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Was hat das Mühlrad wieder zum Drehen gebracht? Viele Fragen und einige Antworten zur Wirkungsweise von KIP PD Dr. Michael Stigler (Lausanne) KIP-Seminar Thun, März 2006

Was hat das Mühlrad wieder zum Drehen gebracht? Viele Fragen und einige Antworten zur Wirkungsweise von KIP PD Dr. Michael Stigler (Lausanne) KIP-Seminar

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  • Was hat das Mhlrad wieder zum Drehen gebracht? Viele Fragen und einige Antworten zur Wirkungsweise von KIP PD Dr. Michael Stigler (Lausanne) KIP-Seminar Thun, Mrz 2006
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  • Die Trumerin 47-jhrige Psychologin in KIP-Ausbildung Eheprobleme, Arbeitsstrung (nimmt am Abend regelmssig Arbeit nach Hause mit, wird trotzdem nie fertig); fhlt sich ausgetrocknet, ausgelaugt Im Moment eines Problems Steifheit zuerst der Fingergelenke, die dann zu Ellbogen und Schulter aufsteigt
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  • Phase 1: Mhlrad steht still Motiv: Einstieg ins Krperinnere an der linken Handflche nach innen und in den Ellbogen einsamer, angenehmer Ort, feuchtes Gras, der Ort weckt Vertrauen, als ob er nur mir gehren wrde. kann das Gras berhren, es ist saftig, Umgebung feucht In der Mitte steht eine Wassermhle, aus Holz. Die Schaufeln der Mhle bewegen sich nicht.
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  • es wird langsam dunkel, aber alles bleibt sichtbar Bad im Bach: das Wasser ist khl, erfrischend Weg hinaus, Erdbeeren am Wegrand: kostet sie, lsst sie langsam auf der Zunge zergehen Ein Wasserfall ist in der Nhe, die Luft ist noch feuchter hier. Sie legt sich ins Gras, schaut in den Himmel, isst Erdbeeren. Phase 2
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  • Phase 3: Das Mhlrad dreht sich Therapeut regt Rckweg zur Mhle an. Sie geniesst alles, was sie am Hinweg angetroffen hat. Jetzt bin ich wieder an meinem Ort. Es ist noch immer dunkel, aber ich sehe gut. Das feuchte Gras ist noch da, und im Bach fliesst immer noch das erfrischende Wasser. Ist die Wassermhle immer noch da? Ja. Ihre Schaufeln drehen sich! Nach dem Aufwachen: die Gelenke von Fingern und Ellbogen knnen locker und frei bewegt werden.
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  • Frage: Was hat das Mhlrad wieder zum Drehen gebracht? = eine Frage an die Prozess-Forschung, die nach den Wirkfaktoren von Psychotherapie sucht
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  • Prozessforschung sucht die aktiven Ingredienzien einer Psychotherapie und die Mechanismen von Vernderung zu identifizieren Derzeit angenommene Wirksamkeits-Anteile (Wampold 2001) : Allgemeine Effekte: 70% therapeutische Allianz, Persnlichkeit des Therapeuten, Atmosphre von Hoffnung und Wohlwollen, therapeutisches Geschick (skill), Katharsis, Ritual Spezifische Effekte: 8% spezifische technische Ingredienzien (z.B. Interventionen) einer bestimmten Therapie, Kongruenz mit einem Therapiemanual Patienten-Effekte: 22% Grad der Strung, Offenheit (vs. Abwehrhaltung), Bereitschaft zur Mitarbeit (vs. Widerstand) CAVE: nahezu alle Effekte sind ASP-Effekte!
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  • Auswahl einzelner Ergebnisse fr Psychotherapie (allgemein) emotion arousal Techniken effizienter als sttzende low dominance therapists effizienter als dominante negative, kritische, unfreundliche Th. ineffizienter wenn Th. und P. hnlich funktionieren = effizienter P. weniger gestrt: common factors wirksam P. schwerer gestrt: spezifische Effekte werden wichtiger je schwerer P. gestrt, desto besser wirkt lngere Therapie
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  • Wirksequenz der Imagination in KIP 1) Entspannung & spezifische therapeutische Beziehung outside off, inside on Modus des Primrprozesses 2) Aktivierung eines stark affektbesetzten, konfliktbeladenen Beziehungsschemas als Interaktion im Bild 3) Verschiebung: Substitution des bedrohlichen Realobjekts durch ein weniger bedrohliches imaginres Objekt, damit Zugang zum konflikthaften Beziehungsmuster ermglicht 4) Aushalten der somit jetzt weniger negativ betonten Affekte angesichts des imaginren Objekts 5) Erproben eines reiferen Beziehungsmusters mit dem imaginren Objekt 6)Imaginres Erleben des neuen Musters und der begleitenden (positiveren) Affekte werden neurophysiologisch wie reales Erleben verarbeitet Bahnung neuer neuronaler Muster
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  • KIP: Phasen bzw. Settings im Vergleich Hypothesen Verbalsitzung (klin.) / RAP-Interview (nicht-klin.) mehr Sekundrprozess, mehr negative Interaktionen und Affekte Imagination mehr Primrprozess, positivere Interaktionen und Affekte Nachgesprch (Elaboration) mittlere Stellung Nachttraum-Bericht analog zu Imagination
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  • KIP-Prozessforschung: Studien und Methoden RIDADUCCRTCCRT- LU andere PANDklinisch1XXXX KANCH-Dgesunde12XXX FRACH-Fklinisch1X BRASKgesunde6X TUMDklinisch29XXX PRDStudentin1XXX PANDPatientin 34 J., Panikstrung, 19 Stunden (6 Imag.) (Stigler, Pokorny, 2000, 2001) KANCH-D12 Schweizer PsychotherapeutInnen in Ausbildung: 4 f, 8 m (Stigler, Pokorny 1995; Meier, Stigler, Pokorny 2004; Meier 2005) FRACH-FPatientin 20 J., depr., Ablsungsprobleme, 35 Stunden (6 Imag.) (Stigler, Pokorny, 2003) BRASK6 slowakische StudentInnen: 5 f, 1 m (Uhrov, Kovov, Pokorn, 2004) TUMD29 Tumor-PatientInnen (Frick et al., 2005) PRDStudentin, Prfungsangst (Ihme, Salzer, 2005)
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  • Tritt in Imagination mehr Primrprozess (PP) auf ? PRIMRPROZESS(PP) im Dienste des Selbst (SP: der Realitt) hlt Identitt, Kohrenz und Kontinuitt des Selbst aufrecht sorgt fr die nachhaltige Verarbeitung und Integration (v. a. emotionalen) Erlebens, u. A. mit Hilfe von Trumen (Verschiebung, Verdichtung), Phantasien, Spiel, knstlerischen Ausdruck umfassendes Erleben des Ganzen (defokussierte Aufmerksamkeit) hlt sich an keine vorgegebene Zeitstruktur entwickelt sich im Laufe des Lebens bestndig weiter, funktioniert parallel und komplementr zum SP Zugang zum PP korreliert positiv mit Kreativitt (M>F) und Fhigkeit zur Problemlsung Kinderspiel: je mehr PP, desto mehr Affekte und Phantasie
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  • METHODE: RID (Regressive Imagery Dictionary; Martindale) Primr- und Sekundr-Prozess dt.: Delphendahl, 16051 Vollformen Triebe: Oralitt, Analitt, Sexualitt. Empfindung: Empfindung (allg.), Berhrung, Geruch, Geschmack, Klang, Bild, kalt, hart, weich. Defens.Symbolisierung: Passivitt, Reise, Bewegung, Diffusion, Chaos. Regressive Kognition: unbekannt, zeitlos, bewusstseinsverndert, Selbstversenkung. Ikarische Imagination: Aufstieg, Hhe, Abstieg, Tiefe, Feuer, Wasser. Abstraktes Denken: abstraktes Denken, Ordnung, Zeit. Verhalten: Sozialverhalten, instrumentales Verhalten...
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  • Tritt in Imagination mehr Primrprozess (PP) auf ? Panik-Patientin, D Verbal 2.8% Imagination 13.4% Nachgesprch 4.4% 12 KIP-Therapeuten, CH Imagination 13.6 % Nachgesprch 9.0% 29 Tumor-PatientInnen, D Verbal 7.17% Imagination 13.23% Nachgesprch 8.13%
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  • Studie 5 TumorpatientInnen PP und SP pre1 ima1 ela1 pre2 ima2 ela2 Wiese Haus
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  • Studie 6 Prfungangst: PP und SP (Pat. & Th.)
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  • Verstndigen sich Pat. und Ther. auf vergleichbarem PP-Niveau? PANIK-Patientin, D Primrprozess-Index p/(p+s): Therapeut31.60 Patientin31.46
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  • Studie 6 Prfungangst: PP Pat. vs. Ther.
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  • Kann der Therapeutenstil das Ausmass von PP- und SP- Aktivierung beeinflussen? Prfungsangst-Studie
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  • Exkurs: wie kommt es zu einer PP-nahen Sprache des Therapeuten? A)Durch natrliches Aufnehmen und Wiederverwenden der PP-nahen Beschreibungen des Patienten B) Durch Bevorzugen von basic-level Kategorien (Rosch): - bergeordnetes level: Mbel, Obst, Fahrzeug - basic level: Stuhl, Apfel, Auto - untergeordnetes level: Lehnstuhl, Winterapfel, Rennauto Basic-level Kategorien fhren spontan zu einer Bildvorstellung, strukturieren unsere Wahrnehmung der Aussenwelt werden spontan mit einer motorischen Handlung assoziiert (Stuhl: Bewegung des Hinsetzens) werden am leichtesten erlernt und erinnert werden vom Kleinkind zwischen 2-3 Jahren erworben
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  • Kann die Motivwahl das Ausmass von PP- und SP- Aktivierung beeinflussen? Studie 5 (Tumor-Pat.)
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  • Werden in Imagination weniger negative und mehr positive Emotionen aktiviert? Methode: ADU (Affective Dictionary Ulm; Hlzer) pos.itLiebe berraschung meZufriedenheit+ Erleichterung Freude+ Stolz neg.itZorn Furcht meDepression+ Scham ngstlichkeit+ Schuld Idealtypischer Therapieverlauf: negative me negative it [ positive it/me ]
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  • Werden in Imagination weniger negative und mehr positive Emotionen aktiviert? PANIK-Patientin ADU Verbalsitzung Imagination Nachgesprch Positivittsindex p/(p+n)28% 70%34% = Verbalsitzung = Imagination = Nachgesprch
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  • Werden in Imagination weniger negative und mehr positive Emotionen aktiviert? 12 KAN-Therapeuten, CH ADU-Positivittsindex: Imag. Nachgesprch = 56% : 37%
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  • Werden in Imagination weniger negative und mehr positive Emotionen aktiviert? Tumor-Patienten Emotional positivity index Verbal : Imagination 52% : 72% klassisches Ergebnis, jedoch: siehe weiter
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  • Studie 5 Tumor-Patienten VERBAL Emotionen positiv und negativ (52%). Korrelation +.52 (p
  • Hngt der Ausgang der Interaktionen vom Objekttyp ab (human vs. non-human)? 8 KAN-Therapeuten, CH (Stigler & Pokorny 1995, SPR Vancouver) RS cluster Beziehungs-Objekt- Ich bin, fhle mich episodenkategorie 3 respektiert, akzeptiert 99 (25%)Tiere* 6 hilflos 91 (23%)weiblich menschlich* 4 widersetze mich, 16 ( 4%)Fabelwesen (Drachen,..) 1 hifreich 11 ( 3%)Pflanzen POSITIVITT: Pflanzen, Landschaft > Tiere > reale Menschen
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  • Zusammenhnge Verschiebung Positivitt Vernderung (1) Positivitt der Interaktionen in Imagination ist in erster Linie den nicht-humanen Objekten zuzuschreiben (Tiere, Pflanzen, Landschaft); diese werden als verstehend, hilfreich, stark inszeniert; das Subjekt fhlt sich von ihnen respektiert und akzeptiert, fhlt Selbstvertrauen Je strker verschoben wird von realen Menschen zu imaginren Tieren und Pflanzen desto mehr werden negative Objektanteile abgeschwcht, desto mehr kommt eine wohlwollend frdernde Wirkung des Objekts zur Geltung
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  • Zusammenhnge Verschiebung Positivitt Vernderung (2) Konflikte lassen sich besser in einer wohlwollend sttzenden ( Grosseltern-Haltung ) als in einer kritisch zurckweisenden ( Eltern-Haltung ) Atmosphre angehen und lsen Dank der Verschiebung hat also Imagination eine Containing- Funktion: Angst mindern, Konflikt in Schach halten und konstruktive Arbeit daran ermglichen. Die Balance zwischen Eltern-Haltung und Grosseltern- Haltung hngt auch von der jeweiligen Phase ab: in progressiven Therapiephasen ( mehr Autonomie,) wird strkere Eltern-Haltung beobachtet.
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  • Grosseltern-Haltung Th. lsst die Trumerin erkennen, dass er ihre positive Stimmung wahrnimmt und sie ihr gnnt Tr. Entscheidet sich aus eigenem Antrieb, den Raum zu verlassen und zu erforschen, wohin der Weg fhrt Th. fordert Tr. nicht auf, das lahme Mhlrad wieder in gang zu bringen (=Eltern-Haltung), sein gewhrendes Wohlwollen ihr gegenber wird zum Wohlwollen der Tr. sich selbst gegenber ( ich KANN, aber ich MUSS nicht ). Dadurch fllt es der Tr. auch leichter, den Raum als ihren eigenen zu erleben (und u.a. durch die Dunkelheit zu schtzen), ohne jede Einmischung von aussen
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  • Fazit und Ausblick Primrprozess, positive Emotionen und positivere Beziehungsausgnge zusammen mit Entspannung und spezifischer bertragung ( Grosseltern-Haltung ) schaffen zunchst den spezifischen Rahmen, das therapeutische Milieu auf Ebene der gesamten Imaginationsphase (Makro-Ebene) = ergeben die Bedingungen, unter denen spezifische therapeut. Eingriffe und Haltungen wirksam werden knnen das therapeutische Mikro-Geschehen von Moment zu Moment ist noch weitgehend unerforscht: Interventionen Fokussieren, Durchleben lassen, Erfassen der senso-motorischen Mikro-Ebene = Aufgabe zuknftiger Forschung