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www.che-consult.de Berlin, 9. September 2010 Dr. Christian Berthold Was heißt „Strategie“? Was heißt „Strategie“ an Hochschulen?

Was heißt „Strategie“? Was heißt „Strategie“ an Hochschulen? · Berlin, 9. September 2010. Dr. Christian Berthold. Was heißt „Strategie“? Was heißt „Strategie“

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Berlin, 9. September 2010Dr. Christian Berthold

Was heißt „Strategie“? Was heißt „Strategie“ an

Hochschulen?

Was ist eine Strategie?

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 2

Woher kommt der Begriff? Stratege (griech.) = Feldherr über Strategien denkt die Menschheit nach, seit sie Kriege führt seit etwa 80 Jahren taucht der Begriff im Management auf deutscher Beitrag: Clausewitz, Schumpeter, Bildungsroman

Grundidee übergeordneter Plan, der auf die großen Ziele ausgerichtet ist liefert Begründung für (auch schmerzhafte) Entscheidungen im

Detail: siehe ‚Bauernopfer‘ siehe ‚Ablenkungsmanöver‘ …

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 3

UmsetzungStrategische Ziele

1

Strategie – strategischer Prozess

Feedback

2

Kontrolle

3

4

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 4

Strategie – Funktionen

Kriterien fürEntscheidungen

auf der Leitungsebene

1

auf weiteren Ebenen

2

außerhalb

3

Orientierungs-leistung

auf der Leitungsebene

4

auf weiteren Ebenen

5

außerhalb

6

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 5

Strategie – Funktionen

Kriterien derEntscheidung

auf der Leitungsebene

1

auf weiteren Ebenen

2

außerhalb

3

z.B. Forschungsstärke z. B. Nanotechnologie Berufung forschungsstarker Profs. bringen Drittmittelprojekte mit Verbesserug Laborausstattung Attrahierung weiterer starker Profs.…

z.B. TU Dortmund alle Fakultäten müssen sich mit

diesem Anspruch befassen z. B. Internatinalisierung

jede Fakultät auf ihre Weise z.B. Exzellenz-Initiative

Anträge 3. Linie Förderung RUB

z. B. Leuphana Außenerfolg / Unterstützung durch

Ministerium auf Basis Strategie

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 6

Strategie – Funktionen

Orientierungs-leistung

auf der Leitungsebene

4

auf weiteren Ebenen

5

außerhalb

6

keine erfolgreiche Hochschul-Strategieder letzten Zeit war niedergeschrieben aber Leitungen hatten eine oder mehrere

Grundideen im Kopf

die Richtung verstehen Identität aufbauen (z. B. DUE) die eigene Rolle finden

Legitimation gegenüber Ministerien Strukturentwicklungspläne (B-W)

Zielvereinbarungen (HS – Min)

Wie macht man nun Strategien?

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 7

Präskriptiven Schulen1. Designschule: Strategieentwicklung als konzeptioneller Prozess2. Planungsschule: …als formaler Prozess3. Positionierungsschule: … als analytischer Prozess4. Unternehmerische Schule: …als visionärer Prozess5. Kognitive Schule: …als mentaler Prozess

Deskriptiven Schulen 6. Lernschule: …als sich herausbildender Prozess7. Machtschule: … als Verhandlungsprozess8. Kulturschule: …als kollektiver Prozess9. Umweltschule: …als reaktiver Prozess10. Konfigurationsschule: …als Transformationsprozess

Mintzberg hat 10 Schulen des strategischen Managments identifiziert:

Typologie strategischer Hochschulentwicklung

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 8

Nach: Zechlin 2007b, 126-129.

„klassische Ansätze“Rationale, lineare Planung

Top-Down-Steuerung„Maschinenmodell“

„New Public Management“ErgebnisverantwortungLeistungsindikatoren

Quasimärkte„zahlenorientiertes Management“

„Evolutionäre Ansätze“ExpertenorganisationBerufungspolitik, PE

Vertrauen„Gärtnermodell“/ Modell der

‚klassischen Humboldt-Universität‘

„Systemische Ansätze“Kontextsteuerung

SelbstbeobachtungEvaluation und QM

Ziele: „externe“, eindimensionale Vorgabe

für das Management

Ziele: Plurale Zielbildung durch das System selbst

Prozesse: geplant

Prozesse: emergent

Ansatz: ‚klassische‘ BWL

Leitbegriff: Steuerung

nach Mintzberg:„kalkulierte Strategien“

Ansatz: sozialwiss.

OrganisationsforschungLeitbegriffe: Entwicklung/

Lernen

nach Mintzberg:„emergente Strategien“

Strategisches Management

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 9

Was bedeutet das nun? kein Wunder, das man so genau nicht weiß, was nun eine

Strategie eigentlich ist: in einer aktuellen CHE-Studie: etliche Hochschulleitungen

meiden den Begriff, sprechen lieber über Ziele, anderen ist gerade der Strategie-Begriff wichtig

es gibt keine einfachen Lösungen, trotz aller Handbücher (meist aus Designschule)

und offenbar halten viele Menschen zumindest in der Wirtschaft Strategien für notwendig

die Ansätze unterliegen Moden, man kann aber ihre Erfolge schwer messen (gilt übrigens auch für den Hochschulbereich, siehe Birnbaum)

Strategisches Hochschulmanagement

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 10

Was ist an Hochschulen anders? Hierarchie spielt eine geringere Rolle Führungsanspruch, Führungskultur wenig entwickelt Expertenorganisation (Abhängigkeit von den Expert(inn)en) geringere Identifikation (s. wiss. Karriere) Gremienkultur – ‚korporatives Management‘ weitgehend kein echter Marktdruck (bei den staatlichen

Hochschulen, in den meisten Ländern) geringes persönliches Risiko der wichtigsten Kompetenzträger Logik des wissenschaftlichen Diskurses / der Entscheidung …

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 11

UmsetzungStrategische Ziele

1

Strategie – strategischer Prozess

Feedback

2

Kontrolle

3

4

AG Leitbilder | Behm | 9.9.2010 12

UmsetzungFormulie-rung, Ent-scheidung

strategische ZieleAnalyse

Kontrolle

Leitbild im strateg. Prozess: Theorie

„Planungsablauf“ in Anlehnung an Zechlin 2007, 118.

Rückkopplung

Maß-nahmen-planung

1a 21d1b 1c

4 3

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 13

UmsetzungAnalysestrat. Ziele Kontrolle

Strategie – strategischer Prozess

Feedback

1 2 3

4

Controlling

Qualitätsmanagement

Kommunikation!!!

Projektmanagement

Hierarchie der Strategien

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 14

Vision / Mission

Leitbild

Strategiekonzepte

Hochschulverträge

Hochschul-Entwicklungspläne(HEPs)

Fakultäts-Entwicklungspläne (FEPs)

Teilstrategien (Intern. / Medien / Gender…)

Instituts-Entwicklungspläne

FormulierenEntscheiden Umsetzung

Organisation: Ablauf AufbauSteuerung

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 15

Analysestrat. Ziele Kontrolle

Strategisches Management

1a 1b 2 3

Schritte: SWOT kreative Prozesse Ideensammlung

Probleme: wen beteiligen? Expertise / Akzeptanz wie viel Analyse? Planungsparadox

Schritte: kleines Team Folgen sichtbar Mehrheiten?

Probleme: Sollbruchstelle Fakul. Verbindlichkeit? Detailiertheit? Adressat?

Prinzipien: Budgetierung LeistungsorientierungWettbewerb Prozesskoordination

Instrumente Hochschulrechnungswesen KennzahlensystemeWissensbilanzen Management-Informatinssystems

Probleme: Konsequenzen? Aufgabenteilung Controlling / Leitung Strategiebezug? Datenfriedhöfe

Ablauf: Prozesse Org.-Regeln

Aufbau: (de-)zentral Fachbereichsfusionen Einheiten für F+E

fast alle Prozesse heute reformwürdig oft kein Strategie-Bezug, sondern

individuelle ‘Optimierung’ oft keine Prioritäten (zu viele Baustellen,

oder faslche Prioritäten – z.B. Berufungen) z.T. Vernachlässigung der Kernprozesse

Erfolgsfaktoren?

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 16

CHE-Studie zum strategischen Management an Hochschulen Arbeitshypothese: die meisten Hochschulstrategien scheitern!

sollte natürlich auch provokant sein kann man behaupten, wenn man sich frühere HEPs

ansieht eigentlich aber müsste man wissen, was ‚Erfolg‘ jeweils

heißt das kann man nur an den Intentionen messen und zwar an den Funktionen als Instrument das steht fast nie in den Texten (externe Rechtfertigung,

große Reformen, messbare Erfolge, interne Disziplinierung, Beschäftigungstherapie…)

Was ist also zu tun?

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 17

1. Funktion der Strategie klären

haben wir eine Strategie? welche Rolle spielt sie, wem ist sie wichtig? brauchen wir eine neue? (Außendruck?) wofür (ggf.) genau, was soll sie leisten?

Frag

en:2. Hauptkonsequenzen abwägen

stehen harte Entscheidungen an? wird es wohl echte Verlierer geben? wo liegen die strat. Herausforderungen?Fr

agen

:

3. Über Form entscheiden

welche genaue Form soll / muss die Strategie haben?

Leitbild, HEP, Zielvereinbarung….?Frag

en:

4. Entscheidungsbefugnisse klären

wer ist genau zuständig? was heißt das für den Prozess?Fr

agen

:

5. Beteiligungsbedarf klären

wie viel Akzeptanz ist (ab wann) nötig? wie kann man die aufbauen? wer muss wegen Kompetenz, wer wegen

Akzeptanz eingebunden werden?

Frag

en:6. Wo könnte externe Unterstützung helfen?

Berater? (Moderation, Input, Analysen, badguys?

peers (Außensicht)Frag

en:

Zeitrahmen Rollen Verantwortlichkeiten …

Prozessdesign:

Und die Lage an den deutschen Hochschulen?

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 18

Ermächtigung der Hochschulleitungen erleichtert strategisches Management …

…ebenso die Reduktion des staatlichen Mandats. „Management“ noch immer eine Provokation (wissenschaftlicher Diskurs /

Entscheidung). ebenso „Strategie“:

Orientierung an Zielen Abschied vom Diskurs der ‚Gerechtigkeit‘ (= Gleichverteilung) Wettbewerbsdruck und Existenznot sind noch gering

strategische Steuerung: auf übergreifende Ziele hin arbeiten – um den Preis auch schmerzhafter Entscheidungen

schmerzhafte Entscheidungen bleiben riskant in Organisationen, die von der (intrinsischen) Motivation der Mitglieder leben

Was ist nun eine Strategie?

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 19

Entscheidungen sind per se nicht rational (obwohl kluge Entscheidungen meist gut informiert sind).

Auch Werthaltungen, Traditionen, Kulturen etc. entlasten zwar, lösen aber das Grundproblem nicht. sie machen nur zusätzlich deutlich: weder Zeitpunkt noch Gründe

der Entscheidung sind letztlich klar Ist eine Strategie also ein Bildungsroman?

Sinnkonstruktion im Zustand der Unübersichtlichkeit, hohe Schlüssigkeit in der Retrospektive?

Eine Strategie ist der Versuch, die nachträgliche Rationalisierung einer Reihe von Entscheidungen im Vorhinein zu entwerfen.

Ihr Erfolg hängt maßgeblich von der Glaubhaftmachung dieser Rationalität ab.

Dazu ist jede ‚Methode‘ angemessen, die im jeweiligen Kontext dieser Funktion dient.

Kritische Erfolgsfaktoren?

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 20

Es gibt nicht die Blaupause für eine Hochschulstrategie. Es gibt auch nicht die kritischen Erfolgsfaktoren für eine Strategie … ebenso wenig für den Prozess der Entwicklung (trotz aller

Anleitungen und flow-charts). keine Strategie zu haben ist aber kein Ausweg (i. d. R.) Strategieentwicklung = Komplexitätsreduktion (wesentliche Basis der

Orientierungsleistung der Strategie)... …darin steckt ein Risiko, obwohl dies erst das Planen und das Handeln

ermöglicht.

oft lässt sich der Erfolg von Strategien nicht prognostizieren

im Nachhinein erscheinen sie immer sehr schlüssig … und der Erfolg klingt retrospektiv ganz einfach. Mischung aus Intuition, Erfahrung, Führung, günstigen

Bedingungen, Methode, Technik, Zufall …

Kritische Erfolgsfaktoren?

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 21

Strategie selbst ist ja nur der Plan

eigentlich kommt es auf den Prozess an

der verbleibt in der Spannung zwischen strat. Steuerung und Change Management

obwohl die neuere Ch.-M.-Theorien diese Grenze langsam aufheben(lernende Organisation, Theorie U)

Frage: Wie kann man Betroffene beteiligen, eine konstruktive Zusammenarbeit erzeugen, Veränderungsbereitschaft aufrecht erhalten?

Antwort: Indem man die Menschen berührt, an ihrer intrinsischen Motivation ‚abholt‘, ihnen Ideen anbietet, die sie begeistern und für die sie auch gern arbeiten wollen.

fließender Übergang zur Esoterik…

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 22

Clark Kerr, President, University of California 1958

„I find the three major administrative problems on campus are sex for the students, athletics for the alumni and parking for the faculty.“

Literaturauswahl

Strategie | Dr. Christian Berthold | Berlin 09.09.2010 23

Behm, Britta L. / Berthold, Christian/ Daghestani, Mona (tpb. 2011): Strategisches Management an Hochschulen (Arbeitstitel). Arbeitspapier des CHE. Gütersloh.

Birnbaum, Robert (2000): Management Fads in Higher Education. Where They Come From, What They Do, Why They Fail .

McCaffrey, Peter (2010): The Higher Education Manager's Handbook: Effective Leadership and Management in Universities and Colleges, London.

Mintzberg, Henry (1991): Mintzberg über Management: Führung und Organisation, Mythos und Realität. Wiesbaden

Mintzberg, Henry/ Ahlstrand Bruce/ Lampel, Joseph (2002): Strategy Safari. Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements.

Müller-Böling, Detlef (1998e)/ Neuvians, Klaus/ Nickel, Sigrun/ Zechlin, Lothar/ Wismann, Peter (Hg.) (1998): Strategieentwicklung an Hochschulen. Gütersloh.

Scharmer, C. Otto (2205): Theorie U. Von der Zukunft her führen. Schreyögg, Georg (2003): Organisation. Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. Mit

Fallstudien. 4. Aufl., Wiesbaden. Zechlin, Lothar (2007): Strategische Hochschulentwicklung. Überlegungen zu einer Typologie. In:

die hochschule 1, 115-131. Ders. (2010): Strategic Planning in Higher Education. In: International Encyclopedia of Education

3rd Edition. Edited by Eva Baker, Penelope Peterson and Barry McGaw. Vol. 4. Oxford, 256-263.