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(Aus der Physiologischen Abteilung [Leiter: A. E. Kornmiiller] des Kaiser-Wilhelm. Instituts ftir Hirnforschung [Direktor: Prof. H. Spatz], Berlin-Buch.) Weitere Ergebnisse fiber die normalen hirnbioelektrischen Erscheinungen des Mensehen bei Ableitung durch die Kopfschwarte. Einblicke in den Mechanismus der corticalen Erregungs- abl~iufe und in die regionale Gliederung der Hirnrinde. Von A. E. Kornmiiller. Mit l0 Textabbfldungen. (Eingegangen am 16. Juai 1939.) I. Einleitung. In einer vorangehenden Mitteilung (Kornmi~ller und Janzen 1) wurdc unter anderem ausgeffihrt, dab es im Gegensatz zu den herrschenden Auffassungen mSglich ist, auch bei Ableitung von der Kopfschwarte eine gewisse bioelektrische Differenzierung der Hirnrinde des Menschen zu erfassen. Ferner konnte darauf hingewiesen werden, dab es auf Grund bestimmter hirnbioelektrischer Kennzeichen gelingt, Einblicke in den Mechanismus der corticalen Erregungsabldu/e zu gewinnen. Damit sind bisher nicht geahnte MSglichkeiten der Methodik lokalisierter Ab- leitungen hirnbioelektrischer Erscheinungen durch die Kopfschwarte sowohl im Dienste der Physiologie als auch der Pathologie gegeben. Ent- scheidend dafiir waren Feststellungen, die sich bei der Ausarbeitung der Methodik der lokalisierten Ableitung hirnbioelektrischer Erscheinun- gen durch die Kopfschwarte des Menschen ergeben haben (Kornmi~ller und Janzen2). Dort konnte unter anderem mitgeteilt werden, da~ sich bei der fiblichen Registrierempfindlichkeit die bioelektrischen Spannungs- schwankungen eines bestimmten Punktes der Hirnrinde durch die Kopf- schwarte in seitlicher Richtung nur etwa 2 cm welt auswirken. Innerhalb dieses Streubereiches mu~te es daher gelingen, durch Ableitung vonder Kopfhaut die bioelektrische T~tigkeit einzelner Gebiete der Hirnrinde, wenn auch in ihrem Bilde vergrSbert, zu erfassen. Unter dieser Voraus- setzung mul3te sich auch am Menschen selbst bei Ableitung durch die Kopfschwarte erkennen lassen, was an Tieren -- einschliel31ich Allen -- immer wieder beobachtet wurde, da~ niimlich 6rtliche Unterschiede in der bioelektrischen Ts bestehen (Kornmiiller 1932--1938). Diese be- treffen fiber der Konvexits des Menschenhirns nicht so sehr die Kurven- l Kornmiiller u. Janzen: Arch. f. Psychiatr. 110, 224 (1939a). Dort finder sich auch das Schrifttum. -- 2 Kornmiiller u. Janzen: Z. Neur. 166, 287 (1939b).

Weitere Ergebnisse über die normalen hirnbioelektrischen Erscheinungen des Menschen bei Ableitung durch die Kopfschwarte

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(Aus der Physiologischen Abteilung [Leiter: A. E. Kornmiiller] des Kaiser-Wilhelm. Instituts ftir Hirnforschung [Direktor: Prof. H. Spatz], Berlin-Buch.)

Weitere Ergebnisse fiber die normalen hirnbioelektrischen Erscheinungen des Mensehen

bei Ableitung durch die Kopfschwarte. Einblicke in den Mechanismus der corticalen Erregungs- abl~iufe und in die regionale Gliederung der Hirnrinde.

Von A. E. Kornmiiller.

Mit l0 Textabbfldungen.

(Eingegangen am 16. Juai 1939.)

I. Einleitung. In einer vorangehenden Mitteilung (Kornmi~ller und Janzen 1) wurdc

unter anderem ausgeffihrt, dab es im Gegensatz zu den herrschenden Auffassungen mSglich ist, auch bei Ableitung von der Kopfschwarte eine gewisse bioelektrische Differenzierung der Hirnrinde des Menschen zu erfassen. Ferner konnte darauf hingewiesen werden, dab es auf Grund bestimmter hirnbioelektrischer Kennzeichen gelingt, Einblicke in den Mechanismus der corticalen Erregungsabldu/e zu gewinnen. Damit sind bisher nicht geahnte MSglichkeiten der Methodik lokalisierter Ab- leitungen hirnbioelektrischer Erscheinungen durch die Kopfschwarte sowohl im Dienste der Physiologie als auch der Pathologie gegeben. Ent- scheidend dafiir waren Feststellungen, die sich bei der Ausarbeitung der Methodik der lokalisierten Ableitung hirnbioelektrischer Erscheinun- gen durch die Kopfschwarte des Menschen ergeben haben (Kornmi~ller und Janzen2). Dort konnte unter anderem mitgeteilt werden, da~ sich bei der fiblichen Registrierempfindlichkeit die bioelektrischen Spannungs- schwankungen eines bestimmten Punktes der Hirnrinde durch die Kopf- schwarte in seitlicher Richtung nur etwa 2 cm welt auswirken. Innerhalb dieses Streubereiches mu~te es daher gelingen, durch Ableitung v o n d e r Kopfhaut die bioelektrische T~tigkeit einzelner Gebiete der Hirnrinde, wenn auch in ihrem Bilde vergrSbert, zu erfassen. Unter dieser Voraus- setzung mul3te sich auch am Menschen selbst bei Ableitung durch die Kopfschwarte erkennen lassen, was an Tieren - - einschliel31ich Allen - - immer wieder beobachtet wurde, da~ niimlich 6rtliche Unterschiede in der bioelektrischen Ts bestehen (Kornmiiller 1932--1938). Diese be- treffen fiber der Konvexits des Menschenhirns nicht so sehr die Kurven-

l Kornmiiller u. Janzen: Arch. f. Psychiatr. 110, 224 (1939a). Dort finder sich auch das Schrifttum. - - 2 Kornmiiller u. Janzen: Z. Neur. 166, 287 (1939b).

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form als die zeitlichen Verh~ltnisse der Potentialschwankungen der verschiedenen Ableitestellen zueinander (Kornmi~ller und Janzenl). Neuerdings hat auch Lindsley 2 2 occipitale, einen parietalen und einen temporalen Fokus fiir die Produktion des :r festgestellt und zum Ausdruck gebracht, dab der u-Rhythmus jeder dieser Regionen eine besondere Herkunft hat. Auch Jasper und Andrews 3 haben bei Untersuchungen fiber die Occipital- und Pr~zentralregion die Auffassung einer selbst~ndigen Entstehung deren :r ge~uBert. Es mehren sich also die Beobachtungen, die zeigen, dai~ aueh am Menschen die bioelektrische T~tigkeit der ttirnrinde eindeutige 5rtliche Unterschiede aufweisen muB, wie dies von Kornmi~ller seit 1932 immer wieder gegenfiber der Auffassung von Berger vertreten wurde.

Ausgehend von unseren friiheren Untersuchungen (1. c.) hat sich die vorliegende Mitteilung folgende Aufgaben gestellt:

1. Es sollen weitere Beispiele daffir gebracht werden, dab man unter bestimmten methodischen Voraussetzungen aus den hirnbioelektrischen Ableitungen yon der Kopfschwarte Einblicke in den Mechanismus der corticalen Erregungsabldu/e gewinnen kann. 2. Es wird untersucht, ob es mSglich ist, auf Grund der hirnbioelektrischen Erscheinungen, die von der Kopfschwarte abgeleitet werden, Einblicke in die regionale Gliederung der Hirnrinde zu gewinnen. 3. Im AnschluB daran sollen diese physio- logischen Befunde in Beziehung zu morphologischen Tatsachen (vor allem der Faseranatomie) gesetzt werden. Es wird von besonderen Befunden zu berichten sein, die offenbar den Ausdruck bestimmter faseranatomi- scher Verbindungen z .B. auch mit subcorticalen Kernen darstellen. Daraus erg/~be sich auch eine Reihe von MSglichkeiten, auf Grund bestimmter, durch Ableitung vonder Kop/schwarte faBbarer Kriterien des bioelektrischen Verhaltens der Hirnrinde normale bzw. abnorme Verhdltnisse in bestimmten Stammganglien zu erkennen.

I[. Methodisches. l~ber die Methodik der lokalisierten Ableitungen der bioelektrischen

Potentialschwankungen der Hirnrinde dutch die Kop/schwarte wurde bereits friiher berichtet (1. c.). Fiir den Zusammenhang dieser Arbeit wiederholen wir, dab es bei der Unregelm~Bigkeit der hirnbioeiektrischen Abls zur Erkennung yon Gesetzm~Bigkeiten erforderlich ist, Dauer- registrierungen, am besten mit Tintenschreibern 4, vorzunehmen. Dies wird deswegen betont, um einer eventuellen Kritik an den vorzulegenden Befunden auf Grund eines zu geringen Materials zu begegnen. Bei der Durchsicht yon Dauerregistrierungen f/~llt auf, daB das bioelektrische

1 Kornmiiller u. Janzen: 1939a, 1. c. - - 2 Lindsley: J. of exper. Psychol. 28, 159 (1938). - - a Jasper and Andrews: Arch. of /%ur. 89, 96 {1938).

4 Alle hier abgebfldeten Kurven wurden mit dem TBnniesschen Polyneuro- graphen gewonnen.

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Bild sehr wechselvoll sein kann, so dab man den Eindruck gewinnt, dab sich darin, wie anzunehmen ist, Zustandsdnderungen ausdrficken. Des- wegen wurde in der vorliegenden Untersuchung besonderer Wert darauf gelegt, dab die /~uBeren und inneren Voraussetzungen bei den einzelnen Ableitungen so gut wie mSglich gleich gehalten wurden. Die hier ausge- werteten Befunde konnten im Prinzip immer wieder reproduziert werden. Erst in einer sps Mitteilung soll fiber die Ab/tnderungen der einzelnen hirnbioelektrischen Kriterien unter den verschiedensten Bedingungen be- richtet werden. Die mitzuteilenden Befunde konnten an verschiedenen Versuchspersonen gemacht werden 1. Wir beziehen uns hier bezfiglich der

A b b . 1 a u n 4 b. a D ie A b l e i t e p u n k t e f~u' d i e R e g i s t r l e r u n g e n t ie r A b b . 2 - - 9 . b I ) i e Kon~- b i n a t i o n g l e i c h z e i t i g e r u n i - (x u n d y) u n d e i n e r b i p o l a r e n (x--y) A b l e i t u n g y o n z w e i t M n k t e n

( X u n d V) z u m V c r g l e i c h i h r e r S p a n m m g s s c h w a n k u n g e n ,

Abbildungen nur auf Registrierungcn, die von einer Versuchsperson (A. K.) gewonnen wurden. Damit soll dem Einwand begegnet werden, dab es sich nicht um 5rtliche, sondern um individuelle Unterschiede handeln kSnnte. Wie in den beiden vorangehenden Untersuchungen kommt es in erster Linie darauf an, das bioelektrische Verhalten von je 2 Punkten der Kopfschwarte auf Grund bestimmter methodischer Voraussetzungen zu vergleichen. Wir berichten haupts~chlich fiber Ableitungen yon je 2 Stellen, die, wie Abb. la zeigt, sagittal neben oder au] der Mittellinie in einerReihe yon occipital nach frontal in Abst~nden von 2,5 cm gleich- mi~Big verteilt waren. Die Ableitungen der Abb. 3, 4 B und C, 5 und 8 s tammen yon der medianen Reihe und die der Abb. 2, 4 A, 6, 7 und 9 von der lateralen. Die mit gleichen Nummern bezeichneten Punkte der seitlichen Reihe liegen je 2 cm lateral von der Mittellinie. In dem bio- elektrischen Verhalten der in mediolateraler Richtung benachbarten

1 Siehe z. B. auch einzelne der Abbildungen der Arbeit Kornmiiller und Janzen, 1939a, 1. c.

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tiber die normalen hirnbioelektrischen Erscheinungen des Menschen. 251

Punkte dieser beiden Reihen fanden sich keine grob faBbaren Unter- sehiede. 13ber die Beziehungen der Potentialschwankungen yon je 2 Punkten 1/~l~t sich natfirlich am besten etwas aussagen, wenn man sieh auf Registrierungen mit grSf~eren Papiergeschwindigkeiten bezieht, um z. B. aueh zeitliehe VerhKltnisse, wie aueh Einzelheiten der Kurvenform genau erfassen zu kSnnen. Wir haben solche Registrierungen in reichem MaBe vorgenommen. Aus Griinden der Platzersparnis bilden wir im folgenden nur l~egistrierungen mit geringen P~piergesehwindigkeiten ab.

Auf Abb. lb ist nun schematisch die ebenfalls bereits in den beiden zitierten Arbeiten mitgeteilte Kombination yon Ableitungen i dargestellt, auf die wir uns hier zur Hauptsaehe beziehen. Gleichzeitig wird yon 2 gew~hlten Punkten X und Y je unipolar von X (x) und Y (y) gegen ein Ohrls und bipolar zwischen X und Y (x--y) abgeleitet. Alle folgenden Abbildungen zeigen Kurven, die mit Hilfe dieser Ableitungs- kombination gewonnen wurden.

Bemerkt werden muB noeh, dab die Registrieremp/indlichkeit ]~tr alle 3 Kurven bei jeder der ]olgenden Abbildungen gleich war, so dab ein direkter Vergleich der AmplitudengrSflen innerhalb jeder Abbildung mSglich ist.

IIl. Ergebnisse. Einblick in den Mechanismus der corticalen Erregungsabldu/e mit Hil]e

hirnbioelektrischer Ableitungen vonder Kop/schwarte. Abb. 2 zeigt gleichzeitige Ableitungen von den Punkten 6 und 1 (der

Abb. la), und zwar unipolar yon 6, bipolar zwisehen 6 und 1 (6--1) und unipolar von 1. Die Registrierungen A und B schlieBen unmittelbar aneinander an. Beim Vergleich der beiden unipolaren Registrierungen (6 und 1) fii, llt auf, dab sowohl bezfiglich der Kurvenform als auch im zeitlichen Ablauf deutliche Untersehiede bestehen, l~ber der Stelle 6 herrsehen rasch ablaufende Schwankungen vor, die unregelm/~Big auf- einanderfolgen im Gegensatz zu den tr/~gen Abl~ufen fiber 1, wo sich auBerdem eine mehr oder weniger andauernde Produktion von grogen Schwankungen zeigt, die lediglich ein geringes An- und Abschwellen der Amplituden aufweisen. Bei Betrachtung der bipolaren Ableitung (6--1) f/s auf, dab sic an Amplitude den beiden unipolaren nicht nachsteht. Aueh die GrSBe der Amplituden der bipolaren Ableitung sprieht dafiir, dab die Potentialsehwankungen unter den beiden Ableitestellen irgend- wie ungleieh sind.

Ein ebenfalls h/iufig zu erhebender Befund, der sich dem voran- ~,ehenden gut anreihen 1/~Bt, ist der, daft Gruppen von Entladungen je zweier Ableitestellen mehr oder weniger gleichzeitig beginnen und enden, ohne dal~ abet die Einzelheiten der Wellen fibereinstimmen.' Dement- :~prechend l/s die bipolare Ableitung zwisehen solehen Punkten recht

1 Ihre eingehende Begriindung finder sieh bei Kornmiiller und Schaeder: J. of Neurophysiol. 1, 287 (1938).

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grol~e Amplituden erkennen. In solchen F/~llen mul3 wohl eine Ver- kniipfung der Spannungsproduktion und entsprechend auch der ner- v6sen Erregungen zweier Stellen bestehen, die aber nicht so eng sein kann, wie in den im folgenden beschriebenen F/illen.

Abb. 3 stellt eine Registrierung yon den Punkten 8 und 7 (der Abb. ]a) dar. Gleichzeitig wurde unipolar yon 8, bipolar zwischen 8 und 7 (8--7)

Abb. 2 A und B. Gleichzeitige dre i fache Regis t r ie rung yon den Stellen 6 nnd 1 der Abb. l a : unipolar (6 und 1) und bipolar (6--1).

und unipolar von 7 abgeleitet. Die Ablgufe der beiden unipolaren Ab- leitungen sind zu jedem Zeitpunkt auffallend gleich. Sie sind aber auch weitgehend synehron, was sich aus dem Befund der bipolaren Ableitung 8 ~ 7 ergibt. Diese weist kaum Potentialsehwankungen auf, was dadurch zu erkliiren ist, dab sich die gleichf6rmigen Sehwankungen unter den beiden Stellen in ihrer Wirkung auf die bipolare Ableitung deswegen weit- gehend aufheben, weil jeweils kaum eine Dil/erenz zwisehen den Span- nungsschwankungen beider Punkte besteht. In dem vorliegenden Fall handelt es sich um 2 eng benachbarte Punkte, der Elektrodenabstand betrug nur 2,5 era. ])ieserBefund ]iifit deswegen nieht den SchluB zu, dab

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auch die unter den Elektroden liegenden Hirnrindenstellen vSllig gleich und synchron in ihrer Spannungsprodukt ion sind, well die Elektroden- abst/mde innerhalb des Bereiches der seitlichen Streuung der Hirn- rindenpotentiale durch die Kopfschwarte liegen. Kornmiiller und Janzen (1939b, 1. c.) haben an geeigneten Kranken (mit halbseitigen Hirn- rindensch/~digungen) feststellen kSnnen, dal~ das bioelektrisch aktive Gebiet etwa 2 cm weir fiber das gesch/tdigte inaktive Gebiet s treut (d. h. bei der fiblichen Registrierempfindlichkeit ein solcher ,,Streu- bereieh" naehweisbar ist). Die beiden Autoren konnten aber Beispiele daffir mitteilen, dal~ auch bei gr61~erem Elektrodenabstand, der sicher

Abb. 3. Gleichzeitige dre i fache Regis t r ie l~ng yon den Stellen 8 und 7 der Abb. l a : un ipo la r (8 und 7) und b ipolar (8--7).

aul~erhalb des Streubereiches liegt, fiber vorderen Abschnit ten des Frontalhirns derselbe Befund, wie er in Abb. 3 dargestellt ist, erhoben werden kann 1. Es gibt also ohne Zweifel Hirnrindenstellen, deren bio- elektrisehe Spannungsprodukt ion weitgehend gleichartig und synchron ist.

Wir konnten den erw~hnten Streubereich nun auch am Gesunden nachweisen, indem wir fiber dem Occipitalhirn, fiber welchem der Vergleich der Potential- schwankungen von je 2 Stellen quantitative und zeitliche Unterschiede einander ,,entspreehender" Spannungsschwankungen ergab, verschieden grol~e Elektroden- abst~nde benutzten. Es zeigte sich, dal~ bei einem Abstand von weniger als etwa 6 cm die Amplituden der bipolaren Registrierung anfingen abzusinken, was wir dadurch erkli~ren mfissen, da$ dann bestimmte Punkte zwischen den Elektroden sieh auf beide in gleieher Weise auswirken und sich datum in ihrer Wirkung auf die bipolare Ableitung aufheben. Dieser etwa doppelte Wert des frfiher an Kranken angegebenen Streubereiches erkl~rt sich dadurch, dab es sich bei den Untersuchungen an Kranken um Ermittlung der Streuung naeh einer Richtung handelte, w~hrend wires hier mit der bioelektrischen Auswirkung eines angenommenen Hirnrinden- punktes im Umkreis zu tun haben. Wir glauben aber, dab sich in der angegebenen Weise auch an normalen Versuchspersonen der ungefahre Wert der bioelektrisehen Seitenauswirkung eines Hirnrindenpunktes dureh Knoehen und Kopfschwarte bei der fiblichen Registrierempfindlichkeit ermitteln lallt.

1 S. Abb. 5 bei Kornmi~ller und Janzen, 1939a, 1. c. !

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Bei dem Vergleich von bestimmten Paaren von Punkten ergaben sich auch Befunde, die zwischen dem Fall der vollkommenen Gleichheit auf den unipolaren und entspreehendem Fehlen der Schwankungen auf der bipolaren Ableitung und dem Befund, wie er auf der Abb. 2 gezeigt ist, stehen. Es handelt sich dabei um die Tatsache, da6 bei Elektroden- abst~nden, die auBerhalb des Streubereiches liegen, die Amplituden der Potentialschwankungen der bipolaren Ableitung st~ndig etwas (aber nicht maximal) kleiner sind als die der dazu gehSrenden unipolaren Ab- leitungen. Darin drfickt sich wohl eine nur teilweise ,,Gleichartigkeit'" der Abl~,ufe aus, oder aber es kann sich in anderen F~llen um synchrone Schwankungen zweier Stellen handeln, deren Abl~ufe quantitative Unter- schiede aufweisen. Schlie01ich ist aueh eine Kombination der beiden letztgenannten MSgliehkeiten denkbar. Eine Entscheidung kann jeweils nur durch Registrierungen mit genfigend raschen Papiergeschwindigkeiten gef~llt werden.

Wurde eben von andauernder Gleichheit der Kurvenform und Gleich- zeitigkeit der bioelektrischen Spannungsproduktion zweier Punkte be- richter, so sollen nun, wie schon kurz in der vorangehenden Mitteilung (1. c.), mehrere Beispiele von nur vori~bergehender Gleichheit der Potential- schwankungen zweier Stellen gezeigt werden. Abb. 4 A bringt unipolare Ableitungen von den Stellen 4 und 1 und die bipolare Ableitung 4--1 (der Abb. la). Auf der bipolaren Ableitung f/~llt auf, dab etwa in der Mitte eine deutliche Verminderung der Potentialschwankungen auftritt, w/~hrend zur selben Zeit auf den beiden unipolaren Registrierungen recht groBe Schwankungen zu sehen sind. W/~hrend dieser Zeit also miissen die besagten Wellen unter den beiden Elektroden weitgehend gleich und synchron sein. Vor und nach diesem Zeitpunkt ist dies nicht der Fall, da die bipolare Ableitung deutliche Potentialschwankungen erkennen l~Bt.

Abb. 4 B bringt ebenso wie C ein weiteres Beispiel ffir die voriiber- gehende Synchronisierung und Gleichheit der Potentialschwankungen zweier Stellen. Das geschilderte Verhalten zeigt sich bereits in der ersten H/~lfte yon 4B. Etwa in der Mitte dieser Registrierung entwickelt sich fiber der Stelle 3 eine Gruppe mit Schwankungen groBer Amplitude. Diese 16sen offenbar nach etwa 4/5 Sek. eine ~hnliche Gruppe fiber 5 aus. Letztere ist aber mit dem entsprechenden Abschnitt fiber 3 derartig" gleich, dab trotz der Gr6Be der Potentialschwankungen fiber den beiden unipolaren Ableitungen die bipolare ihre Amplituden sehr stark reduziert. (Diese Strecke ist durch die rechte punktierte Linie markiert.) Es hat schon bei Abb. 4B den Anschein, dab die vorfibergehende Reduktion an Wellen bestimmter Ablau/s/orm geknfipft ist. Sowohl in der ersten als auch in der zweiten H/~lfte dieser Abbildung sind es die groBen und regel- m/~Big ablaufenden Schwankungen, die sich in ihrer Wirkung auf die bipolare Ableitung aufheben. DaB das besagte Ph/~nomen gelegentlich

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an Schwankungen bestimmter Ablaufsform geknfipft ist, haben wir oft beobachten miissen, und wir bringen daffir auf Abb. 4C noch ein weiteres Beispiel. Hier handelt es sich um den Vergleich der Punkte 4 und 1 {der Abb. la). Am Anfang der zweiten H/ilfte dieses Streifens zeigt sich auf der bipolaren Registrierung voriibergehend eine deutliche Vermin- derung der Amplituden. (Durch die strichpunktierte Linie markiert.)

Abb. 4 A--C. A Gleichzci t ige d re i f achc R e g i s t r i e r u n g yon den Stellcn 4 u n d 1 der Abb. l a : un ipo la r (1 u n d 1) und b ipo la r (4--1). B Dasse lbe ffir die P u n k t e 5 und 3. C wie A.

W/thrend dieser Zeit finden sich auf den beiden unipolaren Ableitungen 4 und 1 Schwankungen, die durch ein s/~gezahnartiges Bild sich deutlich yon den anderen, mehr sinusfSrmig aussehenden Schwankungen unter- scheiden.

Es folgen nun Befunde, die im Gegensatz zu den zuletzt behandelten Verminderungen weitere Beispiele ffir die bereits friiher (1939a, 1. c.) kurz mitgeteilte Tatsache bringen, dal] sich Potentialschwankunqen in ihrer Wirkung auf die bipolare Registrierung addieren kSnnen.

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Abb. 5 A stellt Ableitungen dar, die yon den Punkten 9 und 1 (der Abb. la) gewonnen wurden. Gleieh zu Beginn von A zeigt sich fiber 9 wie fiber 1 je eine Gruppe grSi3erer Schwankungen. Gleichzeitig wurde bipolar eine entsprechende Gruppe registriert, deren Amplituden aber deutlich grSBer sind als die der unipolaren Ableitungen. Dieser Gruppe auf der bipolaren Ableitung folgt eine zweite mit kleinerer Amplitude. Letztere stammt ohne Zweifel vorwiegend yon der Elektrode fiber 1.

:kbb. 52L und B. A Gleichzeit ige dre i fache Regis t r ie rung yon den Stellen 9 und 1 de r Abb. l a : tmipolar (9 uncl 1) und bipolar (9--1). B Dasselbe fiir die P u n k t e 6 und 1.

Alle mitgeteilten Befunde waren nie vereinzelt, sondern zeigten sich bei denselben Elektrodenlagen immer wieder. Abb. 5 B bringt ein analoges Beispiel ffir die Stellen 6 und I (der Abb. la). Man beachte die besondere GrSBe der Amplituden einzelner Wellen der bipolaren Ableitung (6--1).

Wir bringen im folgenden aus der groSen Ffille yon Beispielen fiber Besonderheiten in den Beziehungen der Potentialsehwankungen ]e zweier Ableitestellen nur noeh wenige bemerkenswerte Befunde, die sich zumindestens teilweise in die oben mitgeteilten Gruppen ein- reihen lassen.

Abb. 6 stellt einen Vergleich der Ableitepunkte 5 und 3 (der Abb. la) dar. Die unipolare Registrierung von 3 zeigt nach dem ersten Viertel yon A und besonders auf B nur geringe Schwankungen in den Amplituden. Trotzdem finder sieh bipolar (5---3) ein rhythmisches An- und Abschwellen

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f i b e r d i e n o r m a l e n h i r n b i o e l e k t r i s c h e n E r s c h e i n u n g e n d e s M e n s c h e n . 257

der AmplitudengrSl~e. Dieses Verhalten konnte h~ufig beobachtet werden. Es beruht darauf, dab der andere Ableitepunkt (5) rhythmisch Schwan- kungen aufweist, die den gleichzeitig unter 3 vorhandenen weitgehend gleichen, so da[~ sie sich in ihrer Wirkung auf die bipolare weitgehend aufheben (Reduktion der Schwankungen fiber 5--3). Die beiden Stellen

Abb . 6 A a n d B. Gle ichzei t ige d r c i f a c h e R c g i s t r i e r t m g y o n d e n Stc l len 5 u n d 3 de r Abb . l a : u n i p o l a r (5 u n d 3) a n d b i p o l a r (5--3).

werden also rhythmisch wiederkehrend gleichzeitig und gleichartig erregt, um in der Zwischenzeit wieder ,,aus dem Schritt zu fallen".

Abb. 7 bringt sozusagen ein Gegenstiick zu Abb. 6. Die unipolaren Registrierungen yon den Punkten 5 und 2 (der Abb. la) zeigen ein weeh- selndes Bild, die gleichzeitig vorgenommene bipolare Ableitung (5---2) dagegen ein mehr gleiehbleibendes. Die ,,Liicken" in der Spannungs- produktion der einen Stelle fiillt die andere aus. Eine typische Strecke ist durch die gestrichelte Linie markiert.

Z. f. d. g. Neur . u. P s y c h . 168. 17

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258 A.E. Kommiiller: Weitere Ergebnisse

W/~hrend das Bild der bipolar registr ierten K u r v e n im al lgemeinen die Differenz der Po ten t ia l schwankungen darstel l t 1, die die unipolaren Ab. le i tungen yon den beiden P u n k t e n der bipolaren Registr ierung ergeben,

~.bb. 7. Gleichzeitige dreifache l~egistrierung yon den Stellen 5 und 2 der Abb. la: unipolar (5 und 2) un4 bipolar (5--2).

Abb. 8. Gleichzeitige dreifache Registrierung yon den Stellen 4 und 1 der Abb. la: unipolar (4 und 1) und bipolar (4--1).

f/~llt gelegentlich auf, dal~ bipolar Schwankungen beobachtet werden, die nicht so ohne weiteres als Differenz der unipolaren K u r v e n erscheinen. Abb. 8 zeigt in der Mitte unipolar yon den P u n k t e n 4 und 1 eine Gruppe

1 Dabei mfissen selbstverst/indlich die Auflagestellen der ,,indifferenten" Elektroden mSglichst frei yon Potentialschwankungen sein.

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iiber die normalen hirnbioelektrischen Erscheinungen des Menschen. 259

von 3 Schwankungen gr66erer Amplitude und bipolar (4--1) gleichzeitig eine Amplitudenverminderung unter Sichtbarwerden einer rascheren Frequenz. In solchen Fitllen mu[~ entschieden werden, ob es sich um das Produkt einer Phasenverschiebung der Potentialschwankungen der beiden

Abb. 9. Gleichzeitige dre i fache Regis t r ie rung yon den Stellen 6 und 1 dcr Abb. l a : unipolar (6 und 1) l m d bipolar (6--1).

Ableitestellen handelt oder ob durch Subtraktion einer Grundschwingung andere vorhandene Schwingungen deutlich siehtbar werden.

In Hinblick auf die Besprechung weiter unten bringen wir noch auf Abb. 9 ein Beispiel des Vergleichs der Punkte 6 und 1 (der Abb. la). Dieser ergibt, dab deutliche Unterschiede in der Kurvenform bestehen derart, dab fiber 6 wesentlich raschere Schwankungen das Bild beherrschen.

17"

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260 A.E. Kornmiiller: Weitere Ergebnisse

Gleich nach Beginn der Registrierung aber finder sich fiber 6 und 1 eine Gruppe grSBerer Schwankungen, die sich zuerst auf die bipolare Ableitung 6--1 auswirkt, dann aber (auf der durch eine gestrichelte Linie markierten Streeke) so gleichartig verl/~uft, dab die bipolare Ableitung eine deutliche Verminderung der Amplituden erfs Man kann darin einen Ausdruek daffir sehen, dab bei weitgehender Unabh/~ngigkeit der T/~tigkeit zweier Stellen vorfibergehend sich doch eine Verknfipfung bemerkbar maeht. (S. unten!)

Bisher brachten wir Befunde fiber den Vergleich der Spannungs- produktion von Punkt~en, die zueinander in sagittaler Richtung angeordnet waren. Selbstverst/indlich kann man bei dem Vergleich von Punkten, die in anderen Richtungen zueinander liegen, im Prinzipe gleiche Fest- stellungen machen.

So zeigen z. B. symmetrische Punkte fiber beiden Hemisph/s h/iufig sehr ausgepr~gt die Bilder voriibergehender Gleichzeitigkeit und Ablau/s- gleichheit, wie sie auf Abb. 4 dargestellt sind. Es l~tBt sich vielleicht sogar sagen, daB dieser Befund zwischen Punkten, die zueinander symmetrisch liegen, im allgemeinen ausgepr~gter ist als zwischen Stellen, die fiber einer Hirnh~lfte liegen. ~ber vorderen Teilen des Stirnhirns ergeben sym- metrische Punkte bekanntlich das Bild der andauernden Gleichheit der Potentialschwankungen.

Oben wurde beschrieben, dab zwischen manchen Punkten (bei einem Abstand, der grSBer ist als der Streubereich) die bipolaren Ableitungen sti~ndig an Amplitude kleiner sind als die entsprechenden unipolaren. Bei gleichen Elektodenabstanden finder sich dieser Befund z. B. zwischen occipital medial und lateral gelegenen Punkten, nicht aber beim Vergleich einer occipitalen mit einer welter oral gelegenen Stelle. Dieses Verhalten ist nur so zu deuten, dab zwischen bestimmten Punkten dauernd ein grSBerer Grad yon Synchronismus der Potentialschwankungen besteht als zwischen anderen Stellen. Wir kommen darauf weiter unten zurfick. Hier wollen wir aber noch festhalten, dab ein synchroner Anteil der Spannungsproduktion im allgemeinen (nicht ausnahmslos) grSBer ist zwischen Punkten medio-lateraler oder symmetrischer Anordnung als bei Ableitestellen, die in ffonto-occipitaler Richtung zueinander liegen.

Besonders interessant und fiir die Ermittlung der corticalen Erre- gungsmechanismen sehr wichtig ist es, fortlaufende Dauerregistrierungen unter den in den vorangehenden Mitteilungen und hier angewendeten Gesichtspunkten zu analysieren und das sich zwar dauernd ~ndernde, aber doch oft wiederholende Wechselspiel der Selbst/indigkeit und der vielgestaltigen Verknfipfungen der Potentialschwankungen yon je 2 Rin- denstellen zu beobachten. Aus Grfinden der Platzersparnis mfissen wir leider davon Abstand nehmen, eine l~ngere Dauerregistrierung Stfick ffir Stiick in der angegebenen Weise zu analysieren.

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fiber die normalen hirnbioelektrischen Erscheinungen des Mensehen. 261

Ansatz zur Ermittlung der regionalen Gliederung der Hirnrinde mit Hil/e hirnbioelektrischer Ableitungen yon der Kop/schwarte.

Die friiher (1939b 1. c.) dargelegten Grenzen der Methodik miissen selbstverst/~ndlich berficksichtigt werden, wenn man - - wie dies im folgen- den geschehen soll - - einenVersuch unternimmt, durch die Kopfschwarte abgeleitete hirnbioelektrische Erscheinungen in Beziehung zu best immten Stellen der Hirnrinde zu setzen bzw. an Hand dieser eine ungef/thre regionale Gliederung der Hirnrinde auf der Kop/haut anzugeben. Es kommt im folgenden darauf an, ,,Grenzen" zwischen bioelektrisch differen- ten Ableitepunkten auf der Kopfschwarte anzugeben. Bei Berficksichti- gung der seitlichen Streuung der Hirnrindenpotentiale durch die zwischen spannungsproduzierender Hirnrinde und Elektroden (auf der Kopfhaut) liegenden Medien wird es sich natfirlich nicht um seharfe Grenzen han- deln, sondern um Uberg/inge, die wir unter Berfieksichtigung des frfiher ermittelten Streuungsfaktors auf Abb. l a eintragen wollen. Es gibt verschiedene Kriterien, die ffir die Ermit t lung bioelektrischer ,,Grenzen" auf der Kopfschwarte herangezogen werden kSnnen: 1. Die Kurvenform und 2. die oben dargelegten Kriterien, die sich aus dem Vergleich von 2 Hirnrindenstellen mittels besonderer Ableitungskombinationen ergeben. Es werden sieh wohl im Laufe der Zeit noch weitere Kriterien linden lassen.

1. Unterschiede in der Kurven]orm.

Die nun mitzuteilenden Befunde ergeben sich auch aus den Abb. 2 bis 9, die zur Veransehauliehung der folgenden Ausffihrungen heranzu- ziehen sind.

Das Bild, das von Berger als normales Elektrenkephalogramm, be- stehend aus r162 und fl-Wellen, besehrieben wurde, finder sich am ausge- pr/~gtesten fiber den Stellen 1 und 2 (der Abb. la). Vor dem Punkt 2 sind die tr/igen Schwankungen im allgemeinen nicht immer so gro6 und auch nicht so kontinuierlich. Man kann darum zwischen den Punkten 2 und 3 eine Grenze auf Abb. la eintragen. Diese kSnnte mSglieherweise mit dem vorderen Rand des Adrianschen Fokus zusammenfallen, der bekanntlich nach der Auffassung dieses Autors durch physikalische Streuung auch das Bild fiber den anderen Stellen der Oberfl/~che der Kopfschwarte bestimmen soll 1.

Bezfiglich der Kurvenform fallen dann besonders die Punkte 6 und 7 auf, wo sich auffallend grol~e, rasche Schwankungen zeigen 2. Siehe die

i Die Argumente gegen diese Au//assung wurden frfiher mitgeteilt (KornmiiUer und Janzen, 1939a, I.c.). S. auch weiter unten!

2 Dal3 pr~zentral rasche Schwankungen bei enger bipolarer Registrierung zu beobachten sind, haben bereits Jasper und Andrews [Arch. of Neur. 14, 98 (1936)] beschrieben. Besti~tigung durch A. E. Kornm~tller: Die bioelektrischen Erschei- nungen der tlirnrindenfelder. Leipzig: Georg Thieme 1937. S. auch Lindsley (1. c.). Hier kam es auf eine genauere Eingrenzung an.

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Ableitungen 6 auf den vorangehenden Abbildungen ! lJber 5 wurden diese nur ganz gelegentlich und dann mit relativ kleiner Amplitude beobachtet. Wir mSchten darum auch zwischen den Punkten 5 und 6 der Abb. la eine Grenze einzeichnen. Vor dem Punkt 7 beherrschen wieder tr~ge Schwan- kungen das Bild, die aber bei einem Vergleich mit den langsamen Abl/tufen iiber den Punkten 1 und 2 sowohl in ihrer Form als auch in ihrer Aufein- anderfolge deutliche Unterschiede aufweisen. Sie sind auch keinesfalls so kontinuierlich wie die occipitalen Schwankungen (Kornmiiller und Janzen, 1939a, 1. e.).

Wir haben uns hier auf die Lokalisation der auff/illigsten Unterschiede in der Kurvenform beschr/inkt und kommen auf andere hierher geh6rende Befunde in einer spitteren Mitteilung zu sprechen.

2. Die regionale Verteilung der Be/unde, die sich aus der Kombination gleichzeitiger uni- und bipolarer Ableitungen ergaben.

Wie an Hand yon Abb. 2 dargestellt wurde, gibt es Paare yon Ableite- stellen, deren bioelektrische Spannungsproduktion keine Beziehungen erkennen 1/iBt. Dabei handelt es sich meist um Ableitungen mit relativ gro6em Elektrodenabstand. Ein weitgehender Synchronismus der Potentialschwankungen yon 2 Ableitestellen trifft bei Elektrodenab- st/inden, die aul~erhalb des Streubereiches liegen, nur ffir vordere Ab- schnitte des Frontalhirns zu. Die Grenze nach hinten liegt zwischen den Punkten 7 und 8 (der Abb. la).

Der Befund des vorfibergehenden Synchronismus der Potential- schwankungen zweier Stellen ist am ausgepr/~gtesten bei Punkten, die relativ nahe beieinander liegen. Wir fanden ihn z. B. zwischen den Punk- t e n 2 u n d 3, 4 u n d 5, 3 u n d 5 u n d 7 und 9 (derAbb. la). Es w/ire aus morphologischen Grtinden auch verst/indlich, dal~ n/iher aneinander liegende Stellen der Hirnrinde eher synchron t/itig sein kSnnen als Rinden- stellen, die welter voneinander entfernt sind. Es bestehen aber trotzdem beziiglich der H/~ufigkeit und der Dauer dieser vorfibergehenden Syn- ehronisierung offenbar 6rtliche Unterschiede derart, da[~ man den besag- ten Befund in mittleren Gebieten ausgeprKgter findet als fiber dem Occi- pitalhirn. DaB voriibergehender Synchronismus in den Potentialschwan- kungen auch zwischen entfernt liegenden Punkten festgestellt wurde, zeigt z. B. Abb. 9.

Man k6nnte die Meinung vertreten, dab die voriibergehende Synchronisierung yon Schwankungen zweier Punkte darauf zu beziehen sei, dab sich wKhrend dieser Zeit mitten zwischen den beiden Punkten ein ,,Fokus" im Sinne Adrians bildet, der zufolge seiner Lage die beiden Ableitestellen bioelektrisch in gleicher Weise beeinfluBt, so dab bipolar keine Spannungsdifferenz zwischen diesen Punkten zu registrieren ist. Zu unseren friiher (Kornmiiller und Janzen, 1. c.) gegen die Adrian- sche Auffassung gemachten Befunden wird hier erg~nzend noeh mitgeteilt, dab auch tierexperimentelle Erfahrungen dagegen sprechen. Es konnten vor allem an normalen, nicht narkotisierten Affen (und auch an anderen Tieren) yon allen

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Punkten der Konvexit~t st~indig Potentialschwankungen registriert werden, die keine so groBen Unterschiede in den Amplituden und der GrSSe ihrer Ableitegebiete auf- wiesen, wie sie nach der Fokuslehre Adrians vorhanden sein miil3ten. S. z. B. Abb. 6 und 7 bei Kornmi~ller 1937 (1. c.)!

Die oben beschriebene Addition von Potentialschwankungen zweier Hirnrindenstellen (Abb. 5) findet sich im allgemeinen nur bei grSBeren Elektrodenabst/~nden. Trotzdem ergeben sich auf Grund dieses Kriteriums ebenfalls 5rtliche Unterschiede. Bei Ableitungen fiber der hinteren H/~lfte des Grol~hirns ergab sich zwischen (auch genfigend entfernten) Punkten nicht das besagte Bild, so lange die Grenze zwischen den Punkten g und 6 nicht fiberschritten wurde. Occipitale und parietale Punkte ergeben also gegenfiber dem Punkt g keine Addition, wohl aber gegenfiber dem Punkt 6. Aus diesem Grund mSchten wir, wie schon oben auf Grund eines anderen Befundes, abermals zwischen 5 und 6 (der Abb. la) eine hirnbioelektrische Grenze einzeichnen.

Selbstverst/~ndlich kSnnen sich rein zufMlig einmal Schwankungen zweier Stellen in ihrer Wirkung auf die bipolare Ableitung addieren. Diese FMle haben wir hier nicht beriicksichtigt, sondern nur jene, bei denen man durch die H~ufigkeit des Auftretens der Addition von Potentialschwankungen auf kurzer Strecke den Ein- druck hatte, da{~ es sich hier nicht um einen Zufall, sondern um eine Gesetzm~Big- keit handelt.

Betrachten wir nun noch einmal die Grenzen, die wir auf Grund der Feststellungen dieses Abschnittes in die Abb. la eingezeichnet haben. Solche wurden bisher zwischen den Punkten 7 und 8, g und 8 und 2 und 3 gefunden. Aus verschiedenen Griinden mSchten wir meinen, dal~ die Grenze zwischen 7 und 8 etwa der architektonischen Grenze zwischen den Feldern 6 und 8 naeh Brodmann entspricht, die zwischen 5 und 6 dem Sulcus centralis und die zwisehen 2 und 3 dem vorderen Rand der Area 19 nach Brodmann. Eine Prfifung dieser Vermutung ist geplant. Es sollen bei Gelegenheit an Kranken vor neurochirurgischen Eingriffen die besagten Grenzen auf der Kopfschwarte eingezeichnet werden und nach der Trepanation die Projektion dieser Grenze auf die Hirnrinde in ihren Beziehungen zu den Furehen bzw. den ge- nannten arehitektonischen Gebieten festgestellt werden. Siehe auch den n/~ehsten Absehnitt!

IV. Besprechung und Arbeitshypothese. 19331 wurde durch Untersuchungen an Tieren festgestellt, da$

Rindengebiete, die in ihrem cytoarchitektonisehen Bau dureh l~ber- wiegen yon KOrnerzellen gekennzeiehnet sind, unter physiologisehen Versuchsbedingungen vorwiegend tr/~ge Schwankungen aufweisen, w/~h- rend Areale mit l~berwiegen yon Pyramidenzellen dureh ein Vorherrschen raseher Abl/~ufe gekennzeichnet sind. Einzelheiten dariiber siehe in

1 Kornm~dler: Dtsch. Z. Nervenheilk. 130, 44 (1933) und in sp~teren Mittei- lungen wiederholt.

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264 A.E. Kornmiiller: Weitere Ergebnisse

unseren frtiheren Arbeiten ! Wenn - - wie dies der Fall ist - - der genannte Befund ffir alle untersuchten Tiere einschlieBlich der Allen gilt, so scheint es verst~ndlich, aueh beim Menschen Entsprechendes zu erwarten. l~ber die Verteilung und Dichte der KSrnerzellen auf der Konvexit~t der menschlichen Hirnrinde ist bekannt, dab occipital die meisten KSrner- zellen vorhanden, dab frontal weniger zu finden sind und dab in einem Gebiet, das vor der Zentralfurche liegt und die architektonischen Felder 4 und 6 umfaflt, keine KSrnerzellen im Rindenquerschnitt bei einem besonderen Reiehtum an Pyramidenzellen zu finden sind. Siehe dazu Abb. 70 bei v. Economo und Koskinas 1. Es fgllt auf, dab die Verteilung der trggen und raschen Schwankungen fiber der ttirnrinde im groben analog ist, wie sich aus den oben gemachten Ausffihrungen und den Abb. 2--9 ergibt.

, ,Konstante zeitliche Beziehungen zwischen den Potentialschwan- kungen verschiedener Punkte des Zentralnervensystems sind uns Indi- katoren daffir, dab eine Verknfipfung in der T~tigkeit dieser Punkte vor- handen ist. Wghrend meines Erachtens durch die Kurvenform in erster Linie die T~tigkeit der Ganglienzellen der Hirnrinde angezeigt wird, stellen konstante zeitliche Beziehungen (--), wie sie auf Grund mehr- facher gleichzeitiger Registrierungen festzustellen sind, zur Hauptsache Signale /i~r enge /aseranatomische Verbindungen dar" (Kornmi~ller 1937, 1. c.). Dementsprechend waren wir bestrebt, die in den vorangehenden (gemeinsam mit Janzen) und in dieser Arbeit mitgeteilten Befunde fiber zeitliche Verknfipfungen der Potentialschwankungen yon je 2 Stellen der Hirnrinde zu ]aseranatomischen Tatsachen in Beziehung zu setzen. Unsere faseranatomischen Kenntnisse lassen erwarten, dab enge zeitliche Verknfipfungen zwischen Potentialschwankungen der verschiedensten Stellen vorhanden sind. Aus diesem Grunde ist es selbstverst~ndlich, dab man auch zwischen weir ent/ernten Punkten strenge zeitliche Ver- knfipfungen in den Potentialschwankungen feststellt. In Hinblick auf die vielen Faserverbindungen ist es aber darum nicht zwingend, aus solchen Befunden etwa den SchluB zu ziehen, dab die bioelektrische T~tigkeit der Hirnrinde fiberall die ,,gleiche" sei. Es handelt sich nicht um eine diffuse, strukturlose Gleichheit der Potentialschwankungen, sondern um zeitliche Verkniipfungen der Spannungsschwankungen yon Punkten gesetzm~ifliger Lokalisation. Letztere wiederum ergibt sich aus den eben- falls nicht diffusen, sondern gesetzm~Bigen /aseranatomischen Verbin- dungen. Diese bei hirnbioelektrischen Untersuchungen stets eingehend zu berficksichtigen, muB besonders empfohlen werden.

Zufolge der Existenz yon fronto-occipitalen Assoziations/asern ist z. B. zu erwarten, dab es auch zwischen frontalen und occipitalen Stellen zeitliche Verknfipfungen der Potentialschwankungen gibt. Dasselbe

1 Economo v. u. Koskinas: Die Cytoarchitektonik der Hirnrinde des erwachsenen Mensehen. Berlin: Julius Springer 1925.

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miiBte in gleicherWeise unter anderem fiir centro-oeeipitale und eentro- frontale Registrierungen gelten. Betrachtet man aber gleichzeitig vor- genommene Ableitungen von den genannten Regionen, so f/illt trotzdem auf, dall die genannten Gebiete in ihrer bioelektrischen T/itigkeit zeitlich nicht ununterbrochen verknfipft sind. Es hat eher den Anschein, dab fiber die besagten Bahnen Erregungen nur gelegentlich und wohl nur unter besonderen Bedingungen verlaufen. Wir verweisen auf Abb. 9, die gleichzeitige Ableitungen von den Punkten 6 und 1 bringt. Wahrend ffir die langste Dauer dieser Registrierung zwischen den Potential- schwankungen fiber 6 und 1 keine zeitlichen Verknfipfungen zu bestehen scheinen, findet sich am Anfang dieser Registrierung fiber beiden Punk- ten gleichzeitig eine Gruppe rascher Ablaufe, die gegen ihr Ende hin so synchron sind, dab die entsprechende bipolare Ableitung eine ein- deutige Reduktion ihrer Amplitude aufweist. Man kSnnte dabei an Erregungen fiber die centro-occipitalen Assoziationsbahnen denken.

Wir haben oben verschiedene Grade zeitlicher Verknfipfungen yon Potentialsehwankungen je zweier Stellen besprochen. Als Arbeitshypo. these mSchten wir dazu folgendes /iul~ern: Die Innigkeit der zeitlichen Verknfipfung hangt natiirlich vor allem davon ab, wie kurz die Zeit ist, die die Erregung von der einen zur anderen Stelle braucht, abgesehen von der Kfirze der Strecke und vor allem davon, ob sie fast nur fiber Fasern erfolgt oder ob eine grSBere Zahl von Synapsen dazwischengeschaltet ist. Steht also nur die Nervenleitungsgeschwindigkeit in Rechnung, dann sind die Potentialschwankungen der beiden angenommenen Punkte bei den hier verwendeten Papiergeschwindigkeiten als weitgehend syn- chron 1 zu bezeichnen. In diesen Fallen wird sich also, wie anzunehmen ist, ergeben, dal~ die bipolare Ableitung zwischen den beiden Punkten eine maximale Amplitudenreduktion erfahrt. Die Amplitudenreduktion der bipolaren Ableitung hangt natiirlich, wenn Latenzzeiten zwischen analogen Schwankungen der beiden entsprechenden unipolaren Ablei- tungen vorliegen, auch yon der Frequenz bzw. der Steilheit der Schwan- kungen ab. Bei gleicher Latenzzeit werden sich steilere Ablaufe starker auf die bipolare Ableitung auswirken, wahrend sich tragere mehr in ihrer Wirkung aufheben. Dies ist vor allem dann zu berficksichtigen, wenn rasche und trage Schwankungen gleichzeitig vorhanden sind. Eine Klarung ist in allen Fallen durch die Auswertung yon Registrierungen mit sehr rascher Papiergeschwindigkeit zu gewinnen 2. Ein idealer Synchronis- mus ist nur in den Fallen zu erwarten, wo 2 zur Ableitung gelangende Hirnstellen auf gleich langem Wege yon der drit ten Stelle her erregt wer- den (z. B. von subeortieal). Weniger gleichzeitig miillten die Entladungen

1 Wir sind uns bewullt, dab die Bezeichnung ,,synchron" nicht vfllig treffend ist, da natiirlich kleine Latenzzeiten vorliegen.

Die letzten Ausffihrungen ergeben sich aus den Befunden yon Kornmiiller u. Schaeder, 1. c. Der letztere hat zuerst darauf aufmerksam gemacht.

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266 A.E. Kommiiller: Weitere Ergebnisse

yon 2 Stellen sein, dcren Verbindungen fiber viele Synapsen gehen, also z. B. eine transcorticale Verbindung oder aber auch eine solche, die nicht direkt durch Assoziations- und Commissurenfasern hergestellt ist, sondern wo noch einc Strecke transcorticaler Ausbreitung vorhanden ist,

Besonders verst/~ndlich lassen sich einige Befunde erkl/~ren, wenn man die Pro]ektions/asern des Thalamus zur Hirnrinde zur Diskussion heran- zieht. Seit langem ist uns (gemeinsam mit Janzen) bekannt, dal~ vordere Teile des Stirnhirns weitgehend synchron und gleichartig in ihrer bio- elektrischen T/~tigkeit sind. Wir haben dieses Areal bier nach hinten durch die Linie zwischen den Punkten 7 und 8 auf der Abb. la abgegrenzt. Dieser Befund schien uns nur dadurch versts daI~ (am ehesten yon

Abb. 10. Die Intensit~it der Thalamusprojektion auf die Hirnrinde yon hSheren Affen. (Nach Walker.)

subcortical) eine gleichzei- tige Erregung des besagten Gebietes erfolgt. Nun hat Walker 1 fcstgestellt, dab das Gebiet des Stirnhirns, das vor der Area 6 liegt, am intensivsten yon Fasern aus dem Thalamus ver- sorgt wird. Siehe Abb. 10 ! Die Fasern stammen aus dem Nucleus medialis dor- salis. Wenn auch Walker diesen Befund an hSheren

Affen gewonnen hat, so ist er (auch nach Auffassung dieses Autors) wegen der phylogcnetischen Verwandtschaft auf den Menschcn direkt fibertragbar. Wenn Walker auch in der Gegcnd dcr Zentralfurche einen schmalen Streifen angibt, der ebenfalls intensiv yore Thalamus her mit Fasern versorgt wird und bei dem darum bioelektrisch Analoges zu er- warten w/~rc, so ist dazu zu bemcrken, dab sich dies bei der bioelektrischen Ableitung yon der Kopfschwarte (in Form yon Synchronisierung der Ab- l~ufe) deswegen nur wenig ausdriickcn mag, weil dieser Streifen beim Menschcn im Verh/~ltnis zum Affen noch schmalcr sein mu6, da die Felder in der Nachbarschaft der Zentralfurche beim Menschen bekanntlich welter in die Tiefe dieses Sulcus einbezogen werden. Das nach Walker ebenfalls intensiv vom Thalamus versorgte Gebiet des Occipitallappens, die Area striata, erreicht beim Menschen die Konvexit/~t so gut wie nicht. Auch dieses ist darum durch Ableitung yon der Kopfschwarte des Menschen nicht zu erfassen.

Dieselbe Grenze, wie sie zwischen den Punkten 7 und 8 (der Abb. la) an- gegeben wurde als hintere Begrenzung eines bioelektrisch weitgehend synchronen Gebietes, wurde auch an einer Krankcn (J. G.) mit genuiner Epilepsie gefunden ~.

1 Walker: The primate Thalamus, The University of Chicago monographs in Medicine (1938). - - 2 Abb. 7 bei Kornmiiller und Janzen, 1939b, 1. c.

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KrampfstrSme vom Typus der ,,spikes" und ,,waves" zeigten bezfiglich der ,,waves" vor dieser Grenze vollkommene Gleichartigkeit und Synchronismus, caudal davon aber nicht mehr. Auch diesen Befund mSchten wir jetzt so deuten, dal3 die ,,waves" vor dieser Grenze auf Erregungen yore Thalamus her zurfickzuffihren sind. Der- artige Auswertungen der hirnbioelektrischen ]3efunde Hirnkranker versprechen viele neue Ergebnisse.

Aus dem eben Dargelegten erg/~ben sich eine Reihe nicht geahnter MSglichkeiten der Prii/ung der Funktion subcorticaler Kerne und im spe- ziellen des Thalamus au/ Grund des Studiums der hirnbioelektrischen Erscheinungen, die m a n von der Kop/schwarte gewinnt.

Es mfiBten sich z. B. bei einem Ausfall des Nucleus medialis dorsalis des Thala- mus, vorausgesetzt, dal3 unsere obige Annahme richtig ist, StSrungen in der syn- chronen TAtigkeit des vorderen Frontalhirns zeigen. Nun stehen aber bestimmte andere Thalamuskerne mit bestimmten anderen Arealen der Hirnrinde (s. Abb. 67 hei Walker, ]. c.) in Verbindung. Auch die innerhalb dieser Gebiete yon uns ermittel- ten, wenn auch nicht vollkommenen, Zeichen synchroner T~tigkeit kSnnten bei SchAdigungen bestimmter Thalamuskerne AbAnderungen erkennen lassen. Even- tuell ware auch zu erwarten, daft Kerne, die fiber den Thalamus mit der Rinde ver- knfipft sind (z. B. das Striatum), sich noch in ihrer corticalen (auch pathologischen) Wirkung erfassen lassen. Dabei kSnnten vielleicht auch noch einfachere Kriterien (z. B. die Kurvenform, das Fehlen bestimmter Wellen u. a. m.) Einblicke in die normale oder pathologische Wirkung gewisser subcorticaler Kerne oder Faser- systeme geben. Es wird dabei z. B. an die MSglichkeit gedacht, dab sich bei Zer- stSrungen im Bereiche bestimmter Kerne oder deren Faserverbindungen mit der Rinde bei Ableitung der bioelektrischen Spannungsproduktion dutch die Kopf- schwarte andauernde oder auch nur vortibergehende Reduktionen der Amplituden- .qr6flen, auch der unipolar abgeleiteten Schwankungen, ergeben. Dies mfil3te in den FAllen eintreten, in denen der Synchronismus der Entladungen der einzelnen Ganglienzellen z eines bestimmten Rindenquerschnittes durch Erregungen yon subcortical her bedingt wird. Die AmplitudengrSBen der Potentialschwankungen sind ja yon der Zahl der beteiligten Elemente abhAngig, die sich innerhalb kfirzester Zeitabschnitte entladen. Wenn daher diese subcorticalen Erregungen fehlen, mfil3te unter den angegebenen Voraussetzungen die gleichzeitige AuslSsung der Entladungen vieler Zellen nicht mehr gegeben seiu und dementsprechend die Addi- tion der Einzelentladungen, d. h. also die normale AmplitudengrSfle der zu regi- strierenden Kurve fehlen. Wit sind damit beschAftigt, diese Auffassungen sowohl an Menschen mit Thalamuserkrankungen als auch in Untersuchungen an Tieren, bei denen experimentell bestimmte Thalamuskerne ausgeschaltet sind, zu prfifen.

Man kSnnte natfirlich auch das myeloarchitektonische Bild des Rindenquer- schnittes zu dieser Diskussion heranziehen. Es ist aber wahrscheinlich, dab die Tangentialfaserung im Rindenquerschnitt deswegen nicht sehr ffir die Synchroni- sierung grSl3erer Gebiete verantwortlich zu machen sein diirfte, weil diese zu sp~r- lich ist und zur Hauptsache nur aus relativ kurzen ~'asern (anscheinend gerichteten Verlaufs) besteht, so dab fiber gr613eren Strecken mehrere Synapsen vorhanden sein diirften, die bekanntlich eine entsprechende VerzSgerung der Erregungsleittmg mit sich bringen.

Auf Grund der Befunde, die die bisherige Pri i fung dieser Arbeits- hypothese ergeben hat, scheint es uns yon grSl~ter Wichtigkeit , bei

1 Sonst sprachen wit in dieser Mitteilung immer yon Synchronismen zwischen den Potentialschwankungen yon je 2 Gesamtquerschnitten der Rinde.

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abnormen bioelektrischen Befunden deren Ausdehnungsgebiet genau einzugrenzen. Die Ausdehnung dieses Areals kann im Zusammenhang mit den morphologischen Tatsachen und eventuell auch den klinischen Befunden wertvolle Hinweise darfiber abgeben, ob im vorliegenden Fall ein corticaler oder ein subcorticaler Herd anzunehmen ist.

Die gei~uBerten Auffassungen sind lediglich als Arbeitshypothese zu betrachten. Wir haben aber deswegen yon ihrer Mitteilung nicht Abstand genommen, da sich daraus eine Reihe yon Fragestellungen ergibt, und da sich mit der Priifung dieser Annahmen oder gar mit deren Besti~tigung neue Wege aufzeigen lieBen, die uns viel weitergehende Einblicke in das Hirngeschehen erm5glichen kSnnten, als man yon der Methodik der hirnbioelektrischen Ableitung yon der Kopfschwarte bisher allgemein erwartete und die uns andere Methoden fiberhaupt nicht erlauben. Mit der Priifung dieser Auffassungen sind wit seit einiger Zeit beschi~ftigt und durch die bisher gewonnenen Ergebnisse yon ihrer Brauchbarkeit immer mehr fiberzeugt worden. Darfiber wird sp/iter berichtet.

Zusammenfassung. 1. Es werden Befunde mitgeteilt, die zeigen, dab man unter bestimm-

ten methodischen Voraussetzungen mit Hilfe der hirnbioelektrischen Erscheinungen bei Ableitung durch die Kopfschwarte des Menschen Einblicke in den Mechanismus der corticalen Erregungsabldu/e und

2. in die regionale Gliederunff der Hirnrinde gewinnen kann. 3. Die Befunde werden mit Tatsachen der Hirnmorphologie in Zu-

sammenhang gebracht und teilweise als Ausdruck der Erregung der Hirn- rinde yon bestimmten Fasersystemen her gedeutet. Es werden als Arbeits- hypothese M6glichkeiten besprochen, aus den hirnbioelektrischen Er- scheinungen, selbst bei Ableitung dieser yon der Kopfschwarte, die nor- male bzw. abnorme T/itigkeit bestimmter subcorticaler Hirngebiete priifen zu kSnnen.