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Watchman Nee Das normale Gemeindeleben ursprüngliche Fassung (Nochmaliges Überdenken des Werkes“)

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Watchman Nee

Das normale

Gemeindeleben

ursprüngliche Fassung („Nochmaliges Überdenken

des Werkes“)

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Das vorliegende Buch gibt den Text der chinesischen Erstausgabe wieder, die 1938 unter dem Titel „Nochmali- ges Überdenken des Werkes“ erschien. Wie bereits jener Titel zeigt, korrigierte Watchman Nee darin einige seiner früheren Aussagen zum Thema „Gemeinde“. Das Werk wurde 1939, vom Autor überarbeitet, in englischer Spra- che herausgegeben („Concerning Our Missions“), und seit 1962 existiert eine amerikanische Fassung, „The Normal Christian Church Life“. 1966 erschien erstmals eine erheb- lich gekürzte und auch leicht veränderte Fassung in Deutsch. Wir halten es für dringend notwendig, dem deutschen Leser den vollständigen Originaltext zugänglich zu machen.

Taschenbuch Nr. 26 ISBN 3-88083-125-4

Übersetzt aus dem Chinesischen Herausgeber der deutschsprachigen Ausgabe 1987

VERLAG DER STROM GmbH, Filderhauptstr. 61c 70599 Stuttgart

www.VerlagDerStrom.de

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Inhalt

Kapitel Seite Vorwort 5 Einleitung 11

I. „Der Dienst“ und die Dienenden 27 II. Die Apostel 66

III. Die Aussendung der Apostel und ihre Arbeitsweise 83

IV. Die Einsetzung der Ältesten durch die Apostel 105 V. Die Gründung der Gemeinden durch die

Apostel 119 VI. Die Basis der Einheit und die Ursachen

der Spaltung 156 VII. Unter den Mitarbeitern 203

VIII. Das Werk und die Gemeinden 231 IX. Die Finanzfrage 263

X. Die Organisation der Ortsgemeinden 304 Anhang – Das Werk und die Gemeinden

und unser zukünftiger Weg 344

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Vorwort

Dieses Buch enthält Vorträge, die ich in Schanghai und Hankow für die Mitarbeiter gehalten habe. Aus handgeschriebenen Notizen zusammengestellt, läßt das Buch trotz Überarbeitung noch immer den Vor- tragsstil erkennen. Wir übergeben diese Kapitel der Öffentlichkeit in der Hoffnung, daß sie in viele Hände kommen und das Volk Gottes dadurch Segen empfängt.

In den vergangenen zehn Jahren haben viele Freunde mich immer wieder gebeten, meine Mei- nung über das Werk und die Gemeinde öffentlich darzutun. Ich bin dieser Aufforderung bis jetzt nicht gefolgt, weil ich darüber eigentlich keine Meinung habe. Alles, was Gottes Wort rechtfertigt, rechtfer- tige auch ich, und alles, was Gottes Wort verdammt, verdamme auch ich. Ich wage nicht zu sagen, daß der Hintergrund und das Zeitalter der Bibel sich von unserer Zeit unterscheiden und daß wir deshalb dem Beispiel der Bibel in gewissen Punkten nicht folgen könnten. Es stimmt, daß ich und meine Mitarbeiter den Anweisungen Gottes oft nur schwach und

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zögernd Folge geleistet haben. Doch obgleich unserVerhalten Mängel aufweist – in bezug auf die Lehrebesitzen wir Klarheit. Möge uns Gott barmherzigsein!

Diskussionen – über welches Thema auch immer –bringen niemandem einen Vorteil. Denn wenn wirunsere Meinung äußern, machen wir uns zur Ziel-scheibe für die Angriffe anderer, und manche wer-den unser Wort sogar zu Propagandazwecken aus-nützen. Daher haben wir in der Vergangenheit aufVorwürfe keine Antwort gegeben und sogar dieBücher, die zur Diskussion Anlaß gaben, vom Ver-kauf abgesetzt. Dies bedeutet jedoch nicht, daß wirunseren eigenen Standpunkt anzweifelten. Wir woll-ten nur vermeiden, daß unsere Freunde unser Zeug-nis mißverstehen. Unser Zeugnis umfaßt weit mehr,als was man bei oberflächlicher Betrachtung erfassenkann.

Ich gebe zu, daß mein Dienst mehr die geistlicheSeite des Christseins berührt. Dagegen sind die Fra-gen, die mit der Gemeinde und dem Werk zu tunhaben, eher praktischer und „technischer“ Natur.Mir wäre es viel lieber, wenn ich mich um solcheFragen nicht kümmern müßte und mich ganz auf dengeistlichen Dienst konzentrieren könnte. Aber vieleliebe Freunde im Herrn lassen mir keine Ruhe undmöchten, daß ich über diese Fragen spreche.

Weil ich mir nicht darüber im klaren war, was ichsagen sollte, habe ich bis heute geschwiegen. Aber

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nachdem es mir zum Bewußtsein gekommen war,daß der Verfasser des Epheserbriefes auch dieKorintherbriefe geschrieben hat, wurde der Weg fürmich langsam klarer. Es ist merkwürdig, daß dieKinder Gottes sich bisher noch nicht über die Wahr-heiten im Epheserbrief gestritten haben, während esunaufhörlich Diskussionen über die Lehre derKorintherbriefe gegeben hat. Die Wahrheit imEpheserbrief ist geistlich und himmlisch. Wenn manes mit ihr nicht allzu genau nimmt, fällt das nieman-dem auf. Aber die Lehre der Korintherbriefe istpraktisch und kommt auf dieser Erde zur Anwen-dung. Sobald man hier einen Punkt vernachlässigt,wird dies allen offenbar. Die Korintherbriefe bezie-hen sich mehr auf die Praxis, und sie testen unserenGehorsam mehr als der Epheserbrief.

Ich möchte noch einige Worte zu dem Muster, demVorbild, sagen. Das wahre Christsein orientiert sichnicht nur an Anweisungen, sondern es braucht auchein Muster. Gott gibt nicht zu allen Fragen ausdrück-liche Anweisungen; er hat in der Gemeinde aucheine bestimmte Praxis eingeführt, damit die, diespäter kommen, seinen Willen anhand des Vorbildeserkennen können. Abstrakte Anweisungen undobjektive Vorschriften können uns nicht immer hel-fen, wohl aber konkrete Muster und Beispiele dafür,wie andere gehandelt haben. Gott hat uns einerseitsviele Anweisungen gegeben, aber andererseits zeigter uns auch anhand vieler Geschehnisse und Bege-benheiten, wie sein Wille ausgeführt werden soll.

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Nur ein Tor spricht: „Gott hat mir keine ausdrückli-che Anweisung gegeben; warum soll ich dann nachirgendeinem Muster handeln?“ Kannst du GottesWillen nicht erkennen, wenn du sein Handeln, seineLeitung und seine Gemeinde siehst? Braucht etwaein Kind für alles die Anweisung seines Vaters, oderlernt es nicht vielmehr von seinen Brüdern, wie manantworten und fragen soll, wie man sich wäschtusw.? Ein Kind lernt durch das, was es sieht. Ebensolernen auch wir eher durch Sehen als durch Hören.Was wir gesehen haben, dringt tiefer in uns ein.

Aus diesem Grunde hat Gott uns im Neuen Testa-ment die Apostelgeschichte und im Alten Testamentviele Geschichtsbücher gegeben. Er weiß, daß wirseinen Willen leichter anhand eines Musters alsdurch Anweisungen erkennen. Einerseits gibt er unsklare Anweisungen, doch andererseits zeigt er unsBeispiele oder Muster in seiner Familie. Möglicher-weise spricht Gott in bestimmten Punkten gar nichtsehr viel, legt uns aber anstatt dessen ein Muster vor,damit wir ganz klar sehen können, wie er vorgehenwill. Aber was tun wir, nachdem wir das Mustergesehen haben? Vermögen wir den Willen Gottesdann immer noch nicht zu erkennen, und fragen wiruns immer noch, wie wir zu handeln haben?

Sehr oft ist ein Muster mehr wert als ein Befehl.Befehle sind abstrakt, so daß wir oft nicht genauwissen, wie wir uns verhalten sollen. Ein Musterhingegen ist ein Befehl samt der Beschreibung, wie

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er einmal ausgeführt wurde. Wenn wir das Mustersehen, wissen wir nicht nur über den Befehl selbst,sondern auch über seine Ausführung Bescheid.Dadurch fällt es uns leichter, den Weg Gottes zuerkennen. Wenn wir alle Beispiele oder Muster ausdem Christsein wegnehmen und nur Befehle übrig-lassen, dann haben wir gar nichts mehr. Natürlichhaben beide ihren Platz. Diejenigen, die Gott undsein Wort kennen, werden in diesem Punkt keineSchwierigkeiten haben.

Ich hätte dieses Buch lieber gar nicht geschrieben,um Streitigkeiten zu vermeiden. Es liegt jedoch eineLast für die Wahrheit Gottes auf mir, und ich trageVerantwortung für die, die sie erkennen wollen.Möge Gott mir gnädig sein, damit dieses Buch sei-nen Namen verherrlichen kann.

Das erste Kapitel geht sehr ins Detail. Es ist fürsolche geschrieben, die intensiven Umgang mit demWort Gottes haben. Wenn jemand es nicht fassenkann, möge er weiterblättern und bei Kapitel zweibeginnen. Wer das Buch dann bis zum letzten Kapi-tel gelesen hat, wird beurteilen können, ob es GottesLicht enthält. Ist es ohne Licht, so möge der Leseralle Lehren dieses Buches verwerfen; zeigt es jedochdie Wahrheit der Schrift, dann möge er dieser Unter-tan sein.

Natürlich ist es nicht möglich, alle Fragen in diesemBuch zu beantworten. Manche Fragen habe ich

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bereits in anderen Schriften behandelt, und manchesollen später behandelt werden. Aber ich bitte denLeser, auf den zentralen Punkt dieses Buches zuachten, nämlich auf den Willen Gottes für die Orts-gemeinde.

Schanghai, 15. Februar 1938 Watchman Nee

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Einleitung

Wir haben das eine Ziel und die eine Hoffnung, das Werk völlig nach der Bibel auszurichten. Nach unse- rer festen Überzeugung ist die Bibel das Wort Got- tes. Sie weist den höchsten Standard auf, sie stellt uns ein vollkommenes Vorbild vor Augen, und ihre Anweisungen haben absolute Autorität. Unser Ver- langen ist es, diesem Wort entsprechend zu handeln, ohne auch nur einen einzigen Punkt zu vernachlässi- gen. Wir möchten die Haltung des Paulus haben. Wollen wir dem Willen Gottes folgen, dann folgen wir ihm rückhaltlos! Dafür müssen wir sowohl auf die Leitung des Heiligen Geistes als auch auf das Vorbild in der Bibel achten. Ohne Zweifel ist die Leitung durch den Heiligen Geist sehr kostbar, aber wenn wir andererseits das Vorbild in der Bibel als überflüssig betrachten, werden Schwierigkeiten nicht ausbleiben. Dann erklären die Menschen ihre falschen Gedanken und ihre unbegründeten Gefühle als das Leiten des Heiligen Geistes, und zwar unbe- wußt, ohne zu erkennen, daß sie einer Täuschung unterliegen. Geht es uns nicht mit allem Ernst

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darum, dem Willen Gottes zu gehorchen und dieWahrheit Gottes zu verstehen, dann werden vieleDinge geschehen, die der Schrift widersprechen,obwohl wir meinen, wir seien vom Heiligen Geist sogeleitet. Aus diesem Grund müssen wir uns sowohlnach der Leitung durch den Heiligen Geist als auchnach dem Vorbild der Bibel richten. Dann könnenwir Klarheit darüber haben, ob eine bestimmte Lei-tung wirklich vom Heiligen Geist ist. Entspricht sienicht der Schrift, dann kann die Behauptung, sie seivom Heiligen Geist gewirkt, nicht stimmen. Es istunmöglich, daß Gott die Menschen zur Zeit derApostelgeschichte auf eine ganz andere Weise gelei-tet hat, als er die Menschen der heutigen Zeit leitet.Äußerlich gesehen mag Gott mit dem Menschen inunterschiedlicher Weise verfahren, aber das Prinzipbleibt doch immer das gleiche. Sein Wille ist unabän-derlich, und geistliche Angelegenheiten unterliegenkeiner Zeitbeschränkung, sie sind ewig. Alles, wasder ewige Gott tut, ist ewig, da es bei Gott keine Zeitgibt. Sein ganzes Handeln trägt das Siegel der Ewig-keit. Wer könnte also sagen, Gottes Handeln seiheute anders als zur Zeit der Apostelgeschichte?Auch wenn wir uns heute in einer ganz anderenSituation befinden, entspricht doch der Weg undWille Gottes im Prinzip dem, was uns in der Apostel-geschichte gezeigt wird.

Die Apostelgeschichte ist sozusagen das „l.BuchMose“ in der Kirchengeschichte. Im Werk des Heili-gen Geistes entspricht das Zeitalter des Paulus und

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der ersten Gemeinden dem 1.Buch Mose. Gotterlaubte den Israeliten im Alten Testament die Aus-stellung eines Scheidebriefes, „wenn jemand eineFrau zur Ehe nimmt und sie nicht Gnade findet vorseinen Augen“ (5.Mose 24:1). Aber in Matthäus19:6 sagt der Herr Jesus: „Was nun Gott zusammen-gejocht hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“Der Widerspruch zwischen der Aussage Gottes undder des Herrn Jesus ist nur ein scheinbarer. Gotteseigentliche Absicht ist von Anfang an gleich geblie-ben, wie aus Matthäus 19:8 hervorgeht: „Wegeneurer Herzenshärte hat euch Mose erlaubt, euch voneuren Frauen zu scheiden; doch von Anfang an ist esnicht so gewesen.“ Dies beweist, daß Gott nichtwankelmütig ist. Er hat heute noch genau dasselbeZiel wie am Anfang. Wollen wir Gottes Herzens-wunsch verstehen, so müssen wir zu den Anweisun-gen aus dem „1.Buch Mose“ zurückkehren und dür-fen uns nicht auf hinzugefügte Anweisungen verlas-sen, weil all diese aus einem einzigen Grund entstan-den sind: Herzenshärte. Um daher Gottes Willen inder Gemeinde zu erkennen, sollten wir nicht nurdarauf zurückschauen, wie Gott uns im letzten Jahr,in den letzten zehn oder auch hundert Jahren geleitethat, sondern zum Anfang zurückkehren, zum„l.Buch Mose“ der Gemeinde. Wir sollten diesunabhängig von den heutigen äußeren Umständenund unserer Tradition tun. All dies ist kein Vorbildfür uns, und wir dürfen uns davon nicht regierenlassen. Wir müssen zu dem Anfang zurückkehren,den Gott uns in der Heiligen Schrift zeigt.

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Die geistlichen Wahrheiten – wie zum Beispiel dasGefülltsein mit dem Heiligen Geist, der Sieg Christiusw. – sind kostbar, aber Gott vernachlässigt dane-ben nicht den äußeren Rahmen. Gott hat uns denEpheserbrief, den Römerbrief und den Kolosser-brief gegeben, aber andererseits auch die Apostelge-schichte, die beiden Briefe an Timotheus und diebeiden Korintherbriefe. Im Epheserbrief finden wireine hohe geistliche Sicht, der Römerbrief ist vollerGnade, und der Kolosserbrief zeigt uns vieles inbezug auf den Wandel der Gläubigen. Aber gleich-zeitig spricht Gott auch über das „Werk des Dien-stes“ und über die äußere Struktur und den Aus-druck der Gemeinde. Gott hat uns alles gesagt, under hat keinen Freiraum für eigenmächtiges Tun undeigene Meinungen gelassen. Bei uns Menschen sindDiener, die nichts denken, unerwünscht, aber Gottmöchte keine Arbeiter haben, die sich mit ihremklugen Kopf zu viele eigene Gedanken machen.Gott will nur, daß wir Menschen ihm gehorchen undauf sein Wort hören. Er braucht keine Ratgeber, wieauch Paulus sagt: „Wer ist sein Ratgeber gewesen?“(Röm. 11:34b). Wir Menschen möchten gerne Rat-geber sein, aber in Gottes Augen sind solche Ratge-ber nutzlos. Er hat alles vorbereitet, was das Werkbetrifft, und ist nicht auf unsere Überlegungen ange-wiesen. Wir sollen nur danach fragen, was Gottdenkt und wie er arbeiten will. Von daher gesehensind die praktischen Anweisungen ebenso kostbarwie das geistliche Wort.

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Noch etwas sollten wir beachten. Der Herr machtees den Pharisäern zum Vorwurf, daß sie das Äußeredes Bechers und der Schüssel reinigten, während ihrInneres voller Unreinheit war (Luk. 11:39). Manchehaben die Vorstellung, sie bräuchten nur innerlichrein zu sein, über den äußeren Schmutz könne manhinwegsehen. Gott aber möchte, daß sowohl dasInnere als auch das Äußere rein ist. Ist nur dasÄußere und nicht das Innere gereinigt, dann sind wirgeistlich tot. Ist dagegen nur das Innere und nichtdas Äußere gereinigt, dann stellt dies Gott ebenfallsnicht zufrieden. Daher sagt der Herr: „Dies solltetihr tun und jenes nicht unterlassen“ (Luk. 11:42).Jede Stelle im Neuen Testament – selbst eine solche,die uns unwichtig erscheinen mag – ist ein Teil desWillens Gottes und daher von geistlichem Wert undvon ewiger Bedeutung. Alles, was Gott tut, hatseinen Sinn. Werden solche Kleinigkeiten vernach-lässigt, so entsteht mit Sicherheit geistlicher Scha-den. Andererseits führt es zu geistlichem Tod, wennwir alle in der Schrift erwähnten äußerlichen Dingeals Gesetz halten. Dann hat unser Tun auch keinerleigeistlichen Wert. Nicht nur äußere Dinge könnenzum Gesetz werden und Tod bewirken, sondernauch innere, geistliche Wahrheiten. Alle göttlichenDinge, mögen sie innerlich oder äußerlich sein, sindLeben, wenn wir mit ihnen im Heiligen Geist umge-hen, aber Tod, wenn sie uns zum Gesetz werden.Deshalb fragen wir nicht danach, ob eine Sacheäußerlich oder innerlich ist, sondern danach, ob sieim Geist oder im Gesetz ist. Dieses Bibelstudium

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scheint Fragen zu beantworten, die sich auf das„Äußere des Gefäßes“ beziehen. Wir sollen dieseDinge nicht als Gesetze oder Anordnungen befol-gen, sondern sie durch den Heiligen Geist als GottesWort ergreifen. Wie wir wissen, ist die Gemeinde einThema, über das oft diskutiert wird. Wenn wir imGeist wandeln, wird auch alles Äußere für uns leben-dig. Wer die Aussagen des Paulus über dieGemeinde mit den Aussagen heutiger Autoren überdieses Thema vergleicht, wird den Unterschiedschnell feststellen. Befinden wir uns im Fleisch, dannführt uns alles zum Tod, selbst wenn es gut ist.Befinden wir uns aber im Geist, dann ist alles Leben.Wir haben den Wunsch, während dieses Bibelstu-diums und auch später, wenn wir das Gelesene prak-tizieren, im Geist zu sein, damit es zum Leben führt.Nur dies entspricht Gottes Wunsch.

Das vorliegende Bibelstudium wendet sich an dreiPersonengruppen: erstens an die Mitarbeiter, zwei-tens an alle Geschwister insgesamt und drittens anunsere Kritiker.

Für unsere Mitarbeiter

Bekanntlich haben wir* keine Satzung. Unser einzi-ges Bestreben ist es, nach dem Licht der Heiligen

* „Wir“ bezieht sich auf die Mitarbeiter. Auch in derApostelgeschichte wird das Pronomen „wir“ für die Mitar-

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Schrift zu wandeln. Immer, wenn wir von ihr Lichtbekommen und die Führung des Heiligen Geisteserhalten, handeln wir entsprechend. Mag sein, daßwir noch nicht so viel Licht bekommen haben, aberjedesmal, wenn wir auch nur ein wenig davon emp-fangen, tun wir danach. Wir sind wie jener Blinde(Mk. 8:24), der anfangs die Menschen gleich Bäu-men umhergehen sieht und sie erst später scharferkennt. Beim ersten Mal haben wir noch nicht soklar gesehen, aber beim zweiten Mal sehen wir klar.Wir haben kein Satzungsbuch geschrieben, dennwenn wir eine festgelegte Satzung schreiben wollten,bräuchten wir die Bibel nicht mehr. Wir haben keinSatzungsbuch – wir haben vielmehr eine geöffneteBibel. Jedesmal, wenn wir Licht empfangen, tun wirdanach. Sobald wir sehen, daß wir in etwas falschgehandelt haben, berichtigen wir dies. Wir korrigie-ren unser Tun gemäß der Schrift. Früher war zumBeispiel die Frage der Ältesten nicht so klar, heuteaber haben wir hier viel mehr Klarheit. Wenn wirnicht stolz sind, sondern uns demütigen, werden wirnoch mehr Licht bekommen und infolgedessen denWillen des Herrn noch deutlicher erkennen. Mitanderen Worten: Wir haben keine festgelegte Sat-zung, sondern empfangen vielmehr durch den Heili-

beiter verwendet. Wenn wir unter uns Geschwistern „wir“sagen, sollten damit alle Kinder Gottes gemeint sein; sonstsind wir sektiererisch. In diesem Zusammenhang beziehtsich der Begriff jedoch nicht auf die Geschwister allge-mein, sondern auf die Mitarbeiter.

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gen Geist, der uns die Bibel öffnet, immer neuesLicht. Es gibt für uns keine endgültige und unabän-derliche Entscheidung. Sonst würden wir uns selbstdie Tür zum Licht der Bibel verschließen. UnserHerz muß immer offen sein, immer bereit, neuesLicht vom Herrn zu empfangen, damit wir nicht etwahinter seinem Willen zurückbleiben. Nichts ist unslieber, als daß wir unsere eigenen Fehler erkennen.Möge der Herr uns nicht verwerfen oder es zulassen,daß wir in Finsternis bleiben und dadurch für unsereFehler blind sind.

Als Diener des Herrn müssen wir auf viele Frageneine Antwort wissen. Wenn es uns an Wissen fehlt,mag unser Motiv zwar stimmen, aber doch sind wirnicht in der Lage, nach Gottes Willen zu handeln.Natürlich brauchen wir als neutestamentliche Gläu-bige niemanden, der als Prophet zu uns spricht.Aber das Wort Gottes sagt, daß wir die Predigt einesPropheten nicht verachten sollen (l.Thess. 5:20).Unabhängig davon, was für einen Dienst wir haben,gibt es in Gottes Werk ein allgemeingültiges Prinzipfür die Zusammenarbeit. Daher sollte jeder DienerGottes darüber Bescheid wissen, wie Gott Menschensendet, wie sie arbeiten sollen, wie Gemeindengegründet werden, was der Unterschied zwischeneiner Missionsgesellschaft und einer Gemeinde ist,wie die Mitarbeiter zusammenarbeiten usw. Das Zieljener Zusammenkunft bestand darin, alle früherenVorstellungen abzulegen, neu anzufangen, alsUnwissende vor Gott zu kommen und ihn um Licht

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zu bitten, damit diese Zeit uns „zur Lehre, zurZurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung inder Gerechtigkeit“ (2.Tim. 3:16) und zum nochmali-gen Überdenken unseres Werkes dienen konnte.

Wenn wir nur Wissen aufnehmen, geschieht es sehrleicht, daß wir dieses Wissen zu einem Gesetzmachen, nach dem Buchstaben handeln und dadurchdas Leben verlieren. Dies ist eine große Gefahr, unddeshalb muß ich nochmals betonen, daß alles vomHeiligen Geist abhängt. Selbst wenn wir Licht habenund die Lehre der Bibel kennen, wird das ErgebnisTod sein, sofern es uns am Heiligen Geist mangelt.Jedes Lebewesen braucht für seine Existenz einenbestimmten Lebensbereich. Wir Menschen zum Bei-spiel können nur dort leben, wo Luft vorhanden ist.Wird ein Mensch ins Wasser geworfen, dann muß ersterben. Genauso verhält es sich mit der Lehre derBibel: Ohne den Geist endet jede biblische Wahrheitim Tod. Bringen wir das Wort Gottes und dasMuster der Schrift mit dem Heiligen Geist in Verbin-dung, dann haben wir Leben, und dann wird selbstein Thema wie die Reinigung des Gefäßes für unsvoller Leben und Bedeutung sein. Möge Gott unsGnade geben, daß wir uns davor hüten, die Vorbil-der der Schrift zu Satzungen und Gesetzen zumachen, daß wir sie jedoch anstatt dessen mit demHeiligen Geist in Verbindung bringen, damit sie füruns zu Leben werden.

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Für alle Geschwister

Dieses Bibelstudium ist nicht allein für die Mitarbei-ter bestimmt, sondern auch für alle anderenGeschwister. Ich danke Gott, daß die Mitarbeiter inden vergangenen Jahren viele Zeugnisse aufgerichtethaben und daß viele Menschen in verschiedenenOrten dieses Zeugnis angenommen haben, wie Gottuns angenommen hat. Sie kennen jetzt unserengeistlichen Dienst und wissen, daß wir das Kreuzverkündigen, das Evangelium der Gnade, Christusals das Haupt über alles und die Kraft Gottes, näm-lich den Heiligen Geist. Ihre Hoffnung ist die Ent-rückung, und sie trachten nach dem Reich. Aber esgibt an vielen Orten Geschwister, die sehr mit unsverbunden sind und unser Werk trotzdem nicht ver-stehen. Sie haben keine Klarheit über die Bedeutungder Mitarbeiterschaft, der Gemeinde und des Dien-stes und wissen auch nicht, warum wir so und nichtanders handeln und was unsere Grundlage ist. AmAnfang hielten wir es für unnötig, ihnen all dies zuerklären. Wir waren der Ansicht, daß es genügte,wenn sie vor Gott Menschen voller Glauben, Kraftund Liebe wären. Aber weil in den letzten Jahrenviele unser Zeugnis angenommen haben, ohneunsere Handlungsweise zu verstehen, wurden Fehlerbegangen und entstanden Schwierigkeiten. Zumeinen hegte man falsche Erwartungen. Weil manunsere Arbeit nicht verstand, erwarteten dieGeschwister mehr von uns, als sie sollten. Sie wissenjetzt nicht, was die Mitarbeiter für die Geschwister

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tun sollen und was die Ortsgemeinde tun soll. VieleAngelegenheiten gehören eigentlich in den Verant-wortungsbereich der Gemeinde, aber die Geschwi-ster erwarten, daß diese Dinge von den Apostelnausgeführt werden. Dadurch wird einerseits dieOrtsgemeinde am Vorangehen gehindert, und ande-rerseits haben die Mitarbeiter keine Zeit für ihreeigentliche Aufgabe. Vieles, was zum Aufgabenbe-reich der Gemeinde gehört, hat man den Mitarbei-tern übertragen. Daher ist es wichtig, daß dieGeschwister unser Werk noch einmal überdenken,damit sie Klarheit über die Mitarbeiter und dasWerk bekommen und keine falschen Erwartungenan die Mitarbeiter stellen. Zum anderen wurdenungenaue Aussagen gemacht. Einige Brüder, diesich über das Prinzip des Werkes nicht völlig imklaren waren, haben sich zu undeutlich ausgedrückt.Dadurch wurden wir falsch vertreten, und so kam esbei manchen zu Mißverständnissen. Was sie gesagthaben, entspricht unserer Meinung und unseremHandeln nicht. Auch deshalb möchte ich diesesBuch („Nochmaliges Überdenken des Werkes“) her-ausgeben, damit alle Geschwister das Prinzip desWerkes erfassen und unnötige Mißverständnisse undStreitigkeiten vermieden werden können. Außer-dem soll auch jeder seine eigene Verantwortungerkennen und die Wahrheit, die uns die Schriftoffenbart hat, verstehen.

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Für unsere Kritiker

In den vergangenen Jahren haben viele uns mitVorwürfen bedacht und kritisiert. Die Ursache derKritik hatte meistens zwei Gründe. Entweder wardas Niveau des Kritikers zu hoch, oder es war zuniedrig. Alle Kritik kam von diesen beiden Seiten.Die einen, die ein hohes Niveau haben, weil sie soviel wissen, kritisieren herum und sind mit nichtszufrieden. Darüber wundere ich mich nicht. Dieanderen, deren Niveau niedrig ist, kritisieren, weilsie tatsächlich nichts wissen und von Dingen reden,die ihnen völlig fremd sind. Was die ersteren betrifft,so bitten wir Gott, er möge uns ein demütiges Herzschenken, damit wir von ihnen lernen. Für die letzte-ren hegen wir die Hoffnung, daß sie dieses Buch mituns zusammen lesen und dadurch Klarheit über dieBeziehung zwischen dem Werk und den Ortsgemein-den bekommen.

Das bedeutet allerdings nicht, daß wir uns jetztselbst verteidigen wollen. Schon in den vergangenenJahren haben wir dies für unnötig gehalten, weil wirwissen, daß alle Dinge in der Hand des Herrn liegen.Dem Fleisch nach könnten wir uns verteidigen, hät-ten wir auch Grund genug zu streiten. Aber Gotthält uns in Schranken, und so wagen wir es nicht, unsgegen die Vorwürfe zu verteidigen. Viel Kritik wargegen mich persönlich gerichtet. Ich habe zahlreichekritische Schriften gelesen, und der Herr weiß, daßich dies nicht mit einem streitsüchtigen Herzen getan

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habe, sondern objektiv. Wie sehr hoffte ich, dadurchLicht zu empfangen und eigene Fehler zu erkennen!Aber nach dem Lesen hatte ich den Eindruck, daßdie Kritik sich nicht gegen uns richtete, sonderngegen irgend jemanden in der Vorstellung der Kriti-ker. Die Lehre, gegen die sie Vorwürfe erhobenhaben, verkündigen wir gar nicht, und was man unssonst vorgeworfen hat, haben wir nicht getan.Warum also sollten wir unseren Mund öffnen unduns verteidigen? Es schmerzt uns, daß es tatsächlichKinder Gottes gibt, die lügen. Sie unterstellen unseinen bestimmten Fehler, und anschließend kritisie-ren sie diesen angeblichen Fehler aufs heftigste.Möge Gott sich unserer Brüder und unser erbarmen.Wir wissen, daß Beschimpfungen und Spott nicht derrichtige Weg sind. Weder Schreien noch Schweigenentscheidet über Sieg oder Niederlage. Daher habenwir es gelernt, von einer Reaktion abzusehen undden Mund nicht zu öffnen. Wir kümmern uns nichtdarum, ob uns jemand kritisiert, solange nur derHerr verkündigt und von Menschen geliebt wird.Haben wir etwa Furcht vor menschlichen Vorwür-fen? Nein. Sind die Vorwürfe nicht gerechtfertigt, sobrauchen wir uns nicht zu fürchten; sind sie jedochgerechtfertigt, so haben wir auch keine Furcht, dieWahrheit anzunehmen. Wir geben zu, daß wir sehrschwach waren und viele Fehler begangen haben.Deshalb erbitten wir die Barmherzigkeit Gottes unddie Barmherzigkeit der Brüder, und deshalb brau-chen wir auch ihr Gebet.

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Ich räume ein, daß wir in den vergangenen Jahrenüber vieles keine Klarheit hatten und uns in man-chen Dingen sogar töricht verhalten haben. Wirsahen die Menschen sozusagen nur wie Bäume.Dafür bitten wir Gott um Vergebung. Andererseitsaber loben wir ihn auch, daß er uns etwas von derWahrheit gezeigt hat, obwohl wir es gar nicht wertsind.

Einigen unserer Freunde möchten wir sagen, daß wirnur an einem einzigen „Fehler“ festhalten: Wir aner-kennen ausschließlich die Autorität des Wortes Got-tes und lassen weder Umstände noch Traditionen,noch menschliche Gedanken gelten. Nichts von alle-dem, sondern nur das Wort Gottes darf die DienerGottes regieren. Wir halten uns an das Prinzip, daßwir allein den Anweisungen und Vorbildern in derSchrift und der Leitung des Heiligen Geistes folgen.Wenn das unser Fehler ist, dann geben wir diesengerne zu und werden ihn nicht beseitigen. Niemalswerden wir menschliche Autorität anerkennen. Esgilt für uns vielmehr die Tatsache, daß das WortGottes sein ganzes Werk und seine Diener regiert.Wenn das ein Fehler ist, dann werde ich in Ewigkeitdarin verharren. Wollen die Geschwister, die unsVorwürfe gemacht haben, ebenfalls das Wort Gottesals Autorität anerkennen und den Vorbildern derSchrift folgen, dann möchte ich sie bitten, diesesBuch zu lesen. Dadurch können sie erfahren, waswir wirklich sind und was das Prinzip des Werkes ist.Uns hingegen möge Gott demütig machen, so daß

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wir ihre Vorschläge annehmen. Wenn dieses Buchaber die Wahrheit spricht, dann sollen alle Brüderim Herrn sie annehmen.

Ich wünschte sehr, dieses Buch nicht veröffentlichenzu müssen, weil ich immer die Empfindung habe,daß der Dienst, den Gott mir gegeben hat, geistlichund nicht äußerlich ist. Dieses Buch hat seinen Wert,doch es liegt eigentlich außerhalb meines Dienstes.Daher habe ich in all diesen Jahren geschwiegen.Jetzt aber tue ich diesen Schritt, weil man mich dazuzwingt. Ich wünsche sehr, daß diese Frage beiseite-gelegt werden kann. Möge jeder seinem Dienst ent-sprechend Gott dienen. Aber um der vielenGeschwister willen muß ich ein „Tor“ sein und diesesBuch schreiben. Ich hoffe, daß diese Kapitel denFrieden mit allen wiederherstellen, so daß ich mei-nen Dienst ausführen und dem Herrn dienen kann.Möge Gott dieses Buch segnen, damit alle Schafedes Herrn Hilfe empfangen.

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I. „Der Dienst“ und die Dienenden

Das Werk Gottes

Gott hat das Ziel, seine Söhne zu vermehren. Er will, daß Menschen unter den Namen seines Sohnes kommen und das Leben seines Sohnes teilen, so daß sie seine eigenen Kinder werden. Er hat vorgesehen, daß diese Menschen die Vergrößerung seines Sohnes sein sollen, so daß der persönliche Christus auch zu dem korporativen Christus wird. In allem nämlich, was Gott sich vorgenommen hat, geht es um seinen Sohn, und alle seine Werke zielen darauf ab, seinen Sohn zu vergrößern.

Das Tragische war nun, daß der Mensch im Garten Eden nicht das Leben des Sohnes Gottes empfing, sondern sündigte und sich zum Sklaven Satans machte, zum Sklaven von Gottes Feind. Von jener Stunde an hatte Gott folglich ein zweifaches Werk zu vollbringen: Auf der negativen Seite mußte er das Problem der Sünde des Menschen lösen und ihn aus der Knechtschaft des Teufels befreien, und auf der positiven Seite mußte er den Menschen dazu brin-

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gen, das Leben seines Sohnes aufzunehmen.Dadurch hatte Gott dann die Möglichkeit, seinenSohn zu vermehren, damit dieser alles erfüllt. Eheder Mensch gefallen war, kam es Gott nur darauf an,daß der Mensch sein Leben empfing. Nach dem Falljedoch mußte erst einmal das Problem der Sündeund der Macht Satans gelöst werden, ehe derMensch das Leben Gottes empfangen konnte. Folg-lich besteht das Werk Gottes darin, die Menschenvon der Sünde und von Satan zu befreien, so daß sieam Leben seines Sohnes teilhaben können.

Um Gottes Werk verstehen zu können, müssen wirerkennen, daß der Mensch sich unter der GewaltSatans befindet. Dadurch, daß der Mensch sündigteund seinen eigenen Willen tat, machte er sich mitLeib und Seele zum Kriegsgefangenen des Feindes.Um ihn aus der Gewalt des Feindes zu befreien,sandte Gott seinen eigenen Sohn in die Welt, unddieser wurde ein Mensch. Als Mensch wurde er vomHeiligen Geist geleitet und gewann in allem, womitSatan ihn versuchte, den völligen Sieg. Gefüllt mitder Kraft Gottes, vertrieb er überall den Satan undbefreite den Menschen aus der Gewalt des Feindes.Allerdings war dies nicht von ewiger Wirkung, dennsolange der Mensch in seinen Sünden lebte und dasProblem der Sünden nicht gelöst war, blieb er nichtvon der Macht des Feindes frei. Und solange derSohn Gottes nicht gestorben war, konnte derMensch auch nicht mit ihm verbunden werden, umdas göttliche Leben zu empfangen.

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Nach der Gerechtigkeit Gottes starb unser Herr füruns. Er vergoß sein Blut, um uns von allen unserenSünden zu reinigen. Zunächst hatte Gott seingerechtes Urteil über die Sünden gesprochen. Aberdieses Urteil wurde stellvertretend für uns an Chri-stus vollstreckt, so daß weder der gerechte Gott nochder verklagende Satan fortan irgend etwas gegen unsvorbringen können. Allen Forderungen ist völligGenüge getan, und alle Stimmen sind zum Schwei-gen gebracht. Das Reich Satans ist seitdem völligzerschlagen, da Gottes Gericht vollständig ausge-führt wurde. Satan hat keine Basis mehr, die Men-schen anzugreifen. Dieses Errettungswerk ist voll-kommen und ewig, es ist beispiellos in der Vergan-genheit und in der Zukunft.

Außerdem schließt der Herr alle, die an ihn glauben,in seinem Tod ein. Sein Kreuz ist unser Kreuz.Unser alter Mensch wurde mit ihm ans Kreuzgeschlagen. Auch sind diejenigen, die früher demSatan unterworfen waren, seiner Hand entzogen;Satan kann seine früheren Untertanen nicht mehrfinden.

Das aber ist nicht alles. Unser Herr hat durch seinenTod auch sein Leben befreit, und sein Leben ist füruns zur Speise geworden, so daß wir Anteil anseinem Leben haben können. Infolgedessen wirdjetzt der Plan, den Gott vor Grundlegung der Weltgefaßt hat, an uns erfüllt. Wir, die wir heute denSohn haben, sind zu Kindern Gottes geworden.

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Durch den Glauben an ihn haben wir an ihm teil,und dadurch kann er sich gewaltig ausbreiten undvermehren.

Da das Werk Christi so vollständig ist, hat Gott ihmsowohl alle Menschen als auch alle Vollmacht zumGericht übergeben. Heute sehen wir noch nicht, daßer seine Vollmacht zum Gericht ausübt, und wirsehen auch nicht, daß alle Menschen zu ihm kom-men. Obgleich er alle Gewalt im Himmel und aufder Erde hat, macht sich die Macht des Bösen nochbemerkbar. Woher kommt das?

Die Gemeinde

Es kommt daher, daß die Frage der Gemeinde nochnicht gelöst ist. Es geht in der Bibel nicht nur um denpersönlichen Christus, sondern auch um den korpo-rativen Christus. Der erstere hat den vollständigenSieg, aber der letztere muß diesen Sieg noch erfah-ren. Der persönliche Christus ist das Haupt deskorporativen Christus. Christus ist das Haupt, unddie Gemeinde ist der Leib. Christus zusammen mitder Gemeinde ist der korporative Christus. Christusselbst hat völlig überwunden, aber die Gemeindemuß noch in die Erfahrung seines Sieges hineinkom-men. Der Triumph des Hauptes muß nun auch vomLeib erfahren werden.

Außerdem hat die Gemeinde Christus noch nichtvöllig erkannt, und sie hat auch keine völlige Klar-

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heit in bezug auf den Glauben. Die Gläubigen sindzwar Menschen mit göttlichem Leben, aber sie sindnoch Babys, noch nicht zum vollen Maß des vollenWuchses der Fülle Christi gewachsen. DieGemeinde muß ein bestimmtes Maß des Wuchseserreichen, ehe sie das Herz Gottes zufriedenstellenkann. Gott tut alles für Christus, weil es ihm nur umChristus geht. Gott möchte, daß alle Erlösten vonChristus Leben empfangen, daß sie ihn völlig erken-nen und ihm in jeder Weise gleich werden. Es ist derWille Gottes, daß alle Gnade und alles Leben desHauptes in den Leib hineinfließt. Alle Dinge inChristus sind Tatsachen, die von der Gemeindeerfahren werden sollen.

Deshalb möchte Christus, ehe er Satan bindet undsich dem Menschen als Segen gibt, zunächst seineGemeinde aufbauen, wodurch die Seinen an seinemSieg teilhaben und auch zu dem vollen Maß gelangenkönnen, das für sie vorgesehen ist.

Infolgedessen hat Gott heute ein ganz bestimmtesWerk zu tun. Er baut den Leib Christi auf, bis alleGlieder dieses Leibes zur vollen Erkenntnis derWahrheit und des Sohnes Gottes gelangen, bis siezum Maß des vollen Wuchses der Fülle Christi kom-men (siehe Eph. 4:12,13). Dieser Aufbau des LeibesChristi ist heute Gottes Werk. Es nimmt einen gro-ßen Raum in allen Werken Gottes ein und ist derenMittelpunkt. Gott hat vor allen Dingen den Aufbaudes Leibes Christi im Auge.

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Das Werk des Dienstes

Zur Ausführung dieses so entscheidenden Werkeshat Gott eine Anzahl von Menschen auserwählt.Diese Gruppe von Arbeitern ist vor Gott für jenesWerk verantwortlich. Wir wollen damit keineswegssagen, daß Gott heute keine anderen Werke oderkeine andere Art von Arbeitern hat. Nein, es sollnur festgehalten werden, daß das wichtigste WerkGottes gegenwärtig der Aufbau des Leibes Christiist. Zwar hat Gott heute noch viele andere Arbeiter,aber jene, deren Aufgabe darin besteht, den LeibChristi aufzubauen, sind in einem besonderen Sinnseine Arbeiter.

Gott hat viele Werke, und es gibt darin viele Dien-ste. Ein Dienst ist der spezifische Teil des Werkes,zu dem Gott einzelne Menschen beruft. Manchewerden zu diesem und manche zu jenem Dienstberufen. Die Zahl der Dienste ist groß, da GottMenschen in sehr verschiedenen Bereichengebraucht. Dennoch zeigt uns die Schrift, daß eseinen besonderen Dienst gibt, der sich von allenanderen Diensten unterscheidet. Von diesem Dienstspricht die Bibel als von „dem Dienst“ gegenüberallen anderen Diensten. Das Werk der Zusammen-führung und der Aufbau des Leibes Christi sind „dasWerk des Dienstes“ (Eph. 4:12). Es gibt viele Men-schen, die für Gott arbeiten, aber nur eine Gruppevon Menschen führt das „Werk des Dienstes“ aus.Gott teilt den Menschen viele Dienste zu, aber nur

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eine bestimmte Personengruppe steht in dem „Werkdes Dienstes“.

Schauen wir nun, was das Wort Gottes darüber sagt:„Einem jeden aber unter uns ist die Gnade gegebennach dem Maß der Gabe Christi. Darum sagt er: ,Erist aufgefahren in die Höhe und hat das Gefängnisgefangen geführt und hat den Menschen Gabengegeben‘ ... Und er hat einige Apostel gegeben,einige Propheten, einige Evangelisten, einige Hirtenund Lehrer, damit die Heiligen zubereitet werdenzum Werk des Dienstes, zum Aufbau des LeibesChristi, bis wir alle hinankommen zur Einheit desGlaubens und der vollen Erkenntnis des SohnesGottes, zu einem erwachsenen Mann, zum Maß desvollen Wuchses der Fülle Christi“ (Eph. 4:7-8,11-13).

Hier sehen wir zwei Dinge, die Christus nach seinemTod, seiner Auferstehung und Auffahrt vollbrachthat. Erstens hat er aufgrund seines vollständigenSieges seinen Feind in solch einer Weise gefangengeführt, daß dieser seine früheren Sklaven nichtmehr anklagen oder mißbrauchen kann. Christus hatüberwunden und ist in die Höhe aufgefahren. Er hatalle Mächte gefangengenommen, die in der Vergan-genheit die Menschen tyrannisierten. Daher habenalle, die in Christus sind, ebenfalls den völligen Siegüber Satan. Bald wird Christus seine Autorität aufder Erde sichtbar machen; er wird seinen Feindbinden und in den Abgrund werfen. Zweitens will

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Christus, noch ehe er so mit dem Feind verfährt,seine Macht in der Gemeinde zeigen, indem er alldenen Gaben gibt, die er aus der Gewalt des Feindesbefreit hat. Dies macht einerseits offenbar, daß derMensch in ihm erhöht worden ist, und andererseitszeigt es, daß diese Menschen zu Werkzeugen derBefreiung für andere Menschen werden sollen.

Die Gaben, von denen hier gesprochen wird, sindnicht die Gaben, welche Menschen individuell vomHeiligen Geist erhalten; vielmehr gibt der Herr alsdas Haupt der Gemeinde einzelnen PersonenGnade, daß sie zu seinen Gaben an die Gemeindeund zu seinen Dienern werden, die den Heiligendienen und den Leib aufbauen. Mit anderen Wor-ten, der Herr gibt der Gemeinde eine Gruppe vonArbeitern als Gaben für ihren Aufbau. Sie werdenvon ihm besonders berufen, das Werk des Dienstesauszuführen. Früher waren sie Sklaven des Feindes,nun aber sind sie durch den Tod und die Auferste-hung des Herrn völlig errettet und werden von demaufgefahrenen Herrn im Himmel dazu bestimmt, alsGefäße seiner Kraft andere zu befreien. Er gibtihnen die Vollmacht, dasselbe Werk der Befreiungauszuführen, das er selbst ausgeführt hat. Sie sindeine Gruppe von Befreiten, die nun in der HandGottes Gefäße zum Angriff gegen den Feindwerden.

Gott will, daß alle Erlösten ihn kennen und mitseinem Leben und seinem Heiligen Geist gefüllt

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werden sollen, so daß es keinen Einfluß des Flei- sches mehr gibt. Dementsprechend braucht er Men- schen, die er für den Aufbau seines Volkes einsetzen kann, um sein Ziel zu erreichen. Während er zur Rechten Gottes sitzt und darauf wartet, daß seine Feinde zu seinem Fußschemel gemacht werden, gibt er der Gemeinde alle notwendigen Gaben, d.h. seine Arbeiter in „dem Dienst“, damit all jene gesammelt werden, die er dazu berufen hat, seine Herrlichkeit mit ihm zu teilen und zu seiner Fülle zu werden.

Es sei betont, daß mit den Gaben, von denen wir hier sprechen, nicht das Herabkommen des Heiligen Geistes oder die einzelnen Gaben der Menschen gemeint sind, sondern vielmehr Personen, die der Herr in der Gemeinde für deren Zusammenführung und Aufbau setzt, damit alle Heiligen zugerüstet werden. In bezug auf die Gaben müssen wir unter- scheiden zwischen denen, die der Heilige Geist den einzelnen Gläubigen gibt, und denen, die Christus der Gemeinde gibt, denn die Bibel spricht tatsäch- lich von diesen zweierlei Gaben. Die eine Art von Gaben wird der Gemeinde korporativ gegeben, die andere hingegen wird den Gläubigen individuell ver- liehen. Die Gaben, die wir persönlich vom Heiligen Geist empfangen, befähigen uns zum Dienst oder zur Ausführung eines bestimmten Werkes vor dem Herrn. Manche können weissagen oder lehren, man- che reden in Zungen, manche können heilen usw. Dies sind individuelle Gaben des Heiligen Geistes an einzelne. Die Gaben jedoch, welche der Herr der

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Gemeinde gibt, sind etwas anderes. Es sind Men-schen, die Gaben des Heiligen Geistes besitzen.

Obgleich der Herr sich heute in der Herrlichkeitbefindet, verlangt sein Herz danach, die Verlorenenzu sammeln. Unaufhörlich denkt er an die Heiligen,an die Gemeinde. Er möchte den Heiligen mehr vonsich selbst geben, bis sie völlig von ihm erfüllt sind.Seine Absicht ist, daß seine Gemeinde seine volleGnade erhält, vom Heiligen Geist geleitet wird, denWillen Gottes versteht, in sein Erlösungswerk hin-einkommt und seine ganze Wirklichkeit empfängt.Die Gaben sind diejenigen, die diese Segnungenvermitteln und darreichen. Daher unterscheidet sichdieses Werk des Dienstes von allen übrigen Dien-sten. Jeder Gläubige ist begabt, aber nur die ebenbeschriebenen Gaben sind für die Durchführung die-ses besonderen Werkes vorgesehen. Jeder Gläubigeempfängt vom Herrn einen Dienst, aber all dieseDienste sind von gewöhnlicher Art; nur der Dienstjener Menschen, von denen wir eben gesprochenhaben, ist ein besonderer Dienst.* Diese Menschensind Gottes Diener, Gottes Arbeiter, welche durch„den Dienst“, den der Herr bestimmt hat, das WerkGottes ausführen. Diese besondere Gruppe schließtfolgende Personen ein:

* Man beachte, daß die Worte „der Dienst“ und „dasWerk“ in dem vorliegenden Buch diesen besonderenDienst und dieses besondere Werk bezeichnen.

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Apostel, Propheten, Evangelisten,Hirten und Lehrer

Untersuchen wir jetzt die Unterschiede zwischendiesen vier Personengruppen. * Man kann sie inzwei Kategorien einteilen: einerseits die Apostel undPropheten, andererseits die Evangelisten und dieHirten samt den Lehrern. Die Apostel und Prophe-ten nämlich legen das Fundament (Eph. 2:20), wäh-rend die Evangelisten, die Hirten und Lehrer aufdiesem Fundament aufbauen. Die beiden ersterenkommen direkt vom Herrn, und durch sie wird aufaußergewöhnliche Weise das Fundament zu Gotteshimmlischer Wohnstätte gelegt. Die zweite Katego-rie hat im Vergleich dazu weniger Außergewöhnli-ches an sich, da die Evangelisten, die Hirten und

* Genaugenommen stellen die Hirten und Lehrer eineeinzige Gabe dar und nicht zwei, da das Lehren undWeiden in engem Zusammenhang steht. Bei der Aufzäh-lung der Gaben (in Epheser 4) werden die Apostel, Pro-pheten und Evangelisten für sich genannt, die Hirten undLehrer jedoch miteinander verknüpft, außerdem steht beiden drei ersten jeweils ein hinweisendes Wort (mit„einige“ übersetzt), während dieses Wort den Hirten undLehrern gemeinsam beigefügt ist: „einige Apostel“,„einige Propheten“, „einige Evangelisten“ und „einigeHirten und Lehrer“, nicht: „einige Hirten und einigeLehrer“. Die Tatsache, daß das hinweisende Wort indieser Aufzählung nur viermal gebraucht wird, machtdeutlich, daß hier nur von vier Personengruppen die Redeist. Die Hirten und Lehrer sind zwei in einem.

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Lehrer auf der Grundlage dessen, was die Apostel und Propheten lehren, Seelen erretten und die Heili- gen aufbauen.

Man kann diese vier Personengruppen auch noch anders unterteilen. Die Apostel und Evangelisten sind mehr für das Evangelium verantwortlich, die Propheten und Lehrer hingegen mehr für die Gemeinde. Während die Propheten das Wort Gottes auf übernatürliche Art verkündigen, legen die Leh- rer die Wahrheit Gottes nicht übernatürlich aus. Der Dienst der Propheten und Lehrer ist im besonderen für die örtliche Gemeinde da. Daher wird von der Gemeinde in Antiochien berichtet, daß sich diese beiden Personengruppen dort befanden (Apg. 13:1). Andererseits sind die Apostel und Evangelisten besonders für den Dienst der Evangeliumsverkündi- gung gesetzt. Die Evangelisten verkündigen das Evangelium jedoch mehr an einem einzigen Ort, während die Apostel das Evangelium überall ver- kündigen.

Obgleich diese vier Personengruppen alle Gaben einschließen, die Gott der Gemeinde gegeben hat, repräsentieren sie keine persönliche Gabe, das heißt, ihre Fähigkeit ist keine spezifische Gabe des Heiligen Geistes. Wir wissen, daß die Weissagung der Propheten eine Gabe ist (siehe l.Kor. 12:10 und Röm. 12:6) und ebenso die Lehrgabe der Lehrer (siehe Röm. 12:7). Die Schrift sagt uns jedoch nichts von einer besonderen Gabe, welche die Apostel

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oder Evangelisten zu solchen macht. Es gibt eineProphetengabe und eine Lehrgabe, aber keine spe-zielle Gabe der Apostel oder Evangelisten. Währendalso alle vier Personengruppen in sich selbst Gabenfür die Gemeinde sind, haben nur zwei von ihnenbestimmte persönliche Gaben erhalten. Wir wissenalso nicht, welche besonderen Gaben der HeiligeGeist den Aposteln und den Evangelisten gibt, umsie für ihr Werk auszurüsten. Trotzdem sind alle vierdie von Gott bestimmten Arbeiter in „dem Dienst“.Sie empfangen ihren Dienst von ihm, um sein beson-deres Werk – den Aufbau des Leibes Christi – aus-zuführen. Sie tragen in der Gemeinde besonderegeistliche Verantwortung, und durch ihre Arbeitwerden Gottes Ziele in diesem Zeitalter erreicht.

Vergleich einiger Schriftstellen

Für das Verständnis der Aufgabe, welche diese Die-ner im „Werk des Dienstes“ haben, wird ein Ver-gleich zwischen einigen Schriftstellen hilfreich sein.Wir haben in der Bibel mindestens drei Abschnitte,die man mit dem in Epheser 4 vergleichen kann, undzwar 1.Korinther 12:8-10, 1.Korinther 12:28 undRömer 12:6-8. In diesen drei Abschnitten werdenverschiedene Dienste, verschiedene Personen undverschiedene Gaben genannt. Nur im Epheserbriefjedoch finden wir den Begriff „der Dienst“. Um denUnterschied zwischen Epheser 4 und den anderenAbschnitten zu erkennen, müssen wir einen Ver-gleich anstellen.

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„Denn einem wird durch den Geist ein Wort derWeisheit gegeben und einem anderen ein Wort derErkenntnis nach demselben Geist, einem anderenGlaube in demselben Geist und einem anderenGaben der Heilung in dem einen Geist, einem ande-ren das Wirken von Machttaten, einem anderenWeissagung, einem anderen die Unterscheidung derGeister, einem anderen verschiedene Arten vonZungen, einem anderen die Auslegung der Zungen“(l.Kor. 12:8-10).

„Und Gott hat einige in der Gemeinde gesetzt:erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Leh-rer, danach Machttaten, danach Gaben der Heilung,Hilfeleistungen, Leitungen, verschiedene Arten vonZungen (l.Kor. 12:28).

„Und da wir verschiedene Gaben haben nach derGnade, die uns gegeben ist, so laßt sie uns entspre-chend ausüben: Sei es Weissagung, dann dem Glau-ben gemäß; oder Dienst, dann im Dienen; oder werlehrt, im Lehren; oder wer ermahnt, im Ermahnen;wer gibt, in Einfachheit; wer leitet, mit Fleiß; werBarmherzigkeit übt, mit Freudigkeit“ (Römer 12,Verse 6-8).

1.Korinther 12:8-10 zählt die Gaben auf, die einzel-nen Gläubigen gegeben werden, Epheser 4:11-12hingegen spricht von den Personen, die der Herr derGemeinde als Gaben gibt. Die Gaben in 1.Korin-ther 12 sind übernatürlich, nicht jedoch die Gaben in

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Römer 12; diese entspringen der Gnade des Herrnund unserem Glauben. Die neun Gaben im erstenKorintherbrief sind Gaben, die die Menschen emp-fangen können, wenn sie sich unter der Kraft desHeiligen Geistes befinden. Daher spricht Vers 1 vonden „geistlichen Gaben“ oder „geistlichen Dingen“.Die Gaben in Römer 12 beruhen auf der GnadeGottes. Gott gibt den Menschen Gnade, damit siediese zum Ausdruck bringen und ihre Funktion alsGlieder des Leibes ausüben können. Infolgedessensind die aufgezählten Gaben weder Wundergabennoch solche, zu denen der Geist die Menschenbewegt; vielmehr sind es Gaben des Lebens. Sogardas Geben und das Erweisen von Barmherzigkeitwerden als Gaben angesehen, denn dies alles kommtaus der Gnade. Im Epheserbrief hingegen sind diegenannten Personen die Gaben, welche der Herr derGemeinde gibt, und die Gaben, welche die Personenempfangen, sind Gaben wie in 1.Korinther 12 undRömer 12. Im 1.Korintherbrief liegt die Betonungauf der Kraft, im Römerbrief hingegen auf demLeben. Der Epheserbrief spricht von den Personen,welche diese zwei verschiedenen Arten von Gabenbesitzen, denn die Personen selbst sind GottesGaben an die Gemeinde.

„Der Dienst“ im Epheserbrief ist einzigartig und einbesonderer Dienst. Auch 1.Korinther 12 spricht vonDienst, aber in der Mehrzahl (Vers 5), und hier sinddie Dienste gewöhnlicher Art: Gottes Kinder emp-fangen vor dem Herrn den einen oder anderen dieser

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Dienste. Die vier Gaben an die Gemeinde in Ephe-ser 4 sind für „den Dienst“ gegeben, und nur diesevier Personengruppen haben an „dem Dienst“ teil.Die neun Gaben an einzelne, von denen 1.Korinther12:8-10 spricht, sind dagegen für die verschiedenenDienste da, weil jeder eine andere Gabe für einenanderen Dienst besitzt.

1.Korinther 12:28 zählt 8 (oder 9) Personengruppenauf, die Gott in der Gemeinde gesetzt hat. Hierhaben wir andere Gaben als die in den Versen 8 bis10 genannten. Der erste Abschnitt in 1.Korinther 12spricht von den Gaben des Heiligen Geistes, inVers 28 hingegen geht es um die Wirkung Gottes.Der erste Abschnitt behandelt die Gaben, die derHeilige Geist der örtlichen Gemeinde gibt, der letz-tere hingegen die Wirkung Gottes in der universalenGemeinde. Die Verse 8 bis 10 sprechen von denGaben, die einzelne vom Heiligen Geist empfangen,in Vers 28 hingegen sehen wir, daß Gott in derGemeinde bestimmte Menschen setzt, die Gaben fürsein Wirken empfangen haben. In 1.Korinther 12:28werden also 8 (oder 9) Personengruppen aufgeführt,die Gott in der Gemeinde gesetzt hat, im Epheser-brief hingegen haben wir nur vier Personengruppen,die Gott der Gemeinde für „den Dienst“ schenkt. Esgibt in der Gemeinde Gottes viele, die funktionie-ren, aber nur die vier Personengruppen in Epheser 4haben an dem besonderen Werk teil, den Leib Chri-sti aufzubauen. Alle anderen sind zwar nützlich undhaben auch ihren Dienst, aber nur die vier im Ephe-

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serbrief aufgezählten Personengruppen werden imbesonderen für „den Dienst“ gebraucht.

Von den vier Personengruppen im Epheserbriefnennt der Abschnitt in 1.Korinther 12 drei; dieEvangelisten fehlen. Das liegt daran, daß der Ephe-serbrief und der erste Korintherbrief nicht vom sel-ben Gesichtspunkt her schreiben. Der Gesichts-punkt des Epheserbriefes ist der, daß der Leib Chri-sti aufgebaut wird, und deshalb werden die Evangeli-sten gebraucht. Sie werden vor den Hirten und Leh-rern genannt, weil die Menschen durch sie zunächstin den Leib Christi hineingebracht werden. DerKorintherbrief hingegen spricht von den WirkungenGottes in der Gemeinde, und deshalb führt er dieEvangelisten nicht auf, da diese ihre Funktion nichtin der Gemeinde, sondern außerhalb der Gemeindeausüben.

Es verdient Beachtung, daß die Briefe an die Römerund Korinther und der Epheserbrief in unterschiedli-cher Weise vom Leib Christi sprechen. Der Römer-brief und der Korintherbrief betrachten alle Gläubi-gen als Glieder des Leibes, und infolgedessen besit-zen alle Gaben und Funktionen (obwohl diese nichtgleich sind). Der Epheserbrief sagt uns, wie dieserLeib durch Gaben aufgebaut wird; er betrachtet dievier Personengruppen nicht als Glieder des Leibes,sondern als Menschen, die den Leib aufbauen, unddeshalb unterscheidet sich ihre Stellung von der Stel-lung der übrigen Kinder Gottes.

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Analyse der vier Personengruppen

Wie schon gesagt, werden die Lehrer und Hirten alseine einzige Personengruppe betrachtet, weil dieje-nigen, die lehren, auch weiden müssen und umge-kehrt. Diese zwei Tätigkeiten stehen in engemZusammenhang. Außerdem finden wir das Wort„Hirte“ im Neuen Testament nie mehr (in diesemSinn) gebraucht. Das Wort „Lehrer“ erscheintjedoch noch an vier anderen Stellen. Das NeueTestament nennt auch bestimmte Apostel (z.B. Pau-lus), Propheten (z.B. Agabus), Evangelisten (z.B.Philippus) und Lehrer (z.B. Manahen), aber nir-gends wird im Wort Gottes jemand als „Hirte“ (oder„Pastor“) bezeichnet. Dies bestätigt die Tatsache,daß die vier genannten Gruppen nicht geistlicheGaben, sondern vielmehr begabte Personen sind,und es bestätigt auch die Tatsache, daß Hirten undLehrer eine einzige Personengruppe sind.

Die Lehrer (Hirten) sind Menschen, die eine Lehr-gabe empfangen haben. Dies ist keine Wundergabe,weshalb sie bei der Aufzählung der Wundergaben in1.Korinther 12:8-10 ausgelassen, in der Liste derGnadengaben in Römer 12 hingegen aufgeführtwird. Sie haben die Gnade Gottes empfangen, diesie zum Verständnis der Lehren im Wort Gottes undzum Erfassen seines Planes befähigt und sie so ausrü-stet, sein Volk in Lehrfragen zu unterweisen. Es gabin der Gemeinde zu Antiochien mehrere so ausgerü-stete Personen (Apg. 13), unter ihnen auch Paulus.

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Gott hat solche Menschen als Funktionen (l.Kor.12:28) in der Gemeinde gesetzt, und von ihrer Stel-lung her sind sie die nächsten nach den Propheten.Ein Lehrer ist ein Mensch, der von Gott eine Lehr-gabe empfangen hat und vom Herrn der Gemeindegegeben worden ist.

Die Aufgabe des Lehrers besteht darin, aufgrundder Offenbarung, die Gott gegeben hat, anderen dieWahrheiten auszulegen, damit sie Licht empfangenund die Wahrheit Gottes verstehen. Die Lehrerarbeiten hauptsächlich unter den Kindern Gottes,obgleich sie manchmal auch die Ungeretteten lehren(l.Kor. 1:28; 2:7; l.Tim. 4:11; 6:2; 2.Tim. 2:2; Apg.4:2-18; 5:21,25,28,42). Das Werk des Lehrens istmehr ein Werk der Auslegung als der Offenbarung,während es beim Werk der Propheten mehr umOffenbarung als um Auslegung geht. Die Lehrersollen die Gläubigen zum Verständnis der göttlichenWahrheit und die Ungläubigen zum Verständnis desEvangeliums hinführen.

Auch die Evangelisten sind eine Gabe unseres Herrnan seine Gemeinde, aber wir wissen nicht, auf wel-cher Basis Gott bestimmte Menschen als Evangeli-sten einsetzt. Die Lehrer sind deshalb Lehrer, weilsie die Gabe des Lehrens besitzen (Röm. 12:7), unddie Propheten sind deshalb Propheten, weil sie dieGabe der Weissagung haben (l.Kor. 12:10). Bei denEvangelisten jedoch ist es anders als bei den Prophe-ten und Lehrern. Obwohl auch sie von Gott einge-setzt sind, wissen wir nicht, aufgrund welcher Gabe

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Gott sie zu Evangelisten macht. Die Bibel sprichtnirgends von einer evangelistischen Gabe.

Dennoch gehören die Evangelisten zu den vier Per-sonengruppen, die Gott für „den Dienst“ bestimmthat. Nur Philippus wird in der Schrift als Evangelistbezeichnet (Apg. 21:8); außerdem wird Timotheuseinmal von Paulus aufgefordert, das Werk einesEvangelisten zu tun, um seinen Dienst ganz auszu-führen (2.Tim. 4:5). Es heißt nicht, daß er als Evan-gelist das Evangelium predigen sollte, sondern daßer „das Werk eines Evangelisten“ tun sollte, denn esgeht hier um den Dienst und nicht um eine Gabe.Der Evangelist gehört zu denen, die „den Dienst“ausführen. Abgesehen von den drei genannten Stel-len erscheint das Wort „Evangelist“ nirgends in derSchrift, wohingegen das entsprechende Verb („dasEvangelium verkündigen“) sehr häufig vorkommt.Jedermann weiß das.

Die Stellung der Propheten ist in der Bibel klarerumrissen als die der Lehrer (Hirten) und Evangeli-sten. Unter den Gnadengaben gibt es die Gabe derWeissagung (Röm. 12:6), und wir finden die Gabeder Weissagung auch unter den Wundergaben(l.Kor. 12:10). Gott setzt Propheten in der universa-len Gemeinde (l.Kor. 12:28), und andererseitshaben wir auch Propheten unter den Menschen, dieder Herr für „den Dienst“ schenkt (Eph. 4:11). Esgibt sowohl die Gabe der Weissagung als auch dasAmt der Weissagung. Die Weissagung ist sowohleine Wundergabe als auch eine Gnadengabe, und

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die Propheten sind Menschen, die von Gott sowohl für die Gemeinde als auch für „den Dienst“ gegeben werden.

Beachten wir, daß das Wort „Weissagung“ sowohl in Römer 12:6 als auch in 1.Korinther 12:10 ein vom Verb abgeleitetes Substantiv ist. Das Weissagen hat also zwei Seiten: Einerseits bedeutet es ein geistli- ches Wahrnehmungsvermögen, aufgrund dessen Menschen durch die Wunderkraft des Heiligen Gei- stes für Gott sprechen, und andererseits ist damit gemeint, daß Menschen durch die geistliche Fähig- keit, die aus dem Heiligen Geist kommt, im tägli- chen Leben für Gott sprechen. Im Alten Testament gehörte zum Prophetsein dreierlei: Der Prophet machte Vorhersagen, er predigte, und er gab einzel- nen Menschen den Willen Gottes bekannt. Im Neuen Testament weissagt der Prophet nach wie vor durch Wunderkraft und predigt mit geistlicher Kraft, aber er sagt nicht mehr einzelnen Menschen, was der Wille Gottes für sie ist. Das liegt daran, daß nun jeder in sich selbst Gott kennen soll (siehe Hebr. 8:11). Was die Propheten sagen, hat Gottes Autori- tät, weil sowohl ihr Weissagen als auch ihr Predigen in der Wirkung des Heiligen Geistes geschieht. Sie empfangen von Gott Offenbarung über zukünftige oder gegenwärtige Dinge, damit die Menschen einerseits gewarnt und andererseits aufgebaut werden.

Innerhalb der vier Gruppen von Begabten unter- scheiden sich auch die Apostel von den übrigen.

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Jedem, der sich mit der Bibel beschäftigt, fällt diebesondere Stellung der Apostel auf. Die Apostelwerden von Gott im besonderen beauftragt, dasEvangelium zu predigen, Gemeinden zu errichten,die Wahrheit zu offenbaren, Lehrfragen und Ver-waltungsfragen zu entscheiden, die Heiligen aufzu-bauen und Gaben zu vermitteln. Ihre Arbeitbeschränkt sich nicht auf einen Ort, sondern ist füralle Orte da.

Sie haben eine höhere Stellung als die gewöhnlichenPropheten und Lehrer. Deshalb heißt es in GottesWort ausdrücklich: „Erstens Apostel, zweitens Pro-pheten, drittens Lehrer“ (l.Kor. 12:28). Auch in„dem Dienst“ (Epheserbrief) werden die Apostel alserste der vier Gruppen genannt, weil sie spezifischvon Gott ausgesuchte Baumeister sind. Ihren Hän-den hat Gott das Werk im besonderen anvertraut.Wir müssen unbedingt verstehen, wer die Apostelsind, und genau herausfinden, welche Kennzeichendiese Menschen – die wichtigsten Arbeiter Gottes –haben, wenn wir begreifen möchten, wie das Werkdes Herrn ausgeführt und die Gemeinden gegründetwerden und auf welche Weise man Gott nach seinemWillen dienen soll.

Das Amt und die Gaben

Die Bibel zeigt uns, daß die Apostelschaft ein Amtund keine Gabe ist. Dies ist ein wichtiger Punkt. Inl.Timotheus 2:7 und in 2.Timotheus 1:11 heißt es,daß der Apostel „gesetzt“ worden ist. Hier sehen

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wir, daß die Apostel einen Auftrag erhalten. Obman ein Apostel ist, hängt also nicht von einerFähigkeit ab, die man erhalten hat, sondern davon,ob man von Gott gesandt wurde oder nicht. Was mitden Fähigkeiten zu tun hat, liegt im Bereich derGaben, daß man aber gesandt wurde, ist eine Sachedes Amtes. Weil die Apostel gesandt sind, ist dieApostelschaft ein Amt.

Worin liegt der Unterschied zwischen Gabe undAmt? Was ist ein Amt? – Was dem Auftrag ent-springt, ist das Amt, und was man an Fähigkeitenhat, ist eine Gabe. Die geistlichen Gaben sind das,was wir durch den Heiligen Geist erhalten haben,das Amt hingegen entspringt einem Auftrag Gottes.Daß die Apostelschaft ein Amt ist, wird uns inbeiden Timotheusbriefen klar gezeigt.

Gaben, die Gott der Gemeinde schenkt

Es besteht nicht nur ein Unterschied zwischen Amtund Gabe, sondern bei den Gaben auch noch einUnterschied zwischen persönlich erhaltenen Gabenund solchen, die der Gemeinde insgesamt gegebenwerden. Davon habe ich oben schon gesprochen.Die Apostelschaft ist ein Amt und keine Gabe. Wasbedeutet dann die Aussage: „Er hat einige Apostelgegeben“ (Eph. 4:11)? Wir müssen uns darüber imklaren sein, ob der Begriff „Apostel“ hier eine indi-viduelle Gabe oder eine Gabe an die Gemeinde ist.Handelt es sich um eine geistliche Fähigkeit, die eineinzelner von Gott erhält, oder um eine Menschen-

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gruppe, welche die Gemeinde von Gott empfängt?Die Apostel sind Menschen, welche die Gemeindevon Gott empfängt, denn das Wort Gottes kennt garkeine „Apostelgabe“. In Epheser 4:11 wird nichtgesagt, daß der Herr jemandem eine „Apostelgabe“geschenkt habe, sondern vielmehr, daß unter denMenschen, die Christus als Gaben gibt, auch Apostelsind. Es wird in der Bibel niemals gesagt, daßjemand die Gabe der Apostelschaft empfangenhätte. Wir lesen in der Schrift nur, daß Menschenvon Gott eine Gabe erhalten haben, so daß siePropheten oder Lehrer sein oder Krankheiten heilenoder Wunder tun können. Die Apostel sind Men-schen, welche die Gemeinde von Gott empfängt,und zur Apostelschaft gehört keine spezifische geist-liche Gabe.

In 1.Korinther 12:8-10 heißt es: „Denn einem wirddurch den Geist ein Wort der Weisheit gegeben undeinem anderen ein Wort der Erkenntnis nach dem-selben Geist, einem anderen Glaube in demselbenGeist und einem anderen Gaben der Heilung in demeinen Geist, einem anderen das Wirken von Macht-taten, einem anderen Weissagung, einem anderendie Unterscheidung der Geister, einem anderen ver-schiedene Arten von Zungen, einem anderen dieAuslegung der Zungen.“ Dieser Abschnitt zeigt unsdie Gaben, welche der einzelne vom Heiligen Geisterhalten kann. Hier wird ausgesagt, daß manche dieGabe erhalten, Worte der Weisheit zu reden, anderedie Gabe, Worte der Erkenntnis auszusprechen,

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wieder andere die Gabe der Weissagung oder derKrankenheilung usw. All dies sind Gaben, welcheder Heilige Geist einzelnen Menschen verleiht. Wirdhier gesagt, daß der Heilige Geist einem die „Apo-stelgabe“ gibt? Nein. Es gibt in der Bibel nichtsdergleichen. Es gibt die Gabe der Weissagung, esgibt Heilungen und Zungenreden, aber niemals wirdvon einer „Apostelgabe“ gesprochen.

Sehen wir uns nun 1.Korinther 12:28 an: „Und Gotthat einige in der Gemeinde gesetzt: erstens Apostel,zweitens Propheten, drittens Lehrer, danach Macht-taten, danach Gaben der Heilung, Hilfeleistungen,Leitungen, verschiedene Arten von Zungen.“ In denobigen Versen über die Gaben für den einzelnenwurde die Apostelschaft nicht erwähnt, aber inVers 28 geht es um Menschen, die Gott in derGemeinde setzt. Hier nun stehen die Apostel anerster Stelle, die Propheten an zweiter, die Lehrer andritter usw. Es heißt hier nicht, daß Gott einemApostel Gaben verliehen hat, sondern daß er Apo-stel gesetzt hat; es heißt nicht, daß er dem ProphetenGaben schenkt, sondern daß er Propheten setzt; esheißt nicht, daß er dem Lehrer Gaben gibt, sonderndaß er Lehrer setzt. Es gibt in der Gemeinde solchePersonen. Die Apostel sind eine Gruppe von Men-schen und repräsentieren keine bestimmte Gabe.

Von den anschließend genannten Propheten, Leh-rern usw. unterscheiden sich die Apostel darin, daßdie ersteren sowohl persönliche Gaben des Heiligen

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Geistes repräsentieren als auch selbst von Gott derGemeinde als Gaben gegeben sind, während dieApostel nur Gottes Gaben für die Gemeinde sindund keine persönlichen Gaben des Heiligen Geistesrepräsentieren. Wenn wir die zwei Abschnitte in1.Korinther 12 miteinander vergleichen, stellen wirfest, daß fast jeder Gabe (in der ersten Aufzählung)auch eine Person (in der zweiten Aufzählung) gegen-übersteht. Die beiden Listen scheinen sich zu ent-sprechen. Nur im Fall der Apostel haben wir eineAusnahme. In der Liste der geistlichen Gaben fehlteine „Apostelgabe“, aber die Liste der Personen, dieGott in der Gemeinde setzt, führt die Apostel auf,und zwar an erster Stelle. Die Apostel sind eineGabe Gottes an die Gemeinde. Durch sie empfängtdie Gemeinde die geistlichen Segnungen von Gott.Für die Gemeinde sind die Apostel eine Gabe, aberwas die Apostel persönlich erhalten, ist keine spezifi-sche Gabe, sondern ein Amt. Die Gemeinde Gottesempfängt mit jedem Apostel eine weitere Gabe.

Die universale Gemeindeund die Ortsgemeinden

Hier sieht man etwas Bemerkenswertes. Es heißt inl.Korinther 12:28, daß Gott in der Gemeindeerstens Apostel gesetzt hat, zweitens Propheten unddrittens Lehrer. Welche Gemeinde ist hier gemeint?Die universale Gemeinde. Diese setzt sich aus allenKindern Gottes in der ganzen Welt und aus allenZeitaltern zusammen. Hier, in der universalen

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Gemeinde, stehen die Apostel an erster, die Prophe-ten an zweiter und die Lehrer an dritter Stelle. InKapitel 14 wird dann die „ganze Gemeinde“ am Orterwähnt. Welche Gemeinde ist damit gemeint?Nicht die universale, sondern die örtliche Gemeinde.Weil sie eine örtliche Gemeinde ist, kann sie voll-ständig versammelt sein. Wie könnten alle KinderGottes der ganzen Welt aus allen Epochen zusam-menkommen, wenn es sich um die universaleGemeinde handelte? Wir müssen diesen Unter-schied beachten. Und wie üben die Geschwister inl.Korinther 14 ihre Gaben in der Versammlung derOrtsgemeinde aus? Wenn sie zusammenkommen,hat jeder etwas – einen Psalm, eine Lehre, eineOffenbarung, eine Zungenrede oder deren Überset-zung. Der größte Wert wird jedoch dem Sprechender Propheten beigemessen.

Sehr auffällig ist es, daß in l.Korinther 12 die Apo-stel an erster Stelle stehen, in Kapitel 14 jedoch diePropheten. In der universalen Gemeinde haben dieApostel den ersten Platz, in den örtlichen Gemein-den jedoch die Propheten. Die Propheten nehmen inder universalen Gemeinde eindeutig den zweitenPlatz ein. Warum aber stehen sie in den örtlichenGemeinden an der ersten Stelle? Weil es sich in deruniversalen Gemeinde um Menschen handelt, wel-che Gott als Gaben gibt, und hier stehen die Apostelhöher als die Propheten. In den Ortsgemeindendagegen handelt es sich um den Gesichtspunkt derGaben. Und die größte Gabe ist die der Propheten.

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Wir müssen beachten, daß die Propheten in 12:28 imRahmen des Amtes betrachtet werden, in Kapitel 14hingegen als Empfänger von Gaben. Im Bereich derGaben sind die Propheten am wichtigsten, imBereich des Amtes jedoch ist der Apostel größer alsder Prophet.

Nun werden aber in Kapitel 14 die Apostel ganzweggelassen. Warum? Wo es um die Anwendungder geistlichen Gaben geht, werden die Apostelnicht erwähnt, da die Apostelschaft keine Sacheeiner Gabe ist. Wenn in den Ortsgemeinden diegeistlichen Gaben angewandt werden, stehen diePropheten an der Spitze. Die Liste der ArbeiterGottes zeigt das Apostelamt als das größte, aber dieListe der Gaben zeigt die Prophetengabe als diegrößte. Wäre die Apostelschaft eine Gabe, so wäresie gewiß größer als die der Propheten, aber in1.Korinther 14 haben die Apostel überhaupt keinenPlatz. Jede Gabe tritt gegenüber der Prophetengabezurück, weil diese die größte aller Gaben ist. AlleÄmter jedoch treten gegenüber dem der Apostelzurück, da das Apostelamt das größte ist. Das Amtder Propheten ist nicht so hoch wie das der Apostel;deshalb stehen die Propheten an zweiter Stelle. Inden Versammlungen der Ortsgemeinde hingegen istdie größte Gabe die der Propheten. Die Prophetensprechen den Willen Gottes aus. Sie können sagen,was der Wille Gottes heute und in der Zukunft ist.Nur in der universalen Gemeinde stellen die Aposteldas größte Amt dar.

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Die persönlichen Gaben der Apostel

Wer sind nun die Apostel? Die Apostel sind Gefäße,die Gott gebrauchen kann. Er erwählt sie unter denbegabten Menschen, um sie dann auszusenden,damit sie für ihn das Evangelium verkündigen undGemeinden errichten. Apostel sind Menschen, dieneben ihren Gaben von Gott auch ein Amt erhalten.Sie reisen umher, um die Arbeit auszuführen, mitder Gott sie beauftragt hat. Obgleich die Apostel-schaft ein Amt ist, hat der Apostel natürlich auchpersönliche Gaben. Vielleicht hat er die Gabe einesPropheten oder Lehrers, vielleicht geschehen durchihn Wunder, oder er hat irgendeine andere Gabe,aber er ist nicht nur ein Prophet oder Lehrer usw.,sondern ein Apostel, ein Gesandter, der ein Amthat, anders als die übrigen Begabten.

Ich möchte ein Beispiel geben: „Es waren aber inAntiochien, in der dortigen Gemeinde, Prophetenund Lehrer: Barnabas und Simon, genannt Niger,und Lucius von Kyrene und Manahen, der Pflege-bruder des Vierfürsten Herodes, und Saulus. Undals sie dem Herrn dienten und fasteten, sprach derHeilige Geist: Sondert mir jetzt Barnabas und Saulusaus zu dem Werk, zu dem ich sie berufen habe“(Apg. 13:1-2). Hier haben wir fünf Menschen, diePropheten und Lehrer sind. Sie haben die Prophe-tengabe und die Lehrgabe, d.h. eine Wundergabeund eine Gnadengabe. Diese macht sie zu Prophetenund Lehrern. Nun aber kommt der Heilige Geist und

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