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China Ordo-Dynamik Report 1, 2020 --- Vorabversion: 10.08.2020 --- Chinas Aufstieg aus dynamisch-ordoliberaler Sicht Sonderthema: WTO Rechtsprechnung zu handelspolitischen Schutzmaßnahmen Uwe Hermanns Inhaltsverzeichnis 0. Hauptthesen....................................................................5 1. Einführung...................................................................39 1.1. Die dynamisch-ordoliberale Sicht auf die Wirtschaft.......................43 1.1.1. Märkte................................................................51 1.1.2. Internationaler Handel: Überblick und Erklärungen.....................52 1.1.3. Entwicklungsökonomie und Industriepolitik.............................59 1.1.4. Marktverhalten in Oligopolen..........................................62 1.1.5. Wissensdiffusion und Marktversagen....................................66 1.2. Der China-Bargain aus dynamisch-ordoliberaler Sicht.......................68 1.3. Die sicherheitspolitische Leistung der internationalen Wirtschaftsordnung. 75 2. Handelsinformationen..........................................................77 2.1 Handelsdefizit der USA mit China...........................................77 2.2 Handelsinfos zur EU und Deutschland........................................81 3. Chinas wirtschaftliche Entwicklung............................................84 3.1. Die frühe Zeit............................................................85 3.2. Das Perlflussdelta........................................................87 3.3. Joint Ventures............................................................88 3.4. Stand des Technologietransfers um die Jahrtausendwende....................90 3.5. Staatskonzerne und private Unternehmen....................................92 3.6. Politikumschwung Investitionen ab 2005....................................96 3.7. Politikumschwung Banken ab 2005...........................................98 3.8. Wissen und Patentschutz in China..........................................98 3.9. Aktuelle Daten zu China: u.a. Binnenmarkt, Handel und Direktinvestitionen 102 4. Chinas aktuelle Industriepolitik.............................................107 4.1. Chinas Industriepolitik und die WTO......................................107 4.2. Chinas Industriepolitik: Grundlegende Aspekte............................118 4.3. Chinas Industriepolitik: Aktuell und Made in China 2015..................122 4.3.1. Beispiel Solarenergie................................................128 4.3.2. Beispiel Digitale Seidenstraße.......................................131 1

tradefocus.detradefocus.de/U.HermannsChinaOrdoDynamikReport2020.…  · Web view(1) Entspannt euch, die Wirtschaft ist dynamisch. Die hier verwendete dynamisch-ordoliberale Theorie

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China Ordo-Dynamik Report 1, 2020 --- Vorabversion: 10.08.2020 ---

Chinas Aufstieg aus dynamisch-ordoliberaler Sicht

Sonderthema: WTO Rechtsprechnung zu handelspolitischen Schutzmaßnahmen

Uwe Hermanns

Inhaltsverzeichnis

0. Hauptthesen51. Einführung391.1. Die dynamisch-ordoliberale Sicht auf die Wirtschaft431.1.1. Märkte511.1.2. Internationaler Handel: Überblick und Erklärungen521.1.3. Entwicklungsökonomie und Industriepolitik591.1.4. Marktverhalten in Oligopolen621.1.5. Wissensdiffusion und Marktversagen661.2. Der China-Bargain aus dynamisch-ordoliberaler Sicht681.3. Die sicherheitspolitische Leistung der internationalen Wirtschaftsordnung752. Handelsinformationen772.1 Handelsdefizit der USA mit China772.2 Handelsinfos zur EU und Deutschland813. Chinas wirtschaftliche Entwicklung843.1. Die frühe Zeit853.2. Das Perlflussdelta873.3. Joint Ventures883.4. Stand des Technologietransfers um die Jahrtausendwende903.5. Staatskonzerne und private Unternehmen923.6. Politikumschwung Investitionen ab 2005963.7. Politikumschwung Banken ab 2005983.8. Wissen und Patentschutz in China983.9. Aktuelle Daten zu China: u.a. Binnenmarkt, Handel und Direktinvestitionen1024. Chinas aktuelle Industriepolitik1074.1. Chinas Industriepolitik und die WTO1074.2. Chinas Industriepolitik: Grundlegende Aspekte1184.3. Chinas Industriepolitik: Aktuell und Made in China 20151224.3.1. Beispiel Solarenergie1284.3.2. Beispiel Digitale Seidenstraße1314.4. Die Investitionskataloge1324.5. Westliche Industriepolitik1354.6. Vergleich westlicher und chinesischer Firmen1365. Investitionen USA, Europa, China1495.1. Investitionen USA China Sektoral1515.2. Deutschland, EU: Firmenbezogen1646. Sektorale Informationen1846.1. Künstliche Intelligenz1846.2. Internet und Internetunternehmen1866.8. Telekommunikationsausrüstung1886.3. Supercomputer1896.4. Cloud Computing1906.5. Biotechnologie und Nanotechnologie1916.6. Roboter1926.7. Telekom1956.9. Banken/Technik/Software1966.10. Halbleiter1966.11. Handy, PC, Monitore, Elektronikgüter2026.12. Flugzeugbau2116.13. Luftfahrt2156.14. Verteidigung2156.15. Raumfahrt2176.16. Satellitennagivation2176.17. Schiffbau2186.18. Bahn- und Zugherstellung2196.19. Textil und Bekleidung2236.20. Autoteile2256.21. Automobile2346.22. Elektroautomobile2446.23. Elektrotransport2476.24. Batterien/Akkus2476.25. Wasserstoff/Brennstoffzellen2506.26. Landmaschinen2536.27. Maschinenbau2546.28. Fahrräder2636.29. Haushaltwaren2646.30. Nicht-elektrische Maschinen2656.31. Sonstige verarbeitete Güter2666.32. Stahl2676.33. Aluminium2696.34. Chemiebereich2706.35. Pharma und Gesundheit2736.36. Medizintechnik2756.37. Energieerzeugung und -distribution2786.38. Solarenergie2806.39. Windenergie2816.40. Energieanlagenherstellung2836.41. Seehandel2856.42. Dienstleistungsbereich2856.43. Landwirtschaft und Lebensmittel2866.44. Banken/Finanzmärkte2866.45. Kapitalanlagen2907. Neubewertung des China-Bargains2927.1. Analyse der Sektoren2937.2. Dynamisch-ordoliberale Bewertung des China-Bargains heute3027.3. Begründbarkeit der staatlichen Eingriffe3107.4. Wie reagieren? Investitionskontrolle, handelspolitische Maßnahmen, öffentliche Auftragsvergabe, Buy America Regeln, Industriepolitik.3137.5. Das Positionspapier des BDI3218. Nationale und internationale Reaktionen auf China3258.1. Einleitung3258.2 Die WTO erlaubt Schutzmaßnahmen3258.2.1. WTO-Streitbeilegung zu den Trade Defence Maßnahmen3288.2.2. Streit um die Nicht-Marktwirtschaftliche Methode3378.2.3. Beispiel EU Antidumping3398.2.4. Beispiel EU Antidumping Alufelgen3398.2.5. Beispiel EU Marktregulierung Fahrrad3408.2.6. Beispiel EU Antidumping Reifen Busse und Trucks3418.2.7. Beispiel EU Antidumping Ferrosilizium3428.2.8. Beispiel USA Antidumping Waschmaschinen3428.3. Weitere nationale und regionale Reaktionen3428.3.1. USA Investitionskontrolle CFIUS3428.3.2. Deutschland und EU Investitionskontrolle3448.3.3. USA und EU stufen China weiter als NME ein3468.3.4. EU Trade Defense Reform3478.3.5. EU-Kommission Wettbewerb und China3488.3.6. Deutschland Industriepolitik3508.3.7. Deutschland Unternehmensbeteiligungen3518.3.8. EU-Kommission u.a. Weißbuch zu Subventionen3518.3.9. WTO Reform mit Schwerpunkt Subventionen3548.4. Neoliberale Reaktionen auf China3638.4.1 Regeln für Staatskonzerne in Freihandelsabkommen3648.4.2. OECD Vorschlag: Competitive Neutrality3688.4.3. Investitionskontrolle, EU-China-Investitionsabkommen3698.5. China in Verhandlungen mit den USA und der EU3708.6. Wie verhandeln? Zuerst einmal Informationen sammeln3759. Politikempfehlungen38210. Anhang Tabellen383Anhang Tabelle 1: Indikatoren für die Entwicklung in einzelnen Industriebranchen in der EU 1979-2001.383Anhang Tabelle 2: Industrial production Euroland.384Anhang Tabelle 3: Top-10 Exporters384Anhang Tabelle 4: 324 chinesische Firmen über 1 Mrd. US$ Umsatz385Anhang Tabelle 5: 182 chinesische Firmen unter 1 Mrd. US$ Umsatz406Anhang Tabelle 6: Chinesische Firmen an U.S. Börsen.418Anhang Tabelle 7: List of Central SOEs Mergers between January 2013 and January 2018.42411. Literatur425A425B426C428D429E430F431G432H433I435J435K436L436M437N438O438P439Q439R440S440T442U442V443W443Y444Z444

China Ordo-Dynamik Report 1, 2020 --- Vorabversion: 08.08.2020 ---

Chinas Aufstieg aus dynamisch-ordoliberaler Sicht

Sonderthema: WTO Rechtsprechnung zu handelspolitischen Schutzmaßnahmen

Uwe Hermanns

"I have you within me and you have me within you"[footnoteRef:1] [1: Zitat, modifiziert, aus: Nolan, P. (2014), S. 754. ]

0. Hauptthesen

(0) Politik, Menschenrechte, Einflussnahme, Sanktionen, Netzwerksicherheit. Hier sollte es hauptsächlich um Wirtschaft gehen. Bezüglich China ist es aber immer schwerer, dies von der Politik zu trennen. Deshalb zu Beginn dazu: Bei der Abfassung dieses Textes sind die Fragestellungen bezüglich des Umgangs mit China, aufgrund der Vorgänge bei den Uiguren und in Hongkong, noch nicht so brisant gewesen. Das Eintreten für Menschen- und Freiheitsrechte ist selbstverständlich. Wenn China den Weg wählt, diese Rechte, die auch in sozialistischen Systemen gelten sollten, einzuschränken, dann ist es rechtfertigbar, wenn die westliche und asiatische Wertegemeinschaft darauf reagiert, auch mit wirtschaftlichen Sanktionen. Es gibt weitere Probleme: die Kommunistische Partei Chinas hat ihre Strukturen dem Staat auferlegt und bezog dabei in den letzten Jahren mehr und mehr auch die wirtschaftlichen Akteure ein, etwa indem Parteibüros in vielen Firmen eröffnet werden müssen. Derzeit wird erst begonnen zu verstehen, dass die Partei einen umfassenden Apparat aufgebaut hat, um im Land aber auch weltweit Einfluss zu nehmen, über eine große Anzahl von Organisationen und Medien, die zentral gesteuert werden. Dazu gehören auch Wirtschaftsverbände und Handelskammern.[footnoteRef:2] Im Prinzip kann dadurch jedes Unternehmen aus China dazu gebracht werden eine staatliche Agenda zu verfolgen. Es geraten neben den Ländern der Seidenstraßen-Initiative, darunter Venezuela[footnoteRef:3], weitere Länder in den Fokus, in denen China Investitionen getätigt hat. So hat China versucht mit England und Italien ein engeres Verhältnis einzugehen.[footnoteRef:4] Auch ausländische Investoren in China werden seit einigen Jahren vermehrt kontrolliert und sind teils auch Spionage ausgesetzt. Zwar gibt es in China im Bereich des Patentrechts eine Rechtsprechnung nach westlichem Vorbild, die zum Teil funktioniert, eine unabhängige Justiz gibt es aber nicht. Das Vorgehen Chinas besonders gegen Honkong führte in letzter Zeit dazu, dass Länder wie England, Australien, Kanada und Indien, aufgrund der Spannungen in Kaschmir, sich nun deutlicher gegenüber China abgrenzten.[footnoteRef:5] Auch Deutschland hat Maßnahmen ergriffen und die EU hat ein Maßnahmenpaket vorschlagen.[footnoteRef:6] [2: Ein Überblick hierzu findet sich in Joske, A. (2020). Die USA haben bestimmte Aspekte dieses Systems öffentlich gemacht, etwa in: The Chinese Communist Party's Ideology and Global Ambitions, Remarks delivered by the National Security Advisor Robert C. O'Brien, June 24, 2020, Phoenix, Arizona. In: https://www.whitehouse.gov/briefings-statements/chinese-communist-partys-ideology-global-ambitions/ - Zugegriffen: 24.07.2020. ] [3: Deutschlandfunk. Krise in Venezuela. China bangt um seine Milliarden. Axel Dorloff. In: https://www.deutschlandfunk.de/krise-in-venezuela-china-bangt-um-seine-milliarden.799.de.html?dram:article_id=441205 - Zugegriffen: 23.07.2020. ] [4: Siehe zu den Investitionen Chinas in England am Ende von Punkt 5.2, auch einige Investitionen in Italien finden sich in der Tabelle dort. Zu diesem Thema siehe auch den Artikel des Guardian: Where in Britain does China spend its money. Jillian Ambrose, 11. July 2020. In: https://www.theguardian.com/world/2020/jul/11/where-in-britain-does-china-spend-its-money - Zugegriffen: 23.07.2020. ] [5: Siehe: FAZ. China gegen Amerika. Der neue kalte Krieg. Friederike Böge, 23.97.2020. Iran nähert sich China derzeit an, weil es unter den Sanktionen der USA leidet. FAZ. Iran sucht sein Heil bei China. Rainer Hermann. 20.07.2020.] [6: Siehe: Tagesschau. Kündigung des Auslieferungsabkommens. China wirft Deutschland Rechtsbruch vor. 01.08.2020. In: https://www.tagesschau.de/ausland/hongkong-bundesregierung-auslieferungsabkommen-103.html – Zugegriffen: 01.08.2020. ]

Der EU-Staatenbund hat am Montag, dem 22.06.2020, offener als zuvor, mit China gesprochen. Der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen haben sechs Stunden lang mit Ministerpräsident Li Keqiang und dann mit Präsident Xi Jingping, der anderthalb Stunden teilnahm, in einer Videokonferenz Probleme angesprochen, darunter auch die Situation in Hongkong, aber auch wirtschaftliche Fragen, darunter Probleme beim Marktzugang für europäische Unternehmen, beim Schutz geistigen Eigenstum und chinesische Subventionen. Kritisiert wurde China auch beim Thema Klimawandel, u.a. dass China weiter in Kohlekraftwerke investiere.[footnoteRef:7] Beobachtet wird derzeit auch, dass durch chinesische Kredite im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative 25 % der außerhalb von China in Bau befindlichen Kohlekraftwerke finanziert werden.[footnoteRef:8] Auf diese Probleme muss eine Antwort gefunden werden. [7: Weil dieses Gespräch natürlich vertraulich war, ist nicht klar welche Themen besonders besprochen wurden, aber dass diese Themen angesprochen wurden, gilt als sicher. So wird dies im FAZ-Artikel beschrieben. FAZ. EU-China-Gespräche. Europa redet Tacheles mit Peking. Thomas Gutschker. 22.06.2020. Schon 2018 ist aufgefallen, dass China massiv neue Kohlekraftwerke baut. FAZ. China kehrt zur Kohle zurück. Hendrik Ankenbrand. 10.12.2018. ] [8: Dies wird im Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion zum Thema China festgestellt, S. 11. Siehe: Positionspapier des SPD-Bundestagsfraktion. Souverän, regelbasiert und transparent. Eine sozialdemokratische China-Politik. Berlin, 30.06.2020. In: https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/positionspapier_china.pdf - Zugegriffen: 02.07.2020. ]

Fareed Zakaria hat etwa 2009 bereits geschreiben, dass die USA eine Kombination zwischen Kooperation und 'containment' bzw. der Ausbalancierung Chinas versuchen sollte, wobei die USA im Mittelpunkt des Systems bleiben kann.[footnoteRef:9] Ähnlich argumentiert Chris Patten, von 1999 bis 2004 Mitglied der Europäischen Kommission, zuständig für die Außenbeziehungen, und letzter Governeur von Hongkong: „It is not hostility to China that should motivate us, but rather a desire to push back in a measured and coherent way against the aggression of Xi and the CPC. (…) The aim is not to start another cold war, but to practice what the late Gerald Segal called „constrainment“ vis-à-vis China. Liberal democracies must defend their belief in a global order based on credible international agreements and the rule of law.“[footnoteRef:10] In der Terminologie der EU ist China ein Verhandlungspartner, mit dem sich die EU um einen Ausgleich von Interessen bemüht, im Bereich Wirtschaft auch ein Konkurrent, und nun auch ein systemischer Rivale, der für alternative Regierungsmodelle eintritt (EU-China -Strategische Perspektiven, 12.03.2019).[footnoteRef:11] [9: Sie solle nach dem Vorbild Bismarks im neunzehnten Jahrhundert als ehrlicher Makler bzw. als "globaler Makler" auftritt, der "Konsultation, Kooperation und sogar Kompromisse" sucht Zakaria, F. (2009), S. 265. ] [10: Chris Patten. The China ‚Constrainment‘ Doctrine. 25.06.2020, Project Syndicate. In: https://www.project-syndicate.org/commentary/liberal-democracies-need-policy-to-constrain-china-by-chris-patten-2020-06 – Zugegriffen: 28.06.2020.] [11: EU-China - Strategische Perspektiven, Straßburg, 12.3.2019, JOIN (2019) 5 final. Hohe Vertreterin der Union für Aussen- und Sicherheitspolitik. Siehe: https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/communication-eu-china-a-strategic-outlook_de.pdf - Zugegriffen: 16.05.2020.]

In einer Reaktion auf China sollte aber, so die Meinung hier, nicht die realistische Theorie internationaler Politik leitend sein, aus der man ableiten könnte, dass es bei einer Konkurrenz großer Mächte ganz normal sei, wenn man versuchen würde, China massiv zu schaden. Dies ist im 21. Jhd. nicht mehr zeitgemäß, denn neben den Menschenrechten sind Entwicklungspolitik, Umweltpolitik und Klimapolitik die Kernelemente dessen, was die internationale Staatengemeinschaft und auch ihre Werte ausmacht. Nur durch eine weiter bestehende Kooperation der Staaten und weiter bestehende Entwicklungschancen, die durch Märkte und die Zusammenarbeit von Firmen im Bereich Technologie vermittelt werden, können diese Herausforderungen bewältigt werden. Der Völkerrechtler Sir Hersch Lauterpacht hat schon 1953 der damals neu erstarkten realistischen Theorie internationaler Politik entgegengehalten, dass in einer modernen Welt, aller Machtfragen zum Trotz, eine internationale Staatengemeinschaft besteht, die zunehmend voneinander abhängig ist und die solidarisch handeln sollte, siehe hierzu Punkt 1.3.

Und hier kommt die Wirtschaft wieder mit ins Spiel und der Wunsch über einen sachlichen, realistischen Eindruck von Chinas wirtschaftlichen Fähigkeiten zu verfügen. In diesem Text besteht der Eindruck, dass, vereinfacht formuliert, China erfolgreich ist, aber doch nicht so gefährlich ist, wie es immer scheint – wenn dies so sein sollte, dann ist es aus der Sicht der realistischen Schule internationaler Politik weniger dringlich China zu schaden und es eröffnet sich ein Zeitfenster für Handlungsmöglichkeiten der Politik:

Die Ergebnisse der Sektoranalyse in Punkt 7.1 und 7.2 besagen, dass China in vielen Technologiebereichen von westlichen und asiatischen Ländern noch heute abhängig ist, von Computerchips, bis zu Brennstoffzellen, von der Ausrüstung moderner Stahlwerke und sonstiger Firmen mit modernen Maschinen und der Belieferung mit Spezialchemikalien sowie von einer Vielzahl von Inputgüter, die bis heute in chinesischen Hochgeschwindigkeitzügen und in Automobilen verbaut werden. China hat also - auch heute noch - viel zu verlieren, wenn es sich nicht verhandlungsbereit zeigt, somit darf sich die EU-Kommission ruhig trauen, offen Probleme anzusprechen und Forderungen an China zu formulieren.

Somit scheint es selbst heute noch die Möglichkeit einer gegenseitig vorteilhaften Arbeitsteilung mit China zu geben, bei der unsere Firmen, in einigen Bereichen zumindest, mittel und langfristig nicht alle ihre Vorteile verlieren werden. Unsere Politik kann gegenüber China verdeutlichen, dass ein wirtschaftlicher Austausch aus europäischer Sicht aus diesen Gründen auch in Zukunft möglich ist, auch weil man dies weiterhin ggf. auch innenpolitisch verteidigen kann.

Von Mikko Huotari und Agatha Kratz wurde allerdings angemerkt, dass man sich für den Fall vorbereiten sollte, dass China sich nicht mehr im bisher gewohnten Maße kooperativ zeigen wird, siehe Huotari, M., Kratz, A. (2019). Von chinesischer Seite wurde zum Beispiel im November 2019 von Liu He, Vize-Premierminister und Top-Verhandler bei Handelsabkommen geäußert, dass China seine Staatswirtschaft "stronger, better and bigger" machen wolle.[footnoteRef:12] Dies lässt erkennen, dass China seine Staatskonzerne offenkundig nicht reformieren und restrukturieren möchte, wodurch Verhandlungen schwieriger werden. [12: Huotari, M. et al. (2020), S. 14. ]

Die Frage nach den Staatskonzernen lenkt davon ab, dass es in China einen viel breiteren Einfluss auf die Wirtschaft gibt. China verfügt über vier große staatliche Banken, die staatlich beeinflusst Kredite vergeben, staatliche Investmentfonds, breit angelegte Subventionsprogrammen, von denen viele Firmen in China profitieren und staatliche Kontrollorgane, wie der National Development and Reform Commission (NDRC) und weitere Möglichkeiten politischer Einflußnahme. Mit diesem 'System' werden eine Vielzahl von Industriebereichen mit Subventionen und Unterstützungsmaßnahmen unterschiedlichster Form unterstützt, genauere Studien liegen hierzu etwa für die Bereiche Stahl, Aluminium und Halbleiter[footnoteRef:13] sowie im Bereich der Nichteisenmetalle vor, hier gibt sogar noch zusätzliche Marktregulierungen von Importen, Exporten, Preisen und Produktionsvolumina.[footnoteRef:14] Noch unzureichend erforscht ist, wie genau diese staatlichen Akteure zusammenarbeiten, kurz: wie koordiniert oder zielgerichtet dies alles erfolgt. [13: Detaillierte Studien sind u.a. Stahl: OECD (2018), Aluminium: OECD/Jehan Sauvage (2019a), Halbleiter OECD (2019b), die Hintergrundstudien der EU für die handelspolitischen SchutzmaßnahmenEU (2017); aus den USA Cheumg et al. (2016) und U.S. Section 301 Investigatioin (2018).] [14: Auf einer noch höheren Detailebene, Nichteisenmetalle, Keramik etc.: Taube/Think!Desk (2017), S. 11.]

Derzeit scheint es jedenfalls naiv zu sein zu glauben, dass China eine weitgehende WTO-Reform mittragen würde, die seine Staatskonzerne und sein 'System' in Frage stellen würde[footnoteRef:15], siehe auch das Zitat aus einem aktuellen FAZ-Artikel von Mikko Huotari hier in der Fußnote.[footnoteRef:16] Von Huotari, M., Kratz, A. (2019) wurde zudem der überzeugende Gedanke geäußert, dass auf die 'systemischen Verzerrungen in China' eine 'systemische Reaktion' nötig sei, sprich: es geht nicht um Einzelfälle, sondern um Falltypen, die immer wieder auftreten können und bei denen man wissen muss, wie man darauf reagieren kann.[footnoteRef:17] [15: Huotari, M., Kratz, A. (2019), S. 28. ] [16: Siehe auch: FAZ. Europa und China. Im Zweifel auch mit weniger China. Mikko Huotari, 29.06.2020. Aus diesem Artikel das Zitat: "China Partnerschaft im Standardmodus funktioniert nicht. Gleichzeitig arbeiten sich die EU-Diplomaten von einem virtuellen China-Austausch zum nächsten, um zumindest den Anschein von Kooperationsmöglichkeiten zu wahren. Intern heißt es aber: Bei weniger als einem Fünftel der im letzten Jahr gemeinsam vereinbarten Projekte gab es konkrete Ergebnisse. Und über die EU-China Agenda for Cooperation, die 2020 erneuert werden müsse, wird immer noch gestritten. Auch hier gibt es wenig zu verkünden, und überhaupt ist es schwierig, eine Positivagenda mit der chinesischen Seite zu entwickeln. Kritische Stimmen sagen gar, der Europäische Auswärtige Dienst versuche, etwas zu verhandeln, dass es gar nicht mehr gibt. Es scheint zumindest einigen der europäischen Akteure zu dämmern, dass sie möglicherweise im falschen Stück spielen. Partnerschaft als Standardmodus scheint schlicht nicht zu funktionieren." ] [17: "To tackle as many Chinese distortions, activities and players as possible, an EU response would ideally be multi-pronged. Simply put, given that China-induced distortions are systemic, a systemic response would also be needed." Huotari, M., Kratz, A. (2019), S. 28. ]

Man sollte zwar weiter über eine Reform der WTO nachdenken und sie dringend wieder handlungsfähig machen, diese Problemlage ist aber nicht auf China zurückzuführen. Eindeutig erkennbar gibt es aber Fälle, die nicht von den WTO-Regeln abgedeckt werden, das ist das Verhalten chinesischer Investoren in Europa und der Aufkauf westlicher Firmen durch chinesische staatliche oder private Firmen. Hierauf müssen Reaktionsmöglichkeiten entwickelt werden, vor allem wenn hier Subventionen fließen und sonstige unfaire Praktiken verfolgt werden können. Thesen hierzu finden sich bereits im Positionspapier des BDI (2019), die Problemstellung wurde sodann umfassend dargestellt in Huotari, M., Kratz, A. (2019) und nun auf politischer Ebene ausformuliert im aktuellen Weißbuch der Europäischen Kommission, European Commission (2020), siehe hierzu Punkt 8.3.8.

Begründbar ist es auch, wenn westliche und asiatische Länder bei gravierenden Verstößen gegen ihre Werte und Sicherheitsbedürfnisse wirtschaftliche Sanktionen benutzen. Dies ist durch die USA bereits erfolgt, gemeint sind nicht die breiten Zollerhöhungen von U.S. Präsident Trump, sondern relativ gezielte Maßnahmen, etwa gegen Firmen, deren Elektronikgüter bei der Überwachung der Uiguren zum Zuge kommen, siehe unten den Punkt Elektronikgüter 6.11 sowie Punkt 8.5. Die EU-Außenminister haben in ihrem Maßnahmenpaket vom 28.07.2020 ebenso vorgeschlagen Exporte von Gütern zu verbieten, die in Produkten der Überwachungstechnik zum Einsatz kommen und etwa in Hongkong eingesetzt werden könnten.[footnoteRef:18] Wenn Probleme mit der Netzwerksicherheit auftreten, sollte es im Bereich Telekommunikationsschaltanlagen wieder denkbar werden, europäische oder amerikanischen Firmen für den 5G-Ausbau zu beauftragen.[footnoteRef:19] England und Frankreich haben Huawei nun vom 5G Ausbau ausgeschlossen.[footnoteRef:20] [18: Siehe: EU beschließt Maßnahmen für Hongkong und ruft China auf, Handelshemmnisse zu beseitigen, 28.07.2020. In: https://ec.europa.eu – Zugegriffen: 01.08.2020. ] [19: Bei Huawei und dem 5G-Ausbau äußern derzeit immer mehr Politiker, dass hier nun die eigenen Firmen aktiv werden müssen. Siehe: FAZ. Ein digitaler Airbus für 5G. Helene Bubrowski. 20.07.2020. Auch in der weltweit im Einsatz befindlichen chinesischen Überwachungstechnologie sowie bei Apps und Handys gibt es Sicherheitslücken. ] [20: FAZ. Hongkong und Huawei schicken Beziehungen auf Talfahrt. 13.07.2020. Handelsblatt. Frankreich geht auf Distanz zu Huawei, Thomas Hanke, Stefan Scheuer. 23.07.2020. URL: https://www.handelsblatt.com/politik/international/mobilfunk-frankreich-geht-auf-distanz-zu-huawei/26032070.html?ticket=ST-13604065-Z4ZSU6T6JhKrTq6zsjES-ap2 - Zugegriffen: 25.07.2020. ]

Hier wird weiterhin die Position vertreten, dass es eine realistische, dynamisch-ordoliberale Sicht des wirtschaftlichen Austausches mit China geben muss. Eine vereinfachte, neoklassisch liberale Haltung, die sowohl dem Handel mit China als auch Investitionen durch China generell positive Effekte zuschreibt ist sachlich nicht haltbar, es gibt aber immer wieder Experten, die solche Aussagen treffen.[footnoteRef:21] Dies ist zum Teil sogar verständlich, weil aus deutscher Sicht der Punkt noch nicht erreicht ist, dass durch den Handel mit China oder durch Investitionen aus China tatsächlich massive Probleme entstanden sind. Es gibt somit in dieser Hinsicht auch noch parteipolitische Spielräume, z.B. hält China erst 3 % der EU-Vermögenswerte im Bereich Investitionen.[footnoteRef:22] Hier könnte eine Partei der Meinung sein, dass man weitere chinesische Investitionen zulassen soll, eine andere kann kritischer sein. Die empirischen Effekte solcher unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen werden sich in den nächsten 3 Jahren in Grenzen halten, es soll hier auch empirisch gar nicht ausgeschlossen werden, dass auch eine liberalere Politik über einen bestimmten Zeithorizont erfolgreich sein kann und auch dabei noch eine gewisse Kontrolle aufrecherhalten werden kann. [21: Siehe aber z.B. das Interview mit dem Vorsitzenden der Monopolkommission Prof. Achim Warmbach: "Die Chancen einer Auslandsbeteiligung sind fast immer größer als die Risiken", Der Spiegel, Nr. 32/1.8.2020. S. 66-67. ] [22: Durch Investitionen über Offshore-Finanzzentren könnte dieser Wert noch leicht ansteigen. European Commission (2019), S. 11.]

Eine dogmatisch liberale Grundhaltung stößt aber spätestens am Zeithorizont bis 2030 an ihre Grenzen, sprich: wenn man sich die dynamischen Prozesse vorstellt, die in einem Zeitraum von 10 Jahren stattfinden können, angesichts einer chinesischen Regierung mit ihrem 'System' von Subventionen, Staatskonzernen, Staatsbanken und Staatsfonds, welche die Wirtschaft stärken und auch Firmenübernahmen unterstützt. Wenn man beispielweise bis 2030 eine vollständige Offenheit hinsichtlich Investitionen bestehen lassen würde, könnten sich chinesische Unternehmen, darunter Staatskonzerne, gerade in den Bereichen Firmen kaufen, in denen unsere Unternehmen noch einen technologischen Vorsprung haben, etwa im Bereich Maschinenbau. Damit wäre die derzeit noch bestehende Arbeitsteilung im internationalen Handel mit China gefährdet, denn es gäbe immer weniger Handel, der 'erzwungenermaßen' durch technologische Lücken besteht. Der Handel würde immer mehr von Oligopolen geprägt sei, die technologisch auf Augenhöhe konkurrieren, etwas, dass beim derzeitigen Einfluss der Politik auf die Wirtschaft in Zukunft zu noch mehr politischen Spannungen führen könnte. Kurz: Es gibt mehrere Gründe dafür, dass es sinnvoll wäre, wenn die Art und Weise wirtschaftlichen Austausches wenigstens im Ansatz so ähnlich bleibt, wie sie derzeit ausgeprägt ist.

Aus der hier vertretenen dynamisch-ordoliberalen Sicht spricht einiges dafür, dass dies nur erreicht werden kann, wenn die Leinen nicht losgemacht werden und es in Zukunft vermehrt handelpolitische Schutzmaßnahmen und investitionspolitische Kontrollen und auch Verbote in diesem Bereich gibt. Auch innenpolitisch wäre es in den USA und Europa nicht zu verteidigen, wenn Chinas Investitionen etwa bis 2030 auf 20-30 % der Vermögenswerte ansteigen würde und dahinter ein politisches System steht, dass seine Firmen potentiell auch dazu benutzt, um politischen Einfluss auszuüben.

Auch der demokratische U.S.-Präsidentschaftkandidat Biden setzt in seinem Programm aktuell auf protektionistische Akzente, etwa das Versprechen, handelpolitische Maßnahmen zu nutzen, aber auch mit China entschlossen zu verhandeln. [footnoteRef:23] Eine vemehrte Nutzung handelspolitischer Maßnahmen bedeutet nicht, dass auf wirtschaftlichen Austausch verzichtet wird. [23: Siehe: The Biden Plan to Ensure the Future is “Made in All of America” by All of America’s Workers. In: https://joebiden.com/made-in-america/ - Zugegriffen: 04.08.2020. ]

Die Option eines vollständigen Abbruchs des wirtschaftlichen Austausches mit China wird auch in der wissenschaftlichen Diskussion als nicht sinnvoll eingestuft, siehe Huotari, M., Kratz, A. (2019).[footnoteRef:24] Generell ist es schwer ideale Lösungen zu finden, wenn man in einem Land aktiv ist, in dem Menschenrechte in Frage gestellt werden, aber ein Rückzug aus China wird auch von Wirtschaftsakteuren abgelehnt.[footnoteRef:25] [24: Mikko Huotari und Agatha Kratz (2019) schreiben zu dieser Fragestellung nüchtern und überzeugend, allerdings nur in Bezug auf wirtschaftspolitische Eingriffe Chinas wie Subventionen: "We believe that a few options for responding to such distortions should be excluded from the outset: Shutting down European markets completely, or fully replicating China's statist and distortive policies, neither of which constitutes a realistic or acceptable solution. Europe also needs to avoid seeing all aspects of business relations with China through a national security lens." Huotari, M./Kratz, A. (2019), S. 20. ] [25: Siehe in diesem Sinn das Interview mit der geschäftsführenden Gesellschafterin der Trumpf-Gruppe, Nicola Leibinger-Kammüller und ihrem China-Chef Stefan Mayer. Diese Firma möchte weiter in China aktiv bleiben, beschäftigt sich aber mit der Problemlage und nimmt etwa keine Aufträge von der chinesischen Rüstungsindustrie an. Siehe: FAZ. Deutsche Unternehmerin sagt "Rückzug aus China ist keine Option". Susanne Preuß. 22.07.2020. ]

Dass ein Abbruch nicht sinnvoll ist, ist besonders klar an den Bereichen erkennen, in denen China westliche und asiatische Technologie benötigt, um auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren, dies ist derzeit im Bereich Brennstoffzellentechnik sichtbar, es gilt aber letztlich für den gesamten Transportbereich und den Maschinen- und Energieanlagenbau. In diesen Bereichen ist der wirtschaftliche Austausch mit China aufgrund der positiven Auswirkungen auf den Klimawandel im weltweiten Interesse. Weitere Bereiche, in denen Eingriffe eindeutig fragwürdig wären, wären Bereichen, die wichtige Menschenrechte betreffen, etwa der Medizintechnikbereich, Wasseraufbearbeitung, der Handel mit Lebensmitteln etc. Schließlich würde ein Abbruch des wirtschaftlichen Austausches so starke wirtschaftliche Auswirkungen haben, dass das Leben von hunderten Millionen Menschen betroffen wäre. Deshalb sollte, als Daumenregel, viele Bereiche wirtschaftlichen Austausches bestehen bleiben, allen politischen Spannungen zum Trotz. Hier wird zudem die Meinung vertreten, dass über solche Erwägungen hinaus, wirtschaftlicher Austausch auch deshalb weiter bestehen sollte, um Anknüpfungspunkte durch nicht-interessengeleitete Handlungen für chinesische Politiker späterer Generationen aufrechtzuerhalten, damit diese wieder ein besseres Verhältnis zu uns aufbauen können, ohne viel politisches Kapital einsetzen zu müssen.[footnoteRef:26] [26: Es erscheint aber als sinnvoll, dies, ‚for the record‘, und für späte Generationen, klar zu kommunizieren, dass man aus bestimmten, wertebezogenen Gründen den wirtschaftlichen Austausch nicht ganz abbrechen möchte und eben nicht nur aus kapitalistischem Eigeninteresse, denn sonst macht man es den Führungspersönlichkeiten zu leicht. Genauso wie U.S. Präsident Trump, der mit seinem Handelskrieg die Leistung mehrerer Generationen von Chinesen aber auch Japaner, Russen, Europäer und U.S.-Amerikaner ignorierte, die seit Jahrzehnten mit China befreundet sind und beim Aufbau Chinas mitgearbeitet haben, ist auch die marxistische Position falsch, die besagt, dass alle diese Länder China nur zum eigenen Vorteil geholfen haben. Diese Staaten haben zumindest zum Teil solidarisch und freundschaftlich, also an Werten orientiert gehandelt, um Chinas Wirtschaftswachstum zu ermöglichen und haben mit dazu beigetragen, viele Menschen aus der Armut zu befreien. Dies anzuerkennen, fällt der derzeitigen Führung Chinas ebenso schwer. ]

Wie kann man sich ein realistisches Bild von China verschaffen?

(1) Die Wirtschaft ist dynamisch. Die hier verwendete dynamisch-ordoliberale Theorie der Wirtschaft geht von mehr Faktoren aus, als sie typischerweise von der Neoklassik angenommen werden. Sie hat weiterhin eine andere Vorstellung von dessen Wirkungszusammenhängen. Ein solcher Wirkungszusammenhang ist, dass Wissensdiffusion vom Staat bewusst zugelassen wird, damit mehr Firmen dauerhafter im Wettbewerb miteinander bestehen können und dadurch im gesamten Wirtschaftssystem weniger Risiken und mehr Stabilität enthalten ist. Marktversagen kann staatliche Maßnahmen rechtfertigen, etwa wenn Wachstumschancen nicht realisiert werden. Mit diesen Vorstellungen kann die Situation in China realistischer eingeschätzt werden: Nicht alle Situationen, die nicht mit perfekten Märkten im neoklassischen Sinn übereinkommen, müssen pauschal als unfair angesehen werden. Auch in China ist es normal, wenn sich Wissen verbreitet und Firmen ihre technologischen Fähigkeiten verbessern. China darf zudem, wie auch andere Länder, wenn dies begründet werden kann, mit staatlichen Eingriffen Entwicklung fördern und Marktversagen zu bekämpfen. Wenn Firmen erfolgreich sind, dann müssen Subventionen und staatlicher Einfluss allerdings auch wieder zurückgenommen werden können und in irgendeiner Form ein rationales System der Bewertung von Entwicklungserfolgen sichtbar sein. Dies fehlt in China, deshalb wird hier gefordert, dass China sein System staatlicher Eingriffe verändern, entflechten und deutlich transparenter gestalten muss, denn so wie es derzeit besteht, ist es nicht einschätzbar und unfair.

(2) China stellt derzeit keine Bedrohung dar, weder im Handel, noch bei den Auslandsinvestitionen. Die hier vorgenommene Analyse des weltweiten Handels, der chinesischen Firmen und der Auslandinvestitionen der chinesischen Firmen zeigt, dass, dass China in den letzten Jahren sehr erfolgreich war: es hat seine Anteile im internationalen Handel erhöht, es hat seine technologische Basis stark verbessert, es ist routiniert im Bereich einfacher, stark im Bereich mittlerer Technologie geworden, und kann in einer Vielzahl von Bereichen auch mit Hochtechnologie umgehen und teils dort sogar F&E betreiben und Produkte entwickeln. Dies liegt auch daran, dass China geschichtlich gesehen, viel früher angefangen hat, komplexe Technologie zu handhaben, als dies eigentlich bekannt ist und dieser Erfolg deshalb zu einem hohen Teil auf eigenen Bemühnungen beruht. Wichtig war allerdings ebenfalls der Technologietransfer durch Direktinvestitionen und ausländische Experten in der Zeit der Öffnung nach 1990 und in der Zeit, als der China-Bargain voll wirksam wurde, nach dem WTO-Beitritt Chinas im Jahr 2001. Dennoch liegt China in vielen Bereichen hochwertiger Technologie zurück und ist nicht dabei, den Westen und Asien im Sinne einer weltweit technologisch führenden Nation in Bälde zu überholen. Der Westen und Asien sind in einer Vielzahl von Branchen weiterhin sehr stark und sie verfügen über eine höhere Anzahl sehr großer, technologisch fortschrittlicher Unternehmen. Die mehr oder weniger ausgeprägten Schwächen Chinas werden hier auf den Ebenen, F&E, Profite, Umsatz, technologischem Niveau und Schwerpunkten der Firmentätigkeit gezeigen. Ebenso werden unten im Text, siehe vor allem Punkt 5.1., u.a. anhand einer sehr guten Studie für die USA die Direktinvestitionen Chinas in den USA seit 1990 ausgewertet. Hier ergibt sich ebenso kein Bild einer Bedrohung. Es gibt nur einen Bereich, in dem China in Bezug auf hochwertige Technologie auf demselben Niveau ist, dies sind die Internetfirmen, die aber nur in Teilbereichen in Konkurrenz zu unseren Firmen stehen und eben Huaweis Mobiltelefonschaltanlagen.

In der Forschungs- und Entwicklungsdatenbank (F&E) der Europäischen Kommission, in der 2500 Firmen weltweit verzeichnet sind, wird für 2018 insgesamt US$ 823 Mrd. F&E auf Firmenebene verzeichnet. Davon kommt die USA auf 38 %, die EU auf 25,3 %, Japan auf 13,3 %, China auf 11,7 %, Südkorea auf 3,8 % und die Schweiz auf 3,5 %.[footnoteRef:27] Privat von Firmen finanziertes F&E beträgt bei deutschen Firmen 82,9 Mrd. US$, die chinesische Firmen liegen bei 96 Mrd. US$, darunter befinden sich aber großen staatlichen Firmen.[footnoteRef:28] Bei F&E-Ausgaben zeigt China also eine - relative - Schwäche, seine F&E-Ausgaben liegen auf einem Niveau wie Deutschland, China hat aber ein 3-faches BSP, müsste also, um mit Deutschland gleichzuziehen, dreimal so hohe F&E-Ausgaben haben. [27: EU R&D Scoreboard (2019, S. 5. ] [28: EU R&D Scoreboard (2019). Tabelle SB2019Global2500.xlsx. Zieht man die ersten 10 staatlichen Firmen ab, die mit binnenorientierter Infrastruktur, Öl- und Petrochemie beschäftigt sind, dann sind es 14,1 Mrd. F&E-Ausgaben weniger. China läge dann auf dem Niveau von Deutschland, hat aber 3 mal so wenig Bruttosozialprodukt. ]

Aktuell, Zahlen für das Jahr 2017, weist China ein Bruttosozialprodukt (BSP) von 12.200 Mrd. US$ auf, Deutschland 3.700 Mrd. US$, und die USA 19.400 Mrd. US$, kurzum, China hat die USA noch nicht überholt.[footnoteRef:29] China hat ein 3-faches BSP von Deutschland, dies bedeutet aber bei 1,4 Mrd. Menschen ein niedrigeres Pro-Kopf-Einkommen, es steht 2018 bei 18.336 US$, in Deutschland liegt es bei: 53.074 US$, in den USA bei 62.794 (Kaufkraft-Parität).[footnoteRef:30] [29: Zahlen auf die Hunderterstelle aufgerundet. Siehe: https://data.worldbank.org - Zugegriffen: 16.02.2019. ] [30: Siehe: https://data.worldbank.org - Zugegriffen: 23.04.2020.]

Bei den Profiten zeigen sich ebenfalls Schwächen chinesischer Firmen: Es gibt in den USA, Japan und Deutschland 205 Firmen mit Profiten über 1 Mrd. In China sind dies nur 44 Firmen, davon sind nur 9 private Firmen, davon das Auto-Joint-Venture SAIC mit General Motors, die übrigen sind die großen, meist binnenorientierten Staatsfirmen, die in den Bereich Telekom, Bau, Energieanlagen, Gasversorger, Öl- und Petrochemie tätig sind, Zahlen für 2018.[footnoteRef:31] Wohlgemerkt, es geht hier um Profite, noch nicht um Umsatz. [31: Die 9 Firmen sind SAIC (das Joint Venture mit GM im Automobilbereich), Geely Automobile, BAIDU, Midea (Haushaltswaren), Lenovo (Computer), Haier (Haushaltswaren), Sany (Baumaschinen), BOE (TV, Handymonitoren), Gree (Klimanalagen, staatlich), Hangzhou Hikvision Digital (TV, Handymonitoren) in der Liste auf, die restlichen in der Liste sind die großen staatlichen Konzerne in Telekom, Öl, Chemie, Bau, Eisenbahn, Eisenbahnbau, Energieanlagenherstellung, Stahlkonzerne, Atomkraftwerke. Mit hartem Urteil sind es also nur 10 (grob eingeschätzt) private chinesische Firmen, die diese Schwelle schaffen, davon 1 Joint Venture, das ist SAIC, Gree ist auch eigentlich staatlich, eigentlich sind es also nur 8, dies sind 4 %. ]

Setzt man die Profitschelle niedriger und sieht sich Firmen mit Profiten über 500 Mill. an (nach oben kein Limit), kommen von allen 2500 Firmen in der Datenbank 666 Firmen darüber, 325 Firmen davon kommen aus den USA, Japan und Deutschland, es sind nun 85 chinesische Firmen dabei. Davon sind grob geschätzt 20 Firmen wieder die schon eben erwähnten staatliche Konzerne aus den Bereichen Telekom, Petrochemie, Infrastruktur etc. Kurz: in dieser Kategorie von den Profiten her halbwegs gut aufgestellter Firmen stehen 65 (grob eingeschätzt) private chinesische Firmen gegenüber 325 Firmen aus den USA, Japan und Deutschland, dies sind 20 %. Nimmt man die Welt als Vergleich stehen hier 666 Unternehmen gegen 65 chinesische Unternehmen, hier hat China einen Anteil von: 9 %, Zahlen für 2018.[footnoteRef:32] Kurz: es gibt durchaus erfolgreiche Firmen in China, aber auch anderswo auf der Welt. [32: EU R&D Scoreboard (2019). Tabelle SB2019Global2500.xlsx. ]

Vielleicht sind die Umsätze aussagekräftiger? Hinsichtlich der Umsätze 2018 gibt es sogar 324 chinesische Firmen, die über der Schwelle von 1 Mrd. US$ liegen. Dies zeigt das Bild eines erfolgreich gewachsenen Chinas. Dies sind jedenfalls Firmen, die über eine moderne Produktion und Organisation verfügen müssen. Bei dieser Umsatzhöhe ist es zudem kein Problem Fachkräfte, Experten, etc. zu bezahlen, um Zugang zu Wissen und Technologie zu erlangen. Zieht man davon wieder grob geschätzt 20 binnenorientierte staatliche Konzerne ab, dann bleiben ca. 300 chinesische Firmen, die diesen Zustand erreicht haben.

Diese ca. 300 Firmen stehen gegen 107 deutsche Firmen bzw. insgesamt 409 Firmen aus der EU und 364 U.S.-Firmen, die ebenfalls über dieser Umsatzschwelle liegen. Die Industriestruktur Japans mit den größeren Firmenkonglomeraten zeigt sich an diesen Daten, hier liegen 275 Firmen über 1 Mrd. US$ Umsatz. Somit kommen die EU, Japan und die USA zusammen auf 1048 Firmen, die über 1 Mrd. US$ Umsatz liegen. China liegt hier auf 1/3. Nach diesem Kriterium zeigt sich China relativ stark.

Deshalb wurden diese 324 chinesischen Firmen mit Umsätzen über 1 Mrd. US$ hier im Anhang Tabelle 4 in Bezug auf ihre Produkte und ihre Technologie genauer analysiert und hier zeigt sich, dass hiervon 270 Firmen auf der Ebene mittlerer Technologie angesiedelt werden können, weil sie mit mittelkomplexer, letztlich aber bekannter Technologie arbeiten, z.B. bekannte Prozesstechnologie einsetzen, etwa bei der Stahl- und Chemieproduktion. Zwar ist bei einigen Firmen, etwa 54 Firmen, einen Übergang von mittelschwerer Technologie zu Hochtechnologie zu erkennen. Es sind 9 Firmen, die, grob eingeschätzt, gänzlich auf einem Hochtechnologieniveau liegen.[footnoteRef:33] [33: Siehe die Analyse in Punkt 4.5, basierend auf der Firmenliste von EU R&D Scoreboard (2019). Tabelle SB2019Global2500.xlsx. In Anhang Tabelle 4 werden basierend auf dieser Firmenliste 324 chinesische Firmen mit einem Umsatz über 1 Mrd. Euro grob eingeschätzt, nach Produkten und Technologieaufwand, darauf basieren die Schlussfolgerungen hier oben. ]

Erkennbar wird daran, dass die chinesische Industrialisierung zuerst möglichst konkret analysiert werden sollte, bevor man zu Schlüssen kommt. Es ist jedenfalls eindeutig erkennbar, dass die 107 deutschen Firmen mit einem Umsatz über 1 Mrd. US$ im Bereich Technologie stärker als ihre chinesischen Kollegen aufgestellt sind, obwohl auch diese eine gewisse Diversität aufweisen, sprich: von Automobilhersteller, bis Automobilzulieferer, bis Pharma, Spezialchemie, Maschinenbau und Eisen- und Stahl.[footnoteRef:34] [34: Von oben (nicht alle 107-Firmen sind hier aufgezählt): Volkswagen, Daimler, BMW, Bosch (Automobilzulieferer, Haushaltsgeräte, Werkzeuge, Gebäudetechnik), Siemens (Energieanlagen, Medizintechnik, Automatisierung, Eisenbahn, Stromtechnik etc.), Bayer, SAP, Continental (Automobilzulieferer), Boehringer (Pharma), Merck (Pharma, Chemie, Biotechnologie), Zahnradfabrik Friedrichhafen (Automobilzuliefer), BASF, Deutsche Bank, Infineon (Halbleiterlösungen), Schaeffler (Automobilzulieferer), Mahle (Automobilzulieferer), Hella (Automobilzulieferer), Fresenius (Medizintechnik, Krankenhäuser), Carl Zeiss (Optik für viele Bereiche), Henkel, Evonik (Spezialchemie), Osram, Thyssenkrupp (Stahl etc.), Commerzbank, Knorr-Bremse (Bremsen für Schienen- und Nutzfahrzeuge), Deutsche Telekom, Trumpf (Werkzeugmaschinen), Braun Melsungen (Pharma, Medizinbedarf), Diehl (Metalltechnik), Deutsche Bahn, Freudenberg (Automobilzulierer), Covestro (ex-Bayer Kunststoff), Grünenthal (Schmerzmittel), Drägerwerk (Medizin-, u. Sicherheitstechnik), Rheinmetall (Rüstung, Automobilzulieferer), Claas (Landmaschinen, Spezialgebiet Mähdrescher), Kion (Gabelstapler, Lagertechnik), Beiersdorf (Niveau), Symrise (Duft, Geschmacks, Aromastoffe, kosmetische Grundstoffe), KWS Saat, SICK (Sensortechnik für Automatisierung), Krones (Maschinenbau Getränke Nahrung), Voith (Energieanlagen, Maschinenbau Tissue, Automobilzulieferer), Wacker Chemie, Eberspaecher (Automobilzulieferer Heizung), Webasto, RWE, Körber (Maschinenbau, Logistiksysteme), Altana (Spezialchemie) etc. Siehe: EU R&D Scoreboard (2019). Tabelle SB2019Global2500.xlsx ]

In Anhang Tabelle 5 wurden zudem noch die übrigen 182 in der Datenbank vorhandenen chinesischen Firmen analysiert. Dies führt zu folgenden Schlussfolgerungen: Eine wichtige Einflussgröße auf die Schwerpunkte und die technologischen Fähigkeiten der chinesischen Industrie ist die Breite der chinesischen Industrialisierung. Im großen Land verteilt wurden überall die grundlegenden Basisindustrien aufgebaut, oft weil dies in bestimmten Regionen und Städten politisch gewünscht war. Im Zuge des chinesischen Wachstums sind diese Firmen mitgewachsen, deshalb gibt es in China zuerst einmal einen großen Produktionsschwerpunkt in den Bereichen: Infrastruktur bzw. Bau, Stromversorgung, Hochvoltanlagen, Stahl, Aluminium, Zement, Petrochemie, und z.B. auch Kabelhersteller oder Hersteller von Stahlstrukturen für Hochhäuser und zum Bau von Fabrikhallen. Dazu gehören auch die Baumaschinen, die Flachglasherstellung, der Schiffbau, die erfolgreiche Herstellung von Hafenkränen und Containern.

Diese Bereiche müssen uns allerdings keine Sorgen machen, da dies meist binnenorientierte Bereiche sind und, wenn etwa der Import von Stahl, Aluminium und Chemieprodukten zunimmt, es möglich ist, handelspolitische Maßnahmen ergreifen können. Eine brisante Frage stellt sich dennoch, ob durch die Überkapazitäten die Preise auf dem chinesischen Markt zu niedrig sind und dadurch ein Subventionierungseffekt auftritt, von dem auch Hersteller profitieren, die dies als Inputgüter einsetzen.

Dann kommt der neue Erfolg von Internetfirmen. Geht man die Firmenlisten durch erscheinen dort nicht nur die bekannten Anbieter, wie Alibaba und Tencent, sondern eine große Zahl von IT-Dienstleistern und Softwarefirmen, die etwa auch für den Finanzbereich Software anbieten sowie Hersteller von Computerspielen. Mit einigen Ausnahmen sind auch diese Firmen alle binnenorientiert und sie sind nicht für die westliche und asiatische verarbeitende Industrie gefährlich. Alle diese Firmen weisen relativ hohe Umsätze schon deshalb auf, weil sie auf dem großen chinesischen Markt aktiv sind, vergleichbar eben mit Firmen, die auf dem U.S.-Markt oder dem Markt der gesamten EU aktiv sind. Wenig beeindruckend sind auch die chinesischen Firmen, die an der U.S.-Börse notiert sind, dies sind zu einem großen Teil Firmen, die mit Dienstleistungen für eine hohe Bevölkerung und für auf dem Internet basierten Geschäftsmodellen den Anlegern hohe Renditen versprochen haben, von denen eine Vielzahl nicht gerade hohe Umsätze erreicht haben, und es gibt einige große Staatskonzerne, siehe Tabelle 6.

Geht es nun um den verarbeitenden Sektor, der Bereich, der hier eigentlich Sorgen macht, dann gibt es viele weitere chinesische Firmen, die mit hohen Umsätzen auf den Konsumgüter-Massenmärkten aktiv. Wohlgemerkt: Es handelt sich hier um Konsumgüter-Massenmärkte ohne historischen Vergleich, weil sich in den letzten drei Jahrzehnten überall auf der Welt, selbst in Afrika, eine Mittelklasse entwickelt hat. Gegen den Strich gesagt: Eine große Menge an Firmen, Fachkräften und Beschäftigen sind in China mit etwas beschäftigt, das ebenfalls nicht wirklich Hochtechnologie ist. Dies sind etwa Firmen, die TV-Bildschirme, Monitore und sonstige Anzeigeelemente für PC, Handys und Tablets herzustellen. In Anhang Tabelle 4 mit den Firmen über 1 Mrd. US& Umsatz, sind dies immerhin 16 Firmen, in der Anhang Tabelle 5, mit den sonstigen Firmen, noch weitere 5 Firmen. Dass es diese Firmen in China gibt, ist kein Wunder, wenn die halbe Welt, mit einer Weltbevölkerung von 7,6 Mrd. Menschen, TV-Geräte, Computer und Handys besitzen will. Dazu kommen weitere dieser extremen Massenmärkte: viele Menschen richten ihre Wohnung ein, mit Haushaltsgeräten (viele unterschiedliche Haushaltsgeräte, von Herden, Kühlschränken bis zu Küchenmaschinen jeglicher Art), mit LED-Lichtern sowie Überwachungs- und Smarthomeanwendungen. Ebenso sind Baumärkte ein Massenmarkt, wenn es um Kompressionen, Klimageräte, Akkuwerkzeuge und Gartengeräte geht. In allen diesen Geräten befinden sich elektronische Schaltungen und einfache Chips. Ein weiterer Massenmarkt sind einfache Medizintechnikprodukte, Medikamente und Nahrungsergänzungstoffe. In Anhang Tabelle 4, über 1 Mrd. Umsatz, befinden sich 12 große Medikamentenhersteller, in Anhang Tabelle 5 mit immer noch relativ hohen Umsätzen 23 Firmen, die Generika oder Auftragsprodukte herstellen. Dabei wurden Hersteller und Handyteilen, wie Antennen, Akustikteilen, Kamerateile, Anschlüsse, Akkus oder Netzwerktechnik, Kabel, Verbindungsstecker, Ladegeräte und elektronische Teile noch gar nicht erwähnt. Dies hat zwei Seiten für China: Erfolg auf einem bis dato unbekannten, riesigen Massenmarkt, aber es bleibt mittlere Technologie, mit einigen Ausflügen in den Bereich Hochtechnologie.

In allen diesen Bereichen sind aber ebenfalls noch die traditionellen westlichen und asiatischen Unternehmen präsent, bei hochwertigen Integrierten Schaltungen, siehe Intel und AMD, hochwertigen Computerchips und deren Design und als Hersteller von Handys, Tablets und Monitoren, wie etwa Samsung, Apple, Sony, LG, Acer, Nvidia und Panasonic. Sogar bei Haushaltsgeräten sind aus den USA Whirlpool und Bosch mit seiner BSH Gruppe noch dabei. Dies zeigt, dass China nicht dominant ist. Unten in Punkt 6 und 7 wird, an den Informationen die verfügbar sind, gezeigt, dass chinesische Firmen in einer Reihe von Bereichen Teil der globalen Oligopole geworden sind, mehr nicht. Im Anhang Tabelle 6 werden die chinesischen Firmen aufgezählt, die an U.S. Börsen notiert sind, auch hierdurch ändert sich das Bild nicht, hier finden sich viele Firmen mit weniger hohen Umsätzen, die einmal mit Internet- und Franchisebasierten Geschäftsmodellen hohe Gewinne versprochen haben.

Mal frech formuliert: Trotz der bewundernswerten Virtuosität Chinas auf den extremen Massenmärkten, sollten westliche, asiatische, russische, indische und andere Firmen jedenfalls diese Märkte nicht freiwillig aufgeben. An Bosch mit seiner BSH Gruppe ist sichbar, dass man sehr wohl als europäische Firma heute noch weltweit Haushaltsgeräte verkaufen kann. Warum sollten dies nicht auch Firmen aus Russland oder Indien schaffen können. Dies sind riesige Märkte, dort muss man etwas verdienen können!

Nicht geschafft hat es China in einem weiteren weltweiten Massenmarkt erfolgreich zu werden: gemeint ist die Automobilindustrie, dies bleibt somit die Kernindustrie westlicher und asiatischer Länder. Bis der erste chinesische Automobilproduzent in der Liste auftaucht, werden von Platz 1 bis Platz 11 der Hersteller bereits 66 Mill. Autos produziert, dann erst erscheint SAIC, der chinesische Teil des Joint Ventures der Shanghaier Stadtregierung mit GM auf der Liste mit 2,8 Mill. produzierter Autos. Auch bei Elektroautos und Brennstoffzellen scheinen wir die Nase vorn zu haben. Allerdings hat China im Bereich der Automobilzuliefererfirmen einfacherer und mittlerer Technologieintensität ein Netz von Firmen, u.a. durch Auslandsinvestitionen in den USA und Europa bzw. Deutschland, aufgebaut, und es verfügt natürlich auch in China über diverse Automobilzulieferer. Es erscheint allerdings nicht so, dass dies wirklich gefährlich für unsere Hersteller ist.

Die wirklich interessanten chinesischen Firmen, die sich anstrengen, im Hochtechnologiebereich zu arbeiten, beispielsweise im Bereich Schwermaschinenbau, Maschinenbau und Robotertechnik, sind in den Listen gut versteckt und müssen gesucht werden. Geht man diese Firmen durch, kommt man zu dem Ergebnis, dass es sehr wohl chinesische Firmen im Bereich Maschinenbau und Robotertechnik gibt, die auf einen sehr hohen Technologieniveau arbeiten. Diese Firmen sind aber noch nicht so groß, nicht so vielfältig in ihrem Angebot und stehen großen und sehr erfahrenen westlichen und asiatischen Firmen mit einem vielfältigen Angebot gegenüber, weltweitem Service und nahezu überall vor Ort verfügbare Ersatzteilen. Aber auch hier gibt es das Phänomen, dass etwa westliche Hersteller es vielleicht nicht als sinnvoll ansehen, mittelkomplexe Getränkeverpackungsmaschinen nach Äthiopien zu liefern oder einfache Stahlpressen nach Indien. Weil chinesische Firmen dies machen, haben sie auch in diesen Bereichen seit einiger Zeit Exporterfolge, wenngleich es erst mittelfristig zu erwarten ist, dass sie im Maschinenbaubereich wirklich konkurrieren können. Auch dann ist es eher zu erwarten, dass die wenigen chinesischen Firmen, die dies schaffen werden, in ein Oligopol mit den anderen Herstellern integriert werden.

Auch in vielen anderen Industriebereichen sind chinesische Firmen aktiv, aber auch hier gilt, China ist nicht dominant, eher ist es mittelfristig zu erwarten, dass China konkurrieren kann und dann ist es immer noch wahrscheinlich, dass weltweit mehrere Firmen in den Oligopolen bestehen können und dass diese Oligopole auch stabil bleiben können, trotz China, jedenfalls dann wenn China nicht immer stärker unfair in die Wirtschaft eingreift und subventioniert. Wenn es diesem Text auch nicht perfekt gelingen mag, dies alles zuende zu analysieren, ist es jedenfalls gelungen eine Vielzahl von Informationen hier zusammenzustellen und zu bündeln, dies wird neben den Anhang Tabellen 4 und 5 vor allem in den Sektoranalysen in Punkt 6 versucht und deren Zusammenfassung in Punkt 7:

Mit diesen Zahlen und Beobachtungen im Hintergrund wird es jedenfalls verständlich, wenn hier geschlossen wird, dass China in den letzten Jahren große Erfolge feiern konnte, dass es aber keinesfalls schon so weit ist, dass es die internationalen Märkte dominiert. Es sind einzelne Märkte, etwa die Textil- und Bekleidungsmärkte, in denen China eine große Rolle spielt, hier mit Marktanteilen von Textilien (59 %) und Bekleidung (53 %), Anteil an den Top-10-Exporteuren, siehe Punkt 1.1.2. In den weiteren Sektoren ist China weniger stark präsent. Diese Zahlen geben zwar nur einen groben Überblick, aber es wird sichbar, dass im Bereich Agrar, Lebensmittel, Automobile, Chemie und sogar im Bereich Office und Telecom, also Elektronikgüter im weiten Sinn, noch diverse andere Länder und Entwicklungsländer als Top-Exporteure präsent sind. Dazu kommt, dass die anderen Entwicklungsländer zusammengenommen, in den meisten Sektoren noch auf ähnlich hohe Exporte kommen wie China. Auch von den Exportdaten her ist es also nicht gesagt, dass etwa die Entwicklungsländer aufgrund von China bereits ihre Sachen packen müssen. Hier ist deshalb die Rede davon, dass die Anzahl der Bereiche, in denen China sich einen Platz in globalen Oligopolen erobert hat, gestiegen ist, es ist aber in diesen Oligopolen nicht dominant. Dies ist aus Sicht der dynamisch-ordoliberalen Theorie wichtig, weil hier die These vertreten wird, dass China in die globalen Oligopole integriert werden kann, d.h. dass westliche und asiatische Firmen weiter stark bleiben, aber China und auch andere Länder, wie Russland, Brasilien, Indien und Indonesien etwa, Marktanteile erobern können, ohne dass dies bei wachsenden Märkten negative Dynamiken auslösen muss. Im Haushaltsgerätebereich, in dem sich China früh positioniert hat und sehr erfolgreich ist, konnten trotzdem westliche Firmen expandieren und existieren erfolgreich neben chinesischen globalen Firmen. Selbst in den Bereichen mit den höchsten Marktanteilen, Textilien und Bekleidung und Solarenergie, sind noch andere Länder aktiv. Im Bereich Solar, der einstmals von China dominiert wurde, ist aufgrund von handelspolitischen Schutzmaßnahmen der USA, die amerikanische Solarindustrie erneut im Aufbau befindlich.

Auch bei seinen Direktinvestitionen konnte China, mit wenigen Ausnahmen, Volvo, Syngenta und Kuka, keine großen, technologisch fortgeschrittene Firmen aufkaufen und konnte Hochtechnologie auch nur punktuell, meist bei kleinen Firmen erwerben, auch weil viele problematische Investitionen von der U.S.-Behörde CFIUS verboten wurden. Eine höhere Aktivität bei Direktinvestitionen bestand im Bereich einfacher Medizintechnik, mit einigen hochtechnologischen Ausnahmen und im Bereich einfacher und mittelschwerer Technologie bei Autozuliefererbetrieben, hier hat China eine Vielzahl von Firmen aufgekauft, die teils auch von den fortgeschrittenen westlichen Firmen aussortiert worden sind. Es ist nicht ersichtlich, wie China so eine globale Dominanz diagnostiziert werden kann, simplerweise auch deshalb, weil westliche und asiatische Staaten, bzw. letztlich alle Staaten, handelspolitische und investitionskontrollierende Maßnahmen dagegen nutzen können.

Diese Erkenntnisse sind wichtig, auch für unsere Sicht auf andere Schwellen- und Entwicklungsländer. Es stimmt, dass China im weltweiten Handel sehr stark ist, aber in der Top-10 sind andere Schwellen- und Entwicklungsländer zusammengenommen in vielen Sektoren teils ähnlich stark wie China oder halten zumindest noch substantielle Marktanteile: Entwicklung ist damit nicht sinnlos geworden. Dies gilt speziell für Länder wie Russland, Indien, Brasilien, Indonesien und diverse andere Länder. In der öffentlichen Debatte erscheint es derzeit oft so, als ob man seine verarbeitende Industrie weltweit aus Respekt vor China am besten selbst abbauen sollte. Dies stimmt nicht mit der Realität überein. Zudem ist es gerade in der Zeit des Klimawandels wichtig, dass zumindest die wirtschaftlich stärkeren Länder in allen Kontinenten über einen fortgeschrittenen verarbeitenden Sektor verfügen, um erneuerbare Energien, Techniken der Wasseraufbereitung, Elektromobilität und Brennstoffzellentechnik etc. handhaben zu können.

(3) In die globalen Oligopole können neue Firmen integriert werden. Die dynamisch-ordoliberale Theorie geht generell entspannter mit staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft um und entspannter mit großen Unternehmen und Staatskonzernen, auch aufgrund ihres wirtschaftshistorischen Wissens. Aus Japan und Korea konnten nach dem Zweiten Weltkrieg eine Vielzahl von Firmen in die weltweiten Märkte integriert werden, u.a. auch deshalb, weil in den globalen Oligopolen Firmen mit Preisaufschlägen operieren und es aushalten können, wenn neue Firmen sich Marktanteile erkämpfen. Neue Firmen sind dagegen oft bereit sich mit bestimmten Marktanteilen zufriedenzugeben, wenn sie ihrerseits Preise erhöhen können, weil es ab einem Punkt teuer ist, bestehende Firmen frontal anzugreifen. Sogar Staatskonzerne könnten sich so verhalten. In diesem Sinne ist es gemeint, wenn man aus der dynamisch-ordoliberalen Theorie sagt, dass es möglich, dass eine Reihe von chinesischen Unternehmen in die globalen Oligopole integriert werden können. Es müssen, wenn man weitere Schwellenländer einbezieht, zudem nicht hunderte neuer Firmen, sondern vielleicht 30 große Firmen aus 5 Ländern mittelfristig in die Weltmärkte integriert werden. Warum soll nicht China und Russland eine erfolgreiche Automobilfirma aufbauen, etwa Chery und Lada, und Indien im Bereich Maschinenbau und chemischen Grundstoffen aufholen. China hat aktuell durch seine Auslandsinvestitionen bei einfachen und mittelprächtig komplizierten Autoteile ein weltweites Netzwerk von Firmen aufgebaut, die die großen Automobilfirmen beliefern. All dies ist nicht bedrohlich für die bestehenden westlichen und asiatischen Firmen, auch deshalb nicht, weil es im Ernstfall Schutzmöglichkeiten gibt, bei Handel und Investitionen. Weil allerdings vermehrt der Verdacht besteht, dass das gesamte 'System' China hinter diesen Firmen stehen können, ist es sinnvoll wenn etwa die Europäische Kommission (2020) auch für chinesische Firmen, die bereits im Ausland investiert haben, eine Subventionsüberprüfung installiert, siehe Punkt 8.3.8. Verhalten sich die Firmen nicht unfair, dann zeigt sich jedenfalls, dass die internationalen Märkte vielen Ländern die Möglichkeit zu geben, ihren Wohlstand zu erhöhen und dass sie zu diesem Zwecke möglichst offenbleiben sollen, siehe hierzu auch vorne (11) sowie die Punkte 1.1.4 und 7.

(4) Generell müssen sich die Menschen in den Industrieländern mit dem Gedanken vertraut machen, dass die Länder überall auf der Welt langsam die grundlegenden Fähigkeiten erlernen, Produkte herzustellen, die zum modernen Leben dazugehören. Warum sollten in Südamerika keine Autos und in Afrika keine Maschinen hergestellt werden und in China kein Stahl? Oft bleibt es dennoch so, dass die westlichen Firmen mit ihrer Innovationskraft führend sind. Dies ist auch weiter wünschenswert, allein damit eine Arbeitsteilung aller Länder auf dem Weltmarkt vorhanden bleibt. Ein Weltmarkt, der nur von einem oder zwei Staaten dominiert wäre, wäre nicht nur ungerecht, sondern auch ineffizient, weil Wachstumschancen in großen, bevölkerungsreichen Ländern nicht genutzt würden. Die wirtschaftlichen Erfolge in überseeischen Ländern führen allerdings aktuell in der Öffentlichkeit zu massiven Gefühlen der Unsicherheit. Deshalb muss es Gegenstand der öffentlichen Debatte werden, wie die Märkte derzeit verfasst sind, weil nämlich die Bedrohnung aus China gar nicht so stark ist, wie teils in Zeitungsartikeln suggeriert wird. Es muss dringend auch Expertenwissen über Marktanteile in einzelnen Sektoren in die Öffentlichkeit gelangen und auch solches über potentiell schädigende Entwicklungen. Eine dynamische Analyse eines Industriesektors ist ohne Probleme möglich, nur werden diese Daten ungern von den Firmen bereitgestellt. Auch für den Autor dieses Textes ist dieses Wissen nicht verfügbar, hier im Text werden bewußt nur öffentlich verfügbare Informationen gesammelt. In den WTO Streitbeilegungsberichten werden Informationen über Marktanteile etwa mit Sternchen versehen ***. Es ist aber nicht akzeptabel, dass die Weltöffentlichkeit bei einem der Hauptkonflikte im 21. Jhd. im Nachtflug fliegen muss, einem Bereich, in dem es immer mehr auch um außenpolitische Richtungsentscheidungen von großer Tragweite geht, weil es angeblich um Geschäftsgeheimnisse geht, die aber jedem Finanzinvestor morgens zum Frühstück vorliegen. Es muss weiterhin Gegenstand der Debatte werden, wie man sich eine weltweite Arbeitsteilung mittel und langfristig vorstellen kann und es muss eine Vorstellung von der Zukunft entwickelt werden. Und natürlich muss auch über die Politik in China diskutiert werden. Dazu gehört auch, dass die folgende zentrale Information bei dieser Debatte immer wieder ausdrücklich betont werden sollte:

(5) Keine Angst, die WTO erlaubt Schutzmaßnahmen. Angst vor China oder welchem Staat auch immer ist unnötig, weil nicht nur die EU und die USA, sondern alle Staaten der Welt, im Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO), seit Jahrzehnten schon gegen steigende Importe Schutzmaßnahmen ergreifen können. Die WTO hat ein gemischt-liberales System des internationalen Handels etabliert, welches liberale Elemente mit staatlichen Eingriffsmöglichkeiten kombiniert. Die sogenannten Antidumpingzölle, die Ausgleichzölle gegen subventionierte Güter und die Schutzklausel sind zwar seit Gründung der WTO stärker regelgebunden, erlauben aber Spielräume für Schutzmaßnahmen und zwar gegen alle denkbaren Produkte, über Jahrzehnte hinweg, letztlich unlimitiert, siehe etwa das Beispiel für einen 25 Jahre laufenden Antidumpingzoll für Ferrosilizium, in Punkt 8.2.7. Damit ist eine Globalisierung mit Sicherheitsgurt bereits seit Jahren vorhanden, etwas, dass sich die Deutschen, laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung, dringend wünschen.[footnoteRef:35] Es wäre schön, wenn es gelängt, dies auch einmal in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Dazu kommt, dass es eine China-Sonderregelung gibt, die noch größere Spielräume eröffnet, Antidumpingzölle zu erheben. Die USA und die EU weigern sich derzeit, die damit verbundenen Spielräume aufzugeben. In der aktuellen Situation mit viel staatlichem Einfluss in China, könnten auf viele Produkte auch Ausgleichzölle gegen Subventionierung erhoben werden. Mit den drei sog. Trade Defense Instruments (TDI), Antidumping, Ausgleichszölle und Schutzklausel kann verhindert werden, dass China mit seinen Gütern Länder und Unternehmen schädigt. Diese Möglichkeit haben alle Länder der Welt und da diese drei Instrumente WTO-konform sind, hat China bei den beiden ersteren Instrumenten nicht einmal die Möglichkeit im Gegenzug dazu Zölle zu erhöhen. Hier wurde in Punkt 8 zudem untersucht, ob die aktuelle Streitbeilegungspraxis die Nutzung dieser Instrumente gegenüber China erschwert, dies ist nicht der Fall. [35: FAZ. Die Deutschen wünschen sich eine Globalisierung mit Sicherheitsgurt, 19.04.2018. URL: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaft -in-deutschland-braucht-mehr-schutz-vor-globalisierung - Zugegriffen: 10.08.2019. Siehe auch Bertelsmann (2018), dort wird gezeigt, dass 52 % der Deutschen und 61 % der Amerikaner einen besseren Schutz vor Importen wünschen. In allen Ländern in dieser Umfrage liegt der Wert bei 50 % und teils bei viel höheren Werten, auch in bestimmten Entwicklungs- und Schellenländern. Dies ist offenkundig ein globaler Wunsch der Bevölkerungen viele Länder. In einer weiteren Umfrage zeigen sich die Deutschen kapitalismuskritisch, nur 23 % sehen optimistisch in die Zukunft. Siehe FAZ. Deutsche Zweifeln am Kapitalismus, Dienstag 21.01.2020. ]

- Politikempfehlung: für die handelspolitischen Schutzmaßnahmen müssen mehr 'Case Handlers' eingestellt werden, damit, wie dies offenkundig in den letzten Jahren oft der Fall war, begründete Schutzansinnen nicht abgelehnt werden oder auf später vertröstet werden, aufgrund der zu hohen Arbeitsbelastung der Kommissionsbeamten.[footnoteRef:36] [36: Personal communication. ]

Auch gegen Patentrechtsverstöße kann man vorgehen, der Zoll hat überall auf der Welt die Möglichkeit, Waren, die patentiert sind oder patentierte Bestandteile enthalten, beim Import an der Grenze zu beschlagnahmen, wenn sie unerlaubt hergestellt wurden, vom Handy bis zum Auto oder Chemieprodukt. Dies ist im TRIPS-Abkommen der WTO teils sogar zwingend festgelegt, mindestens aber ausdrücklich erlaubt.[footnoteRef:37] Eine Export- und Internationalisierungsstrategie chinesischer Firmen, die auf unfairem Diebstahl von Wissen und Patentrechtsverstößen aufbaut, ist somit nicht möglich, dieses Wissen wäre einzig im Land selbst nutzbar. Schließlich und endlich haben die Staaten noch weitere Instrumente zur Verfügung, mit denen sie ihre Wirtschaft steuern können, dies ist vor allem die Investitionskontrolle, mit der durch das Verbot von Investitionen die eigene Technologiebasis geschützt werden kann und die öffentliche Auftragsvergabe, die Spielräume eröffnet die eigenen Industrien oder die befreundeter Länder etwa in der EU zu fördern. Die EU-Generaldirektion Wettbewerb hat gezeigt, dass sie Staatkonzerne untersuchen und regulieren kann, wenn diese etwa in Europa wettbewerbsbehindernd aktiv sind, sichtbar etwa am Fall des russischen Staatskonzerns Gazprom. China hat zudem die Debatte über weitere Instrumente verstärkt: so ist in Frankreich ein Investmentfond einer staatsnahen Bank gegründet worden, der französische Firmen ggf. vor chinesischen Investoren, aber zuerst einmal auch vor U.S.-amerikanischen Finanzinvestoren bewahren soll. In Europa ist die Industriepolitik aktiv geworden, um Akkus für Elektroautos selbst bauen zu können, und seit ehedem gibt es eine staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung (F&E). Eine Schlussfolgerung hier im Text lautet, dass der Staat diese Spielräume nicht aus der Hand geben sollte. Der Staat sollte sich in diesen Bereichen deshalb nicht zu stark selbst an potentiell weitreichende, liberalisierende Regeln binden, etwa in einem 2020 geplanten EU-China-Investitionsabkommen oder dadurch, dass China im plurilateralen WTO-Abkommen zur öffentlichen Auftragsvergabe aufgenommen wird. Beides wird, zwar modifiziert und teils relativ moderat, aber immer noch von den Industrieverbänden gefordert, siehe BDI (2019). [37: Streng ist das TRIPS bei Marken- und Urheberrechtsverletzungen. Nach Art. 51 Satz 1 TRIPS müssen die WTO-Vertragsstaaten dem Rechtsinhaber ermöglichen, bei Verdacht, dass es zur Einfuhr nachgeahmter Waren kommen kann, eine Grenzbeschlagnahme dieser Waren zu beantragen. Bei anderen Schutzrechten ist die Einführung entsprechender Vorschriften nicht zwingend, aber nach Art. 51 Satz 2 TRIPS möglich. Dazu kommt, dass es möglich ist, in der WTO, direkt gegen ein ineffektives Patentschutzsystem eines Landes zu klagen. Siehe zum TRIPS Hermanns, U. (2008), S. 1286-1337.]

Schließlich gibt es auch noch eine direkte Klagemöglichkeit gegen Subventionen im WTO-SCM-Abkommen, Teil III. Diese lässt sich bei hohen Subventionen nutzen, wenn man deren Effekte auf Marktanteile und Preise nachzeichnen kann. Es ist schwerer, ernsthafte Schädigung / Nachteile ('serious prejudice') bei geringen oder mittelhohen Subventionen zu zeigen, dies ermöglicht dem Staat Spielräume. Dies Spielräume waren von den Mitgliedstaaten der WTO genauso gewünscht. Ein Verbot von Subventionen steht nicht in den WTO-Abkommen. Bei dieser Klageoption wirkt allerdings erleichternd, dass hier keine Schädigung der heimischen Industrie aufgezeigt werden muss, wie bei den Antidumping- und Ausgleichszöllen. Man kann gegen Subventionen sogar dann klagen, wenn es der eigenen Industrie gut geht. Es muss aber in einer komplexeren Analyse gezeigt werden, dass es einen preisverringernden Einfluss der Subventionen gab.[footnoteRef:38] Diese teilweisen Flexibilitäten sind gut so, weil Subventionen aus dynamisch-liberaler Sicht überall auf der Welt als Entwicklungspolitik aber auch für andere Politikziele, wie Regionalförderung oder umweltpolitische Ziele bzw. Klimaschutz eingesetzt werden können. Es ist beispielsweise denkbar, dass China in bestimmten Bereichen begründbare entwicklungspolitische Ziele verfolgen, etwa die Restrukturierung schwacher Staatskonzerne, oder die Hilfe für ein schwaches Unternehmen oder der Aufbau einer Stahl- oder Automobilindustrie. Die müsste aber transparent angelegt, mit einer Zielvorstellung versehen sein und es müßte für die Zukunft denkbar sein, dass das Unternehmen, wenn es erfolgreich geworden ist, ohne Hilfen weiter existiert. Auch ein erfolgreicher Staatskonzern könnte ohne Subventionen aktiv sein. Weiterhin wäre es wünschenswert, wenn Subventionen nicht so hoch sind, dass sie i.S. der Eroberung ganzer Märkte angelegt sind. Genauso könnte dies Russland, Indien, Brasilien oder Indonesien tun, um Marktversagen zu bekämpfen und sein Wirtschaftswachstum zu erhöhen. Auch die Industrieländer nutzen Subventionen, siehe etwa die Airbus/Boeing-Streitfälle in der WTO und Punkt 4.5. [38: Hermanns, U. (2008), S. 1154-1156. ]

Das WTO-SCM-Abkommen Teil III ist in Fällen hoher Subventionen weiter geeignet, um gegen chinesische Subventionen vorzugehen. Dies gilt z.B. eindeutig für seeräuberartige Aktivitäten, etwa bei den chinesischen Subventionen für die Solarenergie, die von Januar 2010 bis September 2011 die Höhe von 41 Mrd. US$ erreichten, denn hier wird eindeutig erkennbar Geld vom Staat auf private Akteure übertragen und danach traten eindeutig erkennbar Preis- und Marktanteilseffekte auf. China würde in einem solchen WTO-Fall auf Antrag beispielsweise der EU aufgefordert werden, nähere Informationen vorzulegen. Wenn es sich weigern würde könnte ein Panel sogar daraus ungünstig ausfallende Rückschlüsse ziehen (adverse inferences).[footnoteRef:39] Einzig: Die WTO kann nicht erreichen, dass schon gebaute Anlagen bzw. Kapazitäten wieder abgebaut werden.[footnoteRef:40] Die Regeln der WTO-Streitbeilegung sind so ausgerichtet, dass die WTO-inkonformen Aktivitäten zurückgenommen werden sollen oder ein Mitglied wird dazu autorisiert Zugeständnisse im Streitwert zurückzunehmen, ebenso sind Kompensationen möglich. Der Streitwert ergibt sich einem je nach Streit variablen Zeitraumen, für den die Subventionen dargelegt werden können und er erhöht sich, wenn die Subventionen nicht zurückgenommen werden.[footnoteRef:41] Die USA beantragte etwa jährlich Zugeständnisse von 7,4 Mrd. US$ im Airbus-Streit auszusetzen.[footnoteRef:42] Dies wurde der USA im Schlichtungsverfahren zur Streitwertfeststellung der WTO zugestanden, hier gibt es keine Berufungsmöglichkeit und die USA hat nun seit Ende 2019 die Möglichkeit eine Vielzahl von EU-Produkten mit Zöllen zu treffen, ohne dass die EU darauf reagieren darf.[footnoteRef:43] Im Solarfall hätte also mit einem WTO-Streitfall gegen China erreicht werden können, dass für 41 Mrd. US$ Zugeständnisse ausgesetzt werden dürfen, ohne dass China darauf reagieren dürfte, wobei mehrere Länder als Streitparteien beteiligt worden wären. Zusätzlich sind Antidumping- und Antisubventionszölle möglich, die den Handel mit Solarzellen beschränken. Am Rande: China unterliegt in diesem Subventions- und Ausgleichszollteil der WTO den Regeln für Industrieländer.[footnoteRef:44] [39: Der AB folgert, daß die Streitbeilegung aus einem solchen Verhalten für diese Streitpartei ungünstig ausfallende Rückschlüsse ("inferences") ziehen dürfe. Brazil vs. Canada - Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT/DS70/AB/R, 2 August 1999. S. 57-58, Paras. 203-205.] [40: Bown, C., Hillman, J. (2019), S. 14.] [41: Vidigal, G. (2013), S. 524-533.] [42: Siehe: WT/DS316/42, 4. October 2019.] [43: Siehe: U.S. Wins $7,5 Billion Award in Airbus Subsidies Case. USTR, Press Release, 10/02/2019. URL: www.ustr.gov – Zugegriffen: 24.07.2020. ] [44: China hat u.a. den Rekurs auf Art. 27.8, Art. 27.9 und Art. 27.13 ausgeschlossen. Hermanns, U. (2008), S. 1160. ]

Es ist unklar, warum es gegen China nicht mehr Subventionsfälle nach WTO-SCM Teil III gegeben hat. Im Zuge der Debatte um die WTO-Reform wird demensprechend auch diskutiert, ob man Beweisanforderungen des SCM-Abkommens erleichtern könne, etwa bei der Untersuchung des kausalen Einflusses von Subventionen auf Preisveränderungen[footnoteRef:45], siehe Chad, P. B., Hillman, J. (2019). Eine Erleichterung einer Klage wird aus dynamisch-ordoliberaler Sicht kritisch gesehen. Eine Erleichterung einer Klage betrifft in der WTO immer alle Mitgliedstaaten gleichzeitig. Durch eine zu einfache Subventionsklage könnten sinnvolle entwicklungspolitische und wirtschaftspolitische Spielräume für den Staat gefährdet werden. Und: hier geht es vor allem um China: warum sollte es dann riskiert werden, dass sich alle WTO-Länder gegenseitig mit 'einfachen' Subventionsklagen überziehen? Wenn man nach neuen WTO-SCM-Regeln suchen sollte, dann sollte eine Klage nach dem SCM weiterhin von der Beweisführung her 'normal' schwierig sein. [45: "The last issue - causation - is often the hardest, as many factors affect prices, wages, employment, production and demand." Bown, C., Hillman, J. (2019), S. 13, dort ist die Rede von einem 'evidence problem': 12-13.]

Abgelehnt werden hier weiterhin die viel zu weitgehenden und mit Zwangelementen versehenen Vorschläge zur WTO-Reform des trilateralen Dialogs von EU, USA und Japan, siehe gleich Punkt (12) Verhandlungen mit China und Punkt 8.3.9.4. Vorgeschlagen wird vom trilateralen Dialog, dass für in Schwierigkeiten geratene Konzerne nur bei einem glaubwürdigen Restrukturierungsplan Subventionen möglich seien sollten, wobei dieser Plan dann ggf. vor der WTO-Streitbeilegung angegriffen werden kann. In Sektoren mit Überkapazität sollen Subventionen ganz verboten werden. Beides greift ganz stark in staatliche Spielräume ein, wobei sich die EU, USA und Japan diese Spielräume selbst weiterhin einräumen. Für bestimmte Subventionskategorien, darunter hohe Subventionen, soll der Staat selbst Untersuchungen von Subventionseffekten durchführen, und zeigen, dass diese keine ernsthaften, nachteiligen Wirkungen in anderen Ländern haben. Kurz: China müsste eine umfangreiche Studie über die Effekte seiner Subventionen in der EU, USA und Japan vorlegen. WTO-SCM Art. 6.3 sollte um Subventionen bei Überkapazitäten ergänzt werden, offenbar um diese schnell als ernsthaft schädigend einstufen zu können. Ein Tatbestand 'threat of serious prejudice' sollte neu definiert werden, vielleicht um früher auf Subventionen reagieren zu können, hierbei würde aber eine Analyse der Wirkungen von Subventionen auf Preise nicht mehr vollzogen werden müssen d.h. die ernsthafte Schädigung bzw. Benachteilung kann leichter behauptet werden. Dies ermöglicht eine schnellere Reaktion, aber erleichtert eine Klage möglicherweise zu stark. Schließlich sollten Subventionen als verboten angesehen werden, wenn sie nicht in der WTO notifiziert worden sind. Siehe zu den weiteren Vorschlägen u.a. zu Ausgleichzöllen Punkt 8.3.9.4. Diese Vorschläge sind überzogen und scheinen nicht durchdacht zu sein, ihre Umsetzung ist teils kaum denkbar, sie greifen teils zu stark in staatliche Spielräume ein, bei Überkapazitäten sind Subventionen im Gegenteil hilfreich, um Kapazitäten abzubauen und die Zwangselemente für die Notifizierung gehen zu weit. Dass ein Restrukturierungsplan hinsichtlich der 'Glaubwürdigkeit' von der WTO-Streibeilegung überprüft werden könnte, geht in Richtung neoliberaler Regeln, die Subventionen zu stark einschränken, hier gibt es in EU-Freihandelsabkommen bereits ähnlich Regeln, siehe dazu: Punkt 8.4.1. Diese Forderungen gegen auch eindeutig erkennbar weiter als die EU-Beihilfekontrolle mit Subventionen umgeht, denn hier behält die Europäische Kommission u.a. eine breite Einschätzungsprärogative (broad discretion).[footnoteRef:46] [46: Bellamy/Child (2018), S. 1484, 1494-1496.]

Deshalb wird hier folgender Vorschlag für eine WTO-Reform in diesem Bereich gemacht:

- Es gelten weiterhin die 'normalen', bereits bestehenden SCM-Regeln für Subventionen (SCM Teil III).

- Die WTO-Streitbeilegung muss schneller werden. Fünf bis sechs Jahren für einen komplexen Subventionsfall sind zu lang.[footnoteRef:47] [47: Hier werden angegeben: 18 Monate für einen Panel-Report, 5 Monate für einen Bericht der Berufungsinstanz, 15 Monate Zeit für die Umsatzung von Empfehlungen. Dazu kommen 6 Monate Zeit zwischen den Stufen. Dazu könnten noch die Compliance-Panels nach 21.5. kommen, die die Umsetzung der Empfehlungen noch einmal überprüfen und dann die Schlichtung über Höhe der Rücknahme von Zugeständnissen. Bown, C., Hillman, J. (2019), S. 14. ]

- Es wäre denkbar, ähnlich wie dies in SCM Art. 27.6 erfolgt, in SCM Teil III Art. 6 Weltmarktanteile zu erwähnen, um eine Kategorie von sehr erfolgreichen Unternehmen zu definieren. Wenn eine Firma in einer Güterkategorie beispielsweise 10 % Weltmarktanteil erreicht hat, müssten Subventionen abgebaut und es müssten in diesem Fall keine Preis- und Marktanteilseffekte und auch keine Kausalität oder Schädigung gezeigt werden. Bei einem Fall mit einer so erfolgreichen Firma würden die Subventionen von der WTO-Streitbeilegung nur noch in ihrer Höhe erfragt, dann würde dazu aufgerufen, dass sie zurückgenommen werden oder es wird die Aussetzung von Zugeständnissen im Wert der Subventionen, sagen wir mal, der letzten 3 Jahre, autorisiert. Dies würde Spielräume für Entwicklung ermöglichen, aber bei wirklich 'erfolgreichen' Firmen Subventionen definitiv verbieten (eine solche Regel mit Umsatz- oder Profitschwellenwerten einer Firma auszustatten ist schwer, da Firmen ja nach Industriesektor unterschiedlich groß sind).

- Selbst bei einer solchen neuen Kategorie von sehr erfolgreichen Unternehmen bleibt das Problem, dass bestimmte Kategorien von Subventionen generell weiter wünschenswert sind: Klimaschutz- und Umweltsubventionen, Subventionen für regionale Entwicklung, für das Gesundheitssystem und für sonstige Aspekte der Daseinsfürsorge (für den Fall von Katastrophen gibt es in SCM, Art. 6.7, und für den Agrarbereich, Art. 6.9 sowieso bereits Ausnahmen). In der EU-Beihilfekontrolle gibt es noch mehr Ausnahmekategorien und sogar die Ausnahmen für den Aufbau von Unternehmen im europäischen Gemeinschaftsinteresse, hier wird aber von der EU-Kommission darauf geachtet, dass der Binnenmarkt nicht verzerrt wird.[footnoteRef:48] Und: Selbst für große, erfolgreiche Unternehmen müßten einmalige Subventionen weiter erlaubt sein, um etwa die Rettung eines Unternehmens im Ausnahmefall weiter zu ermöglichen.[footnoteRef:49] Durchaus denkbar ist, dass die WTO-Streitbeilegung für die Kategorie sehr erfolgreicher Firmen autorisiert wird, die erlaubten Subventionen etwa zum Klimaschutz bei einer Klage näher zu untersuchen, um etwa festzustellen, ob diese vor allem zu Klimaschutzzwecken eingesetzt werden oder um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. [48: Stuart, E., Roginska-Green, I. (2018), S. 53-84.] [49: In der EU gibt es bei den Rettungs- und Restrukturierungsbeihilfen den 'Grundsatz der einmaligen Beihilfe', die einmal in zehn Jahren erfolgen kann. Hier versucht aber die Europäische Kommission selbst bei hohen Beihilfen schädliche Wirkungen zu begrenzen, etwa durch Einschränkungen der Laufzeit, der Art und Weise der Beihilfen etc. Siehe: Mitteilung der Kommission. Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten. ABl. C 249/1, 31.7.2014. Siehe: https://ec.europa.eu/competition/state_aid/legislation/horizontal.html - Zugegriffen: 07.08.2020. ]

- In Verhandlungen mit China bietet sich weiterhin an, sich über Listen erfolgreicher Firmen zu einigen, für die fortan auf Subventionen verzichtet wird. Bei nicht erwähnten Firmen hätte China dementsprechend weiterhin entwicklungspolitische Spielräume. Für andere, nicht so mächtige Länder mit viel mehr schwächeren Unternehmen ist diese Lösung nicht geeignet. Hier stellt sich die Frage der Machtungleichgewichte: es wäre sicher nicht fair, wenn die EU, die USA und andere Industrieländer nicht ganz so starke Länder wie Indien dazu zwingen, mit Hilfe solcher Listen ganz oder sehr weitgehend auf eine Entwicklungspolitik zu verzichten. Dieser Vorschlag hier bezieht sich somit ausdrücklich nur auf China.

- Im Bereich der Überkapazitäten sind weiter Verhandlungen im G-20 Format nötig, siehe Box 16[footnoteRef:50], hier sind schnelle Lösungen unrealistisch. Dazu kommt, dass es Überkapazitäten nicht nur im Bereich Stahl und Aluminium und im Bereich Nichteisenmetalle, etwa Ferrosilizium, siehe Punkt 8.2.7., sondern auch bei Chemiegrundstoffen, in der Energieanlagenproduktion und sicher noch in weiteren Bereichen. [50: Box 16 auf S. 372, siehe dazu auch BDI (2019). ]

Selbst nach einer Reform der SCM-Regeln bleiben allerdings 'Lücken' bestehen, siehe schon BDI (2019) und Huotari, M., Kratz, A. (2019):

- eine solche 'Lücke' ist das Verhalten von chinesischen Investoren, die bereits in der EU oder der USA investiert haben. Diese Firmen könnten z.B. dennoch aus China subventioniert werden, durch direkte Geldzahlungen, Kredite, nicht den OECD-Regeln entsprechenden Exportkrediten etc. oder sie könnten durch billige Vormaterialien oder Inputgüter Vorteile eingeräumt bekommen. Eine weitere 'Lücke' entsteht dadurch, dass der Kauf einer Firma subventioniert erfolgen kann, bei der Investitionskontrolle dies nicht vorrangig untersucht wird.

- 'Lücken' entstehen auch dadurch, dass EU-Länder sich weigern politische Entscheidungsspielräume an die EU-Kommission abzugeben, etwa weil sie bewußt chinesische Firma zu billigen Konditionen etwa Infrastrukturprojekte durchführen lassen wollen. Deshalb wäre es sinnvoll, wenn die EU-Kommission auch die öffentliche Auftragsvergabe auf Subventionen, Verbindungen zu Staatskonzernen, politische Einflussnahme, Verbindungen zu Rüstungskonzernen oder wettbewerbsschädigendes Verhalten hin untersuchen könnte. Hintergrund: In der öffentlichen Auftragsvergabe gibt es kein Abkommen zwischen der EU und China. Chinesische Firmen können problemlos von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden, genauso gibt es aber die Möglichkeit sie zuzulassen.

Auf diese 'Lücken' versucht derzeit die EU-Kommission in ihrem Weißbuch 2020 zu Subventionen eine Antwort zu finden, indem mögliche Subventionen an Firmen, im Güter- und Dienstleistungsbereich[footnoteRef:51], die schon in Europa aktiv sind, untersucht werden können und hier Abhilfe- bzw. Gegenmaßnahmen möglich werden (Modul 1) und Subventionen, die beim Ankauf einer Firma eine Rolle spielen, untersucht werden und hier Abhilfemaßnahmen möglich werden (Modul 2). Enthalten sind hier auch Vorschläge zu Änderungen am Wettbewerbsrecht, der öffentlichen Auftragsvergabe und des Zugangs subventionierte, ausländischer Firmen zum EU-Programmen, siehe European Comission (2020), und Punkt 8.3.8.4. [51: Agrarprodukte sollen unter Ausgleichszölle fallen. European Commission (2020), S. 16. ]

- zu Modul 1 wird hier kritisch angemerkt, dass unklar ist, ob subventionierte Inputgüter eine eigene Kategorie darstellen, da sie nicht in einer ersten Liste von Subventionen auftauchen, bei denen auch die Möglichkeit eingeräumt werden soll, dass sich die betroffene Firma gegen die Vorwürfe äußert. Im Prinzip fallen Inputgüter aber unter die Subventionsdefinition der EU.[footnoteRef:52] Bei den bestehenden Überkapazitäten und teils faktisch bestehenden Exporthindernissen besteht durch die Untersuchung von Inputgüter ein mächtiges Instrument, um Subventionierung feststellen zu können, letztlich bei jedem Stahl- oder Aluminiumteil, welches nach Europa geschickt wird. Sinnvoll ist der niedrige Schwellenwert von 200.000 Euro, um alle Subventionen erfassen zu können.[footnoteRef:53] Die schwierigste Aufgabe wird sicher sein, Subventionen, die durch komplizierte Finanztransaktionen in China faktisch eingeräumt werden, feststellen zu können. Etwa wenn ein Kredit eingeräumt wird und im Gegenzug Firmenanteile vergeben werden, dieser Kredit aber letztlich an eine Firma vergeben wird, die zu diesem Zeitpunkt gar nicht kreditwürdig ist. Dies kann auch auf Druck der Kommunistischen Partei erfolgen.[footnoteRef:54] [52: European Commission (2020), S. 18, dort befindet sich die erste Liste ohne subventionierte Güter bzw. Inputgüter zu erwähnen. Die Definition von Subventionen enthält dagegen: "the provision of goods and services or the purchase of goods and services", siehe S. 55. ] [53: European Commission (2020), S. 18.] [54: Es kommt auch vor, dass die Firmen ihre Anteile verleihen, und versprechen, sie später zu einem höheren Preis zurückzukaufen. Damit können Kreditlaufzeiten verlängert werden. Ebenso ist es möglich, dass die Firmen gemeinsam eine Investmentfond gründen, um nachher wieder in sich selbst zu investieren. Hierzu sind Informationen schwer zu erhalten. Siehe zum detaillierten Versuch, solche Transaktionen zu rekonstruieren: Taube/Think!Desk (2017), S. 48. ]

- zu Modul 2 wird hier kritisch angemerkt, dass es von der EU-Kommission als nicht praktisch durchführbar angesehen wird, dass alle Firmenübernahmen durch China und eine potentielle Subventionierung dieser erfaßt und notifiziert werden müssen.[footnoteRef:55] Bei Lichte gesehen, wäre es aber sehr wohl denkbar, dass die Europäische Kommission mehr Stellen einrichtet, damit alle Investitionen Chinas (und ggf. auch Russlands und Indiens) in Europa erst einmal erfasst werden, eben auch die Reiseveranstalter, die China-Restaurants etc. und einen kurzes Steckbrief mit Informationen, u.a. zu Subventionen, der EU-Kommission zur Verfügung stellen müssten. Ab 10 Mill. Euro könnte man dann etwa alle Investitionen durch Mitarbeiter der EU-Kommission auf unklare Aspekte, mögliche Subventionierung und mögliche chinesische Ziele europäische Technologie für sich zu sichern, untersuchen lassen. Erst dadurch ließe sich etwa ein Überblick gewinnen, ob China etwa gezielt kleinere Investitionen nutzt, um etwa Technologie zu erlangen. Fällt hier ein Fall auf, könnte man ihn genauer untersuchen. Die Europäische Kommission zieht es aber vor, erst ab einem bestimmten Schwellenwert hinsichtlich Umsätze und Subventionen bei Aufkäufen überhaupt eine Notifizierungspflicht vorzusehen. Kurz: Zuerst einmal müssen Firmen, die keine Subventionen vorliegen haben, gar nicht einen Kauf eines europäischen Unternehmes bei der EU-Kommission unter diesem Instrument melden. Dazu kommen Schwellenwerte: erst ein Kauf eines Unternehmens mit einem Umsatz von 100 Mill. Euro, der mit 10 Mill. Euro (in drei Jahren) subventioniert wurde ist notifizierungspflichtig (d.h. Umsatz 99 Mill. Euro, 9 Mill Euro Subventionen (in drei Jahren) wäre nicht notifizierungspflichtig). Auch die Kriterien, die die Wahrscheinlichkeit eines marktverzerrenden Effekts erkennen lassen sollen, lassen sich gegen den Strich lesen, sodass China jedenfalls mit geringen Subventionen eine kleinere Maschinenbaufirma kaufen kann, ohne dass dies als Marktverzerrung erkannt werden würde. Wie dem auch sei, wenn eine Marktverzerrung festgestellt wird, dann können Gegenmaßnahmen ergriffen werden, besondere Auflagen oder ein Verbot.[footnoteRef:56] Dieses Instrument ist rein für Subventionen zuständig ist. In der davon unabhängigen Investitionskontrolle werden weitere Ablehnungsgründe wirksam. Wie dem auch sei, die Schwellenwerte in Modul 2 sind jedenfalls zu hoch, um auf kleinere, aber dennoch offenkundig unfaire und subventionierte Firmenaufkäufe reagieren zu können, etwa einen chinesischen Textilhersteller, der teils staatlich ist und weltweit viele Auslandsinvestitionen durchführt.[footnoteRef:57] Oder dem chinesischen Hersteller kleinerer Motoren, Wolong Electric, der überall auf der Welt Hersteller kleinerer Motoren aufkauft, siehe Punkt 6.27, und dabei offenkundig eine Strategie der Dominanz in einem sehr 'schmalen' Produktbereich verfolgt. 2015 kaufte Wolong die heimische Nanfang Gruppe und die italienische Firma OLI, sodann Hill Robot für 40 Mill. US$ und Euroforce Vibration für 80 Mill. US$.[footnoteRef:58] Wolong Electric hat 2017 Generel Electric Industriemotoren aufgekauft, genannt GEIM, aus der