5
Impellizzeri, C.M. Violette, et al. | Wasser im frühen Universum Tätigkeitsbericht 2008 © 2008 Max-Planck-Gesellschaft www.mpg.de Astronomie/Astrophysik Wasser im frühen Universum Impellizzeri, C.M. Violette; McKean, John P.; Castangia, Paola; Roy, Alan L.; Henkel, Christian; Brunthaler, Andreas; Wucknitz, Olaf; Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn Arbeitsbereich - Millimeter- und Submillimeter-Astronomie Arbeitsbereich - Radioastronomie/Very-Long-Baseline Radiointerferometrie Korrespondierender Autor Henkel, Christian, E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Gerade viele der interessantesten, weil aktivsten Kernregionen von Milchstraßensystemen sind nicht leicht zu beobachten. Dichte Staubwolken versperren den Zugang im optischen oder ultravioletten Licht. Beobachtungen im fernen Infrarot oder im Röntgenbereich sind schwierig, weil die Winkelauf- lösungen nicht hoch genug sind um die Materie in der unmittelbaren Umgebung der in Galaxienkernen vermuteten extrem massereichen Schwarzen Löcher zu kartieren. Die 1,3-cm-Linie des Wasserdampfs, die stärkste Spektrallinie im Radiobereich, ist dagegen für solche Zwecke hervorragend geeignet. Die Linie erlaubt es auch unter normalen Wetterbedingungen, Wasser in fernen Galaxien aufzuspüren und mit allerhöchster Auösung zu kartieren. Das dient nicht nur der Vermessung von Ausdehnung und Form von Akkretionsscheiben und der Massenbestimmung von Galaxienkernen, sondern kann auch verwendet werden, um auf direkte Weise die Distanz zu diesen Galaxien zu ermitteln. Dies wiederum lässt hoffen, die Expansionsgeschwindigkeit des Universums mit bislang unerreichter Genauigkeit zu bestimmen und damit auch die Zustandsgleichung der „Dunklen Energie“ einzugrenzen. Im Folgenden wird vom ersten Nachweis von Wasser im frühen Universum berichtet. Dieses Resultat wurde von ei- ner Doktorandin des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie mit dem 100-m-Teleskop in Effelsberg erzielt und mit dem Very Large Array in New Mexico bestätigt. Abstract Nuclear environments of galaxies are difcult to observe. Dense clouds containing dust inhibit obser- vational access to these interesting regions at optical or ultraviolet wavelengths. Observations in the far infrared or at X-rays do not provide the required angular resolution to map the innermost parts of galaxies hosting supermassive nuclear engines. However, the 1.3-cm line of water vapor, the stron- gest spectral line at radio wavelengths, is ideal for such studies. The line permits observations under normal weather conditions, helps to detect water in external galaxies, and allows us to map its distri- bution with submilliarcsecond resolution. As a consequence, nuclear accretion disks can be mapped, their morphology and size can be evaluated, and direct “geometrical” distances of galaxies can be obtained. In the future, this may lead to the determination of the expansion rate of the local Universe with unprecedented accuracy and to new constraints to the equation of state of the dark energy. In the following, we report the detection of water in the early Universe. This result was obtained by a Ph.D. student of the Max-Planck-Institut für Radioastronomie at Bonn, employing the 100-m telescope at Effelsberg for the original detection and the Very Large Array in New Mexico for conrmation.

Wasser im frühen Universum - mpifr-bonn.mpg.de · Henkel, Christian, E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Gerade viele der interessantesten, weil aktivsten Kernregionen von Milchstraßensystemen

  • Upload
    lynhu

  • View
    212

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Impellizzeri, C.M. Violette, et al. | Wasser im frühen Universum Tätigkeitsbericht 2008

© 2008 Max-Planck-Gesellschaft www.mpg.de

Astronomie/Astrophysik

Wasser im frühen Universum

Impellizzeri, C.M. Violette; McKean, John P.; Castangia, Paola; Roy, Alan L.; Henkel, Christian; Brunthaler, Andreas; Wucknitz, Olaf;

Max-Planck-Institut für Radioastronomie , Bonn Arbeitsbereich - Millimeter- und Submillimeter-Astronomie Arbeitsbereich - Radioastronomie/Very-Long-Baseline Radiointerferometrie

Korrespondierender Autor Henkel, Christian, E-Mail: [email protected]

Zusammenfassung Gerade viele der interessantesten, weil aktivsten Kernregionen von Milchstraßensystemen sind nicht leicht zu beobachten. Dichte Staubwolken versperren den Zugang im optischen oder ultravioletten Licht. Beobachtungen im fernen Infrarot oder im Röntgenbereich sind schwierig, weil die Winkelauf-lösungen nicht hoch genug sind um die Materie in der unmittelbaren Umgebung der in Galaxienkernen vermuteten extrem massereichen Schwarzen Löcher zu kartieren. Die 1,3-cm-Linie des Wasserdampfs, die stärkste Spektrallinie im Radiobereich, ist dagegen für solche Zwecke hervorragend geeignet. Die Linie erlaubt es auch unter normalen Wetterbedingungen, Wasser in fernen Galaxien aufzuspüren und mit allerhöchster Aufl ösung zu kartieren. Das dient nicht nur der Vermessung von Ausdehnung und Form von Akkretionsscheiben und der Massenbestimmung von Galaxienkernen, sondern kann auch verwendet werden, um auf direkte Weise die Distanz zu diesen Galaxien zu ermitteln. Dies wiederum lässt hoffen, die Expansionsgeschwindigkeit des Universums mit bislang unerreichter Genauigkeit zu bestimmen und damit auch die Zustandsgleichung der „Dunklen Energie“ einzugrenzen. Im Folgenden wird vom ersten Nachweis von Wasser im frühen Universum berichtet. Dieses Resultat wurde von ei-ner Doktorandin des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie mit dem 100-m-Teleskop in Effelsberg erzielt und mit dem Very Large Array in New Mexico bestätigt.

Abstract Nuclear environments of galaxies are diffi cult to observe. Dense clouds containing dust inhibit obser-vational access to these interesting regions at optical or ultraviolet wavelengths. Observations in the far infrared or at X-rays do not provide the required angular resolution to map the innermost parts of galaxies hosting supermassive nuclear engines. However, the 1.3-cm line of water vapor, the stron-gest spectral line at radio wavelengths, is ideal for such studies. The line permits observations under normal weather conditions, helps to detect water in external galaxies, and allows us to map its distri-bution with submilliarcsecond resolution. As a consequence, nuclear accretion disks can be mapped, their morphology and size can be evaluated, and direct “geometrical” distances of galaxies can be obtained. In the future, this may lead to the determination of the expansion rate of the local Universe with unprecedented accuracy and to new constraints to the equation of state of the dark energy. In the following, we report the detection of water in the early Universe. This result was obtained by a Ph.D. student of the Max-Planck-Institut für Radioastronomie at Bonn, employing the 100-m telescope at Effelsberg for the original detection and the Very Large Array in New Mexico for confi rmation.

Verwendete Acrobat Distiller 6.0.1 Joboptions
Dieser Report wurde mit Hilfe der Adobe Acrobat Distiller Erweiterung "Distiller Secrets v2.0.2" der IMPRESSED GmbH erstellt.Sie können diese Startup-Datei für die Distiller Versionen 6.0.x unter www.impressed.de herunterladen.ALLGEMEIN ----------------------------------------Beschreibung: Die PDF/X-Optionen sind deaktiviert und möglichst mit Enfocus Pitstop gemäß dem entsprechenden BMW Preflight-Profil anzuwenden.Dateioptionen: Kompatibilität: PDF 1.3 Komprimierung auf Objektebene: Aus Seiten automatisch drehen: Aus Bund: Links Auflösung: 2400 dpi Alle Seiten Piktogramme einbetten: Nein Für schnelle Web-Anzeige optimieren: JaStandardpapierformat: Breite: 208.25 Höhe: 294.7 mmKOMPRIMIERUNG ------------------------------------Farbbilder: Neuberechnung: Durchschnittl. Neuberechnung auf 355 ppi (Pixel pro Zoll) für Auflösung über 420 ppi (Pixel pro Zoll) Komprimierung: ZIPGraustufenbilder: Neuberechnung: Durchschnittl. Neuberechnung auf 805 ppi (Pixel pro Zoll) für Auflösung über 960 ppi (Pixel pro Zoll) Komprimierung: ZIPSchwarzweißbilder: Neuberechnung: Durchschnittl. Neuberechnung auf 1205 ppi (Pixel pro Zoll) für Auflösung über 1437 ppi (Pixel pro Zoll) Komprimierung: CCITT Gruppe 4 Mit Graustufen glätten: AusFONTS --------------------------------------------Alle Schriften einbetten: JaUntergruppen aller eingebetteten Schriften: NeinWenn Einbetten fehlschlägt: AbbrechenEinbetten: Schrift immer einbetten: [ ] Schrift nie einbetten: [ ]FARBE --------------------------------------------Farbmanagement: Farbmanagement: Farbe nicht ändern Wiedergabemethode: StandardGeräteabhängige Daten: Unterfarbreduktion und Schwarzaufbau beibehalten: Nein Transferfunktionen: Anwenden Rastereinstellungen beibehalten: NeinERWEITERT ----------------------------------------Optionen: Überschreiben der Adobe PDF-Einstellungen durch PostScript zulassen: Ja PostScript XObjects zulassen: Nein Farbverläufe in Smooth Shades konvertieren: Ja JDF-Datei (Job Definition Format) erstellen: Nein Level 2 copypage-Semantik beibehalten: Ja Einstellungen für Überdrucken beibehalten: Ja Überdruckstandard ist nicht Null: Ja Adobe PDF-Einstellungen in PDF-Datei speichern: Nein Ursprüngliche JPEG-Bilder wenn möglich in PDF speichern: Ja Portable Job Ticket in PDF-Datei speichern: Nein Prologue.ps und Epilogue.ps verwenden: Nein(DSC) Document Structuring Conventions: DSC-Kommentare verarbeiten: Ja DSC-Warnungen protokollieren: Nein Für EPS-Dateien Seitengröße ändern und Grafiken zentrieren: Ja EPS-Info von DSC beibehalten: Ja OPI-Kommentare beibehalten: Nein Dokumentinfo von DSC beibehalten: JaPDF/X --------------------------------------------PDF/X-Berichterstellung und Kompatibilität: PDF/X-1a: Nein PDF/X-3: NeinANDERE -------------------------------------------Distiller-Kern Version: 6010ZIP-Komprimierung verwenden: JaASCII-Format: NeinText und Vektorgrafiken komprimieren: JaFarbbilder glätten: NeinGraustufenbilder glätten: NeinBilder (< 257 Farben) in indizierten Farbraum konvertieren: JaBildspeicher: 1048576 ByteOptimierungen deaktivieren: 0Transparenz zulassen: NeinsRGB Arbeitsfarbraum: sRGB IEC61966-2.1DSC-Berichtstufe: 0ENDE DES REPORTS ---------------------------------IMPRESSED GmbHBahrenfelder Chaussee 4922761 Hamburg, GermanyTel. +49 40 897189-0Fax +49 40 897189-71Email: [email protected]: www.impressed.de

www.mpg.de © 2008 Max-Planck-Gesellschaft

Tätigkeitsbericht 2008 Impellizzeri, C.M. Violette, et al. | Wasser im frühen Universum

Maserlinien

Der Maser (Microwave amplifi cation by stimulated emission of radiation) im Radiobereich sowie sein optisches bzw. infrarotes Gegenstück, der Laser (Light amplifi cation by stimulated emission of radi-ation), können mitunter bei Ionen, Atomen oder Molekülen beobachtet werden, wenn Abweichungen vom thermodynamischen Gleichgewicht auftreten. Im interstellaren Medium, dem keinesfalls ganz leeren Raum zwischen den Sternen, sind solche Abweichungen die Regel, nicht die Ausnahme. Der Grund dafür sind die für irdische Verhältnisse extrem geringen Materiedichten. Dies gilt selbst für die vergleichsweise dichten interstellaren Molekülwolken, deren Moleküle meist ein komplexes Linien-spektrum im Radiobereich des elektromagnetischen Spektrums aufweisen. Die Folge sind zahllose Spektrallinien, die zum Teil in Molekülwolken der Milchstraße als Maserlinien beobachtet werden können. Die Emission ist häufi g stark und stammt aus kompakten Gebieten mit einer Ausdehnung, die deutlich kleiner ist als eine Bogensekunde (bzw. ein Lichtjahr).

Außerhalb der Milchstraße ist die Zahl der nachgewiesenen Maserlinien wegen der viel größeren Entfernungen deutlich kleiner. Zwei Moleküle, OH und H 2 O, zeigen jedoch in vielen Galaxien Ma-serlinien von einer Stärke, wie sie in der Milchstraße nicht beobachtet werden. Die OH „Megamaser“ stammen aus relativ ausgedehnten Gebieten geringer Dichte. Dagegen treten die H 2 O „Megamaser“, soweit heute bekannt, alle in erheblich dichterem Gas auf und sind mit so genannten aktiven Galaxi-enkernen assoziiert, deren Herz ein extrem massereiches ultrakompaktes Objekt ist, aller Wahrschein-lichkeit nach ein Schwarzes Loch mit wenigen Millionen bis zu einigen Milliarden Sonnenmassen.

Die um das gravitative Zentrum, das Schwarze Loch, kreisende Materie sammelt sich in einer schei-ben- oder torusförmigen Anordnung und emittiert Strahlung in allen Bereichen des elektromagne-tischen Spektrums. Gleichzeitig werden aus dem Zentrum, senkrecht zur Scheibenebene, Jets ionisierter Materie hinausgeschleudert. Sowohl das für interstellare Verhältnisse extrem dichte Scheibengas (ein Milliardstel der Dichte der unteren Erdatmosphäre) als auch Molekülwolken, die von den Jets nahe dem Kern zufällig getroffen werden, bieten günstige Bedingungen für das Auftreten von Wasserdampfmasern.

Die 1,3-cm-Linie des Wasserdampfs bietet die bislang einzige Möglichkeit, solche Regionen mithilfe interferometrischer Messungen zu kartieren. Für solche Messungen werden die Signale von vielen weit auseinander liegenden Radioteleskopen mit präzisen Zeitmarken abgespeichert, um so ein Tele-skop mit einem Durchmesser zu simulieren, der der Entfernung der einzelnen Teleskope voneinander entspricht. Hilfreich ist hierbei, dass die Maserquellen kompakt und hell sind. Auf der anderen Seite bietet die starke Leuchtkraft der Maser (bislang bis 20.000 Sonnenleuchtkräfte bei Annahme isotroper Abstrahlung) die Möglichkeit, mit solchen Messungen weit in die Tiefen des Weltraums vorzustoßen.

Kartierungen von Scheiben oder Tori mithilfe der 1,3-cm-Linie des Wasserdampfs führten zur Entde-ckung von Keplerscheiben mit einer typischen Ausdehnung von etwa einem Lichtjahr. Solche Kepler-scheiben, in denen Gas um ein zentrales Objekt kreist (wie die Planeten um die Sonne), erlauben uns, die zentrale Masse im Kern einer Galaxie zu bestimmen, mit typischen Werten von vielen Millionen Sonnenmassen. Zusätzlich bieten sie die Möglichkeit, die Entfernung der Galaxien auf direkte Weise zu bestimmen. Direkt, weil dazwischen liegende so genannte „Standardkerzen“, deren Qualität immer mit Unsicherheiten behaftet ist, zum ersten Mal nicht mehr benötigt werden. Dies wiederum sollte, nach einer genauen Untersuchung einer möglichst großen Zahl von Akkretionsscheiben, zu einer verbesserten Verknüpfung zwischen Entfernung und Rotverschiebung führen. Derzeit ist die räumliche Expansionsgeschwindigkeit des Universums nur mit einer Genauigkeit von etwa ±10% bekannt. Eine Reduzierung dieser nach wie vor hohen Fehlergrenzen wäre für eine Evaluierung der kosmischen Expansion und Entwicklung daher von unschätzbarem Wert.

Impellizzeri, C.M. Violette, et al. | Wasser im frühen Universum Tätigkeitsbericht 2008

© 2008 Max-Planck-Gesellschaft www.mpg.de

Bis vor wenigen Jahren waren Maser nur im „lokalen“ Universum mit Rotverschiebungen kleiner als 0,06 (Entfernung < 750 Millionen Lichtjahre) bekannt. Inzwischen wurde H 2 O auch in einem Quasar mit zehnfach höherer Rotverschiebung entdeckt. Wachsende Entfernung und Rotverschiebung im-plizieren wegen der endlichen Lichtgeschwindigkeit auch einen tieferen Blick in die Vergangenheit. Dabei spricht man bei diesem Quasar von einer mittleren Rotverschiebung (0,66), d. h. es handelt sich um ein Objekt, welches sich zeitlich betrachtet ziemlich genau auf halbem Weg zwischen unserer heutigen Zeit und der Entstehungsepoche unseres Universums nach dem „Urknall“ befi ndet. Wasser aus der Frühzeit des Universums, in dem die meisten Galaxien entstanden sein dürften, wurde dagegen noch nie zuvor beobachtet.

Wasser in MG J0414+0534

Die Entdeckung von Wasser im frühen Universum mit dem 100-m-Radioteleskop des Max-Planck-In-stituts für Radioastronomie in Effelsberg ( Abb. 1 ) und die Bestätigung dieser Messung mit dem Very Large Array des NRAO in New Mexico wurde erst dadurch möglich, dass die Quelle MG J0414+0534 zufällig in der gleichen Richtung wie eine Vordergrundgalaxie in geringerer Entfernung am Himmel zu fi nden ist. Diese Vordergrundgalaxie wirkt wie ein riesiges kosmisches Teleskop. Durch den Einfl uss ihrer Schwerkraft wird die Strahlung des Quasars verstärkt und gleichzeitig auch so verzerrt, dass vier separate Abbildungen des Quasars am Himmel sichtbar werden. Dies hat die Empfi ndlichkeit der Mes-sungen um einen Faktor von etwa 35 erhöht und die erforderliche Beobachtungszeit für den Nachweis um einen Faktor 1000 auf 14 Stunden reduziert!MG J0414+0534 ist ein Quasar. Die optische Strahlung von Quasaren wird von extrem starker Emis-sion aus dem Kerngebiet dominiert. Die Strahlung entsteht durch Akkretion von Gas durch ein masse-reiches zentrales Objekt und ist im Detail noch nicht verstanden. MG J0414+0534 ist ein Quasar, der Absorption durch Staub zeigt. Da Staub und molekulares Gas meist zusammen auftreten, war das Ob-jekt ein vielversprechender Kandidat für eine Suche nach Wasser. Das Wassermolekül wurde bei der schon bekannten Rotverschiebung des Quasars von 2,639 nachgewiesen. Dies entspricht einer Licht-laufzeit von 11,1 Milliarden Jahren. Bei diesem Quasar schauen wir also in eine Zeit zurück, in der das Universum nur ein fünftel seines heutigen Alters aufwies. Ein so dichtes interstellares Medium wie mit dieser Spektrallinie konnte noch nie im frühen Universum nachgewiesen werden. Mit einer isotropen Leuchtkraft von mehreren 100.000 Sonnenleuchtkräften stellt die Wasserdampfl inie mit Abstand den stärksten bisher beobachteten Maser oder Laser dar. Selbst ohne Verstärkung durch die Vordergrundga-laxie wäre der Maser mit etwa 10.000 Sonnenleuchtkräften einer der hellsten je beobachteten.

Während die Bestimmung isotroper Leuchtkräfte für einen Vergleich von Maserhelligkeiten unver-meidbar ist, dürfte die Maserstrahlung tatsächlich stark gerichtet, d. h. anisotrop, sein. In diesem Zusammenhang ist besonders interessant, dass es sich bei MG J0414+0534 um den ersten bekannten Maser oder Laser handelt, der durch eine Gravitationslinse verstärkt wird. Die Verteilung auf vier Abbildungen, von denen die zwei stärksten ein nachweisbares Signal lieferten, erlaubt zum ersten Mal überhaupt eine Quantifi zierung des Abstrahlwinkels eines interstellaren Masers ( Abb. 2 ). Da die Wasserdampfl inie genau zwischen den beiden hellsten Abbildungen beobachtet wird, und diese eine halbe Bogensekunde voneinander entfernt sind, muss der Abstrahlwinkel größer als dieser Winkelab-stand sein. Ein Abstrahlungswinkel deutlich unterhalb einer Bogensekunde kann damit ausgeschlossen werden.

Zeigt die Wasserlinie eine Molekülwolke, die mit dem aus dem Kern herausschießenden Jet ionisier-ter Materie wechselwirkt? Oder eine von der Kante her gesehene Akkretionsscheibe um ein extrem massereiches Schwarzes Loch? Nach den bisherigen Beobachtungen ist beides möglich. Die Rotver-schiebung der Maserlinie ist etwas höher als die des Quasars, was wegen des Dopplereffekts einer

www.mpg.de © 2008 Max-Planck-Gesellschaft

Tätigkeitsbericht 2008 Impellizzeri, C.M. Violette, et al. | Wasser im frühen Universum

Relativgeschwindigkeit von 300 Kilometern pro Sekunde entspricht. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Wasserdampf enthaltende Molekülwolke mit dem extrem schnellen Jet wechselwirkt und damit eine Pekuliarbewegung dieser Größenordnung besitzt. Es könnte sich allerdings auch um den sich von uns entfernenden Teil einer von der Kante her gesehenen Akkretionsscheibe handeln, wobei die übrigen Anteile der Scheibe schwächere Signale aussenden, sodass sie noch nicht nachgewiesen werden konnten.

Überraschend ist, dass nach Beobachtung von nur einem einzigen vielversprechenden Objekt schon der Nachweis der 1,3-cm-Linie des Wasserdampfs bei hoher Rotverschiebung gelang. Wie schon erwähnt, ist der Maser selbst ohne gravitationelle Verstärkung schon ungewöhnlich leuchtkräftig. Im „lokalen“ Universum mit einer Rotverschiebung von maximal 0,06 (Entfernung < 750 Millionen Lichtjahre) ist nach Beobachtung von etwa 1.000 Quellen nur ein einziger H 2 O-Maser mit ähnlicher Leuchtkraft bekannt. Dies weist darauf hin, dass im frühen Universum derart starke Maser viel häu-fi ger gewesen sein müssen als heute und dass mehr Objekte dieser Art auf ihre Entdeckung warten. Mit einem weltweiten Zusammenschluss von Radioteleskopen (VLBI) können heutzutage Winkelauf-lösungen deutlich unterhalb einer tausendstel Bogensekunde erzielt werden. Dies reicht aber in den fernen Gebieten des frühen Universums nur zu einer Aufl ösung von etwa 50 Lichtjahren. Für Kernge-biete von Galaxien ist das nicht ausreichend. Nehmen wir jedoch durch Gravitationslinsen verstärkte und damit vergrößerte Objekte, so können wir in Zukunft Aufl ösungen im Bereich von 1−2 Lichtjah-ren erwarten. Dies dürfte es zum ersten Mal ermöglichen, auch weit entfernte extragalaktische Kernge-biete mit hoher Aufl ösung spektroskopisch zu erfassen und wissenschaftlich zu analysieren, um damit Neues über die Entwicklung unseres Universums zu erfahren.

Abb. 1: Das 100-m-Radioteleskop des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie bei Effelsberg. Urheber: Max-Planck-Institut für Radioastronomie / Junkes

Impellizzeri, C.M. Violette, et al. | Wasser im frühen Universum Tätigkeitsbericht 2008

© 2008 Max-Planck-Gesellschaft www.mpg.de

Abb. 2: Entdeckungsspektrum mit dem Signal der Wasserlinie (gelb) im Quasar MG J0414+0534 bei einer Wellenlänge von 5 cm (wegen der Rotverschiebung wird die Linie nicht bei ihrer eigentlichen Wellenlänge, 1,3 cm, sondern bei einer längeren Wellenlänge beobachtet). Das Hintergrundbild zeigt eine Aufnahme des Hubble-Teleskops im nahen Infrarot mit den vier durch den Gravitationslinseneffekt erzeugten Bildern des Qua-sars. Die Vordergrundgalaxie im Zentrum, die als Gravitationslinse wirkt und das Signal des dahinterliegenden Quasars um einen Faktor 35 verstärkt, ist markiert. Das Inset-Bild der nahen Galaxie M 87 zeigt, wie man sich die mit dem Quasar assoziierte Galaxie aus der Nähe betrachtet vorstellen könnte.

Urheber: Milde Science Communication; Hintergrundbild: HST Archive data, Inset: CFHT, J.-C. Cuillandre, Coelum

Literaturhinweise [1] C.M.V. Impellizzeri, J.P. McKean, P. Castangia, A.L. Roy, C. Henkel, A. Brunthaler, O. Wucknitz: A gravitationally lensed water maser in the early Universe. Nature 456 , 927-929 (2008).