masse, oberhalb der ein Vogel nicht fliegen kann. Setzen wir beide Bedingungen einander gleich, so erhalten wir 17M 0,17 = 33M –0,27 , und daraus folgt M max = 4 kg. Angesichts des groben Modells der Würfelform ist die Übereinstim- mung mit dem Schwan (10 kg) nicht schlecht. Wir können daher ver- stehen, warum schwere Vögel nicht fliegen können. In Abbildung 1 sehen wir zudem, dass kleine Flugzeuge wie eine Fokker F-27 und große Flugzeuge wie der Jumbo 747 auch auf der Kurve v = 17M 0,17 liegen. Sie folgen also der gleichen Physik wie die Vögel. Aber diese Flugobjekte haben keine Einschränkung durch Spritver- brauch, denn sie nehmen ihren Sprit im erforderlichen Umfang ja immer mit, das Kerosin. Literatur C. Rolfs, Wie Biosphäre und Medizin die Physik verwenden, Wagner-Verlag 2009. Claus Rolfs, Ruhr-Uni Bochum TIERISCHE PHYSIK | Warum können große Vögel nicht fliegen? Ein Mathematiker hat angeblich einmal bewiesen, dass Hummeln nicht fliegen können. Doch aller Theorie zum Trotz tun sie es. Aber sehr schwere Vögel wie Truthähne oder Strauße können sich wirklich nicht in die Lüfte erheben. Der Grund ist letztlich eine nicht ausreichende Energieproduktion der Körper. Damit ein Vogel grundsätzlich fliegen kann, müssen Gewichtskraft Mg und Auftriebskraft mindestens gleich groß sein. Es muss also gelten: Mg = 1 / 2 Aρv 2 , wobei v die Fluggeschwin- digkeit, A die Flügelfläche und ρ die Luftdichte bedeuten. Ein Vogel muss die Erdanziehungskraft überwinden und dies geht um so besser, je kleiner seine Masse ist. Machen wir ein sehr vereinfachen- des Modell, indem wir einen Vogel als einen Würfel der Kantenlänge b be- trachten. Dann gilt M V b 3 und A b 2 und somit gilt gemäß obiger Gleichung die Proportionalität v 2 M/A b 3 /b 2 = b M 1/3 oder v M 1/6 . Zahlen eingesetzt liefert die Bedingung v = 17M 1/6 = 17M 0,17 . Das Resultat stellt die mindestens notwendige Geschwindigkeit eines Vogels dar,um fliegen zu können. Je größer die Masse ist, desto schneller muss er fliegen. Abbildung 1 zeigt dieses Resultat. Alle Fliegen und alle Vögel erfüllen diese Bedingung bis herauf zum Schwan. Mit einer Masse von etwa 10 kg ist er offenbar der schwerste Vogel, der fliegen kann. Schwerere Vögel, wie Truthähne, Pinguine und Strauße können nicht fliegen. Warum? Es muss eine zweite Bedingung für das Fliegen geben. Sie liegt im Bereich des Spritverbrauchs beim Fliegen, den Transportkosten. Beim Fliegen müssen die Vögel gegen die Luftreibung arbeiten. Sie benötigen daher eine mechanische Leistung Λ = F R v = ( 1 / 2 Sρ L v 2 )v = (S/A)Mgv, wobei S die Frontfläche der Flügel darstellt und S/A ist etwa 0,033. Die- se Leistung muss vom Vogel aufge- bracht werden. Die Energie hierfür bezieht er aus der Umwandlung seiner Nahrung, der metabolischen Rate Γ = 3,6M 0,73 . Nehmen wir an, dass ein Vogel etwa 30 % dieser Wär- meleistung in mechanische Leistung umsetzen kann, dann gilt (S/A)Mgv = 0,3(3,6M 0,73 ) oder schließlich v = 33M –0,27 . Das heißt bei dem gegebenen Metabolis- Masse M Fluggeschwindigkeit v Fokker Jumbo Fliegen, Vögel M max Vögel können Schwan υ = 33M − 0,27 υ = 17M 0,17 ABB. 1 | FLUGBEDINGUNGEN Schematische Darstellung der Abhän- gigkeit der Mindestfluggeschwindigkeit von der Masse: Die grüne Kurve ent- spricht der Flugbedingung v = 17 M 0,17 , die rote Kurve der durch den Stoffwech- sel diktierten Bedingung v = 33 M –0,27 (bei quantitativ korrekter Darstellung wären diese beiden Geraden Kurven). Abb. 2 Die gänsegroßen Basstölpel haben lange und schmale Flügel, womit sie Luftströmungen effizient ausnutzen und bis etwa 65 km/h Fluggeschwindigkeit erreichen. Als hervor- ragende Gleiter haben sie eine relativ schwache Flugmusku- latur, die nur etwa 13 % ihres Körpergewichts ausmacht. Bei den meisten Vogelarten sind es etwa 20 % (Foto: R. Wengen- mayr).

Warum können große Vögel nicht fliegen?

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204 | Phys. Unserer Zeit | 4/2010 (41) www.phiuz.de © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

M AG A Z I N |

mus können Vögel nicht schnellerfliegen als gemäß dieser Relation: Jegrößer die Masse ist, desto kleinermuss die Geschwindigkeit sein – eingegenläufiges Verhalten zu obigemErgebnis.

Trägt man dieses Resultat auch inAbbildung 1 ein, so findet man einemaximale Masse, oberhalb der einVogel nicht fliegen kann. Setzen wirbeide Bedingungen einander gleich,so erhalten wir 17M0,17 = 33M–0,27,und daraus folgt Mmax = 4 kg.

Angesichts des groben Modellsder Würfelform ist die Übereinstim-mung mit dem Schwan (10 kg) nichtschlecht. Wir können daher ver-stehen, warum schwere Vögel nichtfliegen können.

In Abbildung 1 sehen wir zudem,dass kleine Flugzeuge wie eineFokker F-27 und große Flugzeugewie der Jumbo 747 auch auf derKurve v = 17M0,17 liegen. Sie folgenalso der gleichen Physik wie dieVögel. Aber diese Flugobjekte habenkeine Einschränkung durch Spritver-brauch, denn sie nehmen ihren Spritim erforderlichen Umfang ja immermit, das Kerosin.

LiteraturC. Rolfs, Wie Biosphäre und Medizin die Physikverwenden, Wagner-Verlag 2009.

Claus Rolfs,Ruhr-Uni Bochum

T I E R I S C H E PH YS I K |Warum können große Vögel nicht fliegen?

Ein Mathematiker hat angeblich einmal bewiesen, dass Hummeln nicht fliegen können. Doch aller Theorie

zum Trotz tun sie es. Aber sehr schwere Vögel wie Truthähne oder Strauße können sich wirklich nicht in die Lüfte erheben. Der

Grund ist letztlich eine nicht ausreichende Energieproduktion der Körper.

Damit ein Vogel grundsätzlich fliegenkann, müssen Gewichtskraft Mg undAuftriebskraft mindestens gleich großsein. Es muss also gelten: Mg =1/2Aρv2, wobei v die Fluggeschwin-digkeit, A die Flügelfläche und ρ dieLuftdichte bedeuten. Ein Vogel mussdie Erdanziehungskraft überwindenund dies geht um so besser, je kleinerseine Masse ist.

Machen wir ein sehr vereinfachen-des Modell, indem wir einen Vogel alseinen Würfel der Kantenlänge b be-trachten. Dann gilt M ∼ V ∼ b3 und A ∼ b2 und somit gilt gemäß obigerGleichung die Proportionalität

v2 ∼ M/A ∼ b3/b2 = b ∼ M1/3

oder v ∼ M1/6. Zahlen eingesetzt liefert die Bedingung v = 17M1/6 =17M0,17.

Das Resultat stellt die mindestensnotwendige Geschwindigkeit einesVogels dar, um fliegen zu können. Jegrößer die Masse ist, desto schnellermuss er fliegen. Abbildung 1 zeigtdieses Resultat. Alle Fliegen und alleVögel erfüllen diese Bedingung bisherauf zum Schwan. Mit einer Massevon etwa 10 kg ist er offenbar derschwerste Vogel, der fliegen kann.Schwerere Vögel, wie Truthähne,Pinguine und Strauße können nichtfliegen. Warum? Es muss eine zweiteBedingung für das Fliegen geben. Sieliegt im Bereich des Spritverbrauchsbeim Fliegen, den Transportkosten.

Beim Fliegen müssen die Vögelgegen die Luftreibung arbeiten. Siebenötigen daher eine mechanischeLeistung Λ = FRv = (1/2SρLv2)v = (S/A)Mgv,

wobei S die Frontfläche der Flügeldarstellt und S/A ist etwa 0,033. Die-se Leistung muss vom Vogel aufge-bracht werden. Die Energie hierfürbezieht er aus der Umwandlungseiner Nahrung, der metabolischenRate Γ = 3,6M0,73. Nehmen wir an,dass ein Vogel etwa 30 % dieser Wär-meleistung in mechanische Leistungumsetzen kann, dann gilt

(S/A)Mgv = 0,3(3,6M0,73)

oder schließlich v = 33M–0,27. Dasheißt bei dem gegebenen Metabolis-

Masse M

Flug

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Fokker

Jumbo

Fliegen, Vögel

Mmax

Vögelkönnen

Schwan

υ = 33M− 0,27

υ = 17M0,17

A B B . 1 | F LU G B E D I N G U N G E N

Schematische Darstellung der Abhän-gigkeit der Mindestfluggeschwindigkeitvon der Masse: Die grüne Kurve ent-spricht der Flugbedingung v = 17 M0,17,die rote Kurve der durch den Stoffwech-sel diktierten Bedingung v = 33 M –0,27

(bei quantitativ korrekter Darstellungwären diese beiden Geraden Kurven).

Abb. 2 Die gänsegroßen Basstölpel haben lange und schmaleFlügel, womit sie Luftströmungen effizient ausnutzen und bis etwa 65 km/h Fluggeschwindigkeit erreichen. Als hervor-ragende Gleiter haben sie eine relativ schwache Flugmusku-latur, die nur etwa 13 % ihres Körpergewichts ausmacht. Beiden meisten Vogelarten sind es etwa 20 % (Foto: R. Wengen-mayr).